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German Pages 364 [368] Year 1994
HERMAEA GERMANISTISCHE FORSCHUNGEN NEUE F O L G E HERAUSGEGEBEN VON HANS FROMM UND HANS-JOACHIM MÄHL
BAND 73
MARTIN NEUHOLD
Achim von Arnims Kunsttheorie und sein Roman »Die Kronenwächter« im Kontext ihrer Epoche Mit einem Kapitel zu Brentanos »Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter« und Eichendorffs »Ahnung und Gegenwart«
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1994
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort
D 29
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Neuhold, Martin: Achim von Arnims Kunsttheorie und sein Roman »Die Kronenwächter« im Kontext ihrer Epoche : mit einem Kapitel zu Brentanos »Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter« und Eichendorffs »Ahnung und Gegenwart« / Martin Neuhold. - Tübingen : Niemeyer, 1994 (Hermaea ; N.F., Bd. 73) NE: GT ISBN 3-484-15073-4
ISSN 0440-7164
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1994 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz, Druck und Einband: Memminger Zeitung, Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen
Inhaltsverzeichnis
Vorüberlegungen
I.
Arnims Kunsttheorie
15
0.
Z u r Forschung
17
1. 1.1
Arnims Kunsttheorie im Kontext der Überlegungen Eichendorffs und Brentanos Kunst als Vermittlung
22 22
1.1.1 1.1.2 1.2. 1.2.1
Programme Inspiration und Phantasiebegründung Das Kunstwerk D e r Werkbegriff
22 28 36 36
1.2.2
Gestaltungsprinzipien
52
1.3
Kunst als Deutung
61
1.3.1
61
1.3.2
Poetische Bearbeitung als Wiedererschließung des »Wesens« Kunst als Deutung von Geschichte, Wirklichkeit,
1.4
Natur Kommunikationsformen des Kunstwerks
70 84
Arnims Kunsttheorie und die frühromantische Ästhetik
98
2.
3.
II.
i
»Dichtung und Geschichte« als kunsttheoretischer Text
117
»Die Kronenwächter«
127
0.
Z u r Forschung
129
1.
Einleitung
135
2.
Sinndimensionen
141
V
2.1 2.1.1 2.1.2
Historisch-politische Ebene »Weiblingen« und das Bild der Zeit im Roman . . . . Berthold und die »Versöhnung des Geistes alter und neuer Zeit« Politische Ideologie und »conditio humana«. Der Doppelaspekt der Motive Herkunft, Blut, Erbe . . . Ethik Der Roman als Weltmodell Universale Zeitmodelle
164 171 184 185
Exkurs: Heilsgeschichte und Bildungstheologie. Die ParzivalAnspielung und das Bildungsthema
200
2.2 2.3 2.4 2.4.1
2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.2.1 2.5.2.2 3. 3.1 3.2 3.3 3.4
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3
VI
150
Himmel und Erde . . . Kunstthematik Kunst als historisches Faktum Kunstthematik und Kunsttheorie Die Einleitung zum zweiten Buch des »Ersten Bandes« Die Künstlerfiguren
205 213 214 217
Deutungsprobleme und Bedeutungsstruktur . . . . Das »Orakel der Alten« Zur Bedeutungsstruktur des Romans (»Hausmärchen«, Brunnen, Farbsymbolik) »Dichtung und Geschichte« als Vorwort zu den »Kronenwächtern« Zur Deutung des Romans
245 245
III. Vergleichende Interpretationen 1.
141 141
»Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter« Zur Erzählsituation Sinnschichten in den »Wehmüllern« ? Die politisch-gesellschaftlichen Anspielungen . . . . Universalgeschichte, >Weltbild< Kunstthematik Deutung und Bedeutung
218 221
249 261 263
269
271 271 272 272 276 279 281
i-3-1 1.3.2 1.4 2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.6 3.
Deutung in den »Wehmüllern« Der Deutungswiderstand des Textes Vergleichende Überlegungen »Ahnung und Gegenwart« Zur Erzählsituation Das Welt- und Geschichtsbild als zentraler Aussagegehalt Thematische Aspekte Ethik Kunst Politik Die Homogenität der Bedeutungsstruktur Deutungswiderstände? Thematisierung von Deutung Brüche DerSchluß »Der geheimnisvolle Buchstab« »Göttlicher Klang« Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
281 285 289 294 294 296 298 298 300 304 306 311 311 313 315 319 321 329 333
VII
Fiir U L R I C H FULLEBORN
Danksagung
Die vorliegende Untersuchung verdankt ihre Entstehung nicht zuletzt der vielfältigen geistigen und materiellen Unterstützung anderer. Mein Dank gilt: Der Studienstiftung des deutschen Volkes (insbesondere Dr. Max Brocker) für ein Promotionsstipendium; Herausgebern und Verlag der HERMAEA; Ulfert Ricklefs für die kritische Begleitung meiner Studien und viele Anregungen; Gerhard Kießling für seine unschätzbare Hilfe bei den Korrekturen und Peter Horst Neumann für die stete Erinnerung, daß es mehr als eine Sicht der Dinge gibt. Meinem Lehrer Ulrich Fülleborn schulde ich Dank für weit mehr, als mir im einzelnen zu nennen hier möglich ist. Besonders danke ich schließlich meiner Frau und meinen Eltern, ohne deren Unterstützung und Rückhalt diese Arbeit weder begonnen noch beendet worden wäre.
IX
Vorüberlegungen
» G o t t führe praktische Schlegellianer herbei, da die Schlegel leider sich aus der Praxie in die Theorie retiriren mußten - « (Clemens Brentano an Savigny, 8. September 1801). ( F B A 29, 3 7 3 ) »Denn aus dem Raisonnement
über eigne Dichtung kommt immer nichts,
oder doch etwas anderes, fremdartiges heraus.« (Joseph von Eichendorff an Loeben, 3. Oktober 1 8 1 1 ) . (Loeben, 70) » [ . . . ] ein denkender Künstler ist ein N a r r ! « (Achim von A r n i m an Clemens Brentano, 8. N o v e m b e r 1802). (Steig I, 52)
Kein Zweifel, Arnim, Brentano und auch Eichendorff markieren in jungen Jahren ihren Aufbruch zu neuen Ufern nicht zuletzt dadurch, daß sie, in vermeintlicher Opposition zu ihren älteren romantischen Vorgängern, der künstlerischen Praxis wieder den unbestrittenen Vorrang vor der theoretischen Beschäftigung mit Kunst verschaffen wollen. Es wäre allerdings ein Mißverständnis, aus diesen und anderen Äußerungen auf ihre generelle Verabschiedung jeglichen Nachdenkens über Kunst und Literatur zu schließen. Arnim trägt nicht nur mit den Brüdern Grimm eine rein theoretische Kontroverse (um »Natur-« und »Kunstpoesie«) aus und gibt dabei einer seiner Äußerungen den Titel »Theoretische Untersuchung« (Steig III, 242), er will sich auch—wenngleich nur »als Nothbehelf in schlechter Zeit« »einmal [ . . . ] in Vorlesungen versuchen und zwar über praktische Aesthetik« (Härtl I, 96).1 Auch Brentano und Eichendorff haben sich des »Raisonnement« über eigene und fremde Dichtungen nicht enthalten. Vor allen Dingen begleitet Arnim aber seinen Roman »Die Kronenwächter« mit einem Vorwort, das er als Summe, als Manifest dessen versteht, »was mir nicht der Augenblick, sondern die Jahre gelehrt haben« (GuR, 152). Es ist dies keineswegs das erste Mal, daß er seinen Werken Poetologisches voranschickt. Während aber das Widmungsgedicht zum »Wintergarten« oder etwa die »Zueignung« und die »Anrede an meine ' Z u diesem Projekt sind nur einige spärliche Notizen überliefert (abgedruckt im Band 8 der Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe, S. i i f . ) , von denen aus eine Rekonstruktion der Planungen Arnims kaum möglich ist. Z u Arnims Notizen zum »Empedokles« vgl. Heinz Rölleke, Arnim und Hölderlin, in: H . R . , Nebeninschriften, Bonn 1980 ( = Gesamthochschule Wuppertal, Schriftenreihe Literaturwissenschaft Bd. 16), S. 1 6 6 - 1 7 4 . I
Zuhörer« der >Novellensammlung von 1811< im Kern poetische Texte mit theoretischem Akzent sind, ordnet sich »Dichtung und Geschichte« schon mit der Überschrift ganz dem theoretischen Genre zu. Dichtung und das Nachdenken über Dichtung gehören für Arnim zusammen, und die vorliegende Arbeit möchte sich um ein historisches Verständnis beider bemühen. Dies bedeutet zunächst vor allen Dingen, daß die Interpretation das Werk nicht sofort für das unmittelbare Interesse der Gegenwart in Besitz nehmen will - etwa in Form einer Kategorisierung durch neuere und neueste literaturtheoretische Konzepte oder im Anschluß an die nie ganz unberechtigte, in letzter Zeit für die Romantik aber etwas überstrapazierte Frage nach seiner »Modernität«. 2 Geschichtlich gebunden sind einmal die Vorstellungen zu Absicht und Aufgabe der Kunst, wie sie sich in den theoretischen Überlegungen niederschlagen. Historisch ist zum zweiten die poetische Struktur des Romans, die Art seines Gemachtseins als symbolischer Text, dessen Deutung natürlich das Gegenwartsinteresse des Interpreten unmittelbar berührt. Die Frage nach der Beziehung des poetischen Werks zur theoretischen Absicht und die daraus abgeleiteten interpretatorischen Konsequenzen (was weder mit der Suche nach der »Autorintention« noch mit einem bloßen Abfragen theoretischer Kategorien am poetischen Text gleichzusetzen ist) sind zunächst als Versuch gedacht, der umstandslosen Übersetzung ins Moderne einen gewissen Widerstand entgegenzuhalten. Zum zweiten ist damit ein Verfahren bezeichnet, das auch den literaturgeschichtlichen Kontext als Analyseinstrument heranzieht, um auf diese Weise die Spezifik der Theorie und der Dichtung Arnims historisch zu konturieren. Dementsprechend gliedert sich der Aufbau der Arbeit: Die Überschrift kennzeichnet »Dichtung und Geschichte« zwar klar als theoretischen Text, die »Einleitung« bietet ihre grundlegenden Gedanken aber in einer äußerst verknappten Form und ist damit in hohem Maße
2
Die Forschung hat sich bislang hauptsächlich für die »Aktualität der Frühromantik« (vgl. den von Ernst Behler und Jochen Hörisch herausgegebenen gleichnamigen Band, Paderborn u.a. 1987) interessiert. Neuerdings vertritt vor allen Dingen K . H . Bohrer die A n sicht, daß gerade »die Schlegel nachfolgende Generation [ . . . ] ein Bewußtsein von Diskontinuität entwickelte« (K.H.Bohrer, Die Modernität der Romantik. Zur Tradition ihrer Verhinderung, in: Merkur 42 (1988), S. 1 7 9 - 1 9 8 , hierS. 179), das eben auch für die ästhetische Moderne kennzeichnend ist (vgl. dazu: ders., Der romantische Brief. Die Entstehung ästhetischer Subjektivität, Frankfurt a.M. 1989; ders., Die Kritik der Romantik. Der Verdacht der Philosophie gegen die literarische Moderne, Frankfurt a.M. 1989. Der von Michael Kessler und Helmut Koopmann herausgegebene Band: Eichendorffs Modernität, Tübingen 1989, vertritt als Sammelband naturgemäß etwas weniger zugespitzte Thesen).
2
interpretationsbedürftig. Die Schwierigkeit einer Beschäftigung mit der Kunsttheorie 3 Arnims besteht generell darin, daß sie sich nicht in einer systematischen und abgeschlossenen Weise manifestiert, sondern einerseits in Arbeiten wie »Dichtung und Geschichte« oder dem Aufsatz »Von Volksliedern«, die, für sich allein genommen, kaum ein klares Bild seiner theoretischen Überlegungen bieten, andererseits fragmentarisch in einer Vielzahl von verstreuten Äußerungen in Briefen, Aufsätzen und Rezensionen. Sie bedarf damit zunächst der Rekonstruktion. Damit stellt sich das Problem des Stellenwerts einzelner Äußerungen, d.h. die Frage, ob eine bestimmte Aussage nur einen flüchtigen Gedanken, eine Idee darstellt oder eine gefestigte Position. Unsere Studie möchte dieser Schwierigkeit dadurch begegnen, daß sie die Rekonstruktion zum einen auf eine relativ breite Textbasis stellt, zum anderen aber vornehmlich solche Texte heranzieht, in denen A r n i m seine Gedanken gegenüber anderen vertritt. Dies gilt in erster Linie für die Briefe 4 und die sogenannten »Kleinen Schriften«, also das publizierte oder doch zur Publikation gedachte literatur- und kunstkritische Werk. 5 Im wesentlichen nicht berücksichtigt werden dagegen private N o t i z e n , Fragmente etc., also Texte, die A r n i m nur für sich verfaßte und die oft skizzenartigen und experimentellen Charakter tragen. 6 Sie sind eher für die Genese und den Prozeß seines theoretischen Denkens von Interesse und weichen entsprechend
3
4
!
6
Zur Begriffsverwendung im theoretischen Teil: »Ästhetik« bezeichnet Überlegungen, die einer im wesentlichen philosophischen Beschäftigung mit Kunst entspringen, während der Begriff »Kunsttheorie« solche zusammenfaßt, die, wie diejenigen Arnims, Brentanos und Eichendorffs, nicht so sehr einem philosophischen Interesse, sondern eher dem einer Selbstvergewisserung des Künstlers dienen (es handelt sich vor allem bei Arnim dabei nicht nur um eine Dichtungstheorie). Der Begriff »Poetologie« soll Konzeptionen zur spezielleren Dichtungspraxis vorbehalten bleiben. Die Bedeutung brieflicher Äußerungen für Arnims Denken wird leicht daraus ersichtlich, daß er bereits früh begann, sich »die bedeutendsten Stellen aus [seinen] Briefen abzuschreiben« (Steig I, S. 47; vgl. Exzerpte, S. 300f.). Zur Editionslage der Briefe vgl. Härtl IV, S. i2off. sowie allgemein Ulfert Ricklefs, Anmerkungen zum Projekt einer historisch-kritischen Gesamtausgabe der Werke und Briefe Ludwig Achims von Arnim, in: Editio 1 (1987), S. 2 0 9 - 2 2 3 , hier S. 21 if. Zur philologischen Forschungslage vgl. Roswitha Burwick, Dichtung und Malerei bei Achim von Arnim, Berlin 1989 ( = Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker 91 (215)) sowie den Kommentarteil des von R . Burwick, J. Knaack und H.F. Weiss herausgegebenen sechsten Bandes der Arnim-Ausgabe im Deutschen Klassiker Verlag ( = AW), der eine Auswahl der Schriften präsentiert. Eigene Archivarbeiten hierzu waren aus Zeitgründen leider nicht möglich. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl der Texte ist mittlerweile im Rahmen anderer Arbeiten veröffentlicht oder zitiert worden. Besonders wären hier zu nennen: Dorothea Streller, Arnim und das Drama, Diss. Göttingen 1956; Ulfert Ricklefs, Magie und Grenze. Arnims »Päpstin Johanna«-Dichtung, Göttingen 1990 ( = Palaestra Bd. 285) [Druckfassung der Diss. Göttingen 1966; unter dieser Jahreszahl werden wir im weiteren Bezug nehmen]; ders., Kunstthematik und Diskurskritik. Das poetische Werk des jungen Arnim und die eschatologische Wirklichkeit der »Kronenwächter«, Tübingen 1990 ( = Untersuchungen
3
an mehreren signifikanten Punkten (einige werden wir am Rande ansprechen) von den Positionen, die er nach außen vertritt, ab. D i e Trennung geschieht also aus heuristischen Gründen; das genaue Verhältnis der Positionen Arnims, wie sie in Briefen und »Kleinen Schriften« erscheinen, zu dem, was Notizbücher und einzelne Blätter enthalten, bedürfte letztlich einer eigenen umfassenden Untersuchung. Ebenfalls aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt werden >poetologische< Gedichte und theoretisch deutbare Passagen aus Dichtungen. 7 D e r G r u n d , w a r u m A r n i m letztlich nie z u r einer z u s a m m e n h ä n g e n d e n D a r s t e l l u n g s e i n e r t h e o r e t i s c h e n Ü b e r l e g u n g e n k a m , liegt sicher in seiner wohlbekannten und oft dokumentierten Feindschaft gegenüber einem Denken
in s t r i n g e n t e n S y s t e m e n
und d e m daraus erwachsenden
Sy-
s t e m z w a n g in allen B e r e i c h e n des W i s s e n s u n d D e n k e n s . R o s w i t h a B u r w i c k s p r i c h t d a h e r m i t e i n e m g e w i s s e n R e c h t v o n einer »>offenen F o r m < « d e r T h e o r i e , 8 die n u r » f r a g m e n t a r i s c h u n d a p h o r i s m e n h a f t « ' z u g ä n g l i c h sei. A n d e r e r s e i t s , u n d dies h o f f e i c h z e i g e n z u k ö n n e n , ist A r n i m s k u n s t t h e o r e t i s c h e s D e n k e n , w i e es sich g e g e n ü b e r a n d e r e n darstellt, d u r c h a u s k o h ä r e n t , s o d a ß v o n einer » S c h e u v o r p o e t o l o g i s c h e n
Festlegungen«10
k e i n e R e d e sein k a n n . D a r ü b e r h i n a u s ist ( i m V o r g r i f f auf die U n t e r s u c h u n g ) festzuhalten, daß A r n i m z w a r einzelne Positionen und A n s i c h t e n i m L a u f e d e r Z e i t variiert b z w . a n d e r s a k z e n t u i e r t , die G r u n d l i n i e n seines kunsttheoretischen
Denkens
aber w e i t g e h e n d
beibehält.
Die
Rekon-
zur deutschen Literaturgeschichte Bd. 56); Heinz Härtl, Arnim und Goethe. Zum Goethe-Verhältnis der Romantiker im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, Diss. Halle 1 9 7 1 ; Helene M. Kastinger Riley, Ludwig Achim von Arnims Jugend und Reisejahre. Ein Beitrag zur Biographie mit unbekannten Briefzeugnissen, Bonn 1978 ( = Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft Bd. 266); Roswitha Burwick, Achim von Arnim: Physiker und Poet, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch N . F . 26 (1985), S. 121 - 1 5 0 . ; Burwick 1989; Exzerpte; Christof Wingertszahn, Ambiguität und Ambivalenz im erzählerischen Werk Achims von Arnim. Mit einem Anhang unbekannter Texte aus Arnims Nachlaß, St.Ingbert 1990 ( = Saarbrücker Beiträge zur Literaturwissenschaft Bd. 23) sowie eine Reihe von Einzelpublikationen aus dem Nachlaß (vgl. Literaturverzeichnis sowie AW 6). 7 Dies betrifft v.a. die »Anrede an meine Zuhörer« der >Novellen von 1812schlaglichtartigen< Blick auf theoretisch lesbare Texte Brentanos und Eichendorffs zu werfen, die damit auf eine Systematik bezogen werden, die nicht unbedingt die ihre ist. Entsprechend eingeschränkt ist das Untersuchungsziel: Es geht ausschließlich darum, grundlegende Gemeinsamkeiten und wesentliche Differenzen bzw. unterschiedliche Akzentuierungen zu skizzieren; ein Vorgehen, das ihnen als eigenständigen Entwürfen zwangsläufig nicht >gerecht< wird und auch auf ihre innere Problematik nur ansatzweise eingehen kann. Kurz: Es besteht kein Anspruch, hier die gesamte Kunsttheorie der jüngeren Romantik zu rekonstruieren. Diskutiert werden nur die Aspekte, die innerhalb der von Arnim ausgehenden Fragestellung von Bedeutung sind. Ich habe allerdings durchaus die Hoffnung, daß die aus der vergleichenden Perspektive gewonnenen Ergebnisse zu Brentano und Eichendorff auch für die jeweilige Spezialforschung von einigem Interesse sind. Zur Textgrundlage: Die theoretischen Ideen Brentanos und Eichendorffs werden ebenfalls auf der Basis von Briefen und kritischen Äußerungen zu Kunst und Literatur behandelt. Die Schwierigkeit besteht zweifelsohne darin, daß es sich hier nur selten um primär theoretische Äußerungen handelt. Unser Ansatz muß ihre Eigenheiten weitgehend vernachlässigen; es ist deshalb um so wichtiger, diese wenigstens kurz zu nennen: Clemens Brentanos" »Kleine Schriften« sind durchaus instruktiv, das Korpus ist aber bei weitem zu klein, um als alleinige Basis der Rekonstruktion
" Von Brentano werden vor allen Dingen Äußerungen vor der sog. »Wende« analysiert.
6
seiner Kunsttheorie zu genügen. Seine Briefe sind hingegen bekanntlich weit mehr als nur sachbezogene Äußerungen und oftmals weniger Kommunikationsmittel als Zeugnisse einer »monologischen Briefkunst«. 12 Andere wiederum sind in ihrem Gehalt stark von der Person des jeweiligen Adressaten abhängig und haben wegen Brentanos Neigung zum Rollenspiel oft stark fiktionalen Charakter.' 3 Daher ist der Versuch, sie als theoretische Texte zu lesen,' 4 auf Widerspruch hinsichtlich der Möglichkeit der Trennung von fiktionalen und expositorischen Anteilen gestoßen.' 5 Bernhard Gajek hat demgegenüber allerdings eingewandt, daß »obwohl bei Brentano der Fiktionscharakter nur von Fall zu Fall zu bestimmen ist, [ . . . ] die Textsorten doch mindestens heuristisch und ihrer Funktion nach zu unterscheiden [sind], auch wenn sie einer vergleichbaren Sprachstruktur entspringen und die Absicht teilen«.' 6 Der Vergleich mit den Auffassungen Arnims kann zu einer solchen heuristischen Unterscheidung hilfreich sein, nicht zuletzt auch im Sinne einer temporären Fixierung des proteischen Denkens Brentanos. Eine konsequent theorieorientierte Lesung der Briefe Brentanos nimmt diese als eigenständige Texte (bzw. psychologische Dokumente) zwar kaum angemessen in den Blick, erbringt aber hinsichtlich ihrer zweifellos vorhandenen kunsttheoretischen Dimension interessante Ergebnisse, die vielleicht weniger zeigen, was Brentano gedacht hat, als was ihm zeitweise zu denken möglich war. Dabei ist ein gewisses Maß an Synkretismus allerdings unumgänglich. Bei den zugrundegelegten Texten Eichendorffs ist eine rein kunsttheoretische Lesung weniger problematisch. Seine Briefe sind leider in theoretischer Hinsicht wenig ergiebig, so daß sich die Untersuchung im wesentlichen auf die literaturgeschichtlichen Arbeiten stützen muß. Sie sind zwar keine rein theoretischen Texte, sondern in erster Linie Kampfschriften innerhalb der geistigen Auseinandersetzungen der Restaurationszeit. 17 Aber Eichendorff findet, nicht Bei aller in der Forschung nachgewiesenen Kontinuität sind seine späteren Überlegungen zur Kunst doch ein Kapitel für sich. 12 Dies ist jedenfalls die These von Heinz Joachim Fortmüller, Clemens Brentano als Briefschreiber, Frankfurt a.M. u.a. 1977, hier S.63. Vgl. zum ästhetischen Charakter daneben Bohrer, Brief 1989. 13 Vgl. dazu Hans-Georg Drewitz, ».. .traue den süßen Tönen des Sirenenliedes n i c h t . . . « . Zur Rolle von Brentanos Briefen in der Forschung, in: Clemens Brentano, Beiträge des Kolloquiums im Freien Deutschen Hochstift 1978, hrsg. von Detlev Lüders, Tübingen 1980 ( = F D H Reihe der Schriften Bd. 24), S. 1 0 - 2 4 , bes. S. 13. 14 Vgl. Dieter Dennerle, Kunst als Kommunikationsprozeß - Zur Kunsttheorie Clemens Brentanos. Dargestellt an Hand seines außerdichterischen Werkes (Briefe, Theaterrezensionen, Schriften zur Bildenden Kunst), Bern, Frankfurt 1977 (Diss. Regensburg 1975). '' Referat bei B. Gajek, Die Brentano-Literatur 1 9 7 3 - 1 9 7 8 , in: Euphorion 72 (1978) S. 4 3 9 - 5 0 2 , hier S.469. 16 Ebd. 17 Vgl. dazu z.B. Alfred Riemen, Heines und Eichendorffs Literarhistorische Schriften. Zum geistesgeschichtlichen Denken in der Restaurationszeit, in: Zs.f.dt.Ph. 99 (1980), S. 5 3 2 - 5 5 9 ; Hartwig Schultz, Eichendorffs literarhistorische Schriften, in: E W 6, S. 1 0 7 7 - i m , bes. S. i078ff.; daneben grundlegend: Hans Egon Hass, Eichendorff als Literarhistoriker. Historismus und Standpunktforschung - ein Beitrag zur Geschichte
7
zuletzt aus der urteilenden Polemik heraus, in seinen literarhistorischen Arbeiten genug Raum, um seine theoretischen Positionen deutlich und unmißverständlich zu markieren. Der Frage nach ihrer Abhängigkeit von und den Q u e r verbindungen zu Auffassungen des späteren Friedrich bzw. August Wilhelm Schlegel' 8 - die ein Ansatz, der nicht von Arnim, sondern von Eichendorff ausgeht, zwingend zu behandeln hätte - kann innerhalb unserer Untersuchung nicht nachgegangen werden.
Der Vergleich von Arnims Positionen mit denjenigen Brentanos und Eichendorffs erfolgt, da hier Rekonstruktion und Analyse in engem Zusammenhang stehen, parallel zur Rekonstruktion der Theorie Arnims. Ihr schließt sich ein Kapitel zum Vergleich der Kernpositionen Arnims mit denen der Frühromantik an. Ihre Darstellung folgt im wesentlichen den grundlegenden Arbeiten Manfred Franks' 9 sowie einigen anderen wichtigen Forschungen zu Friedrich Schlegel und Novalis. Dieses Vorgehen hat zwar den Nachteil, daß es in hohem Maße auf Franks - auch nicht über jede Kritik erhabener - Sicht der Dinge beruht, entgeht umgekehrt jedoch der Versuchung, auf der Grundlage von mehr oder minder willkürlich ausgewählten einzelnen Zitaten der Frühromantiker vorschnell Differenzen und Identitäten zu konstatieren. Die Komplexität des Themas macht es notwendig, der Untersuchung eine Rekonstruktion der frühromantischen Ästhetik zugrunde zu legen, die selber auf einer breiten Textbasis steht (und deren Verfasser weiß, wovon er spricht), um zu wirklich aussagefähigen Ergebnissen zu kommen. Die historische Analyse der Kunsttheorie Arnims im exemplarischen Vergleich mit ausgewählten Autoren der Epoche bietet kein auch nur näherungsweise angemessenes Bild der vielfältigen persönlichen und ge-
der Literaturgeschichtsschreibung und ihrer Methodenprobleme, in: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 2 (1954), S. 1 0 3 - 1 7 7 . 18 Die Ubernahmen sind philologisch wohldokumentiert in den Kommentaren in E III, E W 6 , H K A 8 . 1 , 8.2, und 9. ' ' Vor allen Dingen M. Frank, Das Problem »Zeit« in der deutschen Romantik. Zeitbewußtsein und Bewußtsein von Zeitlichkeit in der frühromantischen Philosophie und in Tiecks Dichtung, 2. Auflage Paderborn u.a. 1990 und ders., Einführung in die frühromantische Ästhetik. Vorlesungen, Frankfurt a.M. 1989. Daneben war mir die Erlanger Habilitationsschrift von Manfred Engel ein wichtiger Leitfaden: M . E . , Der Roman der Goethezeit, Band 1, Anfänge in Klassik und Frühromantik: Transzendentale Geschichten, Stuttgart-Weimar 1993 ( = Germanistische Abhandlungen 71). (Mit herzlichem Dank für die Überlassung des Typoskripts). Die Frage nach der Verhähnisbestimmung von Früh- und Hoch- bzw. Spätromantik war eines der wesentlichen Interessengebiete der älteren, geistesgeschichtlich orientierten Romantikforschung. Eine Zusammenfassung ihrer Überlegungen gibt Hans Pyritz, Probleme der deutschen Romantikforschung, in: H.P., Schriften zur deutschen Literaturgeschichte, hrsg. v. Ilse Pyritz, K ö l n - G r a z 1962, S. 7 3 - 9 3 , hier S. 85ff.
8
danklichen Beziehungen Arnims zu seiner Zeit. Zwar sprechen natürlich auch biographische Gründe für eine gemeinsame Betrachtung der Positionen von Arnim, Brentano und Eichendorff,20 es wäre jedoch nicht minder interessant und nicht minder notwendig, vor allen Dingen Görres, Creuzer und die Brüder Grimm, 21 daneben aber auch E.T.A. Hoffmann, Ludwig Tieck, Ph.O. Runge, Jean Paul, Kleist, Schelling, Baader und nicht zuletzt die späteren Brüder Schlegel in die Untersuchung mit einzubeziehen. Ihre Positionen mußten zugunsten einer intensiven exemplarischen Analyse, der es um die Kontur des Arnimschen Denkens, nicht um den Nachweis von Einflüssen und Abhängigkeiten geht, vernachlässigt werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden schließlich den Ausgangspunkt für den letzten Abschnitt des ersten Teils, die Lektüre von »Dichtung und Geschichte« als kunsttheoretischem Text. Der zweite Teil der Arbeit ist der Interpretation der »Kronenwächter« gewidmet. Sie geht nicht von der Theorie Arnims aus, sondern nimmt zunächst die spannungsvolle Vielschichtigkeit der erzählerischen und symbolischen Struktur des Romans in den Blick. Eine Deutung, die sich von vornherein für die Polyvalenz und Heterogenität des Textes interessiert, ist leicht als Kind einer Zeit zu identifizieren, in der diskursanalytische, dekonstruktivistische und poststrukturalistische Ansätze ihren Weg aus den esoterischen akademischen Zirkeln in die Einführungskurse und Proseminare schon beinahe vollendet haben. Die Epoche der literaturwissenschaftlichen Religionskriege liegt wohl hinter uns, dennoch ist es vielleicht nicht unangebracht, wenigstens ein paar Worte zur Methodik zu verlieren. Die Bedeutung der »postmodernen« Literaturtheorien für die literaturwissenschaftliche Praxis scheint mir nicht darin zu liegen, daß sie auf Dauer geeignet wären, das hermeneutische Paradigma als Alternativen zu 20
Die enge Beziehung von Arnim und Brentano bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Die Bedeutung Arnims für Eichendorff betonen neuerdings W. Frühwald, Repräsentation der Romantik. Zum Einfluß Achim von Arnims auf Leben und Werk Joseph von Eichendorffs, in: Aurora 46 (1986), S. 1 - 1 0 und Klaus Köhnke, »Hieroglyphenschrift«. Untersuchungen zu Eichendorffs Erzählungen, Sigmaringen 1986 ( = Aurora Buchreihe Bd. 5), S. 2 5 - 2 7 . " Vgl. dazu die Versuche in dem Sammelband: Heidelberg im säkularen Umbruch. Traditionsbewußtsein und Kulturpolitik um 1800, hrsg. von Friedrich Strack, Stuttgart 1987 ( = Deutscher Idealismus Bd. 12); besonders L. Pikulik, Die sogenannte Heidelberger Romantik. Tendenzen, Grenzen, Widersprüche. Mit einem Epilog über das Nachleben der Romantik heute, S. 1 9 0 - 2 1 5 und G . Niggl, Geschichtsbewußtsein und Poesieverständnis bei den »Einsiedlern« und den Brüdern Grimm, S. 2 1 6 - 2 2 4 . Zu Arnim und Creuzer vgl. Ricklefs 1966, vgl. daneben zum Heidelberger Arnim vor allem Härtl 1 9 7 1 .
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ersetzen. Es ist letztlich nicht sehr sinnvoll, anhand literarischer Texte gewonnene Konzepte, die im Kern meist der Frage nach Sprache bzw. Literatur >überhaupt< nachgehen, umstandslos wieder auf andere literarische Texte zurückzubeziehen und damit den Zirkel zu schließen. Zumindest führt es in der Praxis meist dazu, daß das untersuchte Werk auf bestimmte Kategorien hin befragt und seine Kompatibilität mit dem zugrundegelegten Theoriegebäude festgestellt wird. (Dieser Einwand träfe natürlich auch auf ein Verfahren zu, das die Interpretation - beispielsweise der »KronenWächter« — von vornherein an den Kategorien eines historischen Theoriegebäudes - beispielsweise Arnims Kunsttheorie ausrichten würde). Dagegen sind einige Aspekte poststrukturalistischer und dekonstruktivistischer Hermeneutikkritik für die Praxis literaturwissenschaftlichen Arbeitens durchaus wertvoll. Die Qualifikation hermeneutischen Denkens als »Prozeß, der auf Determination von Sinn ausgerichtet ist« (Paul de Man) wird zwar in dieser Generalisierung weder der historischen noch der zeitgenössischen theoretischen und praktischen Hermeneutik gerecht, ruft aber doch die Problematik der Idee eines »Sinnes« des Texts in Erinnerung. Die Spur dieser Kritik zeigt sich deutlich in neueren Überlegungen zur literaturwissenschaftlichen Hermeneutik, die den Sinn-Begriff zwar nicht verabschiedet, ihn aber doch von einer ontologischen auf eine transzendentale Ebene verschiebt. Man spricht schon seit einiger Zeit eher vom »Bedeutungspotential« eines Texts, das erst »die Sinnkonstruktion durch den Leser ermöglicht«. 22 Die Feststellung eines bestimmten Textsinnes läßt dem ästhetischen Text dann sein Eigenrecht, wenn sie als Zwischenstufe, als vorläufiger Anhaltspunkt in einem offenen Prozeß begriffen wird, der »nicht auf ein abschließendes Verstehen hin angelegt«23 ist und es auch nicht sein kann. Praktisch bedeutet dies, daß »nicht der Textsinn, sondern nur Sinnhaftigkeit [ . . . ] bei der Analyse präsupponiert« 24 wird, ein Verfahren, das den bei Arnim - wie wir sehen werden - wesentlichen Aspekt der Aussageintention angemessen in den Blick nehmen kann. Die Präsupposition von Sinnhaftigkeit bedeutet nicht die eines Gesamtsinnes des Texts. Sie muß sich vielmehr für die Möglichkeit (und Wahrscheinlichkeit) von Mehr" P. Rusterholz, Zum Problem adäquaten Textverstehens, in: U . Nassen (Hrsg.), Studien zur Entwicklung einer materialen Hermeneutik, München 1979, S. 2 3 4 - 2 5 3 , hier S. 247. ' s Frithjof Rodi, Erkenntnis des Erkannten. Zur Hermeneutik des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1990, S. 186. 24 W. Klein, U. Nassen, Textlinguistik und Texthermeneutik, in: U. Nassen (Hrsg.), Texthermeneutik. Aktualität, Geschichte, Kritik, Paderborn 1979, S. 2 3 - 3 6 , hier S. 35. 10
deutigkeit ebenso offenhalten wie für die Anerkennung endgültig sinnverweigernder Strukturen. (In der Forschung zur literarischen Moderne sind derartige Einsichten mittlerweile Gemeingut, in der zur jüngeren Romantik haben sie sich noch keineswegs überall durchgesetzt.) Unser Rückbezug der Interpretationsergebnisse zu den »Kronenwächtern« auf Arnims Kunsttheorie geschieht daher auch nicht in der Absicht, den Nachweis der Kompatibilität von Theorie und Dichtung zu erbringen, sondern dient zur Formulierung eines Deutungsvorschlags, der einerseits die Historizität des Werks angemessen würdigen und andererseits als Zwischenstufe im Sinne des oben Gesagten verstanden sein will. Den Abschluß der Arbeit bilden die vergleichenden Interpretationen von Brentanos »Mehreren Wehmüllern« und Eichendorffs »Ahnung und Gegenwart«. Hier geht es weniger um die Frage des »Sinns« der »Kronenwächter« als um die historische Konturierung der Ergebnisse zu Struktur und Aufbau von Arnims Roman. Für die Deutung der Texte Brentanos und Eichendorffs gelten prinzipiell dieselben Restriktionen wie für die Einbeziehung ihrer theoretischen Ansichten in unsere Untersuchung. Im Zentrum des Interesses steht der Vergleich mit den »Kronenwächtern«, also die Frage nach strukturellen Parallelen und Differenzen. Der Erkenntnisanspruch beider Interpretationen ist durch das Anliegen, die Spezifik der »Kronenwächter« komparatistisch näher zu bestimmen, von vornherein begrenzt. Dennoch ergeben sich von hier aus einige Perspektiven auf die behandelten Werke Brentanos und Eichendorffs, die auch über den engeren Rahmen des Vergleichs hinaus von Interesse sind. Man kann gegen ein derartiges Vorgehen, das ebenfalls als Experiment gedacht ist, nicht zuletzt den Einwand erheben, daß es sich über die Gattungsdifferenz der Texte allzu leichtfertig hinwegsetzt. Hierzu einige abschließende Überlegungen: Die Forschung hat sich gerade für die Texte der späteren Goethezeit immer wieder um Gattungsdifferenzierungen bemüht. Die Vorschläge reichen vom Begriff des »Zeitromans« 25 (nicht nur) für »Ahnung und Gegenwart« oder die »Gräfin Dolores« bis hin zur »Kunstsage« 26 für die 25
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Vgl. z . B . Joachim Worthmann, Problem des Zeitromans. Studien zur Geschichte des deutschen Romans im 19. Jahrhundert, Heidelberg 1974 ( = Probleme der Dichtung 13), S. 1 7 - 2 9 . Im neuesten Eichendorff-Forschungsbericht wird Derartiges bereits als obsolet behandelt; vgl. Richard Littlejohns, When is a Romantic not a Romantic? Eichendorff Research in the 1980s, in: German Life and Letters 42 (1988-1989), S. 1 8 1 - 2 0 2 , hier S. 188. P.M.Lützeler, Die Geburt der Kunstsage aus dem Geist der Mittelalter-Romantik: Zur Gattungsbestimmung von Achim von Arnims »Die Kronenwächter«, in: Aurora 46 (1986), S. 147—157. Die Problematik derartiger Versuche wird spätestens dann evident, II
»Kronenwächter«. Diese Bestimmungsversuche machen zwar auf einzelne, nicht unwichtige Aspekte der Texte aufmerksam, haben für die Interpretation aber meines Erachtens letztlich nur begrenzten Erkenntniswert. Anders als die Brüder Schlegel und Tieck hat sich die jüngere Romantik für Gattungsfragen der Prosa offenbar kaum interessiert und weder ausgefeilte Theorien des Romans noch z. B. der Novelle erarbeitet. Im Gegenteil, derartige Unterscheidungen werden mehr oder minder deutlich ignoriert. So versieht Arnim die vier Erzählungen der sogenannten >Novellensammlung von I 8 I K nacheinander mit den Gattungsbezeichnungen »Erzählung«, »Anekdote«, »Sittengemälde« und »Novelle« - ohne daß die Texte für eine derartige Differenzierung einen einigermaßen plausiblen Anhaltspunkt bieten würden - , während Eichendorff ausgerechnet »Dichter und ihre Gesellen« eine »Novelle« nennt. Eichendorffs laxer Umgang mit dem Begriff der Novelle läßt sich vielleicht auf Görres zurückführen, der in seiner Heidelberger Asthetikvorlesung des Wintersemesters 1806/07 kategorisch feststellt, daß »die Novelle, gleichsam die Miniatur des Romans, nicht wesentlich innerlich, sondern bloß äußerlich quantitativ von demselben verschieden ist«.27 Auch Arnim und Brentano haben sich meines Wissens nirgends zu einer etwaigen qualitativ-konzeptionellen Differenz zwischen Roman, Novelle und Erzählung etc. geäußert. Von daher ist die Tatsache, daß unser Vergleich auch eine Erzählung Brentanos heranzieht, 28 weniger problematisch, als dies auf den ersten Blick scheinen mag. Novelle und Roman stehen in der späteren Romantik offensichtlich in recht enger Beziehung. Es ist auffällig, daß sich gerade in dieser Zeit der >Sammelband mit Rahmenerzählung< als poetische Großform besonderer Beliebtheit erfreut. 29 Tiecks »Phantasus«, Hoffmanns »Serapionsbrüder«, Arnims »Wintergarten«, die >Novellen von i8i2< und das »Landhausleben« vereinen einzelne Geschichten (und daneben nicht selten
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wenn Lützeler einräumen m u ß , daß die »Kronenwächter« das einzige E x e m p l a r ihrer v o n ihm postulierten G a t t u n g sind: »Im A u g e n b l i c k ihrer G e b u r t schien die romantische Kunstsage schon wieder gestorben z u sein« (S. 154). D e r Lösungsversuch, den R o m a n als »Prototyp einer potentiellen G a t t u n g vorzustellen« (ebd.), ist w e n i g überzeugend. Zit. nach A d o l f D y r o f f , E i c h e n d o r f f s Heidelberger B e z i e h u n g e n z u G ö r r e s , in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch 8 (1936), S. 1 - 3 6 , hier S. 24. A n d e r s als A r n i m vertritt G ö r r e s allerdings eine sehr differenzierte Romantheorie. D e r » G o d w i « bietet aufgrund seiner offensichtlichen N ä h e z u r Jenaer Programmatik kein besonders geeignetes Vergleichsobjekt. D i e wichtigsten zeitgenössischen Vorläufer sind hier natürlich G o e t h e mit den »Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten« und Schlegels F o r m der theoretischen D a r l e g u n g im »Gespräch über die Poesie«.
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Verserzählungen, Gedichte und auch Dramen) genauso unter dem Dach einer mehr oder minder ausführlichen Rahmenhandlung, wie dies die Erzählungen Brentanos im kleinen tun. Dieser Aufbau spiegelt sich in den Romanen. Die »Gräfin Dolores« wird nicht ohne Grund in »Ahnung und Gegenwart« als »Geschichte mit den tausend Geschichten« (E II, 135) bezeichnet, und der Abschnitt »Weiblingen« des »Kronenwächter«-Vorworts spricht ebenfalls vom Roman als »Geschichten, welche hier neben der Karte von Schwaben vor uns liegen« (AW 2, 15). 30 Man kann daher vielleicht von einer Art rudimentärer Poetik des Romans sprechen, wenn Arnim die »Kronenwächter« als »Zahl abgesonderter und doch verbundener Geschichten« (Härtl III, 245) beschreibt. Eichendorff versteht den Roman allgemein als Gattung der christlichen Moderne (vgl. E III, 179) und versammelt infolgedessen sowohl Wolframs »Parzival« (E III, 180) als auch »Ahnung und Gegenwart« unter diesem Begriff, der für ihn sichtlich mehr geschichtsphilosophische als poetologische Bedeutung hat. Es ist jedoch bezeichnend, daß Adolf Schöll - in seinem ausführlichen Brief zu »Ahnung und Gegenwart« vom 2 1 . 1 0 . 1 8 3 2 - über den »Rhythmus« des Buches schreibt: »[...] jedes Verhältnis bildet gleichsam eine eigene Novelle, und die leichte Durcheinanderschlingung dieser Novellen den Roman« (EW 2, 644). All dies legt die Vermutung nahe, daß die Reihung einer »Zahl abgesonderter und doch verbundener Geschichten« so etwas wie die (theoretisch nicht weiter reflektierte) Basispoetik der literarischen Prosa größeren Umfangs< in der späten Romantik darstellt.31 Der Nachweis dieser Hypothese bedürfte einer eingehenderen Untersuchung, die angeführten Indizien weisen aber zweifelsohne auf eine gewisse Abkehr von den elaborierten theoretischen und praktischen Romankonzeptionen der Klassik und Frühromantik hin zu einer Bauweise, die nach Friedrich Schlegel eigentlich der Frühzeit der Gattung angehört: »Die älteste Form für den Prosa Rom[an] ein Systfem] von Novellen« ( L N , 109, Nr. 954). Demgegenüber spricht Brentano von der geplanten »Chronika des fahrenden Schülers«, die er als »einfache fromme Geschichten an einander gereiht« (FBA 29, 497) konzipierte, als »Büchelgen, das [ . . . ] das erste seiner Gattung ist« (FBA 29, 424).
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Auch das einzelne Kapitel wird jeweils als »Geschichte« bezeichnet. Damit wird die klassisch-romantische Entwicklung des Romans zur offenen Mischgattung nicht nur fortgeführt, sondern zugespitzt.
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I. A R N I M S KUNSTTHEORIE
0. Zur Forschung
Den Beginn einer über Einzelaspekte hinausgehenden systematischen Untersuchung der Kunsttheorie Arnims markiert wohl die 1937 in N e w York erschienene Studie Herbert Liedkes mit dem Titel »Literary Criticism and Romantic Theory in the Works of Achim von Arnim«. Sie behandelt vor allen Dingen die Rezensionen, zu denen sie auch eine große Anzahl interessanter Informationen bietet, beschränkt sich aber weitgehend darauf, die Urteile Arnims zu referieren. Ihre Ergebnisse hinsichtlich des theoretischen Gehalts sind deutlich an einer vagen Vorstellung von »romantic theory« orientiert: Arnim's criticism is programmatic, but for him the »program« is not an exact system or a set of dogmatic rules. It is rather an enthusiasm and a hopeful vision of an ideal artistic future. 1
Solche und ähnliche Vorurteile bestimmten lange Zeit die Forschung. 2 Eine etwas tiefer gehende Annäherung an die gedanklichen Zusammenhänge ergab sich lange Zeit nur anhand von Arnims Auseinandersetzung mit den Brüdern Grimm um »Natur- und Kunstpoesie«. Die diesbezüglichen Untersuchungen beschränken sich allerdings, bis in die jüngste Zeit, im wesentlichen auf die referierende Nachzeichnung der Kontroverse 3
' Liedke 1937, S. 177. D i e Arbeit von C a r l o Engel (Studien z u m Dichterbegriff und zur poetischen Anschauung der Heidelberger Romantiker, W ü r z b u r g 1934) ist wenig ergiebig. 1
Eine ähnliche These findet sich erstaunlicherweise in der jüngsten Arnim-Dissertation. Es ist mir allerdings kaum begreiflich, wie man angesichts der Fülle des vorhandenen Materials von der »Dürftigkeit Arnimscher Ä u ß e r u n g e n z u r Theorie der Poesie« (Wingertszahn 1990, S. 93) sprechen kann. Ihre Klassifikation als »vage Selbstaussage des A u tors, der bemüht ist, sein als unwahr kritisiertes Schaffen zu legitimieren« (S. 94), zeugt hauptsächlich von einer mangelnden Bereitschaft, sie ernst z u nehmen.
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Vgl. etwa O s k a r Walzel, Jenaer und Heidelberger Romantik über N a t u r - und Kunstpoesie, in: D V j s 14 (1936), S. 3 2 5 - 3 6 0 . Ein nettes K u r i o s u m bildet Manfred Schradis Versuch einer Hörspielfassung: M.S., Naturpoesie und Kunstpoesie. Ein Disput der Brüder G r i m m mit A c h i m von A r n i m , in: Perspektiven der Romantik. Beiträge des Marburger K o l l o q u i u m s z u m 80. Geburtstag Erich Ruprechts, hrsg. von Reinhard G ö risch, B o n n 1987 ( = A b h a n d l u n g e n zur Kunst-, M u s i k - und Literaturwissenschaft, Band 377).
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oder interessieren sich hauptsächlich für ihre Bedeutung im Kontext des Denkens der Brüder G r i m m . 4 D e n bislang wohl wichtigsten Beitrag zur Erschließung der Kunsttheorie A r n i m s bildet Ulfert Ricklefs' Abhandlung über die »Päpstin J o hanna«, die im Kapitel » A r n i m s poetologische Theorie« 5 erstmals konsequent versucht, die verstreuten Äußerungen A r n i m s als A u s d r u c k kohärenter Überlegungen zu begreifen. Unsere Studie ist dieser Darstellung in vielem verpflichtet, will aber nicht zuletzt durch ihren A n s a t z den Z u s a m menhang im Denken A r n i m s noch etwas präziser fassen. 6 D a s Beispiel vieler Arbeiten zu den theoretischen Auffassungen romantischer Autoren zeigt, daß isolierte Rekonstruktionen dazu neigen, einzelne Passagen von vornherein für selbstevident zu erachten und so bisweilen in die Paraphrase abgleiten. Demgegenüber ist eine vergleichende Untersuchung aufgrund des hierzu notwendigen Grades der Abstraktion zu einem strengeren Vorgehen gezwungen, das vor allen Dingen hinter die auch in theoretischen Texten nicht seltenen metaphorischen Umschreibungen
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rückgehen muß. D i e Arbeiten der Folgezeit behandeln meist speziellere Probleme. 7 W i r werden auf die dort vorgestellten Thesen im Verlauf der Untersuchung näher eingehen. In jüngster Zeit hat Roswitha B u r w i c k in mehreren Arbeiten den Versuch unternommen, die gesamte Kunsttheorie A r n i m s von seinem natur-
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Vgl. dazu z.B. Karl Eugen Gass, Die Idee der Volksdichtung und die Geschichtsphilosophie der Romantik (Zur Interpretation des Briefwechsels zwischen den Brüdern Grimm und Achim von Arnim), Wien 1940; Hans-Günther Thalheim, Natur- und Kunstpoesie. Eine Kontroverse zwischen Jakob Grimm und Achim von Arnim über die Aneignung älterer, besonders volkspoetischer Literatur, in: Weimarer Beiträge 32 (1986), S. 1829—1849. ' Ricklefs 1966, S. 19-58. Ergänzendes bei Ricklefs 1990, S. 1 - 1 1 . 6 Daneben sieht Ricklefs zwar Beziehungen zur Hermeneutik Heideggers (Ricklefs 1966, S. 50), vernachlässigt aber die für seine Theorie zentralen eigenen Überlegungen Arnims zu Kunst als Deutung, wie sie nicht nur im Umkreis des »Wunderhorns« formuliert werden. 7 Vgl. besonders: Andreas Thomasberger, Der gedichtete Dichter. Zum metaphorischen Charakter der »Ausflüge mit Hölderlin« von Ludwig Achim von Arnim, in: Aurora 45 (1985), S. 283—300; Helene M. Kastinger Riley, Figuration und Geschichte im »Hamlet«. Bemerkungen zu einer Shakespearekritik L. Achim von Arnims, in: Anglia 100 (1982), S. 426—434; Thomas Sternberg, Spontanes Sprechen in Versen. Material zu Arnims Lyriktheorie, in: Aurora 46 (1986), S. 70—86 (vgl. dazu: ders., Die Lyrik Achim von Arnims. Bilder der Wirklichkeit - Wirklichkeit der Bilder, Bonn 1983). Das Kapitel »Zur Poetologie« in der Arbeit von Bernd Fischer (Literatur und Politik - Die >Novellensammlung von 1812« und das »Landhausleben« von Achim von Arnim, Frankfurt a.M. -Bern 1983, S. 50-87) trägt zum Forschungsstand keine neuen Erkenntnisse bei. 18
wissenschaftlichen Denken her zu fassen.8 Sie vertritt die These, daß die »in der Konstellation der Naturphänomene und ihrer Wechselwirkung aufeinander beobachteten Gesetze [ . . . ] für Arnim auch Gültigkeit in bezug auf den künstlerischen Schaffensprozeß und der [sie!] Rezeption des Kunstwerkes« 9 besitzen. Ihr Ansatz mündet in den Vorschlag, Arnims Kunsttheorie auf den Begriff der »>Duplizität in der Triplizität«Sinn< heftig zurück: Ist nichts mit A b s i c h t verschwiegen, von dem Künstler keine sittliche Begeisterung nachgeschwatzt, w o sie sich finden kann, w i r d sich das H ö h e r e von selbst geltend machen, w i r d sich auch dem
fühlbar machen, dem im G e d r ä n g e des
L e b e n s z u mancher A r t der Begeisterung w e d e r Z e i t noch Bildung gegönnt ist. 42
" F D H HsB 69 (1803/4), zit. nach Wingertszahn 1990, S. 91. Sternberg sieht bei Arnim eine enge Verbindung zwischen dem Gedanken der Inspiration und der »Kunst der freien Improvisation« als »lyrischer Spontaneität« (Sternberg 1986, S. 76). Demgegenüber stellt die private Notiz fest, daß »nur Beredsamkeit improvisirt Poesie aber inspirirt wird« (Wingertszahn 1990, S. 91). 40 Thomasberger 1985, S. 287. 41 Rez. von Jacobi, »Ueber gelehrte Gesellschaften [...]« (1808), S. 370 (AW 6, S. 242). 42 Literar-Notizen (1818), S. 97 (AW 6, S.643f.). Vgl. dazu etwa folgende Passage aus der Rezension von Friedrich Schlegels Gedichten (1809): »Unsere Zeit hat sehr viele, durch breite Verse verdorbene, witzige Einfälle hervorgebracht, die sie Sinngedichte nennen, aber wenige so ernste würdige, in tieffster Anschauung fast vergessene, dem Munde entfahrene Sprüche [...]« (S. 150; A W 6, S. 306).
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D a s v o m K ü n s t l e r M i t z u t e i l e n d e e n t s p r i n g t einer i h m jenseitigen I n s t a n z , die R o l l e des K ü n s t l e r s b e s c h r ä n k t sich - z u n ä c h s t - auf die d e s p a s s i v e m p f a n g e n d e n , a u s f ü h r e n d e n O r g a n s . D a s » [ . . . ] eigentliche F u n d a m e n t aller D i c h t e r g a b e n , die E r f i n d u n g « , w i r d » z u g e t h e i l t « ( W e i ß II, 1 1 7 ) , u n d w e r » m i t E r n s t e t w a s s c h a f f t , m u s s d o c h a m e n d e s a g e n , dass er d a r i n d u r c h einen h ö h e r e n S t r a h l n u r e t w a s erlangte [ . . . ] « ( S t e i g I V , 2 3 2 ) . D i e R e i h e d e r B e l e g s t e l l e n , in d e n e n A r n i m die I n s p i r a t i o n als k o n k r e t e E r s c h e i n u n g d e r B i n d u n g des D i c h t e r s an eine t r a n s z e n d e n t e Q u e l l e d e r D i c h t u n g u n d K u n s t d a r l e g t , ließe sich b e i n a h e b e l i e b i g v e r l ä n g e r n . S o s p r i c h t er die f ü r sein I n s p i r a t i o n s k o n z e p t n o t w e n d i g e R e z e p t i v i t ä t d e s K ü n s t l e r s m i t u n t e r als das » A h n u n g s v e r m ö g e n « a n , » o h n e d a s a b e r a u c h n i c h t d e r kleinste w a h r e V e r s g e m a c h t w e r d e n k a n n [ . . .]«. 4 3 I m E i n k l a n g m i t d e r T r a d i t i o n d e r I n s p i r a t i o n s p o e t i k steht a u c h seine A u f f a s s u n g , daß d e r » B o d e n « d e r D i c h t e r » d a s U n b e w u ß t s e i n u n d die U n w i s s e n h e i t « 4 4 seien. D i e F u n d i e r u n g d e r p o e t i s c h e n T ä t i g k e i t in d e r g ö t t l i c h e n I n s p i r a t i o n ist in d e r G o e t h e z e i t ein z w a r n i c h t m e h r g a n z aktueller, a b e r d u r c h a u s
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Ueber Jungs Geisterkunde (1817), S. 390 (AW6, S. 544). Dort heißt es zum Ahnungsvermögen weiter: » [ . . . ] und das in der Wissenschaft und Poesie rein, gesund und heilig sich darstellt [...]« (ebd.). Auch das Spiel steht für Arnim mit der Inspiration sowohl in der Dichtung als auch im naturwissenschaftlichen Experiment in engem Zusammenhang: »Das Spielen mit Gedanken und Versuchen hat das meiste Neue entdeckt, aber es gehört dazu ein Geist, der ganz beym Spiele seyn und ganz darüber stehen kann, in jedes Spiel mischt sich, wenn es unschuldig getrieben wird, die Ahndung, wo aber diese hervortritt, da ermüden die Kinder, und die Weisen werden wach«. ( G S A 2 2 6 , 1 1 , zit. nach Streller 1956, S. i i i ) . Die »Ahndung« ist für Arnim offensichtlich die gemeinsame Grundlage von Poesie und Wissenschaft (vgl. dazu auch den bei Burwick 1990 (S.249) abgedruckten frühen Brief Arnims an Stephan August Winkelmann). Dies muß jedoch keineswegs bedeuten, daß er sämtliche Prinzipien seines naturwissenschaftlichen Denkens auf die Kunsttheorie überträgt. In einer Hinsicht zieht er jedenfalls eine deutliche Linie zwischen der Dichtung und seinen »physikalischen Untersuchungen«: In der Physik ist alles »so fest bestimmt, so greiflich, was man durch Scharfsinn und Zufall glücklich zusammenbringt, es läßt sich nicht abstreiten [...]. Anders ist es in den Dichtungen. Eine übellaunige Stunde oder ein mißmuthiger Freund stellen einem oft eine Erfindung, die mit Lust empfangen und mit Sorgfalt durchgeführt worden, als völlig unwürdig dar [ . . . ] und ich verwundre mich durchaus nicht, daß Göthe soviel Zeit seinen Dichtungen abstahl und sie auf die Farbenlehre verwendete [...]« (Steig III, S. 129). Ausflüge mit Hölderlin (1828), 5.123 (AW 6, S. 866). Zur möglichen Bedeutung des Unbewußten, Unabsichtlichen für die Genese von Arnims Dichtungen vgl. Ricklefs' Untersuchungen zur Entstehung der »Päpstin Johanna«: »Es fällt bei Arnim besonders auf, wie sehr er dem Eigenwirken der poetischen Phantasie vertraut und sich durch >zufällige< und unscheinbare Motive aus dem Zusammenhang des schon Gedichteten zu neuen Konzeptionen bestimmen läßt« (Ricklefs 1966, S.200). 29
n o c h g e l ä u f i g e r G e d a n k e , 4 5 d e r allerdings spätestens i m S t u r m u n d D r a n g z u m » F r e m d k ö r p e r « w i r d . » D i e A u t o n o m i e des n a t u r h a f t e n G e n i e s v e r t r u g sich n i c h t m i t d e r h e t e r o n o m e n I n s p i r a t i o n « , 4 6 s o d a ß ,
»Hamann
a u s g e n o m m e n [ . . . ] w o h l niemand wirklich [ . . . ] v o n der göttlichen Ins p i r a t i o n d e s D i c h t e r s « 4 7 ü b e r z e u g t w a r . I n d e r R o m a n t i k vertritt sie z u nächst natürlich Wackenroder, den A r n i m konsequenterweise auch später g e g e n die K r i t i k G o e t h e s v e r t e i d i g t ( G u R , 1 5 3 ) . A l l e r d i n g s n e n n t er ihn m e i n e s W i s s e n s an k e i n e r Stelle als u n m i t t e l b a r e n V o r l ä u f e r des e i g e n e n D e n k e n s ( d e r e i n z i g e Z e i t g e n o s s e , a u f d e n er sich in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g b e r u f t , ist H ö l d e r l i n ) . A r n i m s W i e d e r b e l e b u n g d e s
Inspira-
t i o n s g e d a n k e n s g e s c h i e h t w o h l eher i m R ü c k g r i f f auf v o r - g o e t h e z e i t l i c h e K o n z e p t e u n d steht in v i e l f ä l t i g e n B e z ü g e n z u r l a n g e n T r a d i t i o n
der
» D i c h t u n g als v e r b o r g e n e r T h e o l o g i e « 4 8 u n d z u r M y s t i k i m a l l g e m e i n e n , d e r e n g r ü n d l i c h e U n t e r s u c h u n g allerdings einer e i g e n e n A b h a n d l u n g b e dürfte.49 E n t s c h e i d e n d ist j e d o c h , daß sich A r n i m n i c h t v o r a u s s e t z u n g s l o s in eine g e g e b e n e T r a d i t i o n einreiht, s o n d e r n eine a u s f ü h r l i c h e B e g r ü n d u n g u n d D a r l e g u n g seines s p e z i f i s c h e n I n s p i r a t i o n s v e r s t ä n d n i s s e s u n d
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Vgl. Sternberg 1983, S. 202. Jochen Schmidt, Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1 7 5 0 - 1 9 4 5 , Band 1. Von der Aufklärung bis zum Idealismus, Darmstadt 1985, S. 134. Ebd. Vgl. dazu Rolf Bachem, Dichtung als verborgene Theologie. Ein dichterischer Topos vom Barock bis zur Goethezeit, Bonn 1956. Wichtige Hinweise zu Arnims Beziehung zum Neuplatonismus und zur Gnosis liefern die Arbeiten von Ricklefs, während Sternberg besonders die Verbindungen zu Hamann und Herder betont (vgl. Sternberg 1983, S. 13). Mit dem Verhältnis zu Böhme beschäftigt sich Wingertszahn eingehender (Wingertszahn 1990, S. 5 2 - 5 8 und S. 531 ff.; vgl. auch Irmgard Berchtenbreiter, Achim von Arnims Vermittlerrolle zwischen Jakob Böhme und seiner »Wintergesellschaft«, Diss. München 1972; die Arbeit ist allerdings wenig instruktiv). Wingertszahn verweist vor allen Dingen auf die »zeitlebens ambivalente Haltung Arnims zur Böhmeschen Mystik« (S. 54). Arnim verteidigt aber nicht selten den Begriff der Mystik gegen eine pejorative Verwendung (vgl. z . B . G u R , S. 132). Brentanos Auseinandersetzung mit der Mystik geht sicherlich tiefer als die Arnims, aber auch sein Verhältnis zum mystischen Glauben ist »nicht ungebrochen« (Brandstetter 1986, S. 157). Ein ähnlich zwiespältiges Bild liefern die literaturhistorischen Schriften Eichendorffs. Einerseits wird Arnim der Vorwurf gemacht, er greife in seinen Dramen, »zur Vermittelung zwischen dem Diesseits und Jenseits, häufig nach einer phantastischen Mystik« (E III, S. 489). Auf der anderen Seite lobt er aber die »tiefsinnige Mystik und himmelklare Frömmigkeit eines Tauler und Thomas von Kempen« (E III, S. 1 9 1 ) und stellt den Begriff des Mystischen schließlich sogar in das Zentrum seines Denkens über Kunst und Religion: »Alle Religion ist, weil unergründlich, wesentlich zugleich auch mystisch; die Mystik aber kann nicht unmittelbar in Begriffen, sie kann nur in Anschauungen, also nur symbolisch und bildlich zu uns reden [...]« (E III, S. 607).
