216 40 43MB
German Pages 162 [164] Year 1993
Linguistische Arbeiten
298
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Gerhard Heibig, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Ingrid Renz
Adverbiale im Deutschen Ein Vorschlag zu ihrer Klassifikation und unifikationsbasierten Repräsentation
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1993
D 61
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Renz, Ingrid : Adverbiale im Deutschen : ein Vorschlag zu ihrer Klassifikation und unifikationsbasierten Repräsentation / Ingrid Renz. - Tübingen : Niemeyer, 1993 (Linguistische Arbeiten ; 298) NE:GT ISBN 3-484-30298-4
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Hugo Nadele, Nehren
Inhaltsverzeichnis 0. Einleitung
l
1. Computerlinguistische Grundlagen 1.1 Merkmalsstrukturen und Unifikation 1.2 Grammatiktheorie, Grammatikformalismus und Grammatikfragment 1.3 Organisation des Lexikons
4 4 9 11
2. Adverbiale im Deutschen 2.1 Beschreibung der Adverbialformen 2.2 Klassifikation aufgrund der Adverbialfunktionen 2.3 Stellungsmöglichkeiten der Adverbiale 2.4 Semantische Aspekte von Adverbialen 2.5 Mehrdeutige Adverbiale 2.6 Zusammenfassung
15 18 25 36 45 50 52
3. Adverbiale in Grammatikformalismen 3.1 Kategorialgrammatik (KG) 3.2 Generalized Phrase Structure Grammar (GPSG) 3.3 Head-Driven Phrase Structure Grammar (HPSG) 3.4 Kategorialgrammatische Ideen in der HPSG
54 55 66 70 80
4. Ein 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Grammatikfragment für Adverbiale im Deutschen Kombinatorische Information Semantische und funktionale Informationen Häufungen von Adverbialen Adverbialformen Bewertung des Grammatikfragmentes
82 83 90 102 108 115
5. Adverbiale im Lexikon 5.1 Zuordnung von Adverbial-Templates 5.2 Repräsentation der Adverbial-Templates
119 121 131
6. Zusammenfassung
137
Anhang: Ein Grammatikfragment für Adverbiale in QPATR
138
Literatur
155
0. Einleitung Die vorliegende Arbeit entstammt der Computerlinguistik. Dies bedeutet, daß mit formal wohldefinierten Methoden, die von der Informatik und der Mathematik beeinflußt sind, Sprache untersucht wird. Dabei wird die Untersuchung der Sprache in Form von formalen Beschreibungen, d.h. Repräsentationen, von einzelsprachlichen Phänomenen geleistet. Diese Repräsentationen sind auf Computern implementierbar und stellen dadurch Simulationen der einzelsprachlichen Phänomene dar. Mit der formalen Beschreibung von Sprache werden aber immer auch Erkenntnisse über Sprache ausgedrückt. Aufgrund dieses Erkenntnisinteresses ist die Computerlinguistik Teil der Sprachwissenschaft bzw. der Linguistik. Sprachwissenschaftliche Erkenntnisse haben oftmals die Form von Klassifikationsversuchen, die mithilfe von Kriterien und Ordnungsprinzipien sprachliche Phänomene beschreiben. Je nach Art der Kriterien und Ordnungsprinzipien können dabei Klassifikationen entstehen, die auch den formalen Anforderungen der Computerlinguistik genügen und in die Computerlinguistik übertragbar sind, indem sie unter Verwendung von computerlinguistischen Methoden repräsentiert werden. Da aber sprachwissenschaftliche Klassifikationen häufig nicht diesen computerlinguistischen Anforderungen entsprechen, ist eine solch unmittelbare Verwendung der sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse in der Computerlinguistik selten möglich. Auch wenn sprachwissenschaftliche Klassifikationen häufig nicht computerlinguistisch repräsentiert werden können, so weisen sie doch auf das methodische Vorgehen dieser Arbeit hin. Ausgangspunkt für die computerlinguistische Repräsentation sprachlicher Phänomene ist eine zugrundeliegende Klassifikation dieser Phänomene. Dabei ist das Verhältnis von Klassifikation und Repräsentation das der gegenseitigen Abhängigkeit und Beeinflussung. Die Kriterien und Ordnungsprinzipien der Klassifikation müssen bereits im Hinblick auf die formale Beschreibung entwickelt werden, und die Repräsentation muß auf den Erkenntnissen dieser Klassifikation beruhen. Während die Repräsentation ausschließlich computerlinguistische Methoden verwendet, darf die Klassifikation rächt auf die Computerlinguistik beschränkt sein. Sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, auch wenn sie nicht direkt in die Computerlinguistik übertragbar sind, müssen die Erstellung der Klassifikation beeinflussen. Die Methode, von einer sprachwissenschaftlichen Klassifikation ausgehend eine computerlinguistische Repräsentation zu entwickeln, wird in dieser Arbeit angewendet, um Adverbiale im Deutschen zu untersuchen. Die Adverbiale bilden eine Klasse von sprachlichen Zeichen, die in vielen sprachwissenschaftlichen Arbeiten in vielfacher Hinsicht beschrieben sind. Unter diesen Arbeiten gibt es auch Klassifikationsversuche, die jedoch nicht computerlinguistisch umsetzbar sind. Dennoch
enthalten sie wichtige sprachwissenschaftliche Erkenntnisse, die eine computerlinguistisch repräsentierbare Klassifikation übernehmen muß, wie die Verwendung von Adverbialen als Angaben und als Ergänzungen oder weitere Subklassifizierungen innerhalb der Klasse der Adverbiale. In der Computerlinguistik finden Adverbiale bisher nur als Angaben Beachtung, indem sie gemeinsam mit Attributen einer Klasse der Adjunkte zugeordnet werden. Auf diese Weise wird die Vielfalt der Adverbiale, wie sie in sprachwissenschaftlichen Arbeiten deutlich wird, ignoriert Diese Vorgaben, interessante sprachwissenschaftliche Arbeiten und ungenügende computerlinguistische Repräsentationen, führen dazu, daß die Adverbiale einen Gegenstandsbereich bilden, an dem das Zusammenwirken von sprachwissenschaftlich beeinflußter Klassifikation und computerlinguistischer Repräsentation exemplarisch aufgezeigt werden kann. Zugleich bedeutet die computerlinguistische Repräsentation der Adverbiale aber auch den Versuch, über bisherige computerlinguistische Arbeiten hinauszugehen. Computerlinguistische Methoden dienen häufig nur dazu, einfache sprachliche Phänomene zu beschreiben, wobei sich die Beschreibung oft nur auf die Syntax beschränkt Eine solche Beschränkung widerspricht aber den Erkenntnissen über Adverbiale, da es sich hier um einen Gegenstandsbereich handelt, bei dem Syntax und Semantik gleichermaßen berücksichtigt werden müssen und unterschiedliche sprachliche Phänomene angesprochen werden. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut. Kap. l führt die computerlinguistischen Grundbegriffe ein, die in den weiteren Kapiteln (d.h. in Kap. 3, Kap. 4 und Kap. 5) benötigt werden. Kap. 2 enthält eine Klassifikation der Adverbiale ausgehend von den möglichen Funktionen und die Beschreibung der Adverbialformen. Aspekte der Semantik und der Distribution sind auf diese Klassifikation und Beschreibung bezogen. Auch Mehrdeutigkeit, wie sie charakteristisch für Adverbiale ist, wird berücksichtigt. Dieses Kapitel bildet die Grundlage für die Beurteilung bisheriger computerlinguistischer Repräsentationen (vgl. Kap. 3) und für die Entwicklung einer eigenen computerlinguistischen Repräsentation (vgl. Kap. 4 und Kap. 5). Kap. 3 stellt verschiedene computerlinguistische Arbeiten zu Adverbialen vor, die in die Grammatikformalismen Kategorialgrammatik, Generalized Phrase Structure Grammar und Head-Driven Phrase Structure Grammar eingebettet sind. Die Beurteilung und der Vergleich dieser Arbeiten führen zur Wahl des in Kap. 4 verwendeten Grammatikformalismus (HeadDriven Phrase Structure Grammar). In Kap. 4 wird eine computerlinguistische Repräsentation für Adverbiale im Deutschen in Form eines Grammatikfragmentes entwickelt. Dieses Grammatikfragment basiert auf Kap. 2 und erfaßt die grundlegenden sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse über Adverbiale. Auf diese Weise geht das vorgeschlagene Grammatikfragment über bisherige computerlinguistische Arbeiten zu Adverbialen hinaus.
Kap. 5 zeigt die Repräsentationsmöglichkeiten für Adverbiale in einem strukturierten Lexikon, das auf das Grammatikfragment in Kap. 4 bezogen ist. Sprachwissenschaftliche Generalisierungen, wie sie auch die Klassifikationen beschreiben, können hier ausgedrückt werden. Kap. 6 faßt die Ergebnisse dieser Arbeit zusammen. Der Anhang besteht aus einem weiteren Grammatikfragment, das in den Grammatikformalismus QPATR eingebettet ist. Dieses Grammatikfragment umfaßt die gleichen sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse wie das in die Head-Driven Phrase Structure Grammar eingebettete Grammatikfragment in Kap. 4 und zeigt damit die Übertragbarkeit der in dieser Arbeit entwickelten computerlinguistischen Repräsentation.
1. Computerlinguistische Grundlagen Aufgabe dieses Kapitels ist es, die computerlinguistischen Begriffe, Notationen und Grundsätze, die im folgenden verwendet werden, einzuführen. Kap. 1.1 stellt die Merkmalsstrukturen als Träger aller linguistischen Information und die informationskombinierende Operation der Unifikation vor. Merkmalsstrukturen und Unifikation bilden die Grundlage der in der Computerlinguistik gebräuchlichen unifikationsbasierten Grammatikformalismen. Solche Grammatikformalismen sind formale Sprachen zur Beschreibung von Grammatikfragmenten und damit zur Repräsentation von Erkenntnissen über natürliche Sprachen. Die Beziehung zwischen Grammatiktheorie, Grammatikformalismus und Grammatikfragment erläutert Kap. 1.2. Erkenntnisse über Sprache können aber nicht nur in einem Grammatikfragment, sondern auch im Lexikon abgebildet werden. Überlegungen zu der Beziehung von Grammatikfragment und Lexikon sowie zur Strukturierung und Organisation des Lexikons werden in Kap. 1.3 angesprochen.
1.1 Merkmalsstrukturen und Unifikation Merkmalsstrukturen sind ein wohldefinierter Datentyp.1 Sie dienen in der Computerlinguistik zur Repräsentation von Informationen, wobei die Informationen beliebige Bereiche, u.a. die Morphologie, die Syntax oder die Semantik, betreffen können. Shieber 86, S. 14f schreibt: "feature structures are serving an informational function". Merkmalsstrukturen bestehen aus einzelnen Merkmalsspezifikationen, die konjunktiv miteinander verknüpft sind. Jede Merkmalsspezifikation, auch einfach nur Merkmal genannt, besteht ihrerseits aus einem Merkmalsnamen und dem zugehörigen Wert. Die Werte sind entweder atomare Werte oder wieder Merkmalsstrukturen. Diese Struktur wird auch als AttributWert-Paar bezeichnet. Merkmalsstrukturen können als gerichtete, azyklische Graphen, Konjunktionen von Pfadgleichungen oder Matrizen dargestellt werden.2 Es handelt sich dabei um notationelle Varianten, mit denen keine inhaltlichen Unterschiede verbunden sind. Dies zeigt sich in (1-1), wo 1
Eine ausführliche Darstellung von Merkmalsstnikturen und Unifikation findet sich u.a. in Shieber 86 und Carlson/Linden 87. An ihren Definitionen orientiert sich auch diese kurze und informelle Ausführung.
2
"Wir wollen Merkmalsstrukturen im folgenden als mathematische Objekte betrachten, genauer als Mengen von azyklischen gerichteten Graphen über einer endlichen Menge von Kantenmarkierungen und einer endlichen Menge von atomaren Werten." (Görz 89, S. 12). Zu den Vorteilen dieser graphentheoretischen Fundierung schreibt Shieber 86, S. 21: "Underlying the graph-theoretic view is a twofold rationale. First, graph theory provides a simple and mathematically well-defined vocabulary with which to model the various feature systems of linguistic theories. Second, it leads to a coherent framework for investigating structure-combining operations".
die drei Notationen die gleiche Merkmalsstruktur darstellen. Dabei sind die Merkmalsnamen oder Attribute mit/und die atomaren Merkmalswerte mit v bezeichnet
(1-1) a) als gerichteter, azyklischer Graph
£2
fl
f4
b)
als Matrix fl
vl f5 v5\
ß
ß f4
fS v6\ v4 J
c) als Pfadgleichungen = vl = v5 = v6 = v4 Im folgenden werden Merkmalsstrukturen nur als Pfadgleichungen und als Matrizen repräsentiert. Merkmalsstrukturen sind partielle Funktionen, die Attribute auf Merkmalsspezifikationen abbilden. Damit sind mehrere Eigenschaften dieses Datentyps vorgegeben. So müssen in einer bestimmten Merkmalsstruktur nicht alle Attribute spezifiziert sein. Die Definition als partielle Funktion ermöglicht die leere Merkmalsstruktur (in Matrixnotation als / ] symbolisiert) als eine zulässige Merkmalsstruktur. Weiterhin müssen Merkmalsstrukturen konsistent sein. Während es ausgeschlossen ist, daß einem Attribut mehr als ein Wert zugeordnet ist, ist es erlaubt, einen Wert mehr als einem Attribut zuzuordnen. Diese Struktur wird als "reentrancy", "shared value" oder koindizierter Wert bezeichnet und kann sowohl atomare Werte als
auch komplexe Werte betreffen. In der Matrixdarstellung (vgl. l-2a) werden die koindizierten Werte mit gleichen, vor die Werte gestellten Zahlen gekennzeichnet.3 In den Pfadgleichungen (vgl. l-2b) wird diese Struktur durch die Gleichsetzung der Pfade ausgedrückt
(1-2) a) als Matrix
fl
Ivl ]f5 2 1/7 vTfl 2
P
^ 1] .
b) als Pfadgleichungen = vl = v? =
Zwischen Merkmalsstrukturen kann eine partielle Ordnungsrelation, die Subsumtion, definiert werden. Diese Relation ist abhängig von dem Informationsgehalt der beteiligten Merkmalsstrukturen. Die Relation B cA gilt genau dann, wenn A mindestens alle Informationen enthält, die in B enthalten sind. Informell kann gesagt werden, je weniger Informationen in einer Merkmalsstruktur enthalten sind, um so allgemeiner ist diese Merkmalsstruktur, und um so mehr Merkmalsstrukturen können von ihr subsumiert werden. So ist die leere Merkmalsstruktur die allgemeinste Merkmalsstruktur. Sie kann alle anderen Merkmalsstrukturen subsumieren. Ein atomarer Wert ist dagegen am restringiertesten und kann nur sich selbst subsumieren. Die Subsumtionsrelation wird mit c symbolisiert. Äquivalent zu der Aussage B subsumiert A, wenn die Relation B cA besteht, ist die Aussage, ist eine Extension von B. Die folgende Abbildung illustriert diese Relation:
(1-3)
/7 [ ] c \fl v/]
3
fl f2
vl 1 fl c vl} P
Ivl
\P il
c
f3 fl /4
1W 1 1 W
Um Verwechslungen zwischen Koindizieiungen und atomaren Werten zu vermeiden, werden im folgenden niemals freistehende Ziffern als atomare Werte verwendet
Bei der Subsumtion/Extension muß beachtet werden, daß es sich hier um eine partielle Ordnungsrelation handelt. Es sind daher zwei verschiedene Fälle zu unterscheiden, in denen diese Ordnungsrelation nicht gilt. Shieber 86, S. 16 beschreibt dies folgendermaßen: This can come because the feature structures have differing but compatible information as in
caf.
}
NP
agreement: [number, singular^
car.
NP
agreement: [person: third[ or because they have conflicting information e.g.
cat. NP agreement: [number, singular car.
NP
"
1
agreement: [number.: plural]\
The difference between the two cases is that in the first case, there exists a more specific feature structure that is subsumed by both feature structures, namely,
cat:
agreement:
NP
number, singular person:
third [
whereas in the second case, no such feature structure exists. Diese Merkmalsstruktur, die alle Informationen enthält, die auch in den Ursprungsmerkmalsstrukturen enthalten sind, aber keine weiteren Informationen, ist die Merkmalsstruktur, die durch die Unifikation der beiden Ursprungsmerkmalsstrukturen entsteht. Carlson/Linden 87, S. 118 definieren die Unifikation als Operation auf Graphen: The unification of two graphs exists and can be defined as • a feature value, if both of the graphs consist of the same constant value, • one of the given graphs, if the other graph consists of the empty value, • all the features of the top level of either graph and their unified feature values if the values of the features that the graphs have in common can be unified. The unification operation is associative, commutative, and idempotent. The partaking graphs are said to subsume (contain no more information than) their unification. Beispiele für die Unifikation von Merkmalsstrukturen sind in (1-4) abgebildet. Das Symbol u kennzeichnet den Unifikaüonsoperator.
(1-4) a) ]fl vl] U []
1/7 vJ]
-
b) [/7 W] U [/Z v2]
-
scheiten
wenn v7 v v2 atomare Werte sind und vl *V2.
c) \fl ]ß v2]] U ]fl \f3 v3]]
-
/2 v2
d) f l \\ß v3]
U \ß \f4
l
e)
U \ß \f4 W]
-
Das Beispiel in (l-4a) zeigt den einfachen Fall, wenn mit der leeren Merkmalsstruktur unifiziert wird. In (l-4b) wird die einzige Möglichkeit gezeigt, wie die Unifikation scheitern kann. Nur wenn versucht wird, zwei unterschiedliche atomare Werte zu unifizieren, scheitert die Unifikation. Auf diese Weise stellen die atomaren Werte eine Art abfragbare Information dar. In (l-4c) gelingt die Unifikation von komplexen Merkmalsstrukturen. (l-4d) und (l-4e) machen den Unterschied von Merkmalsstrukturen mit koindizierten Werten und Merkmalsstrukturen mit gleichartigen Werten deutlich. Mit der Operation der Unifikation wird die in den Merkmalsstrukturen repräsentierte Information auf konsistente Weise zusammengefügt. Indem zwei und mehr Merkmalsstrukturen miteinander unifiziert werden, entsteht eine Merkmalsstruktur, die all die Informationen enthält, die in den ursprünglichen Merkmalsstrukturen repräsentiert sind (vorausgesetzt, die Informationen sind kompatibel und daher unifizierbar). Außer der Unifikation können auch andere Operationen auf Merkmalsstrukturen definiert werden. Die Generalisierung stellt eine solche Operation dar. Sie liefert die Merkmalsspezifikationen, die allen Ursprungsmerkmalsstrukturen gemeinsam sind. Im Unterschied zur Unifi-
kation, die scheitern kann, gelingt die Generalisierung immer. Sie ist ebenso wie die Unifikation assoziativ, kommutativ und idempotent. Während für die Ergebnismerkmalsstruktur C der Unifikation der Merkmalsstrukturen A,, A2> ..., A„ gilt: Al c C A2 c C ... An c C, gilt für die Ergebnismerkmalsstruktur D der Generalisierung der Merkmalsstrukturen A,, A2, ..., A„: D cAj D c A2 ... D c An, Neben Erweiterungen, die aus der Definition weiterer Operationen wie der Generalisierung bestehen, können zusätzliche Ausdrucksmittel dadurch eingeführt werden, daß andere Werte zugelassen werden. Als Erweiterung der zulässigen Werte wurden die Negation und die Disjunktion (Karttunen 84, Shieber 86, S. 42f, 49, 63), Listen, Mengen, Funktionen und Relationen (Pollard/Sag 87, S. 38-49) vorgeschlagen. Diese Werte müssen dann auch bei der Definition der Operationen, d.h. vor allem bei der Unifikation, berücksichtigt werden, da sich durch sie die Datenstruktur verändert. Die grundlegenden Ausdrucksmittel sind aber nur die allgemeinen Merkmalsstrukturen, bestehend aus Attribut-Wert-Paaren, wobei der Wert entweder atomar oder eine allgemeine Merkmalsstruktur ist, und die Operation der Unifikation, die entsprechend dieser Merkmalsstrukturen definiert ist.
1.2 Grammatiktheorie, Grammatikformalismus und Grammatikfragment Seit Ende der 70er Jahre wurde eine Reihe von Grammatikformalismen entwickelt, deren gemeinsame Eigenschaft ist, daß sie Informationen in Form von Merkmalsstrukturen repräsentieren und mit der Operation der Unifikation kombinieren. Diese Grammatikformalismen werden aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten als unifikationsbasierte Grammatikf ormalismen zusammengefaßt.4 Grammatikformalismen sind formale Sprachen mit eigener Syntax und Semantik. Sie verfügen über wohldefinierte Ausdrucksmittel. Diese Ausdrucksmittel sind in den unifikationsbasierten Grammatikfonnalismen neben den allgemeinen Merkmalsstrukturen und der Unifikation kontextfreie Regeln, Systeme von Gleichungen und weitere Operationen auf Merkmalsstrukturen. Alle unifikationsbasierten Grammatikformalismen gleichen sich darin, daß sie die allgemeinen Merkmalsstrukturen und die Unifikation enthalten. Sie können sich aber dadurch unterscheiden, daß sie auch erweiterte Merkmalsstrukturen und andere Operationen verwenden.
Die bekanntesten, auf der Unifikation von Merkmalsstrukturen beruhenden Grammatikformalismen sind die Functional Unification Grammar (FUG - Kay 85), die Generalized Phrase Structure Grammar (GPSG Gazdar/Klein/Pullum/Sag 85), die Lexical Functional Grammar (LFG - Kaplan/Bresnan 82) und die HeadDriven Phrase Structure Grammar (HPSG - Pollard/Sag 88). Außerdem gibt es eine Reihe von Arbeiten, die die Kategorialgrammatik in einen Unifikationsformalismus einbetten (Uszkoreit 86, Zcevat/Klein/Calder 86, Bouma 87, Bouma 88, Wesche 88, Zeevat 88, Karttunen 89).
