300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland – gestern, heute und morgen: Festschrift zur 300. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer [1 ed.] 9783428539437, 9783428139439

Mit der Festschrift gedenkt der Bundesrechnungshof der dreihundertjährigen Geschichte der externen Finanzkontrolle in De

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300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland – gestern, heute und morgen: Festschrift zur 300. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer [1 ed.]
 9783428539437, 9783428139439

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300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland – gestern, heute und morgen Festschrift zur 300. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer

Herausgegeben von Dieter Engels

Duncker & Humblot · Berlin

DIETER ENGELS (Hrsg.)

300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland – gestern, heute und morgen

300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland – gestern, heute und morgen Festschrift zur 300. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer

Herausgegeben von Dieter Engels

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-13943-9 (Print) ISBN 978-3-428-53943-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-83943-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Inhaltsverzeichnis Dieter Engels Zum Geleit: externe Finanzkontrolle gestern, heute und morgen . . . . . . . . .

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Gestern Alexandra Hissen 300 Jahre externe Finanzkontrolle. Ihre Geschichte von den Anfängen in der Zeit des Absolutismus bis in die Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hermann Butzer „Seinen Auftrag leitet er unmittelbar vom Führer ab“. Der Rechnungshof des Deutschen Reiches in der Zeit von 1933 bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Patrick Schröter Die Entwicklung der Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Heinz Günter Zavelberg Zusammenführung von Finanzkontrolle Ost und West. Staatliche Finanzrevision der DDR – Rechnungshof der Republik – Bundesrechnungshof . . 127

Gestern und Heute Alice Trabant Die historische Entwicklung des parlamentarischen Budgetrechts . . . . . . . . 145 Horst Erb Der Bundesrechnungshof als Berater von Parlament und Regierung . . . . . . 165 Petra Merkel Zusammenarbeit des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Rechnungsprüfungsausschusses mit dem Bundesrechnungshof . . . . . . . 195

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Inhaltsverzeichnis

Joachim Romers Bemerkungen im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Rolf Flöer Die Prüfung der Steuereinnahmen durch den Bundesrechnungshof. AußerHaus-Umsätze, Umsatzsteuerkarusselle und Auslandsrenten im Blickfeld der externen Finanzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Lukas Elles Zur Finanzkontrolle selbstverwalteter Sozialversicherungsträger . . . . . . . . . 281 Jochen Wenz Prüfungen bei großen Bundesbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Dieter Hugo Prüfung der Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung . . . . . . . . . . . . 325 Ulrich Graf Neue Wege – Prüfungen bei Banken und von Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

Heute und Morgen Christian Ahrendt Eurostat und nationale Statistikämter – eine neue Konkurrenz für die externe Finanzkontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Matthias Mähring Die externe Finanzkontrolle des Bundes im Kontext föderativer Staatsverfassung und Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Manfred Eibelshäuser Die Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Saskia J. Stuiveling und Kees Vendrik Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa; neue Zeiten, neue Rollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475

Inhaltsverzeichnis

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Christine Rabenschlag Internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe. Tätigkeitsfelder und Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Hubert Weber Anmerkungen zur Entstehung der Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden auf weltweiter und europäischer Ebene mit besonderer Berücksichtigung des Bundesrechnungshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Klaus-Henning Busse Der Bundesrechnungshof im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Oliver Sievers Peer Reviews. Ein neues Instrument zur Qualitätssicherung für die externe Finanzkontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Michael Luther Wer prüft die Prüfer?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615

Zum Schluss: das Wichtigste Lars Friege Kompetenzen von Prüferinnen, Prüfern und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653

Zum Geleit: externe Finanzkontrolle gestern, heute und morgen I. Gestern 1. Mit der Festschrift gedenkt der Bundesrechnungshof der dreihundertjährigen Geschichte der externen Finanzkontrolle in Deutschland. Im Laufe dieser Geschichte haben er und die Landesrechnungshöfe eine Wegstrecke von gut 60 Jahren gestaltet. Zuvor oblag diese Aufgabe dem Reichsrechnungshof und dem Rechnungshof des Norddeutschen Bundes sowie einer preußischen Institution, die mal als Ober-Rechnungskammer, mal als OberRechenkammer firmierte und die bei ihrer Gründung im Jahre 1714 den Namen General-Rechenkammer führte. Die dreihundertjährige Tradition der externen Finanzkontrolle knüpft also an eine Entwicklung an, die in Preußen ihren Ursprung hat. Schon dieser Ausgangspunkt dürfte umstritten sein. Zwei Einwände liegen nahe: Zum einen war seinerzeit Sachsen schneller als Preußen. Denn sein Kurfürst Friedrich August I. gründete bereits 1707, also sieben Jahre vor Preußen, eine Ober-Rechenkammer, so dass sich die Frage stellt, weshalb der Bundesrechnungshof nicht an dieses Datum anknüpft. Die Antwort ist recht banal: Die sächsische Kammer verlor bereits 1734 ihre Unabhängigkeit, und sie wurde unter ministerielle Leitung gestellt. Sie war damit kein Rechnungshof mehr, jedenfalls keiner im modernen Sinne, und so mochte der Bundesrechnungshof nicht die sächsische Gründung zum Ausgangspunkt für die Geschichte der externen Finanzkontrolle in Deutschland wählen. Er entschied sich deshalb im Jahre 1964, an die preußische Gründung anzuknüpfen, und feierte im selben Jahr die 250. sowie 25 Jahre später die 275. Wiederkehr der Gründung der General-Rechenkammer. Aber – so lautet der zweite Einwand –: Ist nicht dieser Ausgangspunkt für die Geschichte der externen Finanzkontrolle in Deutschland deshalb verfehlt, weil die preußische General-Rechenkammer und der heutige Bundesrechnungshof kaum vergleichbar sind? Gibt es überhaupt eine identitätsstiftende historische Linie, welche zwischen der preußischen Institution und dem Bundesrechnungshof gezogen werden kann? Damit ist die Frage nach der Identität beider Institutionen gestellt.

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Die alten Griechen pflegten solche und ähnliche Fragen mit einer Parabel zu beantworten: mit der Geschichte vom Schiff des Theseus. Mit diesem Schiff fuhren die Athener alljährlich in einem Festzug zu Ehren Apollons zu dessen Insel Delos – und das mehrere hundert Jahre lang. Während dieser langen Zeit musste das Schiff immer wieder repariert werden: Planken wurden ausgetauscht, Masten neu errichtet, und faules Holz wurde – wie Plutarch berichtet – durch „neues und festes“ ersetzt. Für die griechischen Philosophen war dieser Prozess Anlass für spitzfindige Streitigkeiten: Einige vertraten die Ansicht, trotz der vielen Änderungen bleibe es dasselbe Schiff, während andere meinten, es wäre nun ein anderes. So wird es uns auch mit der Frage nach der Linie zwischen der preußischen General-Rechenkammer und dem Bundesrechnungshof gehen. Zwar hat sich im Laufe der vergangenen 300 Jahre vieles in der externen Finanzkontrolle geändert: Manche alte Einrichtung ist abgeschafft, manch neue hinzugekommen, so: die Prüfungsämter des Bundes, und die Aufgabenfelder sind neu ausgelotet, Prüfungsmethoden verfeinert, überholte Prüfungsansätze durch moderne ersetzt worden. Aber: Es gibt gleichgebliebene Gemeinsamkeiten, die trotz der unterschiedlichen staatsrechtlichen Stellung von Kammer und Bundesrechnungshof und trotz des langen Zeitraums, der seit der Gründung verstrichen ist, deutlich sichtbar sind. Es sind dies die Erkenntnis, dass es eine Institution geben sollte, die staatliches Finanzgebaren prüft, und der Grundsatz, dass diese prüfende Instanz unabhängig, also frei von Weisungen sei, insbesondere von Weisungen der geprüften Stellen. Beide Voraussetzungen erfüllen beide Institutionen: die preußische GeneralRechenkammer kraft der Instruktion des Königs, der Bundesrechnungshof kraft der Regelung des Artikel 114 Absatz 2 des Grundgesetzes. Da zudem auch für die preußische General-Rechenkammer als Prüfungsmaßstab der Grundsatz der Ordnungsmäßigkeit und alsbald auch der der Wirtschaftlichkeit galt, können wir auch insoweit von einer wesentlichen Gemeinsamkeit ausgehen, die es rechtfertigt, eine Traditionslinie zu ziehen, die von der preußischen General-Rechenkammer bis heute reicht. 2. Wie der Weg von der preußischen General-Rechenkammer bis heute verlief, schildert Alexandra Hissen in ihren Ausführungen zu „300 Jahre externe Finanzkontrolle – Ihre Geschichte von den Anfängen in der Zeit des Absolutismus bis in die Gegenwart“. Ihr Beitrag kann als Einführung in die Geschichte der deutschen externen Finanzkontrolle, aber auch als Einführung in alle nachfolgenden Beiträge gelesen werden. Denn in der historischen Betrachtung wird deutlich, dass die Entwicklung der staatlichen Finanzkontrolle von staatsrechtlichen Rahmenbedingungen geprägt ist: Rechnungskontrolle in einem absolutistischen Staat ist etwas anderes als externe Finanzkontrolle in einem demokratischen Staat. Ein Rechnungshof, der – wie in Preußen – dem König verpflichtet ist, hat eine völlig andere Rolle

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als ein moderner Rechnungshof, der sich dem Parlament verbunden fühlt. Und ein Rechnungshof, der in einem totalitären System arbeitet, in dem sich – wie von 1933 bis 1945 – die Regierung selbst entlastet, büßt seine Bedeutung ein. 3. An diesen Befund knüpft der Beitrag von Herrmann Butzer an, der die besonderen Facetten der „Finanzkontrolle im Dritten Reich“ herausarbeitet. Die Rolle des Reichsrechnungshofes in der Periode von 1933 bis 1945 gehört selbstverständlich auch zur Geschichte der deutschen Finanzkontrolle, auch wenn wir uns ihrer nicht gerne erinnern. Zwar ist nach derzeitigem Kenntnisstand das Personal des Reichsrechnungshofes nicht unmittelbar an den Gräueltaten des Dritten Reiches, wohl auch nicht an Kriegshandlungen beteiligt gewesen. Aber um insoweit mehr Klarheit zu gewinnen, hat der Bundesrechnungshof einen Auftrag zur wissenschaftlichen Erforschung der Tätigkeit des Reichsrechnungshofes in den Jahren von 1933 bis 1945 vergeben, und wir sind dankbar, dass Herrmann Butzer es übernommen hat, die hierfür wesentlichen Fragestellungen schon in dieser Festschrift zu skizzieren. 4. Einen gewissen Sonderweg hat die Finanzkontrolle der früheren DDR genommen. Die externe Finanzkontrolle der DDR ist nicht mit der Entwicklung vergleichbar, die der Bundesrechnungshof genommen hat: Zu groß sind die Unterschiede in der staatsrechtlichen Stellung, in der Aufgabenwahrnehmung und auch in den Prüfungsrechten. Patrick Schröter schildert die relevanten Aspekte in seinem Beitrag „Die Entwicklung der Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik“. Und trotz dieser Unterschiede: Der gemeinsame Nenner war das Prüfen staatlichen Finanzgebarens, und so war es für den Bundesrechnungshof nach der Vereinigung Deutschlands ganz wesentlich, auch die Erfahrung und die Kenntnisse früherer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzkontrolle der DDR in seine Arbeit zu integrieren. Wie dieser Prozess zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts gestaltet wurde, schildert der damalige Präsident des Bundesrechnungshofes Heinz Günter Zavelberg in seinem Beitrag „Zusammenführung von Finanzkontrolle Ost und West“. Er ist dabei in der – für uns glücklichen – Lage, auf eine Fülle eigener, zum Teil sehr persönlicher Erinnerungen zurückgreifen und zudem Erkenntnisse publizieren zu können, die bislang in nicht veröffentlichten Akten des Bundesrechnungshofes schlummerten. II. Gestern und Heute 1. Die moderne externe Finanzkontrolle hängt eng mit der Herausbildung des parlamentarischen Budgetrechts zusammen. War die preußische GeneralRechenkammer noch ausschließlich dem König berichtspflichtig, so setzte Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Herausbildung des parlamentarischen

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Budgetrechts eine Entwicklung ein, die zu der heutigen engen Verbindung von Parlament und Hof führte. Diese Entwicklung verlief nicht geradlinig: Die Rechnungshöfer des 19. Jahrhunderts waren nicht gerade parlamentsfreundlich und zierten sich sehr, ihren Jahresbericht dem Parlament zugänglich zu machen. Und auch Bismarck war dagegen, dass der Rechnungshof seine Berichte direkt und unmittelbar dem Reichstag übermitteln durfte, da – so sein argwöhnisches Argument – der Kontakt des Rechnungshofes zum Parlament diesen zu einem Hilfsorgan der Opposition mache. Wie dem auch sei: Ohne die Herausbildung des parlamentarischen Budgetrechts wäre die Entwicklung der externen Finanzkontrolle in Deutschland gänzlich anders verlaufen, und deshalb ist es sachgerecht, dass wir auch „Die historische Entwicklung des parlamentarischen Budgetrechts“ in den Blick nehmen, den uns der Beitrag von Alice Trabant ermöglicht. 2. Das Budgetrecht des Parlaments und seine Verknüpfung mit der Rechnungskontrolle war auch die Basis für den vielleicht wichtigsten Meilenstein in der Geschichte des Rechnungshofes: die Reform des Artikel 114 Absatz 2 des Grundgesetzes im Jahre 1969. Sie war von dem Grundgedanken getragen, den Bundesrechnungshof näher an das Parlament heranzuführen. Der Bundestag und seine Ausschüsse sollten auf die Erkenntnisse des Bundesrechnungshofes für ihre Arbeit zurückgreifen können, und er sollte das Parlament bei dessen Aufgabenerfüllung unterstützen. Hierfür war wesentlich, dem Rechnungshof gegenwartsnahe Prüfungen zu ermöglichen; denn dem Parlament ist an der Lösung aktueller Probleme, weniger an der Aufarbeitung weit in der Vergangenheit liegender Tatbestände gelegen. Und so war es seinerzeit der erklärte Wille des Gesetzgebers, dem Bundesrechnungshof Prüfungen zu ermöglichen, die er unabhängig davon durchführt, ob eine Rechnung vorliegt oder nicht. Über die Ergebnisse solcher Prüfungen sollte er sodann das Parlament beratend unterrichten können. Die Erfüllung dieser Aufgabe nimmt heute in der Alltagsarbeit des Bundesrechnungshofes breiten Raum ein. Sie hat – wie Horst Erb in seinem Beitrag „Der Bundesrechnungshof als Berater von Parlament und Regierung“ schildert – dazu geführt, dass der Bundesrechnungshof bei vielen seiner Prüfungen von einer neuen Prüfungsphilosophie ausgeht: Während die klassische, vor allem durch den Reichsrechnungshof geprägte, auf das Prüfen angelegte Tätigkeit retrospektiv und auf den Einzelfall bezogen war, verfolgt der beratende Ansatz andere Ziele: Er ist prospektiv auf die Zukunft ausgerichtet, weniger am Einzelfall orientiert, sondern eher querschnittlich und Fehlerstrukturen aufdeckend angelegt und darauf Bedacht nehmend, zeitnah dem Parlament und der Regierung Informationen zu vermitteln. 3. Heute gibt es deshalb kaum ein größeres Entwicklungs-, Beschaffungsoder Bauvorhaben des Bundes, das der Bundesrechnungshof nicht schon prüft, bevor auch nur ein Cent bewilligt oder ausgegeben ist. Vielfach