3°
Anspruchs der Dichtung formuliert: Seine »Theorie poetischer Erfindungen [...] wie die Phantasie nur dann wahr sei, wenn sie täuschend sich selbst täuscht . . . (Steig III, 242, vgl. 224).'° Hier zeigt sich, daß er die Problematik einer Inspirationspoetik nicht nur reflektiert, sondern - und darin liegt die historische Bedeutung seiner »Theorie« - in seinen Überlegungen den Gedanken einer autonomen Poiesis zum Ausgangspunkt nimmt, um seine Begründung des Wahrheitsanspruchs der Kunst darzulegen: [ . . . ] so z . B . auf Zeichnung angewendet, so ist da erst eine Schönheit, und das ist Wahrheit, der Phantasie vorhanden, wenn das Angeschaute im Kopfe, das ich darstellen möchte, womit ich die Leute täuschen möchte, mich selbst so ergreift, daß ich es zuletzt nicht mehr von dem Angeschauten unterscheiden kann, ja sogar dieses Angeschaute gänzlich verliere, oder erst wieder durch das erschaffene Bild hervorbringen kann. (Steig III, 2 4 2 )
In dieser Umschlagserfahrung wird die scheinbar autonome poetische Tätigkeit auf ihre Abhängigkeit vom transzendenten Grund hin transparent. Nur darin liegt die Wahrheit der »Schönheit«, der Kunst. Arnim erläutert dies am Beispiel der Entstehung von Schöpfungsgeschichten: »Ein heiliger Sinn möchte zur Beruhigung und Ausgleichung seiner Seelenkräfte etwas erdichten, täuschen, aber in dieser seiner Erhebung strahlt ihm die Wahrheit, er meint sich nur zu täuschen und ist getäuscht, indem er wirklich die Wahrheit empfangen [...]«(Steig III, 244). In diesem Sinne dankt das Werk seinem Schöpfer »[...] weniger [...] als er seinem Werke« (Steig IV, 232). Damit liefert Arnim nicht nur seine theoretische Erläuterung des im Unbewußten stattfindenden Vorgangs der Inspiration, sondern leistet vor allen Dingen eine Neubegründung nicht-mimetischer Kunst, die - letztlich im Rückgriff auf ein traditionelles Konzept - Phantasie und Anti-Poiesis vereint. Im Zentrum der Überlegungen steht dabei eine Umschlagsbewegung,'1 die nicht dialektisch ist, sondern ein Enthüllungsereignis bezeichnet. Gerade die angeblich freie Schöpferkraft des Künstlers erweist sich als Ort der Entäußerung eines transsubjektiv Gegebenen. Die von Arnim selbst so bezeichnete »Theorie« der »getäuschten Täuschung« macht deutlich, daß sich die Bindung an die Transzendenz in der 50 51
Vgl. dazu natürlich Ricklefs 1966, S. 48ff. Die Umschlagsbewegung als solche findet sich bereits bei Piaton, der »bei der Inspiration erscheinende Einzelphänomene unter dem Oberbegriff der musischen >Mania< zusammenfaßt]. Die göttliche >Mania< (im Gegensatz zur menschlichen, nur krankhaften) entsteht >aufgrund des göttlichen Umschlagens der gewöhnlichen Realität [ . . .]GebärenEintrübung< des »Trunks«, die nicht vollständige, sondern nur partiale Präsenz des Uberzeitlichen in seiner Entäußerung an die historische Form zwar beklagt, aber doch hinnimmt, will sich der Theoretiker Brentano damit nicht zufriedengeben. Er denkt radikaler als Arnim und besteht auf einer >ungetrübten< Umsetzung der Inspiration ins Werk: Zur »unschuldigen« »Empfängnis« gehört eine ebensolche »Produktion« (Werke 2, 1044). Auf dieser Grundlage basiert Brentanos spezifische Alternative zur Arnimschen Vorstellung einer substanzhaltigen Dichtung, die »Poetik der Transsubstantiation«.77 Brentano formuliert seine Vorstellung von der »Poetik der Transsubstantiation« z. B. in dem bereits zitierten Brief an Arnim, in dem er sich als »Mittler, der aus dem Vater und dem Geiste ausgeht« (FBA 29, 555) bezeichnet. Im Kontext des Redens von »Hostien« verleugnet er dort den »Godwi« als Arbeit, die »nur Wasser und Mehl ist« (FBA 29, 554) und damit im spezifischen Sinne defizitär: » . . . nur im Abendmahl genießen wir den Gott, denn alles Wort muß Fleisch werden . . . « (FBA 29, 446).78 Brentanos Variante des Konzepts einer stofflichen Anwesenheit des Transzendenten im Kunstwerk manifestiert und konkretisiert sich in der »Suche nach einem Sprachverständnis, das >alles wesentlich und zur Substanz< mache«,79 was letztlich die Uberwindung des Form/Inhalt-Dualismus bedeutet. Der Grundgedanke ist hier nicht die Vorstellung einer eingeschränkten Anwesenheit des Überzeitlichen in zeitlicher Form, sondern die der »Wesensverwandlung«80 des Irdischen. Sie gewährleistet die »unschuldige Produktion«, 8 ' d.h. eine >ungetrübte< Realisierung des 77
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80
Brandstetter 1986, S. 218, vg. S. 207, S. 2i8ff. und passim. Gabriele Brandstetter erarbeitet dieses, für Brentanos »Erotik und Religiosität« zentrale Konzept ausführlich in seiner psychologischen und poetischen Bedeutung. Wir können hier nur unter dem Blickwinkel der Analyse und des Vergleichs mit der Theorie Arnims darauf eingehen. Die »Poetik der Transsubstantiation« ist weniger eine Werk- als eine Sprachtheorie, was bei einem Autor, »der wie kein anderer das Wort beim Wort genommen hat und dem Sprache nicht nur Material, sondern Substanz der Dichtung war« (Oskar Seidlin, Vom erwachenden Bewußtsein und vom Sündenfall. Brentano, Schiller, Kleist, Goethe, Stuttgart 1979, S. 96) auch kaum anders zu erwarten ist. Daß Arnim eher werkbezogen, Brentano fast ausschließlich sprachbezogen denkt, ist Teil ihrer grundsätzlichen Differenz in der Frage der Realisierungsmöglichkeiten des Kunstanspruchs . Vgl. F B A 29, 375; S I , S. 243. Zur erotischen Dimension F B A 29, S. 446. Brandstetter 1986, S. 239 (zu den zeichentheoretischen Konsequenzen dieses Gedankens vgl. S. 204). Lexikon für Theologie und Kirche, hrsg. von Joseph Höfer und Karl Rahner, Bd. 10 Teufel-Zypern, Freiburg 1965, (Art. Transsubstantiation) Sp. 3 1 1 . Zum Abendmahlsverständnis Brentanos vgl. Brandstetter 1986, S. 208. Brandstetter 1986, S.237.
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Empfangenen im Kunstwerk. Während der Protestant Arnim 82 mit seinem Werkbegriff auf den platonischen Leib-Seele-Dualismus rekurriert, löst Brentano das organische Werk- bzw. Kunstverständnis durch ein orthodox theologisches Konzept ab. Gegenüber den Vorstellungen Arnims bedeutet dies jedoch eine Zuspitzung des Aspekts der Anwesenheit, ist die Transsubstantiationslehre doch »die Lehre von der Realpräsenz des Leibes u. Blutes in der Eucharistie«,83 von der »wahren und wirklichen Gegenwart der >Substanz< (u. nicht nur der Wirkung) des Leibes Christi [.. .]«.84 Der Anspruch an das Werk ist damit höher als bei Arnim, der jedoch umgekehrt nie derartig tief an der Möglichkeit von Kunst überhaupt verzweifelte wie Brentano. In Arnims Denken entspricht die Form-Inhalt-Relation dem Verhältnis von Zeitlichem und Uberzeitlichem im Kunstwerk. Auch dieser Punkt läßt sich bei Brentano verfolgen und macht Differenzen wie Gemeinsamkeiten deutlich. In dem Brief, der vom »Godwi« als verfehlter Transsubstantiation spricht, heißt es : »So ist mein Leben, so scheine ich ein Dichter geworden zu sein, und bin nur ein Objeckt der Poesie, da ich in der Zeit ewig lebe, und alles Endliche statt es zu genießen, in unendliche Begierde in mir verwandelt habe« (FBA 29, 556). Im Kontext »Transsubstantiation« wird - hier ex negativo — auch das Verhältnis von Zeitlichem und Ewigem, von Endlichem und Unendlichem im Modus der Verwandlung gesehen, die hier allerdings noch nicht vollendet ist und deshalb nur in »unendliche Begierde« mündet. Von dieser Konzeption aus ist - wie gesagt — kaum ein Weg zu der Arnims möglich. Es finden sich bei Brentano aber auch Vorstellungen zum Verhältnis von Form und Inhalt, Zeitlichem und Uberzeitlichem im Kunstwerk, die dem Denken Arnims sehr viel näher stehen: » . . . ein Kunstwerk ist ein Werk Gottes, der im Menschen wohnt, ein Werk, das das Ewige, Unbegreifliche, und immer große Leben durch wunderbaren Zauber in enge
!l
83 84
A r n i m selbst war der Unterschied zwischen protestantischem und katholischem A b e n d mahlsverständnis offenbar nicht besonders wichtig: »So finden die meisten [Evangelischen; M . N . ] in der Messe keinen A n s t o ß mehr, wenn sie die Wandlung auch nicht materiell annehmen so ist sie ihnen doch ein ergreifendes geistiges Bild. Jeder fühlt, daß er in sich mehr Geheimnißvolles trägt, als irgendeine Glaubenslehre von ihm fordern kann. Wer weiß w i e viel von der Messe angenommen wäre ohne den Streit zwischen den Eiferern beider Kirchen.« (Exzerpte, S. 390, N r . 274; vgl. auch den bereits erwähnten Brief an Christian Brentano, Weiß IV, S. 282). L e x i k o n für Theologie und Kirche, B d . 10, Sp. 3 1 1 . ebd., Sp. 313; vgl. Brandstetter 1986, S. 238.
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unsern irdischen Sinnen faßliche Schranken bannt . . . « (FBA 29, 475).85 Auch das aus dieser Auffassung folgende produktionsästhetische Konzept (unbewußte Inspiration, bewußte Gestaltung) begegnet bisweilen in Äußerungen Brentanos. So beschreibt er die Entstehung der »Romanzen vom Rosenkranz« im ersten Brief an Runge: »Während ich so lebte, erstand in mir unbewußt die Begierde, ein Gedicht zu erfinden, [ . . . ] und [ . . . ] gewisse Bilder und Zusammenstellungen begegneten mir immer wieder. [ . . . ] ich entschloß mich, sie in einem historischen Verhältnis zu einer ganzen Begebenheit auszubilden [ . . . ] »(S II, 7). Das Aussprechen dessen, »was ewig im Menschen ist« (SI, 294), bleibt auch für Brentano produktionsästhetisch in der Konsequenz dieses Ansatzes an eine Zeitliches einbeziehende Gestaltung gebunden. Die geschichtliche Zeit determiniert die Gestaltung, das Gedicht ist damit »[...] nur historisches Bruchstück einer höheren Natureinheit [ . . . ] die Form des Gedichts nichts als richtiges Kostüm [...]« (FBA 29, 491). Vereinzelte Äußerungen Brentanos - z.B. von der »Reformation, in der durch das überwiegende Zeitliche und Politische aller Kunstsinn schnell zu Rande ging . . . « (UL, 381) - ähneln daher entsprechenden Gedanken Arnims und Eichendorffs. Darüber hinaus greift Brentano ebenfalls zur Wasser- und Quellmetaphorik,86 nennt Gedichte, die mehr sind als »honette Gedanken in Reimen«, »Libationen« (Beutler, 444) und spricht vom »Göttlichen« als »herrlichem Kern« in der »schlechten Schahle« des »äußeren Lebens« (FBA 29, 461). Auch die substantialisierende Verwendung des Begriffs »Poesie« ist ihm geläufig. »Poesie« ist etwas, was z.B. in Arnim »steckt« (Steig V, i24f.), was »man hat« (SI, 189). Einige Indizien deuten also darauf hin, daß in Brentanos theoretischen Überlegungen zwei Konzepte zeitweise nebeneinander existieren. Eines, die »unschuldige Produktion« als Transsubstantiation, das mit dem Werkbegriff Arnims kaum vermittelbar ist, und ein zweites, das das Werk nicht als Verwandlung, sondern als die Entäußerung der metaphysischen Substanz an das Historische sieht und den Vorstellungen Arnims stärker gleicht. Doch liegt für Brentano auch dann, wenn er eher in Arnims Bahnen denkt, in der >verunreinigenden< Bindung des überzeitlichen Gehalts in zeitlicher Form eine nur schwer hinnehmbare Beeinträchtigung: 87 8(
Das Zitat entstammt einem Brief an Johanna Kraus (erste Hälfte Juni 1802), den/die »neuen Arnim[!]«, und steht damit zunächst natürlich weniger in kunsttheoretischem als in erotischem Zusammenhang. " Vgl. z.B. D ü D , S. 180; S i l , S. 342; Steig I, S . 3 1 8 . 87 In diesen Zusammenhang gehört seine berühmte Abneigung gegen den Druck seiner
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Ja wie alle bürgerliche Einfassung und Stetigmachung des freien Göttlichen im Menschen endlich zum gänzlichen Ersterben in die äußere Form notwendig gelangt, so muß es auch das Theater. Löst sich auch nicht nach historischen Erfahrungen die in das Militär konstruierte Streitbarkeit der Völker bei sehr langem Frieden meist in bloßes Uniformen- und Kasernenwesen auf, und bedarf es nicht eines unmittelbar göttlichen Funkens nach unendlicher historischer Qual. (Werke 2, 1 1 3 2 )
Das Problem ist grundsätzlicher Natur, da sich letztlich auch hier die Forderung nach »unschuldiger Produktion« geltend macht. Dieser hohe Anspruch, im Kunstwerk eine möglichst vollständige Realisation des Eigentlichen zu erzielen und zu einem »unmittelbaren Stil der Begeisterung«88 zu finden, läßt sich auch an anderen Punkten verfolgen, etwa in der wiederholten Herausstellung der Kategorie des Kindlichen, deren poetologische Bedeutung er in einem Brief an Arnim unterstreicht: »Alles, was Du hervorbringst, ist mir stets schuldlos, großherzig, kindlich und tiefsinnig und ewig-jung erschienen und hat mich tief gerührt« (UL, 404; Hervorhebungen von mir; M.N.). 8 ' In diesen Bereich gehört wohl auch das Verlangen, in der »Verwirklichung einer poetischen Existenz« zur Einheit von Kunst und Leben zu gelangen,90 ebenso wie das nach einer unmittelbaren Rezeption: »[...] ich wünschte mir einen Brief auf die Art einrichten zu können, daß ich unten noch dran schriebe, wenn Du ihn oben schon zu lesen anfängst [...]« (A, 191). Der Wunsch nach Unmittelbarkeit und »Unschuld« spielt in Brentanos Denken keine geringe Rolle und bestimmt auch seine Überlegungen zum Kunstwerk. Darin liegt bei aller Gemeinsamkeit der Grundlagen die wesentliche Differenz zum kunsttheoretischen Denken Arnims, das volle Unmittelbarkeit ausdrücklich nicht beansprucht. Arnim scheint sich der Unterschiede bewußt gewesen zu sein, wenn er in einem späten Brief an Görres (24.1.1826) Brentanos »Glaubensquälerei« als einen »anderen Ausdruck dessen« bezeichnet, »was ihn neben so vielem guten Glauben, der stets in ihm wohnte, stets zerrüttet hat, indem er sich auf frischen Fundamenten kerzengerad zum Himmel ohne Absatz auferbauen wollte« (GB 3, 221). Die Form wird nach Arnims Theorie vom Dichter bewußt gestaltet. In Eichendorffs Äußerungen begegnet im Rahmen der vermögenspsycholo-
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90
Werke (vgl. dazu Dennerle 1977, S. 47 und 54), aber auch gegen die »Kunstform« an sich: »In Versen wird schier Alles zur Lüge und zum Machwerk;« (GS 8, S. 205). Brief an Graf Hans Moritz Karl Brühl, Berlin 1 8 1 5 , zit. nach Dennerle 1977, S. 158. Vgl. dazu generell Gerhard Schaub, La génie enfant: Die Kategorie des Kindlichen bei Clemens Brentano, Berlin-New York 1973. Die in der Romantik ubiquitäre Idealisierung des Kindes ist bei Arnim bezeichnenderweise kaum anzutreffen. Frühwald 1962, S. 152.
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gischen Diskussion der Kunstproduktion ein vergleichbarer Gedanke. Denn auch der Verstand hat seine produktionsästhetische Funktion. Er kann zwar nur »ordnen, aber nicht dichten« (E III, 652), seine Zuständigkeit ist es infolgedessen, den Inhalt »... in die Formen der wirklichen Erscheinung festzubannen ...« (E III, 544).91 Eichendorffs Werkbegriff impliziert damit ebenfalls den Gedanken eines poetischen Form-StoffDualismus,'2 der sich z.B. in Definitionen wie: »[...] die Kunst [...] ist ein von Gott bestimmtes Gefäß himmlischer Wahrheiten« (E III, 378, vgl. 151,685) niederschlägt. Er trennt dabei Form und Stoff grundsätzlich und verwendet für den eigentlichen Gehalt bisweilen ebenfalls den Begriff des »Wesens«: »Die wahre Poesie ist [...] wenngleich in der äußerlichen Form verwundbar, doch in ihrem Grundwesen unverwüstlich« (E III, 606).95 Eichendorff begreift so, wie Arnim, den Form-Stoff-Dualismus als Dualismus zeitlicher und überzeitlicher Komponenten des Kunstwerks und setzt damit ebenfalls das ältere metaphysische Modell an die Stelle des organischen.94 Der Gedanke einer überzeitlichen Komponente manifestiert sich im theoretischen Diskurs in Umschreibungen des Inhalts wahrer Kunst als »Darstellung des Ewigen und Schönen im Irdischen« (E III, 153), als »ewiger Geist« im Gegensatz zum »Zeitgeist« (EIII, 361, vgl. 363), »das Ewige« im Gegensatz zum »verhüllenden Irdischen« (E III, 418) oder als das »in der zeitlichen Wissenschaft und Kunst sich abspiegelnde und ausstrahlende ewige Wort« (E III, 487; über F. Schlegel). Daneben spricht er auch von einem transhistorischen »poetischen Element« (E III, 541) und sieht im Drama eine »unsichtbare Seele, die niemand machen kann« (E III, 519), der der »unverwüstliche Geist« (E III, 641) der Lyrik korrespondiert. *' Dies entspricht natürlich weitgehend Arnims konzeptioneller Aufteilung von bewußter und unbewußter Tätigkeit des Künstlers. Zur Funktion des Verstandes innerhalb dieser Aufteilung vgl. Steig III, S. 243. 91 Der »modernen Poesie« konzediert er z . B . die »unleugbare künstlerische Vollendung ihrer Formen« (E III, S. 150) und richtet seine Kritik ganz gegen den »Inhalt« (ebd.). Vgl. auch seine Auseinandersetzung mit Goethe (E III, S. 241 und 747f.). 93 In der rein historischen Entwicklung sieht er allerdings die »Form« mitunter auch als »Teil des Wesens« (E III, S. 604). 94 Ich denke, daß er, trotz allem »Einfluß« von Görres, Schelling etc. (vgl. E III, S. 903 und 907), in diesem Punkt Arnim nähersteht als den genannten Autoren. Aus der Tatsache, daß er an den Romanen des 17. Jahrhunderts kritisiert, daß sie »kaum noch den Versuch machen, sich zu einem organischen Ganzen zu gestalten« (E III, S. 615), und aus seinem Vergleich von Arnims »Poesie« mit einem »schlanken Baum auf der Höh« (E III, S. 796) alleine läßt sich wohl kaum die These ableiten, daß Eichendorff - »in agreement with others among the Romantics, including of course Friedrich Schlegel« - von der Notwendigkeit überzeugt ist, daß der Roman »an organically structured whole« zu sein habe (so Purver 1989, S. 37, vgl. S. 38f.).
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Der junge Eichendorff geht sogar so weit, daß e r - ebenfalls wie Arnim diesen Gedanken auch auf die Religion überträgt und auf dieser Basis eine ihm im Alter undenkbare religiöse Toleranz üben kann: Uberhaupt kann, meiner Überzeugung nach, ein Kunstwerk nur als national bestehen. Denn eine allgemeine Poesie gibt es wohl, die, als die göttliche Idee, durch alle Kunstwerke aller Jahrhunderte geht; aber eine allgemeine NormalUniversal- K u n s t , es sei in Marmor, Farbe oder Worten, kann ich nicht anerkennen, so wenig als eine allgemeine Religion oder Liebe. Jene göttliche Idee, die allen Künsten gemein, jenes Stück Himmel in der Menschenbrust wird vielmehr nur durch die E i g e n t ü m l i c h k e i t der Nation, zu welcher der Künstler gehört, ein besonderes, ein wahrhaftes Kunstwerk, und ist sodann Eins mit dem Vaterlande, ein Gegenstand der Vaterlandsliebe. (An Karl Albert Eugen Schaeffer, 1 0 . 6 . 1 8 1 4 ) " Die Nähe zum Denken Arnims, dem die nationale Emphase auch nicht fremd war, ist unverkennbar. Die Abhängigkeit der besonderen Ausprägung der allgemeinen göttlichen Idee von der jeweiligen Nationalität des Künstlers ist gewissermaßen die spatiale (auf Herder zurückweisende) Variante zu den mehr temporalen Unterscheidungen Arnims.' 6 Eichendorff teilt auch die Auffassung, daß die historischen Umstände für qualitative Schwächen mit verantwortlich sind. So schreibt er in einem Brief an Th.v. Schön ( 2 4 . 1 0 . 1 8 4 2 ) : Von den armen Dichtern hoffen Ew. Exzellenz doch wohl zu viel. Sie sollen freilich über ihrer Zeit stehen, wie die Könige, aber sie sind auch wieder recht eigentlich die Kinder ihrer Zeit und leben von den Eindrücken des Tages. Daher durch die ganze Geschichte die fatale Erscheinung, daß eine große Zeit immer große Dichter, eine schlechte Zeit immer schlechte oder gar keine Dichter hat, gleichwie die Vögel im Winter nicht singen, wo es gerade am meisten not täte. Der Arger macht bloß kritisch, was immer der Tod der Poesie ist. ( H K A 12, 7 2f.) Als zentrale Differenz der theoretischen Konzeptionen Arnims und Brentanos konnten wir festhalten, daß Arnim im Unterschied zu Brentano eine gewisse Verunreinigung, einen gewissen Verlust an Präsenz bei der Realisierung der göttlichen Inspiration im Kunstwerk als unhintergehbar hinnimmt, während Brentanos Konzept letztlich auf uneingeschränkte Anwesenheit abzielt.97 Eichendorff übt in diesem Punkt eine
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N e u e E i c h e n d o r f f - B r i e f e . Mitgeteilt von Karl Freiherrn von E i c h e n d o r f f , in: E i c h e n d o r f f - K a l e n d e r f ü r das J a h r 1 9 1 5 , S. 2 2 - 4 4 , hier S.
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i6i.
In den literaturhistorischen Schriften w i r d hingegen die Nationalität selbst mitunter überzeitlich verstanden (vgl. E III, S. 5 1 2 , S. 6 4 7 ^ und 683).
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D i e D i f f e r e n z spiegelt sich in gewisser Hinsicht in E i c h e n d o r f f s Vergleich der beiden in »Halle und Heidelberg« ( E I, S. 9 3 3 ) .
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noch größere Zurückhaltung als Arnim und unterstreicht sehr viel deutlicher die Differenz zwischen Kunstwerk und Absolutem. Für ihn steht innerhalb des Gedankens der Vermittlung der Aspekt der Mittelbarkeit im Zentrum. Das Kunstwerk ist eben »nicht selbst das Licht, aber das Medium des Lichtes« (E III, 136), worin sich denn auch seine - bei Arnim wie Brentano unterreflektierte - Zeichenhaftigkeit begründet. Allerdings bezieht es aus dieser Medialität auch bei Eichendorff die Uberzeitlichkeit seines Gehalts. In der Diskrepanz zwischen der Bestimmung des Kunstwerks als »Gefäß« (E III, 378) mit überzeitlichem und (wie wir sehen werden) positivem Gehalt und der (dominanteren) als Zeichen wird das auch dem Arnimschen Konzept eigene paradoxe Verständnis des Kunstwerks als Anwesenheit und Abwesenheit, als Verkörperung und Zeichen, deutlich sichtbar. An manchen Stellen klagt Eichendorf die »Realisierung der göttlichen Idee« (EIII, 496) in der Kunst ein, an anderen betrachtet er jedoch die Zeitlichkeit nicht nur als Verunreinigung eines ursprünglich Unmittelbaren, sondern als einzige Determinante des Kunstwerks: »Das eigentliche Wesen aller romantischen Kunst [ . . . ] ist das tiefe Gefühl der Wehmut über die Unzulänglichkeit und Vergänglichkeit der irdischen Schönheit und daher eine stets unbefriedigte ahnungsreiche Sehnsucht und unendliche Perfektibilität.« (E III, 558). »Das ist eben das Wunderbare, diese Sehnsucht nach dem Unerreichbaren, und könnte diese jemals befriedigt werden, so wäre es mit der Kunst aus« (An J. Ruhl, 9.1.1822; H K A 12, 24).98 Sowohl Arnim als auch Eichendorff sehen eine ontologische Differenz zwischen Kunstwerk und Absolutem und trachten - im Unterschied zu Brentano - nicht, diese zu überwinden oder einzuebnen." Während aber Arnim - analog zur herausgehobenen Rolle, die die Inspiration in seinem Konzept spielt - in der Kunst als Produkt der Zeitlichkeit die - unumgängliche - Verunreinigung eines ursprünglich Unmittelbaren sieht, geht Eichendorff in seiner Argumentation meistens von der Zeitlichkeit des
' 8 Dagegen ist gerade Jean Pauls »Unglück [ . . . ] eigentlich nur die hartnäckige Illusion, die jenen wandelbaren und fliehenden Regenbogen der bloßen Sehnsucht schon für die einzig haltbare Himmelsbrücke hielt« (E III, S. 308). " »Die Idee eines leiblich gegenwärtigen Gottes« gibt es für Eichendorff selbstverständlich nur »in der Kirche« (E III, S. 710). Dagegen macht er sich eine zentrale Metapher Arnims explizit zu eigen: »Kein Dichter gibt einen fertigen Himmel; er stellt nur die Himmelsleiter auf von der schönen Erde« (E III, S. 796). Auch hier wird natürlich versucht, das Paradox von Anwesenheit und Abwesenheit des »Himmels« in der Kunst, die zwischen der »gnostischen Ketzerei« auf der einen und der »Häresie« des »Pantheismus« (Oskar Seidlin, Versuche über Eichendorff, Göttingen 1965, S. 145) auf der anderen Seite situiert ist, in ein Bild zu gießen.
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Irdischen aus und nimmt damit den Aspekt der Anwesenheit noch stärker zurück als Arnim. Die Poesie darf keineswegs »eine unmittelbare Darstellung der übersinnlichen Welt unternehmen wollen« (E III, 543), sie ist »vielmehr nur die indirekte, d.h. sinnliche Darstellung des Ewigen ...« (E III, 543).-°° Dennoch sind wohl auch für Eichendorff die spezifischen Bedingungen der Kunst die entscheidenden Faktoren für ihre mangelnde Unmittelbarkeit. Ersetzen wir »d.h.« durch »weil«, so befinden wir uns wieder in unmittelbarer Nachbarschaft zum Arnimschen Konzept. »Unmittelbar in die Tiefe auf Erkenntnis oder vielmehr Anschauung der Wahrheit« (E III, 388) geht bei Eichendorff nur der Glaube, die Poesie hingegen geht »nach außen auf Schmuck und künstlerischen Ausdruck des gläubig Erschauten« (E III, 388f.) und bezahlt dies eben mit dem Verlust an Unmittelbarkeit und Präsenz, der ihre Zeichenhaftigkeit begründet. Wir haben gesehen, daß Arnim zur Umschreibung des überzeitlichen Gehalts gerne auf Metaphern aus dem konkret-stofflichen Bereich zurückgreift. Diese finden sich in Eichendorffs theoretischem Werk eher selten, und dies nicht ohne Grund. Denn Eichendorff kennt, anders als Arnim und Brentano vor der »Wende«, einen genauen Begriff für den eigentlichen Inhalt des Kunstwerks, der jede Umschreibung überflüssig macht: »das positiv Gegebene« (E III, 259) als einen anderen Ausdruck für die »göttliche Offenbarung und den historischen Glauben« (E III, 244; Hervorhebung von mir; M.N)." 31 Die Eigenschaft der Positivität kommt natürlich zunächst und vor allen Dingen der katholischen Kirche und ihrer »von Gott selbst beglaubigten Wahrheit« (E III, 489) zu. Die »positive Religion« ist »ein Absolutes« (E III, 903, vgl. 910). (Demgegenüber bezeichnet er den subjektivistischen Protestantismus als »negative Religion« ; E III, 777). Das Geltendmachen der Positivität setzt Eichendorff mit dem Projekt der Romantik gleich: »Die Romantik setzte sofort der allgemeinen Einbildung des hochmütigen Subjekts [in der »protestantischen Richtung« der deutschen Literatur; M.N.] das Positive, und z w a r da jede wahre Reform in ihrem tiefsten Grunde notwendig religiös ist die positive Religion, den Katholizismus, entgegen, der also ihre eigentliche Seele war« (E III, 120). Dabei geht es ausdrücklich nicht um die Form, sondern um den »positiven Inhalt der Religion« (E III, 788) als »Inhalt der Romantik« (E III, 910).
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Zur Nähe dieser Gedanken zu Friedrich Schlegels Wiener Vorlesungen vgl. Hass 1954, S. 124. "" Zum Begriff des Positiven bei Arnim vgl. Sternberg 1990, S. 44.
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Hier wird der Charakter von Eichendorffs literaturhistorischen Arbeiten als Kampfschriften in den interkonfessionellen Auseinandersetzungen zur Mitte des 19. Jahrhunderts natürlich deutlich erkennbar. Für unsere Fragestellung ist es jedoch entscheidend, daß auch Eichendorffs Theorie den eigentlichen metaphysischen Gehalt eines Kunstwerks als positiv substantiell gegebenen begreift, wenngleich in den literaturhistorischen Schriften für die mystisch-metaphysisch verstandene Präsenz der orthodoxe Begriff eintritt. Fassen wir die Ergebnisse des Vergleichs kurz zusammen: Arnim, Brentano und Eichendorff ersetzen den organischen Werkbegriff durch Konzepte, die sich an älteren metaphysischen bzw. theologischen Denkformen orientieren. Bei Arnim und Eichendorff ist dies klar und eindeutig die Idee des Kunstwerks als überzeitlicher Gehalt in zeitlicher Form, bei Brentano vor allen Dingen die Idee des Werks bzw. der Sprache als Transsubstantiation. Unterschiede ergeben sich in der jeweils anderen Akzentuierung von Anwesenheit und Abwesenheit des zu Vermittelnden im Kunstwerk. Während Brentano weit über Arnims Vorstellungen einer >verunreinigten< Präsenz, einer anwesenden Abwesenheit oder abwesenden Anwesenheit hinausgeht, ist Eichendorff hinsichtlich des Gedankens einer Präsenz eher zurückhaltend. 1.2.2 Gestaltungsprinzipien Die Aufgabe, »für andere« zu schreiben, beinhaltet die Forderung an den Dichter, der Rezipierbarkeit seines Werks einige Aufmerksamkeit zu widmen. Arnim behandelt dieses Problem vor allen Dingen in seinen Kritiken und Rezensionen in aller Ausführlichkeit und entwickelt dabei eine Reihe sehr praktischer Vorstellungen zur Gestaltung des Kunstwerks als Form. Im Zentrum der Überlegungen steht dabei die Wirklichkeit, denn »[...] alle Poesie ruht auf einer derben, eckigen Realität, und ohne diese menschlichen Züge ist alles Uebermenschliche ein Licht ohne Gestalt«. 102 102
Rez. von E. Wagner, »Willibalds Ansichten des Lebens« u.a. (1809), 174 (AW 6, S. 271). Unsere Darstellung wendet sich ganz dem rezeptionsorientierten Aspekt des in der Forschung schon topischen »Realismus« Arnims zu, der vor allen Dingen in den Rezensionen im Vordergrund steht. Daneben findet sich in einigen brieflichen Äußerungen auch eine produktionsästhetische bzw. -psychologische Begründung (vgl. dazu auch Sternberg 1983, S. 1 7 1 und Exzerpte, S. 301 und 310). So etwa in der berühmten Passage aus dem Grimm-Briefwechsel: »Wenn Ihr mir vorgeworfen habt, warum ich die Isabella gerade mit Karl V. in Berührung gesetzt, warum nicht willkürlich ein Kronprinz X. erwählt, darin liegt aber etwas Unwiderstehliches wie bei den Völkern mit den Mythen, die sie an ihre Königsstämme als Wurzel annagelten, daß man es nicht lassen kann, dem was
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D i e s e s p o e t o l o g i s c h e A x i o m leitet sich natürlich direkt aus d e m W e r k k o n z e p t a b : » W e n n G e n i e das S c h a f f e n d e g e n a n n t w e r d e n k a n n , so ist K u n s t die A r t der E r s c h e i n u n g dieses G e s c h a f f e n e n . G e n i e o h n e K u n s t , w ä r e L u f t o h n e B e s c h r ä n k u n g , K u n s t o h n e G e n i e w ä r e ein P u n k t o h n e alle D i m e n s i o n « ( F B A 6,416).103
D i e zahlreichen praktischen V o r s c h l ä g e ,
die A r n i m z u r F r a g e n a c h der G e s t a l t u n g des » L i c h t s « m i t H i l f e der » R e a lität« f o r m u l i e r t , lassen sich in drei P u n k t e n z u s a m m e n f a s s e n : 1.
S t o f f w a h l : Pointiert w i r d der K e r n seiner Ü b e r l e g u n g e n z u r S t o f f -
w a h l in einem Brief an B r e n t a n o ( A n f a n g M ä r z 1 8 1 4 ) f o r m u l i e r t : [ . . . ] so schreibt Göthe, daß er die Befreiung von Wesel für ganz aufführbar halte, aber er hätte es sich zum Grundsatz gemacht, alles auf dem Theater zu meiden, was die Zeit stoffartig ergreifen könnte. Wie viele menschliche Interessen kommen aber jezt wirklich nach ihrem Wesen zur Sprache, ich wüste nicht wozu die Menschen ins Theater gingen, wenn gar nichts ihren einzelnen Standpunkt, sondern alles nur die allgemeinsten Interessen der ganzen Menschheit, um die ich mich wenig kümmere, berührte. (Härtl I V , 1 5 0 ) N u n ist es g e w i ß nicht so, daß A r n i m das » A l l g e m e i n e « nie g e k ü m m e r t hätte, aber der G r u n d g e d a n k e ist deutlich: I n t e r e s s e e r w e c k u n g d u r c h die W a h l eines p u b l i k u m s n a h e n
S t o f f e s (der auch historisch sein
kann).
W i c h t i g ist alleine der B e z u g z u r zeitgenössischen L e b e n s s i t u a t i o n , u m » S c h w i e r i g k e i t e n f ü r die A l l g e m e i n v e r s t ä n d l i c h k e i t z u v e r m e i d e n « . 1 0 4 D i e F o r d e r u n g n a c h einer auf diese A r t u n d W e i s e erzielten Verständlichkeit w i r d gerade v o m K r i t i k e r u n d Publizisten A r n i m sehr h ä u f i g vertreten, u n d z w a r s o w o h l w a s die S t o f f w a h l im allgemeinen b e t r i f f t , 1 0 ' als auch der Phantasie mit einem Reiz vorschwebt, einen festen Boden in der Außenwelt zu suchen, wo das hätte möglich sein können« (Steig III, S. 249). Vgl. daneben auch den Text »Seltsame Verwunderungen« (AW 6, S. 73 jf.). Ricklefs schließt daraus, Arnim benutze das »Prinzip der Sage« (Ricklefs 1966, S. 29; vgl. Offermanns 1986, S. 1 2 1 ) als Teil eines Dichtungskonzepts, das »nicht mehr auf die Positivität des Gegebenen [ . . . ] verzichten kann« (Ricklefs 1966, S. 33). Es ist jedoch meines Erachtens wichtig, hier auf die andersgeartete Argumentation in den Rezensionen hinzuweisen. Arnim befindet sich im Grimm-Briefwechsel unter einem ständigen Rechtfertigungsdruck, die Gleichsetzung seines poetologischen Prinzips mit dem der »Mythen« entspringt wohl im wesentlichen der polemischen Situation und kann getrost als Provokation Jacobs gelesen werden. Von daher ist es an anderen Stellen auch weniger die »Positivität« als die rezeptionsorientierte Funktion der Realität, die Arnims Kunsttheorie an diesem Punkt in den Mittelpunkt rückt. Wir werden auf die Schwierigkeiten des Wirklichkeitsverständnisses bei Arnim unten noch ausführlicher eingehen. 103 Auch hier greift Arnim auf durchaus traditionelles poetologisches Denken zurück. Vgl. etwa Klopstocks »Beide«: »Stand der Genius je, ohne die Kunst, und sie,/ Ohn' ihn, jemals am Ziel?« (F.G. Klopstock, Werke in einem Band, hrsg. von K . A . Schleiden, München 1969, S. 130). ""> Rez. von Friedrich Schlegel, »Gedichte« (1810), S. 152 (AW 6, S. 308). '°5 Vgl. etwa die Kritik an A.W. Schlegels »Rom«-Elegie: »[...] solche Geschichtsauszüge
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hinsichtlich der k o n k r e t e n G e s t a l t u n g der Einzelheiten. D i e s zeigt sich z . B . in einem Vorschlag z u r G e s t a l t u n g von Allegorien in der bildenden Kunst: Die Allegorieen am Fußgestell [einer Statue; M.N.], [ . . . ] sind Allegorieen, wie es die meisten französischen sind, die in der Darstellung ganz unverständlich werden, weil diese Göttinnen b e y u n s und f ü r u n s nicht wirklich vorhanden, das heißt individuell bestimmt sind mit besondren Attributen, sondern ganz allgemein wie Frauen, oder wie Genien dargestellt werden müssen. Der Künstler halte doch ja die Kleidung für nichts Unbedeutendes, der Mensch ist mit seinem Leben an die Zeit gebunden, und nur die Nachwelt mag ihn davon befreyt erblicken. 106 D i e individuelle D a r s t e l l u n g berücksichtigt mit der E i n b e z i e h u n g der zeitgenössischen Realität die Zeitgebundenheit des Rezipienten. In ihr liegt die e b e n s o u n u m g ä n g l i c h e wie n o t w e n d i g e H i s t o r i z i t ä t des K u n s t werks als entäußernde Verzeitlichung des Überzeitlichen b e g r ü n d e t . A u c h aus produktionsästhetischer Sicht vermag A r n i m in der E i n b e z i e h u n g der konkreten L e b e n s w i r k l i c h k e i t des Künstlers in die K u n s t nur Vorteile zu sehen. S o lautet sein » R a t s c h l a g an j u n g e D i c h t e r « : Wie viele Bände leerer lyrischer Ergießungen sind entstanden von Menschen, die ihr ganzes Wesen in ein Paar Liedern erschöpft hatten. Dieses Bemühen an irgend eine liebgewordene Geschichte, episch oder dramatisch gewendet, sie darzustellen, hätte seine Eigenthümlichkeit endlich nach gethaner Arbeit daraus erhöhet, zurückgebracht. Manchem jungen Dichter fehlen freylich die Hülfsquellen; an der Geschichte seiner Zeit mag er am liebsten das Meiste vergessen, aus der Vorzeit kennt er nur die entseelenden Bücher, kritische Geschichten u.s.w. Ihn verweisen wir an Stadtgeschichten und Zeitungsnachrichten, ob ihn bei längerer Betrachtung einige dieser ergreifen; nicht darum, weil sie geschehen, sondern weil er darin das Unbekannte, Räthselhafte sich ausbilden möchte [.. ,]'° 7 Wieder sehen wir den G e d a n k e n der Verbindung von u r s p r ü n g l i c h e m D i c h t u n g s a k t und Realität. D i e E i n b e z i e h u n g der Realität in die D i c h -
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in Versen, bey aller sinnreichen und gelehrten Auswahl, wie in dieser und in der ersten Elegie, haben wenig Erfreuliches für uns, auch kommen einem die Ereignisse zu groß vor, als daß man in ihrer Aufzählung das eigene Leben daran knüpfen könnte« (Rez. von A.W. Schlegel, »Poetische Werke« ( 1 8 1 1 ) , S. 1 1 9 1 ; AW 6, S. 394). Rez. v. »Memorie enciclopedische Romane [...]« (1809), S. 191 (AW 6, S. 278). Zum kunsthistorischen Kontext vgl. Burwick 1989, S. 163. Vgl. in diesem Zusammenhang besonders die Rezension von Werners »Attila« (1810). Rez. von Rostorf, »Dichter Garten« (1809), S. 56 (AW 6, S. 264). Dies ist eine der raren Stellen, an denen Arnim in den Rezensionen auf den produktionsorientierten Aspekt seines >Realismus< zu sprechen kommt. Der produktionspsychologische Aspekt tritt aber auch hier hinter den funktional-pädagogischen zurück.
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t u n g geschieht gerade »nicht d a r u m , w e i l sie geschehen«, s o n d e r n i m R a h m e n des dualen W e r k b e g r i f f s . 1 0 8 D i e teilweise R ü c k n a h m e d e r g r u n d sätzlichen A b s a g e an die M i m e s i s vollzieht sich aus genau a b g e g r e n z t e n Gründen: In praktischer Hinsicht führt das Schönheitsprincip zur leeren Allgemeinheit, das Charakterprincip einzeln zur Carikatur. 1 0 ' 2.
M o t i v i e r u n g : A u c h die T h e a t e r k r i t i k e n A c h i m v o n A r n i m s w i d m e n
d e m P r o b l e m der R e z e p t i o n , der » W i r k u n g « v o n D i c h t u n g , b e s o n d e r e Aufmerksamkeit: Bewiesen ist es durch die Ausführung des Alarcos [Fr. Schlegels; M . N . ] auf der weimarschen Bühne, daß diese tragische Geschichte ihre in den alten Romanzen erwiesene Wirkung in der dramatischen Bearbeitung nicht verfehlt; nur fühlt es sich bald, daß der Verf. zu wenig auf die Ausführung Rücksicht genommen, und daß er nicht genug Meisterschaft über Sprache, Form und Stoff ausübt, um eine Menge Schwierigkeiten für die Allgemeinverständlichkeit zu vermeiden, die nicht beim Vorlesen, aber auf der Bühne stören. 1 1 0 K o n k r e t geht es A r n i m u m eine m ö g l i c h s t g r o ß e W i r k u n g d u r c h » A l l g e m e i n v e r s t ä n d l i c h k e i t « , die i m D r a m a d u r c h » W a h r h e i t « im Sinne v o n W a h r s c h e i n l i c h k e i t erzielt w i r d . In diesem P u n k t kritisiert er auch A . W . Schlegels » I o n « , w e n n er ihn mit der antiken V o r l a g e des E u r i p i d e s v e r gleicht:
IO
' Eine Anmerkung zum Epochenkontext: Die in der Forschung gerne postulierte Übergangsstellung Arnims »zwischen Romantik und Realismus« ist aus der Perspektive der kunsttheoretischen Konzeption in zweifacher Hinsicht zu präzisieren: Einen gewissen Übergang schafft sicherlich die Tatsache, daß Arnim und die jüngere Romantik überhaupt den Gedanken der Positivität an sich deutlich auf die Tagesordnung setzen (vgl. dazu l.i., dem Thema widmet sich auch: Ulfert Ricklefs, Objektive Poesie und Polarität Gesetz und Gnade: Brentanos >Die Gründung Prags< und Grillparzers >Libussa Ebd., S. 163. " 6 Ebd., S. 169.
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Diesen Gedanken bringt er nun in Verbindung mit der »getäuschten Täuschung« und sichert damit den Rang der aktiven, selbst poetischen Rezeption als Rezeption des überzeitlichen Gehalts, der »höheren Wahrheit« : So ist in Potsdam ein närrischer Kerl, der beim vorigen König in Bischofswerders Geistercitirereien mitgearbeitet hat und selbst den Geist zuweilen gemacht, und doch von dem Wunderlichen so ergriffen ist und behauptet, es sei dabei um Tod und Leben gegangen, es hätte zuweilen alles offengestanden: so täuschend und doch getäuscht und darum in der höchsten Wahrheit der Phantasie ist der Märchensinn der Kinder - und bis zum Höchsten das Wesen aller poetischen Erfindung, und durchaus aller Unterschied zwischen Kunst- und Naturpoesie ein bloßer Spaß, der selbst wieder aus dieser täuschend getäuschten Kraft hervorgegangen ist, und für die Phantasie eine Wahrheit haben kann, die in der Geschichte sich nirgends bekundet. (Steig III, 22}i.) Rezeptionstheorie und Produktionstheorie konvergieren also im zentralen Punkt. Arnims spezifisches Verständnis der Selbsttätigkeit des Rezipienten bildet damit auch - in Verbindung mit der Vorstellung des Werks als jeweils historischer Realisation des Uberzeitlichen — den Kern der Theorie einer substantiellen Deutung von Kunst durch Kunst: 1 9 7 [ . . . ] ich glaube es Euch nimmermehr, selbst wenn ihr es glaubt, daß die Kindermärchen von Euch so aufgeschrieben sind, wie Ihr sie empfangen habt, der bildende fortschaffende Trieb ist im Menschen gegen alle Vorsätze siegend und schlechterdings unaustilgbar. Gott schafft und der Mensch, sein Ebenbild, arbeitet an der Fortsetzung seines Werks. Der Faden wird nie abgeschnitten, aber es kommt notwendig immer eine andre Sorte Flachs zum Vorschein. Ich habe es in meiner Päpstin zweimal versucht das Fischermärchen von der Frau, die Papst und Gott wird, ganz wiederzuerzählen wie Runge, beide mal wars mir aber unmöglich, der Ton des Uebrigen theilte sich dieser Geschichte unwillkürlich in einzelnen Umständen mit [ . . . ] , und so soll es sein, denn jede Zeit und jeder Mensch hat sein Recht. (Steig III, 248f.) Es ist von hier aus folgerichtig, daß in Arnims theoretischen Überlegungen zur Kommunikation des Kunstwerks die Begriffe »Symbol« und » A l legorie« in ihrem auf Goethe zurückgehenden Verständnis kaum eine Rolle spielen.' 98 Weder das Symbol mit dem zugrundeliegenden Gedan1.7
1.8
Burwicks Versuch, diesen Zusammenhang auf das naturwissenschaftliche Denken zu beziehen (Burwick 1990, S. 106), vermag ich nicht zu folgen, er leidet auch etwas unter einem Mangel an schlagkräftigen Belegen. Vgl. dazu den bereits erwähnten Brief an G ö r res vom 14. April r 8 1 1 ; G B z, S. 1 9 5 - 1 9 9 , besonders S. 197. A r n i m scheint mit der geläufigen Unterscheidung zwischen Symbol und Allegorie vertraut gewesen zu sein (vgl. Exzerpte, S. 3 59, N r . 75). D e r Begriff des Symbols fällt in seinen Äußerungen sehr selten, den Begriff der Allegorie verwendet er, wie wir sahen, zur Bezeichnung der Wirklichkeit als (und nur als) Zeichen (vgl. besonders Steig I, S. 214).
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ken einer vollen Präsenz des Bezeichneten im Zeichen' 99 noch die vollständige Trennung von Zeichen und Bezeichnetem in der Allegorie sind seinem Werkverständnis kompatibel, das Präsenz, aber nicht vollständige und ungetrübte Präsenz im Kunstwerk unterstellt. Wir werden sehen, daß beide Begriffe bei Brentano und Eichendorff aus ähnlichen Gründen ihre >ursprüngliche< Bedeutung fast völlig verlieren. Das Verstehen gelungener Dichtung vollzieht sich somit außerhalb des diskursiv Sagbaren und ist selbst künstlerische Produktion im spezifisch Arnimschen Sinne. Dies ist jedoch nicht so unproblematisch, wie es zunächst scheinen mag, impliziert die mehr oder minder esoterische Kommunikationsstruktur doch, »daß die allgemein Bewunderten [hier: Shakespeare; M.N.] nicht eben die Verständlichsten sind« (ZfE, Sp. 100). Die Aufgabe, »für andere« zu schreiben, ist damit nur teilweise gelöst. Arnim selbst »kränkte es [ . . . ] gar sehr, daß die wenigen, die noch etwas von mir lesen mögen über Unverständlichkeit klagen« (an Clemens Brentano, 8.10.1807; Härtl IV, 126).200 Dies hat seinen Grund nicht zuletzt darin, daß seine Theorie, in deutlicher Fortführung der Tradition der Aufklärung, neben einer esoterischen auch eine exoterisch-didaktische Dimension der Kunst postuliert. Die im »Lebensplan« apostrophierte »Aufopferung« (Steig I, 38) des Künstlers steht augenscheinlich in engem Zusammenhang mit dem Auftrag zur Didaxe. So heißt es über die »Kirchenordnung«, daß dort » . . . manches Schwererrungene in Ansichten [ . . . ] gar leicht und bequem der Welt mitgetheilt ist« (Steig III, 507), und über die »Metamorphosen der Gesellschaft«, sie seien » . . . ein Opfer, was ich der Wahrheit meiner Erfahrung brachte, kein Wort darin ist leichtsinnig hingeschrieben oder ohne Durchsicht geblieben [...]« (Steig III, 564). Diese Erzählungen gehören zu den am stärksten zeitkritischen Dichtungen Arnims und verraten deutlich eine lehrhafte Wirkungsabsicht. Beides wird bei Arnim zusammengedacht, wenn er z.B. den Roman (d.h. den »Wilhelm Meister«) als »das wichtigste, fast einzige nationale Erziehungsbuch der Deutschen« 201 charakterisiert. Dagegen kri-
200
201
Vgl. B . A . Sörensen, Symbol und Symbolismus in den ästhetischen Theorien des 18. Jahrhunderts und der deutschen Romantik, Kopenhagen 1965, S. 109. Vgl. etwa auch Steig I, S. 73. Andererseits konnte Arnim — zumindest gegenüber Bettine in diesem Punkt auch mehr Selbstbewußtsein zeigen: »Was ich Poesie nenne, die braucht keine Erläuterung, und es schadet gar nichts, ob man darin manches Einzelne nicht versteht« (Steig II, S. 243). Rez. von Wagner, »Willibalds Ansichten des Lebens« u.a. (1809), S. 169 (AW 6, S. 266). Politische Wirkung wollte natürlich auch schon der junge Arnim erzielen, und dies nicht etwa nur in Lokalangelegenheiten: »Wären die deutschen Völker in einem einigen Geiste verbunden, sie bedürften dieser gedruckten Sammlungen nicht, die mündliche Ueberlie-
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tisiert er die »Wahlverwandtschaften« aufgrund ihrer ethisch-didaktischen Mängel: Ich glaube, wir lassen uns begnügen, daß die Wahlverwandtschaften einen Theil Deutsches, ich meine deutscher Gemüther, denn sonst ist in den Darstellungen nichts Deutsches, darstellen, w i r wollen es solchen in die Hände geben, die in dem Kreise der Sittlichkeit gesichert in Büchern weder Antrieb zum G u ten, noch Schrecken gegen das Böse suchen. A n d r e wird es natürlich kränken, daß er Menschen so mit Bewußtseyn doch ohne Schuld keinen andern A u s w e g aus der Langeweile (im Schlosse) läst, als durch Unsittlichkeit. 2 0 2
Während die Kommunikation als produktive Rezeption eher in esoterischen Bahnen verläuft und zu keiner diskursiven Aussage gelangt, ist die didaktische Bedeutungsdimension auf exoterische Klarheit und eine eindeutig fixierbare Lehre hin angelegt. Arnim greift damit innerhalb seines theoretischen Konzepts abermals auf ältere Positionen zurück, seine Vorstellungen nehmen aber in gewisser Hinsicht auch Tendenzen vormärzlicher »Zweckästhetik« 203 vorweg. In den Auffassungen zur Kommunikation des Kunstwerks reflektiert sich wiederum der für sein ganzes kunsttheoretisches Denken zentrale Werkbegriff. Die esoterische Kommunikationsform ist dem überzeitlichen Gehalt zugeordnet, während die exoterische der zeitlichen »Form« korrespondiert. Arnim begreift beide Bedeutungs- und Kommunikationswege analog zum Werkbegriff als Komplemente. Exoterisch politisch-ethische und esoterisch sich selbst entwickelnde Dichtung stehen (theoretisch!) nicht im Widerspruch. Arnim betont dies gerade für die »Kronenwächter«, wenn er - gegenüber Wilhelm Grimm - einerseits von der »lebenden Naturkraft« spricht, die, »bei einem sehr festen Plane, auch
202
203
ferung machte sie überflüssig« (Aufforderung zur Mitarbeit am Wunderhorn, in: Der Reichs-Anzeiger 1805, 2.Band, Sp. 4305—4306). Vgl. auch die entsprechenden politischpädagogischen Vorstellungen im »Lebensplan« (Beutler, S. 386f.), denen sich Brentano wenigstens zeitweise anschloß (vgl. Dennerle 1977, S. J4f.). Den Gedanken einer diesbezüglichen Verantwortung der Kunst erhält Arnim noch im Alter aufrecht, etwa in der Rezension von Houwalds »Seeräubern« (1830), S. 1441 (AW 6, S. 1052). F D H HS-B44, S. 2f.; zit. nach Wingertszahn 1990, S. 460. Es handelt sich hier wohl um eine Notiz zu einer geplanten Rezension der »Wahlverwandtschaften« (vgl. Steig II, S.383). In diesem Zusammenhang sei auf das Spätwerk Clemens Brentanos verwiesen, das, nach Wolfgang Frühwald, vom Autor »bewußt in einen von Zweckästhetik bestimmten, journalistisch-öffentlichen und einen von Autonomieästhetik bestimmten, esoterischen Teil« aufgespalten wird (W.F., Gedichte in der Isolation. Romantische Lyrik am Ubergang von der Autonomie zur Zweckästhetik, in: K . Peter (Hrsg.), Romantikforschung seit 1945, Königstein/Ts. 1980, S. 2 6 5 - 2 7 9 (zuerst 1972), hier S. 276). Frühwald führt die »Werkspaltung« auf die »Krise der Kunstautonomie« bzw. den »Interessenwandel des Lesepublikums« (S. 276) nach 1 8 1 5 zurück.