10 Grammatikformalismen sind keine Grammatiktheorien. Ein Grammatikformalismus stellt zunächst nur eine Notation dar, und es ist die Aufgabe einer Grammatiktheorie bzw. einer linguistischen Theorie, den Status des Grammatikformalismus zu bestimmen. Grammatiktheorien postulieren allgemeine Prinzipien und generelle Beziehungen. Wenn eine Grammatiktheorie und ein Grammatikformalismus miteinander verbunden sind, müssen diese theoretischen Vorgaben auch in dem Grammatikformalismus erfaßt werden.5 Auf diese Weise schränkt die Grammatiktheorie den Grammatikforrnalismus ein und erfüllt so die Forderung, "daß die Ausdruckskraft von Grammatikformalismen durch Restriktionen der linguistischen Theorie begrenzt werden sollte" (Görz 89, S. 11). Shieber 86, S. 5f gibt drei wichtige Gründe an, warum Grammatikformalismen als Beschreibungssprachen sinnvoll sind. Sie sind als wohldefinierte formale Sprachen ein exaktes Mittel, um natürliche Sprache zu beschreiben, sie grenzen die Klasse von möglichen natürlichen Sprachen ein, und sie stellen eine computerinterpretierbare Charakterisierung natürlicher Sprache dar. Von der Wahl eines bestimmten Grammatikformalismus hängen dann die linguistische Beschreibungsmächtigkeit, die linguistische Beschreibungsadäquatheit und die algorithmische Effektivität ab. Die in dieser Arbeit verwendeten Grammatikformalismen stimmen mit allen anderen unifikationsbasierten Grammatikformalismen in einigen wichtigen Eigenschaften überein. So sind sie • oberflächenorientiert Die tatsächliche lineare Anordnung der Satzelemente wird charakterisiert. • interpretativ Mit jedem Satz und jedem Bestandteil davon werden wohldefinierte Beschreibungen assoziiert. • unifikationsbasiert oder in einen unifikationsbasierten Grammatikformaüsmus übertragbar Zu den Ausdrucksmitteln gehören Merkmalsstrukturen und Unifikation, oder die Ausdrucksmittel können mit Merkmalsstrukturen dargestellt werden. • deklarativ Die Definitionen geben an, welche Kombinationen zulässig sind, und nicht, wie sie erzeugt werden. • monoton "... die kombinierte Struktur [kann] keine neue Information enthalten, die über die in den Teilmerkmalsstrukturen enthaltene Information hinausgeht" (Görz 89, S. 13). Im Rahmen eines Grammatikformalismus und unter Berücksichtigung der zugehörigen Grammatiktheorie können Grammatikfragmente, auch Grammatikformulierungen genannt, entNicht immer ist mit einem Grammatikformalismus auch eine Grammatiktheorie verbunden. Neben den theorieorientierten unifikationsbasierten Grammatikformalismen wie Generalized Phrase Structure Grammar (GPSG) und Head-Driven Phrase Structure Grammar (HPSG) gibt es auch werkzeugorientierte Grammatikformalismen wie PATR-II, beschrieben in Shieber 86. Auch die Kategorialgrammatik (KG) stellt einen (nicht unifikationsbasierten) Grammatikformalismus und weniger eine Grammatiktheorie dar.
11
wickelt werden. Ein Grammatikfragment ist die explizite Beschreibung eines Ausschnitts einer natürlichen Sprache. Es repräsentiert sprachliche Zeichen, d.h. Wörter, Phrasen, Sätze, indem die Eigenschaften und Beziehungen entsprechend den linguistischen Einsichten modelliert werden. Die modellierten linguistischen Einsichten können alle linguistischen Ebenen betreffen, d.h. nicht nur syntaktische, sondern auch semantische Zusammenhänge sind mittels eines Grammatikfragmentes repräsentierbar. Jedes Grammatikfragment besteht aus Regeln und Prinzipien, die festlegen, wie komplexere Einheiten aus einfacheren Einheiten zusammengesetzt sind, und aus den einfachsten Einheiten, die durch das Grammatikfragment nicht weiter zerlegbar sind und aus einem zugehörigen Lexikon stammen (die lexikalischen Zeichen oder Terminalsymbole). Ein Grammatikfragment nutzt die Ausdrucksmittel des Grammatikformalismus, dessen formale Eigenschaften das Grammatikfragment auf diese Weise auch besitzt, und muß die Vorgaben der Grammatiktheorie beachten. Bei der Beurteilung eines Grammatikfragmentes ist daher nicht nur zu berücksichtigen, ob die Repräsentation den linguistischen Einsichten entspricht, sondern auch, ob die Ausdrucksmittel und die theoretischen Vorgaben angemessen sind. Ein Grammatikfragment kann somit auch der Überprüfung von Grammatikfoimalismus und Grammatiktheorie dienen.
1.3 Organisation des Lexikons Alle Überlegungen zum Lexikon müssen auf die Grammatikfragmente bezogen sein. Jedes Grammatikfragment besteht aus Regeln und Prinzipien, die die Kombination von Wörtern zu Phrasen und Sätzen bestimmen. Wörter, Phrasen und Sätze bilden dabei die Zeichen der Sprache, die durch Attribut-Wert-Paare repräsentiert werden. Die Zeichen, die aufgrund der Regeln und Prinzipien des Grammatikfragmentes nicht weiter zerlegt werden, bilden die lexikalischen Zeichen, die zwar Teil des Grammatikfragmentes sind, aber aus dem Lexikon stammen. Im Lexikon wird jedem dieser lexikalischen Zeichen genau ein Lexikoneintrag zugeordnet. Der Lexikoneintrag enthält alle für das Zeichen notwendigen Informationen entsprechend den Anforderungen des Grammatikfragmentes.6 So muß ein Lexikoneintrag als Merkmalsstruktur darstellbar sein, wenn das zugehörige Grammatikfragment in einem unifikationsbasierten Grammatikformalismus geschrieben ist. Shieber 86, S. 79 verwendet für die PATR-II-Lexikoneinträge eine festgelegte Notation, die, mit dem Schlüsselwort Word beginnend, jedem lexikalischen Zeichen Pfadgleichungen zuordnet. Das Beispiel in (1-5) illustriert diese Vorgehensweise an der Wortform sleeps.
6
"Die in neueren Grammatikmodellen ericennbare Tendenz, dem Lexikon eine immer bedeutendere Rolle beizumessen, bringt eine zunehmende Komplexität in Struktur und Inhalt der lexikalischen Information mit sich." (Görz 89, S. 8).
12
(1-5) Word sleeps :
= V = finite = NP = third = singular = end = sleep = .
Sleeps stellt für das zugehörige Grammatikfragment ein lexikalisches Zeichen dar, da es aufgrund der Regeln und Prinzipien des Fragmentes nicht weiter zerlegbar ist. Als lexikalisches Zeichen muß es im Hinblick auf die Grammatikformulierung vollspezifiziert sein. Dies bedeutet, daß alle Informationen, die für sleeps im Rahmen des Grammatikfragmentes relevant sind, in der Merkmalsstruktur explizit vorkommen müssen.7 Dieses explizite Vorkommen von Informationen in der Merkmalsstruktur darf aber nicht gleichgesetzt werden mit der expliziten Repräsentation von Informationen in Lexikoneinträgen. Wie im folgenden gezeigt wird, gibt es für das Lexikon als ganzes und für die einzelnen Lexikoneinträge eigene, d.h. grammatikfragmentunabhängige Strukturierungs- und Organisationsprinzipien. Ein wichtiges Strukturierungsprinzip ist, daß die Informationen, die ein Lexikoneintrag enthält, in spezifische und generelle Informationen unterteilt werden. Die generellen Informationen beschreiben Pollard/Sag 87, S. 202 folgendermaßen: "those properties which are shared with a class of similar signs". Es handelt sich also um die Informationen, die unterschiedlichen lexikalischen Zeichen gemeinsam sind und aufgrund derer Klassen von lexikalischen Zeichen definiert werden können. Spezifische Informationen sind dagegen jene, die das lexikalische Zeichen von anderen lexikalischen Zeichen unterscheiden. In dem Lexikoneintrag für sleeps in (1-5) gehören die Informationen über die Rektion, das sind die Pfadgleichungen = NP, = end und = , zu den generellen Informationen, da alle intransitiven Verben derart spezifiziert sind. Auch die Pfadgleichungen = finite, = third, = singular stellen generelle Informationen dar, da alle Verben, die dritte Person singular sind, diese Informationen besitzen. Schließlich ist auch die Pfadgleichung = V eine generelle Information, die alle Verben betrifft. Spezifisch ist in diesem Lexikoneintrag für sleeps nur die Pfadgleichung = sleep.
In diesem Fall (und den Pfadgleichungen in (1-5) folgend) handelt es sich um die Informationen: sleeps gehört der Kategorie Verb an, ist finit, regiert als erstes Komplement eine Nominalphrase, die die Merkmale dritte Person und singular aufweisen muß, und regiert keine weiteren Komplemente. Der lexikalische Gehalt ist 'sleep' und die semantische Argumentstelle des Prädikats wird gefüllt von der semantischen Repräsentation der syntaktischen Ergänzung.
13 Die Unterscheidung in spezifische und generelle Informationen führt dazu, daß das Lexikon die Beziehungen, die zwischen den Informationen in den Lexikoneinträgen herrschen, abbildet. Das Lexikon ist damit eine Wissensstruktur, die generelle linguistische Einsichten repräsentieren kann. Dabei stellen die Lexikoneinträge die Zugänge zu dieser Wissensstruktur dar. Ein Lexikon, das diesem Modell entspricht, wird als strukturiertes Lexikon bezeichnet. Folgende Eigenschaften kennzeichnen ein solches strukturiertes Lexikon: • Es macht die Zusammengehörigkeit von Informationen explizit. • Es konstituiert Klassen, die auf dieser Zusammengehörigkeit von Informationen basieren. • Es kennzeichnet die Beziehungen zwischen den Klassen mittels Verweisen. • Es ist arm an Redundanz und reich an linguistischen Generalisierungen.8 Solch ein strukturiertes Lexikon benötigt weitere Ausdrucksmittel. Shieber 86, S. 55 führt dazu die Templates ein: "... templates, which are name-bearing feature structures that can be used in lexical entries". Templates ordnen zusammengehörige Informationen, die als AttributWert-Paare repräsentiert sind, gemeinsam einem lexikalischen Zeichen zu. Diese Zuordnung erfolgt monoton, d.h. nur widerspruchsfreie Informationen werden kombiniert. Falls widersprüchliche Informationen auftreten, scheitert die Zuordnung. Weiterhin können Templates auf generellere Templates verweisen und konjunktiv miteinander verknüpft werden. Sie sind dadurch fähig, die Verweisstruktur eines strukturierten Lexikons zu repräsentieren. Für den Lexikoneintrag in (1-5) können generelle Templates definiert werden, die die notwendigen Informationen entsprechend ihrer Beziehungen organisieren. Diese Templates können dann als Teil des Lexikoneintrags dem lexikalischen Zeichen sleeps zugeordnet werden. (1-6) zeigt den Ausschnitt eines strukturierten Lexikons in der Notation aus Shieber 86. (1-6) Word sleeps :
INTRANS THIRDSING = sleep.
Let THIRDSING be
= finite = third = singular.
Let INTRANS be
VERB = NP - end = .
Let VERB be
= V.
Ähnliche Überlegungen zur Organisation des Lexikons führen in Flickinger/Pollard/Wasow 85 zur Einführung von "frames" ("We make use of the frame-based representation language 8
"... the ability to organize the lexicon in such a way as to remove redundancies and encode generalizations is especially important." (Shieber 86, S. 54).
14 to impose a rich hierarchical structure on our lexicon." (Flickinger/Pollard/Wasow 85, S. 263) und in Pollard/Sag 87, S. 191-209 zu hierarchisch angeordneten Typen ("lexical information is organized on the basis of relatively few ... word types arranged in cross-cutting hierarchies which serve to classify all words on the basis of shared syntactic, semantic, and morphological properties." (Pollard/Sag 87, S. 192f)). Sowohl frames als auch Typen verfügen über (nichtmonotone) Mittel, die das Scheitern der Zuordnung im Fall von widersprüchlicher Information verhindern. Wie sich in Kap. 5 zeigt, reichen in dieser Arbeit aber ausschließlich Templates zur Organisation des Lexikons aus.
2. Adverbiale im Deutschen Dieses Kapitel bildet die Grundlage für eine systematische, formale Beschreibung von Adverbialen im Deutschen.1 Die Beschreibung umfaßt Aspekte der Form und der Funktion ebenso wie die wichtigsten Bedeutungs- und Distributionseigenschaften dieser Klasse von sprachlichen Konstruktionen. Dabei stellt sich zunächst das Problem, um welche Klasse es sich bei Adverbialen handelt, d.h. welche sprachliche Zeichen als Adverbiale bezeichnet werden und wodurch Adverbiale charakterisiert sind. Es gibt in der Sprachwissenschaft keine allgemein anerkannte Definition für Adverbiale. Bei vielen sprachwissenschaftlichen Arbeiten ist aber auffällig, daß Definitionsversuche auf die Begriffe Adverb oder Angabe bzw. Adjunkt verweisen. Ein Beispiel dafür ist Allerton/Cruttenden 74, S.lf: "By an ADVERBIAL we wish to denote any 'adjunct' or modifier used in a non-adjectival way. An adverbial may be a simple lexical item of the class ADVERB like perhaps or here; alternatively it may be of the structure ADJECTIVE (+ ly); or (PREPOSITION +) NOUN PHRASE; ...". Eine solche Beschreibung von Adverbialen kann kaum zur defmitorischen Abgrenzung dienen. Der Zusammenhang zwischen einer Wortklasse wie den Adverbien, einer Wortbildung wie Adjektiv + /v, Konstituenten wie Präpositionalphrasen und der syntaktischen Relation Adjunkt wird von Allerton/Cruttenden 74 nicht ausgeführt. Um Adverbiale mithilfe von Adverb und Angabe zu spezifizieren, ist es notwendig, zuerst auf diese Begriffe einzugehen. Adverbien sind eine Wortklasse und damit eine lexikalische Kategorie. Sie sind morphologisch durch ihre Nichtflektierbarkeit gekennzeichnet und unterscheiden sich auf diese Weise von Substantiven, Adjektiven und Verben. Von den anderen nichtflektierbaren Wortklassen Präposition und Konjunktion unterscheidet sie ihre syntaktische Kombinierbarkeit. Jacobson 64, S. 18 beschreibt ihre sehr unterschiedlichen Funktionen: Adverbs are words used as modifiers of sentences and clauses, adjectivals, verbals, adverbials, and, in certain cases, nominals and functionals, as complements of the copula be and verbals, and as referents calling attention to all kinds of words and word-groups. In addition, many adverbs are used as sequence-signals. Diese Auflistung der möglichen Funktionen von Adverbien zeigt, daß anders als die Abgrenzung von anderen sprachlichen Zeichen mittels morphologischer und syntaktischer Eigenschaften eine funktionale Abgrenzung der Wortklasse Adverb nicht sinnvoll ist. In (2-1) sind Beispiele für Adverbien im Deutschen aufgeführt (Adverbien sind dabei unterstrichen), um die funktionale Vielfalt dieser Wortklasse zu illustrieren.
1
Das Ziel dieses Kapitels ist zwar die Beschreibung der Adverbiale im Deutschen, doch werden dabei immer wieder auch Arbeiten, die sich mit Adverbialen in anderen Sprachen beschäftigen, herangezogen. Vor allem die Funktion und die Semantik der Adverbiale finden sich in allen Sprachen, Unterschiede betreffen dagegen die Form und die Stelluagsmöglichkeiten.
16
(2-1) a) Eine Katze jagt selten Hunde. b) Der sehr verspielte Hund sucht die Maus. c) Nur Katzen mögen Mäuse sehr. d) Jetzt ist die Maus der Katze entwischt. e) Vielleicht fangen die Mäuse bald an, sich an den Katzen zu rächen. f) Oben auf dem Dachboden gibt es sogar Ratten. g) Die Katze dort wartet sehr oft auf eine Maus. Selten in (2-la), jetzt in (2-ld), sehr oft in (2-lg) modifizieren Verbprojektionen. Ebenso wird in (2-le) eine Verbprojektion modifiziert, allerdings nicht nur von einem Adverb, sondern von den zwei Adverbien vielleicht und bald mit unterschiedlichen semantischen Funktionen. Nur in (2-lc) und sogar in (2-lf) modifizieren Nominalphrasen und sind diesen vorangestellt. Dort in (2-lg) modifiziert ebenfalls eine Nominalphrase, doch ist in diesem Fall das Adverb nachgestellt. Sehr modifiziert in (2-lb) ein attributives Adjektiv und in (2-lg) das Adverb oft. In (2-lc) dagegen modifiziert sehr die Verbprojektion. Das Adverb oben in (2-lf) modifiziert die Präpositionalphrase auf dem Dachboden und, gemeinsam mit dieser, die Verbprojektion. Anders als Adverbien lassen sich Angaben nicht aufgrund ihrer Form definieren. Angaben sind Satzglieder, die in einer bestimmten syntaktischen Relation zum ganzen Satz stehen. Der Begriff stammt aus der Valenztheorie und steht in Opposition zu Ergänzung. Zur Unterscheidung von Angaben und Ergänzungen gibt es eine Vielzahl von Paraphrasen-, Umstell- und Weglaß-Tests.2 Angaben sind im Unterschied zu Ergänzungen fakultativ und weglaßbar (syntaktisches Kriterium) und sind keine Argumente des Prädikats, sondern Zusatzprädikationen (semantisches Kriterium). Sie unterliegen weder der Kasusrektion eines Verbes noch der eines Adjektivs (wie in den Beispielen des Wartens müde oder (mit) mir verwandt) und sind, abgesehen von Selektionsrestriktionen, einem Satz frei hinzufügbar. Angaben können von unterschiedlicher Form sein: Wörter wie Adverbien (2-2a), Phrasen wie Nominalphrasen (2-2b) und Präpositionalphrasen (2-2c), Infinitivkonstruktionen (2-2d) und Nebensätze (2-2e) sind zulässig. In den Beispielen in (2-2) sind die Angaben durch Unterstreichung gekennzeichnet
(2-2) a) Eine Katze jagt selten Hunde. b) Der Hund bellt jeden Tag. c) Die Katze jagt auf der Wiese eine Maus. d) Der Hund läßt sich streicheln, ohne zu knurren. e) Eine Maus ist glücklich, bis sie einer Katze begegnet. In manchen sprachwissenschaftlichen Arbeiten werden Adverbiale und Angabe synonym gebraucht (z.B. Droescher 74, S. 279). Andere wie Eichinger 79, S. 82 setzen Adverb und Ad-
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Vgl. Somers 84, S. 508-520 und Buysschaert 82, S. 3-81, in denen die wichtigsten Testverfahren beschrieben und beurteilt werden. Dabei werden allerdings englische Sätze untersucht. Für das Deutsche geben Heibig/ Schenkel 83, S. 31-40 vor allem den Eliminierungstest an.
17 verbial gleich. Diese Gleichsetzungen möchte ich nicht machen. Adverb und Angabe sind zwei voneinander unabhängige sprachwissenschaftliche Begriffe. Dennoch gibt es Zusammenhänge zwischen ihnen und dem Begriff Adverbial. So ist jede Angabe ein Adverbial, aber nicht jedes Adverbial wird als Angabe verwendet. Charakteristisch für Adverbiale ist, daß sie die Möglichkeit besitzen, als Angaben verwendet zu werden. Die meisten Adverbien können als Angaben verwendet werden und gehören dann zu der Klasse der Adverbiale. Dies gilt aber nicht für jedes Adverb. Die folgenden Sätze sollen den Adverbialbegriff dieser Arbeit mit Hilfe der beiden Begriffe Angabe und Adverb definieren.
(2-3) 1. Adverbien, die als Angaben verwendet werden können, sind Adverbiale. 2. Satzglieder, die durch (adverbiale) Adverbien ersetzt werden können, sind Adverbiale. 3. Das sind alle. Der erste Satz legt fest, daß nur Adverbien, die Sätze bzw. Verbalphrasen modifizieren, Adverbiale sind. Adverbien wie sehr in der sehr verspielte Hund sucht die Maus (2-lb) werden in dieser Arbeit ebensowenig berücksichtigt wie nur in nur Katzen mögen Mäuse (2-lc). Der zweite Satz hat zwei Funktionen. Einerseits legitimiert dieser Satz auch andere Formen als nur Adverbien. Wie schon in den Beispielen in (2-2) gezeigt, können Angaben von unterschiedlicher Form sein. Dies gilt auch für Adverbiale, da alle Angaben auch Adverbiale sind. Andererseits läßt der zweite Satz auch andere Verwendungsweisen von Adverbialen als nur Angaben zu, vorausgesetzt, der Status als Satzglied bleibt erhalten. Dies gilt für Adverbialergänzungen wie hier in die Maus befindet sich hier. So sind im folgenden Satz alle unterstrichenen Satzglieder Adverbiale: (2-4) Die Katze haust gern den ganzen Sommer im Garten, weil es dort viele Mäuse gibt. Diese Adverbiale unterscheiden sich aufgrund ihrer syntaktischen Beziehungen zum Satz (Angabe oder Ergänzung) und aufgrund ihrer Form. Alle Adverbiale können durch adverbiale Adverbien ersetzt werden oder gehören zu den adverbial verwendeten Adverbien (wie beispielsweise gern). Sie entsprechen dadurch den Bedingungen in (2-3). Die Tabelle in (2-5) zeigt die Zusammenhänge von Adverbial, Form, Relation und adverbialem Adverb als Paraphrase.
(2-5) Adverbial
Form
Relation
gern
Adverb
Angabe
im Garten
Präpositionalphrase
Ergänzung
dort
den ... Sommer
Nominalphrase
Angabe
lange
weil es ... gibt
Nebensatz
Angabe
deshalb
Paraphrase
—
18 Die mit der Definition in (2-3) eingegrenzte Klasse von sprachlichen Zeichen ist noch immer sehr vielfaltig. Systematische Klassifizierungen innerhalb dieser Klasse sind daher notwendig und Teil der folgenden Abschnitte. Kap. 2.1 wird näher auf die möglichen Formen von Adverbialen eingehen, Kap. 2.2 auf die möglichen Funktionen. Unterscheidungen wie satzbezogenes Adverbial gegenüber prädikatsmodifizierendes Adverbial werden in diesem Abschnitt ebenso getroffen wie Unterscheidungen aufgrund der Art der Modifikation. Kap. 2.3 fragt nach den Stellungsmöglichkeiten von Adverbialen im Satz unter Berücksichtigung der Form und der Klassifikation aufgrund der Funktionen. Kap. 2.4 stellt einige semantische Aspekte der Adverbiale vor. Kap. 2.5 beschäftigt sich mit der Mehrdeutigkeit bei Adverbialen. Alle Ergebnisse werden in Kap. 2.6 zusammengefaßt.