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nimmt er solche Prüfungen auf Bitten des Haushalts- oder des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages vor. Er unterstützt damit deren Arbeit, indem er für sie die Fakten aufklärt und berät, wie der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gewahrt werden kann. Wie dies die Arbeit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier unterstützt, schildert die vormalige Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages Petra Merkel in ihrem Beitrag „Zusammenarbeit des Haushaltsauschusses des Deutschen Bundestages und des Rechnungsprüfungsausschusses mit dem Bundesrechnungshof“. Dass nicht jedes Prüfungsergebnis jeweils allen Fraktionen willkommen ist, liegt auf der Hand. Besonders bei politisch sehr umstrittenen Projekten wird die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes bisweilen kontrovers aufgenommen. Zwar ist für den Bundesrechnungshof ehernes Gesetz, bei allen seinen Prüfungen und Empfehlungen parteipolitische Neutralität zu wahren. Aber das schützt ihn – selbstverständlich – nicht davor, in der politischen Auseinandersetzung gelegentlich „zwischen die Fronten“ zu geraten oder für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert zu werden. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der modernen Rolle des Bundesrechnungshofes. 4. Historisch gesehen war Ausgangspunkt für die heutige enge Beziehung zwischen Parlament und Rechnungshof dessen Pflicht, zu der Rechnung Stellung zu nehmen, die die Regierung seit Mitte des 19. Jahrhunderts gegenüber dem Parlament zu legen hatte. Diese Stellungnahmen waren gleichsam Kommentare zu dem Rechenwerk der Regierung, und so bürgerte sich hierfür die Bezeichnung ein: „Bemerkungen des Rechnungshofes“. Diese – heute altbacken klingende – Bezeichnung hat sich erhalten, indem der Bundesrechnungshof alljährlich seine „Bemerkungen“ dem Parlament und der Öffentlichkeit vorlegt. Aber trotz der Kontinuität der Bezeichnung sind die Bemerkungen von heute mit jenen aus früheren Zeiten kaum vergleichbar. Denn heute enthalten sie nicht nur – wie früher – einzelne Prüfungsergebnisse mit Anmerkungen, sondern darüber hinaus auch eine umfassende Analyse des Bundeshaushaltes, zudem seit 2011 auch Analysen eines jeden Einzelplanes. Kurz: Die Bemerkungen haben sich – wie Joachim Romers in seinem Beitrag über die „Bemerkungen im Wandel der Zeit“ im Einzelnen zeigt – in den Zeitläufen erheblich gewandelt: inhaltlich, sprachlich und auch in ihrer Zielrichtung. Denn anders als in früheren Zeiten bilden sie die Grundlage für intensive parlamentarische Beratungen, und zwar im Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages, in dem jeder Fall, den der Bundesrechnungshof in seine Bemerkungen aufnimmt, zur Sprache kommt und entschieden wird – übrigens mit der nicht selbstverständlichen Konsequenz, dass der Rechnungsprüfungsausschuss in der Regel fraktionsübergreifend und einvernehmlich den Darlegungen und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes folgt.

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5. Im Laufe der Zeit sind auf den Bundesrechnungshof zahlreiche neue Aufgaben zugekommen. Sie sind ihm teils durch ausdrückliche gesetzliche Übertragung, teils durch Änderungen im Umfeld des Staates zugewachsen. Vergleichsweise alt ist die Aufgabe, auch die Einnahmen des Staates zu prüfen. Aber so richtig Fahrt haben diese Prüfungen erst in dem vergangenem Dezennium aufnehmen können, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil am 6. März 2002 klargestellt hatte, dass der Bundesrechnungshof in Prüfungsverfahren, die die Erhebung der Steuern betreffen, auch im Bereich der Länder ermitteln darf. Diese Befugnis ist für wirksame Prüfungen der Einnahmen essentiell, weil die wesentlichen Steuern nicht von Bundes-, sondern von Landesbehörden erhoben werden. Der Bundesrechnungshof lenkt heute einen erheblichen Teil seiner Ressourcen auf die Prüfung der Einnahmen. Die Einzelheiten hierzu schildert Rolf Flöer in seinem Beitrag „Die Prüfung der Steuereinnahmen durch den Bundesrechnungshof“. 6. Was die Ausgabenseite anbelangt, so ist es geradezu selbstverständlich, dass der Bundesrechnungshof die unmittelbare Staatsverwaltung lückenlos in ihrem Finanzgebaren prüfen darf. Dass er darüber hinaus auch Prüfungs- und Erhebungsrechte im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung hat, ist demgegenüber nicht ganz so selbstverständlich und in der Vergangenheit auch immer wieder bestritten worden. Heute ist es indes im Wesentlichen unstreitig, dass der Bundesrechnungshof auch insoweit prüfungsbefugt ist. Er hat deshalb auch zur Aufgabe, die gesetzliche Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit zu prüfen, und in jüngerer Zeit hat der Gesetzgeber ihn durch § 274 Absatz 4 SGB V auch damit betraut, die Haushalts- und Wirtschaftsführung der gesetzlichen Krankenkassen zu prüfen. Folge dieser Entwicklung ist, dass die Prüfungen im sogenannten Sozialbereich einen Schwerpunkt der Arbeit des Bundesrechnungshofes bilden. Deren Besonderheiten schildert Lukas Elles in seinem Beitrag „Zur Finanzkontrolle selbstverwalteter Sozialversicherungsträger“. 7. Schon in der Weimarer Zeit wurden aus der unmittelbaren Staatsverwaltung Aufgaben abgespalten und privaten Unternehmen und Institutionen übertragen. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts setzte sich dieser Trend – zunehmend stärker werdend – fort, und eine Reihe staatlicher Aufgaben wurde privatisiert. Dies geschah bisweilen in der Überzeugung, private Organisationsformen seien besser geeignet, bestimmte Aufgaben zu erfüllen; bisweilen stand aber auch der Gedanke Pate, die „Flucht aus dem Budget“ befreie von den Fesseln des strengen Haushaltsrechts. Wie dem auch sei: Der Bundesrechnungshof sah sich vor die Aufgabe gestellt, die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Verwaltung von Bundesgeldern auch dann zu prüfen, wenn private juristische Personen Gelder ausgeben, die der Bund zur Verfügung stellt. Dass der Bundesrechnungshof entsprechende

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Erhebungsrechte besitzt, ist heute im Wesentlichen unstreitig. Hieraus resultiert freilich auch eine neue Rolle des Rechnungshofes, nämlich: dass er nicht mehr nur im staatlichen, sondern darüber hinaus auch im privatwirtschaftlichen Bereich Erhebungen anstellt und hierbei mit ganz anderen als den traditionellen Rechtsmaterien in Berührung kommt: So hat er selbstverständlich auf die Grundrechte der von seinen Erhebungen betroffenen nichtstaatlichen Einrichtungen Bedacht zu nehmen. Das verändert die Prüfungstätigkeit erheblich, was besonders bei den sogenannten Betätigungsprüfungen deutlich wird, bei denen er unter anderem das Verhalten der zuständigen Bundesvertreter in Aufsichtsgremien der Unternehmen prüft, die ganz oder zum Teil dem Bund gehören. Bei diesen Prüfungen steht nicht nur die Amtsführung von Amtsträgern auf dem Prüfstand, sondern der Rechnungshof nimmt auch Einblick in – gegebenenfalls besonders schützenswerte – privatwirtschaftliche Unterlagen der Unternehmen. Die hieraus resultierenden Besonderheiten beleuchtet Jochen Wenz in seinem Beitrag „Prüfungen bei großen Bundesbeteiligungen“. 8. Zudem sind dem Bundesrechnungshof aufgrund der europaweiten Staatsschuldenkrise neue Aufgaben zugewachsen. In der ersten Hälfte des letzten Jahrzehnts hat er zahlreiche Prüfungen zu Maßnahmen zur Begrenzung der Staatsverschuldung durchgeführt, in seinen Bemerkungen die hohe Staatsverschuldung kritisiert und die Einführung der Schuldenbremse nach schweizerischem Vorbild gefordert und protegiert. Dieser Weg war steinig, und er bedeutete für den Bundesrechnungshof das beharrliche „Bohren dicker Bretter“. Die Einzelheiten schildert Dieter Hugo in seinem Beitrag „Prüfung der Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung“. 9. Zum Weiteren hat die sogenannte Bankenkrise dazu geführt, dass der Gesetzgeber den Bundesrechnungshof mit neuen Prüfungsaufgaben betraut hat: Der Bundesrechnungshof hat nunmehr auch zu untersuchen, ob jene Banken, die unter dem sogenannten staatlichen Rettungsschirm stehen, diejenigen Kautelen einhalten, die sie erfüllen müssen, um in den Genuss staatlicher Rettungsmaßnahmen zu kommen. Dieses für den Bundesrechnungshof gänzlich neue Prüfungsfeld hält eine Fülle von Herausforderungen bereit. Wie der Bundesrechnungshof sie bewältigt, legt Ulrich Graf in seinem Beitrag über „Neue Wege – Prüfungen bei Banken und von Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung“ dar. Zudem schildert er die Prüfung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) durch ein Audit Board, dessen Einrichtung 2012 auf maßgebliche Initiative des Bundesrechnungshofes zurückgeht und dem auch ein Mitglied des Bundesrechnungshofes angehört.

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III. Heute und Morgen 1. An der Schwelle zum 4. Jahrhundert der Geschichte der externen Finanzkontrolle in Deutschland zeichnet sich eine Fülle von Änderungen in den Kernaufgaben des Bundesrechnungshofes ab: Mit dem Abhaken von Rechnungen, das für die klassische Prüfung kennzeichnend war, haben die modernen Prüfungen so gut wie nichts mehr gemein: Vor allem die Bankenund die Staatsschuldenkrise haben die Anforderungen an die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes und die für seine Arbeit maßgebenden Rahmenbedingungen erheblich verändert. Insbesondere geht es auch darum, dass der Bundesrechnungshof seine Rolle in der europäischen Welt der Finanzkontrolle definiert. Der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes Christian Ahrendt stellt daher in seinem Beitrag die Frage: „Eurostat und nationale Statistikämter – eine neue Konkurrenz für die externe Finanzkontrolle?“. Die Antworten, die er gibt, lassen die Konturen des künftigen Weges des Bundesrechnungshofes deutlich erkennen. 2. Eine weitere wichtige und zunehmend bedeutsamer werdende Facette der Arbeit des Bundesrechnungshofes bildet die Kooperation mit den 16 Landesrechnungshöfen. Der preußischen General-Rechenkammer und auch dem Rechnungshof des Deutschen Reiches waren entsprechende Kooperationen noch weitgehend fremd. Aber unter der Herrschaft des Grundgesetzes haben sich die Dinge erheblich geändert: Die Verwaltungskompetenzen und das Haushaltsgebaren des Bundes und der Länder sind – trotz der grundsätzlichen Trennung – in vielfacher Weise miteinander verschränkt. So führen beispielsweise die Länder Gesetze des Bundes aus, sie erhalten Finanzmittel und Geldleistungen des Bundes und sie kooperieren bei den Gemeinschaftsaufgaben mit ihm. Solche Verschränkungen verstärken sich in jüngster Zeit mehr und mehr, wie die Forderungen, der Bund möge die Hochschulen deutlicher unterstützen, ebenso beweisen wie die Tatsache, dass er nunmehr auch Finanzierungen für Kindertagesstätten übernimmt. Auf die Auswirkungen solcher Staatspraxis auf die Prüfungs- und Erhebungstätigkeit des Bundesrechnungshofes geht Matthias Mähring in seinem Beitrag „Die externe Finanzkontrolle des Bundes im Kontext föderativer Staatsverfassung und Staatspraxis“ ein. 3. In den geschilderten Fällen der Finanzverschränkung von Bund und Ländern ist der Haushaltsvollzug im Landesbereich alleine Sache der Länder, so dass gegebenenfalls der jeweilige Landesrechnungshof zuständig ist, die landeseigene Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen. Daneben besteht allerdings auch eine Prüfungszuständigkeit des Bundesrechnungshofes, und zwar in Bezug auf die beteiligten Bundesorgane, beispielsweise zu den Fragen, ob und in welcher Weise sie von Aufsichtspflichten Gebrauch machen, die ihnen gegenüber den Ländern obliegen (Artikel 85