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den eigensinnigsten Poeten zu etwas ganz Anderm treibt, als was er selbst vermuthete . . . « (Steig III, 402), andererseits aber feststellt: »Das Politische des Buchs ist nicht so leicht von der Oberfläche geschöpft« (ebd.). Die Kommunikation des Kunstwerks vollzieht sich als Doppelstruktur aus exoterischer und esoterischer Bedeutung. Es scheint, als habe Arnim diese Doppelstruktur bereits im »Hollin« - »ein Roman und zwar mit Tendenz« (Beutler, 377) — intendiert und, im eigenen »Urtheil«, letztlich doch verfehlt, wenn er schreibt: »An dem Roman habe ich Talent verschwendet wie ein Weber, der künstlich ein changent Taft aus verschiedenem Aufzuge und Einschlage gemacht, aber es so hinlegt, daß es nur von einer Seite, also nur in einer Farbe gesehen werden kann« (Steig I, 52).204 Brentanos »Poetik der Transsubstantiation« unterscheidet sich deutlich von Arnims Werkauffassung und mündet folgerichtig auch in ein anderes Konzept der Kommunikation des Kunstwerks. Gabriele Brandstetter kommt in ihrer Untersuchung der Lyrik und einiger (eher verschlüsselter) Briefstellen zu dem Ergebnis, daß Brentano »die Idee von einem Zeichen, das nicht nur verweisend, das Bezeichnete repräsentierend ist«, sondern »[...] zugleich ganz Zeichen und ganz Körper« und damit eine »physische Offenbarung [ . . . ] zu entwerfen und zu verwirklichen sucht«. 20 ' Der Abstand dieser Vorstellungen zum goethezeitlichen Begriff der Kommunikation des naturanalogen Kunstwerks ist unübersehbar, es handelt sich ganz »zweifellos [um] eine mystische Zeichentheorie«.206 Man kann hier überhaupt nur noch schlecht von einer »Wechselbeziehung der Kommunikation« sprechen, Brentano strebt vielmehr »Beziehungen der Vereinigung und der Identität«207 an. Auch in Brentanos »Poetik der Transsubstantiation« konvergieren letztlich Produktions-, Werk- und Rezeptionstheorie, jedoch in charakteristisch anderer Weise als bei Arnim. Der Gedanke einer aktiven Rezeption erscheint zwar gelegentlich in Brentanos Äußerungen, 208 er stellt ihn aber nicht in der Weise in das Zentrum seiner Überlegungen, wie dies bei Arnim der Fall ist. Daneben greift er zur Beschreibung der Wirkung des Kunstwerks mitunter auf das alte 204
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207 208
Beutler, S. 400 hat als Lesart: changent Taft] ganzes Taft. Ricklefs' Interpretation der Stelle als Hinweis auf den Unterschied von »Handlungsvehikel und Bedeutungsebenen« (Ricklefs 1990, S. 14) greift meines Erachtens zu kurz. Brandstetter 1986, S. 2o8f. Ebd., S. 208. Brandstetter bringt Brentanos Vorstellungen auf den Begriff des »metabolisch verstandenen Sprachzeichens der Poesie« (S. 239). Ebd. S. 239. Vgl. etwa den Eingang der »Verschiedenen Empfindungen vor einer Seelandschaft worauf ein Kapuziner« (Werke 2, S. 1034) sowie Dennerle 1977, S. 79.
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Bild vom » [ . . . ] Blitz« zurück, der » [ . . . ] die G r u b e vor den Füßen und den hoffnungsvollen H i m m e l erleuchte [ . . . ] « ( S I , 294). 209 W i r werden auf diese Kommunikationsform im Kontext der Theorie Eichendorffs noch genauer einzugehen haben. Darüber hinaus äußert sich Brentano an einigen Stellen recht grundsätzlich zum S y m b o l (und zur Allegorie) und stellt in diesem Z u s a m m e n hang nun den Gedanken des Organischen ganz in den Vordergrund. Ich denke jedoch, daß es sich eher um eine metaphorische Verwendung der organologischen Begrifflichkeit handelt als um die Übernahme des organischen Werk- und Kunstgedankens. Hierzu wenigstens einige hypothetische A n m e r k u n g e n : Brentano bemüht ebenfalls den Topos der Unsagbarkeit, wenn er im ersten Brief an Runge davon spricht, daß das S y m b o l dort »eintritt«, » w o die Gestalt unaussprechlich ist, [ . . . ] w o die Gestalt blüht oder tönt« (S II, 10). D a s Eigentliche der Dichtung ist an sich unsagbar, 210 das S y m b o l , die »Arabeske« 2 1 ' oder auch die »Hieroglyphe« sind sein esoterisches Zeichen und damit Teil einer »tiefsinnigen Bildersprache« (Werke 2, 1039), die sich »am Rande« versteht, »sollte es sich im Innern selbst gleich nicht immer verstehen;« (Werke 2, i039f.). Es handelt sich nicht um eine auflösbare Bedeutungsstruktur, sondern um eine »tiefe [ . . . ] Bedeutsamkeit« ( S i l , 5). D i e Betonung der »Tiefe« und die organologische Metaphorik scheinen darauf zu verweisen, daß sich Brentano hier im Rahmen des klassischen goethezeitlichen Konzepts des »bedeutenden natürlichen 209
Zur Tradition der Blitz-Metapher als Bezeichnung eines »Punkts besonders privilegierter Erkenntnis« vgl. Brunemeier 1983, S. 101. 2,0 Vgl. etwa folgende Äußerungen des späten Brentano über die »Romanzen vom Rosenkranz« (an Marianne von Willemer ca. 1835): »Ich habe sie nie seitdem gelesen und habe nur eine allgemeine Empfindung davon, daß ich etwas Unaussprechliches was mich quälte, vergebens darin gern ausgesprochen hätte, aber es ist unmöglich geblieben und ich ließ die Arbeit fallen. Das Wesentliche ist in Gott, in Jesu, in seiner Kirche heilig, würdig und zu ergreifen erlaubt, im gefallenen Menschen sind nur die Nebensachen noch so, so, die Hauptsache aber ist abscheulich« (DüD, S. 165^). ' " Brentanos Feststellung im Nachruf auf Runge, daß »die Arabeske eine Hieroglyphe ist« (Werke 2, S. 1039) bezieht sich wohl auf Görres' Rezension der »Zeiten«. Görres weist dort den Begriff der Arabeske (die »in dem freien Spiele allein Bedeutung sucht, und wie der Witz tieferen Sinn verschmäht« (GAW 1, S. 218) für die Bilder Runges zurück und führt stattdessen den der »Hieroglyphik der Kunst«; GAW 1, S.218) ein. Andererseits scheint es mir dennoch fraglich, ob Brentanos Begriff der Arabeske mit demjenigen Friedrich Schlegels wirklich völlig gleichzusetzen ist (so Frühwald 1962, S. 13 7; vgl. dazu Hartwig Schultz, Der Umgang der Brentano Geschwister (Clemens und Bettine) mit der frühromantischen Philosophie, in: Früher Idealismus und Frühromantik. Der Streit um die Grundlagen der Ästhetik (179 5 - 1 8 0 5), hrsg. von Walter Jaeschke und Helmut Holzhey, Hamburg 1990 (= Philosophisch-literarische Streitsachen Bd. 1), S. 241-260, besonders S. 248ff.).
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Z e i c h e n s « 2 1 2 b e w e g t . D e m g e g e n ü b e r ließe sich die T h e s e v e r t r e t e n , d a ß B r e n t a n o die o r g a n o l o g i s c h e M e t a p h o r i k l e d i g l i c h adaptiert, u m v o r all e m sein i m K e r n t h e o l o g i s c h v e r s t a n d e n e s K o n z e p t d e r V e r w a n d l u n g i m zeitgenössischen D i s k u r s zu explizieren. D i e Rätselhaftigkeit des K u n s t w e r k s b e g r ü n d e t sich l e t z t l i c h n i c h t in d e r N a t u r h o m o l o g i e des W e r k s , s o n d e r n , w i e bei A r n i m s » W i r k u n g d e r S c h r i f t « als » W u n d e r « , in d e r Inkommensurabilität des transzendenten U r s p r u n g s . D e r G e d a n k e d e r V e r w a n d l u n g steht a u c h g a n z i m Z e n t r u m v o n B r e n t a n o s A b g r e n z u n g d e s S y m b o l s v o n d e r A l l e g o r i e in d e m A u f s a t z » E r k l ä r u n g d e r S i n n b i l d e r auf d e m U m s c h l a g e dieser Z e i t s c h r i f t « (des » H e s p e rus«): Das S y m b o l soll nur ein W i n k sein, der sich zugleich wieder selbst deutet, es ist gewissermaßen eine vor unsern Augen vorgehende Metamorphose der Sache in ein Bild ihres Sinnes. E s liegt eine Bewegung, ein Werden in dem Symbol, kein Nachmachen, Vorstellenwollen, keine handelnde Abspiegelung, welche letztere Eigenschaften mehr der Allegorie, die etwas Dramatisches hat, zugehören, so wie in dem Symbol mehr des [sie!] Epische vorherrscht: W i e die Sonnenblume aus dem Samenkorn hervorkeimt und immer das zweite Glied derselben aus dem ersten sich empor metamorphosierend dieses in höherer Entfaltung bedeutet, und wie sie endlich mit der Blüte dieser brennenden Pflanzensonne wie mit einem glühenden A u g e die Sonne, die sie bedeuten will, sehnsüchtig anschaut, so auch muß das S y m b o l ideal gewachsen sein und blühen, nicht aber real zusammengeknüpft. (Werke 2, i o j i f . ) 2 1 3 N e b e n d e m A s p e k t d e r V e r w a n d l u n g k ö n n t e B r e n t a n o die N a t u r a u c h als B i l d s p e n d e r z u r B e z e i c h n u n g einer a b s i c h t l o s e n P r o d u k t i o n interessiert h a b e n . D i e s l e g t j e d e n f a l l s f o l g e n d e Stelle a u s einer T h e a t e r r e z e n s i o n nahe:
2,2
Brunemeier 1983, S. 73. Sein »klassisches« Gestaltungsideal korrespondiert natürlich in gewisser Hinsicht der goethezeitlichen Forderung nach Klarheit und Tiefe. Vgl. dazu etwa sein Lob für »Halle und Jerusalem«: » [ . . . ] überhaupt ich kenne keine moderne Arbeit seit Goethe, worin ein so lebendiger Tummelplatz der Phantasie, ein so hinreißender Wandel und Strom der Begebenheiten in ganz verständlicher menschlicher gesprochener Sprache, und zugleich eine so schöne tiefe poetische Seele erscheint;« (SI, S. 422f.). Man sollte natürlich bedenken, daß Brentano hier versucht, den Verleger Zimmer für Arnims Stück zu interessieren. 21 ' Horst Meixners Interpretation des Hesperus-Aufsatzes zieht die Gültigkeit der organologischen Metaphorik zwar nicht in Zweifel, verweist aber ebenfalls darauf, daß hier »die Artikulation der Zeit eine entscheidende Rolle« spielt (H.M., Denkstein und Bildersaal in Clemens Brentanos »Godwi«. Ein Beitrag zur romantischen Allegorie, in: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft 1 1 (1967), S. 4 3 5 - 4 6 8 , hier S. 439). Vgl. dazu auch Dennerle 1977, S. i o i f f . 92
[ . . . ] lassen Sie uns einmal in die Wildnis gehen und sehen, was sie ohne alle menschliche Absicht uns im Zusammenhange leistet. Lassen Sie uns sehen, wie unendlich mehr poetische Kunst uns das freie Zusammenstreben ihrer scheinbaren Willkür gewährt als die Absicht der Menschen; denn wie die Würfel der N a t u r zufällig fallen, immer ist es ein hohes Kunstwerk für den Verstehenden, für den Nichtverstehenden ist es eines, ohne daß er es weiß . . . (Werke 2, I072f.)
Weshalb denn »auch [...] das Symbol ideal gewachsen sein und blühen« muß, »nicht aber real zusammengeknüpft« (Werke 2, 1052) sein darf. Der Verdacht, daß Brentanos Ausführungen zum Symbol keine konsistente organische Konzeption zugrundeliegt, wird darüber hinaus durch die Tatsache bestärkt, daß die Rede von Symbol und Allegorie im Aufsatz »Erklärung der Sinnbilder [...]« keineswegs widerspruchsfrei ist. Die Abgrenzung vom Symbol schreibt der Allegorie nicht gerade schmeichelhafte Eigenschaften wie »Nachmachen« und »Vorstellenwollen« (Werke 2, 1051) zu. Der Beginn des Aufsatzes situiert hingegen die gelungene Allegorie zwischen den »Extremen« der »Abgedroschenheit, und ihrem Gegenteil«, der »Ubersinnlichkeit«, zwischen »abgeschmacktem Plattsinn« und »übersinnlichem Tiefsinn« (Werke 2, 1046) und verpflichtet sie auf einen betonten »Sinn« (ebd.). Umgekehrt bezieht sich die zitierte Symboldefinition eigentlich auf eine recht traditionelle Allegorie, den »geflügelten Merkurstab« als »Symbol des handelnden Weltverkehrs« (Werke 2, 1051), der in der Darstellung »auf dem Umschlage dieser Zeitschrift« aus einer Weinrebe hervorgeht.2'4 Daneben verwendet Brentano den Begriff der »Metamorphose«, um die Verwandlung der »Sache in ein Bild ihres Sinnes« zu beschreiben, begründet aber die Zeichenhaftigkeit selbst mit der mangelnden Präsenz des Symbolisierten. Dies drückt das Bild der »Sonnenblume« aus, die »die Sonne, die sie bedeuten will, sehnsüchtig [!] anschaut« (Werke 2, 1052). Ahnlich unklar in der Verwendung der Begriffe ist letztlich auch der Runge-Brief. Die Aufgabe der erbetenen Illustrationen hätte es sein sollen, die Empfindungen zu »allegorisieren«, die Runge an den Stellen des
2I
'' Vgl. Meixner 1967, S. 439: »Gerade unter dem Begriff der Metamorphose läßt Brentano selber die Allegorie ins Symbol übergehen«. Meixners Interpretation des Aufsatzes muß letztlich aber genauso wie meine Überlegungen auf Vermutungen zurückgreifen (vgl. S. 439^). Das Ergebnis all dieser Bemühungen formuliert Wolfgang Frühwald: »Brentano gebraucht, so weit ich sehe, >allegorischsymbolisch< und >hieroglyphisch< synonym« (Frühwald 1977, S. 297).
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Gedichts hat, w o »die Gestalt unaussprechlich ist, und w o das Symbol eintritt, w o die Gestalt blüht oder tönt.« (Sil, 10). Liest man dieser Äußerung allerdings im Lichte von Arnims Konzept der doppelten Kommunikationsweise des Kunstwerks, so hätte die Verwendung der Begriffe eine gewisse Plausibilität. Ziel des >intertextuellen< Verfahrens wäre es dann gewesen, der esoterischen Dimension des Werks eine exoterische hinzuzufügen. 215 Eichendorff grenzt die Kommunikation des Eigentlichen ebenfalls hier mit dem Begriff der Schönheit - von jeder diskursiven Explikation ab. Zentralgedanke ist dabei immer, daß der Gehalt »blitzartig« ( E III, 646), d.h. im Ganzen und zugleich übermittelt wird: Aber die rechte Poesie fängt niemals damit an, für einen im voraus normierten und zu gelegentlichem Gebrauche in Bereitschaft gehaltenen Gedanken willkürlich erst den passenden Stoff zu suchen; ihr erster und letzter Zweck ist nicht die Konstruktion der Idee, sondern die Schönheit, die immer schon von selbst ideal ist. Sie sieht und gibt in unmittelbarer Anschauung die Idee gleich im fertigen Bilde, wie die Blume den Duft, das Auge die Seele, oder wie eine schöne Gegend ihre angeborene geistige Signatur, deren Deutung unbekümmert der Kritik des Reisenden überlassend. (E III, 351) 2 1 6 Die Kommunikation des Eigentlichen vollzieht sich also zusammengefaßt und konzentriert »gleich im fertigen Bilde«. Darin liegt auch die Qualität des Volksliedes: Von der Kunstlyrik [ . . . ] unterscheidet es sich durch das Unmittelbare und scheinbar Unzusammenhängende, womit es die empfangene Empfindung weder erklärt noch betrachtet oder schildernd ausschmückt, sondern sprunghaft und blitzartig, wie sie es erhalten, wiedergibt, und gleichsam im Fluge plötzlich und ohne Übergang, wo man es am wenigsten gedacht, die wunderbarsten Aussichten eröffnet. (E III, 646) Eichendorff vertritt beinahe ausschließlich das Konzept einer »blitzartigen« Kommunikation, während die Idee des produktiven Verstehens kaum Berücksichtigung findet. Es ist allerdings bemerkenswert, daß er gerade in seiner Würdigung Arnims auf ein derartiges Kommunikationskonzept zu sprechen kommt: Kein Dichter gibt einen fertigen Himmel; er stellt nur die Himmelsleiter auf von der schönen Erde. Wer, zu träge und unlustig, nicht den Mut verspürt, die losen, goldenen Sprossen zu besteigen, dem bleibt der geheimnisvolle Buchstabe doch ewig tot, und ein Leser, der nicht selber mit und über dem Buche
216
Zu Esoterik und Exoterik im Werk des späten Brentano vgl. Frühwald 1980. Die Deutung der Geschichte geschieht bei Eichendorff ebenfalls durch »überirdische Schlaglichter« (E III, S. 543) und »in blitzartiger Beleuchtung« (E III, S. 684).
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nachzudichten vermag, täte besser, an ein löbliches Handwerk zu gehn, als so mit müßigem Lesen seine Zeit zu verderben. (E III, y^6f.)217 Andererseits betont er aber gerade hier wiederum stärker als Arnim, daß sich die Zeichenhaftigkeit des Kunstwerks in der nur eingeschränkten Präsenz des Überzeitlichen im medialen Kunstwerk begründet. Dessen paradoxe Struktur als »irdische Verhüllung« und Zeichen zugleich führt dazu, daß er die Begriffe »Symbol« und »Allegorie« mitunter synonym verwendet. [ . . . ] im Grunde geht alle Poesie auf nichts geringeres als auf das Ewige, das Unvergängliche und absolut Schöne, das wir hienieden beständig ersehnen und nirgends erblicken. Dieses aber ist [ . . . ] an sich undarstellbar und kann nur sinnbildlich, das ist in irdischer Verhüllung und durch diese gleichsam hindurchschimmernd, zur Erscheinung gebracht werden. Alle echte Poesie ist daher schon ihrer Natur nach eigentlich symbolisch oder, mit andern Worten, eine Allegorie im weitesten Sinne. (E III, 418) 218 Dort, wo er das Symbol dezidiert einführt, macht er deutlich, daß er es nicht als naturanaloges, sondern als metaphysisch-esoterisches Zeichen versteht: Alle Religion ist, weil unergründlich, wesentlich zugleich auch mystisch; die Mystik aber kann nicht unmittelbar in Begriffen, sie kann nur in Anschauungen, also nur symbolisch und bildlich zu uns reden; und es wäre daher töricht, ja frevelhaft, der Kirche das Bild und der Wahrheit der Religion ihre Schönheit rauben zu wollen. (E III, 607) Den Begriff des »Mystischen« führt Eichendorff konsequenterweise gerade gegen Goethe ins Feld, der es aufgrund seines rein immanenten (organischen) Poesieverständnisses nur bis zur »natürlichen Symbolik« bringt: Goethes Poesie [ . . . ] gibt alles, was die Natur Köstliches geben kann: plastische Vollendung und sinnliche Genüge, aber sie gibt auch nicht mehr. Ihre Harmonie ist ihre Schönheit, die Schönheit ihre Religion; so wächst sie unbekümmert in steigender Metamorphose bis zur natürlichen Symbolik des Höchsten, vor dem sie scheu verstummt. Die Natur mit ihren mannigfachen Gebilden war ihm die ganze Offenbarung und der Dichter nur der Spiegel dieser Weltseele. Allein die Natur ist in ihrem Wesen auch mystisch, als ein verhülltes Ringen
" 7 Die Passage Reflexionen Schriften. 218 An anderer z . B . in den
ist eine von mehreren Übernahmen nur geringfügig veränderter ästhetischer aus »Ahnung und Gegenwart« (vgl. E II, S. 94) in die literaturhistorischen Stelle spricht Eichendorff von der »mystisch-allegorischen Symbolik [ . . . ] Gedichten von König Artus' Tafelrunde und dem Heiligen Gral« (E III,
S- 535)95
nach dem Unsichtbaren über ihr. Das fühlte er, wie er sich auch sträubte, und so beschloß er, wie die Natur ihr Tagewerk mit Symbolik, so das seinige im zweiten Teil des »Faust« mit einer unzulänglichen Allegorie der Kirche. ( E III, 3 2 5 ) 2 1 9 N i c h t die N a t u r a n a l o g i e steht i m Z e n t r u m der Ü b e r l e g u n g e n z u r B e d e u t u n g s k o n s t i t u t i o n , s o n d e r n die N a t u r w i e W e r k g e m e i n s a m e B e z o g e n h e i t auf die T r a n s z e n d e n z . F o l g l i c h b e g r ü n d e t E i c h e n d o r f f auch die R ä t s e l haftigkeit des K u n s t w e r k s n i c h t mit der strukturellen A n a l o g i e z u r N a tur, s o n d e r n g e s c h i c h t s p h i l o s o p h i s c h : Die alten Mythologien waren, bis auf einige vorgreifende Ahnungen und Lichtblicke, wesentlich auf das Diesseits beschränkt, ihre Götter waren potenzierte Menschen oder Naturkräfte. Daher ist auch die alte Poesie, als der Reflex dieser religiösen Anschauungen, im Homer wie in den altdeutschen Heldenliedern, sinnlich, klar und rein menschlich. Als aber das Christentum das irdische Dasein in geheimnisvollen Rapport mit dem Jenseits gesetzt und jene zerstreuten Ahnungen als vorzugsweise berechtigt in einen leuchtenden Brennpunkt zusammengefaßt hatte, so entstand auch sofort eine entsprechende Poesie des Unendlichen, die das Irdische nur als Vorbereitung und Symbol des Ewigen darzustellen suchte. Diese christliche Poesie ist daher übersinnlich, wunderbar, mystisch, symbolisch; und das ist eben der unterscheidende Charakter des R o mantischen. ( E III, 558) Eichendorffs
geschichtsphilosophische
Begründung
der
S y m b o l i k « m o d e r n e r K u n s t als » H i e r o g l y p h e n s c h r i f t «
220
»mystischen
( E III,
543)220
Zur Abgrenzung von Eichendorffs Begriff der »organischen Symbolik«, die er bei Calderon beispielhaft verwirklicht findet, vom Symbolbegriff Goethes vgl. Ansgar Hillach, Dramatische Theologie und christliche Romantik. Zur geschichtlichen Differenz von calderonischer Allegorik und Eichendorffscher Emblematik, in: G R M N.F. 27 (1977), S. 1 4 4 - 1 6 8 , besonders S. 159. Eichendorffs Verwendung dieses Begriffs in den literaturhistorischen Schriften unterscheidet sich damit von derjenigen Creuzers, für den sich die Rätselhaftigkeit der Hieroglyphe darin begründet, daß man »den Schlüssel verloren [hat], den man im Unterricht der Mysterien empfing« (Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen, 4 Bde., Leipzig/Darmstadt 1 8 1 0 - 1 8 1 2 , Bd. 1, S. 80; zit. nach Brunemeier 1983, S. 20if.; vgl. dazu ebd. S. 109). Der junge Eichendorff scheint dem Denken Creuzers näher zu stehen, wenn er etwa an Loeben (27.12.1812) über ein »Bild« von Dürer (wohl die »Melancholia I«) schreibt, dort erblicke »[...] man hin und wieder auf dem Boden Zeichen und Hieroglyphen, deren Bedeutung niemand mehr enträtseln kann« (Loeben, S. 58). Insofern hat Köhnke nur bedingt recht, wenn er meint, die Metapher von der »Hieroglyphenschrift« bezeichne bei Eichendorff »ein prinzipiell lösbares, faktisch jedoch, zumindest in der Gegenwart, ungelöstes Rätsel« (Köhnke 1986, S. 30; zur weiteren Forschung zu diesem Thema bei Eichendorff vgl. ebd. Anm. 38). Brentano scheint für dieses Verständnis des Begriffs der »Hieroglyphe« nur Spott übrig gehabt zu haben: »In Regensburg an einem zugemauerten Tor der alten Jakobskirche sind so wunderbare hieroglyphische Arabesken, daß wenn ihre Abbildung einer Akademie vorgelegt würde, die in der Stadt selbst säße, sie Erklärungen aus Ägypten dazu herholen würde« (S II, S. 15). Vgl. daneben Lieselotte Dieckmanns knappen Uberblick
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kennt selbstverständlich keine sentimentalische Sehnsucht nach der Klarheit antiker Immanenz. Das »Ewige« ist das »Bedeutende« (EIII, 543), seine Bedeutung aber ist, aufgrund seiner - in der Wende zum Christentum quasi >entdeckten< - Transzendenz, rätselhaft, seine adäquate Darstellung das mystische Symbol. Eichendorff stellt damit in das Zentrum seiner theoretischen Gedanken zur Kommunikation des Kunstwerks eine esoterische Bedeutungsdimension, die dem überzeitlichen Gehalt korrespondiert und für die er den Begriff des Symbols adaptiert. Die reine Allegorie und den Gedanken einer explizit didaktischen Bedeutungsdimension der Kunst lehnt er hingegen als »Übergang vom Wunderbaren zum Praktischen« (E III, 661) vehement ab. Es ist jedoch wichtig, zu sehen, daß Eichendorff seine Gegnerschaft im Hinblick auf die zweckästhetischen Tendenzen des Vormärz formuliert. Das Vordringen der Allegorie ist ihm Zeichen einer »ermattenden poetischen Produktionskraft« (E III, 602) und des Eindringens einer einseitig verstandesorientierten philosophisch-moralisierenden Kunstauffassung, die er auch am alten Goethe kritisiert (vgl. E III, 601). Er verwahrt sich zwar mit seiner Ablehnung der Allegorie gegen jede Art von »modern didaktischer Poesie« (E III, 660), vor der Arnim keine Berührungsängste hat, insistiert jedoch auf einer ethisch-didaktischen Dimension der Kunst. 221 In diesem Sinne lobt er etwa Shakespeares »ethische Gabe, überall nur mit dem Hohen, wo und wie es sich äußere, zu sympathisieren und das Gemeine zu hassen [...]« (E III, 425), aber auch Brentanos »moralische Kraft« (EIII, 492), in der »Gründung Prags« aus dem »Dämonischen der heidnischen Vorzeit [ . . . ] das christliche Prinzip wie eine Morgenröte aufsteigen« (EIII, 492) zu lassen, und dekretiert für Arnim kurz und bündig: »Die Kraft seiner Dichtung überhaupt ist ihr ethisches Element« (E III, 791), wobei er besonders den »tiefen, sittlichen Ernst« (E III, 792) der »Gräfin Dolores« hervorhebt. Anders als Arnim ordnet er dem aber keine eigene Kommunikationsform zu. An die Stelle der Doppelstruktur von esoterischer und exoterischer Bedeutungsentfaltung tritt eine »geheimnisvolle Doppelnatur« (E III, 907) von »Poesie und Religion [ . . . ] denn die wahre Poesie ist durchaus religiös und die Religion poetisch« (E III, 907), woraus sich zwangsläufig ergibt, daß die »Aufgabe« der Poesie »zur guten Hälfte eine ethische« (E III, 750) war und ist.
zur romantischen Verwendung des Begriffs (L.D., The Metaphor of Hieroglyphics in German Romanticism, in: Comparative Literature 7 (1955), S. 3 0 6 - 3 1 2 ) . Vgl. dazu auch Naumann 1979, S. 33—37-
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2. A r n i m s Kunsttheorie und die frühromantische Ästhetik
Das zentrale Bindeglied zwischen älterer und jüngerer Romantik ist sicherlich die Tatsache, daß beide mit einer bislang nicht gekannten Radikalität darauf bestehen, daß Kunst und Literatur ihre Aufgabe und ihren adäquaten Gegenstand im »Höchsten und Heiligsten«222 finden. Aber schon bei der näheren Bestimmung dieses >Gegenstandes< werden die ersten Differenzen sichtbar. Wo die jüngere Romantik ein deutlich theologisches und bisweilen mystisches Verständnis zeigt, steht in der älteren Romantik - der theologisch-mystische Metaphorik allerdings auch nicht fremd ist - ein philosophischer Begriff; das Absolute. 223 Die Ästhetik der Frühromantik erwächst aus einer transzendentalphilosophischen Fragestellung; die Frage nach dem Absoluten ist diejenige nach dem »Wahrheitsgrund«, dem »Einheitsgrund«224 des Subjekts. Knapp gesagt, geht es der Frühromantik im Gegensatz zu ihren Nachfolgern nicht um die Vermittlung einer traditionell-theologisch verstandenen Transzendenz, sondern um die Beschäftigung mit einem »innerweltlich Absoluten«.225 Ihre Kunsttheorie ist eine »Ästhetik nicht bloß neben, sondern inmitten der Philosophie, geradezu als deren Krönungf.. .]«,226 ihre Grundthese »kein Stück Gedanken-Poesie, sondern das Werk gediegener und harter philosophischer Spekulation«.227 Gleiches wird man für die jüngere Romantik kaum behaupten können. Arnim dürfte von unseren drei Autoren noch die gründlichsten philosophischen Kenntnisse gehabt haben, seine Äußerungen zu den aktuellen ästhetischen und philosophischen Fragestellungen um 1800 sind jedoch von einer bemerkenswerten Ignoranz geprägt, die ihre Wurzel natürlich »Einige Worte über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung im August 1 8 1 7 « , S. 66. " J Vgl. Armand Nivelle, Frühromantische Dichtungstheorie, Berlin 1970, S. 28. " 4 Frank 1989, S. 127. " s Jochen Fried, »Umschließende Sfäre«. Frühromantische Mythologie und spätromantische Enttäuschung, in: Ernst Behler und Jochen Hörisch (Hrsg.), Die Aktualität der Frühromantik, Paderborn u.a. 1987, S. 174—189, hier S. 177. " 6 Frank 1989, S. 126. " 7 Ebd. S. 248. Eine knappe Zusammenfassung der zugrundeliegenden philosophischen Problemstellung gibt Frank im Nachwort zur zweiten Auflage von »Das Problem der >Zeit< in der deutschen Romantik« (Frank 1990, S. jooff.). 98
in seiner bekannten A n t i p a t h i e gegen jede A r t v o n » S y s t e m « hat. D i e s m a g f o l g e n d e Passage aus einem Brief an C l e m e n s ( i 8 . 1 1 . 1 8 0 2 ) illustrieren, die in einem A t e m z u g F i c h t e , Schelling, N o v a l i s u n d die B r ü d e r Schlegel abfertigt u n d deutlich zeigt, daß A r n i m w e d e r der f r ü h r o m a n t i schen V e r b i n d u n g v o n P h i l o s o p h i e u n d Poesie n o c h der idealistischen P h i l o s o p h i e u n d Ä s t h e t i k selbst 2 2 8 eine B e d e u t u n g f ü r sein eigenes t h e o r e tisches D e n k e n e i n r ä u m t : Wenn man nicht m e h r die literarischen Zeitungen liest, k o m m t einem das polemische L e b e n der Schlegel echt komisch vor, es soll daraus eine der besten Episoden im Ariel werden. M a n sagt jetzt, M e n s c h e n h a ß und Reue sei nicht von K o t z e b u e , sondern von Novalis, und zwar ein vorangeschickter zweiter Teil des Heinrich von Ofterdingen. D i e Personen wirst D u alle wiedererkennen. Mathilde ist Madame Müller, der junge Heinrich wird der U n b e k a n n t e usw. Wenn es nicht wahr ist, so bleibt es unter uns. Das Verhältnis Agnes von Lilien : Wilhelm Meister = H . v . Ofterdingen : Franz Sternbald ist völlig klar, wird also H.v. Ofterdingen mit Wilhelm Meister multipliziert und mit Agnes von Lilien dividiert, so ist er gleich Sternbald. fe^ = d ( E in verflucht kleiner Divisor und ein großer Multiplikator. A n m e r k . der Herausgeber). D o c h sind selbst mathematische Sätze jetzt angefochten. D u weißt doch, worüber sich jetzt Fichte und Schelling streiten, jener sagt Ich = Alles, dieser Alles = Ich. Mathematisch ist das einerlei, Schelling aber, der sich auf seine P r o d u k tionskraft etwas einbildet, sagt, er stehe dabei auf dem Standpunkte der P r o duktion, Fichte auf dem Standpunkte der Reflexion. Fichte soll schon ein ältlicher M a n n sein, man kann ihm das wohl glauben, das beiläufig. D u kannst mir glauben, daß, wenn ich von D i r spreche, daß ich es ernsthaft meine. (Beutler, 401) W ä h r e n d A r n i m s Satire n o c h auf das B e m ü h e n u m eine ernsthaftere A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit der F r ü h r o m a n t i k u n d d e r idealistischen P h i l o s o p h i e verweist, 2 2 9 sind f ü r B r e n t a n o derartige F r a g e n ab einem g e w i s s e n Z e i t -
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Zur Unterscheidung vgl. z.B. Frank 1990, S. 501. Arnims Abneigung gegen eine philosophische Ästhetik äußert sich deutlich in einem Brief an Brentano vom 7.3.1803: »[...] hingegen ist die Wissenschaft, wenn sie die Poesie nothzüchtigt wie Männerliebe, die nichts hervorbringt und überdies ekelhaft ist.« ( F D H Hs-7352, zit. nach Wingertszahn 1990, S. 623). In privaten Notizen experimentiert er hingegen bisweilen mit der Idee einer wechselseitigen Durchdringung von »Philosoph« und »Poet« (GSA Arnim 227, Bl.52; zit. nach Wingertszahn 1990, S.409). Seine »Kleinen Schriften« zeigen davon allerdings nur geringe Spuren. Die Rezension der »Gedichte« Friedrich Schlegels (1810) erkennt zwar die revolutionäre Bedeutung des »Athenäums« an (S. I44f.; AW6, S. 301); neben dem allgemeinen Lob ist aber eine tiefere Auseinandersetzung allenfalls unterschwellig zu vernehmen (vgl. S. 149; AW 6, S. 304). Sein Nachruf auf Fichte (1814) ist ganz dessen politischem Wirken gewidmet. (Vgl. daneben den Versuch von Helene M. Kastinger Riley: Frühromantische Tendenzen bei Ludwig Achim von Arnim, erläutert anhand von zwei unbekannten frühen Manuskripten, in: J b F D H 1980, S. 272-299 sowie Wingertszahn 1990, S. 91).
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punkt 2}0 offenbar einfach Teil des zeitgenössischen Geredes, wenn er über den Briefwechsel zwischen Heinse, Gleim und Müller schreibt, darin erschienen »so unzählig oft die Worte Elysium, Grazien, Heiliger, Charitinnen, als heutzutage Universum, rein Menschliches, objectiv und subjectiv, und da merk ich dann dran, daß diese lieben Leute nun todt sind, und das erschreckt mich« (Steig I, 166; vgl. F B A 29, 400f. und 503). Eichendorff wiederum besuchte zwar in Berlin Fichtes Vorlesungen (am 14.12.1809), sein Tagebuch vermerkt jedoch - erst zwei Tage später und unter dem Rubrum »NB.« - lapidar: »Höchst komische, kleine, lahme Figur mit versoffner Nase in Spentzer u. Camaschen. Sonderbares Accentuieren« (E IV, 636). Schelling erscheint im Tagebuch nur einmal am Rande (E IV, 598), so daß von einem (transzendental-)philosophischen Impuls für die Herausbildung seiner Poesie ebenfalls kaum die Rede sein kann. Natürlich ist seine Begegnung mit Görres in Heidelberg in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen, doch daß sich Eichendorff aufmachte, eine Poetik im Anschluß an (und zur Vollendung von) Görres' Philosophie zu entwickeln, 23 ' ist gleichfalls nicht sehr wahrscheinlich. Seine literaturhistorischen Schriften gehen nur am Rande auf die Geschichte der Philosophie ein. Eichendorff unterscheidet dort eine aristotelische und eine platonische Entwicklungslinie und gibt, kaum überraschend, der platonischen den Vorzug (E III, 535). Fichtes »System des absoluten Ichs« wird als »Spitze aller wissenschaftlichen Konsequenzen der Reformation« (E III, 903) der ewigen Verdammnis überantwortet,
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Das Verhältnis des jungen Brentano zur Frühromantik ist natürlich aufgrund seiner >Lehrjahre< im Jenaer Kreis (ab 1798) sehr viel schwerer zu bestimmen. Der »Godwi« und die frühen Dramen verweisen deutlich auf dessen Programmatik. Hartwig Schultz hat darauf aufmerksam gemacht, daß es zu dieser Zeit wohl seine »Intention« war, »Werke zu schreiben, die möglichst viele Forderungen der frühromantischen Ästhetik erfüllen [ . . . ] Charakteristisch ist, daß er dazu tendiert, die jeweiligen Postulate isoliert und verabsolutiert aufzunehmen. Sein Verfahren haftet am wörtlichen Sinn der isolierten Aussage.« (Schultz 1990, S. 247). Vgl. dazu auch Paul Böckmann, Die romantische Poesie Brentanos und ihre Grundlagen bei Friedrich Schlegel und Tieck, in: J b F D H (1934/35), S. 5 6 - 1 7 6 . *>' Görres war einer der wenigen Philosophen, die Arnim schätzte (vgl. G u R , S. 132). Die Bestimmung von Görres' Verhältnis zur jüngeren Romantik scheint mir schwieriger zu sein, als es angesichts der zeitweise engen Zusammenarbeit mit Arnim und Brentano (Zeitschrift für Einsiedler, B O G S ) und des tiefen Eindrucks, den er auf Eichendorff machte, den Anschein haben mag. Die gedanklichen Querverbindungen sind sicherlich vielfältig, doch seine eigentliche Philosophie der Heidelberger Zeit — die, knapp gesagt, eine umfassende Kosmogonie aus dem Zusammenspiel zweier polarer Grundkräfte (produktiv/eduktiv, männlich/weiblich etc.) abzuleiten versucht und diesen Ansatz auch auf die Ästhetik überträgt - ist nur bedingt mit den Vorstellungen unserer drei Autoren in Einklang zu bringen. IOO
während Schellings Naturphilosophie aus naheliegenden Gründen gegen Fichte für eine wohlverstandene Romantik vereinnahmt (und mißverstanden) wird. 232 Sie hat nach Eichendorff »eben nur das wissenschaftlich begründet, was gleichzeitig die Romantik an den einzelnen Erscheinungen des Lebens poetisch nachzuweisen strebte« (E III, 903), indem sie »dem allmächtigen Subjekt [des Protestantismus bzw. Fichtes; M . N . ] ein Absolutes, die positive Religion, entgegenstellte« (E III, 903). Die Feststellung des nicht mehr gegebenen unmittelbaren philosophischen Interesses alleine beschreibt die Unterschiede zwischen frühund spätromantischer Kunsttheorie jedoch noch nicht zur Genüge. Auch für die Frühromantik ist die systematische Philosophie im entscheidenden Punkt defizient, ihre »These, das Absolute sei der Reflexion unzugänglich, öffnet [ . . . ] der Poesie die Pforten und lädt sie ein zu leisten, was der Philosophie mißlingt«. 2 " Die grundlegende Differenz liegt in der unterschiedlichen Beantwortung der Frage, wie die Kunst zu einer Vergegenwärtigung des »Höchsten« kommt. Viele vorschnelle Identifikationen beider Konzepte sind mit Sicherheit darauf zurückzuführen, daß auch in Texten Friedrich Schlegels und vor allen Dingen Hardenbergs gelegentlich von Mittlertum, Offenbarung und Inspiration die Rede ist. Doch haben diese Begriffe in der Frühromantik nur beschränkte Gültigkeit im Rahmen einer Konzeption, die radikal den Gedanken einer Präsenz des Absoluten in der Kunst verneint. Das Absolute erscheint deshalb nicht als positiv gegebenes Vermittelbares, sondern als »nur regulative Idee«,234 als »Postulat«. 23 ' Es ist wahrscheinlich nicht völlig illegitim, in der radikalen Präsenzverneinung der Frühromantik eine »Vorwegnahme Derridas«23 Frank 1989, S. 301. Die Brentano-Forschung ist bezüglich der poetischen Werke in dieser Frage geteilter Meinung (vgl. Gajek 1978, S. 47if.), zu Arnim hat in jüngster Zeit vor allen Dingen Wingertszahn die These einer Übernahme des Ironiekonzepts in die Dichtung vertreten (S. 84ff.). Wir werden darauf im Rahmen der Interpretation der »Kronenwächter« noch zurückkommen.
246
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quent, wenn Arnim in der Rezension einer Übersetzung von Cervantes' »Drangsale des Persiles [.. .]«247 darauf verzichtet, »auf die für die Romantik doch interessante ironisch reflektierte Faktur des Werks einzugehen«.248 Tatsächlich mutet Arnims Besprechung »gegen den frühromantischen Umgang mit Cervantes [ . . . ] doch recht bescheiden an«.249 Das Defizit entspringt jedoch ganz einfach einer veränderten kunsttheoretischen Interessenlage. Die universelle Ironie hat als ästhetisches Basiskonzept für den Theoretiker und Rezensenten Arnim keine Bedeutung mehr. Im Lichte dieses konzeptionellen Unterschiedes, der am deutlichsten die Differenz in der theoretischen Grundlegung von Kunst und Poesie reflektiert, lassen sich auch einige weitere Differenzen leicht aufzeigen. Zu nennen wäre zunächst die unterschiedliche Ausgangshaltung von Autonomie und »Willkür« vs. Heteronomie und Passivität. Die Gründe hierfür sind einsichtig. Das mediale und inspirationsorientierte Konzept impliziert zwangsläufig ein Verständnis des Dichters als eines zunächst passiv Empfangenden, während das Ironiekonzept die »freieste aller Lizenzen« darstellt - allerdings auch die »gesetzlichste, denn sie ist unbedingt notwendig« ( K A II, 160, Nr. 108). Ingrid Strohschneider-Kohrs hat schon früh festgestellt, daß Schlegels Willkür »ein Vermögen freier Selbstbestimmung« meint, »gerade das Gegenteil subjektivistischer Ungebundenheit und grenzenlosen Auslebens«. 2 ' 0 Von hier aus tut eine Unterscheidung von jüngerer und älterer Romantik unter dem Rubrum >Abkehr vom Subjektivismus^' 1 der zweiten Unrecht, zumal der frühromantischen Freiheit des Subjekts das Selbsteingeständnis der Abhängigkeit des Ichs von einem reflexiv nicht verfügbaren Grund vorhergeht. 2 ' 2 Eine Unterscheidung beider romantischer Konzepte alleine nach dem Kriterium Autonomie/Heteronomie greift demnach eigentlich zu kurz. Für beide ist der Grund, das Absolute, dem empirischen Ich unverfüglich (auch die »Ahnung« Arnims kann nicht subjektiv bewirkt werden); die auf diese Einsicht aufbauenden kunsttheoretischen Konsequenzen differieren allerdings erheblich. !Wesen ist schlechthin nicht erkennbarläßt sich nur negativ bestimmen [ . . . ] Negation also Bezirk des Wesens< (NS II, 238, 2.33/4 und 239, Z. 19-25)«. 262 So bleibt nur die Ironie, die »[...] Endliches so zeigt, als sei es mehr denn endlich, ohne darum - in transzendenter Spekulation - zu der Erschleichung sich verführen zu lassen, das Absolute sei als solches positiv Ereignis geworden [.. .]«.26}
2.6 2.7 2
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161 262 2
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Z u ähnlichen Überlegungen bei Novalis vgl. Engel 1993, S. 463. Engel 1993, S. 463. Ebd., S. 394. Frank 1989, S. 156; vgl. Engel 1993, S.456. Vgl. Frank 1989, S. 245; und Engel 1993, S.403 A n m . 4 3 . Frank 1989, S. 246. Ebd. (Die Novalis-Zitate wurden stillschweigend korrigiert). Ebd., S. 3 1 1 .
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Eben deshalb wird das Werk in der frühromantischen Ästhetik als in sich dynamisch und prozessual gedacht, ist doch nur auf dem Wege der »Selbstschöpfung und Selbstvernichtung« ( K A II, 172, Nr. 51) ein A u f weis des Absoluten ex negativo möglich. »Auf diese Weise ist die ironische Rede dazu verurteilt, in zeitlicher Abfolge - eben als Hin und Her von Position und Negation - auszudrücken, was im Absoluten selbst als Gleichzeitigkeit des Reellen und des Ideellen imaginiert wird«. 264 Eine Form der ironischen Rede ist natürlich die Selbstreflexion des Kunstwerks: »Transzendentalpoesie« stellt » [ . . . ] in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit dar«, sie ist »überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie« ( K A II, 204, Nr. 238). 265 Dies geschieht ganz um der Dynamik der wechselseitigen Relativierung und Annihilation willen: Dichterisches Sprechen in transzendentalpoetischer Brechung bringt gleichsam nicht nur einen bestimmten Wortsinn hervor, sondern stellt gleichzeitig mit dar die Tatsache seiner Auswahl unter poetischen Kriterien; so relativiert sich das Vorgebrachte, indem es an den A k t seiner Produktion rückverweist, diesem gegenüber, denn nun hat es ja keine vom Schöpfungsakt unabhängige oder autonome Existenz mehr; es hätte auch nicht gesprochen, und es hätte statt seiner auch etwas anderes gesagt werden können. Eben das nannte Schlegel das Wechselspiel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung [ . . .] 266 Das einheitsstiftende Moment ist damit nicht positiv gegeben. Von hier aus begründet sich die Idee einer zwischen Vielheit und Einheit, »zwischen Chaos und System oszillierenden Werkstruktur« 267 als frühromantischer Variante des organischen Werks, wie sie z . B . Schlegels »Brief über den Roman« entwirft. Seine Bedeutung für den Werkbegriff Schlegels faßt Manfred Engel folgendermaßen zusammen: Der »Brief über den Roman< variiert und präzisiert [ . . . ] das [schon in der Rezension des »Wilhelm Meister« erkennbare; M . N . ] [ . . . ] Grundmuster von Individualisierung und Vereinheitlichung. Für den Pol subjektiver W i l l k ü r stehen »Fantastik«, »Arabeske«, die inhaltliche Bindung an die Entfaltung moderner Subjektivität; für die transsubjektive Einheit die »sentimentale« »Liebe« z u m Absoluten - als Inhalt und als allegorische Grundhaltung, die in allem Wirklichen nur eine allegorische » H i e r o g l y p h e « des Absoluten sieht - und der mit ihr zusammenhängende » W e r k « - C h a r a k t e r des Romans, seine kompositorische Ausrichtung auf einen »geistigen Zentralpunkt«. Die kaum explizierte Vermittlung der Pole scheint sich der aus dem Wissen um die Bindung an das Ganze erwachsenden Selbstreflexion der Subjektivität zu verdanken, die den
Ebd., S.365. ' ( > Vgl. dazu besonders die Arbeiten von Ingrid Strohschneider-Kohrs. 166 Frank 1989, S.365. 267 Engel 1993, S. 386.
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romantischen Roman zur Kunstform macht und sich am deutlichsten in seiner transzendentalpoetischen Potenzierung ausdrückt. 268
D i e Unterschiede zum theoretischen Werkverständnis A r n i m s brauchen wohl kaum noch einmal rekapituliert zu werden. Weder die Idee eines überzeitlichen Gehalts des Werks 2 6 ' noch der Gedanke der Realität als Fundament, als (wenn auch nur temporär gültige) Gestalt sind mit frühromantischen Vorstellungen vereinbar. Gerade die A b k e h r von jeglicher P o sitivitätsvorstellung führt in der Frühromantik ja zur A b s a g e an die M i m e sis, 27 ° zu der A r n i m s Theorie aus genau abgegrenzten Motiven wieder zurückkehrt. Schlegels »grenzenloser Realismus« ( K A U , 3 1 5 ) ist hingegen eine der vielen Möglichkeiten, den Pol des Individuellen zu besetzen. 2 7 ' In seiner A b l ö s u n g des organisch-dynamischen
Werkverständnisses
durch das der Verkörperung des Uberzeitlichen ist auch der G r u n d zu suchen, warum A r n i m vielen zeitgenössischen kunsttheoretischen D i s kussionen die Teilnahme verweigert. Während z . B . das frühromantische Programm zu seiner Einlösung letztlich die Revolutionierung der R o manform verlangt, 272 sind für A r n i m in seinem Sinne gelungene Werke jederzeit und auch in allen Gattungen möglich. 2 7 3 Konsequenterweise finden sich in seinen theoretischen Überlegungen auch kaum Ansätze zu einer Romantheorie oder Gattungspoetik jenseits konkreter Gestaltungsfragen. 2 7 4 E s ist vor allen Dingen wohl die polar-dialektische Struktur der
l6>
Ebd. S. 394. Zu den Begriffen der Hieroglyphe und Arabeske, die von Schlegel im Gegensatz zu ihrer Verwendung bei Brentano hier nicht gleichgesetzt werden, vgl. I.1.4 Anm. 2 1 1 und 220. ""' vgl. Frank 1990 und 1989, S. 310: »[...] die Zeit ist das vollkommene Schema der Ironie: alles Positive wird zugleich gesetzt und von einer nachfolgenden Position aus wieder dementiert bzw. vernichtet«. 170 Vgl. Engel 1993, S.452 sowie allg.: Wolfgang Preisendanz, Zur Poetik der deutschen Romantik I: Die Abkehr von Grundsatz der Naturnachahmung, in: Die deutsche Romantik, hrsg. v. H. Steffen (Hrsg.) 1978, S. 54-74. 271 Vgl. Engel 1993, S. 398^ 271 Vgl. ebd., S. 38iff., S. 45?ff. 275 Und darüber hinaus z.B. auch im Bereich von Gesetz und Verfassung (vgl. 1.2.i Anm. 73). 174 Von einem »Primat des Romans vor allen Gattungen« (Härtl 1971, S. 197) kann man bei Arnim meines Erachtens nicht reden. Auch er leitet zwar aus dem »Wilhelm Meister« in der Rezension der Romane Ernst Wagners (1809) allgemeine poetologische Grundsätze zur Gestaltung von Romanen ab (S. 173; AW 6, S. 270), bezieht seine Erkenntnisse aber im entscheidenden Punkt nicht auf eine bestimmte Gattung, sondern auf »alle Poesie« (S. 174; AW 6, S. 271). Während Brentano, soweit ich sehe, der Gattungspoetik ebenfalls kaum große Aufmerksamkeit schenkt, finden sich in Eichendorffs literaturhistorischen Schriften durchaus diesbezügliche Überlegungen (vgl. z.B. E III, S.603). Die Nähe zu den Vorlesungen der beiden Schlegel ist an diesem Punkt ebenfalls deutlich (vgl. dazu Lüthi 1966, besonders S. 25-66).
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meisten der in der Goethezeit diskutierten ästhetischen Probleme, die ihn dazu bringt, sich fernzuhalten. So spricht er in einem Brief an Görres ( 1 4 . 4 . 1 8 1 1 ) vom » . . . ganz unerweislichen Gegensatz zwischen Naturund Kunstpoesie, zwischen Volksgesang und Meistergesang; nichts ist so täuschend im historischen Studium wie die Lehre von den Gegensätzen in der Naturkunde [ . . . ] « ( G B 2, 197). 275 Schon früh sind ihm » [ . . . ] so willkührlige Unterschiede wie zwischen Hellenick und Romantick lächerlich, die so glat der Wissenschaft abgehen wie Spulwürmer, und doch nur ein falsches Zusammenstellen der Zeitalter sind. Was ist für ein Unterschied zwischen Roland und Herkules, zwischen Jean de Paris und Ulysses?-«. 276 Aufgrund seines Verständnisses des Kunstwerks als je neuer zeitlicher Verkörperung des immer gleichen Uberzeitlichen ist Arnim Schlegels Projekt einer Synthese von Antike und Moderne hin zur »grenzenlos wachsenden Klassizität« ( K A II, 1 8 3 , Nr. 116) 2 7 7 fremd wie die meisten anderen goethezeitlichen Diskussionen um (ästhetische) Polaritäten wie antik-modern, naiv-sentimentalisch, produktiv-eduktiv, männlich-weiblich. N u r einige private Notizen lassen erkennen, daß er bisweilen mit derartigen Kategorienpaaren auch auf kunsttheoretischem Feld experimentiert hat. 278 Die Differenz zwischen dem Werkbegriff Arnims und dem der Frühromantik ist entsprechend bei weiteren, auf den ersten Blick scheinbar ge-
275
176
277 1?>
Vgl. auch die in demselben Brief an Schleiermacher geübte Kritik, der nach Arnim »in dialektischen Mitteln ersäuft« ( G B 2, S. 196). A n Clemens Brentano, 7.3.1803; F D H H s - 7 3 5 2 , zit. nach Wingertszahn 1990, 6z}f. A n diesem Punkt ist die Differenz der Überlegungen Arnims zu Görres' romantischer Ä s thetik, die gerade diesen »willkührligen Unterschied« immer wieder aufgreift, deutlich erkennbar. Vgl. etwa folgende Zitate aus den »Korruskationen« (1804/05): »Der C h a rakter des Antiken ist Poesie, selbst in der Philosophie, des Modernen Philosophie, selbst in der Poesie« ( G A W 1 , S. 97). »Auch das Moderne ist schon wieder alt genug, daß sich in ihm Entzweiung zeigen könnte, es zerfällt in das modern Moderne und das antik M o derne« ( G A W 1, S. 103). Auf der Basis dieses Denkens kommt er auch zu unendlich ausgefeilten Differenzierungen der Künste und Gattungen. Für Eichendorffs literaturhistorische Schriften ist der Unterschied zwischen heidnischer Antike und christlicher Moderne natürlich eminent wichtig (vgl. z. B . E I I I , S.558), seine diesbezüglichen Überlegungen beziehen sich aber ebenfalls eher auf die Vorlesungen der Brüder Schlegel als auf Görres. Vgl. dazu vor allem Behler 1972, S. 54 und 1989, S. 282. Eine N o t i z aus dem Taschenbuch F D H HS-B69 greift z . B . die nicht nur für Schlegel, sondern auch für Görres wichtige Unterscheidung zwischen Männlich und Weiblich auf (S. 24f.; abgedruckt bei Wingertszahn 1990, S . 4 7 i f . ) . Vgl. dazu auch die von Kastinger Riley veröffentlichte N o t i z über »entgegengesezte männlige und weiblige Pole« (Kastinger Riley 1978, S. 96) bei den Völkern und das »Fragment über die Frauen« (ebd., S. 96ff.). D e m Naturwissenschaftler Arnim ist das Denken in dynamischen Polaritäten natürlich geläufig. IIO
meinsamen Positionen zu beobachten. Das gilt zunächst vor allen Dingen für das Konzept einer Hermeneutik von Kunst durch Kunst. Arnims Bearbeitungs-, Intertextualitäts- und, wie wir sahen, auch seine Rezeptionstheorie beruhen entscheidend auf seiner Adaption des in der Goethezeit topischen Gedankens einer aktiven und produktiven Rezeption. Nun steht dieser Gedanke auch im Zentrum der frühromantischen Ästhetik, was die Forschung nicht selten zu einer etwas vorschnellen Gleichsetzung der Konzepte verleitet hat. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, daß sich gerade an diesem Punkt die unterschiedlichen Grundvoraussetzungen und Werkauffassungen geltend machen. Während Arnim im Bild des sich fortspinnenden Fadens den unwandelbaren überzeitlichen positiven Gehalt akzentuiert und Rezeption und Produktion unter dem Signum der »getäuschten Täuschung« vereint, steht der Rezeptionsprozeß in der Frühromantik ganz im Zeichen des ironischen Paradigmas in Produktionstheorie und Werkbegriff. »Der zwischen Chaos und System oszillierenden Werkstruktur entspricht [ . . . ] in Autor wie Leser der Wechsel zwischen einer Hingabe an das Detail [ . . . ] und einer bewußten Reflexion auf das intuitiv vorgeahnte Ganze, das >GöttlicheWahrheit< [...], daß das Endliche, Gemeine, Gewöhnliche in sich selbst keinen Bestand hat, sondern sich ironisch selbst dementiert und so aufs Absolute verweist«.281 Dies geschieht im Prozeß der »Höherpotenzierung des Individuellen, Endlichen«282 und damit durch eine »negative Erschließung der absoluten Urkraft aus den Totalisationen, die für ihren Grund transparent werden«. 28 ' Wo Arnim und die jüngere Romantik die Rezeptivität für das in der Welt gegebene Uberzeitliche in den Mittelpunkt stellen, forciert das frühromantische Konzept die Aktivität/Poiesis; die »Wahrheit« wird »als schöpferisches Ins-Werk-Setzen, also aktiv gedacht«.284 Relativ klare Trennlinien gibt es auch hinsichtlich der Interpretation von Geschichte. Die vordergründige Gemeinsamkeit einer - meist triadisch strukturierten - teleologischen Geschichtsauffassung beruht auf doch recht unterschiedlichen Voraussetzungen. Bei Arnim, Eichendorff und Brentano gründet sie sich expressis verbis auf traditionelle heilsgeschichtliche Vorstellungen, ist also gegeben, während die Frühromantik in ihrem Progressionskonzept nicht so sehr die Deutung des Gegebenen, sondern die Aktivität, das Mittun des einzelnen, in den Vordergrund rückt, und daneben - aufgrund ihrer Grundvoraussetzungen - das Telos als ewig aufgeschoben begreift. Auch hier spielt die Ironie die entscheidende Rolle: »Denn es ist die Ironie, welche die romantische Poesie zur 281
2.3 2.4
Frank 1989, S. 3 1 3 . Ebd. Frank 1990, S. 2 1 5 ^ , vgl. S. 222. Frank 1989, S. 314. Die »Wahrheit« hat hier aber natürlich ebenfalls »postulatorischen, nicht existenzsetzenden Charakter« (S. 314). Vgl. Franks Auseinandersetzung mit dem traditionellen Mißverständnis des »magischen Idealismus«, als »Philosophie [ . . . ] nach der ein jeder von uns durch bloße Gedanken magisch auf die Welt einwirken könne« (S. 314), das »höchstens belegt, welcher Infantilismen die Germanistik Novalis für fähig hält« (S. 314).