2.1 Beschreibung der Adverbialformen Adverbiale können von verschiedener Form sein. Wie das Beispiel in (2-4) die Katze haust gern den ganzen Sommer im Garten, weil es dort viele Mäuse gibt zeigt, gehören Adverbiale unterschiedlichen syntaktischen Kategorien an. Doch nicht alle syntaktischen Kategorien und nicht alle Elemente dieser Kategorien können als Adverbiale verwendet werden. Dieses Kapitel untersucht, welchen syntaktischen Kategorien Adverbiale angehören dürfen. Die zentrale Frage der Untersuchung ist, ob eine Klassifikation der Adverbiale aufgrund ihrer Form, d.h. ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten syntaktischen Kategorie, mehr ist als eine Auflistung dieser Kategorien. Eine mögliche syntaktische Kategorie wurde bereits vorgestellt. Adverbiale können der Kategorie Adverb angehören. Wie in den Beispielen in (2-1) gezeigt, gibt es Adverbien, die nicht adverbial verwendet werden. Adverbiale Verwendung haben beispielsweise die Adverbien in den Sätzen eine Katze iaet selten Hunde (2-1 a), jetzt ist die Maus der Katze entwischt (2-ld) und vielleicht fangen die Mäuse bald an, sich an den Katzen zu rächen (2-le). Hier beziehen sich die Adverbien auf die jeweiligen Verbprojektionen und fungieren als Angaben. Innerhalb der Kategorie Adverb werden die Pronominaladverbien weiter unterschieden. Sie sind Wortbildungen mit da(r)-, hier-, wo(r)- und einer Präposition. Zwei Beispiele für Elemente dieser Unterkategorie sind in (2-6) dargestellt.
(2-6) a) Die Maus versteckt sich dahinter. (z.B. hinter der Tür) b) Die Katze haust darin. (z.B. in einer Höhle) Eine weitere Klasse von sprachlichen Konstruktionen wird manchmal den Adverbien zugeordnet, dann unter dem Begriff adjektivisches Adverb, manchmal als eigene, von den Adverbien unabhängige Klasse angesehen und mit der Bezeichnung adverbiales Adjektiv als Adjektiv klassifiziert. Es handelt sich dabei um Wörter, die auch flektiert als Adjektive vorkommen,
19 hier aber unflektiert als Adverbiale verwendet werden. Im folgenden sind Beispiele dazu aufgeführt Alle Sätze in (a) enthalten die adverbiale Verwendung dieser Wörter, die Nominalphrasen in (b) die attributive Verwendung der entsprechenden flektierten Adjektivformen.
(2-7) a) Die Katze putzt sich gründlich. b) das gründliche Putzen der Katze (2-8) a) Die Maus flüchtet schnell. b) das schnelle Flüchten der Maus (2-9) a) Der Hund benimmt sich schlecht b) das schlechte Benehmen des Hundes In der sprachwissenschaftlichen Literatur sind die Meinungen über diese Wortformen geteilt. Eisenberg 89, S. 219-225 geht auf diese Diskussion ein und argumentiert für die Zuordnung der Formen in (2-7a), (2-8a) und (2-9a) in die syntaktische Kategorie Adjektiv. Erben 84, S. 82 spricht, ohne dies zu diskutieren, von adverbial gebrauchten Adjektiven. Argumente gegen diese Einordnung sind vor allem die morphologische Form (unflektiert) und die Verwendung als Adverbial. Da diese Funktion von ganz unterschiedlichen Formen erfüllt wird, bei denen eindeutig eine andere syntaktische Kategorie als Adverb vorliegt, ist dies nur ein schwaches Argument für die Einordnung in die Kategorie der Adverbien. Dagegen hätte die Einordnung der unflektierten Formen in die Kategorie der Adverbien eine unerwünschte Konsequenz, die Eisenberg 89, S. 220 folgendermaßen beschreibt: "Fast alle Adjektive können adverbial verwendet werden. Würde man sie in dieser Verwendung als Adverbien klassifizieren, wären die Adjektive Homonyme einer Teilklasse der Adverbien". Eine Einordnung dieser unflektierten Formen in die Kategorie der Adverbien würde daher eher Nachteile als Vorteile haben. Es gäbe zwar eine mögliche syntaktische Kategorie, die als Adverbial fungieren kann, weniger, aber dafür eine ganze Kategorie, die aus Homonymen zu Adverbien besteht Da im folgenden gezeigt wird, daß noch weitere syntaktische Kategorien als Adverbiale verwendet werden können, ist es nicht ungewöhnlich, auch die Adjektive als eine der möglichen Kategorien für Adverbiale aufzuführen. Bedingung dafür ist allerdings, daß es sich um die unflektierten Formen dieser Kategorie handelt.3
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Problematisch ist der Status der unflektierten Adjektive in den folgenden Sätzen die Katze springt hoch in die Luft, hoch springt die Katze in die Luft und die Maus flüchtet sich tief in die Erde. Zwar sind auch diese Adjektive vorfeldfähig, was die Annahme stützt, daß es sich hier um Angaben handelt, doch erweist es sich als unmöglich, sie durch das adverbiale Adverb irgendwie zu ersetzen. Dies ist jedoch aufgrund der Definition in (2-3) notwendig, damit sie der Definition für Adverbiale entsprechen. Auch Umformungen, wie sie in (2-7) durchgeführt wurden, scheitern (*das tiefe Flüchten, *das hohe Springen). Diese Unterschiede sprechen dafür, solche Adjektive nicht der Klasse der Adverbiale zuzuordnen.
20 Die Kategorie Adjektiv ist damit ebenso wie die Kategorie Adverb eine mögliche Kategorie, deren Elemente als Adverbiale fungieren können. Beide Kategorien lassen allerdings nicht alle ihre Elemente in dieser Verwendung zu. So wurde bereits gezeigt, daß ein Adverb wie sehr (vgl. 2-lb, 2-lg) nicht als Adverbial verwendet wird. Adjektive, die auch in ihren unflektierten Formen keine Adverbiale sein können, sind beispielsweise ehemalig oder heutig. Sie können nur attributiv und niemals prädikativ oder adverbial verwendet werden. Auffällig ist, daß es sich hier um Adjektivableitungen von Adverbien (heute, ehemals) handelt. Eine adverbiale Verwendung dieser Adjektive würde sich daher mit der Verwendung der entsprechenden Adverbien überschneiden. Eine weitere Kategorie, die adverbial gebraucht wird, sind die Präpositionalphrasen. Hier gibt es keine Einschränkung. Jede Präpositionalphrase kann ein Adverbial sein. Die Beispiele in (2-10) ordnen neben den Präpositionalphrasen mit Präposition (a,b,c) auch die mit Postposition (d,e) in diese Kategorie ein. (2-10) a) Die Katze wünscht sich zum Geburtstag eine Maus. b) Die Maus flüchtet wegen der Katze. c) Die Katze sonnt sich bei schönem Wetter. d) Der Hund rennt die Straße entlang. e) Dem Anschein nach ist die Maus entkommen. Eine ähnlich uneingeschränkte Verwendung als Adverbiale haben auch die konjunktional eingeleiteten Nebensätze. Nur die Nebensätze, die mit den Konjunktionen daß, wie oder ob oder mit einem Fragepronomen eingeleitet werden, sind grundsätzlich nichtadverbial. Alle anderen konjunktional eingeleiteten Nebensätze sind Adverbialsätze. Neben den konjunktional eingeleiteten Nebensätzen gibt es auch konjunktionslose Adverbialsätze mit Verb-Erststellung (vgl. 2-1 le). Beispiele für Adverbialsätze sind in (2-11) aufgeführt. (2-11) a) Eine Maus ist glücklich, bis sie einer Katze begegnet. b) Die Katze haust im Garten, weil es dort viele Mäuse gibt. c) Die Jagd auf Mäuse dauert, bis es Abend ist. d) Wenn das Wetter schön ist, sonnt sich die Katze auf der Mauer. e) Ist das Wetter schön, sonnt sich die Katze auf der Mauer. Erben 84, S. 99 weist auf die Parallelität zwischen Präpositionen und Konjunktionen hin. Es ist immer möglich, für die gleiche Ausdrucksmöglichkeit zwischen einem Adverbialsatz und einer Präpositionalphrase zu wählen. Für die Sätze in (2-11) sind in (2-12) die entsprechenden Paraphrasen aufgelistet. Sie unterscheiden sich nur dadurch, daß die Adverbialsätze durch Präpositionalphrasen ersetzt wurden.
21 (2-12) a) Eine Maus ist glücklich bis zu ihrer Begegnung mit einer Katze. b) Die Katze haust im Garten wegen der vielen Mäuse dort. c) Die Jagd auf Mäuse dauert bis zum Abend. d) Bei schönem Wetter sonnt sich die Katze auf der Mauer. Neben den konjunktional eingeleiteten Adverbialsätzen können auch konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktionen (mit zu) Adverbiale sein. Doch ist in diesem Fall die Anzahl der möglichen Ausdrucksmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Nur die Konjunktionen anstatt, ohne und um können adverbiale Infinitivkonstruktionen einleiten (vgl. 2-13). (2-13) a) Der Hund läßt sich streicheln, ohne zu knurren. b) Die Katze verfolgt Hunde, anstatt Mäuse zu fangen. c) Die Maus versteckt sich, um der Katze zu entkommen. Diese konjunktional eingeleiteten Infinitivkonstruktionen können ebenso wie Präpositionalphrasen und Adverbialsätze uneingeschränkt als Adverbiale verwendet werden. Von den bisher aufgeführten syntaktischen Kategorien Adverb, Adjektiv, Präpositionalphrase, Adverbialsatz und Infinitivkonstruktion unterscheidet sich die Kategorie Nominalphrase. In den erstgenannten Kategorien können entweder alle Elemente (Präpositionalphrase, Infinitivkonstruktion, Adverbialsatz), die meisten Elemente (Adverb) oder genau zu spezifizierende Elemente (Adjektive, die unflektiert sind) Adverbiale sein. Dies gilt nicht für Nominalphrasen. Der Regelfall ist hier, daß Nominalphrasen nicht als Adverbiale verwendet werden können und daß adverbiale Nominalphrasen als Ausnahmen anzusehen sind. Beispiele aus der sprachwissenschaftlichen Literatur für adverbiale Nominalphrasen sind in (2-14) mit ihren Quellenangaben aufgeführt. (2-14) a) zwei Tage (Steinitz 73, S. 96) b) drei Kilometer (Steinitz 73, S. 96) c) den ganzen Tag (Steinitz 73, S. 96) d) jeden Abend (Erben 84, S. 31) e) des Wegs (Steinitz 73, S. 194) Aus dieser Auflistung kann nur wenig Systematisches abgeleitet werden. So treten Nominalphrasen entweder im Akkusativ (2-14a,b,c,d) oder im Genitiv (2-14e) auf, aber niemals im Nominativ, was eine Unterscheidung der Nominalphrasen als Prädikatsnomen erlaubt.4 Sie
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An dieser Stelle müssen Nominalphrasen im Dativ, die ebenfalls nicht von der Rektion des Verbes gefordert werden, d.h. die sogenannten freien Dative, von den Adverbialen abgegrenzt werden. Zwar sind sie aufgrund der Definition in (2-3) als Adverbiale zu klassifizieren, doch werden sie in der Sprachwissenschaft nicht zu dieser Klasse gerechnet. Auch in dieser Arbeit wird ihnen ein besonderer Status eingeräumt, der sie von den Adverbialen abgrenzt.
22 drücken vor allem temporale Bezüge (2-14a,c,d) und selten lokale Bezüge (2-14b,e) aus. Andere Funktionen gibt es für diese Kategorie im Deutschen nicht. Aber auch die Funktion ist für die Zulässigkeit eines Elementes dieser Kategorie als Adverbial nicht ausreichend. Die Beispiele in (2-15) variieren das Adverbial, um zu zeigen, daß nur ganz besondere Nominalphrasen hier zulässig sind. Diese Nominalphrasen weisen eine komplizierte Interaktion von Funktion, Kasus, Artikel, Attributen und dem lexikalischen Kopf der Nominalphrase auf.3 (2-15) a) Die Maus geht b) c) d) e) f)
eine Stunde eine Weile *ein Zeitintervall *die Stunde »den Tag den ganzen Tag
spazieren.
In allen Sätzen in (2-15) soll eine Nominalphrase als Adverbial mit temporalem Bezug verwendet werden. Eine solche Verwendung ist nur in (a), (b) und (f) zulässig. Die Unterschiede zwischen (a), (b) und (f) einerseits und (c), (d) und (e) andererseits betreffen verschiedene Faktoren. Die Nominalphrasen in (a) und (d) besitzen den gleichen lexikalischen Kopf (das Substantiv Stunde) und unterscheiden sich nur in der Definitheit (bestimmter oder unbestimmter Artikel). Indefinitheit läßt die adverbiale Verwendung zu, Definitheit nicht Der Wechsel des lexikalischen Kopfes der indefiniten Nominalphrase führt bei Verwendung des Substantivs Weite in (b) zu einer möglichen adverbialen Nominalphrase, bei Verwendung des Substantivs Zeitintervall in (c) zu einer Nominalphrase, die nicht als Adverbiale verwendet werden kann, (e) und (f) zeigen den Einfluß eines Attributs der Nominalphrase. Während die definite Nominalphrase den Tag kein mögliches Adverbial ist, kann die Nominalphrase, wenn sie um das Attribut ganzen erweitert wird, ein Adverbial sein. Die Ausgangsfrage dieses Kapitels war, ob Adverbiale aufgrund ihrer Form klassifiziert werden können. Nachdem nun die möglichen Formen durch die Angabe der syntaktischen Kategorien bestimmt wurden, kann die Frage erneut aufgegriffen werden. Zunächst ist festzuhalten, daß es eine Reihe von sehr unterschiedlichen syntaktischen Kategorien gibt, deren Elemente grundsätzlich, mit Einschränkungen oder im Einzelfall adverbial verwendet werden können. Adverbiale können somit nicht durch die Angabe einer einzigen, einheitlichen Form charakterisiert werden. Wenn unterschiedliche Formen Gemeinsamkeiten anderer Art (z.B. gleiche Funktion, gleiche Distribution) zeigen, kann immer versucht werden, mögliche Zusammenhänge systematisch 5
In Larson 85, 595-599 werden adverbiale Nominalphrasen des Englischen untersucht. Dabei zeigt sich, daß im Englischen mehr adverbiale Funktionen durch Nominalphrasen ausgedrückt werden können als im Deutschen (auch Adverbiale der Art & Weise und direktive Adverbiale). Abgesehen davon, ähneln sich Deutsch und Englisch stark: es gibt keine Systematik, welche Nominalphrasen zulässig sind. Larson zeigt, daß auch im Englischen nur einzelne Konstruktionen adverbial verwendet werden können und daß dies von Artikel, Attributen) und lexikalischem Kopf abhängig ist.
23 zu beschreiben. So ist auch im Fall der Adverbiale zu fragen, ob bestimmte Formen an bestimmte Funktionen gebunden sind. Falls dies so wäre, dann ergäben sich als ein mögliches Klassifikationskriterium für die adverbialen Formen ihre adverbialen Funktionen. Bereits an Präpositionalphrasen und Adverbialsätzen wurde gezeigt, daß die Formen nicht an Funktionen gebunden sind. Dies gilt im Prinzip für alle adverbialen Formen, eingeschränkt nur in den Fällen der adverbialen Nominalphrasen und der konjunktional eingeleiteten Infinitivkonstruktionen, da es hier nur drei Konjunktionen gibt und damit die möglichen Funktionen restringiert sind. Diese Unabhängigkeit der Formen wird in (2-16) und (2-17) durch Paraphrasen gezeigt, in denen unterschiedliche adverbiale Formen die gleiche Funktion haben. (2-16) a) Die b) Die c) Die d) Die
Katze Katze Katze Katze
miaut, ohne einen Grund dafür zu haben. miaut, ohne daß sie einen Grund dafür hat. miaut ohne Grund. miaut grundlos.
(2-17) a) Wie es scheint, ist die Maus entkommen. b) Anscheinend ist die Maus entkommen. c) Dem Anschein nach ist die Maus entkommen. In (2-16) sind eine konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktion (a), ein Adverbialsatz (b), eine Präpositionalphrase (c) und ein unflektiertes Adjektiv (d) Paraphrasen zueinander. Das Entsprechende gilt für den Adverbialsatz (a), das Adverb (b) und die Präpositionalphrase (c) in (2-17). Die beiden Beispiele zeigen, daß es nicht möglich ist, die adverbialen Formen in Abhängigkeit von den adverbialen Funktionen zu systematisieren. Gleiche Formen haben unterschiedliche Funktionen, unterschiedliche Formen haben gleiche Funktionen. Adverbiale Funktionen stellen somit kein Kriterium für eine Klassifikation der adverbialen Formen dar. Die Formen können nur aufgrund interner Zusammenhänge beschrieben werden. Es stellt sich daher die Frage, ob solche Zusammenhänge existieren. Ein Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Formen, d.h. syntaktischen Kategorien, ist auf zwei Weisen mögüch. Entweder wird eine Oberkategorie eingeführt, die die unterschiedlichen Kategorien durch die Anwendung einer kontextfreien Regel6 wie CAT -» { Adv Adj PP AdvS ... } . dominiert, oder es wird eine syntaktische Eigenschaft, die allen Kategorien gemeinsam ist, explizit gemacht (z.B. durch eine Merkmalsspezifikation). Auch eine mögliche Oberkategorie kann sich auf eine gemeinsame Eigenschaft beziehen und durch sie motiviert sein, sie kann aber auch unabhängig von einer solchen Gemeinsamkeit eingeführt werden. In der folgenden Regel repräsentiert CAT die neue Oberkategorie. Adv, Adj, PP und AdvS sind Abkürzungen für Adverb, Adjektiv, Präpositionalphrase und Adverbialsatz. Die geschweiften Klammern {} repräsentieren die Disjunktion, d.h. die neue Oberkategorie kann ein Adverb oder ein Adjektiv oder eine Präpositionalphrase oder einen Adverbialsatz oder weitere Kategorien dominieren.
24 Es gibt keine syntaktische Eigenschaft, die den möglichen adverbialen Formen (aufgrund ihrer Form) gemeinsam ist. Präpositionalphrasen, Adverbialsätze, Infinitivkonstruktionen, unflektierte Adjektive, die meisten Adverbien und einige Nominalphrasen besitzen kein syntaktisches Merkmal, das sie untereinander verbindet und von allen anderen syntaktischen Kategorien unterscheidet. Die Einführung eines gemeinsamen Merkmals kann syntaktisch nicht begründet werden und wäre damit völlig willkürlich. Ein Merkmal wie [+ADV] ist eine Spezifikation der adverbialen Funktion, mit der kein Zusammenhang zwischen den adverbialen Formen geschaffen wird. Eine gemeinsame Oberkategorie für die verschiedenen adverbialen Formen kann auch ohne gemeinsames Merkmal eingeführt werden. Bereits Steinitz 73,96-106 argumentiert für die Präpositionalphrase als syntaktische Kategorie aller Adverbiale, wobei sie Adverbialsätze, Präpositionalphrasen und Pronominaladverbien berücksichtigt McCawley 88 weist auf Ähnlichkeiten zwischen adverbialen Nominalphrasen und Präpositionalphrasen im Englischen hin und argumentiert dafür, daß die adverbialen Nominalphrasen der syntaktischen Kategorie Präpositionalphrase zugeordnet werden sollten. Die Einführung einer Oberkategorie Präpositionalphrase führt bei den unterschiedlichen adverbialen Formen zu unterschiedlichen Problemen. Bei Adverbialsätzen und konjunktional eingeleiteten Infinitivkonstruktionen spezifiziert Steinitz 73 die Konjunktionen als Präpositionen, denen die sonst übliche nominale Ergänzung fehlen darf. McCawley 88 nimmt eine nicht realisierte Präposition bei den adverbialen Nominalphrasen an. An den Problemen der adverbialen Nominalphrasen (Interaktion von Funktion, Artikel, Attributen, lexikalischem Kopf) ändert sich dadurch nichts. Adjektive müssen dann ebenfalls von einer Präpositionalphrase dominiert werden, wobei ihre Restriktion für die adverbiale Verwendung (Unflektiertheit) berücksichtigt werden muß. Auch die adverbialen Adverbien würden dieser Oberkategorie angehören. Eine solche Oberkategorie hätte damit eine Reihe von unterschiedlichen Realisierungen mit jeweils anderen Restriktionen. Eine gemeinsame Kategorie der adverbialen Formen ändert nichts an deren Vielfalt. Eine Vereinheitlichung der adverbialen Formen, ob mittels eines syntaktisch unmotivierten Merkmals oder mittels einer Oberkategorie, die völlig verschiedene Kategorien dominieren muß, ist daher abzulehnen. Einen solchen Versuch lehnt auch Larson 85, S. 600f ab: As it turns out, however, the spectrum of adverbial categories is quite broad, including at least PP, AdvP, S', and NP (...). PP, AdvP, S', and NP simply constitute no natural class under any generally accepted set of syntactic features. Moreover, postulating a common node requires attributing "hidden" categorial structure that is rather difficult to motivate on independent grounds. Eine systematische Klassifikation der adverbialen Formen gelingt weder aufgrund von einem gemeinsamen syntaktischen Merkmal noch mittels einer übergeordneten Kategorie. Die einzelnen adverbialen Formen können zwar beschrieben und charakterisiert werden, ein Zusammenhang zwischen ihnen ist aber nicht herstellbar.
25
Doch auch eine reine Auflistung der möglichen syntaktischen Kategorien reicht nicht aus, um die möglichen adverbialen Formen darzustellen. Es gibt nicht nur die sechs verschiedenen Kategorien Adverb, Adjektiv, Präpositionalphrase, Adverbialsatz, konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktion und Nominalphrase. Diese Kategorien unterscheiden sich voneinander durch die Bedingungen, die für die adverbiale Verwendung ihrer Elemente gelten. So können alle Präpositionalphrasen, alle Adverbialsätze, alle konjunktional eingeleiteten Infinitivkonstruktionen und die meisten Adverbien ohne Einschränkung Adverbiale sein. Adjektive unterliegen der Restriktion, daß sie unflektiert sein müssen, und Nominalphrasen sind nur in genau zu spezifizierenden Ausnahmen Adverbiale. Eine Auflistung der Adverbialformen muß daher auch die Restriktionen, die für die Elemente der jeweiligen syntaktischen Kategorie gelten, enthalten. In (2-18) sieht dies folgendermaßen aus: (2-18) syntaktische Kategorie
Restriktion?