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Absatz 4, 103 Absatz 3, 84 Absatz 3 Grundgesetz). Schon mit Blick auf solche Überschneidungen und Berührungspunkte sind der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe zur Kooperation gehalten. Sie erfolgt in der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe und unter deren Dach in Arbeitskreisen, in denen Expertinnen und Experten der Rechnungshöfe Spezialfragen des Prüfens beraten. Wie diese Praxis der „Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe“ aussieht, schildert der vormalige Präsident des hessischen Rechnungshofes Manfred Eibelshäuser, der hierbei auf eine Fülle von eigenen Erfahrungen zurückgreifen kann, die er auch als früheres Mitglied des Bundesrechnungshofes gewonnen hat. 4. Ihre Zusammenarbeit haben die deutschen Rechnungshöfe in jüngster Zeit insbesondere bei der Prüfung der Verwendung von EU-Mitteln intensiviert. Seit 2011 publizieren sie unter der Federführung des Bundesrechnungshofes sogenannte EU-Trend-Reports, in denen wesentliche Prüfungsergebnisse der deutschen Rechnungshöfe zur Verausgabung von EU-Mitteln in Deutschland zusammengefasst sind. Die Intensivierung dieser Zusammenarbeit folgt der richtigen Erkenntnis, dass es der Steuerzahlerin und dem Steuerzahler gleichgültig ist, ob die deutschen Verwaltungen in Bund, Land und Kommune Gelder aus Brüssel oder Berlin oder aus der jeweiligen Landeskasse verwenden: Denn in allen Fällen ist es das Geld der Bürgerinnen und Bürger, das die Staatsorgane treuhänderisch verwalten und dessen Verwendung der Kontrolle durch unabhängige Rechnungshöfe bedarf. Aus diesem Grunde ist es auch notwendig, dass der Bundesrechnungshof sowohl mit dem Europäischen Rechnungshof als auch mit den Rechnungshöfen der EU-Staaten kooperiert. Auf welche Weise dies in der Praxis geschieht, stellen die Präsidentin der niederländischen Rechenkammer Saskia J. Stuiveling und der Vizepräsident der niederländischen Rechenkammer Kees Vendrik dar, die über langjährige praktische Erfahrungen der Kooperation verfügen und die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe in Europa nachhaltig protegiert haben. 5. Im zusammenwachsenden Europa und in einer globalisierten Welt kann es sich kein Staat und auch kein Rechnungshof leisten, wie auf einer abgeschotteten Insel zu leben. Die Probleme machen nicht mehr an Grenzen halt: Die Finanzströme nehmen auf Staatsgebiete nicht Bedacht, Umwelteinflüsse sind grenzüberschreitend und auch der Straßen-, Schienenund Wasserstraßenverkehr macht nicht an Grenzen halt. Wegen dieses Befundes haben sich die Rechnungshöfe vieler Staaten zu einer gemeinsamen Organisation zusammengefunden, unter deren Dach sie sich austauschen können. Für Europa ist dies die EUROSAI, die nicht nur die Rechnungshöfe der EU-Staaten, sondern weitere 21 Rechnungshöfe europäischer Staaten umfasst, die nicht der EU angehören. In der EUROSAI engagiert

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sich der Bundesrechnungshof von Anbeginn an: Ihre Gründung wurde 1989 in Berlin beschlossen, und von 2002 bis 2005 war ich ihr Vizepräsident, danach bis 2008 ihr Präsident. Die EUROSAI fördert die Arbeit ihrer Mitglieder, sei es durch Meinungsaustausch und gegenseitiges Lernen, sei es durch gemeinsame Prüfungen. Neben dem Engagement in der EUROSAI engagiert sich der Bundesrechnungshof auch im zusammenwachsenden Europa insbesondere durch sogenannte Twinning-Projekte, indem er den Aufbau und den Ausbau von Rechnungshöfen in Europa durch Beratungen vor Ort unterstützt. Einen Überblick über diese und weitere internationale Aktivitäten bietet Christine Rabenschlag in ihrem Beitrag „Internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe – Tätigkeitsfelder und Wirkungen“. 6. Zum weltweiten Engagement des Bundesrechnungshofes zählt ferner seine Arbeit im Rahmen der internationalen Organisation der Rechnungshöfe, der INTOSAI. Dieses Engagement währt schon mehr als drei Jahrzehnte. Mitglieder des Bundesrechnungshofes waren maßgebliche Autoren der sogenannten Lima-Deklaration, dem „Grundgesetz“ der INTOSAI, in der alle wesentlichen Aspekte normiert sind, die für eine moderne, rechtsstaatlichen Anforderungen genügende externe Finanzkontrolle relevant sind. Der Bundesrechnungshof war 1989 Gastgeber des Weltkongresses der INTOSAI, und der vormalige Präsident des Bundesrechnungshofes Heinz Günter Zavelberg war von 1989 bis 1992 ihr Präsident. Schon wegen der engen Beziehung zwischen der INTOSAI und dem Bundesrechnungshof ist es ein Glücksfall, dass das langjährige Mitglied des Europäischen Rechnungshofes Hubert Weber sich bereit erklärt hat, uns in seinem Beitrag seine Kenntnisse zu vermitteln, die er als Augenzeuge der Lima-Verhandlungen und aller weiteren Entwicklungen der INTOSAI gewonnen hat. 7. Die internationale Zusammenarbeit motiviert natürlich auch dazu, sich im internationalen Vergleich zu sehen. Es geht nicht nur darum, dass der Bundesrechnungshof viele internationale Prüfmandate wahrnimmt – insbesondere solche bei UN-Organisationen, in die deutsche Finanzbeiträge fließen. Es geht auch nicht nur darum, dass er in vielfältiger Weise in der ganzen Welt beim Aufbau von Rechnungshöfen geholfen hat oder hilft, so in China, in Vietnam, in Kambodscha, in Ecuador, in Peru oder in Mauretanien, um nur einige Beispiele anzuführen. Es geht vor allem auch darum, den eigenen Standort im Vergleich mit anderen Rechnungshöfen auszuloten und auf diese Weise zu analysieren, wo eigener Änderungs-, Verbesserungsoder Ergänzungsbedarf besteht. Über solche und ähnliche Fragen nach dem „Bundesrechnungshof im internationalen Vergleich“ informiert das frühere Mitglied des Bundesrechnungshofes Klaus-Henning Busse. Er war lange Jahre Strategischer Direktor der INTOSAI und kennt deshalb weltweit das Innenleben vieler Rechnungshöfe aus eigener Anschauung.

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8. Mit dem Thema des Vergleiches der Rechnungshöfe untereinander hängt auch eine neuere Entwicklung zusammen, die der Bundesrechnungshof sehr forciert: die sogenannten Peer Reviews, bei denen ein Rechnungshof einen anderen prüft. Der Bundesrechnungshof hat eine Reihe solcher Peer Reviews durchgeführt und hierbei auch selber vieles gelernt. Seine Erfahrungen hat er in der jüngsten Vergangenheit in eine Arbeitsgruppe der INTOSAI eingebracht, deren Vorsitz er innehatte und die die sogenannten „Guidelines“ für Peer Reviews erarbeitet hat. Der INTOSAI-Kongress 2010 hat sie – in dem Bewusstsein, dass ihre Bedeutung erheblich zunehmen wird – als ISSAI-Standard beschlossen, so dass Peer Reviews der Rechnungshöfe weltweit diesen Regeln zu folgen haben. Hierüber und über praktische Erfahrungen mit Peer Reviews berichtet Oliver Sievers in seinem Beitrag „Peer Reviews – ein neues Instrument der Qualitätssicherung für die externe Finanzkontrolle?“. 9. Eng mit dem Thema der Qualitätssicherung durch Peer Reviews hängt die Frage zusammen, wer die Prüferinnen und Prüfer prüft. In Deutschland ist die normative Antwort alt. § 101 Bundeshaushaltsordnung schreibt vor, dass Bundestag und Bundesrat die Rechnung des Bundesrechnungshofes prüfen – ihnen also das Recht und die Pflicht überantwortet ist, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundesrechnungshofes auf Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Die praktische Umsetzung ist indes relativ neu: Erst seit 2003 prüfen Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages regelmäßig alljährlich vor Ort im Hause des Bundesrechnungshofes dessen Finanzgebaren. Die Praxis und die Grenzen der Prüfungsrechte des Rechnungsprüfungsausschusses leuchtet dessen früherer Vorsitzender Michael Luther aus. IV. Zum Schluss: das Wichtigste Die externe Finanzkontrolle ist nur so gut wie es die Menschen sind, die für sie und in ihrem Namen arbeiten. Das gilt für die Mitglieder der Preußischen General-Rechenkammer ebenso wie für die Mitglieder und die Prüferinnen und Prüfer des Bundesrechnungshofes und seiner Prüfungsämter. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich Anforderungen und Profile erheblich geändert. Der preußische Prüfer der Rechnungen, der sich damit begnügen konnte, die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung abzuhaken, hat mit der Prüferin und dem Prüfer des Bundesrechnungshofes wenig gemein. Die Anforderungen sind gänzlich anders, weil die Prüfung der Wirtschaftlichkeit, die Untersuchung der Frage, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, oder auch die Beurteilung einer Bilanz im Rahmen der Betätigungsprüfung ganz andere Fähigkeiten und ein ganz anderes Wissen verlangen; dasselbe gilt für die Untersuchung komplexer Bauten – wie dem Bau des Bahnhofes Stuttgart 21 –, für

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die Prüfung komplizierter Entwicklungs- oder Beschaffungsvorhaben oder für Erhebungen zu Fragen der Finanzmarktstabilisierung. Der Bundesrechnungshof ist heute auf exzellent ausgebildete Prüferinnen und Prüfer angewiesen, die nicht nur ihr Fachhochschul- oder Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen haben, sondern auch bereit und in der Lage sind, sich ständig weiterzubilden, und die darüber hinaus über ein gerüttelt Maß an Kreativität, Engagement und Gemeinwohlorientierung verfügen. Lars Friege beschreibt diese und weitere Anforderungen im Detail, die an die Angehörigen des Bundesrechnungshofes und seiner Prüfungsämter gestellt werden, und ich füge gerne aus eigener, fast 18-jähriger Anschauung hinzu: Solche idealen Mitglieder und Prüferinnen und Prüfer gibt es im Bundesrechnungshof und in seinen Prüfungsämtern in großer Zahl. Und so schulden wir all jenen großen Dank, die über lange Zeitläufte hinweg und vor allem in den letzten Jahrzehnten zum Erfolg der externen Finanzkontrolle in Deutschland beigetragen, ihre Weiterentwicklung forciert und dennoch die altbewährten Grundsätze des unabhängigen genauen Prüfens bewahrt haben. Und ganz besonderen Dank schulden wir jenen Kolleginnen und Kollegen, die diese Festschrift ermöglicht haben. Dies sind nicht nur die Autorinnen und Autoren, sondern auch jene helfenden Hände, die eher im Hintergrund gewirkt haben: Heike Hülsbergen, die das Gesamtprojekt „300 Jahre externe Finanzkontrolle“ geleitet hat, Oliver Sievers, der die Herausgabe dieser Festschrift tatkräftig unterstützt hat, Alexandra Hissen und Petra Oepen, die so manchen kleinen, bislang verborgenen Schatz aus den Akten gehoben haben, und Patrick Schröter, der die Last und die Mühen des Korrekturlesens auf sich genommen hat. Bonn, im Januar 2014

Prof. Dr. Dieter Engels Präsident des Bundesrechnungshofes

300 Jahre externe Finanzkontrolle Ihre Geschichte von den Anfängen in der Zeit des Absolutismus bis in die Gegenwart Alexandra Hissen I. Prolog „Das Dasein des Rechnungshofs ist für uns nicht bloß eine Gewähr, daß im Wirbel der Zeiten eine moralische und sachliche Substanz des Dauernden gerettet wurde, sondern dass ein Wächter blieb, der die Verpflichtung gegenüber dem Erbe begreift als eine Aufgabe für das Werdende.“1 In diesem einen Satz gelang es dem Bundespräsidenten Theodor Heuss, die Geschichte der externen Finanzkontrolle gleichsam auf ihre Essenz zu verdichten und ihre jahrhundertealte Tradition in die Gegenwart und Zukunft der noch jungen Bundesrepublik zu überführen. Seit er ihn anlässlich der Einweihung des Dienstgebäudes des Bundesrechnungshofes am 19. November 1953 in Frankfurt am Main formulierte, hat dieser sich im „Wirbel der Zeiten“ bewährt, ist Teil und Gestalter der Geschichte jener deutschen Rechnungsprüfungsbehörde geworden, die in diesen Tagen ihr 300. Jubiläum begehen kann. Den Anfang jener institutionellen Entwicklungslinie, an deren Ende heute der Bundesrechnungshof steht, markiert das Jahr 1714, in dem die preußische Generalrechenkammer gegründet wurde. Die Entstehung der öffentlichen Finanzkontrolle selbst jedoch reicht wesentlich weiter zurück. In nahezu allen antiken Hochkulturen von China über Mesopotamien bis nach Griechenland finden sich Spuren für eine geordnete Finanzkontrolle und Rechnungsprüfung. Von einer kontinuierlichen historischen Entwicklung kann jedoch keine Rede sein. Für das Mittelalter gibt es – bis auf wenige Ausnahmen – kaum Zeugnisse, die auf eine systematische Finanzkontrolle schließen lassen. Im deutschsprachigen Raum begannen die Städte ab Ende des 13. Jahrhunderts mit sogenannten „Stadtrechnungen“ eine mehr oder minder syste1 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt 1964, S. 108.