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progressiven Universalpoesie< in einen Prozeß ständigen Werdens auslaufen läßt«.28' Das frühromantische Konzept ist (auch) eine Geschichtsphilosophie oder zumindest ein »Leitfaden der Geschichtsphilosophie im Medium der romantischen Universalpoesie«.286 Daß Arnim demgegenüber jeglichen geschichtsphilosophischen Akzent aus der künstlerischen Beschäftigung mit Geschichte ausschließen möchte, mag in dem in der jüngeren Romantik veränderten Verhältnis von Poesie und Philosophie im kunsttheoretischen Denken begründet sein. Die frühromantische Geschichtsphilosophie hat zwar gegenüber zeitgenössischen und nachfolgenden Konzepten den Vorzug, daß sie sich gerade nicht inhaltlich festlegt, sondern am regulativen Charakter des Telos festhält, doch Arnim bereitet offensichtlich bereits der Gedanke an einen Progreß selbst einige Schwierigkeiten. Nicht so offen liegen hingegen die Differenzen in der Frage der Kommunikation des Kunstwerks. Daß die frühromantische Kunsttheorie einer exoterisch-didaktischen Bedeutungsebene keinen Platz einräumt, liegt auf der Hand (vgl. etwa K A II, 323 oder L N 1 8 1 , Nr. 1771). In der Frage nach der Kommunikation des >Eigentlichen< gibt es hingegen scheinbar ähnliche Auffassungen. Beide verneinen eine endgültige diskursive Auflösbarkeit des Gesagten, beide bestehen auf der Rätselhaftigkeit des Kunstwerks als Darstellung des Undarstellbaren. 287 Wichtiger noch ist, daß die Unauflösbarkeit bei beiden mit der (entweder partiellen oder vollständigen) Abwesenheit des Absoluten in engem Zusammenhang steht, so daß sich nicht nur im Ergebnis, sondern auch im zugrundeliegenden Gedankengang stärker als an den übrigen Punkten Ubereinstimmungen ergeben. Dennoch werden auch an diesem Punkt bei genauerem Hinsehen die unterschiedlichen Voraussetzungen sichtbar. Während die Frühromantik der »Undarstellbarkeit« des Darzustellenden durch die grundlegende Negativität des Vorgehens Rechnung trägt, i8s 286
2,7
Behler 1989, S. 292. Ebd., S. 285. »Schlegel will die Geschichte nach einer Idee hin ordnen, deren Vollkommenheit nicht wie bei Kant von der Erfahrung getrennt, sondern sich vielmehr aus dem Wechselbezug von Ich und Welt, Idealismus und Realismus stets neu ergibt« (Klaus Behrens, Friedrich Schlegels Geschichtsphilosophie ( 1 7 9 4 - 1 8 0 8 ) . Ein. Beitrag zur politischen Romantik, Tübingen 1984, S. 128). Zu Novalis' Konzept des » [ . . . ] goldenen Zeitalters als poetischem >Postulat< und als >Approximationsprinzipontologischen< Wirklichkeitsbegriff (»Erde« im wörtlichen Sinn) durch einen >metonymisch gleitenden Ubergang< in unmittelbare Nachbarschaft. Wir werden unten gleich näher darauf eingehen. Das Werk ist somit nicht die Erfüllung und Einheit selbst, sondern nur »Tau des Paradieses« (12). Als solches muß es allerdings »Zweifel dulden«, ob es nicht doch das »ausgespritzte Gift der Schlange« (12) ist. Damit ist das Problem der Deutung angesprochen. Auf die Schwierigkeit der Kommunikation des Eigentlichen im Kunstwerk weist bereits die Bemerkung, daß der Dichter manches »nur halb auszusprechen« (12) vermag. In der Folge verdeutlicht der Text auch explizit, daß die Kommunikation des »Unsagbaren« unter irdischen Bedingungen an die Grenzen der Verständigung gehen muß. Die Argumentation geht hier gleichsam von einem utopischen Punkt völliger Klarheit aus: »Nur das Geistige können wir ganz verstehen, und wo es sich verkörpert, da verdunkelt es sich auch« (13). Die Rede von der Dichtung als »Leitfaden« unterstreicht im Gegenzug die didaktisch-exoterische Dimension von Kunst. 3. Hermeneutik: Der Gedanke einer aktiven poetischen Rezeption und das darauf aufbauende Bearbeitungs- und Intertextualitätskonzept
304
Im Text selbst ist nicht explizit von Kunstwerken die Rede. Wir haben allerdings gesehen, daß Arnim seinen Werkbegriff recht weit auslegt und beispielsweise auch die Meinung vertritt, »daß so wenig gute Gesetze, wie gute Gedichte aus bloßer Willkühr und Absicht hervorgehen [ . . . ] und daß eben deswegen Gesetzgeber und Dichter in der glücklich beobachtenden ersten Zeit der Völker überall als göttlich (das heißt eigentlich ihre Werke und sie selbst als Werkzeuge) erkannt und verehrt wurden« (Rez. von Rehberg, »Ueber den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschland« (1814); AW 6, S.459). y> Vgl. Steig III, S. 142.
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wird nur angedeutet, wenn in folgender Passage auf den überzeitlichen Wert älterer Werke verwiesen und ihre Vernachlässigung beklagt wird: Aber nach Jahrhunderten der Zerstörung erkennen die einwandernden Anbauer des Walds mit Teilnahme die Unvergänglichkeit der Ackerfurchen und Grundmauern untergegangener Dörfer und achten sie als ein wiedergefundenes Eigentum ihres Geschlechts, das der Gaben der Erde nie genug zu haben meint. Gleichgültig werden daneben die aufgefundenen Werke des Geistes früherer Jahrhunderte als unverständlich und unbrauchbar aufgegeben, oder mit sinnloser Verehrung angestaunt. 306 Das Rechte will da errungen sein, und wie die eine Zeit ihre geistigen Gaben über alles schätzt und zusammenhält, so meint eine andere, alles schon selbst im Überflusse zu besitzen und läßt es zu, daß die Sibille ihre heiligen Bücher verbrennt, um ihr nicht Dank und Lohn geben zu müssen, ( n f . ) Das Schwergewicht der Überlegungen zu »Kunst als Deutung« liegt in »Dichtung und Geschichte« natürlich ganz auf dem Aspekt der Deutung der geschichtlichen Wirklichkeit. Der Text wendet sich zunächst der Frage ihrer Beziehung auf einen übergreifenden teleologischen Zusammenhang zu. Den philosophischspekulativen Geschichtskonstruktionen wird zugunsten einer bescheideneren Haltung eine klare Absage erteilt. Begründet wird diese Absage mit der nur eingeschränkten Präsenz des »Geistes« im Irdischen: [ . . . ] wäre aber das Geistige je ganz irdisch geworden, wer könnte ohne Verzweifelung von der Erde scheiden. Dies sei unserer Zeit ernstlich gesagt, die ihr Zeitliches überheiligen möchte mit vollendeter, ewiger Bestimmung, mit heiligen Kriegen, ewigen Frieden und Weltuntergang. Die Geschicke der Erde, Gott wird sie lenken zu einem ewigen Ziele, wir verstehen nur unsere Treue und Liebe in ihnen und nie können sie mit ihrer Äußerlichkeit den Geist ganz erfüllen. (13) Das ist aber nicht das letzte Wort, denn Arnim entwirft unmittelbar darauf nun ein Konzept einer poetischen Deutung der Geschichte nicht als Präsenz, sondern als Zeichen: Es gab zu allen Zeiten eine Heimlichkeit der Welt, die mehr wert in Höhe und Tiefe der Weisheit und Lust, als alles, was in der Geschichte laut geworden. Sie liegt der Eigenheit des Menschen zu nahe, als sie den Zeitgenossen deutlich würde, aber die Geschichte in ihrer höchsten Wahrheit gibt den Nachkommen ahndungsreiche Bilder und wie die Eindrücke der Finger an harten Felsen im Volke die Ahndung einer seltsamen Urzeit erwecken, so tritt uns aus jenen Zeichen in der Geschichte das vergessene Wirken der Geister, die der Erde einst menschlich angehörten, in einzelnen, erleuchteten Betrachtungen, nie in der 306
Ich bin nicht sicher, ob hinter dieser Formulierung nicht ein ziemlich roher Angriff auf Jacob Grimm steckt.
121
vollständigen Übersicht eines ganzen Horizonts vor unsre innere Anschauung.
(13) Die explizite Zurückweisung der Möglichkeit der Betrachtung der eigenen Gegenwart unter diesen Vorzeichen,307 die Rede von der »Urzeit« (13) und später von der Zurückführung der »irdisch entfremdeten Welt zu ewiger Gemeinschaft« (14) weisen darauf hin, daß diese Deutung der Zeichen als Deutung hinsichtlich eines übergreifenden teleologischen Zusammenhangs gedacht ist. Die Betonung, daß es sich um »einzelne, erleuchtete Betrachtungen, nie in der vollständigen Ubersicht eines ganzen Horizonts« (13) handelt, zieht eine deutliche Grenze zu jeglicher Geschichtsspekulation. »Dichtung« wird nun rundheraus als eine derartige Deutung der Geschichte definiert. Dabei schlägt Arnim keine - wie wir sehen werden logische, sondern eine poetisch-rhetorische Brücke zu seinem Werkbegriff und dem in ihm enthaltenen rein >funktionalen< Wirklichkeitsverständnis. W i r nennen diese Einsicht, wenn sie sich mitteilen läßt, Dichtung, sie ist aus Vergangenheit in Gegenwart, aus Geist und Wahrheit geboren. O b mehr Stoff empfangen als Geist ihn belebt hat, läßt sich nicht unterscheiden, der Dichter erscheint ärmer oder reicher, als er ist, wenn er nur von einer dieser Seiten betrachtet w i r d ; (r3f.)
Diese Passage definiert die (jeweils zwei) Werkkonstituenten gleich mehrfach. Eine Übersicht der Komplemente zeigt die Paralogie des Übergangs vom Konzept der Deutung der geschichtlichen Wirklichkeit als Zeichen zum Werkbegriff: Vergangenheit
-
Gegenwart
Geist
-
Wahrheit
(empfangener) Stoff
-
(belebender) Geist
[Dichter (arm)
-
Dichter (reich)]
Die streng parallelistisch gebaute Figur verwirrt die Begriffe. Der »Geist« erscheint gleich zweimal, die »Wahrheit« wird, anders als an anderen Stellen, nicht als dichterische und/oder geschichtliche identifiziert, und die leichte Variation in der Spezifikation der Verbindung (»in«, »und«, »belebt«) erschwert zusätzlich den Nachvollzug der >Argumentation^ Interpretieren wir den »empfangenen Stoff« als Fundament und Material der Dichtung (in diesem Fall die »Vergangenheit«), das erst
3 7
° »Wir müssen uns bescheiden, nur in der Vergangenheit den Weltplan überschauen zu können [...]« (Steig III, S. 36).
122
in der inspirierten Gestaltung (bzw. als »Gestalt« der Inspiration) durch den »Geist« »belebt« wird, so ließe sich dies auch mit den Begriffen Armut und Reichtum in Einklang bringen. Eine Betrachtung der Dichtung von der Stoffseite her läßt den Dichter »ärmer« erscheinen, eine von der Seite der Inspiration »reicher«. Die (geschichtliche) Wirklichkeit firmiert in dieser Konzeption allerdings, wie wir sahen, als rein rezeptionsästhetisch notwendiges Element der Kunst, als Gestalt für das »Licht«, das »der Dichtung einen sichern Verkehr mit der Welt« (14) verschafft, ansonsten aber »nichtig und vergänglich« (12) ist. Von einer eigenständigen Zeichenhaftigkeit des Wirklichen ist nicht die Rede. Im Gegenteil, unter diesen Vorzeichen ist die »Wahrheit [ . . . ] der Geschichte« (14) von der der Dichtung kategorial geschieden. Die beiden Wirklichkeitsauffassungen werden in »Dichtung und Geschichte« nicht gedanklich vermittelt, sondern durch eine paralogische Ineinssetzung poetisch verknüpft. (Legt man hingegen bei der Interpretation des Satzes von »Stoff« und »Geist« in der Dichtung den Akzent auf »empfangen« und die parallelistische Zuordnung von »Geist«, so kehren sich die Verhältnisse um. »Stoff« bezeichnet dann den überzeitlichen Gehalt bzw. die »Zeichen in der Geschichte« (13), der »belebende Geist« die Gestaltung bzw. die poetische Deutung für die »Gegenwart«. Wir haben zwar in dieser Lesung das Attribut »empfangen« gewürdigt, die Zuordnung von »ärmer« und »reicher« wirkt hier allerdings deplaziert. Kurz: Arnims Feststellung, daß sich die Konstituenten letztlich im Werk »nicht unterscheiden« (14) lassen, wird in der Argumentation schon vorweggenommen.) Die parallelistische Ineinssetzung von »Stoff«, »Geist« und »Vergangenheit« läßt aber bereits anklingen, daß Arnim neben dem >allegorischen< und dem >funktionalen< noch ein drittes Wirklichkeitsverständnis kennt, das >ontologisch< die Wirklichkeit als Ort der Präsenz des Uberzeitlichen begreift. Davon war, wie wir sahen, schon im Kontext der Diskussion der »vergänglichen Werke« (13) des Geistes metonymisch die Rede: »Wäre dem Geist die Schule der Erde überflüssig, warum wäre er ihr verkörpert, wäre aber das Geistige je ganz irdisch geworden, wer könnte ohne Verzweifelung von der Erde scheiden.« (13) Die Deutung der so verstandenen Wirklichkeit, die ein Privileg des inspirierten Dichters ist, nimmt diese nicht mehr als Zeichen oder Spur des »Wirkens der Geister« (13), sondern als Medium: Nennen wir die heiligen Dichter auch Seher und ist das Dichten ein Sehen der höheren A r t zu nennen, so läßt sich die Geschichte mit der Kristallkugel im
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A u g e zusammenstellen, die nicht selbst sieht, aber dem A u g e notwendig ist, um die Lichtwirkung zu sammeln und zu vereinen; ihr Wesen ist Klarheit, Reinheit und Farbenlosigkeit. ( 1 4 )
Hier geht es um das »Licht« selbst, nicht nur um Teleologie, weshalb, anders als bei der Deutung der geschichtlichen Wirklichkeit als Zeichen, nun doch die gegenwärtigen »eignen unbedeutenden Lebensereignisse [ . . . ] ein Anlaß der Dichtung« werden können, »weil wir sie mit mehr Wahrheit angeschaut haben, als uns an den größeren Weltbegebenheiten gemeinhin vergönnt ist« (14). Der Schluß von »Dichtung und Geschichte« steht ganz im Zeichen der poetischen bzw. rhetorischen Verknüpfung aller drei Wirklichkeitsauffassungen. Den gleitenden Ubergang von der Wirklichkeit als Objekt der Deutung, der »wahren Anschauung« hin zu ihrer funktionalen Rolle vollzieht die weitere Explikation der Bedeutung der »eignen [ . . . ] Lebensereignisse« als »Anlaß« der Dichtung. Die Passage geht aus von der »Wahrheit« ihrer »Anschauung«, und sie endet mit der Erläuterung ihrer Funktion als Basis für die Verwandlung der (inspirierten) Leidenschaft in Kunst, als Material für die nach Arnims Werkverständnis unabdingbare (handwerkliche) Gestaltung: Die Leidenschaft gewährt nur, das ursprünglich wahre, menschliche H e r z , gleichsam den wilden Gesang des Menschen, zu vernehmen und darum mag es wohl keinen Dichter ohne Leidenschaft gegeben haben, aber die Leidenschaft macht nicht den Dichter, vielmehr hat wohl noch keiner während ihrer lebendigsten Einwirkung etwas Dauerndes geschaffen und erst nach ihrer Vollendung mag jeder gern in eignem oder fremden N a m e n und Begebenheit sein Gefühl spiegeln. ( i 4 f . ) } o 8
Vorher werden jedoch bereits alle drei Wirklichkeitsauffassungen in einer subtilen Ambiguität miteinander verknüpft. Zwar unterscheidet sich das Konzept einer Deutung der Geschichte als Medium vom Werkkonzept ,oi
Der Text greift hier deutlich auf den dichtungstheoretischen Topos der »sobria ebrietas«, der »nüchternen Trunkenheit« zurück, den auch Hölderlins berühmtes »heilignüchtern« aufnimmt: »Der Dichter, so besagt die in diesem Oxymoron enthaltene Anweisung, dürfe nicht allein aus dem Gefühl der Begeisterung heraus schaffen, obwohl die Inspiration unerläßlich ist für sein Beginnen; vielmehr entstehe wahres Dichtertum erst aus der Verbindung von Begeisterung und Besonnenheit: von Trunkenheit und Nüchternheit. Es handelt sich um die Analogie des alten Junktims von >physis< und >techneingenium< und >arsHälfte des Lebenss in: Gedichte und Interpretationen. Band 3. Klassik und Romantik, hrsg. v. Wulf Segebrecht, Stuttgart (Reclam) 1984, S. 2 5 7 - 2 6 7 , hier S. 260). Die wichtigste Quelle dieser Lehre für das 18. Jahrhundert und die Goethezeit ist nach Schmidt wohl die Schrift des Pseudo-Longinus vom Erhabenen (S. 260; zum Topos der »sobria ebrietas« bei Arnim vgl. auch Wingertszahn 1990, S. 96).
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dahingehend, daß hier die »Wahrheit« der »geläuterten Geschichte« (vgl. 14) nicht, wie oben, in kategorialem Gegensatz zur Dichtung an sich (als »Lüge«) steht, aber die Feststellung, daß, »wer die Geschichte zur Wahrheit läutert [ . . . ] auch der Dichtung einen sicheren Verkehr mit der Welt schafft« (14),309 ist selbst dreifach verstehbar: Denn der »Verkehr mit der Welt« kann sich auf ihre poetische Deutung als Zeichen, als Medium und auf die Rezeption des Werks durch seine Leser beziehen. Hinter jeder dieser Möglichkeiten steht aber ein anderes Verständnis von Wirklichkeit. Eine ähnliche Verknüpfung durch Ambiguität leistet schließlich der in »Weiblingen« - dem eigentlichen Vorwort zum Roman - auftauchende Satz, der das in der »Einleitung« Gesagte mit den »Kronenwächtern« in Verbindung setzt: Das Bemühen, diese Zeit in aller Wahrheit der Geschichte aus Quellen kennen zu lernen, entwickelte diese Dichtung, die sich keineswegs für eine geschichtliche Wahrheit gibt, sondern für eine geahndete Füllung der Lücken in der G e schichte, für ein Bild im Rahmen der Geschichte. ( 1 5 )
Der Gedanke der Geschichte als »Rahmen« spricht den funktionalen Aspekt der Wirklichkeit im Kunstwerk an. Als Gegenstand der Deutung erscheint die geschichtliche Wirklichkeit hier nur implizit. Ob es bei der »geahndeten Füllung der Lücken« (der Uberlieferung) allerdings um die »Zeichen in der Geschichte« (13) oder das Sammeln der »Lichtwirkung« (14) geht, bleibt offen. Ausdrücklich die Rede ist einzig von der nichtpoetischen Geschichtsinterpretation, dem »Bemühen«, eine »Zeit in aller Wahrheit der Geschichte aus Quellen kennen zu lernen«.
Diese Passage ist ein besonders schönes Beispiel dafür, wie Arnim in »Dichtung und Geschichte« theoretische Inkonsistenzen hinter vagen Formulierungen verbirgt. Die Forschung hat die unklare Aussage dieses Satzes in der Regel dahingehend ausgelegt, daß die Dichtung die Geschichte »zu ihrer Wahrheit läutert« (Ricklefs 1966, S. 31 als Beispiel für viele). Der Satz spricht aber eigentlich von der zur Wahrheit geläuterten Geschichte als Voraussetzung der Dichtung. Vielleicht greift Arnim damit und mit der Rede von der »Kristallkugel« eine Äußerung Wilhelm Grimms auf: »Die moderne Geschichte [d.h. Geschichtswissenschaft; M . N . ] unterscheidet sich wesentlich von der alten dadurch, daß sie erstlich scheidet, hernach das Erworbene zusammenfaßt und hart und fest sich formieren läßt, sie wird crystallartig, helldurchsichtig und scharf« (Steig III, S. 167). Entsprechend vertritt er in der Rezension von Werners »Attila« (1810) die Auffassung, daß auch eine poetische Deutung der Geschichte sich nicht allzuweit von den Fakten entfernen darf: »Historische Treue bleibt auch hier gleich nothwendig [ . . . ] « ; S.9; AW 6, S. 294).
II.
» D I E KRONENWÄCHTER«
o. Zur Forschung
In den frühen germanistischen Untersuchungen 1 zu den » K r o n e n w ä c h tern« standen zunächst die Erforschung der Quellen 2 und die Interpretation des Romans als Appell zur »Wiedergeburt des deutschen Volkes« 3 bzw. als Plädoyer für die Einheit des Reichs im Vordergrund. Dagegen wurden die Poetizität und der symbolische Charakter der » K r o n e n w ä c h ter« auf breiterer Ebene erstmals in den fünfziger und sechziger Jahren näher gewürdigt. 4 D i e Arbeiten jener Jahre stellen in der Regel die Frage nach dem »Weltbild«' in den Vordergrund und deuten den Roman vornehmlich geschichtstheologisch. Im Zentrum steht dabei meist die schon in der Studie von A . Best behauptete Spannung von »realistischer F o r m « und »romantischen Ideen und Stimmungen«, 6 aus der man A r n i m s B e streben abliest, hinter die »sogenannte Geschichte« (die historischen F a k ten) zur »wahren Geschichte«, d . h . den »geheimen Linien des Weltplans« 7 vorzudringen und auf diese Weise »das E w i g e hinter dem E m p i risch-Sichtbaren künstlerisch [zu] gestalten«. 8 Daneben wird auch die p o -
1
Über die Wirkungsgeschichte des Romans im 19. Jahrhundert informiert P.M. Lützeler in AW 2, S. 628-634. Vgl. zur Forschung außerdem: Volker Hoffmann, Die ArnimForschung 1945-1972, in: DVjS 47 (1973), Sonderheft, S. 270-342 und das Forschungsreferat in Paul Michael Lützeler, Achim von Arnim. DIE K R O N E N W Ä C H T E R (1817), in: P.M.L., Geschichte in der Literatur. Studien zu Werken von Lessing bis Hebbel, München 1987, S. 173-227, hier S. 176-186. 2 Vgl. Lützeler 1987, S. i/öf. Die Ergebnisse versammelt die letzte ausdrücklich diesem Problem gewidmete Arbeit (Aimé Wilhelm, Studien zu den Quellen und Motiven von Achim von Arnims »Kronenwächtern«, Winterthur 1955). Einige Nachträge bei Rikklefs 1990, S. 143ff. J So noch 1955 Rudolf Zimmermann in seiner - allerdings vor dem 2.Weltkrieg begonnenen — Dissertation mit dem Titel: Ludwig Achim von Arnim und sein Roman »Die Kronenwächter«, Diss. Wien 1955, S. 155. Vgl. Lützeler 1987, S. 177. 4 Vgl. dazu Hoffmann 1973, S. 302ff. > Ebd., S. 308. 6 A. Best, Arnims »Kronenwächter«, in: Jahrbuch der Kleist-Gesellschaft Bd. 13/14 (1931-1932), S. 122-197, hier S. 196. 7 Margarete Elchlepp, Achim von Arnims Geschichtsdichtung »Die Kronenwächter«. Ein Beitrag zur Gattungsproblematik des historischen Romans, Diss. Berlin (FU) 1967, 8
S- 77-
Heinz Günter Hemstedt, Symbolik der Geschichte bei Ludwig Achim von Arnim, Diss. Göttingen 1956, S. 22. Vgl. daneben: Harald Riebe, Erzählte Welt. Interpretationen zur 12 9
litische D i m e n s i o n d e s R o m a n s z u n e h m e n d k l a r e r e r k a n n t u n d
meist
nicht mehr wilhelminisch mißverstanden.5 D i e P r o b l e m a t i k all d i e s e r A r b e i t e n liegt i m w e s e n t l i c h e n d a r i n , d a ß die H e t e r o g e n i t ä t des R o m a n s u n d seiner S y m b o l i k z w a r m e i s t a m R a n d e e r w ä h n t , a b e r n i c h t i n t e r p r e t a t o r i s c h g e w ü r d i g t w i r d . M a n g e h t in d e r R e g e l an d e n B r ü c h e n u n d A m b i v a l e n z e n v o r b e i , u m » h i n t e r d e r V i e l s c h i c h t i g k e i t eine s t r e n g e S t r u k t u r « a u f z u w e i s e n , »in d e r [ A r n i m s ] D e n k weise verschlüsselt ist«.10 D e m g e g e n ü b e r stellen sich die w i c h t i g s t e n n e u e r e n
Untersuchungen
a u s d r ü c k l i c h d e r K o m p l e x i t ä t des s y m b o l i s c h e n G e w e b e s . I h n e n w o l l e n w i r uns etwas ausführlicher z u w e n d e n : D i e erste A r b e i t , die die V i e l s c h i c h t i g k e i t des R o m a n s n i c h t n u r e r w ä h n t , s o n d e r n d e z i d i e r t in d e n B l i c k n i m m t , ist w o h l H a n s V i l m a r G e p p e r t s S t u d i e » A c h i m v o n A r n i m s R o m a n f r a g m e n t >Die
Kronenwäch-
t e n « . 1 1 Sie g r e n z t d e n R o m a n v o m B i l d u n g s r o m a n s o w i e v o m » a n d e r e n « historischen R o m a n 1 2 ab, unterscheidet mehrere E b e n e n der
Roman-
h a n d l u n g u n d sieht v o r allen D i n g e n eine S p a n n u n g z w i s c h e n d e r m y t h i schen b z w . utopischen S y m b o l i k u n d der Lebensgeschichte B e r t h o l d s . ' 3 G e p p e r t schließt d a r a u s j e d o c h n i c h t auf eine s e m a n t i s c h e P o l y v a l e n z d e s
dichterischen Prosa Achim von Arnims, Diss. Göttingen 1952; Jörn Göres, Das Verhältnis von Historie und Poesie in der Erzählkunst Achim von Arnims, Diss. Heidelberg 1956 u.a. Auch die >ideologiekritische< Arbeit von B. Haustein (Romantischer Mythos und Romantikkritik in Prosadichtungen Achim von Arnims, Göppingen 1974 ( = G ö p pinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 104)) gehört letztlich, »nur mit umgekehrten Vorzeichen« (S. 61), dieser Forschungsrichtung an. ' Vgl. zuletzt Paul Noack, Achim von Arnims »Kronenwächter« - Politik in der Spätromantik, in: R. Görisch (Hrsg.), Perspektiven der Romantik, Bonn 1987, S. 6 3 - 7 6 sowie die Anmerkungen des entsprechenden Kapitels unserer Interpretation. Eine andere K o n stante der »Kronenwächter«-Forschung ist die, meines Erachtens nicht sehr ergiebige, Gattungsfrage, die in der Regel das Verhältnis zu Scotts Variante des historischen Romans behandelt. Die diesbezüglich gemachten Vorschläge referiert Lützeler 1987 (S. 1 8 3 - 1 8 6 ) . 10 So noch Roswitha Burwick, Kunst und Geschichte in Achim von Arnims »Die Kronenwächter«, in: Aurora 46 (1986), S. 146 (vgl. auch Burwick 1989, S. 306-338). Ahnlich sieht E . L . Offermanns (Achim von Arnims Beitrag zum romantischen Roman, in: Aurora 46 (1986), S. 1 2 0 - 1 2 8 ) in Arnims Romanen das »Bestreben, den metaphysischen Zusammenhang der Welt in sich und mit ihrem Schöpfungsursprung und damit die mythische Kontinuität aufzuweisen« (S. 126). " Tübingen 1979 ( = Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte Bd. 24). In eine vergleichbare Richtung geht Renate Moering, Die offene Romanform von Arnims »Gräfin Dolores«. Mit einem Kapitel über Vertonungen Reichardts u.a., Heidelberg 1978 ( = Frankfurter Beiträge zur Germanistik Bd. 16). " Vgl. dazu H.V. Geppert, Der »andere« historische Roman. Theorie und Strukturen einer diskontinuierlichen Gattung, Tübingen 1976. ,J Geppert 1979, S. 16. 130
Romans, sondern unterstellt den »Kronenwächtern« als »Hauptinteresse« die »Frage nach einer human verbindlichen Gestaltung der Geschichte durch den Menschen«.' 4 Seine ethische Interpretation steht damit letztlich doch eher in der Tradition einsträngig reduktiver Deutungen. Die unbezweifelbare Leistung Gepperts liegt darin, daß er dennoch nicht über die strukturelle Heterogenität des Romans hinweggeht, sondern sie als solche in seine Interpretation zu integrieren versucht. Seine Deutung orientiert sich an der kantischen Ethik und versteht infolgedessen die Spannungen und Differenzen zwischen Handlung und utopischer Symbolik als die Relativierung der letzteren zum »Postulat der praktischen Vernunft«.' 5 Der Gedanke ist nicht uninteressant, obgleich Arnims Verhältnis zu Kant sehr komplex und schwierig zu bestimmen ist.'6 Geppert macht ihn jedoch zum Adepten, wenn er die »Kronenwächter« letztlich als Allegorie der Moralphilosophie Kants liest und z.B. das »Hausmärchen« als »Ausdichtung des bekannten Kantischen Grundgesetzes^,' 7 d.h. des kategorischen Imperativs betrachtet. Die Orientierung der gesamten Interpretation an Kants »Ethiko-Teleologie«' 8 führt überdies dazu, daß Geppert für seine Deutung relativ oft auf den »Nachtrag« zum 2.Teil zurückgreifen muß, dessen Fragmente einige Überlegungen zu einer teleologischen Fortführung des Romans enthalten. Ulfert Ricklefs (»Kunstthematik und Diskurskritik. Das poetische Werk des jungen Arnim und die eschatologische Wirklichkeit der Kronenwächter«'') baut seine Interpretation hingegen nicht zuletzt auf der von ihm überzeugend vertretenen These auf, daß man von einer » U m a r b e i t u n g « des i. Bandes nicht sinnvoll sprechen kann, da der heutige 2. Teil, der A n t o n r o m a n , ursprünglich den einzigen Band der » K r o n e n w ä c h t e r « darstellte, einen historischen Künstler- und P i c a r o r o m a n , an dem A r n i m wahrscheinlich bis 1 8 0 6 arbeitete. D e r Bertholdroman
ersetzt
später den A n t o n r o m a n , ist keine U m a r b e i t u n g einer in irgendeiner F o r m z u r Z e i t der A b f a s s u n g des A n t o n r o m a n s existierenden F a s s u n g « . 2 0
"> Ebd., S . 3 2 . ,s Ebd., S.74. ' 6 Vgl. etwa Arnims Bemerkungen zu Kant in seinem Versuch einer Zusammenfassung seines Bildungsgangs (abgedruckt bei Streller 1956, S. I n f . ) und im Manuskript »Die lustige Vehme« (abgedruckt bei Wingertszahn 1990, S. 6ni.y hier S. 621). 17 Ebd., S.64. 18 E b d . , S. 120. ' ' Tübingen 1990 ( = Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte Bd. 56). 20 E b d . , S. 1 4 1 , vgl. S. i}jf(. D i e wichtigsten Dokumente zur Entstehungsgeschichte versammelt A W 2, S. 6 2 1 - 6 2 5 . J3 1
Unsere Deutung der »Kronenwächter« folgt Ricklefs in diesem Punkt und verzichtet deshalb strikt darauf, den zweiten Band oder den »Nachtrag« zur Lösung interpretatorischer Probleme heranzuziehen. Unbeschadet ihrer grundsätzlich anderen Voraussetzungen steht Ricklefs' Deutung derjenigen Gepperts in vielem nahe. Auch er verweist einleitend auf die »Polyphonie und Vielschichtigkeit«21 des Romans, verzichtet aber darauf, ihr en detail nachzugehen und unterstellt stattdessen eine Hierarchie der Ebenen und Themen. 22 Dies führt im Ergebnis ebenfalls zu einer Integration der Vielschichtigkeit in ein einsträngiges Interpretationskonzept, das die ethische Dimension als zentrales Anliegen des Romans sieht. Ahnlich wie bei Geppert wird die Spannung zwischen dargestellter Wirklichkeit und utopischer Motivik akzentuiert, aber nicht als Entwurf einer kantischen, sondern - dem Arnimschen Denken wohl adäquater - einer paulinisch-lutherisch inspirierten Ethik 23 gedeutet. Rikklefs sieht in Arnims »Geschichtsroman« einen »universalen Spiegel des Wirklichen« als »eschatologische Wirklichkeit«. 24 Dies meint die Darstellung einer unerlösten dissonanten Wirklichkeit unter »Ausschließung stringenter sinnhafter Zusammenhänge in Geschichte und Wirklichkeit und die Negierung ewiger Zwecke und Ziele der Geschichte«, 2 ' als deren »Spiegel« er die unaufgelöste »Vielstimmigkeit«26 des Romans deutet. Sie steht unter dem »zeittranszendenten Postulat einer Ewigkeit von >Treue und Liebeungefiltert< in einem Dialog zutage treten (23off.). Die weitgehende Abwesenheit einer kontrollierenden allwissenden Erzählerinstanz spiegelt sich auch stilistisch. Die Forschung hat auf die häufige Parataxe in den Kronenwächtern verwiesen," ihren erzählerischen Momentanismus, 40 den Verzicht des Erzählers/Autors auf Totalität41 und die »feste Mitte«42 sowie auf die vielen Sprachspiele, deren >gleitende Semantik< und virtuose Doppelbödigkeit auch eine auktoriale Kontrolle über das Signifikat des Wortes zu verneinen scheinen. >6 Vgl. z . B . Riebe 1952, S. i 2 j f f . ; Elchlepp 1967, S. 192 u. passim; Geppert 1979, S. 13L und 90; Ricklefs 1990, S. 136. Wingertszahn bezweifelt selbst das Vorhandensein eines »persönlichen Erzählers« (S. 3 1 1 ) . 37 Die Seitenzahlen im Text beziehen sich wieder auf den von P.M. Lützeler herausgegebenen Band AW 2. Vgl. Riebe 1952, S. 123. " Vgl. ebd., S. 17. 40 Vgl. ebd. S. 137 und 1 4 1 . 41 Ebd. S. 144. Best 1 9 3 1 / 3 2 spricht von der »impressionistischen Gestaltungsart Arnims« (S. 167). 42 Ebd. S. 148. Wilhelm Grimm sieht in diesem, Arnims Prosa allgemein prägenden Stilzug in der Diskussion der >Novellen von i8i2< eher eine Idiosynkrasie; sein Leseeindruck ist aber erhellend: » [ . . . ] D u hast eine Perspective, wornach die Sachen in ihr Verhältniß kommen, aber ein anderer noch nicht« (Steig III, S. 205).
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Damit ist die erzählerische Gesamtstruktur der »Kronenwächter« jedoch nur unzureichend beschrieben. Denn auf den oben angesprochenen kommentarlosen Dialog zweier Tellerwäscherinnen (23off.) folgt beispielsweise unmittelbar eine in deutlich auktorialem Gestus vorgetragene Reflexion des Erzählers über den Unterschied von Stadt- und Landleben. Der personal erzählten Handlung stehen in spannungsreichem Kontrast deutlich auktoriale Reflexionen gegenüber. Dazu zählt zunächst natürlich die »Einleitung«, deren Abschnitt »Weiblingen« den Leser gleichsam an der Hand nimmt und ihn zum »Schauplatz unserer Geschichte« (16) führt, 43 der konsequenterweise auch als »Bühne« (16) bezeichnet wird. Mit dieser Anspielung auf die Metapher vom »theatrum mundi« wird zunächst die Perspektive des Uberblicks über den gesamten Gang der irdischen Dinge beansprucht. Aber hier folgt umgekehrt in >harter Fügung< ein zunehmend von auktorialen Kommentaren freies Kapitel, in dem der Leser die eingeschränkte Perspektive der Figuren zu teilen hat. Dem auktorial gehaltenen Eingang korrespondiert ein ebenso stark vom Erzähler dominierter Schluß (327), der in überblickendem Gestus das Ende der Handlung des ersten Bandes referiert, die Figuren direkt anredet (327) und den Fortgang der Handlung zu skizzieren versucht (328). Auch innerhalb des Romans tritt der Erzähler immer wieder aus dem Fortgang der Ereignisse heraus, um über eher allgemeine Fragen zu reflektieren. Die wichtigsten dieser Passagen sind, neben den bereits angesprochenen Überlegungen zum Stadt- und Landleben (233), die Einleitung zum zweiten Buch (96ff.), die sich ästhetischen Fragen widmet, und die Einleitungspassage zur »sechsten Geschichte« des dritten Buches, eine Reflexion über den Winter und den natürlichen Wandel der Zeiten. Daneben findet sich eine nicht unbeträchtliche Anzahl meist kurzer Erzählerreflexionen im Text. In den von einigen Figuren vorgebrachten Sentenzen, die oft Überzeugungen Arnims äußern,44 überlagern sich in gewisser Hinsicht auktoriale und personale Elemente. Es besteht in den »Kronenwächtern« also ein Nebeneinander bzw. eine Diskrepanz zwischen einer »gleichmütigen Relativierung«45 durch das Erzählen ohne »feste Mitte« und klar auktorialen Passagen, die deutlich auf ein gedankliches und stilistisches Zentrum zurückverweisen. Diese
« Vgl. R. Burwick 1986, S. 136. 44 Geppert sieht in Berthold als »klarsichtiger Beurteiler historischer Ereignisse« sogar das »Sprachrohr seines Autors« (S. 32). 4! Ricklefs 1990, S. 136.
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Spannung zwischen monolithischer Aussage und relativierendem Gegenspiel findet sich auch in der spezifischen Konstitution der Symbolik des Romans. Bereits beim flüchtigen Lesen der ersten Seiten fällt auf, wie sehr einzelne Textsegmente über sich hinausweisen, wie deutlich hier nicht nur eine narrative, sondern auch eine übergeordnete Bedeutungsebene im Spiel ist, wenn z.B. im ersten Kapitel gleich mehrfach Situationen allegorisch ausgedeutet werden (i9f.). Eine Figur fragt nach »einem Zeichen [ . . . ] vom neuen Jahr« (19), und der Erzähler kommentiert die erste kurze Eingangsszene mit den Worten: » . . . so führte das Glück der Armen die beiden Reichen wie eine Vorbedeutung in ihre Häuser heim« (20).46 Dieser ebenfalls auf »Aussage« hin ausgerichteten allegorischen Struktur steht nun gleichermaßen ein relativierendes Moment gegenüber: die in der Forschung oft bemerkte Tatsache, daß es ausgesprochene Komödien- und Genreszenen sind, die mit einer weit ausgreifenden Bedeutung aufgeladen werden. 47 Ähnlich verhält es sich mit den Figurationen nach typologischem Muster, wenn ein eher durchschnittlicher Charakter wie Berthold nacheinander mit Moses, Parzival, Tristan und Paris konfiguriert wird. Die Symbolik der »KronenWächter« spiegelt damit genauso die Spannung von zentrierter Aussage und dezentriertem Gegenspiel, wie dies auf anderer Ebene auch die Opposition des übergreifenden Begriffs der »Geschichte« in der Überschrift der »Einleitung« und die Bezeichnung der einzelnen Kapitel als »Geschichten« tut. Die neuere Forschung hat hier vor allen Dingen den Aspekt universeller Relativierung in den Vordergrund gerückt.48 So spricht Geppert von der »Auflösung einer verbindlichen Erzählerinstanz«, 49 und auch Wingertszahn hält - mit Bachtin - den Erzähler nur für eine Stimme neben »den einzelnen Stimmen der Figuren«. 5 ° Er sieht im »personalen Erzählprinzip [ . . . ] ausdrücklich multiple Perspektiven über die auktoriale Vogelperspektive [ge]stellt«SI und interpretiert dementsprechend die Spannung zwischen Genreszene und mythisch-theologischer Symbolik im er-
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Vgl. auch die Allegorese des »Mahlschatz« (18if.). So schon Best 1 9 3 1 / 3 2 , S. 144 und 169, vgl. R. Burwick 1986, S. 136 und Wingertszahn 1990, S. 332. Schon Riebe sieht hier den »Verweis auf die Endlichkeit und Vergänglichkeit« (S. 132) des Irdischen. Geppert 1979, S. 14. Wingertszahn 1990, S. 317. Wingertszahn betont besonders die Polyphonie der »Figurenstimmen und Sprachhorizonte« (S. 3 1 2 ) sowie der »Schreibweisen« (S. 317). Auf die stilistische Vielfalt des Romans macht bereits die Arbeit von Peter Esser (Uber die Sprache in Achim von Arnims Roman »Die Kronenwächter«, Diss. Köln 1937) aufmerksam. Wingertszahn 1990, S. 333. I
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sten Kapitel ausschließlich als Parodie und Destruktion »konventionalisierter literarischer Darstellungsformen«.' 2 Damit wird die spezifische Spannung der »Kronenwächter« jedoch nur unzureichend gewürdigt. Es scheint mir außerordentlich wichtig, den auktorialen Aussagewillen in den »Kronenwächtern« ernst zu nehmen und nicht nur als »ironisierte pädagogische Stimme«53 zu betrachten. Zu sehr betont Arnim die didaktische und expositorische Dimension seiner Werke,54 zu deutlich sind die Beziehungen der auktorialen Passagen zu Gedanken, die Arnim gerade in Briefen und stärker noch in seinem publizistischen Werk vertritt. Gleichzeitig hat aber diese aussageorientierte Ebene in den personalen, dezentrierten und partikularen Elementen des Romans einen relativierenden Widerpart, der die Präsentation der persönlichen Uberzeugungen Arnims konterkariert. Beide Elemente stehen in ständigem Widerspiel, wodurch eine Diskussionsstruktur entsteht. In diesem Sinne ist es tatsächlich problematisch, von der Autorintention in den »Kronenwächtern« zu reden, es ist andererseits aber auch nicht völlig illegitim. Man könnte versuchsweise von zwei Spielern in den »Kronenwächtern« sprechen, dem >auctor< und dem (autorintentionsunabhängigen) >Romansubscriptiones< den symbolischen Bedeutungsgehalt des Romans (als >picturaKronenwächtern«unterzubringen
79 80
Vgl. Wilhelm 1955, S . 8 9 f f . In diesem Sinne beansprucht er die Verfügungsgewalt über den gesamten Besitz Bertholds, einschließlich seiner Frau (vgl. S. 28off.). Vgl. die diesbezügliche Kontrastierung Waiblingens mit Augsburg in der Einleitung (17). Auch in Waiblingen hatte bereits der Vorgänger Bertholds im Bürgermeisteramt ver148
Die gegenwärtige Situation ist hingegen dadurch gekennzeichnet, daß »die reichen Geschlechter« (156) dem Landadel nacheifern und die Stadt verlassen, um sich »außerhalb Güter, wie kleine Königreiche« (156) zu kaufen. Politisch indiziert dies die sich abzeichnende Gefahr, daß Augsburg »vielleicht künftig von den Landgütern [...], wie Weiblingen von Stuttgart aus befehligt« (156) werden könnte. Damit ist, wie an vielen anderen Stellen des Romans, zunächst natürlich eine Warnung vor einer Art >Dialektik der Neuzeit< formuliert. Daneben wird in der Schilderung der Wirklichkeit Augsburgs, ebenso wie der Waiblingens (19), die ökonomische Unterteilung des Bürgertums in arm und reich angedeutet. Auch hier bestätigt die tiefergehende Darstellung im Roman den einfachen Analyseansatz der Einleitung zwar bis zu einem gewissen Grad, um ihn letztlich in Frage zu stellen. Die Opposition Mittelalter/Neuzeit, Adel/Bürgertum, unter der »Weiblingen« in die geschichtliche Wirklichkeit der »Kronenwächter« einführt, wird also von den gezeigten Verhältnissen erheblich differenziert. Man kann darin ein Bild der Zeit als dissoziiert, verworren und einer klaren Perspektive bedürftig sehen, das natürlich deutlich auf die eigene Gegenwart Arnims gemünzt ist. Darin liegt aber zugleich eine Kritik des Analyseansatzes, dessen Geltungsanspruch mehr und mehr durch die dargestellte Wirklichkeit eingeschränkt wird. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, daß zumindest am Rande mit den aufrührerischen Bauern (vgl. 137, i68f.) eine weitere gesellschaftliche Gruppe erscheint, die sich dem Klassifikationsschema, das Arnims politisches Denken und die auktoriale Seite der politischen Bedeutungsebene der »Kronenwächter« prägt, weitgehend entzieht. Vollends fraglich wird die Opposition Alt/Neu als Grundlage der Geschichtsdeutung am Ende des Romans, wenn Berthold seine Bürger, um die Reichsfreiheit zu erringen, an der Seite des Herzogs von Bayern und der Kronenwächter gegen Herzog Ulrich ins Feld führt (297ff.). Erst zum zunehmend wieder auktorial erzählten Schluß hin klären sich die Fronten; dort liefern die vom Staufer Konrad geführten Soldaten den Waiblinger Bürgern ein erbittertes Gefecht. Die Betrachtung der geschichtlichen Wirklichkeit in den »Kronenwächtern« unter den in »Weiblingen« vorgeschlagenen Kategorien ergibt somit letztlich das zeitkritische Bild einer orientierungslosen Welt.
sucht, »die Stadt reichsfrei zu machen« (110). Zum Gegenwartsbezug des Themas der reichsstädtischen Verfassung vgl. auch Geppert 1979, S. 95.
149
Gleichzeitig wird im Zuge der Analyse jedoch das zugrundeliegende Analysemodell, die >subscriptiogeboren i n der Berthold mit drei Mädchen der >OberschichtReifeFehlerTurmgesellschaft< bilden.
169
Die Verknüpfung der Nachkommen im Streit erweist sich im Roman nicht nur als Teil der Blutsmystik der Kronenwächter, sondern als objektive Gegebenheit. Berthold >entdeckt< sein Eingewobensein in diesen Zusammenhang zunächst unter positiven Vorzeichen und versucht daraus eine geistige Orientierung zu gewinnen. Nach dem Blutstausch mit Anton (der unter genealogischem Gesichtspunkt irrelevant, d.h. ein Austausch von Gleichem mit Gleichem ist) beginnt er seine Ritterleidenschaft als etwas zu sehen, »wozu mein Blut mich bestimmte« (126). Die wunderbare Heilung wird von ihm als Befreiung zur Bestimmung begriffen: »Die Gesundheit hatte das Samenkorn, das bis dahin in ihm, wie im Sarge geruhet, schnell zum Keimen gebracht, es sprengte das Steingewölbe, das ihn bisher umgab; er war, erfühlte sich frei und zu etwas bestimmt« (127; meine Hervorh.; M.N.). Der Doppelaspekt der Motivik von Blut und Erbe spiegelt sich an dieser Stelle in der Ambivalenz von auktorialer und personaler Perspektive. Nimmt man die Passage als auktorialen, quasi objektiven, Kommentar (»er war«), so indiziert sie, daß die »Bestimmung« hier mehr ist als nur ein Ideologem. Liest man sie unter personalem Vorzeichen (»er fühlte sich«), so zeigt sich hier Bertholds Annäherung an die Gedankenwelt der Kronenwächter. Die Bedeutung von Herkunft und »Bestimmung« als objektiver Gegebenheit wird in Augsburg durch ein kleines Bildzeichen unterstrichen. Berthold erwirbt für das Gesellenstechen eine alte Hohenstaufenrüstung, die ihm, dessen Konstitution als »wohl von hohem Wüchse, aber in dem Stubensitzen und Kränkeln etwas dünnlich angewachsen« (139) beschrieben wird, dennoch vortrefflich »paßt« (139). Gegen Ende seines Lebens begreift er allerdings seine Einbindung in den transsubjektiven Zusammenhang, der sich aus Erbschaft und Blutsbanden ergibt, vor allen Dingen als erfahrene Determination, als Schicksal: »[...] umsonst habe ich mich dem Mißgeschicke meines Stammes entzogen, es hat mich durch Anton ergriffen« (303). Er spricht von »Verfolgung«, der nur im Tode zu entgehen ist. Dahin deutet seine letzte Reflexion in der Gruft des Klosters Lorch: »... hier ist brüderliche Einigkeit, hier verfolgen sie die Ihren nicht mehr, sie wollen gern Alle beisammen sein jenseits der Erde, darum nur lassen sie den Ihren keine Ruhe auf Erden.-« (307Í.). Er will daher nicht nur sterben, sondern den genealogischen Zusammenhang endgültig beenden; sein Wunsch ist das »Aussterben« (306). Schließlich signalisiert der Roman nochmals unabhängig von Bertholds Reflexionen, daß Herkunft, Erbe und Blut mindestens Zeichen für eine 170
»Bestimmung« des einzelnen jenseits aller Ideologien sind, indem er die magische Blutsverbindung Antons und Bertholds in ihre schicksalhafte Verbindung zum Tode münden läßt. »Berthold liegt von derselben Gewalt, die ihn heilte, entseelt, auf den Leichensteinen seiner Voreltern [...]« (328).
2.3 E t h i k Die ideologische Verformung der offensichtlich auch objektiv unabweisbaren »Bestimmung« des Individuums durch seine Herkunft, sein »Blut« (allgemeiner: die Vergangenheit) zur Idee der Herrschaftslegitimation durch Geburt verfällt in den »Kronenwächtern« auf der politischen Bedeutungsebene einer Kritik, die im wesentlichen moralisch motiviert ist. Damit stellt sich die Frage nach der dahinterstehenden Ethik, die zugleich die Frage nach dem Leitfaden für das Verhalten unter der skizzierten »conditio humana« ist. In den »Kronenwächtern« gibt es hierzu gleich zwei, miteinander nicht restlos vermittelbare, Entwürfe. Das Konzept in den »Kronenwächtern«, dem wir uns zuerst zuwenden wollen, ist deutlich durch das zeitgenössische Denken inspiriert und trägt Züge der praktischen Philosophie Kants, verweist aber auch auf Goethes Gedanken des »Entsagens«. Es wird vor allen Dingen anhand von Beispielen dargestellt, die die Durchbrechung der Determination durch das Geschlecht als Handeln gegen das eigene dynastisch legitimierte Interesse zeigen. 10 ' Dies demonstriert zunächst Bertholds Vater, der sich der Krone nur bemächtigt, um durch ihre Auslieferung seine Geliebte zur Frau zu erhalten (77). Er beansprucht die Krone nicht für sich, sondern entscheidet sich frei gegen »Tradition und Herkunft« 1 1 0 und damit gegen jeglichen Anspruch einer genealogisch legitimierten Herrschaft. Daß er beim Raub der Krone das Kind ins Wasser fallen läßt, geschieht gegen seinen Willen, und im entschuldigenden Kommentar der hohen Fremden, die die Geschichte
Diesen Aspekt der ethischen Sinnschicht des Romans stellt vor allen Dingen die Deutung von Geppert in den Vordergrund. Seine Hinweise sind wertvoll, eine Gesamtinterpretation läßt sich darauf meines Erachtens jedoch nicht aufbauen. Geppert 1979, S. 3. Z u einer anderen Deutung kommt, wer, wie Burwick, die »Kronenwächter« als politischen Erlösungsroman versteht. Sie beklagt den » [ . . . ] Mißbrauch der Krone. Er raubte sie nicht, um seiner Pflicht als Herrscher nachzukommen, sein Land zu vereinen und zur Höhe zu führen, [...]« (R. Burwick 1986, S. 140). l
7
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erzählt, ist die Anspielung auf das ethische Denken der Goethezeit deutlich erkennbar: E s gibt Augenblicke, die so furchtbar schnell zu einem Entschlüsse drängen, daß der höhere Wille keine Zeit hat, den rohen Trieb zu bemeistern. (83)
Der Geltungsbereich ethischer Autonomie ist jedoch - anders als beispielsweise in der Kantischen Ethik - in den »Kronenwächtern« stark eingegrenzt. Dies indiziert auch die Sentenz eines Einsiedlers, die ebenfalls von der »hohen Fremden« überliefert wird: [ . . . ] wir Menschen sind Nachtwandler mitten am Tage, nur ein kleiner Kreis unsers Lebens ist zu unsrer Prüfung der freien Wahl überlassen, öfter ist es unsre höchste Tugend, dem Gesetze und dem Triebe unsres Herzens uns mutig zu überlassen, w o der Geist nicht widerspricht. - ( 7 6 ) " '
In diesem Sinne frei »ihren Ansprüchen entsagen« (93) will die »hohe Fremde«, die den genealogischen Zusammenhang auch zeichenhaft zu negieren sucht. Auf ihrem »Gedecke ließ sich deutlich ein fürstliches Wappen noch an der Krone erkennen, ungeachtet das Schild ausgeschnitten und ein schön gewebter Blumenstern eingenäht war« (73). Noch übertroffen wird ihre Haltung durch das Handeln Antons gegenüber Maximilian, die gleich zweimal, einmal aus der Perspektive des Kaisers (167^), einmal aus der Perspektive Antons (285^) erzählt wird. Gerade in Antons Erzählung erscheint der Aspekt einer sittlichen Autonomie, die sich gegen alle objektive und ideologische Determination durchsetzt, deutlich auf. Die Kronenwächter haben Maximilians Annäherung an die Kronenburg bemerkt und erklären den Brüdern Anton und Konrad, »daß der Tag gekommen sei, uns zu bewähren, unsern Feind zu vernichten« (285), kurz: ihre genealogische Herrschaftslegitimation durch Taten zu konfirmieren (wie dies im »Hausmärchen« gezeigt wird). Die Voraussetzungen für einen sittlichen Widerstand Antons sind denkbar schlecht, war ihm der Kaiser doch »durch die Erzählungen der Kronenwächter zu einem Drachen verfabelt, den zu vernichten höchstes Verdienst schien« (28 jf.). Doch Anton handelt gegen ihren Befehl: Ich kletterte ohne Sorgen hinauf, w o der Kaiser sich verstiegen hatte und sah ein mildes Antlitz im Gebet ergossen, in seinen Untergang ergeben, und doch voll Vertrauen zum Himmel. Solch einem Antlitz widerstehe, war [sie!] aus Felsen gehauen, ich beschloß, den Kaiser zu retten, führte ihn zu einem Wege, den ich beim Jagen kennen gelernt hatte und erbat mir zur Belohnung sein Schwert. (286, vgl. 168)
' " Vgl. Geppert 1979, S. 28. Zur »hohen Fremden« vgl. daneben Ricklefs 1990, S. I9)f.
172
Berthold wiederum fühlt sich zwar durch sein »Blut [ . . . ] bestimmt« (126), folgt aber dennoch der Legitimitätsideologie der Kronenwächter aus sittlichen Motiven nicht: Ich sage E u c h meine Ansicht, antwortete Berthold, verhehlt sie nicht den K r o nenwächtern. Ich meine, daß ein hochberühmtes Geschlecht nach Gottes Weisheit von der H ö h e schwindet und dem gemeineren Platz macht, wenn seine Fortdauer Greuel brütet. Denkt euch, der vielfache M o r d , an welchem mein Vater untergegangen, wäre von dem herrschenden Geschlechte vor den Augen der Welt begangen, welch ein Vorbild den Völkern; jetzt schwindet er in der Unbemerktheit, nur denen verderblich, die sich darin verwickelt finden« (202f.).
Demgegenüber ist die - ebenfalls freie - Durchbrechung der legitimen Geschlechterfolge in der Nachfolgeregelung des Königs im »Hausmärchen« (freilich nur für den Fall seines kinderlosen Todes; vgl. 214) Ursache allen Übels. Für die Kronenwächter ist schon der Gedanke an das Ende des eigenen Geschlechts in der Zeit verwerflich. An Berthold zeigen sich jedoch die (praktischen) Grenzen dieses ersten ethischen Konzepts. Ihm gelingt es nicht, seine Distanz zu den Kronenwächtern aufrechtzuerhalten. Es scheint mir daher auch nicht richtig, seine letzte Lebensphase als »positive Wendung« zum »Ideal der >tätigen SelbstaufgabeNotwendigkeitSchlußstein< der politischen wie der ethischen Sinnebene bildet:
Die Inschrift wird im Roman von Berthold verfaßt, auf dessen problematisches Verhältnis zur Ethik des »Alten« wir im folgenden gesondert eingehen werden.