Beispiele in (2-
Adverb
ja, einzelne Elemente sind unzulässig
la,ld,le,lg,2a,4,6a,6b,17b
Adjektiv
ja, nur unflektierte Formen sind zulässig
7a,8a,9a,16d
Präpositionalphrase
nein
2c,4,10a,10b,10c,10d,10e, 12a,12b,12c,12d,16c,17c
Adverbialsätze
nein
2e,4,lla,llb,llc,lld,lle, 16b,17a
konj. eing. Infinitivkonstruktionen
nein
2d,13a,13b,13c,16a
Nominalphrasen
ja, nur wenige Elemente sind zulässig
2b,4,14a,14b,14c,14d,14e, 15a,15b,15f
2.2 Klassifikation aufgrund der Adverbialfunktionen Adverbiale lassen sich zwar aufgrund ihrer Form beschreiben, nicht aber systematisch klassifizieren. Dies ist bei den adverbialen Funktionen anders. Neben einer Beschreibung ist hier auch eine systematische Klassifikation möglich. Allerdings gibt es mehrere Kriterien für die Funktion von Adverbialen, sodaß unterschiedliche Klassifikationen möglich sind, die aufeinander bezogen werden müssen. Grundsätzlich gilt für die adverbialen Funktionen, daß sie sich auf die Verbprojektionen in einem Satz beziehen. Verbprojektion bedeutet dabei das lexikalische Verb, die Verbalphrase und der Satz (syntaktisch gesehen), das Prädikat und die ganze Prädikation (satzsemantisch betrachtet). Ein eher syntaktisches Kriterium ist die Frage, welche Art von Bezug das Adver-
26 bial leistet, welche Rolle ein Adverbial im Satz einnimmt. Dies führt zunächst zu der Unterscheidung Ergänzung gegenüber Angabe. Die Angaben werden weiter differenziert durch die Frage, worauf sie sich beziehen. Auf diese Weise entsteht eine Klassifikation der adverbialen Funktionen, die die syntaktische Funktion stärker betont, wenngleich auch semantische Aspekte damit verbunden sind. Diese Art von Funktion bezeichne ich im folgenden als externe Funktion. Neben dieser externen Funktion wird in diesem Abschnitt auch die interne Funktion untersucht. Das Kriterium dafür ist die Bedeutung des Adverbials selbst, das, was das Adverbial ausdrückt. Diese interne Funktion ist damit eher semantisch basiert und führt zu einer Klassifikation von Adverbialen, wie man sie in Wörterbüchern oder Schulgrammatiken findet. Klassen wie temporale, lokale, modale Adverbiale sind das Ergebnis dieser Klassifikation.7 Die Klassifikationen der Adverbiale aufgrund ihrer externen und internen Funktionen müssen aufeinander bezogen werden. So ist bei jeder externen Funktion zu fragen, welche internen Funktionen damit verbunden sein können, und bei jeder internen Funktion ist zu fragen, als welche externe Funktion sie verwendet werden kann. Die interne Funktion und die externe Funktion bestimmen gemeinsam weitere mögliche Eigenschaften. Außerdem müssen die möglichen Adverbialformen, die sich zwar nicht durch die Funktionen klassifizieren lassen, die aber dennoch in Beziehung zu den Funktionen stehen, einbezogen werden. Die externe Funktion fragt nach den Bezugsarten eines Adverbials in einem Satz. Eine Möglichkeit, Bezugsarten zu unterscheiden, ist die Einteilung der Adverbiale in Ergänzungen und Angaben. Ergänzungen werden von der Valenz des Verbes gefordert, sie sind syntaktisch obligatorisch. Semantisch füllen sie die Argumentstellen des Prädikats. Ob ein Adverbial Angabe oder Ergänzung ist, hängt nicht von dem Adverbial selbst, sondern nur von dem Verb (und seinen anderen Ergänzungen) ab.8 In (2-19) ist dies dargestellt. (2-19) a) Die Katze hält sich im Garten auf. b) Die Katze fängt im Garten eine Maus. c) Im Garten hält sich die Katze unter einem Rosenbusch auf. In (2-19a) ist die Präpositionalphrase im Garten obligatorische Ergänzung des Verbes sich aufhalten, das eine lokale Adverbialergänzung fordert. Der Status dieses Adverbials als Ergänzung wird in (2-19a) ausschließlich vom Verb bestimmt. Auch in (2-19b) bestimmt das Verb den
Eine dieser internen Funktionen ist, Negation auszudrücken. Adverbien wie nie und nirgends entsprechen dabei der Definition in (2-3). Dagegen ist der Status von Adverbien wie nicht oder keineswegs fraglich. Da derB eitrag dieser Adverbien deutlich komplexer ist als der aller anderen und Fragen nach Negation im allgemeinen aufwirft, die im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt werden können, werden alle Negationswörter im folgenden ignoriert. Hier muß aber auch die Angabe auf dem Racken in dem Satz die Katze liegt auf dem Rücken von der Ergänzung auf dem Sofa in dem Satz die Katze liegt auf dem Sofa unterschieden werden.
27
Status des Adverbials. Das Verb fangen fordert eine Akkusativ-Nominalphrase als direktes Objekt, es fordert keine Adverbialergänzung. Die Präpositionalphrase im Garten muß daher eine Angabe sein. Wie schon in (2-19a) fordert das Verb sich aufhalten in (2-19c) eine lokale Adverbialergänzung. Zwei Adverbiale in (2-19c) könnten diese Funktion übernehmen. Aufgrund der Stellung und vor allem aufgrund der semantischen Beziehung zwischen den beiden lokalen Adverbialen ist in diesem Beispiel die adverbiale Präpositionalphrase unter einem Rosenbusch die Adverbialergänzung und die adverbiale Präpositionalphrase im Garten eine Angabe. Dies zeigt, daß hier neben dem Verb sich aufhalten die vorhandene Ergänzung unter einem Rosenbusch für den Status des Adverbials im Garten verantwortlich ist. Die Adverbialergänzungen lassen sich aufgrund von externen Funktionen nicht weiter unterteilen. Weitere Klassifikationen dieser Ergänzungen sind nur mittels einer Unterscheidung aufgrund ihrer internen Funktionen möglich. Steinitz 73, S. 13-16 gibt drei mögliche Arten von Adverbialergänzungen an: direktive Adverbiale, lokale Adverbiale und Adverbiale der Art & Weise9 und führt eine Reihe von Verben auf, die solche Ergänzungen fordern. Daneben gibt es auch noch Verben, die temporale Adverbialergänzungen fordern.10 In (2-19) ist bereits ein Beispiel für eine lokale Adverbialergänzung angegeben, in (2-20) wird ein Beispiel für eine direktive und in (2-21) für eine temporale Adverbialergänzung gegeben. Eine Adverbialergänzung der Art & Weise wird in (2-22) aufgeführt. (2-20) a) Die Katze begibt sich in den Garten. b) Die Katze begibt sich dorthin. (2-21) a) Die Jagd auf Mäuse dauert, bis es Morgen ist. b) Die Jagd auf Mäuse dauert bis zum Morgen.
9
Steinitz 73 verwendet zur Bezeichnung dieser Adverbialklasse, die in der anglo-amerikanischen Sprachwissenschaft "manner adverbials" (vgl. Jacobson 64, S. 22, Dik 75) genannt wird, nicht Adverbiale der Art & Weise, sondern "modales Adverbial". Diese Bezeichnung ist in der deutschen Sprachwissenschaft zwar üblich (vgl. Droescher 74, S. 280f, Lang 79, S. 201), kann aber leicht zu Verwechslungen mit der Bezeichnung "Modalwort" für modales Salzadverbial (vgl. Droescher 74, S. 280f, Eisenberg 89, S. 214, Erben 84, S. 81) führen, das wiederum in der anglo-amerikanischen Sprachwissenschaft "modal adverb" (vgl. Schreiber 71, S. 84, Bellert 77, S. 343) genannt wird. Um terminologische Verwechslungen zu vermeiden, entspricht in dieser Arbeit Adverbial der Art & Weise anstelle von "modalem Adverbial" dem "manner adverbial" und modales Satzadverbial anstelle von "Modalwort" dem "modal adverb".
10
An dieser Stelle muß darauf hingewiesen werden, daß Verben Adverbialergünzungen nicht immer so eindeutig regieren, wie es die Beispiele hier zeigen. Beispiele für eine kompliziertere Rektion finden sich bei wohnen, das anstelle einer lokalen Adverbialergänzung auch eine Adverbialergänzung der Art & Weise zuläßt, oder bei beginnen, das eine lokale Adverbialergänzung und/oder eine temporale Adverbialergänzung regiert Außerdem stellt sich die Frage, ob es weitere Arten von Adverbialergänzungen gibt. So entspricht auch die Beziehung zwischen Verben wie genügen oder ausreichen und finalen Adverbialen eher der Rektion als der Modifikation (eine Katze genügt, um Mäuse zu vertreiben).
28 (2-22) a) Der Hund benimmt sich schlecht b) Der Hund benimmt sich wie ein Mensch. Die Beispiele in (2-20), (2-21) und (2-22) zeigen, daß Adverbialergänzungen wie alle Adverbiale von unterschiedlicher Form sein können. (2-20a), (2-21 b) und (2-22b) sind Präpositionalphrasen, (2-20b) ist ein Adverb, (2-21a) ist ein Adverbialsatz und (2-22a) ein Adjektiv. (2-23) zeigt den Zusammenhang zwischen der externen Funktion Ergänzung und den möglichen internen Funktionen: (2-23) externe Funktion
interne Funktion
Ergänzung
lokales Adverbial temporales Adverbial direktives Adverbial Adverbial der Art & Weise
Ergänzung ist eine mögliche externe Funktion von Adverbialen. Diese externe Funktion wird durch das Verb und seine anderen Ergänzungen bestimmt. Den Adverbialergänzungen können die internen Funktionen lokales Adverbial, temporales Adverbial, direktives Adverbial und Adverbial der Art & Weise zugeordnet werden, die auf diese Weise die Adverbialergänzungen weiter spezifizieren. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der externen Funktion Ergänzung und den Adverbialformen besteht nicht. Anders als die Adverbialergänzungen lassen sich die Angaben aufgrund ihrer externen Funktion weiter klassifizieren. Ihre primäre externe Funktion ist, sich auf die Verbalphrase oder auf den Satz (d.h. auf eine Verbprojektion) zu beziehen und dabei nicht als Argument zu dienen, sondern eine Zusatzprädikation auszudrücken. Ein Kriterium, aufgrund dessen die Angaben weiter unterteilt werden können, ist, worauf sie sich beziehen. Aufgrund dieser Eigenschaft der Adverbiale kann man Adverbiale, die sich auf Verbalphrasen beziehen, und Adverbiale, die sich auf den ganzen Satz beziehen, unterscheiden.11 Angaben, die sich nicht auf den ganzen Satz beziehen, modifizieren nicht die gesamte Prädikation, sondern das Prädikat. Daher werden sie im folgenden als prädikatsmodifizierende Adverbiale bezeichnet. Beispiele für diese Art von Angaben sind in (2-24) aufgeführt.
1
' Wie schon zur Unterscheidung von Angaben und Ergänzungen gibt es auch zur Unterscheidung von Angaben, die sich auf die Verbalphrase beziehen, und Angaben, die sich auf den ganzen Satz beziehen, eine Reihe von linguistischen Testverfahren. Eine beispielhafte Beschreibung dieser Testverfahren findet sich in Thomason/ Stalnaker 73, S. 202-206.
29 (2-24) a) Die Katze schleicht sich langsam an die Maus heran. b) Sie fängt sie mit ihren scharfen Krallen. c) Die Maus wehrt sich verzweifelt gegen die Katze. d) Die Katze verschlingt die Maus lebendig. In diesen Beispielen sind verschiedene Besonderheiten der prädikatsmodifizierenden Adverbiale enthalten. Zunächst kann ihre interne Funktion als Adverbiale der Art & Weise (2-24a,c) oder als instrumentales Adverbial (2-24b) bestimmt werden. Die Adverbialform ist in (2-24a,c) ein Adjektiv und in (2-24b) eine Präpositionalphrase. Es gelten vom Verb bestimmte Selektionsrestriktionen für die prädikatsmodifizierenden Adverbiale.12 So ist ein Satz wie *die Katze hat verzweifelt Hunger unzulässig. Außerdem zeigt sich in diesen Beispielen die Orientierung von prädikatsmodifizierenden Adverbialen. So modifiziert zwar in allen Beispielen das Adverbial das Prädikat, doch weist das Adverbial in (2-24c) eine Subjektorientierung auf (es ist die Maus, die verzweifelt ist). Innerhalb der Beispielgruppe in (2-24) muß der Satz (2-24d) von den anderen unterschieden werden. Obwohl lebendig in Form und Vorkommen den Adverbialen gleicht, ist es aufgrund seiner Funktion nicht als Adverbial, sondern als prädikatives Adjektiv zu analysieren. Auch eine Substitution mit dem Adverb irgendwie (entsprechend der Adverbialdefinition in (2-3)) mißlingt. Die Beispiele in (2-24) zeigen, daß die externe Funktion prädikatsmodifizierendes Adverbial bezüglich ihrer internen Funktionen, ihrer Formen und ihrer Orientierung weiter spezifiziert werden kann. Die internen Funktionen von prädikatsmodifizierenden Adverbialen sind ausschließlich Adverbiale der Art & Weise und instrumentale Adverbiale. Ebenso wie bei den Adverbialergänzungen sind auch bei den prädikatsmodifizierenden Adverbialen unterschiedliche Formen zulässig. Die Orientierung von Adverbialen hat bereits Jackendoff 72, S. 56-59 angesprochen. Er beschreibt diese Eigenschaft von Adverbialen zunächst bei Satzadverbialen und unterscheidet zwischen "speaker-oriented" und "subject-oriented". Er schreibt dann: "we should note that manner adverbs also exhibit differences of orientation" (Jackendoff 72, S. 58). McConnellGinet 82, S. 148 unterscheidet zwischen der Agensorientierung von VP-Adverbien (sie entsprechen den prädikatsmodifizierenden Adverbialen) und der Subjektorientierung von S-Adverbien (sie entsprechen Jackendoffs Satzadverbialen). Buysschaert 82, S. 150f kritisiert die Vorgehensweise, die Orientierung von Adverbialen als Klassifikationskriterium zu benutzen, und schreibt "orientation is better regarded as a non-syntactic aspect". Daß Orientierung kein Kriterium für 12
Zu den Selektionsrestriktionen für Adverbiale gibt es keine umfassenden Untersuchungen. Dik 75 untersucht die Adverbiale der Art & Weise unter diesem Aspekt und kommt zu folgendem Ergebnis: "If we cross-classify situations (i.e., those things which are designated by simple propositions) with respect to the features +/change and +/- control, we can define the selection restrictions of manner adverbials in general by saying that they either require +change or -»control situations." (Dik 75, S. 119).
30 die Klassifikation ist, zeigt auch eine Beispielgruppe von Eisenberg 89, S. 222, hier als (2-25) aufgeführt: (2-25) a) Der Graf kalauerte frech im Bundestag herum. b) Frech schaut Karl ihm ins Gesicht. c) Der Präsident formulierte seine Antwort frech. Das Adverbial frech ist ein prädikatsmodifizierendes Adverbial, das in (2-25b) Subjekt- bzw. agensorientiert, in (2-25c) objekt- bzw. patiensorientiert und in (2-25a) neutral ist Ein prädikatsmodifizierendes Adverbial besitzt nicht eine bestimmte Orientierung, sondern die Fähigkeit, in bestimmten Kontexten gegebenenfalls Orientierung auszudrücken. Prädikatsmodifizierende Adverbiale dürfen daher nicht aufgrund einer Orientierung, die sie in einer bestimmten Verwendung zeigen, beschrieben werden, sondern aufgrund ihrer Möglichkeit, Orientierung auszudrücken. Diese Fähigkeit ist dabei an die interne Funktion des Adverbials gebunden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Adverbiale der Art & Weise von den instrumentalen Adverbialen. Die erstgenannten können eine Orientierung zeigen, die letztgenannten nicht Aber auch die externe Funktion beeinflußt die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken. Adverbiale der Art & Weise, die als Adverbialergänzungen fungieren, drücken niemals Orientierung aus, als prädikatsmodifizierende Adverbiale können sie dagegen Orientierung angeben.13 Prädikatsmodifizierende Adverbiale sind eine Unterklasse der Angaben und stellen eine mögliche externe Funktion dar. Sie müssen ebenso wie die Adverbialergänzungen bezüglich ihrer internen Funktion (instrumentales Adverbial oder Adverbial der Art & Weise) und ihrer adverbialen Form bestimmt werden. Abhängig von der internen Funktion kann die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken, angegeben werden (vgl. 2-26). (2-26) externe Funktion
interne Funktion
Orientierung
prädikatsmodifizierendes Adverbial
Adverbial der Art & Weise
ja
instrumentales Adverbial
nein
Angaben, die nicht das Prädikat modifizieren, beziehen sich auf den ganzen Satz und werden im folgenden als satzbezogene Adverbiale bezeichnet. Zu den satzbezogenen Adverbialen gehören alle bisher nicht berücksichtigten Angaben, d.h. alle Adverbiale, die keine prädikatsmodifizierenden Adverbiale sind. Diese sehr umfangreiche Klasse von Angaben umfaßt sehr unterschiedliche Elemente, die in drei Gruppen eingeordnet werden können, wie (2-27), (2-28) und (2-29) zeigen: 13
Auch satzbezogene Adverbiale können, wie in Jackendoff 72 bereits angesprochen, Orientierung ausdrücken. Ebenso wie bei den prädikatsmodifizierenden Adveibialen ist diese Fähigkeit an bestimmte interne Funktionen gebunden, wie im folgenden gezeigt wird.
31
(2-27) a) Die Maus flüchtet klugerweise vor der Katze. b) Überraschend entkommt die Maus durch ein Schlupfloch. c) Glücklicherweise finden Katzen ihr Futter bei den Menschen. d) Wahrscheinlich gehören Katzen zu den Haustieren. e) Anscheinend ist die Maus entkommen. (2-28) a) Die Katze jagt auf der Wiese eine Maus. b) Eine Maus ist glücklich, bis sie einer Katze begegnet. c) Die Katze jagt plötzlich Hunde. d) Der Hund bellt jeden Tag. (2-29) a) Obwohl die Katze hungrig ist, ignoriert sie die Maus. b) Die Maus flüchtet wegen der Katze. c) Wenn das Wetter schön ist, sonnt sich die Katze auf der Mauer. d) Die Maus versteckt sich, um der Katze zu entkommen. Die Angaben in (2-27) gehören zu einer sprachwissenschaftlich gut untersuchten Klasse. Sie werden meist als Satzadverbiale (u.a. Lang 79, Allerton/Cruttenden 74) oder Satzadverbien (u.a. Schreiber 71, Bellert 77) bezeichnet Zwar werden in (2-27) nur Adverbiale der Formen Adverb (a,c,e) und Adjektiv (b,d) verwendet, doch zeigen die Beispiele in (2-17), daß auch andere syntaktische Kategorien die gleiche Ausdrucksmöglichkeit besitzen. Der Begriff Satzadverbial ist daher dem Begriff Satzadverb zur Bezeichnung der Funktion vorzuziehen. Zu ihrer internen Funktion schreibt Lang 79, S. 200, daß "Sprechereinstellungen durch Sadv [Abkürzung für Satzadverbiale, I.R.] realisiert werden". Sprechereinstellungen zu realisieren ist eine interne Funktion. Innerhalb der externen Adverbialfunktion satzbezogenes Adverbial werden somit die Satzadverbiale aufgrund ihrer internen Funktion unterschieden. Die Beispiele in (2-27) zeigen aber auch Unterschiede innerhalb der Klasse der Satzadverbiale. Ähnlich wie manche der prädikatsmodifizierenden Adverbiale (die mit der internen Funktion Adverbiale der Art & Weise) können auch manche Satzadverbiale eine Orientierung ausdrücken. Doch hier sind die Möglichkeiten der Orientierung etwas anders: nicht agens- oder patiensorientiert, sondern Subjekt- oder sprecherorientiert können manche Satzadverbiale sein. Klugerweise in (2-27a) drückt Subjektorientierung aus, glücklicherweise (2-27c) und überraschend (2-27b) drücken Sprecherorientierung aus. Wahrscheinlich (2-27d) und anscheinend (2-27e) besitzen die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken, nicht. Die Satzadverbiale in (2-27) können auf diese Weise in drei Untergruppen eingeteilt werden: Satzadverbiale, die Subjektorientierung ausdrücken, Satzadverbiale, die Sprecherorientierung ausdrücken, und Satzadverbiale, die keine Orientierung ausdrücken. Die ersten beiden Arten von Satzadverbialen lassen sich dabei unter zwei verschiedenen Aspekten zusammenfassen: erstens unter dem Aspekt, daß sie Orientierung ausdrücken, und zweitens unter dem Aspekt, daß sie faktive Satzadver-
32 biale sind. (2-27a,b,c) gehören zu dieser Klasse, die aufgrund eines Kriteriums der internen Funktion gebildet wurde. Innerhalb der faktiven Satzadverbiale können dann die subjektorientierten und die sprecherorientierten Satzadverbiale unterschieden werden. Hier ist die Orientierung anders als bei prädikatsmodifizierenden Adverbialen der Art & Weise keine mögliche Ausdrucksfähigkeit, die erst aufgrund des ganzen Satzes bestimmt werden kann, sondern eine ständige Eigenschaft des Satzadverbials. Wenn ein Satzadverbial Subjekt- bzw. sprecherorientiert ist, drückt es diese Orientierung immer aus. (2-27d,e) sind keine faktiven Satzadverbiale. Sie gehören zu den modalen Satzadverbialen, die den Wahrheitswert des Satzes bewerten. All diese Einteilungen14 (in 2-30 übersichtlich dargestellt) sind aber, wie die Klassenbildung der Satzadverbiale selbst, nur unter der Berücksichtigung der internen Funktionen möglich. (2-30) externe Funktion
interne Funktion
satzbezogenes Adverbial
Satzadverbial
Orientierung faktiv
subjektorientiert sprecherorientiert
modal
nein
Schwieriger als die Subklassifizierung der Satzadverbiale in (2-27), die durch ihre gemeinsame interne Funktion, Sprechereinstellungen zu realisieren, erfolgt, ist die Einteilung der Angaben in (2-28) und (2-29). (2-28) umfaßt satzbezogene Adverbiale, die Polenz 85, S. 252-257 als "Zusätze zu Prädikationen/Aussagen" bezeichnet, und die er von den "Verknüpfungen von Aussagen mit Aussagen" (Polenz 85, S. 265-287), die in (2-29) aufgeführt sind, unterscheidet. Zu dieser Unterscheidung schreibt er: "Die Grenze zwischen Zusätzen und Verknüpfungen ist sehr fließend." (Polenz 85, S. 267). Zusätze wie in (2-28) und Verknüpfungen wie in (2-29) voneinander zu unterscheiden, ist nicht einfach. Die Adverbiale in (2-28) bzw. in (2-29) haben keine gemeinsame interne Funktion und eine gemeinsame adverbiale Form findet sich hier ebensowenig wie bei allen anderen Adverbialfunktionen. Dennoch ist es sinnvoll, diese Unterscheidung in Zusätze zum Satz (semantisch: zur Prädikation) und Verknüpfungen von Sätzen (semantisch: Prädikationen) zu machen. Die Einteilung der satzbezogenen Adverbiale in diese Klassen kann durch eine Zusammenstellung bestimmter interner Funktionen erfolgen. In (2-28) werden satzbezogene Adverbiale mit den internen Funktionen lokales Adverbial (a), temporales Adverbial (b) und Adverbiale der Aktionsart (inchoativ (c), iterativ (d)) zusammengefaßt. Die internen Funktionen in (2-29) sind kausales Adverbial (b), konditionales Adverbial (c), konzessives Adverbial (a) und instrumentales Adverbial (d). Dabei lassen sich (2-29a,b,c) zu einer Klasse Adverbiale der Konditionalverhältnisse (vgl. Polenz 85, S. 287) zusammenfassen, (2-29d) gemeinsam mit kommitativen 14
Andere Einteilungen der Satzadverbiale aufgrund z.T. anderer Kriterien rinden sich z.B. bei Bellert 77 (Unterteilung in sieben Gruppen) oder Allerton/Cruttenden 74 (Unterteilung in acht Gruppen).