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matische Überprüfung ihrer Finanzen. Weitere Dokumente, die zumindest auf Vorstufen der Finanzkontrolle schließen lassen, sind Werke wie das Landbuch der Mark Brandenburg, das Kaiser Karl IV. zur Überprüfung der Finanzkraft des Territoriums anlegen ließ. Ähnliche Verzeichnisse sind als Rationarien, Hub-, Saal- und Lehensbücher für Österreich, Württemberg und weitere Gebiete Süd- und Westdeutschlands nachgewiesen. Infolge der Herausbildung der deutschen Territorialstaaten setzte schließlich eine – keineswegs einheitlich ablaufende – Institutionalisierung der Finanzkontrolle auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ein.2 II. Entstehung und Entwicklung im Absolutismus Den Anfang unter den deutschen Einzelstaaten machte jedoch zunächst nicht Preußen, sondern Sachsen. Kurfürst Friedrich August I. setzte per Reskript vom 24. Mai 1707 eine „Ober-Rechen-Kammer“ ein, die weitgehend unabhängig war, Mahnungen aussprechen und dem „Geheimen Konsilium“ „ungetreue Verwaltungsbeamte“ benennen konnte.3 Allerdings verlor sie ihre Unabhängigkeit und die damit verbundenen Befugnisse bereits 1734 wieder und wurde als „Oberrechnungsdeputation“ ministerialer Leitung unterstellt.4 Inwiefern die sächsische Rechenkammer dem jungen preußischen König Friedrich Wilhelm I. als Vorbild für die Generalrechenkammer diente, die er kurz nach seiner Thronbesteigung am 25. Februar 1713 ins Leben rief, ist nicht bekannt. Es kann allerdings als relativ sicher gelten, dass er Kenntnis von der sächsischen Einrichtung wie auch von einer Reihe ähnlicher Institutionen – etwa dem „Cour des Comptes“ in Frankreich oder der „Generaliteits-Rekenkamer“ in den Niederlanden – hatte.5 Unzweifelhaft ist der Grund, warum er die Gründung einer solchen Behörde vorantrieb: Er musste den strapazierten Staatshaushalt, den er von seinem prunkliebenden Vater geerbt hatte, sanieren.6

2 Vgl. hierzu Bernhard Müllenbach, Untersuchungen zur Geschichte der öffentlichen Finanzkontrolle von ihren Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Bonn 1982; Franz Gilles, Die verkannte Macht – Determinanten der Nachkriegsgeschichte der Institution Rechnungshof, Berlin 1986, S. 23–33. 3 Vgl. Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 38. 4 Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 38. 5 Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Königlich Preußischen OberRechnungskammer, Berlin 1909, S. 7, 13 f. 6 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah – Unbekanntes aus preußischer Geschichte von 1713 bis 1866, Opladen 1997, S. 14.

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1. Der Gründer: Friedrich Wilhelm I. 1701 wurde Brandenburg-Preußen zum Königreich. Der in den Königsstand erhobene ehemalige brandenburgische Kurfürst Friedrich III. (nun Friedrich I.) betonte seine neue Machtstellung durch einen stark auf Repräsentation ausgerichteten Regierungs- und Lebensstil.7 Sein Sohn, Kronprinz Friedrich Wilhelm, zeigte bereits in jungen Jahren einen dem verschwenderischen Vater geradezu diametral entgegengesetzten Charakter. Schon mit neun Jahren verwaltete er sein erstes eigenes Gut. Korruption, Günstlingswirtschaft und Ineffizienz, wie er sie in den Regierungsgeschäften seines Vaters vielfach zu erkennen glaubte, verachtete er.8 Dementsprechend stark war der Bruch, als Friedrich Wilhelm I. nach dem Tod seines Vaters 1713 preußischer König wurde. Eine seiner ersten Maßnahmen war das gnadenlose Zusammenstreichen des Hofstaates: Alles, was der 23-Jährige als „überflüssig“ ansah, wurde verkauft, zwei Drittel der Dienerschaft – inklusive Chocolatier und Kastraten – wurde entlassen, den Verbliebenen wurden Gehalt und Pensionen um bis zu 75 % gekürzt.9 Doch es blieb nicht bei diesen ersten Sparmaßnahmen. Friedrich Wilhelm I. baute das bestehende Verwaltungssystem zu einem zentralistisch organisierten Staatsapparat mit übersichtlichen Strukturen aus. Die bisher zum Privateigentum des Königs gerechneten Domänen wurden zum Staatseigentum erklärt. Die Erträge aus den Domänen flossen seitdem in eine Generaldomänenkasse, aus der Hofstaat und zivile Verwaltung finanziert wurden. Neben dieser Einrichtung für den „zivilen Haushalt“ wurde außerdem das Generalkriegskommissariat geschaffen, das die Generalkriegskasse verwaltete. Diese Konzentration auf zwei zentrale Kassen sollte es dem Monarchen ermöglichen, die Einnahmen und Ausgaben genau im Blick zu behalten.10 Der menschlich als schwierig geltende, leicht aufbrausende Friedrich Wilhelm erwies sich als ausgesprochen fähiger Staatslenker und Haushälter. In einer Skizze, die der schottische Historiker Thomas Carlyle von Charakter und Wirken des Monarchen entwarf, scheinen bereits die wesentlichen Aspekte auf, die ihn für die Gründung einer Institution zur unabhängigen Finanzkontrolle geradezu prädestinierten: „(…) wie er nimmer nachließ, bis 7

Vgl. Thomas Carlyle, Geschichte Friedrichs II., Bd. 1, Meersburg 1928, S. 54 ff. Vgl. Christopher Clark, Preußen – Aufstieg und Niedergang, München 2007, S. 114 f. 9 Vgl. Christopher Clark, Preußen (Fn. 8), S. 106. 10 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 15 f. 8

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er überall die Geschäfte durchgelüftet und helles Tageslicht bis auf den Grund eingelassen, Geradheit und Billigkeit zur Richtschnur gesetzt und den kürzesten Weg, um dazu zu gelangen, eingeführt hatte; (…) sich nimmermehr vorenthalten ließ, was sein war und nicht begehrte, was nicht sein war, (…) all dies ist (…) in Betreff Friedrich Wilhelms beurkundet.“11 2. Die Anfangsjahre der Generalrechenkammer Bereits eine Woche nach seinem Regierungsantritt ernannte Friedrich Wilhelm seinen Vertrauten Ehrenreich Bogislav von Creutz zum Generalkontrolleur aller Kassen.12 Dass der König die Finanzkontrolle auszubauen und zu institutionalisieren gedachte, wurde bereits ein Jahr nach von Creutz’ Ernennung deutlich. Zuerst wurden dem Generalkontrolleur vier Räte zur Hilfeleistung bei der Rechnungsprüfung zugeteilt. Am 22. November 1714 teilte dann ein königliches Reskript an alle Kammern die Errichtung einer „besonderen Rechencammer“ mit, der ab nun alle Rechnungssachen zugesandt werden müssten. Da ein offizielles Gründungspatent entweder nicht verfasst wurde oder die Zeitläufe nicht überdauert hat, kann dieses Reskript heute als „Geburtsurkunde“ der Generalrechenkammer und ihrer Nachfolgeinstitutionen angesehen werden.13 Die neue Behörde bestand – analog zur Zweiteilung der preußischen Finanzverwaltung – aus einem Kriegs- und einem Domänendepartement und arbeitete nach dem Kollegialitätsprinzip. Zu Beginn war sie direkt dem König unterstellt, der ihre Unabhängigkeit und weitreichenden Befugnisse in verschiedenen Ordres unterstrich.14 Dieser privilegierte Zustand hielt allerdings nur wenige Jahre an. 1723 beschloss Friedrich Wilhelm eine Zusammenlegung der zwei oberen, sich permanent befehdenden Zivil- und Militärbehörden zum sogenannten Generaldirektorium. Im Zuge dieser Umstrukturierung wurde auch die Generalrechenkammer, nunmehr unter dem Namen „Ober-Kriegs- und Domänen-Rechenkammer“, der neu geschaffenen „Superbehörde“ untergeordnet. Das Interesse des Königs an seiner ehemaligen Neugründung ging in den kommenden Jahren merklich zurück. Eine nicht unerhebliche Rolle hierbei 11

Thomas Carlyle, Geschichte Friedrichs II. (Fn. 7), S. 365 f. Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 16. 13 Vgl. Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 17; Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der OberRechnungskammer (Fn. 5), S. 8 ff. 14 Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 14. 12

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mochte es spielen, dass von Creutz, der zum Minister und Vizepräsidenten des Generaldirektoriums aufstieg, 1723 das Amt des GeneralrechenkammerPräsidenten aufgab. Das Präsidium wurde daraufhin kurzerhand abgeschafft (und bis 1744 nicht wieder eingeführt). Die Leitung der beiden Abteilungen, die nur noch äußerlich zusammenhingen, wurde dem jeweils dienstältesten Rat übertragen.15 Es sollte nicht das letzte Mal in ihrer Geschichte sein, dass die Geschicke der Rechenkammer von den bisweilen willkürlichen Entscheidungen eines Monarchen abhingen. 3. Abhängigkeit vom Monarchen Der Nachfolger Friedrich Wilhelms, sein Sohn Friedrich II. (der Große), maß der externen Finanzkontrolle keine übermäßige Bedeutung bei. Er zog es vor, die Staatsfinanzen und ihre Verwaltung auf zahlreichen Inspektionsreisen selbst zu überprüfen. Im Laufe der Jahre ging er immer mehr dazu über, die Finanzverwaltung von seinem Kabinett aus zu leiten: Kassen und deren Verwaltung wurden so zerlegt, dass nur noch im Kabinett zu übersehen war, was sie insgesamt einnahmen und ausgaben. Außerdem behielt er sich bedeutende Geldmittel zur unmittelbaren Disposition vor und machte große Ausgaben, die keiner Kontrolle unterlagen. Die Auflösung der von seinem Vater geschaffenen Übersichtlichkeit des Staatshaushalts wurde zusätzlich begünstigt durch die – aus Friedrichs Feldzügen erwachsende – erhebliche Vergrößerung von Preußens Territorium und Einwohnerzahl.16 Doch auch Friedrich hielt grundsätzlich am Bestehen einer Rechenkammer fest. 1744 sorgte er für eine Wiederzusammenführung der seit 1723 getrennten beiden Kammern zu einer einheitlichen Behörde – der Oberrechenkammer – und setzte wieder einen Präsidenten, Johann Heinrich von Piper, ein.17 Im Verlauf seiner langen Regierungszeit befasste sich der König in fünf Instruktionen mit der Oberrechenkammer, die bereits erste Ansätze hin zu einer über die reine Rechnungskontrolle hinausgehenden Prüfung enthielten. So schrieb er etwa im Jahre 1768 zu den Anforderungen an die bei der Oberrechenkammer tätigen Räte: „Es muß also ein Rath nicht bloß den Calculum verstehen, sondern von allen in das Finanzwesen einschlagenden Verfassungen und Observanzien eine genaue Kenntniß haben, 15 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 26 f. 16 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 31 ff., 54 f. 17 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 34.

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weil durch dergleichen Penetration in die Natur der Dinge bey den Rechnungen nur allein ein recht wesentlicher Vortheil gestiftet wird.“18 Eine tatsächliche Aufwertung erfuhr die Oberrechenkammer jedoch erst nach Friedrichs Tod unter seinem Neffen, König Friedrich Wilhelm II. Dieser kam bereits früh in Kontakt mit der Institution, da er als Kronprinz – auf Geheiß seines Onkels – vom damaligen Präsidenten der Oberrechenkammer, Johann Rembert Roden, Vorlesungen über das Finanzwesen erhielt.19 Zudem stand er stark unter dem Einfluss seines Ministers Johann Christoph Woellner, der (freilich aus eigenen machtpolitischen Gründen) beharrlich eine Stärkung der Oberrechenkammer gegenüber dem Generaldirektorium forderte. 1796 erließ Friedrich Wilhelm II. schließlich eine Instruktion, mit der die Behörde wieder unmittelbar dem Monarchen unterstellt wurde.20 Doch diese wieder gewonnene Unabhängigkeit erwies sich als brüchig. Bereits ein Jahr später starb Friedrich Wilhelm II. Der Staat, den er seinem Nachfolger hinterließ, war hoch verschuldet. Zudem machte die uneinheitliche Struktur der Verwaltung des sich weiterhin territorial vergrößernden Preußens eine Reform der Verwaltungsorganisation dringend notwendig.21 Um für Einheitlichkeit bei den Staatsfinanzen zu sorgen, ernannte der neue König, Friedrich Wilhelm III., den Grafen von der Schulenburg-Kehnert zum Generalkontrolleur der Finanzen und Chef der Oberrechenkammer.22 Dessen Agieren erwies sich jedoch als wenig glücklich, was Carl von Clausewitz retrospektiv in seinen „Nachrichten über Preußen in seiner großen Katastrophe“ (1824) folgendermaßen beurteilte: „Friedrich Wilhelm III. übergab bei seinem Regierungsantritt dem Grafen Schulenburg-Kehnert die Generalkontrolle der Finanzen. Aber diese neue Schöpfung wurde an eine ältere, die Oberrechenkammer, angeknüpft und war nur eine Erweiterung derselben, woraus denn ganz unmöglich etwas anderes, als kleinliche Einmischung ohne großen Erfolg hervorgehen konnte (…)“.23 Eine bittere Bilanz, die auch etwas von dem wenig schmeichelhaften Ruf durchscheinen 18 Instruktion vom 30. Mai 1768, mitgeteilt bei: Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer, Berlin 1884, S. 44. 19 Vgl. Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 22. 20 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 63 ff. 21 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 70. 22 Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 37. 23 Mitgeteilt bei Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 31.