1/6
Daß ein Geschlecht vergehe und das andre komme, und die Erde indessen unbeweglich bleibe und ein jegliches D i n g seine Zeit und alles unter dem Himmel seine Stunde habe, dessen gedenket man nicht, wie es doch jedem geraten ist, denn die künftigen Zeiten werden alles zugleich in Vergessen bringen, was w i r aufzeichnen von der Vergangenheit und was wir schaffen in der Gegenwart, denn nichts erringen wir, als die Z u k u n f t . ( 3 0 8 ) " 6
Eine letzte kontrastive Korrespondenz zur Autonomieethik bildet schließlich die Tatsache, daß auch das >zweite< ethische Konzept am ausführlichsten von einem Einsiedler expliziert wird, dessen Person daneben noch einmal die Verknüpfung mit dem Motiv des Erbes verdeutlicht. Der Einsiedler Anno wird als »Erbe« seiner »Kinder und Kindeskinder« eingeführt, die »ihm [ . . . ] allmählig abgestorben« (290) sind. Gerade diese Sonderstellung innerhalb der Generationen- und Erbfolge" 7 ermöglicht ihm ein der Lehre des »Alten« gemäßes Leben zwischen Weltzuwendung und Eingedenken der Zeitlichkeit, wie sie in der dunklen Metapher von Lehen und »Zins« zuerst angedeutet worden war. Er konnte [ . . . ] die Ereignisse dieser Welt von da an nur immer als Gleichnisreden zur Belehrung, aber nicht als etwas, das an sich bestehe, ansehen. Von da an habe er alle Sorgen, aber nicht den Fleiß aufgegeben, denn was er auf seinen A c k e r n und Bergen über sein Bedürfnis gewinne, das schenke er frommen, armen L e u ten, die es bedürften, oder denen, die ihn in guter Gesinnung besuchten.« (290)»«
Anno ist nicht nur - wie der »Alte« — ethischer Lehrer, sondern selbst Exempel »zur Belehrung«. Die »Sorgen«, aber nicht den »Fleiß« aufgeben, das ist wohl die knappste positive Formel, die für das zentrale ethische Konzept der »Kronenwächtern« angeboten wird. Der expliziten Darlegung dieser Ethik korrespondieren in den »Kronenwächtern« eine Reihe von zeichenhaften Hinweisen. Exempel und Symbole für die Zeitlichkeit des Irdischen und die Gefahr der Vernachlässigung dieser Einsicht finden sich reichlich. Schon im ersten Buch werden die Motive Herkunft, Zeitlichkeit und Überhebung zu einer kleinen Allegorie verwoben:
' ' 6 Der objektive Charakter der Inschrift wird vom Roman noch dadurch unterstrichen, daß sie vom Mönch völlig absichtslos, um Berthold »zu zerstreuen« (308), vorgelesen wird. " 7 Lützelers Kommentar weist darauf hin, daß im »Annolied« die »herrschenden Franken [ . . . ] durch eine mythisch-genealogische Rückbindung an die Trojaner« (AW 2, S. 736) legitimiert werden. Uber den Namen des Einsiedlers wird damit seine Lehre auch als Kritik an der Legitimitätsideologie der Kronenwächter klar kenntlich gemacht. Ricklefs (1990) sieht hier natürlich die »Schlüsselszene« (S. 1 6 1 ) des Romans. " 8 Vgl. dazu 1.1.3.2 sowie Ricklefs 1990, S. 210. l
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Der alte Berthold und Frau Hildegard gedachten aber der hohen Abkunft des Sohnes, die er so männlich beurkundet hatte und wie ihnen der Knabe zum Schutz ihrer alten Tage gedient habe, aber sie sprachen nur heimlich davon, daß der Junge nicht stolz würde. Nun kamen schon die Arbeiter mit dem sargartigen Kasten für Frau Hildegard, um sie [vom Turm; M.N.] herab zu lassen [...] (59f-)Ein weiteres wichtiges Zeichen ist das M o t i v des »Babylonischen Turms« ( 6 2 ) ' " als S y m b o l menschlicher H y b r i s . D a s »Hausmärchen« akzentuiert hingegen eher den G e d a n k e n der tätigen Weltzuwendung. So falsch es ist, sich an sein E r b e , die Welt, z u klammern, so falsch ist es doch auch, es wie der K ö n i g zu Beginn des »Hausmärchens« — zu vernachlässigen (204t.). A u c h hier weist die Einsicht in die Endlichkeit ( » . . . der K ö n i g fühlte z u m erstenmal, daß er noch nicht zum Sterben vorbereitet s e i . . . « ; 206) den rechten Weg: E r bekennt angesichts des vermeintlich drohenden Todes sein »Unrecht«, das »Volk« und seine » K r o n e lange vergessen« (209) zu haben. 1 2 0 D a s Problem des richtigen Verhältnisses von Weltzuwendung und dem Bedenken der Vergänglichkeit reflektiert vor allen D i n g e n das M o t i v der >festen G r ü n d u n g c 1 2 ' D e r R o m a n erzählt beispielsweise die sagenhafte Geschichte der G r ü n dung Waiblingens nach der Zerstörung der »Hauptstadt der alten schwäbischen H e r z o g e « (27) durch Attila. Dieser will seinerseits »etwas Festes begründen, und w o er kein ererbtes Recht hatte, doch in seinem M u t ein Recht der E r w e r b u n g begründen« (227^). D i e ethische Quintessenz aus diesem verdeckten Kontrast zieht das Münsterlied: Soll sich Dauerndes bereiten, Steigt es nur aus frommer Sitte. (103) D i e Umstände der G r ü n d u n g , der richtige Geist, sind beim Straßburger Münster von so großer Bedeutung, daß nach dem B r u d e r m o r d nach der Grundsteinlegung (104) ein zweiter G r ü n d u n g s a k t notwendig ist: Wer hat diesen Streit entzündet? Ruft der Bischof mit Entsetzen, Neu sei dieser Bau begründet, Nicht mit Blut dürft ihr ihn netzen. (104)
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Vgl. dazu Ricklefs 1990, S. i98ff. und Wingertszahn 1990, S. 3 i 8 f f . und }24if. In diesen Kontext gehört natürlich auch das Jagdmotiv, das als Zeichen eines zu überwindenden subjektivistischen Solipsismus sowohl dem König im »Hausmärchen« (vgl. S. 205, S. 219) als auch Maximilian (vgl. S. 169 u.ö.) zur Seite gestellt ist. Vgl. dazu auch Ricklefs 1990, S. i89ff. (»Motivik des Bauens, Sichanbauens, Wohnens«)
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Dieser zweiten Gründung dient der Opfertod des Brudermörders, ohne den der Turm durch zwei darunterliegende Quellen unterspült worden wäre: 122 E i n e Q u e l l e will ich laben M i t des armen B r u d e r s Leiche, U n d ein G r a b mir selber graben, D a ß das Wasser schaudernd weiche. D a n n erst ist der T u r m begründet, U n d das Wasser ist b e z w u n g e n , U n d die Säulen h o c h verbündet Sind v o m S u m p f e nicht verschlungen. ( 1 0 5 , 1 - 8 )
Die Bedeutung dieser Passagen wird durch den Kontrast mit dem Untergang Erwins, des »über alles Irdische hinausdrängenden Baumeisters«, 123 natürlich noch unterstrichen. Das Motiv der Kirchengründung erscheint an einigen weiteren Stellen in den »Kronenwächtern«. Die »Gründung der Kirche« (218) durch den König im Hausmärchen erfolgt - wie der Bau des Straßburger Münsters im richtigen Geist; aus Demut und Dankbarkeit (vgl. 217). Bei Bertholds Kapellenbau (260, vgl. 305) ist dies jedoch fraglich. Sein Verhältnis zur Lehre des »Alten« bildet einen eigenen Problemkreis innerhalb der ethischen Bedeutungsebene der »Kronenwächter«. Beinahe alle Darlegungen der zweiten von uns behandelten Ethik in den »Kronenwächtern« werden primär als Lehren an Berthold gerichtet. Seine beiden Leben, sein Handeln und Denken und ihr Verhältnis zur empfangenen Lehre gehören daher essentiell mit zur ethischen Sinnschicht des Romans. Dies in doppelter Hinsicht: Zum einen bildet die explizit formulierte Ethik einen kritischen Maßstab seines Handelns, zum anderen wirft aber gerade der Verlauf seiner beiden Leben (wie schon innerhalb der politischen Bedeutungsebene) die Frage nach der Praktikabilität des in der didaktischen Dimension des Romans Gelehrten auf. Z u n ä c h s t befolgt Berthold der Rede v o m » Z i n s « gewissermaßen wörtlich, d. h. er verwendet sein ererbtes G u t als Investitionskredit, w e n n er den Palast - den er zunächst nur deshalb ersteigert hatte, weil er ihn f ü r »sein liebes E i g e n t u m « ( 4 5 ) h i e l t - a u f den Rat Fingerlings hin z u m » B a u p l a t z « (56), also z u m Betriebsgelände und Fabrikationsort macht. Berthold handelt durchaus nicht selbstherrlich, sondern »demütig« (56), und seine Bautätigkeit am Palast ist kein verfügendes A b r e i ß e n , sondern ein rekonstruierender W i e d e r a u f b a u (57). D i e U m w i d m u n g des Palastes erscheint zunächst nicht als ein eigenmächtiges Verfügen über das E r b e , sondern als dessen B e w a h r u n g in der (neuen) Zeit. Sein
122 123
Vgl. dazu auch Wilhelm 1 9 5 5 , S. 6 4 - 6 7 . Ricklefs 1990, S. 199. 1
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Handeln steht - im Sinne einer behutsamen Weltzuwendung - nicht im Widerspruch zur Lehre des »Alten«; der Roman deutet zumindest nichts Gegenteiliges an.
Eine kleine Episode zeigt jedoch, daß schon beim jungen Berthold Denken und Empfinden nicht unbedingt dieser Lehre folgen: Als er als »Knabe« von der List seines Pflegevaters erfährt, wie dieser »dem Knaben durch eine eingebildete Anstellung Lust zur Arbeit gemacht habe« (32), gibt er zu erkennen, daß ein Leben unter dem Vorzeichen der Vorläufigkeit nicht seinen Vorstellungen entspricht: Ich habe nun schon seit Jahren etwas zu tun vermeint, es w a r aber lauter Nichts und nur zu meiner Ü b u n g ; wenn nun das alles, was ich hier treiben soll, auch nur zu meiner Prüfung und an sich zu nichts dient? ( 3 2 ; vgl. 87 und 94)
Die Gesamtstruktur des ethischen Diskurses in den »Kronenwächtern« ist dadurch gekennzeichnet, daß einem ethisch zweifelhaften Handeln Bertholds fast immer eine ethische Unterweisung unmittelbar vorangeht oder, wie hier, folgt: Vielleicht, lieber Sohn, antwortete der Alte leise, zuweilen überkommt mich so eine tiefere Einsicht und sie erschreckt mich nicht mehr wie sonst [ . . . ] (32)
Die Krankheit, die Berthold ereilt und mit der die Geschichte seines Lebens im zweiten Buch einsetzt, scheint zunächst seine Haltung radikal verändert zu haben: Er spricht nun von seiner »Einsicht von der Nichtigkeit [...], welche die Welt in ihren Herrschern verehrt«, von den »Absichten der Uberklugen [...], welche der Zeit Gewalt antun möchten«, auf die er »in eitlem Sinn« (106) beinahe eingegangen wäre. Kurz darauf erfolgt jedoch seine wohl eklatanteste Mißachtung der Mahnung des »Alten«, wenn er sich mit der »wunderbaren Heilung« auf die Magie Fausts einläßt und durch ein »zweites Leben« die Zeitlichkeit seiner Existenz zu hintergehen sucht. Danach ändert sich sein Verhalten.124 Die (wohl krankheitsbedingte) Einsicht in die Vergänglichkeit des Seins ist vorerst vergessen, er fühlt sich jetzt »gesund« und meint: » [ . . . ] was ist Gesundheit anders, als der freie Gebrauch des Lebens« (121). Auch ein gutmütiges »Nein, nein« ( 1 2 1 ) seiner Mutter kann ihn von dieser Haltung nicht abbringen. 124
Vgl. dazu auch Ricklefs 1990, S. 15 i f f . (»Die kritische Kontrastierung der beiden Leben«) und 161 ff. (»Motive der Selbstmächtigkeit im >zweiten Leben«Schuld< sehen kann. Der Sachverhalt ist jedoch auch als Relativierung der ethischen Hauptaussage deutbar, erweckt er doch Zweifel an der praktischen Realisierbarkeit der Ethik des »Alten«. Die Kluft wird gerade an den für die ethische Sinnschicht zentralen Passagen unmißverständlich vor Augen geführt: Ein deutliches Zeichen setzt die Szene, in der Berthold den Palast nicht mehr wie noch im »ersten Leben« - als Lehen, sondern als verfügbaren Besitz zu behandeln beginnt. Hatte er in seiner Jugend den Palast noch behutsam ausgebaut, so wird dies nun mit einer eher willkürlichen Bautätigkeit (seiner »Baulust« ; 184) im zweiten Buch kontrastiert. Wieder geht es auch um das Verhältnis zur Zeit in Gestalt des Verhältnisses zu A n n a und Apollonia. Berthold will sein Haus, den alten Palast, mit dem Haus Apollonias verbinden (das sie ihrerseits - in deutlicher Parallele zum Palastkauf Bertholds - mit den Mitteln aus ihrem »mütterlichen E r b e « ( 1 8 3 ) erwerben will). Dies soll durch den Brunnen geschehen, d. h. durch das »Zubauen der allgemeinen Straße zwischen den bei-
Auch nach dem Tod des Bergmanns plagt ihn das Gewissen, aber der Erzähler ist eher an der mangelnden Tiefe seines Glaubens interessiert, die er kritisch verallgemeinert: »Heimlich bestellte Berthold, so wenig er sonst darauf gehalten, Seelenmessen für ihn zu lesen; so verschmähen nur wenige, was ihnen angenehm im Glauben ist, nur das Unbequeme veranlaßt den Zweifel und die Untersuchung« (i98f.). 181
den« (184). Dazu ist es nun notwendig, die Wand des Palastes zu durchbrechen. Berthold ahnt wenigstens, daß es sich dabei nicht nur um ein kommunalpolitisches Problem handelt, sondern daß hier - wie der Erzähler deutlich hervorhebt - der innerste Kern der Lehre des Alten berührt wird: »Er fühlte, daß er unrecht habe ganz deutlich; unrecht, weil er die ehrwürdige Scheidewand des Hohenstaufenpalastes durchbrach; unrecht, als Verwalter des öffentlichen Vorteils, aber der Gedanke war ihm zu süß, er konnte sich nicht losreißen, er hätte gleich in Ungeduld Hand ans Werk legen mögen. Er hatte so viele Gaben himmlischer Gnade erhalten, daß ihn der Mangel dieses Brunnens so quälte, als ob alles, was er besitze, gar nichts dagegen bedeute.« (184^) Eine unmittelbare Erinnerung an die Lehre des »Alten« erhält Berthold bei seiner Hochzeitsfeier. Schon während der Trauung malt »der Geistliche Himmel und Hölle des Ehestands mit gewaltiger Stimme«, und Berthold rühren »Vorahndungen des Lebens und des Todes« (251). Da erblickt er einen »Kriegsmann von alter Tracht« (251), in dem er den »Alten« wiedererkennt: »[...] und mit Schrecken erinnerte ich mich bei einem Worte des Geistlichen von der Wandelbarkeit des Irdischen, daß der Alte mir den Schatz mit allem, was ich dadurch erwerbe, nur auf so lange verliehen habe, bis er es zurückfordere« (251). Später erscheint ihm der »Alte« im Traum: »Er sagte mir, daß meine Zeit abgelaufen sei, daß ich ihm alles wieder erstatten solle, was er mir geliehen, ich sei jetzt gesund, ich kennte die Welt und ihre Geschäfte und sollte mich jetzt allein durchschlagen« (252). Die Kluft zwischen Bertholds Wollen und Handeln und seinem ethischen Wissen und Gewissen wird hier mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Die Erinnerung treibt ihn im Traum nicht zur Einsicht, sondern in den Zorn: Er durchsticht »den Alten und der Alte war ich selbst, ich hatte mich selbst erstochen« (252). Aus der erneuerten Mahnung, sein Erbe als Lehen zu betrachten, zieht er die entgegengesetzte Konsequenz: »[...] der Traum, die Möglichkeit mein erworbenes Gut zu verlieren, machten mich aufmerksam auf das Ererbte« (252). Damit ist Schloß Hohenstock gemeint, und es »quält« ihn, wie wir sahen, auch »recht innig«, daß er »nicht zum ausschließlichen Besitz desselben kommen kann« (273). Als er schließlich sein »zweites Leben« überblickt, vermag er sein Erbe nur noch als Mittel zum irdischen Zweck zu sehen: »Das Jahr hatte viel an ihm verändert, es hatte ihm einen zweiten Lebenslauf geschenkt und der wich immer weiter von jenem ersten ab, der mit Fingerling und Hildegard Haus und Handlung begründete. Was er damals errungen, schien ihm jetzt an sich nichtig, nur als Mittel seinen Durst nach Tat, Wirksamkeit und Einfluß auf die Geschicke zu befriedigen, konnte er es noch loben.« (276) Den letzten Akt dieses Wechselspiels bilden schließlich die Anno-Szene und das folgende Kapitel. Die Lehre des Einsiedlers - dem sich ja im »Gram« um seine »Kinder und Kindeskinder« ebenfalls ein »anderes« (d.h. zweites) Leben »eröffnet« (290) hat - verfehlt ihre Wirkung nicht. Berthold will die Nacht bei ihm verbringen, und auch »die anderen wünschten zu bleiben, der Alte bot ihnen Strohmatten zum Lager an und sie nahmen die Einladung an. Sie schliefen und beteten mit ihm, wie es die Stunden forderten« (290). Für Berthold sind »die Ereignisse dieser Welt« aber auch nach der Heimkehr weiterhin etwas, was sehr wohl »an sich bestehe« (290), vom Aufgeben »aller 182
Sorgen« (290) kann keine Rede sein. Sein Wissen um die Wahrheit und sein Wollen klaffen weiterhin auseinander: »Durch die Hoffnung eines Kindes hatten sich seine Stadtplane, die ihn schon immer beschäftigt, über das mitlebende Geschlecht hinaus, über entfernte Zukunft ausgedehnt« (293). Berthold bleibt weiterhin unbelehrbar. 126 Die »Erziehung des Menschen in dem Reichtum himmlischer Gaben« (290) ist an ihn offensichtlich verschwendet, und auch die »Erziehung in Reue und Jammer« (290) zeigt nur punktuell Wirkung. Zwar findet Berthold nach dem Scheitern seiner Pläne zu der Formel »Gott und die Zeit wird alles schlichten und richten« (304). Aber er betreibt »seine Stadtplane« für sein Kind auch noch aus dem >Exil< und versucht (wie beim Brunnenbau; vgl. 187) durch ein »Fest [ . . . ] den Seinen die Neigung vieler Mitbürger wieder [zu] gewinnen« (306). Erst ganz zum Ende seines Lebens scheint er zu einer tieferen Einsicht zu gelangen. Im Kloster Lorch wird er ein letztes Mal an seine eigene E n d lichkeit gemahnt: »Auch euer Stündlein wird kommen!« (307) erinnert ihn der Mönch, der ihn in die G r u f t begleitet und der sicher nicht zufällig als der »Alte« (307) apostrophiert wird. Berthold zeigt sich nicht nur einsichtig (»So ists mit dem guten Namen der Menschen, sagte Berthold, vom Zufall geschenkt, von der Zeit bald ausgelöscht!«; 307), sondern erkennt den kardinalen Fehler in seinem Lebenslauf: Der Mönch nannte ihm alle die berühmten Namen der Hohenstaufen, die da eines zweiten Lebens harrten und Berthold fragte mit unerwartet aufbrechendem Zutrauen: Ehrwürdiger Vater, wer nun zweimal schon gelebt hat, darf der noch ein drittes Leben erwarten. [•••] Glaubt mir, ich bin von einem Arzt, als ich sterben sollte, mit einem zweiten Leben, das er mir wunderbar schenkte, gar schrecklich betrogen und doch glaube ich an jenes Leben, das uns verheißen ist. (307) Hier ist letztlich wohl der Ort, an dem Berthold zur endgültigen Anerkennung der Lehre kommt. Den >Schlußstein< bildet, wie wir sahen, die Inschrift auf der »neu errichteten, schwarz marmornen Gedächtnistafel« (308), die allein der Zeitlichkeit des Menschen gewidmet ist. Berthold spricht die knappste und umfassendste aller Zustimmungsformeln, nachdem der Mönch die Inschrift vorgelesen hat: »Amen« (291). Die Kluft zwischen Bertholds temporären Einsichten und seinem Wollen und Handeln schließt sich damit, wenn überhaupt, erst kurz vor sei-
126
Auch den Lehren Luthers in Augsburg (165) schenkt er wenig Aufmerksamkeit, wie er später kaum registriert, daß dieser den Bergmann schickt (192). Weitere Bezüge des Brunnenmotivs in diesem Zusammenhang versucht Ricklefs zu skizzieren (Ricklefs 1990, S. iÖ4ff.).
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nem Tod. Sein »zweites Leben« ist, gemessen an der explizit vorgetragenen Lehre, ein verfehltes, schuldbeladenes Leben. Dies bedeutet jedoch auch (ähnlich wie innerhalb der politischen Bedeutungsebene) eine implizite Problematisierung der intendierten Aussage. Denn während für die (vom Erzähler nicht gerade in den Vordergrund gerückte) >erste< Ethik der sittlichen Autonomie immerhin nachvollziehbare Beispiele für ein richtiges Handeln im Roman erscheinen, stellt sich für die >zweite< die Frage nach der Möglichkeit eines ihr gemäßen Lebens überhaupt. Berthold kommt erst in der Nähe des Todes zur vollständigen Einsicht in die Verfehltheit seines Tuns und ist mit seiner späten Abkehr von der Verabsolutierung des Irdischen nicht nur eine Parallelfigur zu Kaiser Maximilian, sondern auch zu Karl V. in der »Isabella«. Dort heißt es, daß »nur ein Heiliger auf dem Throne jene Zeit hätte bestehen können« (AW 3, 738). Das einzige positive Beispiel eines Lebens im Sinne der Lehre des »Alten« in den »Kronenwächtern« bietet aber ein »Heiliger«, der (zudem auch nicht mehr ganz junge) Einsiedler Anno. Damit ist eine deutliche Differenz zwischen auktorialer Aussageintention und thematischer Durchführung im Roman, also innerhalb der ethischen Sinnschicht in ihrer Gesamtheit, erkennbar. 127 Die Lehren des »Alten« und des Einsiedlers bilden den kritischen Maßstab für Bertholds Handeln, den sein Lebenslauf wenigstens unterschwellig hinsichtlich seiner praktischen Bedeutung in Frage stellt. Die Aussage wird dadurch zwar nicht aufgehoben, aber doch problematisiert. Eine zusätzliche Dimension erhält diese Problematisierung mit dem Vorhandensein eines ethischen Alternativkonzepts. Beides schränkt den auktorial-didaktischen Anspruch ein, beides bewahrt den Roman aber im Gegenzug vor einer dogmatischen Verfestigung der Aussage.
2.4 D e r R o m a n als Weltmodell Politische und ethische Sinnschicht bilden die unmittelbar didaktische Dimension von Arnims »Kronenwächtern«. Andere Teile des Bedeutungsgeflechts haben dagegen nicht so sehr direkt lehrhafte Funktion, sondern " 7 Dies ist nicht mit der von Ricklefs behaupteten »Diskrepanz zwischen Welt und Erlösung« (S. 204) in den »Kronenwächtern« zu verwechseln. Der Gedanke der Praxis gehört essentiell zu jeglicher Ethik, so daß das Fehlen eines exemplarischen >positiven Helden< zwangsläufig die im Roman deutlich vertretene Lehre, die ausgerechnet an den »ersten Antihelden der deutschen Literatur« (Vordtriede 1974, S. 5394) gerichtet wird, in Frage stellen muß.
184
rücken stärker den Gedanken des Romans als Repräsentation eines bestimmten Weltbildes in den Vordergrund. Die Frage nach einem umfassenden Verständnis von Zeit und Welt wird in den »Kronenwächtern« in ähnlicher Manier behandelt wie die nach politischer und ethischer Orientierung. Hier wie dort wird der Gefahr einer dogmatischen Verfestigung durch Relativierung und Pluralisierung entgegengearbeitet, was dazu führt, daß zu beiden Fragestellungen jeweils mehrere alternative Modelle eingeführt und (implizit) diskutiert werden, wenngleich mit unterschiedlicher Intensität und Deutlichkeit. Im Vordergrund steht zunächst die Frage nach einem universalen Verständnis des Ablaufs der Zeit. 2.4.1 Universale Zeitmodelle Wir haben bereits gesehen, daß sich im Kontext des Ideologems und des Motivkreises von materiellem und immateriellem Erbe ein Ausgreifen der zunächst rein immanenten politisch orientierten Geschichtsinterpretation in den »KronenWächtern« auf die Ebene einer universellen Geschichtsdeutung erkennen läßt. Die chiliastische Überhöhung der Idee einer Erbnachfolge bei den Kronenwächtern, aber auch in Martins Prophezeiung (29) verfällt auf politischer und moralischer Ebene der Kritik. Das Thema einer universalen Deutung des Zeitverlaufs ist mit dieser Kritik an der politischen Instrumentalisierung der Heilsgeschichte jedoch noch nicht erschöpft. Im wesentlichen stehen im Denken der Epoche zwei universale Paradigmen im Zentrum der Überlegungen. Zum einen das teleologisch-progressive der christlichen Moderne, das oft triadisch strukturiert ist,128 zum anderen das der Antike zugeordnete zyklische (und damit nicht-teleologische) Modell der in sich gerundeten Naturzeit (Jahreszeiten und Tageszeiten als immer wiederkehrende Abläufe). 1 2 '
118
Vgl. dazu die immer noch lesenswerte Arbeit von Carl Hinrichs, Ranke und die Geschichtstheologie der Goethezeit, Göttingen u.a. 1954 (= Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft Bd. 19). " 9 Die Zeitauffassung ist natürlich einer der kardinalen Differenzpunkte zwischen Antike und Moderne, und man kann die meisten zeitgenössischen geschichtsphilosophischen Überlegungen als Versuche beschreiben, über ihr Verhältnis bzw. ihre mögliche Vereinigung nachzudenken. Der junge Friedrich Schlegel will auf diesem Weg sogar das Problem der Einheit des Kantischen Systems lösen: Das »einzige System der Geschichte, welches die theoretische Vernunft vollkommen befriedigen würde, ohne die Rechte des Verstandes und der Erfahrung zu beleidigen, [ist] das System des Kreislaufes. [...] das 185
Beide Konzepte sind in den »Kronenwächtern« vertreten, wobei die heilsteleologische Konzeption zunächst im Vordergrund zu stehen scheint. 1 ' 0 Das chiliastische Denken ist bei den Kronenwächtern zwar zur Ideologie verkommen, der Roman bemüht sich aber sichtlich, die Idee der Geschichte als Heilsgeschichte und die Kronenwächter-Chiliastik nicht ineinander aufgehen zu lassen. Deutlich wird dies z. B. daran, daß Martin zwar einerseits die Prophezeiung von der Versöhnung der Geschlechter ausspricht, andererseits aber auch ein politisch nicht instrumentalisierbares teleologisches Verständnis der Geschichte zur Sprache bringt: »Gott führt auf immer neuen Wegen zum Heil, unser Leben ist wie ein Märchen, das eine liebe Mutter ihrem unruhigen Kinde erfindet« (37). 131 Dieses gänzlich unideologische Verständnis korrespondiert natürlich im weitesten Sinne der im Roman im Vordergrund stehenden >Ethik der Zeitlichkeitklassischem Substituts der Bildungsteleologie. Die Verbindung zwischen Berthold und Parzival wird zunächst durch die Elster hergestellt (26), die Bertholds Jugend begleitet (vgl. 180) und ihn vor allen Dingen zum Palast führt (3 5)-165 Im »Parzival« ist sie in der Formulierung »als agelstern varwe tuot« (Parz. i,6)'66 Zeichen für die Ambivalenz der »conditio humana« zwischen den Polen »des himels und der helle« (Parz. 1,9), ein Gedanke, der, wie noch zu besprechen sein wird, auch in den »Kronenwächtern« eine Rolle spielt. Daneben lassen sich weitere Parallelen und Anspielungen ausmachen: Bereits die Tatsache, daß Berthold mit Hildegard und der »hohen Fremden« eigentlich zwei Mütter hat, ließe sich mit den beiden Frauen Gahmurets, Belakäne und Herzeloyde, in Verbindung bringen. Während
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164
,66
Hinweise auf Motivähnlichkeiten zwischen dem »Parzival« und den »Kronenwächtern« gehören seit langem zum festen Bestand der Forschung (nachgewiesen bei Lützeler 1987, S. 225 Anm. 54f.), die bislang ausführlichsten Bemerkungen dazu finden sich bei Lützeler 1987, S. i98f. Wolfgang Harms, Homo viator in bivio. Studien zur Bildlichkeit des Weges, München 1970, S. 223. Vgl. dazu Göres 1956, S. 134 und die Nr. 124 der »Deutschen Sagen« der Brüder Grimm, die den Titel »Taube zeigt einen Schatz« trägt (Deutsche Sagen. Herausgegeben von den Brüdern Grimm, Erster Band, Frankfurt a.M. (Insel), 1981, S. 163^). Zitiert wird nach der Ausgabe von Karl Lachmann (Berlin 1965, Nachdruck der 6. Ausgabe von 1926) mit Angabe der Abschnitts- und Verszahl.
200
im Schädel von Bertholds Vater (der darüber hinaus ein »Panzerhemd, das rot besetzt« (79) ist, trägt) ein Ring verbleibt (25), findet man in Gahmurets Schädel nach seinem Tod ein abgebrochenes Speerstück (Parz. 106,15 ff.). Parzival und Berthold wachsen beide zunächst in der Einöde im Wald auf,'67 und Parzivals »tumpheit« (Parz. 124,16) spiegelt sich in Bertholds Unkenntnis ritterlicher Sitten. Das zeigt besonders die Episode mit Apollonia und den Vogtstöchtern (51-54), die allerdings im Gegensatz zur vergleichbaren Begegnung Parzivals mit Jeschute (Parz. i3o,2ff.) ziemlich harmlos ist. Beide Texte sind durch ein dichtes Netz verwandtschaftlicher Beziehungen geprägt,'68 in beiden Texten ist es deshalb auch eine Verwandte (die »hohe Fremde« bzw. Sigune), die ihren Mann verloren hat, von der der Protagonist Aufklärung über seine Identität erhält.169 Bertholds Ritt nach Augsburg entspräche, folgt man der Parallele noch weiter, Parzivals Ritt nach Pelrapeire (Parz. 179,/ff.). Beide finden am Ziel des Ritts ihre Ehefrau, stehen aber eigentlich zwischen zwei Frauen (Anna/Apollonia; Liäze/Condwir amürs). Die Ähnlichkeit der Kronen- mit der Gralsburg ist des öfteren bemerkt worden, daneben weisen beide Texte mit Burg Hohenstock bzw. Schastel marveile auch eine negative >Gegenburg< auf. Die kunstvollen — wohl mechanischen - Kampfanlagen auf Schastel marveile (Parz. 568,15ff.) finden auf der Kronenburg mit den mechanischen Wächtern (39) ebenfalls eine Entsprechung.'70 Es würde mit Sicherheit zu weit führen, Maximilian mit Artus, Faust oder gar Rappolt (den »Herrn« auf Hohenstock) mit Klingsor und Bertholds Sohn mit Loherangrin in Verbindung zu bringen. Die wesentliche (kritisch-ironische) Differenz zwischen beiden Geschichten besteht aber natürlich darin, daß Berthold - sieht man einmal vom Fund des Palastes ab - später nie auch nur in die Nähe eines Gebäudes kommt, das als Gralsburg durchgehen könnte. Er hat nicht einmal Gelegenheit, die Frage aller Fragen nicht zu stellen, von einer zweiten Chance ganz zu schweigen. 167
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Auf diese Parallele und die gleichzeitige Beziehung zur Genovefa-Legende weist Lützeler hin (1987, S. I98f.). Vgl. ebd. Vgl. Parz. 140,16 bzw. AW 2, S. 90. Im Gegensatz zu Parzival erfährt Berthold allerdings seinen Namen nicht und fragt auch nicht danach. Burwick hat recht, wenn sie feststellt, daß er trotz der »Enthüllung seiner Herkunft« der »Tuchhändler und Bürger Berthold« (Burwick 1989, S. 3 2 1 ) bleibt. Ihr Vorwurf, er verabsäume es, »seine Mission zu erfüllen« (ebd.) und seine »Potenz zu Künstler- und Herrschertum« (ebd.) zu realisieren, geht aber wohl an den zentralen Fragen vorbei. Bereits Reinhold Schneider hat darauf hingewiesen, daß die Kronenburg der Gralsburg ähnelt und zugleich ihr Gegenbild ist (vgl. Lützeler 1979, S. 199).
201
Die Parzival-Figuration symbolisiert aber nicht nur den Heilsweg als verfehltes Ideal, sondern verweist darüber hinaus auf ein Seitenthema in den »Kronenwächtern«; die Auseinandersetzung mit dem Problem von Bildung und Erziehung. Berthold wie Parzival haben sowohl einen Lehrer in weltlichen Dingen (Fingerling/Gurnemanz) als auch einen in geistlichen — in beiden Fällen ein Einsiedler (Anno/Trevrizent) —, denen sie nacheinander begegnen. Fingerling und Anno sind jedoch nur zwei von vielen Erziehern, die mit ihren Bildungskonzepten in den »Kronenwächtern« auftreten. 171 Der Roman präsentiert und problematisiert nicht nur ein heils-teleologisches Bildungskonzept, das sich an der Abfolge von weltlicher und geistlicher Bildung in Wolframs »Parzival« orientiert, sondern wendet sich darüber hinaus der »Entelechie« anderer Bildungskonzepte zu und nimmt damit an einer in der Goethezeit wohl nicht zu vermeidenden Diskussion teil. Wir haben bereits gesehen, daß sich die »Kronenwächter« zu den wenigsten Themenkreisen auf eine bestimmte Sicht der Dinge festlegen. Dies gilt auch für den der Bildung. Anstelle eines bestimmten Erziehungs- oder Bildungskonzepts wird eine fast unübersehbare Anzahl vorgestellt. Bertholds Jugend steht bereits im Zeichen der Konkurrenz zweier Erziehungsziele, Krieger oder Schreiber, wobei sich zunächst die zweite Erziehungslinie durchsetzt: »Martin fand sich in seiner schwarzen Seelentiefe durch den Anblick des Knaben erhellt, schnitzte ihm Stöcke und Degen, so bunt der Kleine sie verlangte, und Berthold war eifrig beschäftigt, daß der Kleine früher als andere Kinder Buchstaben kennen lernte und bald auch buchstabierte. Das wird ein Gelehrter, sagte er mit Zuversicht und Martin lächelte, aber Berthold ließ sich dadurch nicht abbringen von seinem Unterrichte« (31).
Zur Frage nach dem Verhältnis der »Kronenwächter« zum Bildungsroman vgl. Geppert 1979, S. 40—52. Geppert weist darauf hin, daß Berthold mit dem Schatzfund zu einem »repräsentativen, sei es >mittlerenbiologische< Ende seiner Jugend liegt in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Buch, in die auch der Tod der »hohen Fremden« und des alten Berthold fällt. Weitere Einschnitte bilden die »wunderbare Heilung«, seine Heiratspläne (130) und schließlich seine Heirat mit Anna. Mögliche Zäsuren wären daneben die beiden Hinweise, daß sich Berthold von der Leitung seines Lehrers Fingerling emanzipiert hat (144 bzw. 157) sowie auch seine Versuche, die Fürsorge Hildegards vor der Hochzeit loszuwerden (180), und der Tod Hildegards in der Hochzeitsnacht (247/249). In diesen Abschnitt fällt auch Bertholds Traum, in dem der »Alte« meint, er sei »jetzt gesund, [ . . . ] kennte die Welt und ihre Geschäfte und sollte [sich] jetzt allein durchschlagen« (252). Berthold selbst begreift schließlich den Tod 204
Fingerlings als Wendepunkt: »So sind nun alle tot, die meine Jugend schirmten . . . « (275). Es ist damit kaum möglich festzustellen, wann Bertholds Jugend eigentlich endet und er endgültig >ins Leben entlassen< wird. 2.4.2 Himmel und Erde Während die Repräsentation und Diskussion eines universalen Verständnisses des Zeitlaufs in den »Kronenwächtern« durch ein Zusammenspiel von expliziten Darlegungen und der Symbolik geschieht, findet die zweite Auseinandersetzung des Romans innerhalb des Themenkreises >WeltbildAneinanderrücken< von Himmel und Erde als vielmehr um Motive, die eine (zumindest zeitweise) Außerkraftsetzung des Dualismus indizieren. Eine Variante bildet hier das Motiv des Transzendierens, das sich vereinzelt in den »Kronenwächtern« verfolgen läßt. Es erscheint in erster Linie in topographischer Metaphorik. So führt Bertholds Weg zum lange versunkenen Palast des Barbarossa »über drei Mauern« (35), der Weg von Bertholds Vater zur Kronenburg geht »immer höher hinauf«, in eine »Eisebene« (79) »zwischen Himmel und Wasser« (80) und schließlich auf eine paradiesische Hochebene, den Ort der Kronenburg. Der Eindruck der geographischen Transzendenz der Kronenburg wird durch den Einwand des Priors bestätigt, er sei »so oft am Bodensee [gewesen] und habe nie von solcher Felsbucht gehört« (84). Im »Hausmärchen« führt der Weg des Königs hinauf in den Schwarzwald zur Hütte Davids, deren Ort David aber ostentativ verschweigt (208). Gleichzeitig wird suggeriert, daß sich der Anstieg des Königs jenseits irdischer Gegebenheiten vollzogen hat, »mancher meinte, es sei unmöglich, daß der König in einer Nacht diese Wege gewandelt sei, er müsse wohl geträumt haben« (2i6f.).' 8 ' Entsprechend heißt es, nachdem die Identität Davids nach dessen Tod enthüllt wird: »Das Seltsame aber war, wie er nach der Wildnis gekommen, da die Nachbarn versicherten, er habe an jenem Tage schon in der Verzückung auf seinem Bett gelegen« (218). Die Gänge, die Bertholds Vater und der König in die transzendente Höhe unternehmen, liegen allerdings außerhalb der im Roman erzählten Zeit. Demgegenüber fehlen beim Weg zu Anno explizite Signale des Transzendierens, wenngleich das »Erdenleben« zurückbleibt: »Der Platz, wo sie gestern an der Burg zum Schwärmen gezwungen waren, lag tief unter ihnen, wie ein niedriges Erdenleben, hier fühlten sie sich dem Himmel näher« (289).
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' Auch darin liegt vielleicht eine Parzival-Anspielung. Schließlich bewältigt dieser den Weg zur Gralsburg »bi dem tage« (Parz. 224,23), obwohl die »äventiure« feststellt: »ein vogel hetes arbeit,/ solt erz allez hän erflogen« (Parz. 224,24f.).
2IO
Umgekehrt wird allerdings auch die Möglichkeit eines >dionysischen Transzendierens< während der Feiern zur Traubenlese angedeutet, als »Geisterhistorien« vorgetragen werden, »denn alle waren zu so etwas Ubernatürlichem durch Rausch und Nacht gestimmt« (28of.). Auch der geographischen Symbolik ist nicht immer zu trauen, liegt doch Hohenstock ebenfalls in e i n e r - w e n n auch nur relativen - »hohen Lage« (262).'82 Eine andere Gegenfigur zum radikalen Dualismus bildet das Motiv einer Verbindung von Himmel und Erde; als »Zeichen und Wunder« (94) angedeutet in der Verbindung der Mutter, die Berthold »geboren hat« - der geistig-ätherischen »hohen Fremden« —, und der »Mutter«, die sein »Leben erhielt« - der sehr irdisch-bodenständigen »Frau Hildegard« (94) - , zum Schlußtableau des ersten Buches. Die Signifikanz der Szene wird unmißverständlich angezeigt: Die neugierigen Arbeiter, die zur Türe hineinsahen, nahmen unwillkürlich die Mützen ab und falteten die Hände, sie fanden sich durch diese Zusammenstellung an ein Gemälde der Weiblinger Kirche erinnert. (95) 183
D o c h die Verbindung ist nur temporär, die zwei Mütter entfremden sich im Laufe der Zeit bis hin zum »Zwiespalt« ( i n ) , der buchstäblich in Bertholds Körper eingeschrieben wird. Denn [ . . . ] dieser Zwiespalt zeigte sich besonders bei neuen Heilmitteln, welche mir die eine, oder die andre zubrachte, da wollte keine zurücktreten und ich mußte verschlucken und einreiben, was der Wahn von Jahrhunderten in den Köpfen der Leute an Geduldsmitteln für Kranke zusammengebracht hat. ( i n )
Eine andere Darstellung der Verbindung von Geistigem und Irdischem findet sich im idealen Raum des Hausmärchens. Die Seelen Davids, seiner Frau und seiner Kinder haben dort die Gestalt von Vögeln. Die - ebenfalls temporäre - Vereinigung von Leib und Seele,'84 himmlischem und irdischem Bereich wird im achten Bild vor Augen geführt. »Der goldne Vogel nutzte aber nicht das Geschenk der Freiheit, er flog zwar fort, aber blieb auf dem Munde des halbtoten Sängers sitzen, dieser öffnete den Mund, der Vogel schlüpfte hinein und der Alte öffnete die Augen wie ein gesund Erwachter« (219). Das eigentliche »Bild« des Glasfensters ist deshalb auch
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184
Dies erinnert an die Ambivalenz der Motive bei Eichendorff (vgl. i n . 2.4). In diesen Kontext gehört wohl auch die C h o r - S z e n e (67), auf die wir im folgenden Kapitel eingehen werden. D a s spielt natürlich auch auf den G e d a n k e n des Leibes als Gefängnis der Seele (somasema) an. Ich denke jedoch, daß hier der G e d a n k e der Ineinsbildung im Vordergrund steht. Wohl deshalb gibt es im »Hausmärchen« unabhängig von den Leibern ein Gefängnis, einen Käfig (219), für die Vögel.
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nicht die Abbildung einer Polarität, sondern der Verbindung: »Das Bild stellt euch dar, wie der Vogel in den Mund des Alten schlüpft« (220). In eine ähnliche Richtung weist der parallele Verlauf der Schwangerschaft der Königin mit der Brutzeit der Vögel (222). Daneben stehen den dualistischen Bildern auf den Glasfenstern eine Reihe von solchen gegenüber, die eine Vereinigung darstellen. Das sechste Bild zeigt, wie die Königin »den Finger in den Ring steckt« (216). Das siebte Bild zeigt die »beiden Kapellen und die G r ü n d u n g der Kirche [ . . . ] , alle dreie einander gleich, nur in verschiedenem Maße« (218). Das neunte bildet die tatsächliche Vermählung des Königs ab, das zehnte stellt Himmlisches und Irdisches im Tableau zusammen. E s »zeigt [ . . . ] die Königin, erschöpft von der Mühe [der Geburt; M . N . ] , drückt sie dem Könige die Hand und blickt mit Wohlgefallen nach dem Kinde, das im Vordergrunde von den kleinen Engeln gewickelt wird« (222).
Natürlich folgen die Bilder zunächst einmal dem Handlungsverlauf. Daß dualistische und synthetische Bilder jedoch auch einen durchaus autonomen Diskurs formen, legt ihre diesbezügliche klare Unterscheidbarkeit nahe. Festzuhalten bleibt aber auch, daß zwei Bilder sich diesem Interpretationsschlüssel entziehen. Das zweite Bild ist in der Frage Dualismus oder Verbindung unbestimmt (207), das elfte Bild zeigt den Mord an König und Königin und damit zunächst den Dualismus Mörder/Opfer. Es ist jedoch gleichzeitig die Abbildung der Verbindung von König und Königin durch den Spieß, der »beide durchbohrt« (224). Selbst im idealen Raum des »Hausmärchens« ist die Kohärenz der Symbolik nicht ungebrochen. Die »Kronenwächter« repräsentieren weder ein Weltmodell mit dogmatischer Ausschließlichkeit (obgleich sie das dualistisch-»gnostische« sicherlich favorisieren), noch ein einziges universales Verständnis von Zeit und Geschichte. Die beiden auf eine grundlegende Deutung der Welt abzielenden Sinnschichten des Romans sind, wie die stärker didaktisch ausgerichteten, dadurch gekennzeichnet, daß es der Roman vermeidet, die dort vertretenen Konzepte zu unumstößlichen Wahrheiten zu hypostasieren. Die innere Relativierung und eine zusätzliche (verschieden intensive) Kontrastierung mit Alternativen verhindern, daß die »Kronenwächter« zur Allegorie einer Weltanschauung gerinnen, ohne daß damit doch der Aussageanspruch von vornherein außer Kraft gesetzt wäre.
212
2.5 Kunstthematik Die »Kronenwächter« sind kein Künstlerroman, aber Kunst und Kunsttheorie spielen durchaus keine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stehen dabei Dichtung und Malerei,' 8 ' während von Musik nur an einzelnen Stellen die Rede ist. Kunstwerke finden sich besonders an den strukturell prominenten Stellen des Romans: Zu nennen wären beispielsweise die Teppiche, das Gemälde zum Tableau am Ende des ersten Buches, Sixts Portrait Bertholds zu Beginn des zweiten, das »Hausmärchen« mit seinen Glasbildern und zum Ende hin das »Bild am Giebel«. Breiten Raum nimmt die Baukunst ein, die mit dem Palast, dem Straßburger Münster und dem Brunnen mehrere zentrale Elemente der Symbolik beisteuert. Daneben haben auch literarische Werke wie die diversen Lieder, das »Hausmärchen«, eine alte Chronik, Ritterbücher und (im »Hausmärchen«) auch ein »morality play« eine nicht unwichtige Funktion im Bedeutungsgeflecht der »Kronenwächter«. Die meisten Romanfiguren sind entweder Künstler oder haben irgendwann einmal mit Kunst zu tun; selbst Fingerling dichtet auf Berthold ein kleines Carmen - »vielleicht wohl gar in Reimen« - und trägt es vor (179). Schließlich sei noch daran erinnert, daß die ursprüngliche Konzeption des Romans, wie sie sich im »zweiten Band« und stärker noch im »Nachtrag« darstellt, im wesentlichen auf einen Künstlerroman (mit Anton als Protagonisten) hinauslief und der Kunst eine sehr weitgehende, letztlich wohl alle Fragen lösende Funktion zuschrieb.' 86 Demgegenüber ist ihre Rolle im »Ersten Band« komplexer, ihr Anspruch sichtlich zurückgenommen. Die Problematik der Thematisierung von Kunst in den »Kronenwächtern« liegt nicht zuletzt darin, daß die Zahl der Querbeziehungen sowohl
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Museum der alten und neuen Kunst um i j i 8 < zu errichten, sondern bemüht sich um eine genauere historische Betrachtung von Kunst und künstlerischer Tätigkeit auf der Basis seiner Analyse der Geschichte. Wir haben gesehen, daß auf politischer Ebene eine der wesentlichen Differenzen zwischen »alter« und »neuer Zeit« die zwischen mittelalterlichen und bürgerlich-neuzeitlichen Vorstellungen staatlicher Organisation ist. Eine vergleichbare Differenz findet sich im Bereich der Kunst in der Zeichnung der Epoche als Umbruchszeit zwischen dem Verständnis der Kunst als Handwerk und der Idee der von Zunftzwängen unabhängigen Kunst. So lassen sich die wichtigsten Künstlerfiguren des Romans gleichsam auf einer Skala zwischen Handwerk und freiem Künstlertum anordnen.
Vgl. dazu Lützelers Kommentar AW 2, S. 694. Vgl. ebd., S. 701L '»' Vgl. ebd., S.701. 2 I
5
Bertholds Vater wird als »stiller Spinner und Weber« (75) bezeichnet, der die Tätigkeit des Webens vor allen Dingen als ihn ernährendes Handwerk betreibt und zugleich auch künstlerisch wirkt. (Für Berthold ist die Weberei dann nur noch Geschäft, ein Ergebnis der sich vollziehenden Ausdifferenzierung von Kunst, Handwerk und Handel). In gewisser Hinsicht eine Parallelfigur zu Bertholds Vater ist der Sänger David aus dem »Hausmärchen« (der genaugenommen nicht der historischen Zeit, sondern einer idealen Vorzeit zugehört). Er ist eigentlich Herzog »aus Ungerland« (215), erscheint aber zunächst als »Meistersänger David« (210), ein Anachronismus, der die Verbindung zum Handwerk besonders hervorhebt. Sixt ist dagegen die Repräsentativfigur des Künstlertums im ausgehenden Mittelalter. E r hat in jungen Jahren bei der Vollendung des letzten Teppichs von Bertholds Vater (bzw. dessen Schülerin und Frau, der »hohen Fremden«) mitgeholfen (85) und ist nun der »einzige Meister in der Stadt«, der Anton freisprechen könnte (309). Sixt vertritt das Zunftwesen. Seine Malerei ist noch nicht an einem Originalitätsideal orientiert, sondern an den Wünschen der Kunden; das erlaubt ihm, je nach Bedarf die »Manier« (100) zu ändern (oder auch neumodisch-antike Sujets aufzugreifen; 194). Der Beginn eines eigenständigen Künstlertums zeigt sich jedoch zumindest darin, daß er selbständig den niederländischen Stil vorzieht (194). Vordergründig auf der gleichen Stufe wie Sixt (vgl. 99) steht Erwin von Steinbach, der ebenfalls Meister ist und einer Zunft angehört. Aber die »Hütten, die zu Jerusalem gestiftet« (62), d.h. die Freimaurer, 1 ' 2 haben mit einer Berufsgenossenschaft natürlich wenig zu tun. Erwin legt daher auch Wert auf die Unterscheidung ihrer esoterischen »Lehre« (62) von der anderer »Gewerke« (62). Das Münsterlied und Sixts Erzählung von Erwins Tod zeigen schließlich nichts mehr vom Handwerker und nur noch den autonomen und in seiner Autonomie scheiternden Künstler. Wir werden darauf im systematischen Teil dieses Kapitels genauer eingehen. Auch Anton untersteht noch der Zunftordnung. Er ist »noch nicht Meister« (243), sondern Sixts »[Lehr-] Junge« (243). Zu seinen Pflichten gehört das Farbenreiben (243), und seine Werke sind Eigentum seines Lehrherrn (253), bei dem Anton auch bleiben muß, »um frei gesprochen zu werden« (309). Er ist jedoch, daran läßt der Roman keinen Zweifel, Sixt als Künstler bereits überlegen (vgl. 246, 316), und mit der sich eröffnenden Möglichkeit, zu Dürer nach Nürnberg zu gehen, deutet sich eine weitergehende Perspektive zumindest an. Er will nicht nur als saturierter Handwerker, sondern als eigenständiger Künstler, »als ein berühmter Meister, oder nimmermehr« (322) zurückkehren. Grünewald schließlich ist unter allen Künstlerfiguren in den »KronenWächtern« am meisten unabhängig von korporativen Zwängen. Er ernährt sich durch seine Kunst, ist also kein finanziell unabhängiger Amateur, doch er tut dies als Freiberufler, als »reisender Sänger« (235). Seine Qualifikation hat er allerdings noch unter handwerklichen Vorzeichen erworben. Sein Pflegevater, der als »Hofnarr« (237) sogar einer noch früheren >kunstsoziologischen< Stufe zugehörte, brachte ihm »Zitherspiel und Meistergesang« bei. Grünewald wird
Zu Arnims Beschäftigung mit der Freimaurerei siehe Wingertszahn 1990, S. 3 2 5 - 2 8 .
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»in Nürnberg zum Meister gemacht« (237). E r ist durchaus erfolgreich, bleibt einige Zeit als »Sänger des Herzogs von Baiern« (234) angestellt, gewinnt die Firma Fugger zum Mäzen (wenn auch nur für einen Mantel; 234^) und hat »schon dreimal im Wettgesang das Gehänge gewonnen« (237). Schließlich schafft er sogar den Sprung in die Politik, wenn er - als »Gnade für ein Trinklied« (278) - Vogt in Waiblingen wird, bevor er abermals »aus der Stadt« (320) läuft. Grünewald trägt sicherlich in erster Linie die Züge einer Picaro-Figur, seine >Karriere< zeigt jedoch unübersehbare Spuren der Emanzipation der Kunst vom Handwerk. Arnim unterstreicht als Theoretiker häufig die Historizität und Zeitgebundenheit des Kunstwerks und hebt dabei besonders die Bedeutung historischer und ökonomischer Gegebenheiten hervor. In diesem Sinne wird in den »Kronenwächtern« auch Kunst als historisches und nach historischen Kategorien analysierbares Phänomen gezeigt. Dies ist jedoch nur ein Aspekt der Kunstthematik im Roman.
2.5.2 Kunstthematik und Kunsttheorie Friedrich Schlegels vielzitierte Forderung, daß die »Transzendentalpoesie [ . . . ] in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie sein« ( K A II, 204, N r . 238) solle, hat ihre Wirkung auf die Interpreten romantischer Werke nicht verfehlt. Die Konzentration auf die Frage nach der immanenten Ästhetik eines vorliegenden Werkes muß schon bald in gewisser Hinsicht überhandgenommen haben, wenn Arnim bereits 1809 Einspruch gegen eine zu eindimensionale Auffassung der Selbstreflexion der Kunst erheben zu müssen glaubt: Die verschiedenseitigen Einwirkungen des Ardinghello, des Meister, des Sternbald hatten außer den guten Seelen auch eine Zahl verdammter erweckt; (wer kann es dem Licht verbieten, daß es auch das Ungeziefer hervortreibt,) das waren die ästhetischen Seelen [ . . . ] Denn wie jene Bücher manche ästhetische Regeln enthalten, die sie in irgend einem Character über sich selbst reflectiren ließen, so meinten die Aesthetiker, die Bücher wären Kraft dieser Regeln empfangen [ . . . ] ' "
Rez. von E. Wagner, »Wilibalds Ansichten des Lebens« u.a. (1809), S. 1 7 1 (AW 6, S. 268). Die Forschung neigt bis heute gerne dazu, jegliche Thematisierung von Kunst in romantischen Texten sofort auf die Schlegelsche »Poesie der Poesie« zu beziehen und jeden Witz für ein untrügliches Kennzeichen romantischer Ironie zu halten. Wir werden uns dem Problem der Beziehung spätromantischer Texte zu frühromantischen Kategorien unten etwas ausführlicher widmen. 2I
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Dennoch mangelt es in den »KronenWächtern« nicht an »ästhetischen Regeln«, die sowohl vom Erzähler als auch von den »Characteren« zur Sprache gebracht werden und die erkennbar mit Arnims theoretischen Vorstellungen in Beziehung stehen. 2.5.2.1 Die Einleitung zum zweiten Buch des »Ersten Bandes« Die Verbindung der »Kronenwächter« zu kunsttheoretischen Fragen stellt natürlich gleich zu Beginn die »Einleitung. Dichtung und Geschichte« her. Im Roman expliziert die Reflexion des Erzählers zu Beginn des zweiten Buches ein weiteres Mal, daß auch theoretische Fragen zur Debatte stehen. Er entwirft dort ein zusammenfassendes Bild der Kunst um 1 500 und kontrastiert es kritisch mit der eigenen Gegenwart. Zugleich werden damit — explizit und auf dem Wege der idealisierenden Abstraktion der historischen Verhältnisse - wesentliche Elemente der auktorialen (sprich: Arnimschen) Kunsttheorie vorgestellt.' 94 Die Malerei eines »Kranach, Dürer, und Raphael« (96) wird deutlich als Höhepunkt gesehen, an den die Gegenwartskunst anzuknüpfen habe (96t.). Diese Vorbildlichkeit betrifft aber nicht nur ihre rein ästhetische Qualität, sondern ebensosehr ihre religiöse Tiefe (wobei Luther gleichsam als Synthese von aufrechter Religiosität und gutem Geschmack betrachtet wird; 97). Der damalige Geschmack erscheint darüber hinaus als Einigungsfaktor auf politischer und religiöser (97), aber auch auf stilistischer Ebene, wenn von der noch problemlosen Zusammenarbeit von »Niederländern [ . . . ] Italienern [und] deutschen Künstlern« (97) die Rede ist. Auch in der Frage der gesellschaftlichen Integration des Künstlers wird die frühe Neuzeit als Epoche vorgestellt, in der »jede Stadt ihre Künstler lieb [hatte], weil sie ihr von Gott nicht anders beschert waren und suchte sie zur Ehre der Stadt zu beschäftigen und hungerten zuweilen auch damals die Künstler, so hungerten sie nicht als Künstler, sondern mit der ganzen Stadt« (98).'"
1,4
D i e theoretische Seite der Kunstthematik in den »Kronenwächtern« manifestiert sich ebenfalls in erster Linie am Beispiel der bildenden Kunst. W i r haben gesehen, daß A r n i m auch als Theoretiker kaum zwischen den Künsten differenziert. Vgl. zur Einleitung zum zweiten Buch auch B u r w i c k 1989, S. 314t. Gerade an diesem Punkt sieht A r n i m in der späteren Zeit erhebliche Defizite, wenn er in seinen »Notizen« (1815) im »Rheinischen Merkur« K l o p s t o c k anführt, der »schon sehr berühmt [war], als sich die N a c h b a r n in Q u e d l i n b u r g noch wunderten, was die Leute bei dem närrischen Mann suchten, der nicht einmal ein Schwein hielte« ( A W 6, S.494).
218
Andererseits macht der Erzähler doch, und damit tritt der theoretische Aspekt stärker in den Vordergrund, deutlich, daß es sich bei den künstlerischen Leistungen der frühen Neuzeit nur um einen relativen, d.h. keinen geschichtsphilosophischen Höhepunkt handelt. Im Mittelpunkt der theoretischen Überlegungen steht (implizit) vor allen Dingen derjenige Teil der Theorie Arnims, den wir als seinen Werkbegriff zu beschreiben versucht haben. D a z u gehört zunächst die Vorstellung, daß gelungene Kunst die immer neue, an die eigene Gegenwart angepaßte Gestaltung eines überzeitlichen »Allgemeinen« ist. In der Einleitung zum zweiten Buch begründet dieser Gedanke die Hoffnung, die Gegenwart könne nach einer langen Verfallszeit »mit frischer, neu begründeter Kraft sich demselben von andrer Seite [ . . . ] nahen« (96).196 Das zeitliche und das überzeitliche Element der Kunst, Form und Gehalt, werden - mit einer bereits im »Lebensplan« zentralen Metapher - als (wandelbare) »Gewohnheiten und [ . . . ] Schmuck des täglichen Lebens« (96) auf der einen, und als »das sonntägliche kirchliche Wesen, die Kunst« (96), auf der anderen Seite gefaßt. Ihre möglichst bruchlose Verbindung ist das Geheimnis gelungener Werke. Es muß Alltägliches und Sonntägliches, muß Haus und Kirche aus einem Stück gebildet sein, wie damals, als unser Dürer den heiligen Hieronimus mit seinem Löwen in sein eignes Wohnzimmer setzte, als Kranach den Melanchthon zur Taufe, den Luther zur Kreuzigung Christi führte. Das Himmlische war damals noch nicht so weit der Erde entrückt, sondern wohnte vertraulich unter den Wahrhaften, der Künstler brauchte sich nicht in eine andre Welt hinauf zu schrauben, er sah die Seinen im erhöhten Sinn an. (97)
Die Passage konzentriert einige der wichtigsten Punkte der Kunsttheorie Arnims auf engstem Raum. D a z u gehören die Absage an eine rein mimetische Kunst zugunsten der ästhetisch-religiösen Wahrheit und die gleichzeitige Forderung nach der Einbeziehung der eigenen Lebenswirklichkeit (bis hin zum »Wohnzimmer«), damit das »Himmlische« »vertraulich« wird. Wir haben dies als Arnims »funktionalen Realismus« beschrieben (vgl. 1.1.2.2). Dessen idealer Fluchtpunkt - die absichtslose enge Fügung von Transzendenz und Immanenz, Gehalt und Form 1 ' 7 — wird mit einem organizistischen Vergleich als Signatur der Zeit am Beispiel des Alltäglichen als Analogon der Kunst beschrieben und der eigenen Gegenwart kritisch gegenübergestellt:
Ein später Reflex der Erneuerungshoffnung, wie sie in »Von Volksliedern« z u m A u s druck k o m m t . "*7 Vgl. dazu den A u f s a t z »Genrebilder, Staffage« (1830).