33 und anderen Verknüpfungen zu den Adverbialen der nichtkonditionalen Modalverhältnisse (vgl. Polenz 85, S. 287). Mögliche Adverbialformen sind in (2-28) Präpositionalphrase (a), Adverbialsatz (b), Adverb (c) und Nominalphrase (d). Adverbiale Formen in (2-29) sind ebenfalls Präpositionalphrase (b) und Adverbialsatz (a, c), dazu in (d) eine konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktion. Eine vollständige Darstellung der satzbezogenen Adverbiale erfordert, daß die Abbildung in (2-30) um die internen Funktionen Zusatz und Verknüpfung erweitert wird. Eine solche Erweiterung ist in (2-31) abgebildet. (2-31) externe Funktion
interne Funktion
satzbezogenes Adverbial
Satzadverbial
Orientierung faktiv
subjektorientiert sprecherorientiert
Zusatz
Verknüpfung
modal
nein
lokal
nein
direktiv
nein
temporal
nein
Aktionsart
nein
Konditionalverhältnisse
nein
Modalverhältnisse
nein
Wie die Einteilungen in (2-27), (2-28), (2-29) und die Darstellung in (2-31) zeigen, gelingt der Versuch, die satzbezogenen Adverbiale weiter zu klassifizieren, nur, wenn die internen Funktionen berücksichtigt werden. Aufgrund von externen Funktionen können die satzbezogenen Adverbiale nicht weiter klassifiziert werden. Damit ist die Einteilung der Adverbiale aufgrund ihrer externen Funktionen abgeschlossen. Adverbiale können als Ergänzungen oder Angaben fungieren, Angaben können das Prädikat modifizieren oder sich auf den ganzen Satz beziehen. Diese Zusammenhänge sind in (2-32) übersichtlich dargestellt. Dabei muß aber beachtet werden, daß die Einteilung in Ergänzung und Angabe vom Verb und seinen Ergänzungen abhängig ist, die Einteilung der Angaben dagegen nur von den Adverbialen selbst bestimmt wird.
34 (2-32) Adverbiale
Ergänzungen
Angaben
prädikatsmodifizierende Adverbiale
satzbezogene Adverbiale
Jede dieser externen Funktionen kann aufgrund ihrer möglichen internen Funktionen weiter spezifiziert werden. Nur aufgrund der Information über die externe und die interne Funktion können weitere mögliche Eigenschaften wie die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken, bestimmt werden. In der Ausarbeitung der externen Adverbialfunktionen sind bereits alle internen Adverbialfunktionen, die in dieser Arbeit berücksichtigt werden, angesprochen. Die internen Funktionen wurden dabei als weitere Spezifikation der externen Funktionen betrachtet. Diese Betrachtungsweise kann geändert werden, indem man von den möglichen internen Funktionen ausgeht und fragt, in welcher externen Funktion sie verwendet werden können. Diese Frage wird in der Übersicht15 (2-33) beantwortet. In dieser Übersicht werden zehn mögliche interne Adverbialfunktionen aufgeführt. Dies ist eine grobe Klassifikation der internen Funktionen im Vergleich zu den Klassifikationen von Hodge 76 (Übersicht S. 229-232: 19 Oberklassen und über 150 Unterklassen) oder Jacobson 64, S. 21-28 (10 Klassen, die aber ebenfalls weiter unterteilt werden). Die internen Funktionen in (2-33) sind daher eher als Klassen von internen Funktionen zu verstehen.
15
In (2-33) sind in der Vertikalen die internen Adverbialfunktionen und in der Horizontalen die externen Adverbialfunktionen angegeben. Ein 'x' repräsentiert, daß die interne Funktion als entsprechende externe Funktion verwendet werden kann, '(o)' nach dem 'x' weist auf die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken, hin. Bei der externen Funktion satzbezogenes Adverbial ist nach dem 'x' noch angegeben, welcher Oberklasse die interne Funktion angehört. Folgende Abkürzungen werden verwendet: präd. mod. Adv (prädikatsmodifizierendes Adverbial), satzbez. Adv (satzbezogenes Adverbial), Sadv (Satzadverbial) und Verknüpf (Verknüpfung).
35 (2-33) Ergänzung
präd. mod. Adv.
satzbez. Adv.
lokal
X
Zusatz
direktiv
X
Zusatz
Art & Weise
X
temporal
X
x
( )
Zusatz
instrumental faktiv
( ) Sadv
modal
Sadv
Aktionsart
Zusatz
Konditionalverhältnisse
xVerknüpf
Modalverhältnisse
xVerknüpf
In (2-33) ist der Zusammenhang zwischen interner und externer Adverbialfunktion abgebildet. Interne Funktionen, die als Ergänzung verwendet werden können, gibt es zugleich als prädikatsmodifizierendes Adverbial (Adverbial der Art & Weise) oder als satzbezogenen Zusatz (lokales, direktives oder temporales Adverbial), nicht aber als satzbezogene Verknüpfung oder Satzadverbial. Interne Funktionen, die als satzbezogene Verknüpfung oder Satzadverbial fungieren, können keine andere externe Funktion übernehmen. Die Fähigkeit, Orientierung auszudriikken, besitzen nur Adverbiale der Art & Weise als prädikatsmodifizierende Adverbiale und faktive Satzadverbiale. Auf die Klassifikation der Adverbialfunktionen in (2-33) können auch die Adverbialformen bezogen werden. Zwar ist keine eindeutige Zuordnung zwischen Form und Funktion möglich, aber verschiedene Zusammenhänge existieren und können beschrieben werden. Adverbien gibt es für jede Adverbialfunktion. Vor allem durch die Möglichkeit der Pronominaladverbien können auch Adverbiale der Konditional- und Modalverhältnisse ausgedrückt werden. Für Adverbiale der Art & Weise kann das Adverb irgendwie verwendet werden. Die Form Adjektiv wird vor allem für Adverbiale der Art & Weise und für Satzadverbiale verwendet. Präpositionalphrasen und Adverbialsätze haben, wie bereits erläutert, eine uneingeschränkte Verwendung. Jede Funktion kann durch sie ausgedrückt werden. Konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktionen sind auf Adverbiale der Modalverhältnisse beschränkt. Dies liegt daran, daß nur drei Konjunktionen in diesen Konstruktionen möglich sind. Nominalphrasen sind noch stärker eingeschränkt. Nur wenige Nominalphrasen vor allem temporaler Art können Adverbiale sein.
36 Wie die Übersicht in (2-33) zeigt, können Adverbiale aufgrund ihrer Funktion klassifiziert werden. Jedes Adverbial kann mit den Informationen, worauf es sich bezieht (externe Funktion) und was es ausdrückt (interne Funktion), in diese Klassifikation eingeordnet werden. In Abhängigkeit von den Funktionen ist es möglich, die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken, zu bestimmen und zulässige Adverbialformen zuzuordnen. Die Klassifikation der Funktionen ist daher grundlegend für eine Beschreibung der Adverbiale.
2.3 Stellungsmöglichkeiten der Adverbiale Man kann Stellungsmöglichkeiten auf verschiedene Weise beschreiben. Neben der Angabe von Präzedenzregeln, die die lineare Abfolge von jeweils zwei Konstituenten bestimmen und als komplexes Regelwerk zusammenwirken, bietet sich für das Deutsche vor allem die Theorie der Felder (nach Drach 63, Höhle 85) an. Auch die Stellung der Adverbiale läßt sich in diesem Rahmen bestimmen, wobei sich der Einfluß der Adverbialformen und der Adverbialfunktionen deutlich zeigt. Mit einer Weiterentwicklung der Theorie der Felder kann dann die allgemeine Stellung von Adverbialen beschrieben werden. Dies ist aber nur ein Aspekt der Stellungsmöglichkeiten. Ein weiterer Aspekt ist die Stellung verschiedener Adverbiale zueinander, das gemeinsame Vorkommen unterschiedlicher Adverbiale (im folgenden als Häufung von Adverbialen bezeichnet). Hier gibt es eine Reihe unzulässiger Häufungen, d.h. bestimmte Arten von Adverbialen dürfen überhaupt nicht gemeinsam in einem Satz verwendet werden. All diese Stellungsmöglichkeiten, die aufgrund von Feldern oder mit Präzedenzregeln beschrieben werden, sind aber rein syntaktisch bestimmt. Da Wortstellung ein sprachliches Phänomen ist, das syntaktische und pragmatische Einflüsse widerspiegelt, wird am Ende dieses Abschnitts mit der Thema-Rhema-Gliederung auch einer der pragmatischen Faktoren, die die Stellung der Adverbiale beeinflussen, angesprochen. Drei Satztypen werden im Deutschen aufgrund der Stellung des finiten Verbes unterschieden. Das finite Verb kann an erster Stelle stehen (Verb-Erststellung), wie z.B. in uneingeleiteten Fragesätzen, ein Satzglied kann vor dem finiten Verb stehen, man spricht dann von VerbZweitstellung, oder das finite Verb steht an letzter Stelle (Verb-Endstellung), wobei der Satz mit einer Konjunktion eingeleitet werden muß. In (2-34) wird in (a) Verb-Erststellung, in (b) Verb-Endstellung und in (c,d,e) Verb-Zweitstellung illustriert. (2-34) a) b) c) die Katze d) öfters e) den Hund
hat daß hat hat hat
die Katze die Katze die Katze die Katze
öfters öfters öfters öfters
den den den den
Hund Hund Hund Hund
erschreckt. erschreckt hat erschreckt. erschreckt. erschreckt.
37 Die Einrückungen in (2-34) weisen bereits auf die Feldereinteilung der Satztypen hin. Das finite Verb in (a,c,d,e) und die Konjunktion in (b) bilden den Anfang der Satzklammer, das nichtfmite Verb in (a,c,d,e) und das finite Verb in (b) das Ende. Von dieser Klammer ist das sogenannte Mittelfeld umschlossen. Dabei haben die Satzglieder im Mittelfeld (Ergänzungen und Angaben) in allen Satztypen die gleiche Anordnung, abgesehen von (c,d,e), wo jeweils ein Satzglied im Mittelfeld fehlt. Dieses Satzglied steht in (c,d,e) vor dem finiten Verb im Vorfeld, das bei den Satztypen mit Verb-Erststellung und Verb-Endstellung unbesetzt sein muß. Nicht besetzt ist in allen Beispielen in (2-34) das Nachfeld. Das ist die Position nach dem Ende der Satzklammer, d.h. in (a,c,d,e) nach dem nichtfiniten Verb und in (b) nach dem finiten Verb. Mit einer Besetzung des Nachfeldes und den Bezeichnungen aus der Theorie der Felder werden die Beispiele (mit verkleinertem Mittelfeld) in (2-35) wiederholt. SK-Anfang und SK-Ende sind Abkürzungen für Satzklammeranfang und Satzklammerende. (2-35) Vorfeld
SKMittelfeld Anfang
hat daß c) die Katze hat d) öfters hat e) den Hund hat
die Katze den Hund die Katze den Hund den Hund die Katze den Hund die Katze
SKEnde
Nachfeld
erschreckt, erschreckt hat, erschreckt, erschreckt, erschreckt,
indem indem indem indem indem
sie sie sie sie sie
bellte, bellte, bellte, bellte, bellte.
Das Vorfeld darf im Gegensatz zum Mittelfeld nur mit genau einer (wenn auch komplexen) Konstituente besetzt werden. Dabei spielt die Funktion der Konstituente keine Rolle: sowohl Ergänzungen als auch Angaben sind zulässig. Im Mittelfeld ist die Anzahl der Satzglieder unbeschränkt. Sie können dabei in unterschiedlicher linearer Abfolge stehen. (2-36) a) Hat b)Hat c) Hat d)Hat d)Hat e) Hat
die Katze öfters den Hund erschreckt, öfters die Katze den Hund erschreckt, den Hund öfters die Katze erschreckt, die Katze den Hund öfters erschreckt, öfters den Hund die Katze erschreckt, den Hund die Katze öfters erschreckt.
Wie sich in (2-36) zeigt, sind dabei manche Abfolgen "normaler" und "unmarkierter" als andere. Die Abfolge in (2-36a) ist die "stilistisch normale Wortstellung" (vgl. Höhle 82).16 Abwei-
16
"In vielen Fällen kann man weder sagen, daß eine bestimmte Wortfolge ausgeschlossen oder die einzig mögliche ist, noch, daß zwischen zwei verschiedenen möglichen Wortfolgen völlig 'freie Variation' besteht. Vielmehr wird oft gesagt, eine gewisse Wortfolge sei bei 'normaler Betonung' unmöglich, sie bedinge eine 'kontrastive' oder 'emphatische' Betonung; ähnlich wird nicht selten von 'normaler' Wortstellung gesprochen, im Unterschied etwa zu einer 'kontrastiven' oder 'emphatischen' Stellung." (Höhle 82, S. 75).
38 chungen von dieser Abfolge sind auf pragmatische Faktoren wie z.B. die Thema-Rhema-Gliederung zurückzuführen. Da auf diesen Faktor später eingegangen werden wird, ist die Abfolge von Adverbialen zunächst auf die stilistisch normale Wortstellung beschränkt. Das Nachfeld wird vor allem von komplex aufgebauten, schweren Konstituenten besetzt. Diese werden dadurch ausgeklammert und nachgestellt. Dabei ist die syntaktische Funktion der Konstituente von geringerer Bedeutung. Adverbiale können grundsätzlich alle Felder besetzen. Uneingeschränkt ist vor allem das Vorfeld. Jede Adverbialform und jede Adverbialfunktion kann auf dieser Position verwendet werden, wenngleich dies zu markierter Wortstellung führen kann, wie im folgenden noch gezeigt wird. Bei der Besetzung des Nachfeldes gelten für Adverbiale die gleichen Bedingungen wie für alle anderen Konstituenten. Wenn es sich um umfangreiche Konstituenten handelt, ist diese Position zulässig. Dies bedeutet, daß hier ein Zusammenhang zwischen Adverbialform und Stellung existiert. Adverbialsätze, konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktionen und komplex aufgebaute Präpositionalphrasen dürfen nachgestellt werden, Adverbien, Adjektive und einfach aufgebaute Präpositionalphrasen dürfen nicht nachgestellt werden. Adverbiale können auch im Mittelfeld stehen. Da hier mehrere Satzglieder stehen dürfen, ist zu untersuchen, welche Abfolgen im Mittelfeld zulässig sind. Bei der Bestimmung der Abfolge im Mittelfeld werden zunächst nur die externen Adverbialfunktionen berücksichtigt Zu einer stilistisch normalen Wortstellung führen die Abfolgen in (2-37). (2-37) a) Subjekt vor b) Angaben vor c) Ergänzungen vor
allen anderen Ergänzungen allen Ergänzungen außer dem Subjekt prädikatsmodifizierenden Adverbialen
Mit diesen Stellungsregularitäten in (2-37) kann man im Mittelfeld drei Teilfelder unterscheiden: nach dem Satzklammeranfang ein Angabenfeld, dann ein Ergänzungsfeld und zum Schluß, vor dem Satzklammerende, ein Feld der prädikatsmodifizierenden Adverbiale. Durch die Regularitäten in (2-37) wird nicht eine einzige unmarkierte Abfolge, sondern mehrere mögliche Abfolgen bestimmt. So bleibt beispielsweise die Abfolge zwischen Subjekt und Angabe ungeklärt. Außerdem wird den prädikatsmodifizierenden Adverbialen ein besonderer Status zugewiesen. Aufgrund von (2-37b) können sie als Angaben vor den Ergänzungen stehen, aufgrund von (2-37c) ist auch die umgekehrte Reihenfolge unmarkiert. Auch die Abfolge von mehreren Angaben wird in (2-37) ebensowenig bestimmt wie die Abfolge von mehreren Ergänzungen, die in dieser Arbeit keine Rolle spielt. Die Regularitäten in (2-37) lassen sich durch Beispielsätze illustrieren. Die Beispiele in (238) beziehen sich dabei auf die Regularität in (2-37a), (2-39) bezieht sich auf (2-37b) und (240) auf (2-37c). Da hier nur das Mittelfeld interessiert, wird in den Beispielen Verb-Endstellung verwendet
39 (2-38) Subjekt a) daß die Mäusejagd b) daß sich der Hund c) daß dort die Katze
Ergänzung bis zum Morgen schlecht unter einem Rosenbusch
dauert. benimmt. haust.
(2-39) a) b) c) d)
daß die Katze daß die Katze, daß sich die Maus daß,
Angabe auf der Wiese anstatt Mäuse zu fangen, verzweifelt wie es scheint, Katzen
Ergänzung Mäuse Hunde gegen die Katze zu den Haustieren
fängt. jagt. wehrt. gehören.
(2-40) a) daß sich die Maus b) daß die Katze
Ergänzung gegen die Katze die Maus
präd.mod.Adv. verzweifelt mit ihren scharfen Krallen
wehrt. fängt.
Diese Wortstellungsregularitäten unterstützen die Klassifikation der Adverbiale aufgrund ihrer externen Funktionen. Adverbialergänzungen stehen, wie in (2-37b) gesagt und in (2-39) illustriert wird, nach allen Angaben und stellen damit eine Subklasse von Adverbialen dar. Die Angaben unterteilen sich auch aufgrund ihrer Stellungsmöglichkeiten in zwei Subklassen: prädikatsmodifizierende Adverbiale, die auch nach den Ergänzungen stehen können, und satzbezoge Adverbiale, die auf dieser Position keine stilistisch normale Wortstellung zeigen. In diesem Abschnitt wurde bisher nur die Stellung von Adverbialen in Bezug zum Satz, d.h. zu den Feldern, untersucht. Dabei wurde die Möglichkeit von mehreren Adverbialen, d.h. von Adverbialhäufungen, nicht berücksichtigt. Es ist weder möglich, daß beliebige Adverbiale in einem Satz gemeinsam vorkommen, noch sind alle linearen Abfolgen von zulässigen Adverbialhäufungen stilistisch normal. Es stellt sich somit die Frage, wie mehrere Adverbiale in einem Satz syntaktisch zusammenwirken, d.h. welche Häufungen und Abfolgen von Adverbialen es gibt und von welchen Faktoren dies abhängt.17 Auch bei der Untersuchung der adverbialen Häufungen wird von der Klassifikation aufgrund der internen und externen Funktionen ausgegangen. Vier mögliche Häufungsarten können dadurch unterschieden werden: 1. Häufung von Adverbialen mit gleicher interner und gleicher externen Funktion 2. Häufung von Adverbialen mit gleicher interner Funktion und unterschiedlichen externen Funktionen 3. Häufung von Adverbialen mit unterschiedlichen internen Funktionen und gleicher externer Funktion 4. Häufung von Adverbialen mit unterschiedlichen internen und externen Funktionen. 17
Ausgehend von dieser Untersuchung der Adverbialhäufungen werden dann in Kap. 4.3 explizite und z.T. formalisierbare Restriktionen gebildet (vgl. 4-22).
40 Die erste der vier Häufungsarten scheint Unterschiede zwischen den Adverbialklassen Ergänzung und prädikatsmodifizierendes Adverbial einerseits und satzbezogenes Adverbial andererseits zu zeigen. Für alle Arten von Ergänzungen gilt, daß sie nur einmal und entsprechend der Rektion realisiert sein dürfen. Auch als prädikatsmodifizierende Adverbiale (vgl. *die Katze miaut schrill laut) dürfen Adverbiale mit gleichen internen und externen Funktionen nicht gehäuft werden. Falls eine solche Häufung ausgedrückt werden soll, müssen die Adverbiale aufeinander bezogen werden (in der Regel koordiniert oder bei besonderen Adverbialklassen subordiniert)18. Diese Möglichkeiten illustrieren die Beispiele in (2-41): (a) zeigt die Unzulässigkeit der Häufung und (b) die Zulässigkeit einer Koordination. Für die Beispiele '(c) und (d) wird angenommen, daß entweder ein subordinierter Bezug19 vorliegt oder eines der lokalen Adverbiale als Angabe modifiziert. (2-41) a) *Die Katze haust im Garten auf dem Dachboden. b) Die Katze haust im Garten oder auf dem Dachboden. c) Die Katze haust unter einem Rosenbusch im Garten. d) Die Katze haust im Garten unter einem Rosenbusch. Falls prädikatsmodifizierende Adverbiale mit der internen Funktion Adverbiale der Art & Weise koordiniert werden, ist dabei die Orientierungsfähigkeit dieser Adverbiale zu beachten, da eine Koordination von unterschiedlich orientierten Adverbialen ungrammatisch ist. Bei den satzbezogenen Adverbialen Zusatz und Verknüpfung zeigt sich, daß solche Häufungen bei den Adverbialklassen lokales, direktives oder temporales Adverbial zulässig sind (vgl. Fußnote 19). So können Elemente dieser Adverbialklassen gehäuft werden wie in die Katze miaute gestern um llh in der Nacht. Es stellt sich hier die Frage, ob diese Art von Subordinationskette als Häufung betrachtet werden sollte. Auch mehrere Adverbiale der Konditionalverhältnisse können in einem Satz stehen (vgl. 2-42a), allerdings gilt z.B. für kausale Adverbiale, die dieser Adverbialklasse angehören, in (2-42b,c) die gleiche Restriktion wie für Adverbialergänzungen und prädikatsmodifizierende Adverbiale.