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lässt, den die Oberrechenkammer bei manchen Zeitgenossen im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts hatte. Es bedurfte schließlich der „großen Katastrophe“, die von Clausewitz’ Schrift im Titel trägt, um eine radikale Veränderung der erstarrten Strukturen im preußischen Staatsapparat herbeizuführen. Der Schock, den der Sieg der französischen Truppen und der Einmarsch Napoleons in Berlin 1806 auslösten, wirkte gleichzeitig als Motor für die stockenden Reformversuche. Unter dem Freiherrn von Stein und seinem Nachfolger von Hardenberg wurde eine weitreichende Reform der preußischen Staatsverwaltung vorgenommen.24 Für die Oberrechenkammer brachte sie zunächst eine erneute Einschränkung ihrer Unabhängigkeit mit sich. 1808 wurde sie dem Staatsrat, zwei Jahre später, 1810, unmittelbar – nun offiziell unter dem neuen Namen „Oberrechnungskammer“ – dem Staatskanzler von Hardenberg unterstellt.25 Auf dessen Betreiben wurde 1817 eine Generalkontrolle der Finanzen für das gesamte Etat-, Kassen- und Rechnungswesen errichtet. Offizieller Chef war von Hardenberg, praktisch geführt wurde die neue Einrichtung von Johann von Ladenberg,26 einem Beamten „von altpreußischem Schlage, von eiserner Ausdauer und großer Strenge gegen sich und andere“.27 Binnen Kurzem bildete sich eine Konkurrenz zwischen den beiden nun für die Finanzkontrolle zuständigen Stellen heraus, die erst 1823 ein Ende fand, als von Ladenberg auch zum Chefpräsidenten der Oberrechnungskammer ernannt wurde.28 Drei Jahre später löste Friedrich Wilhelm III. die Generalkontrolle schließlich wieder auf, „da ihr Zweck inzwischen vollständig erreicht worden sei“.29 Der neue Präsident von Ladenberg wurde eine der für die Oberrechnungskammer prägendsten Figuren. Unter seiner Ägide wurde die veraltete Aufteilung der Abteilungen unter geografischen Gesichtspunkten (Provinzen) durch die materielle / sachliche Aufteilung des Prüfungsstoffs ersetzt. Außerdem zeichnete er verantwortlich für die Instruktion von 1824, die der Oberrechnungskammer – diesmal dauerhaft – die weitreichende Unabhängigkeit 24

Vgl. Hagen Schulze, Kleine deutsche Geschichte, München 1996, S. 87 ff. Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 43. 26 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 84 ff. 27 Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 106. 28 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel – Von der klassischen Rechnungsprüfung zur modernen Finanzkontrolle, Dissertation Universität Bamberg 2009, S. 59. 29 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 42. 25

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der Gründungsjahre wiederbringen sollte. Dennoch war er im Kollegium wegen seines unnachgiebigen, pedantischen Charakters und autoritären Führungsstils äußerst unbeliebt. Mit einer Instruktion für den Chefpräsidenten erwirkte er 1831 zudem die Aufhebung des seit der Gründung praktizierten Kollegialprinzips.30 Ein Schritt, der erst mehr als vierzig Jahre später wieder rückgängig gemacht werden konnte.31 4. Die Instruktion von 1824 Nach dem Tod von Staatskanzler von Hardenberg 1822 ging die offizielle Oberaufsicht über die Oberrechnungskammer 1823 auf Staatsminister Graf von Lottum über. Deren ehrgeiziger Präsident von Ladenberg strebte jedoch nach Unabhängigkeit für seine Behörde. Die Chance hierzu bot sich bald. Am 31. August 1824 erging an ihn die Kabinettsorder, eine neue Instruktion für die Oberrechnungskammer auszuarbeiten und dem König zur Genehmigung vorzulegen. Kaum drei Monate später erhielt Friedrich Wilhelm III. seinen fertigen Entwurf, den er am 18. Dezember 1824 als angenommen an die Oberrechnungskammer zurücksandte.32 Die zentrale Aussage der neuen Instruktion befand sich in § 50: Die Oberrechnungskammer ist ein „selbständiges, nur uns Allerhöchstselbst untergeordnetes Kollegium.“33 Sie erhielt also die volle Unabhängigkeit gegenüber der Verwaltung zurück. Zudem wurde ihr umfassende Prüfungskompetenz gewährt, die außer „Zweckmäßigkeit“ auch erstmals den Prüfungsmaßstab „Wirtschaftlichkeit“ einschloss.34 Am Ende jeden Jahres hatte die Oberrechnungskammer außerdem dem König eine Übersicht vom Zustand der Rechnungen einzureichen sowie einen Geschäftsbericht vorzulegen, in dem unter anderem erhebliche Mängel in der Verwaltung aufgeführt werden sollten, die man entdeckt hatte. Friedrich Pfuhlstein sieht die Instruktion von 1824 als Meilenstein in der Geschichte der externen Finanzkontrolle an. Sie habe: „das preußische System der Finanzkontrolle, wie es sich ein Jahrhundert hindurch entwickelt hatte, so vorbildlich abgeschlossen, daß es den Übergang zur konstitutionellen Regierungsweise überdauerte. In ihrem Kern konnte die 30 Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 106. 31 Eine Aufhebung der Vorschrift erfolgte erst durch § 40 des Regulativs über den Geschäftsgang bei der ORK vom 22. September 1873, vgl. Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 43. 32 Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 56. 33 Kompletter Text der Instruktion mitgeteilt bei Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer (Fn. 18), S. 127–166. 34 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 60.

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Oberrechnungskammer als Prüfungsbehörde unter der konstitutionellen Verfassungsordnung unverändert bleiben; nur ihre Beziehungen zu der Krone, den Ministerien und der Volksvertretung waren neu zu regeln.“35 III. Veränderungen im Konstitutionalismus Nach der Revolution des Jahres 1848 führte Preußen eine zunächst durch den König, Friedrich Wilhelm IV., oktroyierte Verfassung ein. Zwei Jahre später folgte deren revidierte Fassung, in der – wie schon in der oktroyierten Ausgabe – auch die externe Finanzkontrolle festgeschrieben wurde. In Artikel 104 übertrug sie der Oberrechnungskammer die Rechnungsprüfung für den gesamten Staatshaushalt: „Die Rechnungen über den Staatshaushalts-Etat werden von der Oberrechnungskammer geprüft und festgestellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres, einschließlich einer Übersicht der Staatsschulden, wird mit den Bemerkungen der Oberrechnungskammer zur Entlastung der Staatsregierung den Kammern vorgelegt. Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer bestimmen.“36 1. Oberrechnungskammer und Parlament – eine schwierige Beziehung Da das machtvolle Mittel des Budgetrechts in der konstitutionellen Monarchie auf das Parlament überging, war das Interesse der Abgeordneten an der Budgetkontrolle entsprechend groß. Während die Funktion der Kontrollinstanz Oberrechnungskammer noch nicht abschließend durch ein Gesetz geregelt war (dies sollte tatsächlich erst 1872 geschehen), entwickelte man im Abgeordnetenhaus des preußischen Landtages zunächst eine parlamentarische Budgetkontrolle. Eine Zentral- und mehrere Spezialkommissionen zur Prüfung des Staatshaushalts wurden installiert, die mit großem Arbeitsaufwand den Staatshaushalt und seine Spezialetats prüften. Mit zunehmender parlamentarischer Praxis gelang es zwar, diesen Aufwand zu reduzieren, insgesamt erschien er jedoch vielen Parlamentariern unverhältnismäßig – zumal ja bereits eine Instanz existierte, die diese Prüfungen ohnehin vornahm: die Oberrechnungskammer.37 35 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 44. 36 Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 60. 37 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 127 ff.

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Immer wieder wurde daher gefordert, dass es eine engere Verbindung zwischen der Rechnungsprüfungsbehörde und dem Landtag geben solle. Der Publizist Dr. Werner Adolf Frantz konstatierte 1861 unter dem Pseudonym Reimund Gutsmuths in den „Deutschen Jahrbüchern für Politik und Literatur“, das Parlament müsse mit der Oberrechnungskammer zusammenarbeiten, um seinen verfassungsgemäßen Auftrag der Budgetkontrolle wahrnehmen zu können.38 Der Kontakt zwischen Parlament und Oberrechnungskammer blieb jedoch auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ein umstrittenes Thema. Viele Präsidenten und Mitglieder der Revisionsbehörde waren bekennende Konservative, die distanziert zum Parlamentarismus standen. Präsident Wilhelm Bötticher beispielsweise nahm nicht einmal an der Sitzung der Sonderkommission des Abgeordnetenhauses zur Beratung eines Gesetzes über seine eigene Behörde teil.39 Die wenig kooperative Haltung der Oberrechnungskammer gegenüber dem Parlament veranlasste den Abgeordneten Adolf Hagen 1862 zu der Äußerung, bei ihr handele es sich um eine Institution, die „sich (…) eigentlich außerhalb des verfassungsmäßigen Lebens bewegt.“ Auf ihre Hilfe könne „nicht viel Gewicht gelegt werden, solange sie noch vollständig auf dem Boden der absoluten Monarchie steht.“40 Da bis zum Beginn der 1860er-Jahre (und darüber hinaus) keine Verabschiedung eines Oberrechnungskammergesetzes zustande kam, verlegte sich die liberale Mehrheit des Abgeordnetenhauses auf eine andere Strategie, um wenigstens den ersten Teil des Artikels 104 durchzusetzen. Man forderte, die Oberrechnungskammer solle dem Parlament die Bemerkungen über ihre Prüfungsergebnisse vorlegen.41 Dies war bis dahin nicht der Fall gewesen, da die Verfassung lediglich verfügte, dass die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt dem Parlament „mit den Bemerkungen der Oberrechnungskammer“ vorzulegen sei. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Oberrechnungskammer und Abgeordneten war in keiner Weise gewünscht, die Vorlage der Bemerkungen erfolgte ausschließlich durch das zuständige Ministerium.42 Da der Landtag nicht von seiner Forderung abging und mit einer Aussetzung des Entlastungsverfahrens drohte, lenkte die Regierung 38 Reimund Gutsmuths, Die Preußische Ober-Rechnungskammer und ihre Reform, in: Deutsche Jahrbücher für Politik und Literatur, Berlin 1861, S. 216. 39 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 177 f. 40 Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 177. 41 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 192 f. 42 Vgl. Carsten Brodersen, Rechnungsprüfung für das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, Berlin 1977, S. 47.

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schließlich ein. Am 24. Juni 1862 wurde die Oberrechnungskammer per königlicher Anordnung zur Vorlage von Bemerkungen an das Parlament verpflichtet. Dieser – von der Oberrechnungskammer keineswegs enthusiastisch verfolgte – Kontakt43 blieb der einzige zwischen preußischem Parlament und Oberster Rechnungsprüfungsbehörde. 2. Rechnungshof des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches Nach dem Sieg Preußens im Deutschen Krieg erfolgte am 18. August 1866 die Gründung des Norddeutschen Bundes, dem alle 23 norddeutschen Länder angehörten. Trotz der Hegemoniestellung Preußens, das vier Fünftel der Bevölkerung und den Großteil des Territoriums des neuen Staatenbundes stellte, besaß der Norddeutsche Bund ein eigenes Parlament und eine eigene Verfassung.44 Darin legte Artikel 72 fest, dass über die Verwendung aller Einnahmen des Bundes den gesetzgebenden Körperschaften zur Entlastung des Präsidiums von diesem jährlich Rechnung zu legen sei. Wie genau dieses Prozedere ablaufen sollte, ließ die Verfassung jedoch offen. Verantwortlich für die Korrektheit der zu legenden Rechnung war in oberster Instanz der Bundeskanzler, Otto von Bismarck. Wie sich Bundesrat und Reichstag von der Richtigkeit derselben überzeugen wollten, mussten sie jedoch selbst entscheiden. Rasch herrschte Einigkeit darüber, dass hierzu eine Rechnungsprüfungsbehörde nach dem Vorbild der Oberrechnungskammer geschaffen werden sollte. Im April 1868 wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der vorsah, „die Kontrolle des gesamten Bundeshaushalts bis auf weitere gesetzliche Bestimmung der preußischen Oberrechnungskammer unter der Benennung ‚Rechnungshof des Norddeutschen Bundes‘“45 zu übertragen. Am 4. Juli 1868 erging ein entsprechendes Gesetz für die Jahre 1867 bis 1869. Zum 1. Januar 1869 nahm schließlich der Rechnungshof des Norddeutschen Bundes mit einer Belegschaft von 43 Beamten seine Tätigkeit auf.46 Bevor es jedoch zu einer „weiteren gesetzlichen Regelung“ für die neue Revisionsbehörde auf Bundesebene kommen konnte, trat erneut eine historische Zäsur ein, die den Norddeutschen Bund und damit auch den zugehörigen Rechnungshof obsolet werden ließ. 43 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah (Fn. 6), S. 194 ff. 44 Vgl. Christopher Clark, Preußen (Fn. 8), S. 624. 45 Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 67. 46 Vgl. Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer, S. 66 f.