1,6
219
Wer zu Wittenberg in Luthers Wohnzimmer geblickt hat, muß die innige, eigene Entwickelung jener Zeit erkennen, wie Blatt und Blüte, Krone und Wurzel einer Pflanze auf einander deuten, so natürlich fühlt sich jene Zeit von ihrem innern Reichtum auch äußerlich durchdrungen, ohne es selbst zu wissen; (97) 1 9 8
Wir haben bereits im theoretischen Teil gesehen, daß Arnim seinem Begriff vom Kunstwerk einen parallel strukturierten Wirklichkeitsbegriff an die Seite stellt. Die Gleichsetzung von Dürers »Hieronymus im Gehäus« mit Luthers Lebensführung über das Tertium des »Wohnzimmers« macht dieses Konzept anschaulich. Im Leben wie in der Kunst wird das Höchste unbewußt, absichtslos, »ohne es selbst zu wissen« erzielt. Arnims Theorie sieht für die kunstanalog strukturierte Wirklichkeit auch eine dem Intertextualitätskonzept analoge Möglichkeit der transzendenzbezogenen Deutung durch Kunst vor. Davon ist in der Einleitung zum zweiten Buch der »Kronenwächter« ebenfalls die Rede. Der (inspirierte) Künstler, der »die Seinen im erhöhten Sinn« ansieht, betreibt eine metaphysische Deutung der Wirklichkeit im Sinne der Theorie Arnims und »braucht sich nicht in eine andre Welt hinauf [zu] schrauben«. 1 " Wer in der Kunst »Alltägliches und Sonntägliches [ . . . ] aus einem Stück« bildet, sieht ganz offensichtlich die »Seinen im erhöhten Sinn an« und entdeckt im Wirklichen das »Himmlische« (97). Die Einleitung zum zweiten Buch vermittelt den >funktionalen< und den >ontologischen< Wirklichkeitsbegriff - ähnlich wie »Dichtung und Geschichte« - ebenfalls durch eine rhetorische Verschränkung. Die »Kronenwächter« exponieren damit an einem ihrer auktorialen Angelpunkte Arnims Kunsttheorie in sehr konzentrierter Weise und mit dem Gestus einer objektiven Analyse der Verhältnisse um 1500. Die erste Szene, die der Einleitung im zweiten Buch folgt, bildet jedoch einen deutlichen Kontrast zur dort entworfenen idealisierenden Beschreibung der Kunst jener Epoche. Ihr wird in einer >harten Fügung< die Figur des Malers Sixt gegenübergestellt, dessen Kunst mit der eines »Kranach, Dürer und Raphael« (96) zunächst kaum etwas gemein zu haben scheint. Auch seine Erzählung vom Tod Erwins wirft ein eher unvorteilhaftes 1,8
Man sollte auch von dieser Passage aus nicht vorschnell auf einen organischen Kunstbegriff bei Arnim schließen. Der Organismusgedanke steht hier im Rahmen eines Vergleichs, während es z. B. bei Schlegel unmißverständlich heißt, daß »jedes Werk eine neue Offenbarung der Natur sein« soll ( K A II, S. 327; meine Hervorh.; M.N.). Darin liegt natürlich ein Seitenhieb auf die »heutige Narrheit [ . . . ] als ob die Kunst nur in Rom ausgeheckt würde« (97). Vgl. daneben Arnims späte Bemerkung über Brentanos »Glaubensquälerei [ . . . ] die nur ein anderer Ausdruck dessen ist, was ihn [ . . . ] stets zerrüttet hat, indem er sich auf frischen Fundamenten kerzengerad zum Himmel ohne A b satz auferbauen wollte« ( G B 3, S. 221).
220
Licht auf dessen Künstlertum. Kurz: Der weitere Fortgang der »Kronenwächter« decouvriert die vorgeblich historisch getreue Einleitung wenigstens in ihrem Anspruch auf Allgemeingültigkeit als rückwärtsgewandte Utopie. Damit wird natürlich auch die dort explizierte Kunsttheorie Arnims in Frage gestellt. »Dichtung und Geschichte« und die Einleitung zum zweiten Buch sind keine »Metareflexion«200 des gesamten Romans, sondern Explikationen innerhalb einer weiteren Bedeutungsschicht, die ähnlich den anderen prozessual und diskussionsartig gebaut ist. Die geschilderten Künstlerfiguren - auf die wir nun näher eingehen wollen - bilden deshalb auch nicht einfach die ideologiekritische Antithese zur auktorialen Einleitung, sondern verhandeln auf ihre Weise die dort vorgestellte Kunsttheorie. Die nähere Analyse dieser Struktur wird uns wieder auf die spezifische Spannung von von Aussageintention und pluralisierender Relativierung führen, die den gesamten Roman prägt. 2.5.2.2 Die Künstlerfiguren Erwin von Steinbach stellt sich mit der Formel vor, »er sei zwar der Baumeister des Münsters, aber er habe ihn nicht erbaut« (61). Dies ist natürlich zunächst als bescheidene Anerkennung zu lesen, daß er zur Verwirklichung seiner Pläne die Arbeit anderer braucht, darüber hinaus aber in dem Sinne, daß er als Künstler nicht eigentlicher Urheber des Kunstwerks ist. Das bestätigt sich in seiner Rede von der »Kraft der Erfindung« (63), die im Künstler stecke, dem »Sinn der Erfindung, der nicht allen erteilt ist« (63, meine Hervorhebung; M.N.). Auf dieser Basis lehnt Erwin jegliche strikte Regelpoetik ab: Die Regel nutzt nur dem, der sie entbehren kann, den aber verdirbt sie, der sich in ihr weise glaubt; jede Regel ist ein Rätsel, das durch andre Rätsel forthilft.
(63)-
200
201
So Wingertszahn 1990, S. 328 mit Bezug auf »Dichtung und Geschichte«. Wingertszahn sieht einen »ironischen Kontrast« zwischen dem Bild des Künstlers als Vates in »Dichtung und Geschichte« und der »realen Repräsentanz der Dichter im Roman« (S. 328). Wir werden sehen, daß die Diskrepanz zwischen der auktorial exponierten Kunstauffassung und den Künstlerfiguren sehr viel differenzierter strukturiert ist. Darin liegt vielleicht eine Anspielung auf Görres' Rezension von Runges »Zeiten«, in der es heißt, daß »jede Lösung immer wieder zum neuen Rätsel wird« (GAW 1, S. 209). Vgl. auch Arnims Bemerkung zu Zacharias Werners »Liebessystem«: »Ein System ist nur dem, der es sich a b s i c h t l i c h aufbauete, [ . . . ] ein selbsterbauter, höchst prächtiger Galgen, woran er sich selbst hängen muß; wem es aber nothwendig aus seiner Natur hervorgehen mußte, dem könnte es eben so gut ein höherer Thron werden, von welchem er den
221
Auch der Werkbegriff, die komplementäre Fügung von überzeitlicher (geistiger) Substanz (das »Allgemeine«, das »Wesen«) und an die jeweilige Zeit angepaßter Form wird von Erwin in seiner architektonischen Variante zunächst vertreten: »Unsre Kunst ist ein allgemeines Eigentum, wie würde sie sonst von Jedem verstanden werden, aber ihre Aufgaben sind durch das Neue im Bedürfnis und in der Bedingung jedesmal neu zu lösen [...]« (63). Daß es dabei um die Vermittlung des Göttlichen mit dem Menschlich-Irdischen geht, kommt verklausuliert zur Sprache: »Die Länge und Breite des Baus ist in allem menschlichen Verein durch das Eigentum der Nachbaren voraus bestimmt, die Höhe, welche zum Himmel aufsteigt, ist darum nicht willkürlich, weil sie frei ist« (62). Schließlich findet sich unter den Gedanken Erwins auch die für Arnim zentrale Idee, daß das Eigentliche eines Kunstwerks auch noch nach langer Zeit einem hermeneutischen Zugang offensteht: »Was von uns aber ordentlich steht, das läßt die Feuerzerstörung wie der Himmel des Menschen Lästerung über sich hinziehen und wartet, daß es wieder erkannt werde« (62). In den Zeugnissen der Baukunst vermittelt sich so, was in »Dichtung und Geschichte« zur Bezeichnung desselben Theorems noch als getrennt beklagt worden war: A b e r nach Jahrhunderten der Zerstörung erkennen die einwandernden A n bauer des Walds mit Teilnahme die Unvergänglichkeit der Ackerfurchen und Grundmauern untergegangener D ö r f e r und achten sie als ein wiedergefundenes Eigentum ihres Geschlechts, das der Gaben dieser Erde nie genug zu haben meint. Gleichgültig werden daneben die aufgefundenen Werke des Geistes früherer Jahrhunderte als unverständlich und unbrauchbar aufgegeben, oder mit sinnloser Verehrung angestaunt, ( n f . )
Erwins Architektur ist nach seinem Verständnis augenscheinlich »Gabe der Erde« und »Werk des Geistes«. Gerade an diesem Punkt zeigt sich aber die Differenz der Ästhetik Erwins zum Konzept Arnims. Erwin gibt sich nicht mit einem Verständnis des Werks als »sonntäglich« und »alltäglich«, als überzeitlich und zeitlich zugleich zufrieden. Das Element der Zeitlichkeit kommt nach Erwin durch die Zimmerleute ins Bauwerk: Ihr Werk ist aber nicht von langer Arbeit und gewöhnlich mit dem Jahre angefangen und gerichtet, geht rasch empor und sinkt noch schneller in Asche, denn das Feuer ist ihrer Werke unversöhnlicher Feind. W i r Maurer arbeiten daran, sie wegen dieser Vergänglichkeit ganz zu vertilgen; könnten wir es leisten, so müßte
gemeinen Drang der Dinge aus höherer Ansicht fassen kann« (Rez. von Werner »Attila« (1810), S.6; AW 6, S. * ) i i . ) .
222
kein Spon Holz an den Gebäuden sein, doch hat dies große Hindernisse und wir müssen uns den Babylonischen Turm noch immer vorwerfen lassen. (62)
Erwin will das ausschließlich überzeitliche Bau-/Kunstwerk durch die Arbeit »mit Erzeugnis der ersten reinen Schöpfung, mit Steinen und gebrannten Erden« (62) erzielen - also paradoxerweise durch eine ebenso ausschließliche Zuwendung zum im Wortsinne Irdischen. (Damit weicht Erwins Denken von Arnims Idealen natürlich nicht nur ästhetisch, sondern auch ethisch ab. Der babylonische Turm ist ihm ein Vorwurf mangelnder Kunstfertigkeit, kein Menetekel).202 Innerhalb des kunsttheoretischen Diskurses bringt Erwin die Abweichung auf den Begriff, wenn er-auf »die andern Gewerke« angesprochen meint: »Sie haben die Form [...], wir haben das Wesen!« (62)203 Aus dieser Verabsolutierung des »Wesens« entspringt seine artistische Hybris, der übersteigerte Anspruch an das Werk: »Das eigne Werk [ . . . ] gibt Überdruß, [ . . . ] wenn es fertig und zu steigender Erfindung verpflichtet [...]« (63). Die existenzielle Gefahr dieses Denkens führt dann das Münsterbau-Lied deutlich vor Augen. Auch dort wird zunächst einmal eine künstlerische Praxis vorgestellt, die den Prinzipien Arnims sehr genau folgt, bis eben auf eine charakteristische Abweichung. Grundlage ist die Inspiration: Erwin sieht sein Werk durch den »Hauch« des Herrn »angereget« (101) und damit als »heiige Kunst« (102). Auch sein Bericht über die Entstehung ist mit Arnims kunsttheoretischen Vorstellungen weitgehend im Einklang. Ein Versuch, »mit schnellen Bleie« (102) das Münster nur auf sich gestellt zu entwerfen, scheitert, denn »es fehlt die rechte Weihe« (102). Erst die Begegnung mit der »Kirche,/ Die der erste Christ erbaute« (102), führt ihn weiter, indem er in einem Akt baulicher Intertextualität den »Plan« (103) des Münsters aus dem Bau dieser Kapelle entwickelt (103), 204 also die Kapelle »weiterdichtet«, Kunst durch Kunst deutet und damit ihre geistige Substanz erhält und der Gegenwart neu zugänglich macht. Erwins Aufmerksamkeit gilt aber auch hier besonders dem Material, dessen Bedeutung er nachdrücklich hervorhebt: 102 203
204
Vgl. dazu auch Ricklefs 1990, S. 191 ff. Das hat natürlich vor allen Dingen Konsequenzen für die Rezeption, die nach Arnims Theorie ja wesentlich in der Verantwortung der zeitlichen »Form« liegt. Die Bauleute lassen sich »nicht durch die Erscheinungen des Tages irre machen«, und das hat eben zur Folge, daß ihre Werke auf Unverständnis stoßen: »manchmal begreift uns das mitlebende Geschlecht gar nicht« (S. 62). Demgegenüber findet Dürer gerade nichts dabei, »den heiligen Hieronimus mit seinem Löwen in sein eignes Wohnzimmer« (S. 97) zu setzen. Einen ähnlichen Gedanken verfolgt das Manuskript »Von deutscher Baukunst« (Wingertszahn 1990, S.639f.). 22
3
G o t t erschuf am zweiten Tage, D e r vom Wasser schied die Erde, Zeugen dieser heiligen Sage, Felsen sich zum Opferherde [ . . . ] ( 1 0 1 )
Erwins bedenkliche Bestrebungen aus dem Gespräch mit Berthold werden hier wieder in Erinnerung gebracht, und auch der katastrophische Schluß steht damit in engem Zusammenhang. Erwin bringt sein Werk bekanntlich nicht Glück, sondern Verzweiflung und den Wunsch zu sterben. Das Lied schließt mit seinem Flehen zur »Gnadenmutter«: [ . . . ] daß sie mich von hinnen Z u dem Bau des Himmels nehme, N e u e Lehre zu gewinnen, Denn als Meister ich mich schäme, Daß ich diesen Turm verdorben, Weil der Plan schon hier erfüllet; Was vollendet ist gestorben U n d die Sehnsucht nicht mehr stillet. ( 1 0 6 )
Seine gleichzeitige Verabsolutierung des »Wesens« und des irdischen Materials sowie der daraus entspringende Glaube an die Möglichkeit der Vollendung im Diesseitigen werden durch sein Scheitern kritisiert.205 Die Figur Erwins ist das erste Beispiel der Auseinandersetzung des Romans mit der auktorial vorgestellten Kunsttheorie. Erwin vertritt sie ebenfalls, aber er vertritt sie nicht vollständig und löst sie auch als Künstler nicht ein. Die diffizile Relation ist, wie schon innerhalb der politischen und ethischen Bedeutungsebene, doppelt deutbar; zum einen als Affirmation der auktorialen Theorie ex negativo, zum anderen jedoch als ihre implizite Kritik: Wieder wird unterschwellig die Frage nach der Realisierbarkeit des Konzepts aufgeworfen. Die anderen Künstlerfiguren haben gleichfalls teil an der den Roman durchziehenden Diskussion dessen, was in »Dichtung und Geschichte« und der Einleitung zum zweiten Buch auktorial exponiert wird. Auch an ihnen ist nicht die einfache Widerlegung der »rückwärtsgewandten Utopie« interessant, sondern die Spannung zwischen ihrer Kunst und der vom Erzähler explizierten Kunsttheorie. Die zweite in diesem Zusammenhang wichtige Figur ist der »niederländische Maler Sixt« (99). Er wird zunächst als eher wunderlich-komische io
' Darin könnte natürlich auch eine versteckte Kritik an Clemens Brentano liegen, der als Theoretiker und als Dichter »wie kein anderer das Wort beim Wort genommen hat und dem Sprache nicht nur Material, sondern Substanz der Dichtung war« (Seidlin 1979, S .96).
224
Figur gezeichnet, die »demütig, klein und krummbeinig« vor Berthold »reverenzt« (99) und die »Leute« malt, »wie sie gern sein möchten [...]« (100).206 Doch gerade seine Malerei dient dem Erzähler wenig später als Beispiel zur Illustration seines Stilideals einer Kunst, die »Alltägliches und Sonntägliches aus einem Stück« (97) bildet. Sixt hatte die vollen, sinnlichen Gestalten seiner niederländischen Meister im K o p f e , so malte er auch seine Heiligen, daß noch ein sehr vollendeter Mensch außer der Heiligkeit sich in ihnen zur Schau stellte, ein Mensch, der auch zur Sünde den Stoff in sich trug, aber in seinem Ausdruck, die Bändigung der Lust, die Unterwerfung des blinden Triebs zu höherem Z w e c k e zeigte, der zugleich durchscheinen ließ, daß dies alles in ihm kein toter Z w a n g des Gesetzes sei, sondern ein Drang seiner Seele, ein feuriger Wille, oder was gewöhnlich Glaube genannt wird, dies Vertrauen auf einige Begeisterung des Willens für etwas, das alles wirkt und bildet. ( 1 9 4 )
Während Sixt als >Theoretiker< (vgl. 100) kaum Nähe zum Kunstverständnis des Erzählers zeigt, verwirklicht seine Malerei augenscheinlich die Forderung nach einer realistischen und doch für das »Höhere« transparenten Kunst. Doch weist gerade diese Differenz kritisch auf die Einleitung zum zweiten Buch zurück. Sixt vertritt seine ästhetische Vorliebe für den niederländischen Stil in expliziter Gegenposition zur Malerei Dürers und der Nürnberger, »weil er auf die Malerei der dortigen Meister, besonders Albrecht Dürers gar nichts hielt, sondern das Wohlgefallen der Leute an dessen magern Gestalten für eine Augenverblendung ausgab« (194). Man ist versucht, diese Äußerung seiner im Roman durchaus dokumentierten Ignoranz zuzuschreiben, und doch wird gerade an dieser Stelle die diskursive Spannung zwischen auktorialer Stimme und >dezentriertem< Roman deutlich. Denn mit der uneingeschränkt positiven Darstellung des von Sixt in Opposition zu Dürer formulierten Kunstideals wird der problemlose Gleichklang von altdeutscher und niederländischer Malerei in der Einleitung zum zweiten Buch in Frage gestellt. Damit tritt ein mögliche Lücke, eine Inkonsequenz, ein theoretisch nicht völlig lösbares Problem im ästhetischen Konzept zutage, das der Roman vor allen Dingen mit der Figur Antons wieder aufgreifen wird. Die beiden prominentesten Künstlerfiguren in den »Kronenwächtern« sind sicherlich der Maler Anton und der »Sänger« (234) Grünewald. Sie sollen deshalb etwas ausführlicher behandelt werden. 206
Er ist unter diesem Gesichtspunkt natürlich die Gegenfigur zu Erwin, dessen Schicksal er berichtet. Seine verkaufsorientierte Ästhetik (S. 99t.) macht Sixt daneben zum Bruder Wehmüllers.
225
Anton tritt als selbständiger Künstler erst relativ spät im Roman auf, wenn er das »Bild am Giebel«, eine Madonna mit Kind, neu »aufmalt« (243). Seine Person verheißt viel: Er ist zunächst im Irdischen fest verwurzelt, seine »riesenhaften Beine« (243), sein festes Stehen »auf [seinem] Platz« (243) und sein pulsierendes Blut (244) geben zu der Hoffnung Anlaß, daß er sich nicht so leicht in ätherische Höhen, in »eine andre Welt hinauf [ . . . ] schrauben« (97) wird. Anna bringt dies mit einer Sentenz deren volle Bedeutung ihr wohl kaum bewußt ist - auf den Begriff: »Wenn ihr auch noch nicht Meister seid [...], so steht ihr doch auf eurem Platz fest und geht auf einem großen Fuße einher, in jedem eurer Beine hat ein Meister Sixt Platz und wenn eure Kunst euer Maß hält, so könnt ihr einer der größten Meister werden« (243). Gleichzeitig verweist schon sein Aussehen darauf, daß er nicht nur im Irdischen beheimatet ist. Als er sein Gesicht zeigt, »erschien er, wie ein Engelskopf unter dem Vergrößerungsglase sich darstellen möchte« (244). Bereits Maximilian hatte bei seinem Martinswand-Abenteuer Anton wegen seines »lächelnden, blonden Lockenkopfes [ . . . ] für einen Engel« (168) gehalten (vgl. 28jf.). Schon körperlich ist Anton von Sixt deutlich unterschieden, und Anton weist daher auch jeden Gedanken an eine etwaige Verwandtschaft empört zurück: »Gott behüte, [ . . . ] daß die kleine Heuschrecke mein Vater wäre, ich bin nur so in der Not zu ihm gelaufen, als ich noch ein dummes Kind war, und weil er mir damals etwas Gutes angetan hat, dafür muß ich ihm mein lebelang eigen sein« (244). Daß seine Kunst ein anderes Verhältnis zum »Himmlischen« (97) hat als die seines Lehrers, wird metonymisch angedeutet. Sixt hätte sich in der »Höhe«, in der Anton beim Malen des Bildes am Giebel arbeitet, »längst aus Schwindel den Hals gebrochen« (246). Das meint jedenfalls Anton, der sich auch technisch für geschickter hält: »[...] auch gehts ihm nicht so von der Hand, wie mir und auf der Mauer will alles schnell gemalt sein, sonst stimmen die Farben nicht, wenn alles getrocknet ist« (246). Anton ist jedoch nicht ganz die ideale Künstlerpersönlichkeit, als die er zunächst erscheint. Dies ist der implizite Nebensinn von Annas Sentenz, die direkt auf den Kern von Arnims Ästhetik und ihrer poetischen Diskussion in den »Kronenwächtern« verweist. Anton »hält« das »Maß« (243) eben nicht, seine Verbundenheit mit dem Irdischen ist zur kulinarischen Maßlosigkeit eines gargantuesken Fressers (244^) deformiert. Damit klingt das Problem der jeweiligen Vereinseitigung wieder an, das nicht nur bei Erwin, sondern auch bei Antons Persönlichkeit und Kunst zur Darstellung kommt. 226
Der Roman zeichnet ihn recht deutlich als naiven Jüngling. Dies zeigt sich schon daran, daß es Sixt trotz körperlicher Unterlegenheit immer wieder gelingt, Anton zu verprügeln (was dieser auch noch bewundert: »Der Meister ist ein listiger Mann . . . « ; 244). Er ist darüber hinaus naiv-gut, wenn er sich als schlechter Leugner erweist (312, vgl. 286), naiv-mutig und ruhmsüchtig, wenn er in den Krieg zieht (299, 308), naiv-eitel, wenn er mit einem roten Mantel, den ihm Berthold für eine Zeichnung des Todaustreibens schenkt, einherstolziert, »als ob er sich den Doktormantel verdient hätte« (296). Seine Naivität zeigt sich ebenso darin, daß er von den Gerüchten, die sich um seine Beziehung zu Anna ranken, nichts mitbekommt, wie in seiner etwas dümmlichen Bewunderung der Listigkeit Grünewalds (283). Seine unreflektierte Ablehnung von Bertholds politischen Vorhaben (308) verdeutlicht, daß er die politischen Verhältnisse kaum überblickt. Auch seine Beziehung zu Anna ist lange von einer eher kindlichen Unschuld geprägt, erst zum Ende des Romans machen sich erotische Ambitionen - dann allerdings heftig - bemerkbar. A n t o n s Persönlichkeit weist damit (noch) nicht alle A n l a g e n z u r E i n l ö sung des auktorialen Kunstideals auf. G e g e n ü b e r den als Vorbildern angeführten Meistern fehlt es ihm sichtlich an R e i f e . Seine unausgeglichene Persönlichkeit spiegelt sich auch in seinen B i l d e r n , die ebenfalls in einem problematischen Verhältnis z u den theoretischen Vorstellungen des E r zählers stehen. W ä h r e n d der A r b e i t an der ersten N e u f a s s u n g des »Bildes am Giebel« 2 0 7 gibt A n t o n k u r z ü b e r seine leitenden >kunsttheoretischen Grundsätze< A u s k u n f t . E r malt mit M o d e l l e n (sprich: A n n a ) , ohne jedoch einem völligen N a t u r a l i s m u s anzuhängen: O , sagte Anton [auf Annas Protest hin; M.N.], ich male nur das Schöne an euch, das Häßliche lasse ich weg. Die Menschen sind recht sonderbar, uns Malern trauen sie zu, daß wir das heiligste Bild aus nichts schaffen und malen können, aber nicht unserm Herr Gott, der die ganze Welt zwar aus nichts, aber den Menschen nach sich als sein Ebenbild geschaffen hat, wir müssen von unserm Herr Gott, aus seinen Menschen lernen. - (245) A n t o n vertritt also zunächst eine A r t gemäßigten Realismus mit idealisierender Tendenz. 2 0 8 D i e s widerspricht z w a r Sixts »tückischem« ( 1 1 2 , 194)
107
!o8
Ein Bezug zur Bearbeitungstheorie Arnims liegt aber wohl nicht vor. Das ursprüngliche Bild war vom »alten Maler Fischer« - der hier für die mittelalterliche Kunst einsteht »mit sterbender Hand »(S. 98) gemalt worden, welcher daraufhin »aus Schreck, daß er sie so bleich und hinfällig dargestellt« (S. 98), stirbt. Es ist also eine Arbeit mit fulminanter Wirkung, aber von wohl geringer Qualität. Antons Werk ist dagegen eine völlige Neufassung (»neu aufmalen [zu] lassen«; S. 243) desselben Sujets. Die Opposition »bleich und hinfällig« vs. »neu aufmalen« verweist zum einen auf Bertholds pulsartigen Lebensrhythmus, zum anderen auf die Opposition Berthold vs. Anton. Der »Genrebilder«-Aufsatz von 1830 geht hier eine Spur weiter: »Wenn nur alle den Grundsatz festhalten wollten, daß Alles in der Kunst mit gleichem Rechte lebt, was
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»kontrafetischem« (99) Naturalismus, aber auch er hatte bei seinem Bild Annas »reich und freudig [...] die herrlichsten Augenblicke in Annens Gestalt und Ausdruck zu sammeln und fest zu halten« (194) gewußt. Dennoch sieht sich Anton, anders als sein Lehrer, nicht in Opposition zu Dürer, sondern »verehrt« ihn (312, 322), während die Niederländer in seinen Überlegungen augenscheinlich keine Rolle spielen. Die Problematik der in der Einleitung zum zweiten Buch für die Zeit behaupteten Eintracht von »Niederländern, [...] Italienern« und »deutschen Künstlern« (97)109 wird mit dieser Differenz zumindest wieder in Erinnerung gebracht. Vor allen Dingen ist jedoch festzuhalten, daß Anton zwar nicht beansprucht, das »heiligste Bild aus nichts [zu] schaffen«, von Inspiration an dieser Stelle aber noch nicht die Rede ist. Anton malt nicht immer nach den Grundsätzen, die er beim ersten »Bild am Giebel« vertritt. Dies zeigt sich in der Schilderung seiner Arbeit an einer zweiten Madonna mit Kind. Er hat den Auftrag erhalten, das »Bild am Giebel« noch einmal nachzubessern, und setzt sich, während er sich bei Anno aufhält, »zu seinem Zeichenbuche« (315): A n t o n hatte lange gebetet, daß eine heilige Mutter mit dem Kinde seiner Seele sich darstelle, die vollkommner und reiner das Wesen derselben zeige, als jene, die er am Hausgiebel gemalt hatte. A b e r immer deutlicher schwebte ihm dieselbe Gestalt vor. Schon gab er sich verloren, weil er das Bild nur verderben könne, wenn er es ändern wollte und wollte sich gar nicht die Mühe geben, es aufzuzeichnen. A b e r endlich riß er doch so in Gedanken, um die Hand zu beschäftigen, das Bild auf, wie es ihm vorschwebte. Die Arbeit unterhielt ihn in emsiger Tätigkeit und erst wie es fertig war, erkannte er zu seinem Erstaunen, es sei dasselbe und doch ganz anders, wie jenes, das er auf den Giebel gemalt habe. E s war so viel fester, reiner, erdenfreier, als jenes, daß ein gemeines A u g e
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wirkliches Leben hat, daß in der Kunst wie vor dem Herrn der Welt der Unterschied zwischen Gemein und Vornehm, zwischen Groß und Klein verschwindet« (S. 1428; AW6, S. 1050). Büchners Lenz argumentiert mit einer ähnlichen Figur wie Anton, kommt aber zu einer radikaleren Schlußfolgerung: »Der liebe Gott hat die Welt wohl gemacht wie sie sein soll, und wir können wohl nicht was Besseres klecksen, unser einziges Bestreben soll sein, ihm ein wenig nachzuschaffen. Ich verlange in Allem - Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist's gut; wir haben dann nicht zu fragen, ob es schön, ob es häßlich ist [...]«. Deshalb sind ihm auch die »Holländischen Maler [ . . . ] lieber, als die Italienischen [...]«. (Georg Büchner, Werke und Briefe, nach der historisch-kritischen Ausgabe von Werner R . Lehmann, München (dtv), 1980, S. 76 und S. 77). In »Genrebilder, Staffage« (1830) leugnet Arnim ebenfalls jegliche tiefergehende Differenz z . B . zwischen »Rafael« und den »Eyck's« und scheut auch nicht davor zurück, zu »behaupten, auch Rafael sei ein vortrefflicher Genremaler in seinen Madonnen gewesen;« (S. 1427; AW 6, S. 1048).
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den Ursprung aus jenem übersehen hätte, die Ähnlichkeit w a r nur noch ihm kenntlich. Seine Seligkeit hatte keine Grenzen, aber je freudiger und reiner er zu dem erhabnen Abbilde, das sich ihm dem unwürdigen Arbeiter geschenkt, betete, desto unruhiger füllte ihn Annens Bild mit Wünschen, die er nie gefühlt, mit einer Sehnsucht, der er sich gern entzogen hätte. ( 3 1 5 f . )
Die Szene ist wohl in Anspielung auf den Abschnitt »Raffaels Erscheinung« (und damit auf einen »Italiener«) in Wackenroders »Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders« gestaltet. Das Gebet als Voraussetzung der Inspiration, 210 ihre anfängliche Undeutlichkeit 2 " und schließlich die Beschreibung des Malvorgangs als Abbilden dessen, was »seiner Seele vorgeschwebt habe«, 212 sind, bei allen sonstigen Differenzen im einzelnen, deutliche Parallelen. Der Akzent liegt nun eindeutig auf der Inspiration; von einem Realismus, einem Malen nach Modell ist nicht mehr die Rede. In der Abgrenzung des Ergebnisses vom ersten Versuch ist unschwer ein zentraler Gedanke der Arnimschen Kunsttheorie zu erkennen. Es ist different und doch identisch, »dasselbe und doch ganz anders«, 2 ' 3 was dann nicht verwundert, wenn man sieht, daß es Anton ja um das »Wesen« (316) gegangen war. Beide Bilder sind wesensgleich, unterscheiden sich jedoch produktionsästhetisch und stilistisch. Das zweite ist »so viel fester, reiner, erdenfreier, als« (316) das erste. Damit hat sich Anton nun doch von der niederländischen Ästhetik Sixts entfernt. Der Roman weist damit abermals unterschwellig auf stilistische Differenzen zwischen Niederländern, Italienern und deutschen Künstlern, die die Einleitung zum zweiten Band wenigstens für die damalige Zeit in Abrede gestellt hatte (97). Der letzte im »Ersten Band« dokumentierte künstlerische Anlauf Antons ist schließlich die Umsetzung seiner inspirierten Madonna in eine zweite Version des Bildes am Giebel: K a u m zwei Stunden angestrengter und doch nicht gefühlter Tätigkeit bedurfte es, um beide Gesichter dem Höheren zu nähern, was seiner Seele vorschwebte, aber ohne zu zerstören, hätte er jetzt in den nassen Farben nicht weiter ausführen können. ( 3 2 3 )
210
Vgl. Wilhelm Heinrich Wackenroder, Werke und Briefe, hrsg. von Gerda Heinrich, München 1984, S. 145. ' Vgl. ebd. 2,2 Vgl. ebd., S. 146. 213 Eben »wie sich die Fantasie überall wunderbar gleich und ungleich zugleich gestaltet [ . . . ] E i n s i e d l e r « ( Z f E , Sp. 240). 11
229
Der Gegensatz von Inspiration und ihrer durch das Material beschränkten Realisierung, die aus dem Kunstakt ein »Nähern« an das durch die Inspiration Vorgegebene macht, ist ein Grundgedanke Arnims, der so beinahe wörtlich auch in einer Anmerkung in »Von Volksliedern« erscheint: »Der Mahler benuzt was ihm die Erfahrungen über die Farben geben, der Farbe in seinem verschlossenen Auge sich zu nähern, der Dichter was ihm die Sprache giebt, schaffend im widerstrebenden Stoff [...]« (FBA 6, 431). Die Ubermalung des ersten, nach dem Modell gemalten Bildes mit dem zweiten, in der Inspiration empfangenen, macht Antons stilistisches Schwanken deutlich. Er malt entweder realistisch-»niederländisch« oder idealistisch-»italienisch«, während er sich geistig sichtlich an Dürer orientiert. Der Roman indiziert darüber hinaus auch implizit, daß mit Antons zweitem Bild am Giebel keine Einlösung und Bestätigung der Einleitung zum zweiten Buch vorliegt, 214 wenn er sich bei der Beschreibung des Bildes selbst widerspricht: »Kein Pinselstrich mißlang, die kräftige Farbe überdeckte bald die schwächere seines ersten Bilds, das in seinem Umriß sehr leise und sogar unbestimmt gehalten war« (323). Dies muß verwundern. Beim ersten Auftrag ging es doch darum, das blasse Bild des alten Meisters Fischer »aufzumalen«, und Anton hatte dies sichtlich in einem kräftigen realistischen Stil getan. Demgegenüber war die inspirierte Skizze, die dem zweiten Versuch zugrundeliegt (vgl. 312/316), zwar »fester«, aber auch »reiner, erdenfreier« gewesen als das erste Bild. Das muß nun zwar nicht ausschließen, daß der zweite Versuch mit kräftigeren Farben unternommen wird als der erste, aber die Bezeichnung »leise und sogar unbestimmt« gehaltener »Umriß« (323) käme doch eher dem zweiten zu. Das Problem der Vereinigung von Idealität und Realität im Kunstwerk bleibt ungelöst. Die Darstellung von Sixts und Antons Kunst und »Kunsttheorien« akzentuiert eher den Hiat zwischen kräftigem Realismus und stärker tranzendenter Ausrichtung, zwischen Malen nach der Wirklichkeit und Darstellung des »Himmlischen« (97). Die Einleitung zum zweiten Buch fordert die Verbindung beider und nennt Dürers »Hieronymus« als Beispiel, während der Roman mit seinen Malerfiguren Sixt und Anton die praktische Problematik dieses Gedankens unterstreicht. Daneben kommt auch das Thema der Gefährdung des Künstlers im Zusammenhang mit der Figur Antons kurz zur Sprache. Erwin scheiterte 214
Burwick sieht dagegen im zweiten Bild den »Durchbruch von Antons Künstlertum« (R. Burwick 1989, S. 336; vgl. S. 333ff.).
230
an seiner Verabsolutierung des Gedankens der Überzeitlichkeit des Kunstwerks, und auch bei Anton zeigt sich die mit dem Werk verbundene Gefahr der Hybris. Deren wenigstens unterschwelliges Vorhandensein verdeutlicht ein näherer Vergleich mit Wackenroders Raffael-Abschnitt. Zwar schildern beide Texte gleichermaßen den Schöpfungsakt als Empfangen des Kunstwerks. Während jedoch Raffael »vor seinen Bildern« nur »eine gewisse Ehrfurcht« 21 ' fühlt, betet Anton gleich »zu dem erhabnen Abbilde« (316), also zu seinem eigenen Werk. Noch problematischer sind indes die erotischen Untertöne: Auch Wackenroders Raffael berichtet, »während der Arbeit sei sein Inneres immer mehr erhitzt worden«, 216 doch Anton fühlt weniger eine Marien-Verehrung als eine stark irdische Neigung: » . . . je freudiger und reiner er zu dem erhabnen Abbilde [ . . . ] betete, desto unruhiger füllte ihn Annens Bild mit Wünschen, die er nie gefühlt, mit einer Sehnsucht, der er sich gern entzogen hätte« (316). »Die Kronenwächter« präsentieren so mit Antons zweiter Madonna mit Kind ein Kunstwerk, das, ganz in Entsprechung zur Theorie Arnims, in der Inspiration seine Grundlage hat, und ziehen im gleichen Moment die Authentizität der Inspiration in Zweifel. Handelt es sich nun um eine göttliche Inspiration, eine erotische Phantasie oder um beides? Die Frage bleibt offen. An anderer Stelle wird die Affinität und Verwechselbarkeit von erotischen Wunschvorstellungen mit göttlicher Inspiration mit unverkennbarer Ironie veranschaulicht. Anna, die mittlerweile auch damit beschäftigt ist, ihre Neigung zu Anton zu bekämpfen, berührt diesen nächtens versehentlich mit der Hand im Gesicht, »daß er sich lebendig in ihr gestaltete, sie hätte ihn in Ton darstellen können [...]« (322). Daraus entwickelt sich ein Abtausch von verbalen Zärtlichkeiten: N u n weiß kennen! Mute, der Auge und
ich, wie es den Blinden geht, sagte sie verlegen, und wie sie die Leute Und er entgegnete: Und ich weiß nun, wie einem Menschen zu sehen lernt, denn mit eurer Hand kamen mir die ersten Strahlen ins nun sehe ich schon euer Antlitz im Mondenschein. (322)
Nur das Licht des aufgehenden Mondes rettet Anna vor einem Kuß (322). Anton hat wohl alle Anlagen zu einem vollendeten Künstler, aber er löst die auktoriale theoretische Konzeption ebenfalls nicht ein. Dies wird nicht alleine aus dem problematisierten Status seiner Inspiration ersichtlich, sondern vor allen Dingen daran, daß immer wieder negativ auf den ij
' Wackenroder, S. 146. Ebd., S. 145.
1,6
231
Kernsatz Bezug genommen wird, daß »Alltägliches und Sonntägliches [ . . . ] aus einem Stück gebildet sein« (97) müsse. Anton gelingt genau dies nicht. Er arbeitet, nachdem er seinen Meister Sixt verlassen hat, werktags bei der »Weinhacke« (309), während er »am Sonntage« (309) dem alten Anno »ohne Lohn und Brot« (309) hilft. Das wäre an sich lobenswert, wenn nicht immer wieder die Polarität beider Bereiche im Leben Antons hervorgehoben würde: »Die harte Arbeit, die er in der Zeit ertragen, machte ihm den Müßiggang des Sonntags gefährlich, ruht die Mühle, so füllt sich der Mühlteich und tritt über die grüne Wiese, die er bisher nährte« (316). Die kunsttheoretische Problematik dieser Polarität zeigt sich an anderer Stelle, in der die Kunst für den »Sonntag« in dasselbe Oppositionssystem eingesetzt wird: Die Sehnsucht nach der Malerei hatte ihn erst ergriffen, seit er in den Weinbergen hackte, er verglich die elende Wirkung dieser Tätigkeit (höchstens ein Paar Maß Wein mehr, die Faust in einer Stunde hinunterstürzte), mit der eines Bildes, das von Tausenden bewundert, ein Paar Jahrhunderte besteht und neue Schöpfungen anregt, er hatte im Z o r n darüber die Erde übermäßig zerhackt. ( 3 1 2 )
Anton empfindet (ähnlich wie Erwin) den Alltag, die Arbeit für den Tag, und »das sonntäglich kirchliche Wesen« (96), die Uberzeitlichkeit der Kunst, als Gegensatz. Dies ist ein Problem seiner Persönlichkeit, wie der in Klammern gesetzte Verweis auf seine Maßlosigkeit verdeutlicht. Sein Verhalten ist gleichermaßen Rückverweis und Gegenbild zu der in »Dichtung und Geschichte« gemachten Feststellung, daß die »Zerstörung [ . . . ] von der Tätigkeit« komme, »die sich von der Erde ablenkt und sie noch zu verstehen meint« (11). In Antons Persönlichkeit und seiner Kunst sind die beiden von der auktorialen Kunstkonzeption verlangten Elemente zwar vorhanden, sie bleiben jedoch unverbunden. Man kann in Anton einen jungen Künstler mit besten Anlagen sehen, dem jedoch die Reife fehlt und der auf seinem Weg gefährdet ist, in Hybris und/oder Haltlosigkeit zu verfallen. Daß er zu Dürer soll, um Meister zu werden (322, vgl. 31 if.), spräche für diese Interpretation. Mit Antons Tod wird der angedeutete Bildungsweg jedoch abgebrochen. Es ist daneben bezeichnend, daß gerade am Beispiel seiner Werke die bereits bei Sixt angedeutete Stildifferenz zwischen niederländischer, italienischer und deutscher Malerei akzentuiert wird. Dahinter steht die Frage nach der Realität im Kunstwerk, deren mehrfach unterschiedliche Beantwortung durch Sixt und Anton ein kritisches Licht auf die in der Einleitung zum zweiten Buch explizierte Konzeption und das Postulat ihrer Einlösung um 1500 wirft. Dürer - der bezeichnenderweise nicht im 232
Roman auftritt - ist im Kontext der Kunst A n t o n s weniger positives E x e m pel einer allgemeinen H ö h e der Zeit als idealer Fluchtpunkt eines zwischen »niederländischem« und »italienischem« Stil schwankenden Künstlers. Grünewald, der »lustige, ältliche Sänger« (234), ist, sieht man von der mythischen Figur Davids einmal ab, trotz seines N a m e n s der einzige Dichter neben vielen bildenden Künstlern in den »Kronenwächtern«. A r nim hatte sich der Figur schon früher an prominenter Stelle bedient: Die Geschichte des durch Gesang ausgelösten Mantels fand er in Wickrams »Rollwagenbüchlin« und schickte sie, in leicht modernisierter Form, dem ersten Band des »Wunderhorns« mit einer signifikanten Ergänzung und mit einer speziellen Ausdeutung als Zueignung an Goethe voran. Die Ergänzung, die auch in die geraffte Fassung der Geschichte in den »Kronenwächtern« übernommen wird, ist die Erwähnung des Windes, der den rückerworbenen Mantel »aufblies« ( F B A 6, 7) und dem Wirt das Fenster »zusammen« ( F B A 6, 7) bzw. im Roman »auf die rote Nase« (23 5) wirft. Im Kontext des »Wunderhorns« war dies eine böse Spitze gegen die Heidelberger Gegner, wie aus der Nachschrift Arnims und Brentanos hervorgeht: Wir sprechen aus der Seele des armen Grünenwald, das öffentliche Urtheil ist wohl ein kümmerlicher Wirth, dem unsre Namen als Mantel dieser übel angeschriebenen Lieder die Schuld nicht decken möchten. Das Glück des armen Singers, der Wille des reichen Fuker geben uns H o f f n u n g , in Eurer Exzellenz Beifall ausgelöst zu werden. ( F B A 6, 7) Arnim und Brentano spielen ein wenig mit der allegorischen Zuordnung (sind sie nun Grünenwald oder der Mantel?). Für unsere Frage nach der kunsttheoretischen Selbstdiskussion in den »Kronenwächtern« ist aber vor allen Dingen von Interesse, daß Arnim eine Figur einführt, mit der er sich bereits ironisch identifiziert hatte. Grünewald ist im Roman deutlich als Parallelfigur zu A n t o n , dem avanciertesten bildenden Künstler in den »Kronenwächtern«, angelegt: Beide sind Hohenstaufen, beide verbrachten ihre Kindheit auf der Kronenburg (i}6i.), beide wurden, nachdem sie die Kronenburg verließen, von Künstlern »alter Schule«, Sixt bzw. dem »alten Hofnarren [ . . . ] Konrad Naftsger« (237) aufgezogen. Daneben verlieben sich beide in Anna (234, 316) und verbringen mit ihr eine bzw. Grünewald sogar mehrere Nächte - in aller Unschuld (275, 282). Anna wiederum reagiert auf die künstlerischen Leistungen beider bisweilen eher kühl (317, 323). Schließlich wird die Beziehung auch durch Bildzeichen akzentuiert. Nicht nur Grünewald, auch Anton erhält (von Berthold) f ü r seine Kunst einen Mantel, mit dem er - wie Grünewald (235) - »stolz« (296) einherschreitet. Beide neigen schließlich zum picaresken Vagabundieren (235/ 3°9)-217
217
Im »Zweiten Band« ist Grünewald als »Güldenkamm« Begleiter Antons (vgl. AW 2,
S. 4 J2f.). 2
33
Die persönliche Beziehung Antons und Grünewalds ist im »Ersten Band« hingegen nur schwach ausgeprägt. Z w a r findet Grünewald in seiner ersten Niedergeschlagenheit in Waiblingen in Anton einen »gutmütigen Zuhörer« (236), der sich schließlich mit ihm sogar verbrüdert und das Lager teilt, doch ergibt sich daraus keine tiefere Verbindung. 218 Mit der Figur Grünewalds gestaltet der Roman abermals das Problem des Verhältnisses von »Sonntag« und »Alltag«, deren poetologische Entsprechungen hier Unbewußtheit und Reflexion sind. Bei seinem ersten Auftreten bietet er ein gegenüber Anton noch verschärftes Bild der Naivität, des unreflektierten Momentanismus. E r ist zunächst »lustig« (234), Momente später, nach einer Auseinandersetzung mit den »Stadtpfeifern« (235), läuft er jedoch in »seinem Rausche [ . . . ] hastig am Markte umher und regt alle Jammertöne seiner Zither« (236). Kurz darauf singt er ein grausiges Lied seines Vaters über dessen Erlebnisse in Böhmen und fängt hinterher »zu lachen an« (240). Selbst Anton gibt sich über diesen »Mann [ . . . ] der so in einem Atem lachen und weinen, belustigen und rühren wollte«, »verwundert« ( 2 4 1 ) ; »aber er trug ein brüderliches Herz zu ihm und nötigte ihn, da er ohne Obdach, sein Lager mit ihm zu teilen« (241). Auch als Begleiter Bertholds und Annas auf Hohenstock wirkt Grünewald eher naiv und kindlich. Danach geschieht Seltsames mit ihm. E r wird, was eher beiläufig erwähnt wird (275), auf Hohenstock als Mann in Frauenkleidern enttarnt und festgehalten, um kurz darauf als designierter neuer Vogt (278) im 2,8
Eine recht seltsame Synthese ihrer Künste entsteht, wenn Anton Grünewalds Hochzeitslied versehentlich mit Firnis verklebt (S. 248). Eine andere Gemeinsamkeit beider ist der Geschlechtsrollentausch. Wingertszahn erwähnt im Rahmen seiner psychoanalytischen Interpretationsversuche auch Antons weibliche Verkleidung (Wingertszahn 1990, S. 372^) und verweist in diesem Zusammenhang auf Schlegels Lucinde (S. 376). Anton malt sein letztes Bild im Mantel Verenas (322), wird von Faust für eine Frau gehalten und im darauffolgenden Getümmel getötet (j25ff.). Grünewald tritt ebenfalls zeitweise in Frauenkleidern, als »Tyrolerin« (258 u.ö.), auf. Mir scheint auch an dieser Stelle die Differenz zum organologischen Denken der Goethezeit durchaus erkennbar. In Schlegels Androgynieprojekt (»sanfte Männlichkeit [ . . . ] selbstständige Weiblichkeit«; Athenaeum Bd. 2, S. 9) geht es darum, daß »Mann und Weib, die sich durch gesellschaftliche Zwänge antithetisch verhalten [ . . . ] in einem Reinigungsprozeß in den synthetischen Zustand des androgynen Urmenschen zurückgeführt werden« sollen (Achim Aurnhammer, Androgynie. Studien zu einem Motiv in der europäischen Literatur, K ö l n - W i e n 1986 ( = Literatur und Leben N . F . Bd. 30), S. 198). Bei Antons und Grünewalds Mannweiblichkeit handelt es sich jedoch um mehr oder minder der Notwendigkeit entsprungene Verkleidungen, nicht etwa um ein spielerisches »Rollen vertauschen« ( K A V, S. 12) - zumal der weibliche Partner fehlt. Man kann sie daher auch kaum als »bedeutende Allegorie auf die Vollendung des Männlichen und Weiblichen zur vollen ganzen Menschheit« ( K A V, S. 13) deuten. Es geht hier wohl weniger um die Übernahme als um die Ironisierung Schlegelscher Ideen. 2
34
Gefolge von Herzog Ulrich nach Waiblingen zurückzukehren. Seine Abenteuer tragen sicher picareske Züge, aber das eigentlich Erstaunliche ist seine kurzfristige Wandlung vom naiv-präsentischen Künstler zum »in schimmernden Hofkleidern« (278) auftretenden »Geschäftsmann« (279). Grünewald »entwickelte ungestört eine Menge guter Einsichten über die Verhältnisse der Stadt, über ihren Weinbau und endlich auch über ihre Weinlese« (279), er organisiert als eine Art Maitre de plaisir das Fest in den Weinbergen (279) und spricht später »sehr gelehrt von allen Arten der Befestigung« (288). Dabei distanziert er sich sogar von seiner eigenen Vergangenheit, wenn er gegenüber Berthold so tut, »als sähe er [ . . . ] die Stadt zum erstenmal«, und »von einem lustigen Vetter« spricht, »den er habe, der sich überall herumtreibe und schon manchmal mit ihm verwechselt sei« (279). Der Wechsel ist radikal, er singt nicht mehr im Rausch, sondern um sich »von dem Trinken frei zu machen« (280), und in Liebesdingen ist er nicht mehr der schwärmerische, unglückliche Anbeter Annas, sondern, »mit seiner Klugheit« (282), ihr Verteidiger gegen die Zudringlichkeiten des Herzog Ulrich. 219 Damit ist der Kontrast zu Anton - der nur noch bewundernd feststellen kann: »Der Grünewald ist listiger, als ein Mensch denkt« (283) - deutlich sichtbar. Er zeigt sich auch im politischen Bereich, wenn Grünewald ganz offensichtlich mit Berthold gegen Herzog Ulrich, seinen Herrn, zusammenarbeitet (293, 300), während Anton von den Feinheiten dieser Pläne nicht allzuviel begreift. In der letzten Phase vollzieht Grünewald eine abermalige (zunächst graduell einsetzende) Wende hin zu seinem früheren Bewußtseinsstand. Zunächst laufen bei ihm noch die wiedererwachte unreflektierte »Geschwätzigkeit und Vertraulichkeit« (297) und die Verhandlungen mit Herzog Wilhelm (297^, 300) parallel. Aber seine Rückkehr zum momentanistisch-unreflektierten Bewußtseinsstand zeichnet sich deutlich.ab. Er verhandelt schon weniger aus politischen Gründen als vielmehr aus der Lust, »seinen alten Herrn [ . . . ] einmal wieder [zu] sehen und ihm einige neue Liebeslieder vor[zu]singen« (297). Diese Entwicklung setzt sich fort: Er »unterhielt einmal wieder Annen mit seiner Liebe« (317), wird zurückgewiesen und hadert, ganz parallel zur Situation nach seinem ersten Auftritt im Roman, mit der ganzen Welt ob seiner »traurigen, eingebildeten Geschicke« (318), ohne noch die Fähigkeit zum Nachdenken aufzubringen (»Er gedachte nicht [...]«; 318). Sein Bewußtseinszustand wird offenbar, wenn er zunächst erklärt: »Ich sage nichts [ . . . ] ich habe " 9 O b er es letztlich wirklich ist, bleibt freilich o f f e n (vgl. S. 289).
235
hier sehr ernst nachgedacht über alle Ereignisse meines Lebens, ich bin ein ganz andrer Mensch geworden, ich will schweigen, wie ein Kartäuser [...]« (319) und im gleichen Augenblick Antons nächtlichen Weg zu Anna ausplaudert. Schließlich denkt auch er, Anna liebe Anton, und diese >Erkenntnis< bringt ihn dazu, in einem plötzlichen Entschluß sein Vogtsamt hinzuwerfen. Der Vergleich, den der Erzähler daraus entwickelt, stellt Grünewald wieder ganz auf die Stufe eines instinktiv handelnden Wesens: f . . . ] möge Stadtvoigt werden, wer L u s t habe, mit seiner Zither und seinem Mantel sei er noch immer jung, wenn gleich sein Scheitel kahl und sein Haar grau geworden. [ . . . ] er lief [ . . . ] mit Abscheu aus dem Hause, aus der Stadt, wie die Sturmvögel den Schiffern dadurch zur Warnung dienen, daß sie sich selbst in Sicherheit bringen und die Küste zu erreichen suchen. (320)
Wo in Antons Persönlichkeit irdische Maßlosigkeit und sonntägliches Leben, in seiner Kunst Realismus und Inspiration unvereint nebeneinanderstehen, folgen bei Grünewald Un(ter)bewußtsein und Besonnenheit unvermittelt aufeinander. Wie bei Anton kommt dieses Problem am Rande in der Metaphorik von Alltag und Sonntag zum Ausdruck, wenn Grünewald mit folgenden Versen zitiert wird: Sonntag hat ein eigen Wesen, Innres Streben, äußre Ruh, M a g von selgem Glauben lesen, Läßt den Drang der Zeit nicht zu. ( 2 5 7 )
Auch bei ihm sind also »Alltägliches und Sonntägliches« sichtlich nicht »aus einem Stück gebildet« (97). Andererseits ist er als Poet nicht zu unterschätzen, seine Gedichte gehören zu den Höhepunkten des Romans. Von Bedeutung ist dabei, daß sie den unreflektierten Phasen entstammen. Dem korrespondiert die rudimentäre >Ästhetikunbewußten< Phase entstammen, sind sie doch nicht sinnlos, sondern stehen in vielfältiger Beziehung zur Motivik des Romans. Dagegen sind die künstlerischen Leistungen in seiner >bewußten Phase< unbedeutend. Er liefert lediglich Lieder, die ihn vom Trinken befreien sollen, blasphemische Zoten, mit denen er Trunkenheit markiert (280), und »Geisterhistorien« (280) als Teil seines Plans, Herzog Ulrich von Anna fernzuhalten. Die wichtigste Gruppe seiner Werke sind aber wohl die letzten beiden Gedichte, das Tauflied (316) und das letzte Lied für Bertholds Sohn (318). Das Tauflied umspielt ebenfalls viele Themen des Romans. Für die Frage nach der impliziten Kunsttheorie ist jedoch vor allen Dingen die Einleitung von Interesse. Erzählt wird, wie es Grünewald zunächst nicht gelingt, einen Reim »zu allen unzähligen, freudigen Anfängen [zu] finden [...], die er hinaus stieß« (316). Erst als er eine Birne - das Eingangsmotiv - findet und an die »Geschicke des Hauses« und den »Bergmann« - die beiden weiteren Motive des Gedichts - denkt, gelingt ihm unwillkürlich das Gedicht. Der solcherart abgebildete Produktionsprozeß veranschaulicht unmittelbar das Funktionieren der absichtslosen poetischen Produktion als unwillkürliche lyrische Verarbeitung des Erlebten. Der Gehalt einer derartig hervorgebrachten Poesie übersteigt das Bewußtsein des Künstlers sichtlich: »Grünewald erschrak einen Augenblick, als er den letzten Reim gesprochen, das Wort hatte sich ihm im Munde umgedreht [...]« (317). Gerade der letzte Vers aber gibt dem Gedicht seine (buch-
Zur dominanten Rolle der »unmittelbaren Eingebung der Inspiration« in Arnims Lyrik und Lyriktheorie vgl. Sternberg 1983 und 1986 (hier: 1986, S. 76). Sternbergs Darstellung neigt ein wenig dazu, diesen Aspekt überzubewerten. Wohl schätzt Arnim »ernste, würdige, in tiefster Anschauung fast vergessene, dem Munde entfahrene Sprüche« (Rez. v. F. Schlegel »Gedichte« (1810), S. 150), aber er betont als Theoretiker doch immer auch die Notwendigkeit der bewußten Gestaltung: »Wenn Genie das Schaffende genannt werden kann, so ist Kunst die Art der Erscheinung dieses Geschaffenen. Genie ohne Kunst, wäre L u f t ohne Beschränkung, Kunst ohne Genie wäre ein Punkt ohne alle Dimension« ( F B A 6, S.416). 2
37
stäbliche) Tiefe. 221 Damit ist eine Umschlagsbewegung abgebildet, wie sie auch in Arnims Konzept der »getäuschten Täuschung« oder in der in »Dichtung und Geschichte« geschilderten Öffnung des »Tors einer neuen Welt« (12) erscheint. Grünewalds Inspiration steht dem Arnimschen Konzept offenbar näher als diejenige Antons, aber genaugenommen vereinseitigt seine künstlerische Persönlichkeit und Praxis dieses Element auf Kosten des Komplements der bewußten Arbeit am »Stoff«. Sein letztes Lied wird ebenfalls als direkte Wiedergabe der Inspiration jenseits aller Reflexion geschildert: »Der Gram öffnete sich endlich eine Ader in der Zunge und es strömte eine trauervolle Wahrsagung über das Kind [...]« (318). Das Lied hat aber letztlich nichts mit Grünewalds Gram und wenig mit einer Prophezeiung zu tun, sondern entwickelt aus einer Mahnung in seltener Eindeutigkeit den inspirationsorientierten Teil der Arnimschen Kunsttheorie: Vertrau dem Wort in deiner Seele, Das dir nicht eigen, du bist sein, [...] Die G l o c k e wird umsonst geschwungen, Trifft sie kein harter Hammerschlag, So wird das Wort von dir errungen, D u bebst dem Klange lange nach. ( 3 1 8 )
Auch die Umschlagsbewegung aus dem Konzept der »getäuschten Täuschung« wird zumindest angedeutet: Das Wahre muß uns erst gefallen, Das jeden in sich selbst bekehrt. ( 3 1 8 )
Schließlich aber, und das scheint mir das Entscheidende zu sein, formuliert das Lied einen Anspruch der Kunst, der selbst in Arnims theoretischen Schriften nur selten in dieser Geradlinigkeit ausgesprochen wird: Des Paradieses Frucht bewahre, D e r A p f e l reift zur Weihnachtszeit U n d du wirst selbst das ewig Wahre, Suchst du des Schönen Seligkeit. ( 3 1 9 ) 2 2 2
' " »Im harten Fels fand er die Quelle,/ Zu einer Taufe Freudenbund,/ Jetzt strahlet sie zur Sonnenhelle,/ Doch dringt kein Strahl zum schwarzen Grund.« (317). Vgl. dazu auch Sternberg 1986, S. 70 sowie Hartwig Schultz, »Dieses bewußtlose Fortrollen in mancherlei Gedanken«. Zur Bedeutung von Arnims rudimentären Versen im Roman-Kontext, in: Aurora 46 (1986), S. 99—111. In der Verschränkung von »Paradieses Frucht«, Reifezeit und Weihnachtszeit deutet sich natürlich eine poetische Vermittlung von Natur und Geschichte, zyklischer und linearer Zeit, an. Es bleibt im Roman allerdings bei der Andeutung. 238
Auch bei Grünewald sind zwar im weitesten Sinne Alltägliches und Sonntägliches, Reflexion und Begeisterung nicht vereinigt und »aus einem Stück« gebildet. Anders als bei Anton hat dies jedoch augenscheinlich nur für seine Lebensführung eindeutige Konsequenzen: Er pendelt ziellos zwischen unreflektiertem Momentanismus und übertriebener Weltklugheit. Für seine Kunst ließe sich hingegen unter Umständen sogar ein triadischer Fortschritt von einer motivlich dichten, aber nur leicht inspirierten Poesie über die reine Gebrauchskunst hin zu einer Dichtung konstatieren, die auf der Grundlage der Inspiration kraftvoll einen metaphysischen Wahrheitsanspruch vertritt und ihn auch einzulösen scheint." 3 Die romaninterne Diskussion der auktorialen Kunsttheorie wird mit der Figur Grünewalds zwar fortgesetzt, aber eher kompliziert, als zu einem befriedigenden Ende gebracht: Wieder wird ein Segment der Theorie - die Idee der Absichtslosigkeit bzw. inspirierten Unbewußtheit - ganz in den Vordergrund gestellt, wieder wird sowohl die Leistungsfähigkeit als auch die Gefahr (hier des Abgleitens in ein vor allem politisch verantwortungsloses Artistentum) einer Verabsolutierung dieses Segments veranschaulicht, was die vom Erzähler vertretene Kunsttheorie zugleich bestätigt und in Frage stellt. Bertholds Vater und die »hohe Fremde« sind ebenfalls künstlerisch tätig, ohne daß jedoch darüber allzuviel gesagt würde. Ihre Teppiche, deren Gestaltung sichtlich an Runges »Zeiten« orientiert ist,224 dienen - ähnlich wie die Glasfenster des »Hausmärchens« - als Träger einer Geschichte. Im Lichte der auktorialen Kunsttheorie wäre lediglich darauf hinzuweisen, daß in den Arbeiten von Bertholds Vater offenbar keine vollständige Anwesenheit des Darzustellenden erzielt wird: Darauf weist der Satz, daß die Kronenburg-Ebene mit einem Blütenteppich überzogen sei, »wie er ihn oft in seiner Weberei ersonnen und doch nicht ganz erreicht hatte« (80). Daneben bleibt der letzte Teppich unvollendet und wird durch einen »jungen Maler Sixt [ . . . ] mit geschicktem Pinsel« (87) gefüllt. Damit ist zwar auf einen weiteren wichtigen Gedanken innerhalb der Kunsttheorie Arnims angespielt, für ihre romaninterne Diskussion sind die Teppiche von Bertholds Vater insgesamt aber von untergeordneter Bedeutung.