18
Sowohl für die Koordination als auch für die Subordination von Adverbialen gelten Restriktionen bezüglich der Adverbialformen.
19
Lokale, direktive und temporale Adverbiale unterscheiden sich von allen anderen Adverbialen dadurch, daß sie Subordinationsketten bilden können. Diese Subordinationsketten werden syntaktisch durch Adjazenz gebildet und semantisch durch eine Inklusionsordnung über räumliche und/oder zeitliche Einheiten restringiert
41 (2-42) a) Wenn das Wetter schön ist, sonnt sich die Katze auf der Mauer, obwohl sie eigentlich Mäuse fangen sollte. b) *Wenn das Wetter schön ist, sonnt sich die Katze auf der Mauer, wenn der Hund sie nicht stört. c) Wenn das Wetter schön ist und wenn der Hund sie nicht stört, sonnt sich die Katze auf der Mauer. Diese Beispiele in (2-42) weisen darauf hin, daß es grundsätzlich nicht möglich ist, daß mehrere Adverbiale mit gleicher interner und externer Funktion in einem Satz stehen. Die scheinbare Zulässigkeit solcher Konstruktionen bei den Adverbialen der Konditionalverhältnisse und der Modalverhältnisse zeigt vielmehr, daß die Klassifikation dieser Adverbiale nicht differenziert genug ist Bei den Satzadverbialen können aufgrund der internen Funktion die faktiven und die modalen Adverbiale unterschieden werden. Weder die modalen noch die faktiven Adverbiale können gehäuft werden. Wenn mehrere faktive Adverbiale in einem Satz verwendet werden sollen, müssen sie, wie die anderen Adverbiale auch, koordiniert werden. Dabei ist wie bei den prädikatsmodifizierenden Adverbialen die Orientierung zu beachten: sprecherorientierte f aktive Satzadverbiale dürfen nicht mit subjektorientierten faktiven Satzadverbialen koordiniert werden. Die modalen Satzadverbiale sind nicht koordinierbar. Dennoch gibt es Beispiele für mehrere modale Satzadverbiale in einem Satz. Hetland 89, S.24f bringt u.a. folgende grammatische Beispielsätze: ... - vielleicht gibt's den Weihnachtsmann ja wirklich ... Offenbar hatte ich tatsächlich nochmals geschlafen - ... Dieses mehrfache Vorkommen ist nur bei wenigen modalen Satzadverbialen möglich. Zu beachten ist dabei, daß eine Umstellung der beiden Satzadverbiale nicht zulässig ist. Modale Satzadverbiale verhalten sich in dieser Hinsicht anders als die übrigen Adverbiale. Allerdings bleibt auch hier die Frage, ob es sich in diesen Beispielsätzen tatsächlich um eine Häufung und nicht vielmehr um eine Subordination zweier modaler Satzadverbiale handelt. Bei der zweiten Häufungsmöglichkeit, mehrere Adverbiale gleicher interner Funktion und unterschiedlichen externen Funktionen in einem Satz zu verwenden, handelt es sich ausschließlich um Häufungen von Adverbialergänzung und Angaben (vgl. die Tabelle in 2-33). Angaben mit der gleichen internen Funktion wie die vom Verb geforderte Adverbialergänzung sind nur dann zulässig, wenn sie sich auf die Ergänzung beziehen. Bei Adverbialen der Art & Weise ist ein Bezug nicht möglich und eine Häufung dadurch ausgeschlossen. Bei den anderen Adverbialen ist der Bezug von Semantik und Weltwissen abhängig. (2-43) zeigt diese Abhängigkeit, die nicht mit grammatischen Restriktionen beschreibbar ist. (2-43) temporale Angabe temporale Adv.-Erg. a) Morgens findet die Mäusejagd vor Sonnenaufgang b) *Morgens findet die Mäusejagd abends
statt. statt.
42 Wenn die Häufung von Adverbialen mit gleicher interner Funktion und unterschiedlichen externen Funktionen zulässig ist, gilt, da es sich um eine Häufung aus Angabe und Ergänzung handelt, die lineare Abfolge im Mittelfeld Angabe vor Ergänzung (vgl. 2-44a). Für das Vorfeld gilt, daß es mit jedem der beiden Adverbiale besetzt werden kann. Dabei ist aber die Vorfeldbesetzung mit der Adverbialergänzung in (2-44c) markierter als die Vorfeldbesetzung mit der Angabe (2-44b). (2-44) a) daß die Mäusejagd morgens vor Sonnenaufgang stattfindet. b) Morgens findet die Mäusejagd vor Sonnenaufgang statt. c) ?Vor Sonnenaufgang findet die Mäusejagd morgens statt Die dritte Möglichkeit, Adverbiale in einem Satz zu häufen, umfaßt Adverbiale mit unterschiedlichen internen Funktionen, aber der gleichen externen Funktion. Ausgehend von den drei externen Funktionen wird diese Möglichkeit untersucht. Für die externe Funktion Adverbialergänzung gibt es diese Häufungsmöglichkeit grundsätzlich nicht. Dies liegt an der externen Funktion Ergänzung, die immer nur einmal und entsprechend der Verbrektion besetzt sein darf. Für die externe Funktion prädikatsmodifizierendes Adverbial gibt es zwei mögliche interne Funktionen: Adverbial der Art & Weise und instrumentales Adverbial, die beide gleichzeitig vorkommen dürfen. Diese Häufung besitzt keine festgelegte Reihenfolge, jede Anordnung ist unmarkiert. Für jedes Adverbial einer solchen Häufung gelten die Stellungsregularitäten der prädikatsmodifizierenden Adverbiale, d.h. vor der Ergänzung wie in (2-45a,b) oder nach der Ergänzung wie in (2-45c,d). (2-45) a) Die b) Die c) Die d) Die
Katze Katze Katze Katze
hat hat hat hat
mit beiden Pfoten geschickt einen Goldfisch geschickt mit beiden Pfoten einen Goldfisch einen Goldfisch mit beiden Pfoten geschickt einen Goldfisch geschickt mit beiden Pfoten
geangelt. geangelt. geangelt. geangelt.
Da prädikatsmodifizierende Adverbiale meist von der Form Adjektiv (für Adverbiale der Art & Weise) oder Präpositionalphrase (für instrumentale Adverbiale) sind, ist eine Stellung im Nachfeld selten möglich. Im Vorfeld führen vor allem die Adverbiale der Art & Weise zu einer markierten Wortstellung (vgl. geschickt hat die Katze mit beiden Pfoten einen Goldfisch geangelt). Die Untersuchung der Häufung von satzbezogenen Adverbialen erfolgt wieder dadurch, daß diese Klasse zunächst in Zusätze, Verknüpfungen und Satzadverbiale unterteilt wird. Eine Häufung von Zusätzen ist ebenso uneingeschränkt möglich wie eine Häufung von Verknüpfungen oder Satzadverbialen, solange sie unterschiedliche interne Funktionen besitzen. Allerdings gibt es bei der linearen Abfolge innerhalb dieser Gruppen große Unterschiede.
43 Die Zusätze unterteilen sich in die temporalen, lokalen, direktiven und Aktionsart-Adverbiale. Während die temporalen Adverbiale ganz am Anfang des möglichen Angabenfeldes stehen, besetzen die anderen Zusätze eher Positionen am Ende dieses Feldes. Dabei stehen die Adverbiale der Aktionsart noch vor den lokalen und direktiven Adverbialen (vgl. die Katze hat gestern plötzlich auf der Wiese den Hund angegriffen). Gemeinsam ist aber allen Zusätzen, daß die Stellung im Vorfeld unmarkiert ist. Auch die Verknüpfungen können uneingeschränkt das Vorfeld besetzen. Innerhalb des Angabenfeldes gibt es zwischen den unterschiedlichen Verknüpfungen keine festgelegte Reihenfolge. Da Verknüpfungen häufig durch komplexe Adverbialformen ausgedrückt werden, bietet sich auch das Nachfeld für diese Gruppe von Adverbialen an. Die Möglichkeit, Satzadverbiale mit unterschiedlicher Funktion gehäuft zu verwenden, unterliegt ebenfalls keiner Einschränkung. Mit den dadurch möglichen Abfolgen haben sich u.a. Lang 79 und Heiland 89 beschäftigt. Lang 79 zeigt die Stellungsmöglichkeiten am Beispiel der Adverbiale wahrscheinlich (modales Adverbial) und leider (faktives Adverbial). Hetland 89 stellt eine Reihe von Stellungsvarianten vor. Allgemein läßt sich zunächst feststellen, daß alle Satzadverbiale vorfeldfähig sind und daß daraus eine unmarkierte Wortstellung folgt. Die Nachfeldbesetzung ist abhängig von der Form der Satzadverbiale. Problematisch ist vor allem die Position im Mittelfeld. Beide Adverbialfunktionen tendieren zum Anfang des Angabenfeldes, dorthin, wo auch die temporalen Adverbiale stehen. Wenn beide Satzadverbialfunktionen gemeinsam im Mittelfeld vorkommen, gibt es für ihre Abfolge keine syntaktische Regelung. Die vierte Häufungsart ist das gemeinsame Vorkommen von Adverbialen mit unterschiedlichen internen und externen Funktionen. Für die Anhäufung selbst gibt es dabei keine Einschränkung, aber für die Abfolge der verschiedenen Adverbiale gelten bestimmte Regelmäßigkeiten. Bereits bei den einzelnen Adverbialklassen wurde gesagt, wo sie im Angabenfeld stehen können. Dabei war die unmarkierte Wortstellung Gegenstand der Untersuchung. Die einzelnen Stellungsmöglichkeiten können nun in Zusammenhang gebracht werden, um die Abfolge aller Adverbiale aufzuzeigen. Das Mittelfeld teilt sich demnach nicht nur in die drei Felder Angabenfeld, Ergänzungsfeld und Feld der prädikatsmodifizierenden Adverbiale, sondern in fünf Felder. Dies erfolgt durch das Aufteilen des Angabenfeldes in drei Teilfelder. In diesen Teilfeldern können unterschiedliche Angaben (spezifiziert durch ihre Funktionen20), entsprechend dem bisher Ausgeführten, stehen. So ergeben sich folgende Stellungsmöglichkeiten:
20
Die externen Funktionen sind folgendermaßen abgekürzt: erg - Ergänzung, pm - prädikatsmodifizierendes Adverbial, sb - satzbezogenes Adverbial. Die möglichen internen Funktionen sind temporales (tem), lokales (lok), direktives (dir), instrumentales (ins), faktives (fak) und modales (mod) Adverbial, sowie Adverbial der Art & Weise (a&w), der Aktionsart (aka), der Modalverhältnisse (moV) und der Konditionalverhältnisse (koV).
44 (2-46) MITTELFELD ANGABENFELD
m
I tem - sb mod - sb fak - sb
moV -sb koV - sb aka - sb
lok - sb dir - sb a&w - pm ins - pm
ERGÄNZUNGS-FELD
PRÄD. MOD. ADV.-FELD
tem - erg a&w - erg dir - erg lok - erg
a&w - pm ins - pm
Diese Anordnung ist jedoch keine unumstößliche Regelhaftigkeit, sie stellt vielmehr eine unmarkierte Abfolge im Mittelfeld dar. Sätze, in denen das Vorkommen von Adverbialen von dieser Abfolge abweicht, sind daher nicht ungrammatisch, sondern markiert. Ungrammatisch werden Sätze nur durch die Häufung von Adverbialen, die nicht gemeinsam vorkommen dürfen. Dies ist eine grammatische Restriktion für Adverbiale. Dagegen stellen die Wortstellungsregularitäten in (2-46) keine derartige Restriktion dar. Ein Faktor, der die Abfolge im Mittelfeld ändern kann, ist die Thema-Rhema-Gliederung.21 Sie ist kein syntaktischer, sondern ein pragmatischer, textlinguistischer Faktor, der die Wortstellung im Deutschen stark beeinflußt. Die Grundidee der Thema-Rhema-Gliederung (vgl. Halliday 67, zur Einordnung des Begriffes auch BeneS 73) besagt, daß bei normaler Betonung die rhematischen Elemente eines Satzes zum Satzende, d.h. an das Ende des Mittelfeldes, tendieren. Da dies auch für Adverbiale gilt, können auf diese Weise alle Adverbiale, unabhängig von ihrer Funktion, in dem Feld der prädikatsmodifizierenden Angaben oder im Ergänzungsfeld stehen, vorausgesetzt, daß sie rhematisch sind. Die Wortstellungsmöglichkeiten der Adverbiale zeigen die Probleme, die bekanntermaßen bei der Wortstellung im Deutschen auftreten. Anstelle fester Regeln gibt es eher Tendenzen von einzelnen Faktoren, deren Zusammenwirken über die Stellung entscheidet. Dazu gehören einerseits Faktoren des einzelnen sprachlichen Zeichens wie seine Form oder seine Funktion und andererseits Faktoren aus dem Kontext des sprachlichen Zeichens wie die Thema-RhemaGliederung, die für den ganzen Satz gilt, oder die unmarkierte Mittelfeldabfolge, die für mehrere Satzglieder gilt. Wichtiger als diese Wortstellungstendenzen ist die Häufung von Adverbialen. Hier müssen die möglichen Restriktionen beachtet werden. So gilt, daß Adverbiale mit gleicher interner
21
Ihre Bedeutung für die Stellungsmöglichkeiten von Adverbialen, allerdings im Niederländischen, wird besonders von Verhagen 86 herausgestellt. Er nimmt als wichtigsten Teil der Informationsstruktur eines Satzes den "comment" (entspricht dem Rhema) an und schreibt "A sentence adverbial relates specifically to the comment of the sentence; it functions as 'comment modifier'." (Verhagen 86, S. 84). Mit dieser Funktion der "comment modification" wird nicht nur eine Adverbialklasse eingeführt, sondern vor allem die Wortstellungsmöglichkeiten von Adverbialen beschrieben.
45 Funktion nicht gehäuft werden dürfen. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, daß Adverbiale Subordinationsketten bilden können und dadurch aufeinander beziehbar sind. Dies ist nur bei wenigen Adverbialklassen wie den temporalen, lokalen und direktiven Adverbialen möglich. Häufungen von Adverbialergänzungen sind niemals zulässig. Wie alle anderen Ergänzungen dürfen Adverbialergänzungen nur einmal und nur entsprechend der Verbrektion vorhanden sein. Bei Häufungen von Adverbialen sind somit immer Angaben beteiligt. Die Restriktionen für die Häufungen von Adverbialen basieren auf der Klassifikation der Adverbiale aufgrund ihrer internen und externen Funktionen. Sie zeigen, daß diese Klassifikation nicht nur notwendig ist, um die adverbialen Funktionen zu beschreiben, sondern auch um Restriktionen für das Vorkommen von Adverbialen aufzustellen. Da die Regularitäten entsprechend der Beschreibung der Adverbialformen und der Klassifikation aufgrund der Adverbialfunktionen gelten, stützen sie auf diese Weise die Ergebnisse aus Kap. 2.1 und Kap. 2.2.
2.4 Semantische Aspekte von Adverbialen Um Adverbiale angemessen zu beschreiben, sind auch Überlegungen zu ihrer Semantik notwendig. Dazu gehört vor allem die Frage, welche semantischen Beziehungen bestehen und wie diese innerhalb einer formalen Semantik darzustellen sind. Mit dieser Frage beschäftigen sich eine Reihe von Arbeiten aus der Logik und der Linguistik. Sie unterscheiden sich außer in den vorgeschlagenen semantischen Strukturen auch in folgenden Punkten: in den berücksichtigten Adverbialen22, den beachteten semantischen Eigenschaften und Zusammenhängen, einer möglichen Klassifikation und den Konsequenzen für die formale Semantik. Vier Arbeiten, die beispielhaft verschiedene Ansätze vertreten, lassen sich anhand dieser Punkte vergleichen.23 Bei der Beurteilung der Ansätze wird dann auch ihre Erweiterbarkeit berücksichtigt, d.h. die Übertragung der vorgeschlagenen semantischen Strukturen auf andere Adverbiale. Clark 70 berücksichtigt nur prädikatsmodifizierende Adverbiale. Diese Adverbiale werden als Operatoren auf Prädikate definiert, deren Anwendung von einfachen Prädikaten zu komplexen Prädikaten führt. Sowohl die Operatoren als auch die Prädikate sind Primitive in der vor-
22
In Arbeiten zur Semantik wird meist nur von Adverbien gesprochen. Doch nur die adverbiale Verwendung dieser Adverbien wird untersucht, so daß eine Übertragung der Ansätze auf Adveibiale, unabhängig ihrer Form, zulässig ist.
23
Es gibt eine Vielzahl und Vielfalt semantischer Arbeiten zu Adverbialen, von denen eine Reihe anregend für dieses Kapitel waren (Davidson 66, Wallace 71, Bartsch 72, Richards 76, Cresswell 85). Die im folgenden dargestellten Arbeiten wurden aufgrund von zwei Kriterien ausgewählt: zum einen erläutern sie grundlegende semantische Eigenschaften von Adverbialen, die auch in vielen anderen Arbeiten den Adverbialen zugeschrieben, aber nicht derart explizit gemacht wurden, z.T. auf unterschiedliche Weise, zum anderen sollten die besprochenen Arbeiten auch die Möglichkeit einer formalen Beschreibung im gewählten Rahmen (vgl. Kap. 4.2) erlauben.