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Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 / 71 schlossen sich der Norddeutsche Bund und die süddeutschen Staaten zu einem „Deutschen Bund“ zusammen. Nach dem Sieg Preußens ging dieser im Deutschen Reich auf, das am 18. Januar 1871 gegründet wurde. Auch dieser deutsche „Fürstenbund“ gab sich eine Verfassung, in welcher der Bundescharakter herausgestrichen wurde. In der Realität dominierte auch hier Preußen alle anderen Mitgliedstaaten: militärisch, territorial und durch seinen überlegenen Verwaltungsapparat. Die Reichsverwaltung und ihre Organe waren auf den perfekt eingespielten Apparat der preußischen Bürokratie und ihre Verwaltungsstrukturen angewiesen. Bei aller preußischen Dominanz kam es jedoch mit den Jahren zu einer immer stärkeren Verflechtung zwischen preußischen und deutschen Einrichtungen,47 bis das Reich (und damit seine Institutionen) schließlich aufgrund seiner wachsenden Bedeutung die Vormachtstellung einnahm. Ein Beispiel par excellence für eine solche Entwicklung war der Reichsrechnungshof. Wie schon nach der Gründung des Norddeutschen Bundes wurde am 28. Oktober 1871 ein Gesetz erlassen, nach dem der gesamte Haushalt – zunächst nur für das Jahr 1871 – der Kontrolle der Oberrechnungskammer unter der Benennung „Rechnungshof des Deutschen Reiches“ unterliegen sollte. Erneut entstand eine rechtlich besondere Stellung: Das Kollegium des neuen Reichsrechnungshofes bildete rechtlich gesehen eine Abteilung der Oberrechnungskammer. De facto aber handelte es sich um eine eigene Behörde, was von Anfang an klar herausgestellt wurde: Räumlichkeiten und Sitzungen der jeweiligen Kollegien von Oberrechnungskammer und Reichsrechnungshof waren getrennt, die Reichsrechnungshof-Beamten waren zudem Reichsbeamte und standen als solche im Reichshaushaltsetat. Nur der Präsident, der in Personalunion Oberrechnungskammer und Reichsrechnungshof leitete, bezog als preußischer Beamter seine Besoldung von Preußen, zu der das Reich einen im Etat festgelegten Beitrag leistete.48 Obwohl der Reichsrechnungshof mit dem wachsenden Finanzvolumen des Reichshaushalts immer mehr an Bedeutung gegenüber der Oberrechnungskammer gewann, erhielt er keine eigene gesetzliche Regelung.49 Vielmehr wurde das Provisorium von 1871 in meist jährlich erlassenen Einzelgesetzen, zum Teil auch über mehrere Jahre, verlängert.50 Was die Rech47

Vgl. Christopher Clark, Preußen (Fn. 8), S. 635 ff. Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 70 f.; Theodor von Ditfurth, Zur Geschichte der Ober-Rechnungskammer (Fn. 5), S. 68 ff. 49 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 76. 50 Vgl. Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 66. 48

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nungsprüfung anbetraf, musste er sich am Gesetz der „Mutterbehörde“ Oberrechnungskammer orientieren, das 1872 nach über zwanzig Jahre währender Ankündigung endlich verabschiedet worden war. „Danach hatte er mit Ausnahme der Geheimausgaben das gesamte Finanzwesen des Reiches zu prüfen. Des Weiteren hatte er analog der preußischen Regelung ‚Bemerkungen‘ für den Reichstag zu erstellen und dem Kaiser über die Zweckmäßigkeit des Finanzgebarens Bericht zu erstatten.“51 Erst 1922 emanzipierte sich der Reichsrechnungshof mit der neuen Reichshaushaltsordnung auch rechtlich von der Oberrechnungskammer. IV. Finanzkontrolle in der Weimarer Republik Mit der Ausrufung der Republik am 9. November 1918 begann eine neue Epoche: Zum ersten Mal entstand auf deutschem Boden eine Demokratie. Diese war jedoch von Beginn an mit schweren Hypotheken belastet. Der verlorene Erste Weltkrieg hatte das Deutsche Reich weit über 100 Milliarden Goldmark gekostet, die hauptsächlich durch die Aufnahme von Kriegsanleihen finanziert worden waren. Die enorme Staatsverschuldung von 144 Milliarden Goldmark im Jahr 1919 wuchs sogar noch weiter, da die Regierung zur Wiedererrichtung der Wirtschaft und Eindämmung sozialer Missstände keine andere Möglichkeit sah, als neue Schulden aufzunehmen. Hinzu kamen die Reparationsforderungen der Siegermächte.52 Für den Reichsrechnungshof hatte der Krieg noch ein ganz anderes Problem mit sich gebracht: die weit über die Grenzen seiner Prüfungskapazitäten hinausgehende Anzahl aufgelaufener Kriegsrechnungen. Erst das Gesetz betreffend die Kontrolle der Kriegsrechnungen vom 21. März 1921 befreite den Reichsrechnungshof von der Verpflichtung zur Rechnungsprüfung für alle bis Mitte 1920 in den Kassen- und Wirtschaftsbüchern nachgewiesenen Einnahmen und Ausgaben des Reichsheeres und der Reichsmarine.53 Ab nun konnte er sich dem gegenwärtigen Haushalt zuwenden. Hierzu fehlte ihm allerdings anfangs auch noch eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung. Die am 11. August 1919 verkündete Weimarer Verfassung verfügte in 51

Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 46. Vgl. Hermann Butzer, Der Reichssparkommissar der Weimarer Republik, in: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), 50 Jahre Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Schriftenreihe des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Sonderband, Stuttgart 2002, S. 55. 53 Vgl. Gustav Theel, Die Prüfung der Rechnungen über die Staats-Einnahmen und Ausgaben in Preußen und im Reich – kurze Übersicht über die Geschichte der Oberrechnungskammer und des Rechnungshofs, in: Marx Möller / Johannes Hirschfeld, Festgabe dargebracht dem Verlage Otto Elsner, Berlin 1921, S. 161 (167). 52

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Artikel 86 Satz 2 lediglich: „Die Rechnungsprüfung wird durch Reichsgesetz geregelt.“ Die Übertragung der Prüfungsberechtigung für den Reichshaushalt auf den Reichsrechnungshof war jedoch zuletzt während des Krieges bis zum Rechnungsjahr 1919 verlängert worden. Hierdurch entstand eine rechtliche Lücke, die erst durch die Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922 geschlossen wurde.54 1. Der Reichsrechnungshof und der Reichstag Mit der Reichshaushaltsordnung erhielt der Reichsrechnungshof endgültig eine eigenständige, von der Oberrechnungskammer unabhängige gesetzliche Grundlage. Abschnitt V ersetzte das nie zustande gekommene Einrichtungsgesetz für den Reichsrechnungshof und schrieb in § 118 fest: „Der Rechnungshof ist eine der Reichsregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Reichsbehörde.“ Kollegialverfassung und richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder wurden bestätigt. Auch ermöglichte die neue Reichshaushaltsordnung eine weiter gehende Zusammenarbeit von Reichsrechnungshof und Parlament. § 101 legte beispielsweise fest, dass die Rechnungsprüfer nun nicht mehr nur auf Ersuchen der Reichsminister, sondern auch auf Ersuchen des Reichstages gutachterliche Äußerungen abgeben könnten.55 Trotz der gesetzlich angestrebten Zusammenarbeit zwischen Reichsrechnungshof und Legislative gab es in der Praxis weiterhin Probleme. Dies hing nicht zuletzt mit der von 1914 bis 1923 andauernden, dramatischen Inflation zusammen, der schließlich mit der Umstellung auf die Rentenmark zum 15. Oktober 1923 begegnet wurde. Erst 1924 konnte daher ein geordnetes Budget aufgestellt werden. 1926 war es dann erstmals möglich, den Etat vor Ablauf des laufenden Haushaltsjahres zu verabschieden. Dementsprechend hinkte der Reichsrechnungshof mit seinen Bemerkungen den aktuellen Haushaltsjahren weit hinterher. 1925 legte er seinen Bericht für die Jahre 1918 / 19 vor, 1927 folgten die Monita für 1920 bis 1923. Es nimmt also nicht Wunder, dass der Reichsrechnungshof von den ReichstagsAbgeordneten immer wieder wegen mangelnder Zeitnähe seiner Berichte 54 Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (1922 bis 1938), in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714 bis 1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 65 (69). 55 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 82 f.; Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 73.

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kritisiert wurde. Dies besserte sich erst in den letzten Jahren der Republik, als eine immer stärkere Annäherung zwischen dem Haushaltsjahr und den zugehörigen Bemerkungen erreicht werden konnte.56 Als ebenfalls problematisch erwies sich die anhaltende Skepsis vieler Angehöriger des Reichsrechnungshofes gegenüber dem neuen politischen System. Nur wenigen Beamten – nicht nur beim Reichsrechnungshof – gelang es, ihr traditionell auf den Monarchen ausgerichtetes Pflichtgefühl auf die Republik zu übertragen.57 Hierzu konnten sie allenfalls Vernunftgründe jedoch kaum ehrliche Überzeugung bewegen, was die Zeitschrift für Deutsche Justizsekretäre von 1920 auf den Punkt brachte: „Über die Güte der neuen Reichsverfassung mag jeder Beamte urteilen wie er will. Dass er aber die Verfassung, nachdem er ihr Treue geschworen, in seiner amtlichen und beruflichen Tätigkeit zu achten hat, ist wohl selbstverständlich. Denn wohin sollten wir kommen, wenn wir den jetzt geleisteten Treueid minder bewerten dürften als den früher auf die Person des Herrschers getätigten Schwur!“58 Ein Zeitgenosse, der SPD-Abgeordnete und Haushaltspolitiker Kurt Heinig, beobachtete, dass die Mehrzahl der Rechnungsprüfer die Republik als ein vorübergehendes Phänomen anzusehen schien und eher mit der Ministerialbürokratie denn mit den Volksvertretern im Reichstag sympathisierte.59 Dennoch trat im Laufe der Jahre eine gewisse Entspannung im Verhältnis zwischen Reichsrechnungshof und Legislative ein. Der Kontakt wurde selbstverständlicher. Sei es, dass ein Vertreter des Reichsrechnungshofes regelmäßig an Sitzungen des Haushaltsausschusses teilnahm, sei es, dass 1928 der Rechnungsprüfungsausschuss erstmals das Dienstgebäude des Reichsrechnungshofes in Potsdam besuchte.60 Wenige Wochen vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten rief der – wie wir oben gesehen haben – dem Reichsrechnungshof gegenüber durchaus nicht unkritisch eingestellte Kurt Heinig ihn sogar zu einem der letzten Bollwerke gegen die galoppierende Machterosion der demokratischen Institutionen aus: „Die Tatsache, daß die Legislative durch die wiederholten Auflösungen des Reichstags und durch die ausgedehnte Anwendung des Artikels 48 der Reichsverfassung in ihrer Arbeit wesentlich gehemmt ist, erhöht zwingend die Bedeutung der Arbeit des Rechnungshofs des Deutschen Reichs und verlangt dessen gesteigerte Aufmerk56

Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 94. Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 94 f. 58 Hans Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, Köln 1980, S. 330. 59 Vgl. Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (Fn. 54), S. 88. 60 Vgl. Karl Wittrock, Parlament, Regierung und Rechnungshof, Zur Geschichte einer schwierigen Dreiecksbeziehung, Zeitschrift für Parlamentsfragen 1986, S. 421. 57

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samkeit als der Reichsregierung gegenüber selbständigen, nur dem Gesetz unterworfenen Hüters des Haushaltsrechts.“61 2. Der Reichssparkommissar Eine der prägendsten Figuren für den Reichsrechnungshof in der Weimarer Zeit ebenso wie in den ersten Jahren des nationalsozialistischen Regimes war der ehemalige preußische Finanzminister Friedrich Ernst Moritz Saemisch. Er wurde am 7. Oktober 1922 zum Präsidenten des Reichsrechnungshofes ernannt und hatte dieses Amt sechzehn Jahre lang inne. Obgleich Fachkompetenz und Integrität des Rechts- und Staatswissenschaftlers allgemein anerkannt wurden, war er innerhalb seiner Behörde nicht unumstritten. Viele Mitglieder des Reichsrechnungshofes kritisierten seinen Hang zu einem autoritären Führungsstil, den Saemisch in Form einer präsidialen Geschäftsordnung, die das Kollegialitätsprinzip aushebelte, beharrlich durchzusetzen versuchte.62 Erfolg hatte er damit erst nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Mit der Zweiten Novelle der Reichshaushaltsordnung 1933, an der Saemisch federführend beteiligt war, wurde der Präsident mit zahlreichen neuen Machtbefugnissen ausgestattet, die ihm unter anderem den Erlass einer neuen Geschäftsordnung gestatteten. Am Ende seiner Amtszeit war der Reichsrechnungshof eine de facto monokratisch strukturierte Behörde.63 Reichsweite Bekanntheit erlangte Saemisch jedoch nicht als Reichsrechnungshof-Präsident, sondern als Reichssparkommissar. Nachdem verschiedene Versuche der Reichsregierung gescheitert waren, über Sparkommissionen und Ähnliches messbare Einsparungen im Haushalt zu erreichen, wurde 1922 das Amt des Sparkommissars geschaffen. Dieser sollte „den gesamten Haushalt nach Einsparmöglichkeiten durchforsten, der Reichsregierung über das Ergebnis seiner Prüfung gutachtlich berichten und konkrete Einsparungsvorschläge unterbreiten (…).“64 Am 28. November 1922 ersuchte das Kabinett Saemisch, die Aufgabe zu übernehmen, die dieser als „behördliche Stelle auf Vertrauen“65 annahm. Bald hatte der Reichsrechnungshof-Präsi61 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 82. 62 Vgl. Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (Fn. 54), S. 79 f. 63 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 111 f. 64 Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (Fn. 54), S. 81. 65 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 75.

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dent in seiner neuen Funktion eine bedeutende Rolle in der Finanzpolitik des Reiches inne. Ab Ende 1923 nahm er als Berater mit Antragsrecht an den Kabinettssitzungen teil.66 Von 1929 bis 1933 erstattete der Reichssparkommissar 440 Gutachten und gutachtliche Äußerungen und beriet zudem die Reichsregierung bei organisatorischen und finanziellen Fragen. Er war dabei an keinerlei Weisungen gebunden, sondern sprach im eigenen Namen.67 Bis Anfang der Dreißigerjahre wuchs sein Stab auf über dreißig Mitarbeiter an, die im sogenannten Sparbüro in Berlin arbeiteten, was unweigerlich zu einer Konkurrenzsituation mit dem Reichsrechnungshof führte, die Saemisch bewusst in Kauf nahm: „Für Saemisch bot das monokratisch organisierte Sparbüro eine größere Chance zur Profilierung als der kollegial arbeitende Rechnungshof, der sich hauptsächlich mit der nachträglichen Überprüfung finanzieller Maßnahmen begnügte, während sich das Sparbüro auf die Verbesserung der laufenden Verwaltungsgeschäfte konzentrieren konnte.“68 Dennoch gelang es nicht, das Amt des Reichssparkommissars gesetzlich zu verankern. Es blieb stets bei den von der Reichsregierung im Einvernehmen mit Saemisch verabschiedeten Richtlinien zur Tätigkeit des Reichssparkommissars von 1926 / 27.69 Zum 1. April 1934 schließlich wurde das Sparbüro aufgelöst. Seine Aufgaben gingen auf die neu eingerichtete Präsidialabteilung des Reichsrechnungshofes über.70 Damit war der Reichssparkommissar Geschichte, blieb jedoch – wie wir heute wissen – mehr als eine historische Episode. Die oben erwähnten Richtlinien aus der Weimarer Zeit dienten 1952 als Grundlage für die Richtlinien über den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. V. Der Reichsrechnungshof im Nationalsozialismus Da sich der Aufsatz von Hermann Butzer in dieser Festschrift bereits ausführlich mit der Rolle des Reichsrechnungshofes in der Zeit des Nationalsozialismus befasst, soll an dieser Stelle nur kurz in Form eines Überblicks darauf eingegangen werden. 66

Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 89. Vgl. Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 76. 68 Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (Fn. 54), S. 86. 69 Vgl. Hermann Butzer, Der Reichssparkommissar (Fn. 52), S. 78 f., 84 f. 70 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 92. 67

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Kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wurde das „Ermächtigungsgesetz“71 erlassen, das es der neuen Reichsregierung unter anderem gestattete, alleine die Feststellung des Haushaltsplans und Kreditaufnahmen zu beschließen. Eine Entlastung durch den Reichstag entfiel, die Regierung – so schrieb es bald darauf die Zweite Novelle der Reichshaushaltsordnung fest – entlastete sich forthin selbst. Eine Farce, die de facto bedeutete, dass ab 1933 kein Entlastungsverfahren mehr stattfand.72 Für den Reichsrechnungshof bedeutete die Ausschaltung des Parlaments den Wegfall eines der Hauptadressaten seiner Bemerkungen. Als 1934 infolge des „Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches“, welches die Hoheitsrechte der Länder auf das Reich übertrug, auch der Reichsrat aufgelöst wurde, war jedes externe Entlastungsorgan zur Vorlage der Bemerkungen ausgeschaltet. Die Monita des Reichsrechnungshofes gingen nun ausschließlich an das (ebenfalls stark an Einfluss verlierende) Reichsfinanzministerium – und verschwanden dort oft genug in der Schublade.73 1. Arbeitsalltag unter dem Hakenkreuz Vor 1933 zeigten nur wenige Reichsrechnungshof-Angehörige offene Sympathien für den Nationalsozialismus. Zwar bestand seit 1932 eine nationalsozialistische Arbeitsgemeinschaft mit zwölf sogenannten „Alten Kämpfern“74 beim Reichsrechnungshof, eine „Eintrittswelle“ der Belegschaft in die NSDAP lässt sich jedoch erst nach dem Machtwechsel feststellen. Die Mehrheit der Beamten wurde demnach aus Opportunismusgründen Parteimitglied, eine Minderheit trat der Partei weder zu Beginn der NSHerrschaft noch später bei.75 Von einer Entlassung jüdischer oder politisch missliebiger Beamter ist nichts bekannt.76 Überhaupt verweisen die (nicht 71 Offizielle Bezeichnung: Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, RGBl. I 1933 S. 141. 72 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 107, 109. 73 Vgl. Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (Fn. 54), S. 205 sowie Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 87. 74 Bezeichnung für Personen, die bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 Mitglieder der NSDAP waren. 75 Vgl. Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege – der Rechnungshof des Deutschen Reiches 1938 bis 1946, Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung, Bd. 69, Opladen 1993, S. 76 f. 76 Das legen zumindest die erhaltenen Personalakten sowie Aussagen des RRHMitarbeiters Otto Bornmann nahe, der bei Weinert äußerte, das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, RGBl. I 1933 S. 175, habe

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vollständig erhaltenen) Personalakten des Reichsrechnungshofes auf eine recht „durchschnittliche“ politische Involviertheit der Belegschaft. Die Reichsrechnungshof-Mitarbeiter legten ein systemkonformes Mitläuferverhalten an den Tag, ausgeprägter Fanatismus lässt sich kaum, aktiver Widerstand gar nicht konstatieren.77 Insgesamt stellte der Reichsrechnungshof für Nationalsozialisten, die an einer Karriere interessiert waren, zu keinem Zeitpunkt eine reizvolle Anlaufstelle dar. Die einzige dezidiert parteipolitisch motivierte Stellenbesetzung, die während der NS-Zeit erfolgte, war diejenige des Präsidenten. 1938 wurde der inzwischen 68 Jahre alte Saemisch pensioniert und durch den überzeugten Nationalsozialisten Dr. Heinrich Müller ersetzt. Und selbst dieser betrieb während seiner siebenjährigen Amtszeit keine erkennbare Personalpolitik zugunsten von Parteimitgliedern.78 Er konzentrierte seinen Ehrgeiz vielmehr darauf, die Institution Reichsrechnungshof aus ideologischen und machtpolitischen Gründen zu einer „Führerbehörde“ umzuwandeln.79 2. Rechnungsprüfung im Zweiten Weltkrieg Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 musste der Reichsrechnungshof ein ums andere Mal um seine Daseinsberechtigung in den Augen der nationalsozialistischen Machthaber fürchten. Präsident Müller setzte daher alles daran, seine Behörde als „kriegswichtig“ zu profilieren, und lenkte bereits frühzeitig die Konzentration auf örtliche Prüfungen und Beratungen beim Verwaltungsaufbau in den besetzten Gebieten.80 Zudem setzte er auf „Korruptionsjagd“, welche die Prüfer sowohl in den besetzten Gebieten als auch im sogenannten Altreich betrieben – je weiter der Krieg voranschritt, umso intensiver.81 Mit dieser Strategie sicherte er das Überleben des Reichsrechnungshofes, nahm jedoch gleichzeitig die dramatische Aushöhlung der Unabhängigkeit der Behörde und damit der zentralen im RRH auf keinen Beamten angewendet werden müssen; vgl. Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 76 f. 77 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 183; Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 77 f. 78 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 183; Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 74 f. 79 Zur Sicht Müllers auf die Behörde Reichsrechnungshof als „Führerbehörde“ vgl. Heinrich Müller, Die staatsrechtliche und staatspolitische Stellung des Rechnungshofes im Dritten Reich, Finanzarchiv (N. F.) 1940 (7), S. 199 (202); vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 140. 80 Vgl. Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 80 f. 81 Vgl. Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 142 f., 162.

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Grundlage für eine sinnvolle Finanzkontrolle in Kauf: „Die Prüfungspraxis des Reichsrechnungshofes nach 1942 war von folgenden Kriterien bestimmt: fast völliger Verzicht auf örtliche Prüfungen im Altreich, weitgehender Verzicht (…) auf die Rechnungslegung, Verzicht auf die Vorprüfung, großzügiges Entgegenkommen (…) bei Anträgen der Verwaltung auf Erleichterungen in der Rechnungslegung, Beschränkung auf Prüfungserinnerungen, soweit diese von ,erheblicher oder grundsätzlicher Bedeutung‘ waren, Überlassung der Prüfungserinnerungen den Verwaltungen zur ‚selbständigen Erledigung‘, Erörterung der Monita (…) an Ort und Stelle.“82 Die größte Aktivität entwickelte der Reichsrechnungshof in den besetzten Gebieten. 1938 / 39 wurde mit der Eingliederung Österreichs und der Besetzung des Sudetenlandes der Geltungsbereich der Reichshaushaltsordnung wie selbstverständlich auf diese Gebiete ausgedehnt. Reichsrechnungshof und Reichsfinanzministerium kamen überein, „daß es zur Einführung der Reichshaushaltsordnung und der übrigen Ordnungen in den neu zum Reich getretenen Gebieten besonderer Vorschriften nicht bedürfe, daß vielmehr diese Reichsvorschriften und Bestimmungen ohne Weiteres gelten, soweit die Einnahmen und Ausgaben, die in diesen Gebieten angenommen oder geleistet werden, Haushaltseinnahmen oder -ausgaben des Reichs darstellten.“83 Diese Regelung fand auf alle Gebiete Anwendung, die in der Folge vom nationalsozialistischen Deutschland besetzt wurden, was sich auch in der Gründung neuer Außenstellen des Reichsrechnungshofes, unter anderem in Wien, Metz und Posen, niederschlug. Die Arbeit der Prüfer in den besetzten Gebieten konzentrierte sich neben der Beratung beim Verwaltungsaufbau auf die Überprüfung solcher Stellen, die sich mit dem sogenannten „Juden- und Feindvermögen“ beschäftigten oder „kriegswichtige“ Baumaßnahmen durchführten, da man hier eine erhöhte Gefahr der Bildung von Sonderfonds und Korruption vermutete.84 Gerade über diese Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung wurden die Beamten „mit der budgetären Seite der nationalsozialistischen Ausbeutungsund Vernichtungspolitik konfrontiert.“85 Damit trugen sie – wenn auch indirekt – zu ihrer Umsetzung bei.86 82

Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 82. Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt. Der Reichsrechnungshof im NS-Staat und die Neuordnung der staatlichen Finanzkontrolle im demokratischen Nachkriegsdeutschland, Berlin 1988, S. 88 f. 84 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 151. 85 Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 183 f.; eine Reihe charakteristischer Beispiele liefert Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), S. 149–162. 86 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 184. 83

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3. Das Ende des Reichsrechnungshofes In den letzten Kriegsmonaten schrumpfte der Wirkungsbereich des Reichsrechnungshofes aufgrund der militärischen Lage drastisch zusammen. Mit dem Vorrücken der Alliierten stellten die inzwischen sieben Außenstellen nach und nach ihre Tätigkeit ein.87 Am 4. Mai 1944 gab der Reichsrechnungshof seine letzte Denkschrift (für das Haushaltsjahr 1940) heraus. Kurz darauf setzte Joseph Goebbels, der zum Reichsbevollmächtigten für den totalen Kriegseinsatz ernannt worden war, einen Planungs- und Exekutivausschuss ein, der „kriegsunwichtige“ Verwaltungen des Altreichs stilllegen sollte. Der Reichsrechnungshof blieb – auch aufgrund von Fürsprache aus der Reichskanzlei – erhalten, da er für die Bekämpfung der Korruption als unverzichtbar angesehen wurde. Dementsprechend konzentrierte sich die Tätigkeit der Behörde in den letzten Kriegsmonaten nahezu ausschließlich auf Korruptionsahndung.88 Präsident Müller ernannte die Einhaltung von „Sauberkeit und Lauterkeit in der Verwaltung“ zur Chefsache und verlangte, laufend über schwerwiegende Feststellungen aus Prüfungen informiert zu werden.89 Dieser Zwangsaktionismus konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zusammenbruch kurz bevorstand. Die Belegschaft des Reichsrechnungshofes versuchte bis zuletzt, einen „normalen“ Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Die letzten Hausnachrichten vom Januar 1945 enthielten die Namen von bei Bombenangriffen ums Leben gekommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie die üblichen Beförderungs- und Ruhestandsanzeigen.90 Die bedrückende, beinahe schon surreal anmutende Situation in den letzten Wochen vor dem Einmarsch der Roten Armee in Potsdam schilderte der damals als Ministerialrat beim Reichsrechnungshof tätige Werner Friedrich in seinen Erinnerungen: „Seine Gedanken und Befürchtungen behielt – außer im engsten Familienkreise – jeder für sich. Denn noch immer wurde von den nationalsozialistischen Machthabern die Fiktion des ‚Endsieges‘ aufrechterhalten. (…) Aber auch bei den Parteifunktionären unter der Beamtenschaft des Rechnungshofes war die befohlene Zuversicht in den glücklichen Ausgang des Krieges einer gedrückten Stimmung gewichen. Sie traten weniger selbstsicher auf, als man es bis dahin von ihnen gewohnt gewesen war. Auch der noch jugendlich wirkende Präsident des Rechnungshofes, Dr. Hein87

Vgl. Vgl. S. 142 ff. 89 Vgl. S. 146 ff. 90 Vgl. 88

Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 178. Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), Rainer Weinert, Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege (Fn. 75), Bundesarchiv R 2301-7983.

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rich Müller (…), hatte, wie sich bei den Besprechungen mit den Mitgliedern des Rechnungshofes zeigte, seine frühere Munterkeit verloren und wahrte offensichtlich nur noch mühsam die äußere Haltung.“91 Als die sowjetischen Truppen am 27. April 1945 Potsdam erreichten, brachte Müller sich und seine Familie um. Als letzte Einrichtung des Reichsrechnungshofes schloss am 8. Mai 1945 – dem Tag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs – die Außenstelle Dresden, die zuletzt in Werdau bei Zwickau untergebracht war. VI. Neuanfang nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs etablierten die vier Siegermächte in ihren jeweiligen Besatzungszonen ein System, dem die eigenen politisch-ideologischen Vorstellungen zugrunde lagen. Die externe Finanzkontrolle wurde dabei durchaus nicht von allen als Notwendigkeit angesehen.92 Namentlich die neuen sowjetischen Machthaber in Potsdam machten rasch deutlich, dass sie keine Verwendung für eine Behörde wie den Reichsrechnungshof und das zugehörige Personal hatten. In der Folge flüchteten viele von ihnen in den Westen, wo sie – da die Rechnungsprüfer gemeinhin als politisch unbelastet galten – oftmals ihre Tätigkeit nahezu nahtlos in einem der neu entstehenden Rechnungshöfe wieder aufnehmen konnten.93 1. Die Entwicklung in den westlichen Besatzungszonen In allen westlichen Besatzungszonen entstanden kurz nach Kriegsende wieder Rechnungshöfe. Während Franzosen und Amerikaner unabhängige Rechnungsprüfungsbehörden auf Landesebene gestatteten, legten die Briten den aus der Hamburger Außenstelle des Reichsrechnungshofes hervorgegangenen „Rechnungshof des Deutschen Reiches – Britische Zone“ zentralistisch an. Gerade aus diesem Grund wurde er zur Keimzelle für den späteren Bundesrechnungshof, da er als einziger eine zentrale, länderübergreifende Zuständigkeit hatte.94 91

Bundesarchiv R 2301-13182. Vgl. hierzu Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 62 ff. 93 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 189 und S. 221. 94 Vgl. Hermann Dommach, Rechnungshöfe nach 1945 I – Zur Gründungsgeschichte des Bundesrechnungshofs, in: Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung: Entwicklung und Bedeutung der Rechnungshöfe im 20. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 77 (91). 92