22J
D e r Wahrheitsanspruch der Kunst wird in den »Kronenwächtern« allerdings nicht immer bestätigt. Während sich die poetischen Prophezeiungen Davids (227) und G r ü n e walds »Wahrsagen« (258) gegenüber A n n a (»Du bist gesegnet deines Leibes«; 259) zweifelsohne erfüllen, ist der Wahrheitsanspruch des »Bildes am Giebel« in allen seinen m ö g lichen Bedeutungen doch sehr problematisch.
224
Vgl. B u r w i c k 1989, S. 319.
239
Berthold selber ist kein Künstler, obwohl er als Umbauarchitekt des Palastes über die unabdingbare Intuition zu verfügen scheint (63), die ihn zu einem hermeneutischen Umgang mit vergangener Kunst - dem Palast - befähigt. Dies attestiert ihm zumindest Erwin, wenngleich der tatsächliche Erfolg seiner Bemühungen fraglich bleibt. 22 ' Mit dem geplanten Brunnenhaus (vgl. 194) und der Kapelle, die er laut Grünewald »mit hocherfahrner Bildner Kunst« (260) errichtet, scheinen ihm später doch noch zwei kleinere architektonische Leistungen zu gelingen. Auch seine Tätigkeit als »Dolmetscher« (193) für den Bergmann läßt sich unschwer im Sinne der auktorialen Kunsttheorie verstehen. Dagegen ist sein Nachspielen alter Rittergeschichten (123) wohl eine inadäquate Rezeption alter Dichtung. Auf der anderen Seite singt Berthold das Lied »Ein Stern der Lieb' im Himmelslauf [...]« (i74f.), 226 was darauf schließen läßt, daß er als Lyriker mit einigem Talent dilettiert. (Eine kleine >metareflexive Volte< - die aber nicht überbewertet werden sollte - schlägt der Roman schließlich mit der beiläufigen Mitteilung, daß Berthold »alle Gesetze und Gewohnheiten der Turniere mit seinem Freunde Rüxner gemeinschaftlich gesammelt« (135) habe. Rüxners »ThurnierBuch« ist eine der von Arnim benutzten Quellen, 227 so daß wir vor dem Paradox stehen, daß der Held des Romans Mitverfasser einer Quelle für den historischen Hintergrund seiner eigenen Darstellung ist). Von größerer Bedeutung im Rahmen der Kunstthematik ist eine in der älteren Forschung gerne als authentische Position Arnims zitierte Stelle, in der Berthold gegen Stutzer die (alt-) deutsche gegen die moderne italienische Kunst, Architektur und insbesondere Innendekoration der Renaissance ausspielt: Die Schönheit eines Baus, sagte er, liegt wie die Schönheit des menschlichen Antlitzes nicht allein in der Berechnung gewisser Verhältnisse, sondern in dem Ausdruck innerer Vortrefflichkeit; die Dauerhaftigkeit und Bequemlichkeit der innern Einrichtung mag sich auch gern äußerlich kennbar machen; die innere Wölbung, die Balkenlage will sich auch äußerlich zeigen. Hier ist alles das gemalt, von einer Seite erscheint es herrlich, von der andren wird die Nichtigkeit um so deutlicher und eine glatte Wand ohne Architektur gäbe wenigstens keinen Arger. (172) Berthold argumentiert hier in deutlicher Anlehnung an die Vorstellungen Erwins, kurz darauf wird er auch noch moralische Einwände erheben
1,6
"7
Manche Arbeiten sehen im Rahmen ihrer Deutungsansätze hier eher ein »letztliches Versagen« (Burwick 1989, S. 3 1 5 ) des »dilettantischen Bauherrn Berthold« (Wingertszahn 1990, S. 323). Die Frage ist wohl nicht endgültig zu entscheiden. Das Lied basiert im wesentlichen auf einem Gedicht, das Arnim Bettine zum Neujahrstag 18 ri widmete (vgl. Steig II, S. 404). [Georg Rüxner], ThurnierBuch. Von Anfang, Ursachen, ursprung und herkommen / der Thurnier im heyligen Römischen Reich Teutscher Nation / [ . . . ] , Franckfurt am Mayn 1566. (Vgl. AW 2, S. 627 und 707).
240
(173)- Was allerdings scheinbar mit Arnims Betonung des Gehaltsaspekts im Kunstwerk konform geht, erweist sich bei näherem Hinsehen doch als problematisch. Wie Erwin will Berthold offensichtlich eine Identität von Gehalt und Gestalt, und die forcierte Gegenüberstellung Deutsch/Welsch erscheint im Lichte des Kunstideals der Einleitung zum zweiten Buch als eher zurückgeblieben (widerspricht aber im Gegenzug der dortigen rundherum positiven Zeichnung der Zeit). Berthold wird hier wohl letztlich als Kulturkonservativer (eine Folge seiner Mittelalterleidenschaft) vorgeführt. Es gibt in den »Kronenwächtern« keine Künstlerfigur, die das kunsttheoretische Programm von »Dichtung und Geschichte« und der >rückwärtsgewandten Utopie< der Einleitung zum zweiten Buch vollständig repräsentiert und praktisch einlöst. Es gibt auf der anderen Seite jedoch auch keine, die einen völligen Gegenentwurf dazu präsentieren würde. Der Roman verzichtet damit - anders als z.B. auf ethischer Ebene - zwar auf eine konzeptionelle Pluralisierung, verstärkt jedoch die interne Infragestellung durch eine deutliche Fragmentierung des theoretischen Konzepts. Alle Künstlerfiguren vertreten, vereinseitigen und verabsolutieren in unterschiedlichem Grad bestimmte Segmente dessen, was Arnim bzw. der Erzähler im ganzen als unabdingbar für gelunge Kunst hält. Affirmation und Dementierung sind hier nicht zu trennen. Die Zeichnung der Figuren im Roman überführt den Entwurf eines künstlerischen goldenen Zeitalters, den die Einleitung zum zweiten Buch gibt, der >UnwahrheitTatmenschen Ebd., S. 328. 276 Strohschneider-Kohrs i960, S. 89. 177 Vgl. Wingertszahn 1990, S. 331; ähnlich Ricklefs 1990, S. 214 innerhalb seines Deutungsansatzes.
265
sage-»Interesse« ist sowohl strukturell als auch in Äußerungen Arnims über den Roman, also textintern wie theoretisch, unübersehbar. Daneben scheint es mir problematisch, den Roman mit Hilfe einer Theorie zu interpretieren, die einerseits, wie wir sahen, seinen eigenen Vorstellungen nur sehr bedingt verwandt ist und deren »nähere Rezeption« andererseits durch Arnim »nicht zu belegen« 278 ist. Ich möchte daher den Gegenvorschlag unterbreiten, die Gesamtstruktur der »Kronenwächter« auf Arnims eigene Kunsttheorie zu beziehen. 279 Arnims Theorie kennt zweierlei Kommunikationsdimensionen des Kunstwerks: zum einen die exoterisch-didaktische, zum anderen die esoterisch-hermetische, die durch eine produktive Rezeption realisiert wird. Die didaktische Dimension ist in den »Kronenwächtern« allgegenwärtig. Reflexionen, Sentenzen und Allegorien sind sichtlich auf die Vermittlung einer bzw. mehrerer >Lehren< hin ausgerichtet. Durch die Vielzahl der gegenläufigen Sinnbezüge entsteht aber insgesamt eine nicht mehr letztgültig auflösbare Bedeutungsvielfalt, die man als strukturelle Hermetita beschreiben könnte. 280 Sie resultiert nicht, wie im frühromantischen Paradigma, aus einem Wechselspiel »wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln« ( K A II, i82f., N r . 1 1 6 ) , sondern aus der instantanen Ubereinanderschichtung der Sinnebenen. Der Roman bildet keinen Prozeß »ewigen Werdens« ab, sondern erscheint sowohl an seinen symbolischen >Kulminationspunkten< als auch in seiner Gesamtheit als paradoxes un-
278 279
280
Wingertszahnf!] 1990, S. 91. Der Bezug der theoretischen Überlegungen eines Autors auf seine Dichtungen birgt natürlich immer die Gefahr des Zirkelschlusses (der wir durch unseren Untersuchungsansatz so weit wie möglich zu entgehen versucht haben). Es ist andererseits auch nicht ganz unwahrscheinlich, daß Theorie und Praxis eines Autors wechselseitig etwas miteinander zu tun haben. Es ist deshalb vielleicht doch plausibler, eher hier einen Anhaltspunkt für die Deutung zu suchen als in anderen zeitgenössischen Theorien oder in gerade aktuellen akademischen Konzepten. Es kann natürlich auch nicht darum gehen, stur die Kategorien der Kunsttheorie A r nims an den »Kronenwächtern« abzufragen. So weist z. B. die große Anzahl der Intertextualitätsbeziehungen des Romans zweifelsohne auf entsprechende theoretische Überlegungen seines Autors. Eine Antwort auf die Frage, welches »Wesen« ( F B A 9.3, S. 377) dabei möglicherweise wieder erschlossen wird, wäre aber pure Spekulation. Unser Vorschlag basiert dagegen ausschließlich auf der Überlegung, welche Deutung eine hypothetische Beziehung der vielschichtigen Struktur der »Kronenwächter« auf Grundintention und Anspruch der Theorie nahelegt. Die Bewegung von der Aussageintention zur Hermetik spiegelt sich auch in einer Bemerkung Arnims gegenüber den Brüdern Grimm: »Es ist sehr schwer bei einem Buche, das ich wie dies eigentlich zweimal geschrieben habe, aller Motive bewußt zu bleiben, denn das eben, was, bei einem sehr festen Plane, auch den eigensinnigsten Poeten zu etwas ganz Anderm treibt, als was er selbst vermuthete, diese lebende Naturkraft läßt sich erst später beurtheilen [...]« (Steig III, S. 402).
266
auflösbares Zeichen. Wir haben versucht, dies anhand des »Hausmärchens«, des Brunnens und der Farbsymbolik paradigmatisch zu zeigen. Arnims theoretisches Verständnis der »Unsagbarkeit« des eigentlichen Gehalts des Kunstwerks unterscheidet sich, wie wir sahen, vom frühromantischen vor allen Dingen dahingehend, daß die diesbezügliche Negativität (»Un-«) keine fundamentale, sondern eine rein kommunikative ist. »Unsagbarkeit« bedeutet den Verzicht auf eine diskursiv vermittelbare letztgültige Lehre, nicht aber den Verzicht auf den Gedanken einer positiv erfahrbaren einen Wahrheit. Unter dem Vorzeichen des theoretischen Denkens Arnims wäre die hermetische Struktur der »Kronenwächter« als die mystischer Rede, der Roman in seiner Gesamtheit als >mystisches Paradox< zu deuten; eine Deutung, die sich mit dem Hinweis auf das »Orakel der Alten« (169) rechtfertigen läßt.28' Die adäquate Rezeption des »Unsagbaren« ist für Arnim die produktive,282 und die paradoxe Bedeutungsstruktur der »Kronenwächter« ist in gewisser Hinsicht die Bedingung der Möglichkeit einer produktiven Rezeption. Die unabgeschlossene Gegenläufigkeit der Sinnschichten gewährleistet, daß der Roman trotz seiner didaktischen Intention nicht zur Illustration einer Weltanschauung gerinnt, sondern »der Phantasie gerade dadurch« viel »giebt, daß [er] ihr so viel zu denken überläßt; es sind die ungeschriebnen Zeilen, die oft so zauberisch anziehen«.28'
2,1
Vgl. folgende Bemerkung Adolf Schölls über Arnims Dichtung, in der sich das Mit- und Gegeneinander von didaktischer und esoterischer Dimension gleichfalls spiegelt: »Dieser Ueberschuß des Geistes mitten im Begreifen und reichsten Erklären, dieses ewige Geheimniß mitten im gegenwärtigen Verständniß ist die wahre Mystik« ( H K A 1 8 . 1 , S. 401). [Das Zitat entstammt Schölls ausführlicher Rezension der Schriften Eichendorffs (abgedruckt in H K A 1 8 . 1 , S. 3 0 2 - 4 1 2 ) . Den Hinweis auf die dortigen Bemerkungen zu Arnim verdanke ich der Arbeit von Ulfert Ricklefs (vgl. Ricklefs 1990, S. 9ff.).] 182 Arnims diesbezügliche Ausführungen gegenüber Jacob Grimm (vgl. Steig III, S. 223t.) spiegeln sich im Roman deutlich im Fortwirken des Todes des Bergmanns: » [ . . . ] bald war die Geschichte ein Märchen der Stadt, es hieß, der Bergmann habe kostbare Edelsteine im Grunde des Brunnens gefunden und sei von Berthold herabgestürzt, um dies zu verheimlichen, er werde es künftig schon herausarbeiten« (S. 199). 2 3 * »Einige Worte über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung 1 8 1 7 « , S. 67.
267
III. VERGLEICHENDE INTERPRETATIONEN
i.
»Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter«
I.I
Z u r Erzählsituation
Der Erzähler macht sich in Brentanos »Die mehreren Wehmüller« besonders zu Beginn und Ende der Geschichte bemerkbar. Während der A n fang noch in neutralem Berichtston gehalten ist und das Erzähler-Ich nur am Rande erscheint (255), 1 tritt es am Schluß gleichsam vor die Szene: »Die Erzählung, welche Devillier versprochen, eine andere des Tirolers, und eine des Savojarden, unterhielten an den folgenden Tagen, und ich werde sie mittheilen, wenn ich Lust dazu habe. - « ( 3 1 1 ) . Der Erzähler beherrscht jedoch die Geschichte nicht vollständig. Ihm werden in den Binnenerzählungen drei Ich-Erzähler gegenübergestellt, was natürlich zu einer Pluralisierung der Perspektiven führt. 2 Die dritte Binnengeschichte wird schließlich sogar von Baciochi und Devillier (299^) gemeinsam zu Ende berichtet, die den Ablauf der Ereignisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln schildern. Ihr endgültiger Schluß fällt jedoch in den Rahmen und wird folglich wieder vom Erzähler beigesteuert. Wie in den »Kronenwächtern« entsteht damit ein Kontrastbild aus auktorialer Ubersicht und den verschiedenen eingeschränkten Sichtweisen. Eine der Gegenüberstellung von auktorialer und polyperspektivischer Sicht vergleichbare Spannung läßt sich an der Tektonik der Erzählung
1
2
Die Seitenzahlen im Text dieses Kapitels beziehen sich auf: Clemens Brentano, Sämtliche Werke und Briefe (Frankfurter Brentano-Ausgabe), Band 19 (Prosa IV), Erzählungen, hrsg. von Gerhard Kluge, Stuttgart 1987. Die Erzählung entstand zwischen 1 8 1 1 und 1 8 1 7 und erschien 1 8 1 7 im »Gesellschafter«. Eine ausführliche Diskussion der Datierungsfrage findet sich im Kommentar Gerhard Kluges ( F B A 19, S. 658-666). Die Forschung hat dieser Erzählung Brentanos relativ geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Wir werden die wichtigsten Positionen im Verlauf der Untersuchung diskutieren. Ein »mehrfach subjektiv vermitteltes und gebrochenes Erzählen«, hervorgerufen durch die »Duplizierung bzw. Verdreifachung der Erzähler«, bildet generell das Kennzeichen der »Erzählungen Brentanos aus der Zeit nach 1810« (Gerhard Kluge, Clemens Brentanos Erzählungen aus den Jahren 1810— 1818. Beobachtungen zu ihrer Struktur und Thematik, in: Clemens Brentano. Beiträge des Kolloquiums im Freien Deutschen Hochstift 1978, hrsg. v. Detlev Lüders, Tübingen 1980 ( = F D H Reihe der Schriften Bd. 24), S. 1 0 2 - 1 3 4 , hier S. 105). Vgl. dazu auch Reinhard Hosch, Immanente Reflexion und Binnen-Rahmen-Struktur. Zum formalen und stofflichen Zusammenhang von Clemens Brentanos Erzählungen, Diss. Heidelberg 1988.
271
beobachten. Die drei Binnengeschichten werden zwar durch separate Uberschriften klar getrennt präsentiert, aber bei der dritten ist nicht nur die Überschrift etwas verschoben - die Erzählung selber setzt erst einige Zeilen später ein (280) —, sondern sie mündet darüber hinaus in die Durchbrechung der Binnen-Rahmen-Grenze. Der strenge (triadische) Aufbau wird vom Handlungsverlauf durchkreuzt. Die grundlegenden Erzählstruktur ist damit derjenigen der »Kronenwächter« in gewisser Hinsicht durchaus ähnlich. Uberblick und Relativierung stehen hier wie dort in einer spannungsvollen Beziehung. Anders als in Arnims Roman werden in den »Wehmüllern« aber keine lehrhaften Reflexionen o.ä. formuliert, es fehlt jeder explizite Hinweis auf eine über die Handlungen hinausgehende Bedeutungsstruktur. Unbeschadet dessen finden sich jedoch auch in Brentanos Erzählung eine große Anzahl von Anspielungen und Andeutungen auf übergreifende Zusammenhänge. Zur weiteren Untersuchung des strukturellen Verhältnisses beider Texte soll daher zunächst der Frage nachgegangen werden, ob die »Wehmüller« trotz ihres geringeren Umfangs und der Abwesenheit direkter Reflexionen eine ähnliche Struktur semantischer Mehrdimensionalität aufweisen wie die »Kronenwächter«.
1.2
Sinnschichten in den »Wehmüllern« ?
1.2.1 Die politisch-gesellschaftlichen Anspielungen Bereits der Auftakt der »Wehmüller« indiziert, daß die Erzählung in der allerjüngsten Gegenwart (ihrer Entstehungszeit) angesiedelt ist. Die Bezeichnung des Ortes der Handlung, Kroatien, als »österreichische Provinz« (253) war in dieser Form erst seit dem Wiener Kongreß korrekt, der die Illyrischen Provinzen (die bis 1814 Frankreich unterstanden) der österreichischen Herrschaft zuschlug. 3 Daneben finden sich eine ganze Reihe weiterer Anspielungen auf aktuelle politische Ereignisse, vornehmlich die Überwindung Napoleons und ihre Folgen. Deutlich darauf bezogen sind z.B. das völlig mißlungene Feuerwerk Baciochis »am Krönungstage Napoleons« (281) 4 sowie die »39 Nationalgesichter« (255), d i e - w o r ' Vgl. Jochen Schmidt-Liebich, Deutsche Geschichte in Daten. Band 2 : 1 7 7 0 - 1 9 1 8 , München (dtv) 1981, S. 84. 4 Der Ort des Feuerwerks, Venedig, wurde vom Wiener Kongreß ebenfalls Osterreich zugesprochen (vgl. ebd.). Kluge sieht zudem in der Formulierung »Katzen-Congreß« (S. 277) einen Hinweis auf den Wiener Kongreß (FBA 19, S. 687).
auf Wolfgang Frühwald hingewiesen hat - sich »wohl auf jene berüchtigten 39 Vaterländer der Deutschen« beziehen, »die aus der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß hervorgegangen waren«.' Schließlich erscheint mit der Erwähnung der »Karbonari« (299)' noch ein Hinweis auf die jüngste Geschichte. Vor dem Hintergrund dieser recht eindeutigen Fingerzeige auf das aktuelle Geschehen lassen sich auch einige andere Elemente der Erzählung in den Zusammenhang einer politischen Bedeutungsdimension stellen. Der (schließlich ja durchbrochene) Pestkordon kann als Anspielung auf die Kontinentalsperre gelesen werden, 7 die Figur des Tirolers verweist wohl auch auf Andreas Hofer. 8 Unter diesen Vorzeichen kann man der Erzählung durchaus Ansätze zu einer >Aussage< im politischen Feld unterstellen, wenn etwa »Bauern und Zigeuner« (307) den Pestkordon durchbrechen und so befreit werden und schließlich »der Friede gestiftet« (310) wird. Neben dieser halb historischen, halb utopischen Dimension findet sich auch unmittelbar Zeitkritisches: »Michaly nahm da seine Geige und wollte ein Lied auf die Freiheit singen, aber der Nachtwächter bließ zwölf Uhr und mahnte die Gesellschaft zur Ruhe« (302). Hinter den vielen Anspielungen auf die aktuellen politischen Entwicklungen, den Sturz Napoleons und seine Konsequenzen läßt sich innerhalb der Erzählung eine weitere Bedeutungsschicht ausmachen. Sie hat eher diagnostischen Charakter und skizziert die eigene Gegenwart im weiteren Sinne als politisch-soziale, ökonomische und bewußtseinsgeschichtliche Übergangszeit. Auf politisch-sozialem Feld prallen - andeutungsweise - in den »Wehmüllern« die >alte< ländlich-feudale und die sich im 19. Jahrhundert herausbildende moderne westeuropäische Welt aufeinander. A m Ort der Geschichte herrscht augenscheinlich noch die alte Feudalordnung. So küßt der Bauer, der Wehmüller über die Grenze führen soll, diesem zunächst einmal den »Ermel« (2 56), und der »Vizegespann, des Orts Obrigkeit« (264), legt - zur Disziplinierung seiner Untertanen - »einen frechen
5
6 7 8
W. Frühwald, Achim von Arnim und Clemens Brentano, in: Handbuch der deutschen Erzählung, hrsg. v. K . K . Polheim, Düsseldorf 1981, S. 1 4 5 - 1 5 8 , hier S. 155. Vgl. Kluge, Kommentar F B A 19, S. 694. Vgl. den Schluß von Arnims »Majoratsherren«. Vgl. dazu natürlich das 18. Kapitel von »Ahnung und Gegenwart«. Die spielerische Erwähnung der »Galeere« (S. 293) könnte sich auf den Ausgang des Schillschen Abenteuers beziehen. Die überwiegende Anzahl seiner Leute kam nach der Gefangennahme auf die Galeeren.
273
Burschen über und ließ ihm fünf aufzählen, auf welche kleine Erfrischung die ganze Ballgesellschaft [d.h. die ausgelassen tanzenden Dörfler; M . N . ] mit einem lauten: Vivat noster Dominus Vicegespannus! jubelnd nach Hause zog« (267). Die sozialhistorische Signifikanz dieser kleinen Operettenszene liegt nicht zuletzt darin, daß der Vizegespan eigentlich kein »Dominus« ist, sondern ein »ungarischer Verwaltungsbeamter« und »Vertreter des Bezirksobersten«, 9 also ein Repräsentant der modernen Bürokratie. Die hier angedeutete Spannung zwischen >alter< und >neuer< Zeit auf politisch-sozialem Feld spiegelt sich an vielen Stellen. Immer wieder wird der scheinbar so romantisch-abgelegene Ort der Erzählung mit der Welt der modernen Bürokratie kontrastiert. Schon die Grundsituation, die Abtrennung durch einen Pestkordon, geht auf eine Verwaltungsentscheidung zurück, die auf dem Wissen um die Bedeutung der Sozialhygiene beruht. Daneben halten etwa die Erwähnung eines »Attestats« (261), die Tatsache, daß die mythischen Erlebnisse des Kroaten in der ersten Binnengeschichte »zu Protokoll genommen« (272) werden, oder der Auftritt einer »Kreis-Commission« in derselben Geschichte die Spannung zwischen feudaler und moderner Ordnung, also die Situation einer gesellschaftlichen Übergangszeit, immer im Bewußtsein. In gleicher Weise wird zumindest kurz der Beginn des imperial-kolonialistischen Zeitalters angedeutet, wenn in einem Vergleich unvermittelt von einer »indianischen Prinzessin, welche die Geschenke eines englischen Gouverneurs mustert« (294), die Rede ist. Schärfer noch wird der Ubergang von >alter< und >neuer< Zeit im Bereich der Ökonomie am Beispiel des Malers Wehmüller dargestellt. In Anspielung auf die mittelalterliche Auffassung der Kunst als Handwerk spiegelt die Erzählung hier den um 1800 noch aktuellen Übergangsprozeß zwischen Handwerk und frühindustrieller Manufakturfertigung. Wehmüller betreibt seine Malerei als Erwerbsgeschäft, wobei der wiederholte Vergleich mit den Bäckern (254 und 25 5) die handwerklich-zunftmäßigen Wurzeln seiner Tätigkeit anzeigt. Gleichzeitig arbeitet er aber mit einer halb-industriellen Vorproduktion im Winter (254), hat eine dem Markt angepaßte Preisgestaltung (254) und muß sich darum bemühen, seine Stellung als Marktführer zu behaupten (254^). Deshalb bricht er zu Beginn der Erzählung überstürzt auf (254). Diese Züge zeigen bereits eine gewisse Affinität zur beginnenden industriellen Ökonomie. Am Ende der Geschichte wird mit dem Vorschlag Frosch[h]auers, ihn in Wehmüllers ' Kluge, Kommentar F B A 19, S. 679. Die Szene dürfte dennoch das Herrschaftsgebaren österreichischer Provinzialbeamter ziemlich korrekt spiegeln (vgl. F B A 19, S. 659). 2
74
»Unternehmungen zum Kompagnon zu machen« (309), der Übergang vom einzelnen Handwerksbetrieb zur Portraitmanufaktur Wehmüller & Froschauer vollzogen: »[...] gehen Sie den Vorschlag ein, so glaube ich, daß wir einen solchen Vorrath von Nationalgesichtern anfertigen, daß unser Glück gegründet ist, wenn wir redlich theilen« (309).10 Neben der politisch-sozialen und ökonomischen Skizze einer Ubergangszeit deutet die Erzählung auch die bewußtseinsgeschichtlichen Kontraste zumindest an. So steht neben vielen Äußerungen des Volks(aber-)glaubens (der nicht zuletzt zur Verwirrung um die mehreren Wehmüller beiträgt, indem er sie mystifiziert und mit dem Teufel in Verbindung bringt) das völlig rationale Handeln des Chirurgen, der gleich zu Beginn der Erzählung durch eine Betrachtung von Wehmüllers Gebiß in der Lage ist, festzustellen, daß die mehreren Wehmüller nicht Produkt teuflischer Hexerei sind, sondern daß es sich einfach um verschiedene Personen handelt. Er stellt den Sachverhalt auch in den gehörigen Formen der modernen Gesundheitsbürokratie fest, indem er »Wehmüllern [ . . . ] ein Attestat [gibt], daß seine Person eine ganz andre sey, als die des ersten Wehmüllers« (261). Die Opposition von Aberglaube und Rationalität ist innerhalb der gesamten Erzählung immer wieder anzutreffen; etwa im Kontrast der Figur Devilliers mit der des Kroaten, der Gegenüberstellung von »Furcht und Aberglaube« und den aufklärerischen »Rechten der Menschheit« (263), den groben Sitten der Landbevölkerung und der bürgerlichen Sittlichkeit »Lafontainescher Familiengeschichten« (274). Die »Wehmüller« entwickeln damit, wenngleich nur in rudimentären Andeutungen, eine politische Bedeutungsdimension, die ähnlich der in den »Kronenwächtern« den Übergang von einer »alten« in eine »neue« Zeit vielfältig spiegelt und deutlich auf die eigene Gegenwart des beginnenden nachnapoleonischen Zeitalters anspielt. Anders als in den »Kronenwächtern« ist der Bezug zur eigenen Gegenwart aber stärker diagnostisch, es fehlt an daraus abgeleiteten Handlungsanweisungen und Appellen. Die auktoriale Prägung ist schwächer, der Schluß der Erzäh10
Dahinter verbirgt sich vielleicht eine Anspielung auf die »aufgrund der napoleonischen Kontinentalsperre in Osterreich ausgebrochene Schmuggel-, Gründungs- und Spekulationswelle« (Schmidt-Liebich 1981, S. 74). David B. Dickens (Brentanos Erzählung »Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter«: Ein Deutungsversuch, in: Germanic Review 58 (1983), S. 1 2 - 2 0 ) hat daher wohl unrecht, wenn er hier eine Vorwegnahme der Fertigungstechniken des 20. Jahrhunderts sieht (ebd., S. 13). Wehmüllers Tätigkeit, die schließlich - wie gesagt - in eine Kooperation mit seinem Gegner Frosch[h]auer führt, steht deutlich zwischen Handwerk und frühindustrieller Manufakturproduktion und spiegelt damit einen nach 1800 durchaus noch aktuellen ökonomischen Ubergangsprozeß.
2
75
lung formuliert unter diesem Vorzeichen eher eine (unverbindliche) utopische Hoffnung auf einen allgemeinen Frieden und umfassende Versöhnung denn eine konkrete politische Stellungnahme. 1.2.2 Universalgeschichte, >Weltbild< Das Thema der Ubergangszeit lenkt den Blick auch auf die Frage nach dem universalhistorischen Zusammenhang. Wie in den meisten romantischen Texten findet sich in Brentanos Erzählung eine Reihe von motivlichen Anspielungen zur Frage nach dem übergreifenden Verständnis von Zeit und Geschichte: Wehmüller macht sich zu Beginn der Erzählung auf eine Reise, deren Ziel er schließlich und endlich nach einigen Umwegen und Irrungen auch erreicht; der Schluß, der alle getrennten Paare wieder zueinander führt und alle noch verbliebenen Rätsel löst, verweist deutlich auf ein mehr als irdisches Telos. Der Weg zu diesem guten Ende führt über drei Erzählungen, die als Symbole der drei Stadien des triadischen Geschichtsverständnisses deutbar sind. Die Geschichte des Kroaten repräsentiert die vorbewußt-mythische Präexistenz, die Erzählung Devilliers die zweite Stufe der ausschließlichen Verstandesherrschaft (und damit der größten Entfernung vom göttlichen Ursprung), diejenige Baciochis schließlich die Synthese der ersten und zweiten Stufe in der Kunst, die dann auch die Endzeit der Erlösung (sprich: die Aufhebung des Pestkordons, aber auch der Binnen/Rahmen-Grenze) herbeiführt." Neben dieser teleologischen Geschichtsdeutung finden sich aber auch in den »Wehmüllern« einige Anspielungen auf das zyklische Zeitverständnis des Tages- bzw. Jahreslaufs. So beginnt die Erzählung mit der ngabe »Gegen Ende des Sommers« (253), die Geschichte spielt folglich im Frühherbst. Daneben folgt die Produktion Wehmüllers dem Jahreslauf, wenn er seine Nationalgesichter »im Winter mit aller Bequemlichkeit zu Haus« (254) malt und sie »in der schönen Jahreszeit zu Markte« (254) bringt. Die Planung wird allerdings durch das Auftreten der Konkurrenz des Malers Frosch[h]auer durcheinandergebracht (254^). Während das Thema Jahreszeiten in einer Bauernregel »von den Eicheln im Septem-
" Diese Lesung folgt weitgehend den Interpretationen Frühwalds (Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter, in: Kindlers Literatur Lexikon im dtv, Band 14, München 1974, S. 6149; vgl. Frühwald 1981) und Lüders (Nachwort, in: Clemens Brentano, Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter, Stuttgart (Reclam) 1966, S. 71 - 7 9 ) . Wir werden auf beide noch genauer eingehen.
276
ber« (265) deutlich zur Sprache kommt,' 2 spielt es in den Binnengeschichten kaum eine Rolle.' 3 Weitere zirkuläre Vorstellungen werden am Rande erwähnt, etwa der Kreislauf des »Wie gewonnen, so zerronnen!« (301) oder in der Feststellung Michalys: »Es giebt auch nur Eine [Mitidika; M.N.], [ . . . ] und wird alle tausend Jahre nur Eine geboren« (301). A-teleologische Modelle prägen die »Wehmüller« darüber hinaus auf der tieferen Ebene der Erzählstruktur. Dies betrifft zunächst einmal den von Reinhard Hosch herausgearbeiteten Grundrhythmus der Erzählung, ihr »Oszillieren zwischen Chaos bzw. Verunsicherung und Ordnung«.' 4 Die Einzelereignisse bilden - vor allen Dingen in der ersten Hälfte der Erzählung - ein »Strukturmodell, das auf einen Moment des Erschrekkens Beschwichtigung folgen läßt«.' 5 Neben diesem pulsierenden Rhythmus bildet vor allen Dingen das »nicht-lineare Prinzip zyklischen Erzählens«' 6 ein Gegenspiel zur triadischen Teleologie. Zyklisches und triadisch-lineares Konzept konvergieren in den »Mehreren Wehmüllern« nur unvollkommen. Deutlich wird dies am Schluß der Geschichte; die Triadik der Erzählungen kommt letztlich nur dadurch zustande, daß der Erzähler seinen Bericht (scheinbar willkürlich) abbricht und die Mitteilung weiterer Geschichten, die den Erzählzyklus fortführen würden, auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt. Die teleologisch-triadische Symbolik der Binnengeschichten wird damit durch den offenen Hinweis auf weitere Erzählungen relativiert. Im Bereich der universalhistorisch deutbaren Motivik liegen die Dinge damit ähnlich wie in den »Kronenwächtern«.' 7 Hier wie dort werden die Alternativen Puls, Zyklik und Teleologie vorgestellt, aber nicht (oder nur unvollkommen) in einer Gesamtkonzeption vermittelt. Daneben finden sich auch in den »Mehreren Wehmüllern« Motive, die ein bestimmes >Weltbild< andeuten. Auf zwei dieser Motivkreise wollen wir wenigstens kurz eingehen: Es ist daher wohl kaum zufällig, daß im unmittelbaren Kontext der Bauernregel von einem »Vierzehnender« und »Hirschgeweihen« (S. 265) die Rede ist. 13 Die erste spielt im Winter, die Jahreszeit der zweiten ist unbestimmt, und die dritte beginnt entweder am 2. Dezember oder am 26. Mai, beides »Krönungstage Napoleons« (S. 281, vgl. Kommentar F B A 19, S. 688). 14 Hosch 1988, S. 1 1 8 . '' Ebd. 16 Ebd., S. 1 6 1 . 17 A m Rande findet sich auch eine ironische Gegenüberstellung von Antike und Christentum, wenn Baciochi - der durch seinen »halben Daumen« (S. 281) als Postfiguration des Heiligen Markus ausgewiesen ist (vgl. Kommentar F B A 19, S. 688 sowie 282 und 288) und Martino - im »vollen Costüm« als »Meergott Neptun« (S. 282) verkleidet - gemeinsam ins Gebirge ziehen.
277
Z u m ersten wird - in engem Zusammenhang mit der teleologischen Geschichtsdeutung - das Motiv der Grenze und der Grenzüberwindung auffällig oft thematisiert.' 8 Grenzen gibt es in den »Wehmüllern« in unterschiedlichster Gestalt: zum einen natürlich als Pestkordon, zum anderen - in der Erzählung des Kroaten - als Grenze zwischen dem christlichen Abendland und dem osmanischen Machtbereich, schließlich auch als Grenze zwischen Rahmen- und Binnenerzählung. Diese Grenzen werden mehrfach durchbrochen; der Pestkordon zuerst durch den Brief, dann schließlich durch den Aufstand der Eingeschlossenen, angeführt durch Mitidika (304 und 308). Die Grenze zwischen Abendland und Osmanischem Reich ist sowieso ziemlich durchlässig, so daß sich türkische Wildhändler und österreichische Kreiskommissionen auf beiden Seiten tummeln. Auch die Grenze zwischen Binnen- und Rahmenerzählung wird immer wieder überspielt (durch den Scherz mit der Katze nach der Geschichte des Kroaten (275), dann durch Baciochis Schlag (280), der Erzählsituation und erzählte Situation miteinander in Verbindung setzt) und fällt schließlich in der dritten Geschichte mit dem Eingreifen und der Selbstentlarvung Devilliers endgültig. Daneben wird u.a. die Grenze zwischen Zigeunern und Nicht-Zigeunern bzw. die Standesgrenze zwischen Mitidika und Devillier (vgl. 301) durch ihre schließliche Verbindung überwunden. Sowohl die Wirtin (259, 263) als auch Tonerl (308) und Mitidika (303^)'' tragen bisweilen Männerkleider und verwischen damit die Geschlechtergrenze. Auffällig und suggestiv ist natürlich, daß niemand so viele Grenzen überquert wie Mitidika. Der Motivkreis der Grenze bzw. des Transzendierens von Grenzen ist mit einer teleologischen (heilsgeschichtlichen) Interpretation gut vermittelbar: Der Weg zum (letzten) Ziel führt nun einmal über die Schranken (des Irdischen) hinaus. Ein anderes Motiv legt ebenfalls eine Deutung im Sinne einer metaphysischen >Weltanschauung< nahe. Wie in den »Kronenwächtern« spielt in den »Wehmüllern« die motivliche Omnipräsenz des Teufels (und seines Platzhalters, der Katze) eine prominente Rolle. Der Teufel selbst wird bereits recht früh erwähnt (257), der Kater Mores bringt das Motiv der Katze, das die gesamte Erzählung durchzieht, unübersehbar mit den Mächten des Bösen in Verbindung. Von einer durchgeführten Aussageebene kann hier aber natürlich nicht die Rede sein.
Vgl. dazu Frühwald 1981, S. 156. ' ' Vgl. dazu Schaub 1973, S. 126. 11
278
1.2.3
Kunstthematik
D a g e g e n ist die k u n s t t h e m a t i s c h e E b e n e in i h r e m A u s s a g e g e h a l t w e i t w e n i g e r d u n k e l . I m V o r d e r g r u n d steht n a t ü r l i c h z u n ä c h s t d e r satirische A s p e k t 2 0 d e r S p a n n u n g z w i s c h e n d e r S e r i e n p r o d u k t i o n W e h m ü l l e r s auf d e r einen u n d seiner K ü n s t l e r a t t i t ü d e auf d e r a n d e r e n Seite (die sich z . B . in d e r T a t s a c h e m a n f e s t i e r t , daß er seine B i l d e r signiert ( 2 5 6 ) 2 1 ) . D i e K r i tik, d a ß er »alle U n g a r n ü b e r einen L e i s t e n m a l e « ( 2 5 8 ) , a l s o k e i n e m w i e a u c h i m m e r g e a r t e t e n I n d i v i d u a l i t ä t s a n s p r u c h G e n ü g e t u e , w i r d in d e r E r z ä h l u n g explizit g e ä u ß e r t , " u n d K o n r a d Feilchenfeldt hat
entspre-
c h e n d W e h m ü l l e r s » K o m m e r z i a l i s i e r u n g d e r M a l e r e i « 2 3 als » d i c h t e r i s c h v e r b r ä m t e A n k l a g e g e g e n die W e l t d e r V e r l e g e r u n d D r u c k e r « 2 4 i n t e r p r e tiert. D a n e b e n f i n d e n sich w e i t e r e A n s p i e l u n g e n auf z e i t g e n ö s s i s c h e p h i l o s o p h i s c h e u n d ästhetische P o s i t i o n e n . D e r » R e i s e s t a b « , d a s w a h r e » W u n d e r d e r M e c h a n i k « ( 2 5 5 ) , d e r s e h r v i e l e D i n g e , a b e r i m m e r » s i c h selbst« ( 2 5 5 ) enthält, ist b e i s p i e l s w e i s e als S p o t t auf die u n t e r s c h i e d l i c h s t e n i d e n t i t ä t s p h i l o s o p h i s c h e n T h e o r e m e d e r Z e i t d e u t b a r . I n diesen K r e i s d e r A n -
20
Vgl. den Brief Wehmüllers in Brentanos »Aus einem geplünderten Postfelleisen« (Werke 2, S. 1146), das wenige Wochen vor dem Erstdruck der »Wehmüller« im »Gesellschafter« erschien. Im Kontext der vorletzten Fortsetzungsfolge der Erzählung wiederum stand - worauf Konrad Feilchenfeldt hingewiesen hat - ein »Altschottisches Lied« von Wilhelm Müller, der wahrscheinlich auch das unmittelbare Objekt der Satire ist (vgl. Konrad Feilchenfeldt, Erzählen im journalistischen Kontext: Clemens Brentanos »Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter«, in: Texte, Motive und Gestalten der Goethezeit. Festschrift für Hans Reiss, hrsg. von John L. Hibberd und H . B. Nisbet, Tübingen 1989, S. 2 0 7 - 2 2 3 , hier S. 2 0 9 - 2 1 2 ) . Kluge zieht daneben den Komponisten und Dirigenten Wenzel Müller ( 1 7 6 7 - 1 8 2 5 ) in Erwägung ( F B A 19, S.661). Zu weiteren Aspekten: Hasubek verweist darauf, daß Wehmüller »die Prinzipien der Porträtmalerei [ . . . ] gleichsam auf den Kopf« stellt (Peter Hasubek, Spielraum des Humors. Humoristisch-komische Strukturen in Clemens Brentanos Erzählung »Die mehreren Wehmüller und ungarischen Nationalgesichter«, in: »Stets wird die Wahrheit hadern mit dem Schönen«, Festschrift für Manfred Windfuhr zum 60. Geburtstag, hrsg. von Gertrude Cepl-Kaufmann, Köln u.a. 1990, S. 7 1 - 1 0 1 , hier S. 75), während Kluge in Wehmüllers Reise eine Parodie auf die zeitübliche Kunstreise zu Studien- und Bildungszwecken sieht ( F B A 19, S. 674). Arnim widmet sich der Frage, ob Reisen bildenden Künstlern zuträglich seien, in seiner Rezension des »Verzeichnis der Kunstwerke lebender Künstler« (1830) ebenfalls am Rande (S. 1266; AW 6, S. 103 if.). 21 In dieser Hinsicht verbindet Brentanos Erzählung natürlich viel mit Eichendorffs Literatur(betriebs)satire »Viel Lärmen um nichts«, mit der sie 1833 gemeinsam in einer Buchausgabe erschien. " Vgl. F B A 19, S.663f. 2J Feilchenfeldt 1989, S. 2 1 5 . Ebd., S. 220.
279
spielungen auf die Frage nach Identität und Differenz gehören natürlich auch die Verdoppelung Wehmüllers und seine Maltechnik. 25 Eine teilweise Selbstpersiflage Brentanos (als Volksliedsammler)26 bildet die Figur Lindpeindlers; ein »zartfühlender Dichter, der oft verkannt worden ist« (262) und zudem - ein geläufiges Dichterschicksal der Goethezeit - sein Leben als Hofmeister fristet (262). Sein poetischer Wahrheitsbegriff (274) und sein Reden von romantischen Nächten (303) werden mit der wahren Naturpoesie kritisch kontrastiert. Dies geschieht in der Szene nach Michalys Vortrag seines »zigeunerischen Schlachtliedes« (276). Michaly und Nanny sind zu Tränen gerührt, Lindpeindler aber sprang auf den Sänger zu und umarmte ihn mit den Worten: O , das ist groß, das ist ursprünglich! bester Michaly, wollen sie mir ihr Lied wohl in die Feder diktieren? N i m m e r m e h r ! sagte der Zigeuner, so was diktirt sich nicht, ich wüßte es auch jetzt nicht mehr und wenn sie mir den Hals abschnitten; wenn ich einmal wieder eine schöne Jungfer betrübt habe, wird es mir auch wieder einfallen. [ . . . ] Herr Lindpeindler notirte sich wenigstens den Inhalt des extemporirten Liedes [ . . . ] . (276)
Der Erzähler unterstreicht den hohen Rang der Kunst Michalys, wenn er ihn vergleichsweise als »zweiten Orpheus« (276) bezeichnet. Natur- bzw. Volkspoesie sind an vielen Stellen in den »Wehmüllern« präsent. Die alte Bauernregel, die aus dem Zustand der Eicheln das Wetter des nächsten Jahres vorhersagt (265L),27 die improvisierten Reime Martinos (284)^ sowie die zahlreichen Anspielungen auf den Volksglauben gehören in diesen Bereich. Repräsentantin der Naturpoesie ist natürlich auch das »schöne, unschuldige und geistvolle wilde Naturkind« (299) Mitidika mit ihrem Lied und ihrem Tanz. Michalys und Mitidikas Kunst und die Idee der Natur- bzw. Volkspoesie werden nicht offen satirisch in Frage gestellt, wie dies mit Lindpeindlers und Wehmüllers Kunstauffassungen geschieht. Dennoch finden sich zur Motivik der Naturpoesie ebenfalls Anspielungen, die davor warnen, diese völlig ernst zu nehmen. Denn Naturtöne werden auch von einer 2
' Zur Beziehung zur romantischen Doppelgängermotivik vgl. Kluge F B A 19, S. 665; Dikkens 1983, S. 1 3 ; Hosch 1988, S. 1 2 4 t 16 Zur Selbstdarstellung Brentanos in Lindpeindler vgl. Dickens 1983, S. 15 und 18. Kluge weist demgegenüber darauf hin, daß auch Baciochi einige »Wesenszüge Brentanos« ( F B A 19, S. 684) trägt. 27 Zur Quelle vgl. F B A 19, S. 679L 28 Vgl. dazu den Hinweis auf Grellmanns »Die Zigeuner« in Kluges Kommentar ( F B A 19, S. 689). Grellmanns »historischer Versuch über die Lebensart und Verfassung/ Sitten und Schicksahle dieses Volks in Europa,/ nebst ihrem Ursprünge« (Dessau und Leipzig 1783) diente auch Arnim als Quelle für die »Isabella« (vgl. Neumann 1968).
280
Katze produziert, die nicht aufhört »zu solfeggiren« (284) und später auf einer Trommel schnurrt, welche - gleichsam als Aolsharfe der niederen Klassen - »von dem Tone erschüttert, das ferne Donnern zu begleiten schien [...]« (288). Neben den unmittelbar satirischen Elementen läßt sich dennoch innerhalb der Erzählung eine gewisse Präferenz für die ursprüngliche Kunst Michalys und Mitidikas feststellen, dergegenüber andere, >romantische< Konzepte deutlich herabgesetzt und kritisiert werden. Damit endet die Auseinandersetzung der »Wehmüller« mit der Kunst jedoch noch nicht ganz. Denn die Fähigkeit Michalys, des »zweiten Orpheus«, durch seine Lieder Streitereien zu versöhnen (276), deutet auf die Fähigkeit der Poesie hin, über sich hinaus zu wirken. Man kann das Zusammenspiel von triadischer, >transzendierender< und kunstthematischer Motivik in eine weitergehende poesieallegorische Interpretation integrieren: »In der Kunst, so lautet Brentanos Maxime noch in den Jahren 1815/17, kann das verlorene Paradies rekonstruiert, der Pestkordon zwischen Wirklichem und Wahrem durchbrochen werden«.29 Wir werden auf die Problematik einer solchen Zusammenfassung von Motivik und Bedeutungsdimensionen 30 zu einer Gesamtinterpretation unten ausführlicher eingehen.
1.3
D e u t u n g und Bedeutung
1.3.1 Deutung in den »Wehmüllern« Die vielfältigen Motive und Anspielungen der »Mehreren Wehmüller« lassen sich, wie wir sahen, durchaus zu mehreren sinnvollen Aussagen zusammenfassen. Gegenüber diesen teilweise nur schwach erkennbaren Andeutungen spielt die Thematisierung und Problematisierung von Deutung selbst in Brentanos Erzählung eine außerordentlich prominente Rolle. Im Zentrum steht dabei zunächst natürlich das Motiv der Verdoppelung: » . . . wenn Sie diese ausstechen, lieber Wehmüller, werden Sie sich nicht wundern, daß man Sie doppelt gesehn, denn Sie selbst werden Alles doppelt s e h n ; . . . « (2$8f.). Damit schenkt der Graf Giulowitsch zu
2
» Frühwald 1 9 8 1 , 8 . 1 5 6 . Auf eine weitere mögliche Sinndimension des Textes macht Dickens aufmerksam, der aufgrund der Namen Franz (Wehmüller) und Tonerl in der Erzählung auch einen »Lobgesang auf den Bruder Franz [Brentano ( 1 7 6 5 - 1 8 4 4 ) ; M . N . ] und seine österreichische Frau Antonia« vermutet (Dickens 1983, S. 16).
30
281
Beginn der Geschichte dem durch seine Vervielfachung verwirrten Maler eine Flasche Tokaier. Aber auch ohne den Wein werden recht viele Dinge doppelt gesehen. Aus einem reisenden Maler werden zwei (später gar drei), ein Bote soll doppelt bezahlt werden (257), einfache Soldaten reden auf einmal in zwei Sprachen, nämlich »deutsch und husarenlateinisch zugleich« (260, vgl.303), und als von einem Schriftsteller namens Lafontaine die Rede ist, wird schnell deutlich, daß damit zwei sehr verschiedene Dichter gemeint sein können (274). Auch der gefährliche Kater Mores der ersten Binnenerzählung erhält seinen Namen »theils weil er schwarz wie ein Mohr war, theils, weil er gar vortreffliche Mores oder Sitten hatte . . . « (268), d. h. mit einer doppelten und dazu noch zweisprachigen Begründung. Nun ist die Vervielfachung Wehmüllers natürlich zunächst das Element der Erzählung Brentanos, das die Handlung vorantreibt. Daneben bildet sie aber (wie die vielen anderen Mehrdeutigkeiten) auch eine hermeneutische Herausforderung an die Personen der Geschichte. Schon das Geschenk des Grafen Giulowitsch impliziert eine bestimmte Deutung des Phänomens, der er bereits eine andere hatte vorangehen lassen: »Der Graf sagte ihm: der falsche Wehmüller sey wohl nur eine Strafe Gottes für den ächten Wehmüller, weil dieser alle Ungarn über einen Leisten male, so gäbe es jetzt auch mehrere Wehmüller über einen Leisten« (258). Giulowitsch nimmt das Problem von der leichten Seite, doch seine ironischen Auslegungen sind Teil der sehr weitgehenden Thematisierung von Deutung in der Erzählung. Das unerklärliche Schicksal Wehmüllers fordert immer wieder zu Interpretationen heraus, die auf jeweils klar erkennbaren gedanklichen Voraussetzungen beruhen. Im Falle der (natürlich eher scherzhaften) Interpretation des Grafen Giulowitsch sind dies ein ästhetischer Diskurs, der einen politischen mit impliziert, daneben ein religiöser (»Strafe Gottes«) und ein rational erklärender (Trunkenheit). Die hier einsetzende hermeneutische Auffächerung des Phänomens »doppelter Wehmüller« erfährt in jener Szene eine Erweiterung, in der Wehmüller Einlaß in das Wirtshaus begehrt, das dann zum Ort des Erzählens wird. Die »lebhafte Berathschlagung« (263) der Gäste über seinen Wunsch ist nichts anderes als eine Abfolge von Versuchen, sein Erscheinen und das Geheimnis seines Doppelgängers in verschiedene Deutungsraster zu integrieren: Für den kroatischen Edelmann könnte Wehmüller »ein Vampyr« (263) sein, für Baciochi ist er hauptsächlich ein Infizierter, der vielleicht »die Pest« (263) bringt, Devillier und Lindpeindler hingegen sehen in ihm vor allem den Menschen, dessen unveräußerliche Rechte nicht »aus Furcht und Aberglauben« (263) verletzt werden dürfen. Die 282
geistigen Grundhaltungen, die die jeweiligen Deutungen begründen, lassen sich sogar als Repräsentationen verschiedener bewußtseinsgeschichtlicher Stadien begreifen: In Juxtaposition zum Kroaten als Vertreter mythischen Denkens stehen der »aufgeklärte« Devillier und der ihm hier (ausnahmsweise) beipflichtende Lindpeindler. Zwischen diesen Polen sind Baciochi und der Tiroler (der » . . . bewieß: er [Wehmüller; M . N . ] würde Niemand fressen« (263)) angesiedelt, die beide für eine eher unideologische Haltung des gesunden Menschenverstandes einstehen. Während diese Interpretationsversuche die einzelnen Figuren klarer konturieren und ihre erste Charakterisierung durch den Erzähler 3 1 ergänzen, tragen sie doch nichts zur Klärung der Wehmüllerschen Doppelheit bei. Im Gegenteil, alle Deutungen münden in ein »wunderbares Schariwari« (263) des Zigeuners Michaly (was auch als ästhetische Deutung gelesen werden kann) und damit in ein unaufgelöstes Durcheinander. Aus der vergleichsweise harmlosen Doppelung ist eine kaum zu überblickende Mehrdeutigkeit des Phänomens geworden. 3 2 Die »Wehmüller« thematisieren das Problem der Deutung also anhand der Präsentation einer nicht auf Anhieb verständlichen und klassifizierbaren (d.h. einer im Wortsinne inkommensurablen) Erscheinung, die wiederholte Deutungsversuche herausfordert. Keiner der immer neuen hermeneutischen Anläufe führt jedoch zu einem befriedigenden Ende. A h n liches ist an vielen Stellen zu beobachten. Eine analoge Situation ergibt sich z. B . nach der Erzählung der ersten Binnengeschichte »Das Pickenick des Katers Mores« (z6jtí.) durch den Kroaten. Die Erzählung trifft ebenfalls auf mehr als einen Interpreten. D e r Vizegespan, der Tiroler, die Wirtin und der Savoyarde glauben die Geschichte, d. h. ihre >Deutung< gehört derselben (mythischen) Bewußtseinsstufe an wie die Geschichte des kroatischen Edelmanns. Der »romantische« Dichter Lindpeindler integriert sie in den zeitgenössischen ästhetischen Diskurs, wenn er in ihr eine »höhere poetische Wahrheit« (274) erblickt, und der als Rationalist bereits ausgewiesene Devillier hält - gemäß dem Paradigma »Aufklärung« - das Ganze f ü r eine Lügengeschichte (275). Und auch hier wird der Widerstreit der Interpretationen durch Michaly im Chaos aufgelöst, wenn er
>' Schon die erste Vorstellung des Rahmenpersonals (262) ist deutlich als Panorama verschiedener Denk-, Handlungs- und Lebensweisen angelegt. >' Einer Vorwegnahme solcher Pluralität begegnet der Leser schon zu Beginn in Gestalt des multifunktionalen Reisestabes Wehmüllers (25 ff.). Vgl. daneben die Mehrstimmigkeit der »Sprachen und Dialekte« (Dickens 1983, S. 16), die auch in den »Kronenwächtern« eine Rolle spielt. 283
allen Deutungen dadurch ein Ende bereitet, daß er die Katze der Wirtin auf Nanny losläßt und so ein allgemeines Durcheinander hervorruft. 33 Beide Szenen gleichen sich auch darin, daß sie schließlich in einer zumindest teilweisen Versöhnung der Streitigkeiten, die sich als Folge der verschiedenen Interpretationen ergeben haben, enden. Herbeigeführt wird diese Versöhnung jeweils durch den »zweiten Orpheus« (276) Michaly. Die generelle Problematik aller Interpretationsversuche wird damit nur noch unterstrichen. Die hermeneutische Annäherung an das >Inkommensurable< endet im Widerstreit, dessen Lösung durch die Naturpoesie führt schließlich wieder ins unendlich Deutbare der Kunst Michalys. Die begriffliche Auslegung als Integration des Phänomens in einen (vorgegebenen) Diskurs wird durch die poetische >Deutung< jenseits aller Begriffe abgelöst.34 In etwas anderer Form begegnet die hermeneutische Pluralisierung eines Phänomens beim Versuch Baciochis, die Zigeunerin Mitidika und ihr Verhalten zu verstehen. Auch hier sind die Interpretationen nicht einfach auf sich gestellt, sondern beruhen auf einer jeweils abgrenzbaren geistigen Basis. Erkennbar wird dies an der Stelle, an der Mitidika in der Dunkelheit beginnt, kostbaren Schmuck anzulegen. Baciochi versucht, den überraschenden Vorgang durch zunächst drei Vergleiche zu begreifen. Der erste gehört dem humoristisch gefärbten Bereich des >gesunden Menschenverstandes< an (»Es sah nicht ganz so aus, als sey ein A f f e hinter die Toilette seiner Herrschaft gerathen . . . « ; 294), der zweite der metaphysisch-religiösen (»... auch nicht als richte der Satan einen Juwelenkasten ein . . . « ; 294), der dritte schließlich ist aus dem Bereich der Weltpolitik (»... aber eine indianische Prinzessin, welche die Geschenke eines englischen Gouverneurs mustert, mag wohl so aussehn.«; 294, vgl. 296). Schließlich erfolgt kurz darauf noch ein »poetischer« Anlauf (»... wie die Nacht, die mit dem Monde Hochzeit machen will.«; 29J). 35 Bei Mitidikas
55
Was wiederum vom Kroaten in seinem Sinne gedeutet wird: »Da haben wir es, das kömmt vom Unglauben!« (276). Hosch sieht ebenfalls die analoge Aufsplitterung in beiden Szenen (Hosch 1988, S. 116), deutet sie aber ganz unter dem Aspekt »des Komischen und des Grotesken« (S. 106) und vernachlässigt die Repräsentationsfunktion der Figuren: »Nicht die Reaktion des einzelnen steht im Mittelpunkt, sondern die Dispersion der Gruppe . . . « (S. 1 1 1 ; vgl. S. 1 i6f.). Vgl. auch Hoschs Hinweis auf parallele Strukturen in Goethes »Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten« (S. 236). 34 Die zweite Binnengeschichte löst mit ihrer absurden Rationalität keine vergleichbaren Deutungsprozesse aus, ebensowenig die dritte, in der an die Stelle der Deutungen der Ubergang zur Rahmenerzählung tritt. J > Natürlich handelt es sich hier um ein ironisch-rhetorisches Spiel Baciochis. Uns interessiert vorerst jedoch nur die parallele Struktur der hermeneutischen Anläufe.