46 geschlagenen Semantik. Nur eine semantische Eigenschaft wird berücksichtigt: die Implikationsbeziehung zwischen Sätzen mit Adverbialen und Sätzen ohne Adverbiale."... the problem is to specify the entailment relations among sentences which are alike save for the occurrence of modifiers" (Clark 70, S. 319). Um diese Beziehung darzustellen, werden sowohl die Modifikatoren als auch die modifizierten Prädikate aufgrund ihrer Extensionen in unterschiedliche Klassen eingeteilt. Diese Einteilung berücksichtigt allerdings auch andere sprachliche Konstruktionen als Adverbiale (Modifikatoren) und Verbalphrasen (Prädikate). Wenn die Implikationsbeziehung auf Adverbiale und Verbalphrasen eingeschränkt wäre, sähe sie einfacher aus. Die Extensionen des modifizierten Prädikats bilden dann eine Teilmenge der Extensionen des nichtmodifizierten Prädikats. Zu einer neuen Klassifikation der Adverbiale führt diese Arbeit nicht. In Clark 70 werden weder Kriterien für die prädikatsmodifizierenden Adverbiale angegeben, noch wird diese Klasse weiter unterteilt. Der Vorschlag basiert auf der einstufigen Prädikatenlogik und erweitert diese Logik um die Prädikatsoperatoren. Thomason/Stalnaker 73 entwickeln ihren Ansatz im Rahmen der intensionalen Logik. Adverbiale sind auch in diesem Ansatz funktionale Operatoren und werden folgendermaßen definiert: "Sentence adverbs will therefore denote functions taking propositions into propositions, and predicate adverbs will denote functions taking singulary prepositional functions into singulary prepositional functions" (Thomason/Stalnaker 73, S. 209). Dies zeigt bereits, welche Arten von Adverbialen berücksichtigt werden: prädikatsmodifizierende Adverbiale und satzbezogene Adverbiale. Von den vielen satzbezogenen Adverbialen werden allerdings nur "modal adverbs", "adverbs of attitude" und "locative adverbs" (Thomason/Stalnaker 73, S. 203) angesprochen. Zur Einteilung der Adverbiale in die beiden Klassen werden vier Tests entwickelt. Eine weitere Differenzierung der Adverbiale innerhalb der beiden Klassen ist in Thomason/Stalnaker 73 nicht möglich. Eine Eigenschaft, wodurch sich die prädikatsmodifizierenden Adverbiale und die satzbezogenen Adverbiale unterscheiden, ist ihr Skopus. Lang 79, S. 205 erklärt Skopus als "Geltungsbereich eines Operators innerhalb des ihm als Operationsdomäne zugeordneten (komplexen) Ausdrucks". In Thomason/Stalnaker 73, S. 201 wird die Notwendigkeit, diese Eigenschaft in der formalen Semantik zu erfassen, hervorgehoben: "It is less obvious, but equally true, that if the scope of a modifier is analyzed as wider than it should be, one will get an incorrect account of the logical relationships among sentences containing the modifier and of the syntactic ambiguities in such sentences". In Kap. 2.2 sind die Angaben aufgrund ihrer externen Funktion in prädikatsmodifizierende und satzbezogene Adverbiale eingeteilt. Wie sich nun zeigt, basiert diese Einteilung der Adverbiale auf ihrem unterschiedlichen Skopus, der eine semantische Eigenschaft ist. Auch Thomason/Stalnaker 73 stellt eine Erweiterung innerhalb der einstufigen Prädikatenlogik dar. Einen völlig anderen Ansatz schlägt Jackendoff 72 vor. Zum einen sind seine semantischen Ideen nicht in eine formale Semantiktheorie eingebettet, zum anderen werden grundsätzlich semantische Eigenschaften syntaktisch hergeleitet Jackendoff 72 spricht zwar viele Arten von Adverbialen an, semantische Interpretationsregeln in Form von Projektionsregeln werden aber
47 nur für prädikatsmodifizierende Adverbiale (der Art & Weise) und Satzadverbiale angegeben. Sein Vorschlag berücksichtigt somit nur diese Arten von Adverbialen. Die Einteilung weist bereits auf eine semantische Eigenschaft hin, die auch bei Thomason/Stalnaker 73 im Mittelpunkt steht: den Skopus von Adverbialen. Diese Eigenschaft wird in Jackendoff 72 nicht explizit benannt. Er nutzt sie zwar zur Einteilung der Regeln und damit der Adverbiale aus, leitet sie aber aus der syntaktischen Struktur englischer Sätze ab. Jackendoff 72 stellt eine andere Eigenschaft von Adverbialen in den Mittelpunkt seiner Vorschläge: die Orientierung von Satzadverbialen, die er als "sentence adverbs" bezeichnet. Satzadverbiale nehmen nicht nur die Lesart des Satzes als Argument, sondern zusätzlich das Subjekt (bei subjektorientierten Satzadverbialen) bzw. den Sprecher (bei sprecherorientierten Satzadverbialen) als ein zweites Argument. Dies berücksichtigt Jackendoff 72 aber nur bei den Satzadverbialen, nicht jedoch bei den prädikatsmodifizierenden Adverbialen der Art & Weise, die ebenfalls Orientierung ausdrücken können. Die Projektionsregel für prädikatsmodifizierende Adverbiale hat eine andere Wirkung: "... attach its semantic markers to the reading of the verb without changing the functional structure" (Jackendoff 72, S. 107). Dabei wird nicht näher ausgeführt, wie dies geschehen soll. Der Status von Adverbialen bleibt in diesem Ansatz ebenso unklar wie ein mögliches Einbeziehen dieser Ideen in eine formale Semantik. Es muß jedoch festgehalten werden, daß hier Skopus mit der Konstituentenstruktur in Beziehung gesetzt wird und eine weitere Eigenschaft, nämlich die Orientierung, semantisch beschrieben wird. Den vierten Ansatz beschreibt McConnell-Ginet 82. Hier werden eine Reihe von Adverbialen semantisch untersucht, klassifiziert und in eine semantische Struktur überführt. Ausgangspunkt der Arbeit sind die passiv-sensitiven Adverbiale wie reluctantly. McConnell-Ginet 82, S. 145 vergleicht die beiden folgenden Sätze: a) Reluctantly, Joan instructed Mary. b) Reluctantly, Mary was instructed by Joan. Während sich in a) das Adverbial nur auf Joan beziehen kann, sind in b) zwei Interpretationen möglich. Das Adverbial kann sich entweder auf Joan oder auf Mary beziehen. Dieser Unterschied kann in den Operatoransätzen wie Clark 70 oder Thomason/Stalnaker 73 nicht dargestellt werden. McConnell-Ginet 82 führt eine andere Klassifikation der Adverbiale ein. Sie unterteilt die prädikatsmodifizierenden Adverbiale in VP-inteme und VP-exteme Adverbiale. Die Klasse der Satzadverbiale bleibt bestehen, daneben berücksichtigt sie auch die Adverbialergänzungen. Von der semantischen Struktur der Adverbialergänzungen wird in McConnellGinet 82 ausgegangen. Verben, die Adverbialergänzungen fordern, sind Prädikate, die dafür Argumentstellen besitzen. Auch VP-intemen Adverbialen wird in McConnell-Ginet 82 die gleiche semantische Struktur zugeschrieben wie Adverbialergänzungen, d.h. Argumente eines Prädikats zu sein. Dazu müssen sie selbst die entsprechenden Argumentstellen schaffen. Modifikation durch VP-interne Adverbiale besteht auf diese Weise in der-Kombination mit Prädikaten, der Erweiterung ihrer Argumentstruktur um ein Argument und das Einsetzen des Adverbiale selbst als dieses Argument. Dies wird folgendermaßen beschrieben: "we augment a verb and expand its range of categories by adding argument places" (McConnell-Ginet 82, S. 169). VP-
48 externe Adverbiale und Satzadverbiale werden ähnlich definiert. Sie modifizieren auf die gleiche Weise, nur daß sich diese Modifikation nicht auf die Verbalphrase oder den Satz selbst bezieht, sondern auf ein übergeordnetes Verb wie "act" oder eine übergeordnete Phrase wie "In making the following assertation, I speak ...", die neben dem Adverbial die Verbalphrase bzw. den Satz als Argumente nehmen. Auf diese Weise entstehen komplexe semantische Strukturen, die mehr Skopusmöglichkeiten als nur das Prädikat oder den Satz bieten. Unterschiedliche Orientierungen können dann als unterschiedliche Skopusmöglichkeiten in diesen komplexen Strukturen dargestellt werden. Die vier verschiedenen Ansätze lassen sich aufgrund ihres theoretischen Rahmens gruppieren. Clark 70 und Thomason/Stalnaker 73 können der Logik zugeordnet werden, Jackendoff 72 und McConnell-Ginet 82 gehören zur Linguistik. Je nach Zugehörigkeit stellen die Ansätze unterschiedliche semantische Eigenschaften der Adverbiale in den Mittelpunkt ihres Interesses. Die logischen Ansätze verfolgen im wesentlichen zwei Ziele. Einerseits wird der Skopus der Adverbiale durch die semantische Struktur explizit gemacht. Andererseits muß die semantische Beschreibung die Anwendung von allgemeinen Schlußregeln erlauben. Die Aufgabe der Semantik wird darin gesehen, Adverbiale in einen größeren Rahmen einzuordnen. Sätze mit Adverbialen sollen Schlüsse auf Sätze ohne Adverbiale erlauben, und Skopusunterschiede müssen strukturell erklärbar sein. Die linguistischen Ansätze betonen eine andere Aufgabe der semantischen Beschreibung. Sie soll linguistisch und logisch interessante Eigenschaften zugänglich machen. Skopusunterschiede führen zu unterschiedlichen, zum Teil sehr komplexen Strukturen und werden dadurch nur noch implizit ausgedrückt. Allerdings lassen die komplexen semantischen Strukturen die Darstellung weiterer Eigenschaften, wie zum Beispiel die Orientierung von Satzadverbialen, zu. Alle Ansätze ähneln sich darin, welche sprachlichen Zeichen von ihnen berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt stehen Angaben. Unter diesen werden meist nur prädikatsmodifizierende Adverbiale und Satzadverbiale untersucht, andere Adverbiale wie temporale oder lokale Zusätze werden höchstens angesprochen, adverbiale Verknüpfungen immer ignoriert. Außerdem gleichen sich die Ansätze auch darin, daß nur Sätze mit einem Adverbial betrachtet werden. Ein übersichtlicher Vergleich der verschiedenen Ansätze ist in (2-47) aufgeführt:
49 (2-47) Arbeit
wiss. Rahmen
berücksichtige Adverbialklassen
berücksichtigte semantische Eigenschaften
Clark 70
Logik
prädikatsmodifizierende Adverbiale
Implikationsbeziehung
Thomason/Stalnaker 73
Logik
prädikatsmodifizierende und satzbezogene Adverbiale
Skopus
Jackendoff 72
Linguistik
prädikatsmodifizierende Adverbiale und Satzadverbiale
Skopus und Orientierung
McConnell-Ginet 82
Linguistik
Adverbialergänzungen, prädikatsmodifizierende Adverbiale, Satzadverbiale und Zusätze
Skopus und Orientierung
Bei den im allgemeinen nicht untersuchten Angaben sind ebenfalls die Eigenschaften wichtig, die die logischen Ansätze in den Mittelpunkt stellen. Sie haben Skopus über den ganzen Satz, und es können Aussagen über gültige Schlüsse gemacht werden. So gilt für alle Angaben (ausser den konditionalen und den modalen Adverbialen), daß ein Satz mit Angabe den entsprechenden Satz ohne Angabe impliziert. Die Eigenschaft Orientierung, die die linguistischen Ansätze betonen, findet man bei diesen, bislang nicht berücksichtigten Angaben dagegen nicht Auch wenn es mehrere Angaben in einem Satz gibt, stellt sich die Frage nach dem Skopus. Lang 79 zeigt, daß es grundsätzlich feste Skopusbeziehungen zwischen mehreren Satzadverbialen gibt, die unabhängig von ihrer linearen Abfolge im Satz gelten. Die logischen Ansätze zeichnen sich dadurch aus, daß sie semantische Eigenschaften beschreiben, die allen Angaben gemeinsam sind, wie Skopus oder Implikationsbeziehung. Eigenschaften, die nur bei manchen Angaben wichtig sind, wie z.B. Orientierung, können dagegen nicht beschrieben werden. Zwar besitzen die logischen Ansätze gegenüber den linguistischen diesen Vorteil, daß sie allgemeingültige und generelle Eigenschaften der Adverbiale betrachten, doch weisen sie auch einen großen Nachteil auf. Eine häufig geübte Kritik an ihnen formuliert Heny 73, S. 243f folgendermaßen: "What I have been trying to suggest is that if we are content to deal with modifiers at the level where they appear simply as primitive operators on predicates (...) we lose access to all their linguistically interesting and perhaps, to many of their logically interesting properties". Abschließend ist festzuhalten, daß die logischen Ansätze durchaus eine Reihe wichtiger semantischer Eigenschaften von Adverbialen ignorieren. Ihr Verdienst ist aber, daß sie in der
50 Lage sind, die allgemeinen Beziehungen zwischen einer Angabe und der von ihr modifizierten Verbprojektion anzugeben.
2.5 Mehrdeutige Adverbiale Adverbiale können auf unterschiedliche Weise mehrdeutig sein. Mehrdeutigkeit heißt hier, daß einem Adverbial mehrere adverbiale Funktionen zugeordnet sind. Diese Möglichkeit ist bei verschiedenen Adverbialklassen unterschiedlich ausgeprägt. Zum einen gibt es Adverbialklassen, die eine bestimmte interne Funktion besitzen und deren interne Funktion mehrere externe Funktionen zuläßt (vgl. die Übersicht in (2-33)). Dies ist eine Art von Mehrdeutigkeit bei Adverbialen. Zum anderen gibt es Adverbiale, die mehrere interne Funktionen besitzen können und auf diese Weise mehrdeutig sind. Die erste Art von Mehrdeutigkeit wurde bereits in Kap. 2.2 angesprochen. Ein Adverbial mit einer der internen Funktionen lokales, direktives, temporales oder Art & Weise-Adverbial kann als externe Funktion sowohl eine Ergänzung als auch eine Angabe sein. Das Adverbial im Garten in (2-19) ist somit aufgrund seiner unterschiedlichen Verwendungsweisen mehrdeutig.
(2-19) a) Die Katze hält sich im Garten auf. b) Die Katze fängt im Garten eine Maus. c) Im Garten hält sich die Katze unter einem Rosenbusch auf. Diese Mehrdeutigkeit ist von der internen Funktion des Adverbials und damit nur indirekt von dem Adverbial selbst abhängig. Jede interne Funktion, die mehrere externe Funktionen zuläßt, führt zu mehrdeutigen Adverbialen, und jedes Adverbial, das eine dieser internen Funktionen besitzt, ist dadurch mehrdeutig. Diese Art von Mehrdeutigkeit tritt nur zwischen Adverbialergänzungen und Angaben auf und kann aufgrund des sprachlichen Kontextes, d.h. aufgrund des regierenden Verbes und den anderen Ergänzungen, leicht aufgelöst werden. Eine völlig andere Art von Mehrdeutigkeit liegt dagegen bei dem Satz in (2-48a) vor. Mögliche Paraphrasen dieses Satzes, die die unterschiedlichen Lesarten verdeutlichen, sind in (248b,c) aufgeführt. (2-48) a) Die Katze springt sicher von dem hohen Baum herunter. b) Wie die Katze von dem hohen Baum herunterspringt, geschieht auf sichere Art und Weise. c) Es ist sicher, daß die Katze von dem hohen Baum herunterspringt. Wie die Paraphrasen deutlich machen, kann das Adverbial sicher in (2-48a) ein prädikatsmodifizierendes Adverbial (vgl. 2-48b) oder ein Satzadverbial (vgl. 2-48c) sein.
51 Mit beiden Lesarten sind grundsätzlich alle möglichen Adverbialpositionen im Satz zulässig. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, daß je nach Lesart markierte Wortstellungen entstehen. Ein prädikatsmodifizierendes Adverbial im Vorfeld (2-49a) ist ebenso markiert wie ein Satzadverbial am Ende des Mittelfeldes (2-49b). Anders als z.B. im Englischen kann aber die Position die Mehrdeutigkeit nicht auflösen. (2-49) zeigt Stellungsvarianten des Satzes in (248a). (2-49) a) Sicher springt die Katze von dem hohen Baum herunter. b) Die Katze springt von dem hohen Baum sicher herunter. Die beiden Lesarten unterscheiden sich dagegen deutlich, wenn das Negationswort nicht in dem Satz in (2-48a) verwendet wird. Die Lesart des Satzadverbials ist nicht möglich, wenn nicht vor sicher steht. Die Lesart des prädikatsmodifizierenden Adverbials ist dagegen unmöglich, wenn nicht nach sicher steht. Dieses Zusammenwirken von Negation und Adverbial ist durch die Skopuseigenschaften bedingt. Zur Illustration sind die negierten Sätze in (2-50) aufgeführt. (2-50) a) Die Katze springt nicht sicher von dem hohen Baum herunter. b) Die Katze springt sicher nicht von dem hohen Baum herunter. Eine weitere Möglichkeit, die Mehrdeutigkeit aufzulösen, besteht darin, das mehrdeutige Adverbial mit einem eindeutigen Adverbial der gleichen internen Funktion zu koordinieren (vgl. Lang 84, Kap. 1.3.2). Das Adverbial sicher ist mehrdeutig. Es kann als prädikatsmodifizierendes Adverbial der Art & Weise oder als modales Satzadverbial verwendet werden. Anders als die zuvor besprochene Art der Mehrdeutigkeit (ein Adverbial besitzt eine interne Funktion, die mehrere externe Funktionen zuläßt) ist diese Art von Mehrdeutigkeit eine unmittelbare Eigenschaft des Adverbials selbst. Aber auch diese Art von Mehrdeutigkeit ist auf eine bestimmte Gruppe von Adverbialen eingeschränkt. Sie kann nur zwischen prädikatsmodifizierenden Adverbialen der Art & Weise und Satzadverbialen existieren. Neben sicher gehört beispielsweise auch natürlich dieser Gruppe von Adverbialen an. (2-51) a) Die Katze bewegt sich natürlich. b) Wie sich die Katze bewegt, geschieht auf natürliche Art und Weise. c) Es ist natürlich, daß sich die Katze bewegt. Es muß hier allerdings erwähnt werden, daß es die Ableitung sicherlich zu dem Adjektiv sicher gibt, die eindeutig ein Satzadverbial ist und der Lesart in (2-48c) entspricht. In (2-52) wird sicherlich anstelle von sicher verwendet. Wie bei jedem Satzadverbial ist die Stellung am Ende
52 des Mittelfeldes deutlich markierter und eine Abfolge Negationswort vor Satzadverbial unzulässig. (2-52) a) Die Katze springt sicherlich von dem hohen Baum herunter. b) Sicherlich springt die Katze von dem hohen Baum herunter. c) ?Die Katze springt von dem hohen Baum sicherlich herunter. d) Die Katze springt sicherlich nicht von dem hohen Baum herunter. e) *Die Katze springt nicht sicherlich von dem hohen Baum herunter. Schon Dik 75, S. 104 bemerkt diesen Zusammenhang und schreibt: "In languages like German and Dutch, the difference between sentence and manner adverbials is in most cases signalled by the form of the adverbials themselves." Mit den Ableitungssuffixen -weise und -lieh kann zwischen prädikatsmodifizierenden Adverbialen der Art & Weise (klug, glücklich, sicher), die von der Form Adjektiv sind, und Satzadverbialen (klugerweise, glücklicherweise, sicherlich), die Adverbien sind, unterschieden werden. Aufgrund dieser Wortbildungssuffixe gibt es im Deutschen nur wenige mehrdeutige Adverbiale, d.h. Adverbiale mit unterschiedlichen internen Funktionen.24 Keine externe Funktion ist eindeutig auf eine interne Funktion festgelegt, eine Reihe von internen Funktionen ist nicht eindeutig auf eine externe Funktion festgelegt, und ein paar Adverbiale sind nicht eindeutig auf eine interne Funktion festgelegt. Diese fehlende Eindeutigkeit könnte eine Klassifikation der Adverbiale erschweren, wenn sie nicht auf nur wenige, bestimmbare Klassen beschränkt wäre. Dies ist glücklicherweise der Fall. Sowohl die Mehrdeutigkeit der Funktionen als auch die Mehrdeutigkeit von Adverbialen ist festgelegt. Eine Klassifikation der Adverbiale aufgrund ihrer Funktionen ist daher trotz dieser Mehrdeutigkeit möglich und zur Bestimmung der Mehrdeutigkeit sogar notwendig.
2.6 Zusammenfassung Die Klassenbildung bei Adverbialen gelingt nicht aufgrund der Form, sondern aufgrund der Möglichkeit, als Angaben fungieren zu können, d.h. aufgrund einer gemeinsamer Funktion. Die zulässigen Adverbialformen können beschrieben werden. Es sind Adverbien, unflektierte Adjektive, Präpositionalphrasen, Adverbialsätze, konjunktional eingeleitete Infinitivkonstruktionen und einige Nominalphrasen. Die Adverbialfunktionen können nicht nur beschrieben, sondern auch systematisch klassifiziert werden. Dabei kann die Klasse der Adverbiale aufgrund verschiedener, funktionaler Krite-
24
Dies ist beispielsweise im Englischen, wo die meisten prädikatsmodifizierenden Adverbiale der Art & Weise auch als Satzadverbiale verwendet werden können, anders. Sowohl McConnell-Ginet 82 als auch Ernst 83 untersuchen diesen Zusammenhang zwischen den beiden Adverbialklassen.
53 rien weiter unterteilt werden. Aufgrund der externen Funktion (Relation zum Satz) werden Ergänzungen und Angaben, die sich in prädikatsmodifizierende und satzbezogene Adverbiale einteilen lassen, unterschieden. Ergänzung zu sein, ist keine Eigenschaft eines Adverbials, sondern abhängig von dem Verb und seinen Ergänzungen. Allerdings ist diese externe Funktion nur in Verbindung mit bestimmten internen Funktionen möglich. Angabe zu sein, ist dagegen klassenkonstituierend. Die weitere Einteilung der Angaben in prädikatsmodifizierende und satzbezogenen Adverbiale ist semantikbasiert, d.h. sie wird von dem Skopus der Adverbiale bestimmt. Die interne Funktion (ausgedrückter Bezug) gliedert die Adverbiale in lokale, direktive, temporale, instrumentale, faktive und modale Adverbiale sowie Adverbiale der Art & Weise, der Aktionsart, der Konditionalverhältnisse und der Modalverhältnisse. Die einzelnen Subklassen, aufgrund unterschiedlicher Kriterien gebildet, können aufeinander bezogen werden und stellen dann eine Klassifikation der Adverbiale aufgrund ihrer Funktionen dar, wie in der Übersicht (2-33) gezeigt wurde. Die adverbialen Subklassen unterscheiden sich in ihren funktionalen und semantischen Eigenschaften. So besitzen manche Angaben die Fähigkeit, Orientierung auszudrücken oder eine Orientierung zu besitzen. Dagegen haben alle Angaben einen festgelegten Skopus, und es gilt die Implikationsbeziehung zwischen Sätzen mit und ohne Angabe (ausgenommen modale und konditionale Adverbiale). Die Position der Adverbiale im Satz ist frei, allerdings gibt es Unterschiede in der Markiertheit der verschiedenen Abfolgen. Die unmarkierte Abfolge kann aufgrund der Klassifikation und der Beschreibung der Adverbialformen angemessen analysiert werden. Für das gemeinsame Vorkommen mehrerer Adverbiale (die Häufung) gibt es dagegen feste Restriktionen. Auch diese Restriktionen basieren auf der Adverbialklassifikation aufgrund der internen und externen Funktionen. Alle Eigenschaften und Restriktionen der Adverbiale, die in diesem Kapitel untersucht wurden (solche der Form, der Semantik, der Funktion und des Vorkommens), können auf bestimmte Klassen von Adverbialen festgelegt werden. Die Grundlage für die adäquate Beschreibung der Adverbiale ist daher die Klassifikation aufgrund der Funktionen.
3. Adverbiale in Grammatikformalismen Unterschiedliche Vorschläge zur Formulierung einer Adverbialgrammatik gibt es in den drei Grammatikformalismen Kategorialgrammatik (KG), Generalized Phrase Structure Grammar (GPSG) und Head-Driven Phrase Structure Grammar (HPSG). Der Grund dafür, daß diese drei Formalismen gewählt wurden, ist, daß an ihnen exemplarisch gezeigt werden kann, welche Vor- und Nachteile aus der Vorgabe eines Grammatikformalismus folgen. So wird im folgenden gezeigt werden, daß es aufgrund eines gewählten Grammatikformalismus unmöglich ist, Adverbialhäufungen adäquat zu repräsentieren (Bsp. GPSG). Andererseits gibt es aber auch Formalismen, deren theoretische Prinzipien (Interaktion von Syntax und Semantik) mit den Erkenntnissen über Adverbiale übereinstimmen (Bsp. HPSG) oder solche, in denen es bereits eine Reihe von unterschiedlichen Versuchen, Adverbiale zu repräsentieren, gibt (Bsp. KG). Entsprechend den Ausführungen in Kap. 1.2 wird hier aufgezeigt, daß die Wahl eines Grammatikformalismus nicht beliebig ist, sondern daß mit dieser Wahl eine Reihe von formalen und gegebenenfalls theoretischen Eigenschaften verbunden ist. Diese formalismusspezifischen Eigenschaften können für ein konkretes Grammatikfragment hilfreich oder hinderlich sein. Neben solch formalismusspezifischen Eigenschaften gibt es aber auch wichtige und generelle Eigenschaften, die alle drei Grammatikformalismen besitzen: • sie sind oberflächenorientiert • sie sind interpretativ • sie sind unifikationsbasiert oder können in einen unifikationsbasierten Grammatikformalismus übertragen werden • ihre formalen Eigenschaften können ermittelt werden. In der konkreten Realisierung dieser generellen Eigenschaften unterscheiden sich die drei Grammatikformalismen jedoch deutlich. Daß ein Grammatikformalismus interpretativ ist, sagt nichts darüber aus, wie die Informationen repräsentiert werden. Sie können ausschließlich den Lexemen zugeordnet sein (z.B. in der KG), oder auch als Regeln (z.B. in der GPSG) oder als Prinzipien (v.a. in der HPSG, auch in der GPSG) dargestellt sein. Unifikationsbasiert ist ein Grammatikformalismus sowohl dann, wenn die Unifikation die einzige Operation auf Merkmalsstrukturen ist wie in der unifikationsbasierten KG, eine Operation neben anderen ist wie in der GPSG oder auf erweiterten Merkmalsstrukturen operiert wie in der HPSG. Formalismen können einerseits aufgrund der verfügbaren Mittel (Operationen, Merkmalsstrukturen, Regeltypen, Funktionen etc.) unterschieden werden. In dieser Hinsicht umfaßt die KG (in jeder Ausprägung) die wenigsten und die HPSG die meisten Mittel. Andererseits unterscheiden sich die Grammatikformalismen auch darin, ob sie mit einer linguistischen Theorie verbunden sind. Sowohl die GPSG als auch die HPSG sind nicht nur Grammatikformalismen, sondern auch Grammatiktheorien. Theoretische Vorgaben (wie z.B. die Postulierung von uni-
55 verseilen Regeln und Prinzipien) schränken dann die einzelnen Grammatikformulierungen ein. Die KG ist in dieser Hinsicht uneingeschränkt. Neben diesen Gemeinsamkeiten und Unterschieden, die die Grammatikformalismen betreffen, gibt es auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei den Grammatikfragmenten. Die auffälligste Gemeinsamkeit der Grammatikfragmente betrifft die beschriebene Objektsprache. Ausgenommen einige Arbeiten im Rahmen der KG beschreiben alle hier betrachteten Arbeiten im Rahmen der GPSG und HPSG Adverbiale ausschließlich im Englischen. Zwar gleichen sich die Adverbiale im Englischen und im Deutschen in vieler Hinsicht (Funktion, Semantik, z.T. Form), doch eine einfache Übertragung der Grammatikformulierungen auf die Adverbiale im Deutschen scheitert. Bei den unterschiedlichen Grammatikfragmenten muß immer auch eine Anpassung für die Adverbiale im Deutschen berücksichtigt werden. Ausgehend von der in Kap. 2 dargelegten Beschreibung der Adverbiale im Deutschen sind bei den unterschiedlichen Grammatikfragmenten folgende Punkte besonders zu beachten: • Repräsentation und Spezifikation der Adverbiale Kann die Grammatikformulierung die Adverbiale als eine Klasse darstellen? Werden die unterschiedlichen Subklassen berücksichtigt? • Kombinatorik Wie werden die Adverbiale in der Syntax behandelt? Sind besondere Regeln, Prinzipien, Strukturen notwendig? Können die für Angaben typischen Häufungen und die dabei geltenden Restriktionen beschrieben werden? Weitere mögliche Kriterien könnten die semantischen und funktionalen Eigenschaften oder die Adverbialformen sein. Wie sich aber im folgenden zeigt, wird keiner diese Aspekte in einer der bisher vorgeschlagenen Grammatikformulierungen berücksichtigt.
3.1 Kategorialgrammatik (KG) Die Kategorialgrammatik (KG) unterscheidet sich von anderen Grammatikfonnalismen durch die Art, wie linguistische Information dargestellt und verarbeitet wird. Im Gegensatz zu Phrasenstrukturgrammatiken beschreibt die KG die natürliche Sprache ausschließlich lexikalisch. Alle grammatischen Informationen werden den einzelnen Lexemen einer Sprache mittels kategorialgrammatischer Kategorien zugeordnet. Die Kombinierbarkeit von Lexemen zu größeren und komplexeren Konstituenten wird nicht durch Regeln wie Phrasenstrukturregeln oder allgemeine Prinzipien angegeben, sondern die Kategoriebezeichnung der komplexen Funktorkategorie gibt an, mit welcher (einfachen oder komplexen) Argumentkategorie kombiniert werden kann, um die im Funktor festgelegte (einfache oder komplexe) Ergebniskategorie zu erhalten. Dieser Formalismus wurde ursprünglich in Ajdukiewicz 35 als logischer Kalkül entwickelt, um zu prüfen, ob ein (logischer oder natürlichsprachlicher) Ausdruck "einen sinnvollen Ausdruck bildet, der selbst einen einheitlichen, obgleich aus dem Sinn der zu ihm gehörenden Einzelworte zusammengesetzten, Sinn besitzt" (Ajdukiewicz 35, S. 1), d.h. syntaktisch konnex
56 ist Ajdukiewicz 35 teilt die einzelnen Lexeme und Konstruktionen abhängig von ihrem Vorkommen in der sprachlichen Umgebung in Klassen, die bezeichnet werden, ein. Diese bezeichneten Klassen sind die Bedeutungskategorien. Es werden zwei Arten von Bedeutungskategorien unterschieden: die Grundkategorien und die Funktorenkategorien. Die Funktorenkategorien geben an, welche Art und welche Anzahl von Argumenten (Grundkategorien oder Funktorenkategorien) notwendig sind und welche Bedeutungskategorie entsteht, wenn eine vollständige Konstruktion (d.h. Funktor mit allen notwendigen Argumenten) vorliegt. Die Funktorenkategorien repräsentieren somit die Information über die kombinatorischen Möglichkeiten. Beispielsweise werden den einzelnen Wörtern des Satzes die Rose blüht die folgenden Kategorien zugeordnet (vgl. Ajdukiewicz 35, S. 6):
(3-1) die nln
Rose blüht n sin
Bar-Hillel 53 greift die Ideen Ajdukiewiczs auf und entwickelt aus dem logischen Kalkül einen syntaktischen Beschreibungsformalismus. Dabei werden die Funktorkategorien etwas verändert, so daß sie auch die Informationen über die Direktionalität enthalten. Die Notation /.../ bedeutet, daß das Argument rechts vom Funktor stehen muß, (...) zeigt an, daß das Argument links vom Funktor steht. Den Wörtern des Satzes poor John sleeps werden in Bar-Hillel 53, S. 48 folgende Kategorien zugeordnet:
(3-2) poor John sleeps nl[n] n sl(n) Anfang der 80er Jahre erwachte erneut das Interesse an der KG als einem Formalismus zur syntaktischen Analyse durch die Arbeit Ades/Steedman 82, in der die KG mit neuer Notation und neuem Anspruch vorgestellt wurde. Der Grammatikformalismus in Ades/Steedman 82 umfaßt zunächst das kategoriale Lexikon, in dem jedem Lexem mindestens eine Kategorie zugeordnet wird. In diesem Ansatz werden nichtdirektionale Funktorkategorien verwendet. Die lineare Abfolge zwischen Funktorkategorie und Argumentkategorie ist ausschließlich von der verwendeten Regel abhängig. Insgesamt gibt es hier vier Kombinationsregeln. Zwei davon sind die Applikationsregeln, die Teil jedes kategorialgrammatischen Ansatzes sind. Mit ihnen können eine Argumentkategorie und eine Funktorkategorie kombiniert werden, wenn die Argumentkategorie neben der Funktorkategorie steht und diese Funktorkategorie aufgrund der in ihr enthaltenen Information mit dieser Argumentkategorie kombiniert werden darf. Das Resultat der Regelanwendung ist dann die im Funktor festgelegte Ergebniskategorie. Die Applikationsregeln realisieren somit nur die Informationen, die in den Funktorkategorien enthalten sind. Der linearen Abfolge der Kategorien entsprechend gibt es eine Links- und eine Rechtsapplikationsregel. Die beiden anderen Regeln sind Kompositionsregeln. Kompositionsregeln operieren auf zwei komplexen Kategorien und ergeben eine neue komplexe Kategorie, die aus Teilen
57 der ursprünglichen Kategorien besteht. Für jede Anwendung einer Kombinationsregel gilt grundsätzlich die Bedingung, daß die zu kombinierenden Kategorien adjazent sein müssen. Ades/Steedman 82 sind in mehrfacher Hinsicht wegweisend. Sie stellen die KG als Grammatikformalismus und als Grammatiktheorie dar, sie geben explizite Kombinationsregeln an, und sie verwenden Merkmalsspezifikationen, um die linguistische Expressivität und damit die Beschreibungsadäquatheit des Grammatikformalismus zu erhöhen. In den folgenden Jahren wurde die KG in zwei unterschiedliche Richtungen weiterentwikkelt. Die eine Entwicklungsrichtung wird als Combinatory Categorial Grammar bezeichnet. In diesem Rahmen entstanden Arbeiten wie Steedman 85, Pareschi 86, Steedman 87, Pareschi/ Steedman 87, Wittenburg 87, Haddock 87 oder Dowty 88. Bemerkenswert an ihnen ist die Erweiterung des Regelapparats. Neben den üblichen Applikationsregeln gibt es mehrere Kompositionsregeln, deren Anwendung manchmal auf bestimmte Kategorien eingeschränkt werden muß, und die Typenanhebung, die aus einer (einfachen oder komplexen) Kategorie eine neue komplexe Kategorie macht. Steedman 87 definiert diese Regeln folgendermaßen:
(3-3) Functional Composition A principal function over Y, of category X/Y or X\Y and interpretation F may combine with an adjacent subsidiary function into of category Y/Z or Y\Z and interpretation G. The result is their syntactic and semantic composition, a function from into X of category X/Z or X\Z which bears the interpretation BFG. (Steedman 87, S. 410)
(3-4) Type-raising A category with interpretation y can be replaced with a (higher-order) function category over functions X/Y or X\Y having interpretation F into a result of type X and an interpretation Fy, the result of applying F to y. (Steedman 87, S. 412) Durch dieses erweiterte Regelwerk vergrößern sich die Beschreibungsmöglichkeiten der KG. So können beispielsweise freie Wortstellung und diskontinuierliche Konstituenten mit diesen Mitteln analysiert werden. Die andere Entwicklung bettet die KG in einen unifikationsbasierten Grammatikformalismus ein. Arbeiten in diesem Rahmen sind Uszkoreit 86, Zeevat/Klein/Calder 86, Bouma 87, Bouma 88, Wesche 88, Zeevat 88 und Karttunen 89. Alle kombinatorischen Informationen der Kategorien werden hier in Form von allgemeinen Merkmalsstrukturen ausgedrückt. Mit der gleichen Form können aber auch weitere Informationen dargestellt werden. Die Unifikation ist die einzige Operation auf Merkmalsstrukturen. In diesen Ansätzen werden als Kombinationsregeln meist nur die Applikationsregeln verwendet, wenngleich auch Kompositionsregeln formulierbar sind. Durch die Erweiterung der reinen kategorialgrammatischen Möglichkeiten um die Mittel der unifikationsbasierten Grammatikformalismen ist diese Regelart überflüssig.
58
In allen drei Arten von KG, der traditionellen KG (Arbeiten bis Ades/Steedman 82), der Combinatory Categorial Grammar und der unifikationsbasierten KG gibt es Vorschläge, wie Adverbiale analysiert werden können. Bereits in der ersten kategorialgrammatischen Arbeit Ajdukiewicz 35 wird ein Beispielsatz analysiert, der ein prädikatsmodifizierendes Adverbial enthält. In der Flieder duftet... stark ... (Ajdukiewicz 35, S. 6) wird folgende Zuordnung vorgenommen:
(3-5) der nln
Flieder duftet n sin
stark (sln)l(sln)
Flieder gehört zu der einfachen Kategorie n, der zu der komplexen Kategorie n/n, die ein n als Argument fordert, der Flieder ist syntaktisch konnex und von der Kategorie n. Duftet ist die Kategorie aller intransitiven Verben zugeordnet (s/n, d.h. die Ergebniskategorie ist s (ein Satz), als Argument wird ein n wie z.B. der Flieder gefordert). Der Angabe wird ebenfalls eine Funktorkategorie zugeordnet. Als Argument fordert die Angabe die komplexe Kategorie s/n. Das Ergebnis ist ebenfalls diese Funktorkategorie. Aufgrund dieser Zuordnung kann die syntaktische Konnexität des Satzes in (3-5) gezeigt werden. Während in Ajdukiewicz 35 ein Adverbial nur im Rahmen eines Beispielsatzes behandelt wird, beschreibt Bar-Hillel 53 die Klasse der Adverbien (auch nichtadverbiale) etwas ausführlicher. So unterscheidet er mehrere Arten von Adverbien: "adverbs will be nlnllnln (VERY good), slnllsln (sleeps SOUNDLY), slnnllslnn (ARDENTLY hates), sis (UNFORTUNATELY John died) etc." (Bar-Hillel 53, S. 56). Diese Klassifikation umfaßt satzbezogene Adverbiale (s/s) ebenso wie prädikatsmodifizierende Adverbiale. Diese gehören aber nicht einer einzigen Kategorie an, sondern mehreren, verschiedenen Kategorien (slnllsln, slnnllslnn). Je nach den Rektionseigenschaften des Verbes, das sie modifizieren, wird ihnen eine Kategorie zugeordnet. Alle Adverbien sind wie in Ajdukiewicz 35 komplexe Kategorien einer besonderen Art. Sie sind endotypische Funktoren.1 Dies ist allen kategorialgrammatischen Ansätzen zur Beschreibung von Angaben gemeinsam. So unterschiedlich die Ansätze auch sind, allen Angaben wird immer ein endotypischer Funktor zugeordnet. Aus dieser Zuordnung folgt, daß Häufungen von Angaben auf sehr einfache Weise analysiert werden. Da die Ergebniskategorie immer gleich der Argumentkategorie ist, können beliebig viele Angaben gleicher Kategorie auf einer Argumentkategorie operieren. Bar-Hillel 53 geht auch auf die Wortstellungsprobleme von Angaben ein. Am Beispiel der satzbezogenen Adverbiale macht er deutlich, daß weder eine Kategorie s/(s) (Argument, der Satz, steht links vom Funktor, dem Adverbial) noch eine Kategorie s/[sj (Satz steht rechts vom Adverbial) in der Lage ist, das Adverb strangely in dem Satz "Paul strangely enough refused 1
"It is useful,.... to distinguish between operators which out of their arguments form a string belonging to the same category as the arguments, and those which do not. The first kind might be called ENDOTYPIC, the second EXOTYPIC." (Bar-Hillel 53, S. 56)
59 to talk" (Bar-Hillel 53, S. 58) zu analysieren. Eine Kategorie s/s kann nur mit einem vollständigen Satz kombinieren, d.h. am Anfang oder am Ende des Satzes stehen. Die Schwierigkeit bei dieser Kategoriebezeichnung ist in dem Unterschied zwischen semantischem Skopus des satzbezogenen Adverbials (Modifikation des ganzen Satzes) und dessen Positionsmöglichkeiten (mitten im Satz) begründet Sowohl in der Combinatory Categorial Grammar als auch in der unifikationsbasierten KG kann dieses Problem, allerdings mit völlig unterschiedlichen Mitteln, gelöst werden. Ades/Steedman 82 beschäftigen sich nicht mit prädikatsmodifizierenden oder satzbezogenen Adverbialen. In einigen Beispielen analysieren sie aber direktive Adverbialergänzungen (along, on the table). Sie ordnen ihnen die einfache Kategorie PP zu, die von dem jeweiligen Verb als Argument gefordert wird. Sätze wie "Jones came along" (Ades/Steedman 82, S. 535f) und "On the table he put the frog" (Ades/Steedman 82, S. 538f) analysieren sie mit den beiden Applikationsregeln. In (3-6) sind sie in ihrer allgemeinen Form angegeben:2
(3-6) Rechtsapplikation: Linksapplikation:
/
=> X\Y =>
X X
Eine kategorialgrammatische Ableitung sieht dann folgendermaßen aus:
(3-7) Jones NP
came SIPPINP SIPP
along PP
Linksapplikation Rechtsapplikation
S
Die Adverbialergänzung wird hier genauso wie alle anderen Argumente des Verbes repräsentiert. Problematisch ist allerdings die Zuordnung der einfachen Kategorie PP. Zum einen trifft die Kritik an einer solchen Oberklasse (vgl. Kap. 2.1) grundsätzlich auch hier zu. Zum anderen verhindert eine solche Spezifikation die Definition einer allgemeinen Klasse von Adverbialen. Adverbiale in der Verwendung als Ergänzung und Adverbiale in der Verwendung als Angaben werden völlig unterschiedlich repräsentiert: als einfache Kategorie PP bzw. als unterschiedliche endotypische Funktorkategorien. Mit den kategorialgrammatischen Mitteln gibt es keine Möglichkeit, eine Beziehung zwischen diesen unterschiedlichen Repräsentationen für Adverbialergänzungen und Angaben zu definieren. Dies ändert sich im Rahmen der neueren kategorialgrammatischen Entwicklungen. Sowohl in der Combinatory Categorial Grammar als auch in der unifikationsbasierten KG wird ver-
1
Die Regeln in Ades/Steedman 82 sind den Besonderheiten ihres Formalismus (nichtdirektionale Funktoren) angepaßt. Außerdem schränken Ades/Steedman 82, S. 523-526 die Linksapplikation auf Funktoren ein, die auf S reduzierbar sind. Die Rechtsapplikation bezeichnen sie mit "forward combination" und die Linksapplikation mit "backwards combination".
60 sucht, Adverbiale linguistisch adäquater zu beschreiben. Die größere Adäquatheit betrifft einerseits die Klassenbildung und andererseits die Wortstellungsmöglichkeiten. Im Rahmen der Combinatory Categorial Grammar beschäftigen sich vor allem Steedman 87 und Dowty 88 mit Adverbialen. Steedman 87 nimmt als allgemeine Kategorie für Angaben vp\vp an, wie z.B. für "quickly" (Steedman 87, S. 408) oder für "without reading them" (Steedman 87, S. 417). Er zeigt (vgl. Steedman 87, S. 417-419), daß man unter Verwendung der folgenden Kompositionsregel: Y/Z X\Y =>X/Z alle Stellungsvarianten der Angaben (im Englischen) analysieren kann. Da in seinem Ansatz jedes Verb einer Kategorie vp/$ (wobei $ beliebige Art und Anzahl von Argumenten repräsentiert) angehört, kann eine Angabe der Kategorie vp\vp immer mit dieser Verbkategorie kombinieren, unabhängig davon, womit $ belegt ist und damit unabhängig von den Rektionseigenschaften des Verbes. Voraussetzung für eine Kombination ist allerdings, daß die Angabe links vom Verb steht. Auch Dowty 88 nimmt vp\vp als Kategorie aller Adverbiale an. Diese Zuordnung schließt satzbezogene Adverbiale wie yesterday oder today (vgl. Dowty 88, S. 170) mit ein. In der Analyse der Stellungsmöglichkeiten unterscheidet er sich nicht von Steedman 87, dagegen geht er in der Behandlung der Adverbialergänzungen über die bisherigen Vorschläge hinaus. Er stellt zwei unterschiedliche kategorialgrammatische Ableitungen für die Verbalphrase went to Chicago vor. In (3-8a) wird die Präpositionalphrase als Angabe analysiert, in (3-8b) als Ergänzung. (Hier in verkürzter Darstellung gegenüber Dowty 88, S. 177f):
(3-8) a) went to Chicago Vp vp\vp vp
b) went to Chicago vp/(vp\vp) vp\vp vp
Die Kategorie, die to Chicago zugeordnet wird, ist hier immer der Funktor vp\vp (sowohl in (3-8a), wo das Adverbial als Angabe fungiert, als auch in (3-8b), wo es als Ergänzung verwendet wird). Der Unterschied zwischen (3-8a) und (3-8b) betrifft einzig die Kategorie des Verbes. Dowty 88 bietet somit eine Möglichkeit an, alle Adverbiale gleich zu spezifizieren. Unabhängig davon, ob sie als Ergänzung oder als Angabe fungieren, ist die ihnen zugeordnete Kategorie dieser endotypische Funktor vp\vp. Dowty 88 weist auf einen interessanten Aspekt des Verhältnisses zwischen der komplexen Kategorie vp/(vp\vp) und der einfachen Kategorie vp hin. Man kann die komplexe Kategorie als angehobene ("type-raised") einfache Kategorie betrachten. So schreibt er: "Type raising offers an explanation of how this situation can arise, for type raising would convert a verb taking a certain adjunct into a verb taking that adjunct as an argument..." (Dowty 88, S. 178). In den Vorschlägen der Combinatory Categorial Grammar zur Analyse der Adverbiale bleiben die Grundeigenschaften der früheren Ansätze erhalten. Für die externe Funktion Angabe
61 wird eine endotypische Funktorkategorie verwendet, sodaß die Angabe mit ihrem Argument kombinieren kann und als Ergebnis eine Kategorie gleich der Argumentkategorie entsteht. Dies ermöglicht beliebige Häufungen von Angaben. Zwei Verbesserungen gegenüber den ersten Vorschlägen enthalten die Arbeiten der Combinatory Categorial Grammar. Erstens können durch die Einführung der Kompositionsregeln mehr Wortstellungsmöglichkeiten beschrieben werden, die aber ausschließlich die englischen Wortstellung betreffen. Zweitens wird allen Adverbialen eine einheitliche Kategorie zugeordnet (unabhängig von ihrer Funktion, d.h. unabhängig davon, ob sie als Ergänzung oder als Angabe verwendet werden). Trotz dieser Verbesserungen, die zu linguistisch adäquateren Beschreibungen führen, gibt es aber immer noch Unzulänglichkeiten. So wird durch die einheitliche Spezifikation der Funktorkategorie als vp\vp jeder Unterschied zwischen prädikatsmodifizierenden und satzbezogenen Adverbialen verwischt. Wenn der Skopus der Angabe bereits im Funktor ausgedrückt wird, sollte er mit dem semantischen Skopus übereinstimmen. Auch die Beschreibung der möglichen Positionen von Angaben ist nur für das Englische angemessen, für das Deutsche kann beispielsweise die zulässige Vorfeldbesetzung nicht beschrieben werden. Zudem werden die Klassifikation der Adverbiale, die unterschiedlichen semantischen und funktionalen Eigenschaften und die Restriktionen über das Vorkommen von Adverbialen ignoriert. Erweiterungen, dies in der Combinatory Categorial Grammar aufzunehmen, gibt es nicht. Durch die Einbettung der KG in die Unifikationsgrammatik stellen dagegen die Merkmalsstrukturen eine solche Erweiterung dar, da sie weitere Informationen repräsentieren können. Bouma 88, S. 33 gibt die folgende Definition für "Kategorie" in diesem Ansatz an:
(3-9) a) CAT: b [FEATS: f
is a category if b e {Bl, ... Bn}; b)
CAT:
FEATS:
VAL: V DIR: D ARG: A. f
is a category if V and A are categories and D € {left, right); c) C is a category if it subsumes a category; d) nothing else is a category. Entsprechend sehen auch die Applikationsregeln aus. Hier die Rechtsapplikation (Bouma 88, S. 33):
62 (3-10) VALUE VALUE:
- FUNCTOR ARGUMENT 1 [FEATS: 3]
FUNCTOR:
ARGUMENT:
CAT:
1 VAL: DIR: right ARG: 2 \
FEATS:
3
J
2
Die kombinatorische Information in dieser Regel entspricht völlig der Rechtsapplikation in (3-6) und wird mittels der koindizierten Werte l und 2 ausgedrückt Es gibt allerdings zwei Unterschiede zu der Regel in (3-6) aufgrund der Verwendung der Unifikation. Erstens muß die Funktorkategorie nicht mit dem Merkmal DIR: right spezifiziert sein, sondern damit unifizieren können, d.h. auch auf Funktoren, die in der Direktionalität nicht festgelegt sind, läßt sich die Regel anwenden. Zweitens werden die Werte der/