284
von vornherein nur rudimentär verständlichem Lied' 6 wiederholt sich dann das zwar privilegierte, aber diskursiv aporetische Verstehen durch Kunst: Nach dem Lied wird zwar die Binnenerzählung kurz unterbrochen, keiner der Zuhörer versucht jedoch eine Deutung. N u r Michaly kann etwas mit den Strophen anfangen, er nimmt seine Violine und singt das Lied »unter den lieblichsten Variationen der Gesellschaft vor« (289): ein praktisches Beispiel für die Idee der produktiven Rezeption. Die Kommunikation des Inkommensurablen endet somit wiederum in einem künstlerischen Verstehen jenseits der Begriffe. Die übrigen Figuren der Erzählung Brentanos werden hingegen zunächst fortwährend mit Herausforderungen zur Deutung konfrontiert, ohne doch mit ihren Interpretationen zu einem befriedigenden Ende zu kommen. Schon die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit durch den Pestkordon beruht letztlich auf einem »Mißverständniß« (307). 1.3.2 Der Deutungswiderstand des Texts Die textimmanente Problematisierung von Deutung spiegelt sich in einem spürbaren Deutungswiderstand des Textes. Wir haben gesehen, daß die Figuren als Stellvertreter bestimmter Denkweisen und u.U. auch bestimmter bewußtseinsgeschichtlicher Stadien interpretierbar sind.37 Gleichzeitig wird ihre Stellung als Repräsentanten nicht zuletzt dadurch in Zweifel gezogen, daß ihre Denk- und Handlungsweisen nicht immer konstant demselben Muster folgen. So ist das Verhalten des Tirolers gegenüber Wehmüllers Auftauchen in der Wirtshaus-Szene zwar nicht forciert rationalistisch, aber eben doch rational (er » . . . bewieß: er würde Niemand fressen . . . « (263)) und damit von der mythischen Deutung Wehmüllers durch den Kroaten als »Vampyr« (263) unterschieden. Andererseits ist aber gerade der Tiroler vom Wahrheitsgehalt der irrational-mythischen Geschichte des Kroaten ohne jede Einschränkung überzeugt. Devillier, der sich durch sein Beharren auf den Menschenrechten (263) und die von ihm erzählte Binnengeschichte >' Mitidikas Lied w i r d von M a n f r e d F r a n k in seinen Vorlesungen über »Neostrukturalismus« dementsprechend auch als Beispiel f ü r eine D i c h t u n g , »die eine Sinnauslegung in Verlegenheit stürzen kann« (M. F r a n k , Was ist N e o s t r u k t u r a l i s m u s ? , F r a n k f u r t a . M . 1984, S. 593) herangezogen. D i e rumänischen Verse des Liedes f a n d Brentano ebenfalls bei G r e l l m a n n in einer » A n m e r k u n g zu den Stegreifreimen der Zigeuner« v o r ( F B A 19,
S.69.). 17
D a s ist aber nicht der einzige A s p e k t . K l u g e weist darauf hin, daß »ein großer Teil der Personen [ . . . ] von Typen, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts o d e r schon früher z u m Bestand der Wiener V o l k s k o m ö d i e gehörten, inspiriert ist« ( F B A 1 9 , S. 662).
285
bereits als aufgeklärter Rationalist zu erkennen gegeben hat, tanzt doch auch zu Michalys dionysischem Lied (264) und tritt schließlich als mit (wenn auch nicht ungebrochener) romantischer Unbedingtheit Liebender auf. Seine Unterscheidung der Binnengeschichten in wahre und gelogene (280) ist schließlich angesichts der Tatsache, daß er selbst eine Lügengeschichte erzählt, selbst zweifelhaft. 38 Dies alles trägt dazu bei, daß seine scheinbar so festgelegte Funktion und Bedeutung im symbolischen Gefüge der Erzählung unsicher wird. Und so hält auch die zunächst suggerierte idealtypische Opposition >Rationalist< Devillier/>Romantiker< Lindpeindler, die sich z.B. angesichts der Interpretation der Geschichte des Kroaten zeigt (»Lüge«; 280 vs. »höhere poetische Wahrheit«; 274) nicht immer einer kritischen Prüfung stand. Einmal mindestens argumentiert Lindpeindler - wie wir sahen - zusammen mit Devillier vom Boden der Menschenrechte aus (263), ein andermal erfreuen sich beide einträchtig an der Kunst Michalys (264). Auch das »Naturkind« (299) Mitidika ist nicht nur eine schöne kindliche Wilde,39 sondern verfügt daneben - und hier weicht Brentano von seiner Quelle ab4° - über »Tugend« (299) und Züchtigkeit (vgl. 295) und vertritt damit moralische Werte der bürgerlichen Aufklärung. Ihr mangelnder Glaube an Geschichten wie die vom »wilden Jäger« und ihre Fähigkeit, derartige Volksmythen zu »benutzen« (299), machen es schwer, sie ausschließlich als Allegorie des ursprünglichen Naturzustandes zu deuten.4' Die Symbolik der »Mehreren Wehmüller« mündet offenbar nicht in eine starre Bedeutungsstruktur. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß nicht nur die Personen der Erzählung, sondern auch der Leser mit einer ansehnlichen Anzahl verständniserschwerender Doppelheiten konfrontiert werden. So besteht das wesentliche Problem einer symbolischen Deutung der Hauptfigur darin, daß Wehmüller einerseits Künstler und andererseits Unternehmer ist. Er hat damit sowohl innerhalb der kunstthematischen als auch der wirtschaftsgeschichtlichen Sinnebene der Erzählung eine bestimmte symbolische Funktion. Diese Spannung macht natürlich den satirischen Charakter der Figur aus, aber es geht meines Erachtens nicht nur um Satire; Wehmüller ist keineswegs die einzige Figur, die im Kontext zweier heterogener Bezugssysteme steht. Auch Baciochis Name enthält eine doppelte Anspielung: zum einen natürlich im ästhetischen Diskurs 38
Vgl. die (letztlich gegenstandslose) Diskussion um Lüge und Wahrheit zwischen Wehmüller und dem Boten (2j6f.). " Schaub 1973, S. 142. 40 Vgl. FBA 19, S.694L 41 Vgl. dazu auch Hosch 1988, S. 156. 286
auf Boccaccio, den Urvater der Erzählform der »Wehmüller«,42 zum anderen im politischen Feld auf Napoleon bzw. dessen Schwager. 4 ' Der Widerstand, den die inhomogenen Mehrfachbezüge 44 einer einsträngigen Deutung der »Wehmüller« entgegenstellen, zeigt sich besonders am Schluß der Erzählung. Dort werden nicht nur die, teleologische Finalität suggerierenden, Synthesen durch die Öffnung auf weitere Binnengeschichten hin wieder in Frage gestellt, dort wird vor allen Dingen die Unvereinbarkeit der anspielungsweise aufgebauten Bedeutungsebenen vor Augen geführt. Liest man den Schluß im Kontext der politischen Andeutungen als utopische Hoffnung, daß bald »der Friede gestiftet« (310) und die Eingeschlossenen befreit werden mögen, so ist dies zwar mit der teleologischen Dimension ebenso vermittelbar wie mit einer poesieallegorischen Deutung, die die »Wehmüller« als Manifest des Glaubens an die erlösende Kraft der Kunst sieht (s.unten). Eine einsträngige teleologische Deutung wird aber alleine schon dadurch fragwürdig, daß derselbe Schluß den Übergang von der kunsthandwerklichen zur echten unternehmerischen Massenproduktion von Bildern darstellt. Mitidika reproduziert entsprechend am Schluß ihren (>naturpoetischenGeschichte vom braven Kasperl und dem schönen AnnerlTheatralischenkarnevalistische ElementeIronisierung der romantischen IronieBotschaftDem einen ist zu tun, zu schreiben mir gegebenoffiziellen< Aussage des Romans, die auch noch im eigentlichen Schlußbild mit den auseinanderstrebenden Wegen der Hauptfiguren wirksam ist. Auch hier wird man allerdings kaum davon sprechen können, daß der stringente Ideenzusammenhang des Romans ernsthaft in Frage gestellt würde. Als Ergebnis der vergleichenden Analyse der Bedeutungsstruktur von »Ahnung und Gegenwart« ist damit festzuhalten, daß diese, unbeschadet einiger kleinerer Einschränkungen, anders als in den »Kronenwächtern« kaum in die >Gefahr< gerät, in eine undurchdringliche Polyvalenz und Selbstwidersprüchlichkeit zu münden. Die homogene Bindung aller Teile des Romans an das gedankliche Zentrum ist das wesentliche Kennzeichen der Bedeutungsstruktur von »Ahnung und Gegenwart«.
' 4 J Worthmann 1974, S. 26. 318
2.5.4
» D e r geheimnisvolle B u c h s t a b «
W i r h a b e n gesehen, daß auch f ü r E i c h e n d o r f f die diskursive U n s a g b a r k e i t des eigentlich A u s z u s a g e n d e n im Z e n t r u m seiner theoretischen Ü b e r l e g u n g e n steht. N u n trifft diese C h a r a k t e r i s i e r u n g auf die S y m b o l i k v o n » A h n u n g u n d G e g e n w a r t « n u r sehr b e d i n g t z u ; hier ü b e r w i e g t z w e i f e l s o h n e ein starker exoterischer didaktischer I m p e t u s , u n d der I d e e n z u s a m m e n h a n g ist klar u n d einsichtig. 1 4 4 G l e i c h z e i t i g w i r d der G e d a n k e der K u n s t als S a g e n des U n s a g b a r e n aber in den p o e t o l o g i s c h e n Ü b e r l e g u n gen des R o m a n s vertreten. S o m a c h t sich, w i e gesagt, der E r z ä h l e r das Postulat A r n i m s z u eigen, daß die eigentliche B e d e u t u n g der K u n s t nicht in ihrer exoterischen B o t s c h a f t liegt, s o n d e r n esoterisch ist u n d n u r d u r c h eigene künstlerische P r o d u k t i v i t ä t erschlossen w e r d e n k a n n : Und das sind die rechten Leser, die mit und über dem Buche dichten. Denn kein Dichter gibt einen fertigen Himmel; er stellt nur die Himmelsleiter auf von der schönen Erde. Wer, zu träge und unlustig, nicht den M u t verspürt, die goldenen losen Sprossen zu besteigen, dem bleibt der geheimnisvolle Buchstab ewig tot, und er täte besser, zu graben oder zu pflügen, als so mit unnützem Lesen müßig zu gehn. (94; Hervorh. v. mir; M . N . ) A u c h E i c h e n d o r f f s T h e o r e m v o n d e r »blitzartigen« ( E III, 6 4 6 ) K o m m u nikation des E i g e n t l i c h e n in der K u n s t w i r d im R o m a n veranschaulicht, w e n n d e r »schlichte M a n n , d e r v o m L a n d e w a r « ( 1 3 6 ) , die W i r k u n g der » G r ä f i n D o l o r e s « so schildert:
144
Die neuere Forschung hat sich daher auch überwiegend für diesen Aspekt des Romans interessiert. Dies gilt beispielsweise für die Arbeiten von Naumann, Schaefer, Purver, Egon Schwarz und Hoffmeister. In eine etwas andere Richtung zielen die Untersuchungen Thomas A. Rileys, der ungeachtet aller Kritik weiterhin das Projekt einer Deutung des Romans als strenge Allegorie der »literarischen Welt der Jahre 1 8 0 9 - 1 8 1 2 « betreibt (vgl. zuletzt: T.A.R., Die Allegorie in »Ahnung und Gegenwart«, in: Aurora 44 (1984), S. 2 3 - 3 1 , das Zitat S. 24). Demgegenüber lehnt neuerdings Gottfried Willems eine allegorische Deutung strikt ab und betrachtet den Roman ganz als Darstellung des »Selbstgefühls« (Willems 1988, S. 59) der Personen. Der Ansatz ist durchaus originell, aber seine Behauptung, daß »Ahnung und Gegenwart« »nur von der Kategorie des Darstellungsstils [die Willems selbst erst ins Leben gerufen hat, vgl. ebd. S. 44, Anm. 4; M.N.], her einsichtig« (S. 56) wird, scheint mir ebensowenig haltbar wie seine These, daß das »Selbstgefühl« der Personen »das Zentrum« sei, »von dem aus das Darstellen sich [ . . . ] organisiert« (S. 59). Man muß für eine derartige Deutung schon sehr viele Passagen des Romans ignorieren. Einen diametral entgegengesetzten Weg geht Gert Ueding, der von einem autonomen System »allegorischer Vieldeutigkeit, die von einem Gegenstand zum anderen, einer Figur zur anderen verweist« (Ueding 1989, S.63), ausgeht und sich aus diesem Grund dagegen ausspricht, den Roman »auf das theologische Begriffsschema zu fixieren« (S. 76). Auch hier wäre einzuwenden, daß »Ahnung und Gegenwart« einer derartigen Fixierung nicht eben heftig widerspricht.
319
Ich las und las, vieles Dunkle zog mich immer mehr an, vieles kam mir so wahrhaft vor, wie meine verborgene innerste Meinung oder wie alte, lange wieder verlorne und untergegangene Gedanken, und ich vertiefte mich immer mehr. Ich las bis es finster wurde. Die Sonne w a r draußen untergegangen, und nur noch einzelne Scheine des Abendrots fielen seltsam auf die Gemälde, die so still auf ihren Staffeleien umherstanden. Ich betrachtete sie aufmerksamer, es war, als fingen sie an lebendig zu werden, und mir kam in diesem Augenblicke die Kunst, der unüberwindliche H a n g und das Leben meines Sohnes begreiflich vor. Ich kann überhaupt nicht beschreiben, wie mir damals zumute w a r ; es war das erstemal in meinem Leben, daß ich die wunderbare Gewalt der Poesie im Innersten fühlte, und ich erschrak ordentlich vor mir selber, (i 37t.)
Hier ist zunächst nicht von der didaktischen Dimension der »wahren Geschichte zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein« die Rede, sondern von einem nicht-diskursiven, plötzlichen Verstehen im »Augenblick«, 145 in dem sich die »Gewalt der Poesie« fühlbar macht. Hermetik und Tiefe des Gehalts stehen für Friedrich augenscheinlich auch außerhalb der Kunst in analogem Verhältnis: » f . . . ] die Erinnerungen aus der Kindheit sind desto empfindlicher und verschämter, je tiefer und unverständlicher sie werden, und fürchten sich vor groß gewordenen, altklugen Menschen, die sich in ihr wunderbares Spielzeug nicht mehr zu finden wissen« (50). Die gleiche Esoterik eignet natürlich der Sprache der Natur. Die Welt ist, »wie Memnons Bild, voll stummer Bedeutung« (30), sie sucht ihre »eigentümliche Schönheit, ihre eigene Idee [ . . . ] wie mit abgebrochenen Lauten auszusprechen« (92).146 Ihre poetische Dechiffrierung führt gleichfalls nicht in eine Entschlüsselung zur exoterischen Botschaft, sondern zum Wechsel vom hermetischen Schweigen zur gleichfalls nicht ausdeutbaren Musik; die Welt »erklingt, wenn sie die Aurora eines dichterischen Gemütes mit ihren verwandten Strahlen berührt« (83). Die Kommunikation vollzieht sich intuitiv: »Wen diese einzelnen Laute rühren, der setzt mit wenigen Mitteln die ganze Rede zusammen« (92). Es ist allerdings, wie gesagt, nicht nur die himmlische Transzendenz, die sich in der hermetischen Natursprache kundtut, sondern auch die des Abgrunds. »Melusina« singt ebenfalls ein »unergründlich einförmiges Lied« (154). Dementsprechend ist auch die »Musik« Romanas »durchaus wunderbar, 145
Vgl. dazu natürlich die Szene, »als E r w i n [ . . . ] bei einem langen Blitze das G e s i c h t des andern stillen Jägers plötzlich dicht vor sich erblickte, mit einem lauten Schrei aufsprang und sich in demselben A u g e n b l i c k e über den K a h n in den Rhein stürzte« (S. 1 7 9 ; vgl. daneben auch S. 279).
146
E i n e dialektische D e u t u n g der »abgebrochenen Laute« versucht v. B o r m a n n
1968,
S. 2 4 4 . Vgl. auch A n s g a r Hillach, E i c h e n d o r f f s romantische E m b l e m a t i k als poetologisches M o d e l l und geschichtlicher E n t w u r f , in: E m b l e m und Emblematikrezeption, hrsg. von S. Penckert, D a r m s t a d t 1 9 7 8 , S. 4 1 4 - 4 3 5 , hier S. 4 1 j f . und S. 4 1 8 .
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unbegreiflich und oft beinahe wild, aber es war eine unwiderstehliche Gewalt in ihrem Zusammenklange« (151). Die reine Naturpoesie symbolisiert natürlich Erwinfe],' 47 und an seinem Beispiel wird die Hermetik des Eigentlichen besonders deutlich hervorgehoben. Er ist »weit empfänglicher für das Verständnis des Wunderbaren als des Alltäglichen und Gewöhnlichen« (74), und im ekstatischen Zustand der Krankheit spricht er »wunderbar wie aus dunklen, verworrenen Erinnerungen, oft alte Aussichten aus Friedrichs eigener Kindheit plötzlich aufdeckend« (i66f.; Hervorh. von mir; M.N.).
2.6 »Göttlicher Klang« Die Explikation der Unsagbarkeit des Eigentlichen findet also auch in »Ahnung und Gegenwart« ihren Raum,'48 während die Gesamtstruktur des Romans durchaus auf >Sagbarkeit< hin angelegt ist. Es stellt sich die Frage, ob Roman und Theorie hier auseinanderfallen bzw. in welcher Weise das »Unsagbare« (jenseits des bloßen Redens darüber) seinen Ort im poetischen Text hat. Die Eichendorff-Forschung hat diesem Problem natürlich - nicht nur anhand von »Ahnung und Gegenwart« - die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Die Lösungsvorschläge gehen dabei in recht unterschiedliche Richtungen: Sörensen sieht Eichendorffs »Bilder« generell »mehr als Stimmungsträger denn als stichwortartige Hinweise auf die Idee. Der intellektuelle Verweis auf die Idee wird [...] im Fluidum der Stimmungen aufgelöst«.' 49 In diesem Verständnis wäre die allegorisch-exoterische Aussagestruktur nur ein Teilphänomen, das in der >Unsagbarkeit< der Stimmung aufgeht. Serensen weist allerdings ausdrücklich darauf hin, daß im Falle von »Ahnung und Gegenwart« die »stimmungshafte Funktion der Bilder zugunsten der Verweisfunktion zurücktritt«. 1 ' 0 Lüthi behauptet demgegenüber eine - nicht näher spezifizierte - Rätselhaftigkeit des Romans insgesamt, die angeblich als »Hieroglyphe auf das Höhere h i n w e i s t « . E t w a s präziser ist hier Köhnke, der in der »unrealistischen [...] Kombination«'' 2 einzelner durchaus nicht unwahrscheinlicher Wirklichkeits147
Erwin[e] ist, ähnlich wie Mitidika, eine androgyne Grenzgängerin, der allerdings »das ruhige Gleichgewicht der Kräfte« (S. 73) fehlt. 148 Auf der anderen Seite verspottet der Roman den Verweis auf die Unsagbarkeit als »mystischen Anstrich« (S. 126). 149 B. A . Sarensen, Zum Problem des Symbolischen und Allegorischen in Eichendorffs epischem Bilderstil, in: Aurora 26 (1966), S. 5 0 - 56, hier S. 56. Ebd. ' " Lüthi 1966, S. 83. 112 Köhnke 1986, S. 36. Köhnke geht dem in den Erzählungen und Versepen nach.
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demente die »Hieroglyphenschrift« nicht nur in » A h n u n g und Gegenwart« sieht. Ueding schließlich stellt sich auf den Standpunkt, daß das »allegorische W e sen«' 5 3 des Romans letztlich dadurch gekennzeichnet sei, daß sich »die Bilder als Elemente einer eigenen Sprache [ . . . ] aufeinander, [ . . . ] aber nicht mehr auf ein Urbild, ein Original, eine Idee beziehen«. 1 ' 4
Uedings Deutung betont die Differenz der Eichendorffschen Allegorie zu der des Barock, 1 " neigt in der Konsequenz jedoch meines Erachtens dazu, die grundsätzliche Aussageorientierung des Romans zu unterschätzen. Unser Vergleich von »Ahnung und Gegenwart« mit den Texten Arnims und Brentanos hat dagegen gezeigt, daß gerade die symbolische Struktur von Eichendorffs Roman ein ideen- und gehaltsorientiertes Lesen durchaus nahelegt. »Ahnung und Gegenwart« vermeidet eine dem Theorem der Unsagbarkeit des Eigentlichen korrespondierende strukturelle Hermetik. Ich möchte daher einen anderen Vorschlag zur Frage nach den >Orten des Unsagbarem in »Ahnung und Gegenwart« machen 1 ' 6 und dabei einem Hinweis aus der Passage folgen, in der der Erzähler unvermittelt das reale Vorbild zu Viktor (den Lubowitzer Kaplan Paul Ciupke ( 1 7 7 1 - 1 8 5 5 ) 1 ' 7 ) anspricht: Die Leute gehen unten vorüber und verlachen Dein wildes Geklimper, aber ich sage Dir, es ist mehr göttlicher Klang darin, als in ihrem ordentlichen, allgepriesenen Geleier. (97)
Viktor ist eine Figur, die sich dem allegorischen Figuralsystem zwar wohl nicht völlig entzieht, die aber andererseits keine so eindeutige Stellung einnimmt wie z. B. Friedrich oder Romana. Wenn wir von unseren bisherigen Ergebnissen zu den Texten Arnims und Brentanos ausgehen, so ließe sich sagen, daß Viktor in seiner allegorischen Dimension unterbestimmt ist. Text (»göttlicher Klang«) und Kontext verlangen nach einer Signifikatzuordnung, aber der Roman ist hier eher zögerlich und verstärkt den Eindruck der Inkommensurabilität Viktors noch mit dem Hinweis, daß »die beiden Grafen«, also die eigentlichen Künstler, »die ersten
'i6
157
Ueding 1989, S. 60. Ebd., S.6o, vgl. S.76. Vgl. dazu v. Bormann 1980, S. 2of. sowie Hillach 1977 und 1978. Ein weiterer Lösungsvorschlag zur Frage nach Theorie und Poesie sei wenigstens erwähnt: Otto Eberhardt (Verkleidung und Verwechslung in der erzählenden Dichtung Eichendorffs, Heidelberg 1987 ( = Beihefte zum Euphorion, 2 1 . Heft)) sieht die »Vergegenwärtigung des Göttlichen und seine Wahrnehmung« als »wesentliche übergreifende Bedeutungsmöglichkeit für die Motive der Verkleidung und Verwechslung« (S. 49). Vgl. daneben auch Lüthi 1966, S. 83. Vgl. Hillach, Anmerkungen in E II, S.946.
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in seinem Leben« waren, »die bei allen seinen Äußerungen wußten, was er meine« (96). Erst Leontins beiläufige Erwähnung des »alten Spruchs: sie haben sich zu Toren gemacht vor der Welt« ( 2 8 1 ) identifiziert ihn mehr oder minder eindeutig als »Narren um Christi willen«. 1 , 8 Die Figur Viktors wäre eine eigene Untersuchung wert; für unsere Fragestellung ist jedoch zunächst von Interesse, daß gerade an seinem Beispiel ein Zusammenhang von Transzendenz (»göttlicher Klang«) und U n verständlichkeit/Inkommensurabilität vom Erzähler festgestellt wird. Sucht man unter dem Vorzeichen dieser Verbindung - und damit zugleich auch am Leitfaden der Ergebnisse zu den »Kronenwächtern«
-
nach Passagen in »Ahnung und Gegenwart«, die unzweifelhaft >bedeuten< und doch zugleich einer allegorischen Interpretation Widerstand entgegensetzen, so geraten vor allen Dingen die Traumsequenzen ins Blickfeld. Den ersten Traum hatte Friedrich in seiner Kindheit: U m diese Zeit hatte ich mehre Male sehr schwere und furchtbare Träume. Ich sah nämlich immer meinen Bruder Rudolf in einer Rüstung, wie sie sich auf einem alten Ritterbilde auf unserem Vorsaale befand, durch ein Meer von durcheinanderwogenden, ungeheuren Wolken schreiten, wobei er sich mit einem langen Schwerte rechts und links Bahn zu hauen schien. Sooft er mit dem Schwerte die Wolken berührte, gab es eine Menge Funken, die mich mit ihren vielfarbigen Lichtern blendeten, und bei jedem solchen Leuchten kam mir auch Rudolfs Gesicht plötzlich blaß und ganz verändert vor. Während ich mich nun mit den Augen so recht in den Wolkenzug vertiefte, bemerkte ich mit Verwunderung, daß es eigentlich keine Wolken waren, sondern sich alles nach und nach in ein langes, dunkles, seltsam geformtes Gebirge verwandelte, vor dem mir schauderte, und ich konnte gar nicht begreifen, wie sich Rudolf dort so allein nicht fürchtete. Seitwärts von dem Gebirge sah ich eine weite Landschaft, deren unbeschreibliche Schönheit und wunderbaren Farbenschimmer ich niemals vergessen habe. Ein großer Strom ging mitten hindurch bis in eine unabsehbare, duftige Ferne, wo er sich mit Gesang zu verlieren schien. Auf einem sanftgrünen Hügel über dem Strome saß Angelina, das italienische Mädchen, und zog mit ihrem kleinen, rosigen Finger zu meinem Erstaunen einen Regenbogen über den blauen Himmel. Unterdes sah ich, daß das Gebirge anfing sich wundersam zu regen; die Bäume streckten lange Arme aus, die sich wie Schlangen ineinanderschlungen, die Felsen dehnten sich zu ungeheuren Drachengestalten aus, andere zogen Gesichter mit langen Nasen, die ganze wunderschöne Gegend überzog und verdeckte dabei ein qualmender Nebel. Zwischen den Felsenplatten streckte Rudolf den Kopf hervor, der auf einmal viel älter und selber wie von Stein aussah, und lachte übermäßig mit seltsamen Gebärden. Alles verwirrte sich zuletzt und ich sah nur die entfliehende Angelina mit ängst-
158
i.Kor. 4,10 (vgl. E W 2, S. 728); vgl. daneben Naumann 1979, S. 128. Viktor läßt sich im Rahmen des dualistischen Grundmodells als Gegenfigur zum »tollen Ritter« (100) deuten. Anders als sonst bleibt der Roman hier allerdings bei vagen Andeutungen.
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lieh zurückgewandtem Gesichte und weißem, flatterndem Gewände, wie ein Bild über einen grauen Vorhang, vorüberschweben. Eine große Furcht überfiel mich da jedesmal und ich wachte vor Schreck und Entsetzen auf. (47) Wir finden in dieser Traumschilderung Friedrichs zweifellos das grundlegende dualistische Modell (bizarres Gebirge vs. schöne (Tal-)Landschaft mit Regenbogen) sowie verschiedene Motive aus der später erzählten L e bensgeschichte Rudolfs wieder. A b e r der Erzähler gibt keine Erläuterung, die etwa wie in der Eingangsallegorie die Bedeutung unmißverständlich festlegen würde. A u c h Friedrich findet nicht zu einer Auslegung der Bilder, sondern wird einfach von einer »großen Furcht« überfallen. Die Motive sind hier nicht ideell, sondern traumhaft, und das heißt letztlich rein poetisch organisiert und fügen sich nicht von vornherein zur Allegorie. Ähnlich verhält es sich mit seinem zweiten Traum. E r fällt in die Periode der »Bilduingsgeschichte« Friedrichs, als er in der Residenz anfängt, seinem Leben eine Richtung auf »den bestimmten und festen Z w e c k « zu geben, sich auf das »Studium der Staaten« wirft und »reifer, klar, selbständig und ruhig über das Urteil der Welt« ( 1 5 8 ) wird: Ihm träumte einmal, als er in der Nacht einst so über seinen alten Büchern eingeschlummert, als weckte ihn ein glänzendes Kind aus langen lieblichen Träumen. Er konnte kaum die Augen auftun vor Licht, von so wunderbarer Hoheit und Schönheit war des Kindes Angesicht. Es wies mit seinem kleinen Rosenfinger von dem hohen Berge in die Gegend hinaus, da sah er ringsum eine unbegrenzte Runde, Meer, Ströme und Länder, ungeheure, umgeworfene Städte mit zerbrochenen Riesensäulen, das alte Schloß seiner Kinderjahre seltsam verfallen, einige Schiffe zogen hinten nach dem Meere, auf dem einen stand sein verstorbener Vater, wie er ihn oft auf Bildern gesehen, und sah ungewöhnlich ernsthaft - alles doch wie in Dämmerung aufarbeitend, zweifelhaft und unkenntlich, wie ein verwischtes, großes Bild, denn ein dunkler Sturm ging über die ganze Aussicht, als wäre die Welt verbrannt, und der ungeheure Rauch davon lege sich nun über die Verwüstung. Dort, wo des Vaters Schiff hinzog, brach darauf plötzlich ein Abendrot durch den Qualm hervor, die Sonne senkte sich fern nach dem Meere hinab. Als er ihr so nachsah, sah er dasselbe wunderschöne Kind, das vorhin neben ihm gewesen, recht mitten in der Sonne zwischen den spielenden Farbenlichtern traurig an ein großes Kreuz gelehnt, stehen. Eine unbeschreibliche Sehnsucht befiel ihn da, und Angst zugleich, daß die Sonne für immer in das Meer versinken werde. Da war ihm, als sagte das wunderschöne Kind, doch ohne den Mund zu bewegen oder aus seiner traurigen Stellung aufzublicken: »Liebst du mich recht, so gehe mit mir unter, als Sonne wirst du dann wieder aufgehen, und die Welt ist frei!« - Vor Lust und Schwindel wachte er auf. (1 j8f.)
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Auch hier sind zentrale Motive der metaphysischen Bedeutungsebene des Romans versammelt. Vor allen Dingen geht es - gleichsam in Ergänzung des ersten Traums - um Heilsgeschichte und Wiedergeburt, Kreuz und Kind. Aber wiederum dominiert die poetische Organisation die ideelle, 1 " und auch die Verknüpfung beider Träume erfolgt nur motivlich (der »rosige Finger« Angelinas (103) korrespondiert z.B. dem »Rosenfinger« (230) des Kindes). Die Differenz zu ähnlichen Passagen des Romans wird gerade dann sichtbar, wenn man Friedrichs Traum mit seiner thematisch gleichgelagerten Schlußprophetie vergleicht. Seine apokalyptischen Bilder verweisen unterschwellig sogar auf die Träume zurück (»alles weist mit blutigem Finger warnend auf ein großes unvermeidliches Unglück hin«; 291), aber die Aussage seiner Rede ist unzweideutig. Dagegen kommt er auch bei seinem zweiten Traum nicht zu einer klaren bewußten Auslegung, die auch dem Leser eine unmißverständliche >subscriptio< des Traumbildes liefern und vor allem seinen enigmatischen Schluß - die Aufforderung zum Untergang und die Hoffnung auf Wiederkehr als »Sonne« - in eine klare Botschaft verwandeln würde. Die Ambivalenz des letzten Satzes überträgt sich in Friedrichs intuitive Reaktion; er erwacht »vor Lust und Schwindel«. In Friedrichs Träumen werden Motive von der exoterisch-allegorischen Ebene durch eine traumhaft-poetische Reorganisation auf eine hermetisch-esoterische überführt. In gewisser Hinsicht sind sie wohl als Passagen deutbar, in denen das »Unsagbare« möglicherweise (ich möchte keinen der in der Forschung gemachten Vorschläge zurückweisen) seinen poetischen Ort in »Ahnung und Gegenwart« findet. Dies zeigt sich besonders an den letzten, träumerisch delirierenden, Worten Erwin[e]s (die natürlich auch seine psychologische Situation verdeutlichen). Deren Duktus gleicht zu Beginn dem der Träume Friedrichs (und ist mit diesen auch über die Farbe Rosa und die Motive »Meer« und »Gebirge« poetisch verknüpft), um dann langsam in einen durchaus konkret gemeinten Hinweis zu münden:
1(9
Seidlin deutet diese Passage als »eschatologische Vision« (Seidlin 196$, S. 35) und sieht hier »die volle christliche Heilslehre, Passion, Jüngstes Gericht und Auferstehung [ . . . ] in eine monumentale Seelandschaft übersetzt« (S. 35). Er räumt aber ein, daß man »ein solches Bild allegorischen Charakters nicht für unbedingt schlüssig halten« muß (S. 35). Anders als Seidlin bin ich der Ansicht, daß der Traum zwar auch allegorischen Charakter hat, daß aber hier die reine Bildhaftigkeit der poetischen Reihung im Vordergrund steht. Der Leser erhält keine Deutungshilfe, und die Motive emanzipieren sich für einige Momente vom ideellen Zusammenhang. Die Traumlandschaft ist hier kein klares, sondern ein »verwischtes, großes Bild« (159; vgl. daneben aber Seidlins Deutung des ersten Blicks, den der Taugenichts auf Rom wirft; Seidlin 1965, bes. S. 21; zu den Träumen Friedrichs: Meixner 1971, S. I22f.; Hoffmeister 1984, S. 398).
325
»Es war ein tiefes, weites, rosenrotes Meer, dich [Friedrich; M . N . ] sah ich darin auf dem G r u n d e immerfort über hohe Gebirge gehen, ich sang die besten alten Lieder, die ich wußte, aber du erinnertest dich nicht mehr daran, ich konnte dich niemals erjagen, und unten stand der Alte tief im Meere, ich fürchtete mich vor seinen Augen. Manchmal ruhtest du, auf mich zugewendet, aus, da saß ich still dir gegenüber und sah dich vielhundert Jahre an - ach, ich w a r dir so gut, so gut! Die Leute sagten, ich sei verrückt, ich hörte es wohl und hörte auch draußen die Uhren schlagen und die Welt ordentlich gehn und schallen wie durch Glas, aber ich konnte nicht mit hinein. Damals w a r mir wohl, jetzt bin ich wieder krank. Glaube nur nicht, daß ich jetzt irre spreche, jetzt weiß ich wohl recht gut, was ich rede und w o ich bin - das ist ja der Eichgrund, da ist die alte Mühle - » bei diesen Worten versank er in ein starres Nachsinnen. Dann fuhr er unter immerwährenden Krämpfen wieder fort: »Dort, w o die Sonne auf gehn wird, ist ein großer Wald, in dem Walde wohnt ein M a n n mit dunklen A u g e n und einer langen Schramme über dem rechten A u g e , der kennt mich und euch alle, er—« (23 if.).
Auch hier sind viele der einzelnen Motive auf die Handlung und die Bedeutungsebenen hin transparent. Aber schon der geheimnisvolle »Alte« im Meer bleibt ein Geheimnis. Die stilistische und motivliche Verknüpfung von Friedrichs Träumen mit den letzten Worten Erwins indiziert den herausgehobenen Status dieser Textpassagen, die sich nicht von vornherein in den ideellen Gesamtzusammenhang einordnen.' 60 Die hier ausführlich zitierten Traumsequenzen haben andererseits im Gesamtaufbau von »Ahnung und Gegenwart« kein sehr großes Gewicht. Die hermetischen, oder im Vergleich zu entsprechenden Erscheinungen in den »Kronenwächtern« oder auch zu Mitidikas Lied besser: semi-hermetischen, Passagen sind eher Randerscheinungen innerhalb einer symbolischen Struktur, die im wesentlichen auf die Vermittlung einer zentralen Idee hin ausgerichtet ist. Sie tragen jedoch mit dazu bei, daß die Distanz zwischen Vermittlung der Lehre und dogmatischer Affirmation immer erhalten bleibt. Die Träume sind vom Aussagerahmen nicht völlig absolut, sondern greifen seine Motive auf, um sie poetisch-assoziativ anders zu organisieren. In dieser Hinsicht gleichen sie den Liedern Grünewalds in den »Kronenwächtern«. In den »Kronenwächtern« ist das Verhältnis von Hermetik und Aussageorientierung zwangsläufig agonal. In »Ahnung und Gegenwart« scheint Eichendorff dagegen die wechselseitige Ergänzung von »Unsagbarkeit« und »Botschaft« auch poetisch zeigen zu wollen. Der bereits erwähnte »schlichte Mann, der vom Lande war« (136) faßt seinen gegenwärtigen Umgang mit Literatur folgendermaßen zusammen: 160
Auf Rosas Traum (S. 18 8ff.) trifft dies nicht im gleichen Maße zu, er manifestiert deutlich eine Entscheidungssituation.
326
Ich lese seitdem fleißig [ . . . ] vieles in den Dichtern bleibt mir durchaus unverständlich, aber ich lerne täglich in mir und in den Menschen und Dingen um mich vieles einsehn und lösen, was mir sonst wohl unbegreiflich w a r und mich unbeschreiblich bedrückte. Ich befinde mich jetzt viel wohler. ( 1 3 8 )
Hermetik und Deutlichkeit scheinen hier in einer Art Entwicklungsverhältnis zu stehen, was vordem dunkel war, beginnt sich zu klären; die Esoterik der Botschaft der Kunst geht graduell über in ihre Exoterik (was auch psychologisch einen Heilungsprozeß bedeutet). Friedrich - schon sehr in der Position des Wissenden und Uberblickenden - präzisiert dies: Fahren Sie nur fort, sich ruhig an den Werken der Dichter zu ergötzen, mit schlichtem Sinne und redlichem Willen wird Ihnen nach und nach alles in denselben klar werden. E s ist in unsern Tagen das größte Hindernis für das wahrhafte Verständnis aller Dichterwerke, daß jeder, statt sich recht und auf sein ganzes Leben davon durchdringen zu lassen, sogleich ein unruhiges, krankhaftes Jucken verspürt, selber zu dichten und etwas dergleiches zu liefern. ( i 3 9 f . )
Die hier umrissene »Klarheit« ist noch nicht unbedingt die eines didaktischen Kunstwerks, sondern soll wohl aus der (im Roman am Beispiel des Mannes vom Lande auch gezeigten) Einbeziehung der ästhetischen Erfahrung in den eigenen Lebensvollzug hervorgehen. Wichtig ist zunächst jedoch, daß hier Undeutlichkeit und Deutlichkeit unterschieden und als einander ablösende bzw. ergänzende Stadien aufgefaßt werden. Ein anderes, simultanes, Verhältnis von (ethischer) Aussage und Hermetik der Kunst bzw. der Sprache der Natur postuliert hingegen die dritte Strophe von » O Täler weit, o Höhen«: D a steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort, Vom rechten Tun und Lieben, U n d was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte schlicht und wahr, U n d durch mein ganzes Wesen Ward's unaussprechlich klar. ( 1 7 0 )
Das »stille, ernste Wort« wird im Gedicht durchaus gedeutet und als ethische Mahnung identifiziert, aber zuletzt fallen Unsagbarkeit und Klarheit zusammen, die eigentliche Lehre teilt sich »unaussprechlich« mit. Der Roman selbst zeigt daneben in versteckter Form auch eine weniger harmonische Beziehung zwischen Hermetik und Deutlichkeit. Gegen Ende des zweiten Buchs, während Friedrichs und Leontins Flucht an den Rhein, steht die Szene, in der Leontin zu Beginn eines Sturms einen Baum besteigt, die Landschaft überblickt und sie als apokalyptisches »er-
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schreckliches Bild meiner Zeit« ausdeutet, »wo das zertrümmerte Alte in einsamer Höhe steht, wo nur das Einzelne gilt und sich, schroff und scharf im Sonnenlichte abgezeichnet, hervorhebt, während das Ganze in farblosen Massen gestaltlos liegt, wie ein ungeheurer, grauer Vorhang, an dem unsere Gedanken, gleich Riesenschatten aus einer anderen Welt, sich abarbeiten« (249). Hier verläuft der Weg umgekehrt. Die >politische< Aussage mündet in eine nicht mehr völlig auflösbare Metapher (denn wie arbeiten sich wohl Gedanken oder Schatten an Vorhängen ab?), und schließlich wird die ganze, als allegorische Landschaftsdeutung begonnene Rede vollends ins Undeutliche überführt: »Der Wind verwehte seine Worte in der grenzenlosen Luft« (249).
328
3- Schlußbemerkung
Als kurzes Fazit unseres strukturellen Vergleichs der Texte Arnims, Brentanos und Eichendorffs ist zunächst festzuhalten, daß alle untersuchten Werke sowohl eine exoterisch-aussageorientierte bzw. direkt didaktische als auch eine esoterisch-hermetische Bedeutungsdimension haben. Die jeweilige Gewichtung und Relation differiert allerdings stark. Während in den »Kronenwächtern« die unterschiedlichen Sinnebenen in ihrer heterogenen Vielschichtigkeit insgesamt eine hermetische Struktur bilden, bleibt in »Ahnung und Gegenwart« auch die Gesamtstruktur auf eine Zentralidee hin ausgerichtet und wird nur punktuell durch vergleichsweise deutungswiderständige Passagen unterbrochen. Umgekehrt findet sich in den »Wehmüllern« zwar eine vordergründig geschlossene Handlungsstruktur, die auf den ersten Blick wie Eichendorffs Roman »in höherem Sinne befriedigend« (EW 2,625) schließt; die Erzählung schenkt aber der Verdeutlichung etwaiger Aussage- und Sinndimensionen selbst nur geringe Aufmerksamkeit. Deutliche Unterschiede bestehen auch im jeweiligen Aufbau der exoterischen und esoterischen Dimensionen. Über den Text hinausweisende Sinnzusammenhänge werden in Brentanos Erzählung meist nur angedeutet, während die Aussageintention in »Ahnung und Gegenwart« und den »Kronenwächtern« durch umfangreiche Reflexionen und klare Allegorien deutlich in den Vordergrund gerückt wird. Während in Arnims Roman jedoch die Bedeutungsebenen ihre eigene Aussage zugleich auch wieder in Frage stellen, sind vergleichbare Züge bei Eichendorff allenfalls am Rande zu beobachten. Ähnlich verhält es sich mit den Passagen, die wir als esoterisch bzw. hermetisch qualifiziert haben. Die radikalste Variante findet sich sicherlich in den »Mehreren Wehmüllern«, in denen das Lied Mitidikas den Punkt höchster Deutungsverweigerung markiert. Demgegenüber geht die Hermetik der »Kronenwächter« aus einer Vielfalt der Sinnmöglichkeiten hervor, deren Ubereinanderlagerung und paradoxe Gegenläufigkeit jedem abschließenden Deutungsversuch grundsätzlichen Widerstand entgegensetzt. Die Traumpassagen in »Ahnung und Gegenwart« wiederum verweigern sich einer Auslegung im Sinne des in der Eingangsalle329
gorie explizierten Zentralgedankens nicht vollständig, gehen aber sehr viel stärker als andere Teile des Romans nicht völlig darin auf. Die zentralen Ergebnisse des Vergleichs lassen sich auch (hypothetisch) auf die wesentlichen theoretischen Differenzen zwischen den Autoren gerade hinsichtlich des Verhältnisses von Zeichenhaftigkeit und Präsenz im Kunstwerk zurückbeziehen. Brentano stellt mit seiner »Poetik der Transsubstantiation« eindeutig den Gedanken der Präsenz in den Mittelpunkt. Dem entspräche im poetischen Text die radikale Esoterik von Mitidikas Lied bzw. der Schußmotivik und das geringe Gewicht inhaltlich-didaktischer Elemente. Arnims Verständnis des Werks als zeitlich und überzeitlich zugleich korrespondiert das spannungsvolle, aber annähernd gleichgewichtige Verhältnis von Hermetik und Didaxe in den »Kronenwächtern«, während Eichendorffs starke Betonung der (wenn auch nicht beliebigen) Zeichenhaftigkeit des Kunstwerks sich in der klaren strukturellen Aussageorientierung seines ersten Romans spiegelt. In diesem Sinne öffnet Arnims Roman mit seiner heterogen-paradoxen symbolischen Gesamtstruktur der Phantasie weitaus größere Lücken zur produktiven Rezeption, während die Traumpassagen in »Ahnung und Gegenwart« eher punktuelle Freiräume innerhalb des weitgehend geschlossenen ideellen Zusammenhangs des Romans bilden. Es ist im Rahmen dieser Arbeit leider nicht möglich, eine ausführliche vergleichende Untersuchung des Verhältnisses der »Kronenwächter« etwa zur »Lucinde« oder zum »Heinrich von Ofterdingen« vorzunehmen. Wir müssen es bei einigen abschließenden Bemerkungen belassen: 16 ' Zwei Differenzen sind auf den ersten Blick leicht erkennbar. Zum einen hat die Darstellung der empirischen bzw. historischen Realität in Arnims Roman einen sehr viel höheren Stellenwert als etwa im »Ofterdingen«, 162 was sich recht unmittelbar mit Arnims gegenüber der Frühromantik verändertem Werkbegriff in Verbindung bringen läßt. Zum anderen berühren weder der »Heinrich von Ofterdingen« noch die »Lucinde« eine vergleichbare Vielzahl von (zeitgenössisch aktuellen) Themenkreisen. Beide Texte sind auf eine einzige - aber eben universelle Fragestellung hin ausgerichtet; die »Fortsetzung und Vollendung der
,6
' Arnim selbst konnte Novalis' Roman nicht viel abgewinnen: »Die Durchsicht des zweiten Bandes von Ofterdingen ist mir sonderbar bekommen; er hat mich fester überzeugt, daß so überhaupt keine Dichtung weiter entstehen kann, sondern daß sie da mit der Entwerfung des Planes aufgebraucht ist [ . . . ] « (Steig I, S. 136). Die »Lucinde« scheint er » - ähnlich wie viele seiner Zeitgenossen — in erster Linie als Darstellung der aufsehenerregenden Liebesbeziehung von Friedrich Schlegel und Dorothea Veit gelesen zu haben« (Arnim-Katalog 1981, S. 29). 161 Vgl. Geppert 1979, S. 87; Elchlepp 1967, S. 382 und allgemein Klaus-Dieter Post, Der spätromantische Roman, in: Handbuch des deutschen Romans, hrsg. von Helmut Koopmann, Düsseldorf 1983, S. 3 0 2 - 3 2 2 , 627^, hier S. 3 2 i f .
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idealistischen Systemprogramme mit anderen - poetischen - Mitteln«163 in der »symbolischen Construction der transscendentalen Welt«.164 Es geht dabei natürlich nicht um die poetische Einkleidung philosophischer Lehrsätze, sondern um die Repräsentation des sich dem systematisch-diskursiven Denken Entziehenden im Kunstwerk (d.h. dem Roman) als symbolischer Form. Wichtig sind nicht die Inhalte, sondern die Bauprinzipien der Texte. In der »Lucinde« vollzieht sich die »poetische Entfaltung eines Weltmodells«16' in der »Potenzierungsstruktur« der »vielfältigen perspektivischen Verschachtelungen«166 des Romans. Auch der Lebensweg Heinrichs von Ofterdingen ist eine »rein transzendentale Konstruktion«,167 das durchgehende Konstruktionsprinzip ist — wie in der »Lucinde«' 68 - die »>organische FormUeber gelehrte GesellschaftenKritik der Abhandlung F.H. Jacobi's über gelehrte Gesellschaften^ Aman, >Nachschrift über Etwas, was Fr. Heinr. Jacobi gesagt hatDichter-Garten, Erster Gangs in: Hbjb, 2. Jg. (1809), 1 . B d . , 1 . - 8 . Heft, S. 5 3 - 5 6 . Rez. v. Ernst Wagner, >Wilibalds Ansichten des LebensDie reisenden Malers >Reisen aus der Fremde in die HeimathMemorie enciclopedische Romane sulle belle artiSigurd der Schlangentödter< (mit Wilhelm Grimm), in: Hbjb., 2.Jg. (1809), 2.Bd., 9 . - 1 6 . H e f t , S. 1 2 1 - 1 2 9 . Rez. v. >Considerations sur l'état de la peinture en Italies in: Ebd., S. 2 3 5 - 2 3 7 . Rez. v. Clemens Brentano (Hrsg.), >Der Goldfaden* (1809), erstmals veröff. in: Herbert Liedke, Achim von Arnim's Unpublished Review of Clemens Brentano's »Der Goldfaden«, in: Journ. of Engl, and Germ. Philology 40 (1941), S. 3 3 1 - 3 3 8 , Text S. 3 3 5 - 3 3 8 (Zur Datierung vgl. ebd., S. 333.). Rez.v. Miguel de Cervantes, >Die Drangsale des Persiles und der Sigismunda< (zw. 1808 u. 1810), übersetzt von Franz Theremin, erstmals veröff. in: Christof Wingertszahn, Ambiguität und Ambivalenz im erzählerischen Werk Achims von Arnim. Mit einem Anhang unbekannter Texte aus Arnims Nachlaß, St. Ingbert 1990, S. 645^ (zur Datierung vgl. ebd., S. 647). Sonderbares Versehn, in: B A , S. 121 (30. Bl., 3. 1 1 . 1810). Uebersicht der Kunstausstellung, in: B A , S. 1 4 3 - 1 4 5 , 1 4 7 - 1 4 8 , 1 5 1 - 1 5 3 (37.-39. Bl., 1 2 . - 1 4 . 1 1 . 1810). Rez. v. F.Z. Werner, >Attila, König der Hunnens in: Hbjb, 3. Jg. (1810), i . B d . , 1 . - 8 . Heft, S.6-15. Rez. v. Fr. Schlegel, >GedichteDie Versuche und Hindernisse Karlss in: Hbjb., 3 . J g . (1810), 2. Bd., 9 . - 1 6 . Heft, S-347-349August Wilhelm Schlegel, >Poetische Werkes in: Hbjb., 4-Jg. ( 1 8 1 1 ) , 2.Hälfte, S. 1 1 2 5 - 1 1 9 5 (N0.75). Rez. v. Bornemann, »Plattdeutsche Gedichtes in: Hbjb., 6.Jg. (1813), 1. Hälfte, S. 305-309. Rez. v. Fouqué, »Gedichtes in: P C , Nr. 1 1 4 (16. 10. 1813), S.4. Rez. v. Rehberg, »Uber den Code Napoleon und dessen Einführung in Deutschlands in: P C , Nr. 1 1 (21. 1. 1814), S.4.
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Fichte (Nachruf) in: P C , Nr. 1 7 (31. 1. 1814), S. 1 - 2 . Notizen, in: R M , Nr. 2 1 2 (23. 3. 1815). Vorrede zu: Predigten des alten Herrn Magister Mathesius . . . , Mit einer Vorrede hrsg. v. L . A . v. Arnim, Berlin 1817. Betrachtungen über die Verfassung des vormaligen Königreichs Westfalen, in: Nemesis, Zeitschr. f. Politik u. Geschichte, hrsg. v. H . Luden, 10. Bd. (1817), S. 4 4 1 - 4 6 7 . Rede und Rezitativ in der Oper Athalia, in: Ges., 38. Bl. (7. 3. 1817), S. 152. Gefechte auf der Bühne, in: Ges., 52. Bl. (29. 3. 1817), S. 208. Uber Jungs Geisterkunde, in: Ges., 9 7 . - 9 9 . B l . ( 1 3 . - 1 6 . 6. 1817), S. 3 8 5 - 3 8 6 , 3 8 9 - 3 9 1 , 394-395Dresden. Es ist ein seltsamer Triumph . . . , in: Ges., 144. Bl. (1. 9. 1817), S. 5 7 5 - 5 7 6 . Rez. v. Fr. Wilken, >Geschichte der Bildung, Beraubung und Vernichtung der alten Heidelbergschen Bücher-Sammlungen«; J. Görres, >Altdeutsche Volks- und MeisterliederDie Stadtverordneten von Berlin an ihre Mitbürger über die Verwaltung ihrer C o m munal-AngelegenheitenDoktor Faustus. Tragödie von Chr. Marlowe. Aus dem Englischen übersetzt von Wilhelm Müller«, Berlin 1818 ( S . I I I - X X V I I I ) . Anzeige von »Doktor Faustus«, in: Ges., 85. Bl. (29. 5. 1818), S. 340. Rez. v. L. Tieck, »Deutsches Theater« Berlin 1817, in: Ges., 128. Bl. (12. 8. 1818), S. 512, zit. nach Geiger, S. 88-90. Rez. v. Br. Grimm, »Deutsche Sagen II« Berlin 1818, in: Ges., 133. Bl. (21. 8. 1818), S. 532, zit. nach Geiger, S. 9 1 - 9 2 . Frau von Stael und Herr von Haller, in: Ges., 1 8 4 . - 1 8 5 . Bl. ( 1 8 . - 2 0 . 1 1 . 1818), S. 734^, 737f., zit. nach Geiger, S. 3 8 - 4 3 . Literar-Notizen, in: Ges., 1 9 8 . - 1 9 9 . Bl. ( 1 2 . - 1 4 . 1818), S. 791, 793f., zit. nach Geiger, S.93-98Zweite Nachschrift an den Leser (zur 2. Aufl. des »Wunderhorns« 1819), zit. nach F B A 9.3, S-370-379Seltsame Verwunderungen. Hs F D H 7 7 1 5 , 1 0 , zit. nach AW 6, S. 735^ Ausflüge mit Hölderlin, in: Berliner Conversations-Blatt für Poesie, Literatur und Kritik, 2.Jg., N r . 3 1 - 3 4 ( 1 1 . - 1 6 . 2. 1828), S. I23f., 1 2 6 - 1 2 8 , i3of., 1 3 j f . ; in N r . 3 5 (18. 2. 1828), S. 137f.: Pathmos. A n den Landgrafen von Homburg. Von Hölderlin, mitgetheilt von L. A. v. Arnim. Hamlet und Jacob. Eine Anmerkung zum Shakespeare, in: Berlinische Blätter für deutsche Frauen, Bd. 1 (1829), H . 1, S. 1 - 1 2 . Erinnerungen eines Reisenden. Oktoberfest in München 1829, in: Ebd., Bd. 9 (1829), H . 1, S. 1 - 1 9 . Erinnerungen eines Reisenden. Reise bis Halle, in: Ebd., S. 1 0 7 - 1 3 8 . Rez.v. Jacob Grimm, »Deutsche Rechtsalterthümer«, in: Ges., 32. Bl. (24. 2. 1830), S. 1 5 6 - 1 5 8 . Rez. v. A. Hirt, »Kunstbemerkungen auf einer Reise«, in: B 1 U , 2. Bd., Nr. 250 (7. 9. 1830), S. 997-999. Rez. v. »Verzeichnis der Kunstwerke lebender Künstler«, in: B1U, 2. Bd., Nr. 3 1 7 (13. 1 1 . 1830), S. 1 2 6 5 - 6 7 . Genrebilder, Staffage, in: B1U, 2. Bd., Nr. 357 (23. 12. 1818), S. 1427^ Rez.v. E.v. Houwald, »Die Seeräuber«, in: B1U, 2. Bd., Nr. 361 (27. 12. 1830), S. 1441 -1443Rez. v. Friedrich Schlegel, »Philosophische Vorlesungen, insbesondre über Philosophie der Sprache und des Wortes« (1830), erstmals veröff. in: Helene M . Kastinger Riley, Notizen
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über einiges Unveröffentlichtes aus den Beziehungen der Brüder Schlegel zur zeitgenössischen Romantik, in: Literaturwissenschaft!. J b . 18 (1977), S. 1 3 3 - 1 4 5 , Text S. 133t.
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