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Der sogenannte „Zonenrechnungshof“ nahm am 21. Juli 1945 unter dem ehemaligen Leiter der Reichsrechnungshof-Außenstelle Hamburg, Franz Haaser, seine Arbeit auf. Mit der Verordnung Nr. 62 der Militärregierung wurde am 1. Dezember 1946 schließlich offiziell ein Rechnungshof für die Britische Zone errichtet. Dieser hatte „innerhalb der britischen Besatzungszone die Vollmachten, Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten des früheren Rechnungshofes des Deutschen Reiches und der Preußischen Oberrechnungskammer des früheren Staates Preußen [die bis zur offiziellen Auflösung Preußens 1947 weiterhin fortbestand; Anmerkung der Autorin], soweit dies mit den Verordnungen und Anweisungen der Militärregierung im Einklang ist.“95 Das Personal des neuen Rechnungshofes stammte aus der Außenstelle Hamburg selbst oder aus der Potsdamer Zentrale, bis 1947 wuchs die Belegschaft auf 327 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.96 Im Sommer 1946 erfolgte der Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Besatzungszone zum Vereinigten Wirtschaftsgebiet, dessen Verwaltung 1947 in Frankfurt / Main konzentriert wurde. Auch für diese sogenannte Bizone sollte es einen eigenen Rechnungshof geben, der per Gesetz am 3. November 1948 errichtet wurde und zu Beginn des Jahres 1949 seine Tätigkeit aufnahm. Doch er blieb eine Übergangslösung.97 Die Arbeitsbedingungen waren von Anfang an widrig. Am Sitz der Behörde in Frankfurt / Main konnte wegen Raummangels zunächst nur eine Geschäftsstelle eingerichtet werden. Der Großteil der Belegschaft, der aus dem „Zonenrechnungshof“ stammte, musste zunächst in Hamburg bleiben. Bis zur endgültigen Übersiedlung im Herbst 1949 war das Personal gleichzeitig für die dortige Abwicklungsstelle des „Zonenrechnungshofes“ bzw. den ab dem 30. Mai 1949 daraus hervorgegangenen „Rechnungshof für Sonderaufgaben“ tätig.98 Zu diesem Zeitpunkt war bereits beschlossen worden, dass der Rechnungshof im Vereinigten Wirtschaftsgebiet von einer neuen Einrichtung abgelöst werden würde: dem Bundesrechnungshof. 2. Festschreibung im Grundgesetz und Errichtung des Bundesrechnungshofes Mit dem Zusammenschluss der westlichen Besatzungszonen zur Bi- und wenig später zur Trizone zeichneten sich die wesentlichen Konturen eines westdeutschen Staates bereits deutlich ab. 1948 erhielten die Ministerpräsi95 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 92. 96 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 189. 97 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 196 ff. 98 Vgl. Hermann Dommach, Rechnungshöfe nach 1945 (Fn. 94), S. 85.

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denten der westdeutschen Länder vonseiten der jeweiligen Militärgouverneure den Auftrag, ein Grundgesetz für die neu zu gründende Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. Diese Aufgabe übernahm der Parlamentarische Rat, von dem das Grundgesetz beraten und am 23. Mai 1949 feierlich verabschiedet wurde. Artikel 114 schreibt die verfassungsmäßige Garantie für einen Rechnungshof fest.99 Damit wurde „erstmals in der deutschen Verfassungsgeschichte eine institutionelle Garantie der Rechnungsprüfung und des Rechnungshofes normiert.“100 Die Aufgaben des späteren Bundesrechnungshofes übernahm zunächst noch der bereits erwähnte Rechnungshof im Vereinigten Wirtschaftsgebiet. Am 27. November 1950 trat schließlich rückwirkend zum 1. April 1950 das „Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes“ in Kraft, das diesen als gegenüber der Bundesregierung selbstständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Bundesbehörde definierte. Teile des Gesetzes stießen jedoch auch auf Kritik, vor allem das in § 2 erklärte Beibehalten der Reichshaushaltordnung [mit der Einschränkung „soweit sie nicht dem Grundgesetz widerspricht“; Anmerkung der Autorin], was nicht zuletzt den Fortbestand der quasipräsidialen Verfassung des Reichsrechnungshofes für den Bundesrechnungshof festschrieb.101 Ansonsten jedoch bedeuteten Artikel 114 Grundgesetz und das Gesetz über die Errichtung des Bundesrechnungshofes einen Neuanfang. Und dies nicht nur mit Blick auf den (institutionellen, nicht jedoch personellen) Bruch, der gegenüber der Zeit des Nationalsozialismus vollzogen wurde. Auch mit Blick auf die sehr viel weiter zurückreichende Geschichte der Finanzkontrolle ließ sich ein „neuer Geist“ erkennen: Bis zu diesem Zeitpunkt fühlten sich die deutschen Rechnungsprüfungsbehörden eher der Exekutive denn dem Parlament verpflichtet. Diese Haltung hat sich nach 1945 grundsätzlich gewandelt. Der Bundesrechnungshof wurde zu einem festen Bestandteil der bundesrepublikanischen Demokratie.102 3. Die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR Eine gänzlich andere Entwicklung nahm die Finanzkontrolle in der sowjetischen Besatzungszone, aus der am 7. Oktober 1949 die Deutsche Demokratische Republik hervorging. Auch zu diesem Thema gibt es in dieser 99

Vgl. Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 97. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 201. 101 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 204. 102 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 226. 100

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Festschrift zwei weitere, ausführliche Aufsätze: Patrick Schröter beleuchtet die externe Finanzkontrolle in der DDR von der Gründung bis in die Zeit des Mauerfalls. Der ehemalige Präsident des Bundesrechnungshofes Heinz Günter Zavelberg befasst sich mit der Zeit der Wiedervereinigung und der Zusammenführung von Bundesrechnungshof und Staatlicher Finanzrevision. Vor diesem Hintergrund sollen hier nur einige Eckdaten genannt werden. Aufbau und Entwicklung der externen Finanzkontrolle in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR standen in keiner Kontinuität zur bis dahin auf deutschem Boden gewachsenen, historischen Entwicklung. Sie orientierten sich vielmehr am Modell der Sowjetunion und der dort praktizierten Planwirtschaft, in der die Finanzkontrolle durch das Finanzministerium und die Staatsbank durchgeführt wurde. Dabei gab das Finanzministerium genaue Anweisungen für die Aufstellung der Etatansätze und empfing Rechenschaftsberichte von den nachgeordneten Behörden über die Erfüllung des Staatshaushaltsplanes im abgelaufenen Wirtschaftsjahr. Ergänzt wurde diese Haushaltskontrolle durch eine von der Staatsbank ausgeübte laufende Finanzkontrolle.103 Mit diesem Modell vor Augen wurden 1950 beim Ministerium für Finanzen der DDR eine „Abteilung Haushaltskontrolle“ eingerichtet, eine neue Prüfungspraxis und eine dreistufige Prüfungsorganisation auf nationaler, Länder- und kommunaler Ebene eingeführt. Die erstgenannte „Abteilung Haushaltskontrolle“ setzte sich personell zunächst nahezu ausschließlich aus Berufsanfängern zusammen, da aus ideologischen Gründen nicht auf das Fachpersonal aus dem ehemaligen Reichsrechnungshof und ihm verwandten Behörden zurückgegriffen wurde. In der sowjetischen Besatzungszone hatte man politisch unverdächtiges Personal aus dem Bereich der Rechnungsprüfung zunächst zwar noch weiter beschäftigt, dieses wurde jedoch – gerade auf der Leitungsebene – zunehmend durch linientreue Kräfte abgelöst. Hier zeichnete sich bereits die ideologische Stoßrichtung der kommenden Jahre ab, in der das „klassische“ Verständnis von Rechnungsprüfung als „reaktionär“ gebrandmarkt wurde, das es durch eine geänderte Prüfpraxis zu ersetzen galt. Diese sollte in erster Linie durch mitlaufende Kontrollen die Erfüllung der jeweiligen Haushaltspläne fördern.104 Im November 1952 wurde die „Abteilung Haushaltskontrolle“ in die sogenannte „Verwaltung Finanzrevision“ umgewandelt. Diese war laut dem 1954 erlassenen Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der DDR kein 103 Vgl. Walter Meder, Das Haushaltsrecht in der Sowjetunion, Osteuropa-Recht, S. 149–160; ders., Die Kontrolle der Verwaltungen in der Sowjetunion, Verwaltungsarchiv 1962 (83), S. 267 f. 104 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 229 f., 236; Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 157 f., 164 ff., 175 f.

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unabhängiges Kontroll- und Revisionsorgan. Verantwortlich für die Durchführung der Revisionen war vielmehr der Finanzminister, dem die Zentrale und die Leitung der Revision direkt unterstanden (§ 44 Staatshaushaltsordnung): Er leitete und kontrollierte sie nicht nur, sondern erließ Richtlinien und legte die Schwerpunkte der Revisionstätigkeit fest.105 Damit war die Finanzrevision gegenüber der Regierung abhängig, aber selbstständig gegenüber den zu prüfenden Staats- und Parteiorganen sowie der volkseigenen Wirtschaft.106 Im Vorfeld der Verabschiedung einer neuen Verfassung und einer neuen Staatshaushaltsordnung der DDR im Jahr 1968 wurde am 12. Mai 1967 schließlich die Staatliche Finanzrevision gegründet. Ein interner Beschluss des Ministerrates der DDR legte jedoch noch am selben Tag fest, dass die Staatliche Finanzrevision im Sicherheitsapparat und anderen ausgewählten Bereichen – wie etwa der Kommerziellen Koordinierung unter Alexander Schalck-Golodkowski – keine Prüfungsbefugnisse besaß. Und nicht nur diesbezüglich griff die Politik massiv in die Prüfungstätigkeit der Staatlichen Finanzrevision ein. Auch in der alltäglichen Prüfungspraxis konnten geprüften Betrieben zwar Auflagen erteilt werden, diese blieben jedoch oftmals ohne Konsequenzen, da die SED die Revisoren zurückhielt oder sich anderweitig nach Gutdünken in ihre Arbeit einmischte. Generell diente die Finanzkontrolle in der DDR der Disziplinierung von Funktionären und war somit vor allem ein weiteres Instrument der politischen Führung.107 Diese Verhältnisse änderten sich erst wieder mit dem Sturz des SEDRegimes 1989. Die neue Ministerin der Finanzen und Preise in der Regierung Modrow, Uta Nickel, setzte im Dezember 1989 die Aufhebung der bisher bestehenden prüfungsfreien Räume durch. Bereits ein halbes Jahr später, am 30. Juni 1990, wurde die Staatliche Finanzkontrolle aufgelöst und durch den Rechnungshof der Republik ersetzt, dem ersten unabhängigen Finanzkontrollorgan der DDR. Doch auch dieser Rechnungshof bestand nur drei Monate. Seine Existenz endete – wie die der Republik, deren Namen er trug – mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990. Seine Aufgaben und eine Reihe seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden durch den Bundesrechnungshof übernommen.

105 Vgl. § 44 Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der DDR vom 17. Februar 1954, DDR GBl. 1954 S. 207. 106 Vgl. Hellmut Meier, Die Entwicklung des Haushaltswesens in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Berlin 1960, S. 176 f.; Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 231; Franz Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 2), S. 159 ff. 107 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 237 f.

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VII. Die externe Finanzkontrolle in der Bundesrepublik seit 1949 Die erstmalige Festschreibung eines unabhängigen Rechnungshofes im Grundgesetz unterstrich die Bedeutung, die der externen Finanzkontrolle und ihrer Kontinuität auch in der Bundesrepublik zugemessen wurde. Der Bundesrechnungshof der Fünfziger- und Sechzigerjahre jedoch war nicht derselbe, den wir heute kennen. In den Jahrzehnten bis zur Wiedervereinigung war er einer Reihe verfassungs- und haushaltsrechtlicher Veränderungen unterworfen, die sowohl seine innere Organisation als auch seine Stellung gegenüber dem Parlament noch einmal tief greifend wandelten. Meilensteine auf diesem Weg waren die Haushaltsrechtsreform 1969 sowie die Verabschiedung des Bundesrechnungshofgesetzes 1985.108 1. Haushaltsrechtsreform und Novelle des Artikels 114 Grundgesetz Die noch aus der Weimarer Republik stammende – und in der NS-Zeit mehrfach novellierte – Reichshaushaltsordnung war bis Ende der 1960erJahre Grundlage für das Haushaltswesen von Bund und Ländern sowie für die Finanzkontrolle.109 Dies änderte sich erst mit der Haushaltsrechtsreform, die 1967 mit einer Ergänzung des Artikels 109 Grundgesetz ihren Anfang nahm. Es wurde festgeschrieben, dass Bund und Länder von nun an bei ihrer Haushaltsführung die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse zu berücksichtigen hätten. Unmittelbar danach folgte das „Wachstums- und Stabilitätsgesetz“.110 Zwei Jahre später kam es zur Novellierung des Artikels 114 Grundgesetz. Sie bescherte dem Bundesrechnungshof nicht nur eine explizite Bestandsund Unabhängigkeitsgarantie, sondern auch das lückenlose Prüfungsrecht für die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes sowie eine unmittelbare Berichtspflicht gegenüber dem Parlament.111 Ihren Abschluss fand die Reform mit der Verabschiedung des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der Bundeshaushaltsordnung, die die alte Reichshaushaltsordnung ablöste. 108

Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 240. Vgl. Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland – Etappen der Entwicklung, in: Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 43 (52). 110 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 248. 111 Vgl. Karl Wittrock, Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle I – Das Bundesrechnungshofgesetz im Lichte historischer Rückblende, in: Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung (Fn. 94), S. 155 (166). 109

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Die Bundeshaushaltsordnung ermöglicht es dem Bundesrechnungshof insbesondere Maßnahmenprüfungen durchzuführen (§ 89 Abs. 1 Nr. 2 Bundeshaushaltsordnung). Auf diese Weise kann er finanzrelevante Entscheidungen der Regierung prüfen, bevor die tatsächlichen Ausgaben angefallen sind. Mit dem Verfassungsauftrag, die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen, war endgültig der Schritt von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle vollendet.112 Die §§ 88 und 99 der Bundeshaushaltsordnung unterstreichen zudem den Kontakt zwischen Bundesrechnungshof und Legislative. Hiernach kann der Bundesrechnungshof Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung jederzeit über Prüfungsergebnisse von besonderer Bedeutung unterrichten. Außerdem ist es ihm möglich, auf Grundlage seiner generellen Prüfungsergebnisse Legislative und Exekutive bei finanziell bedeutenden Maßnahmen oder wichtigen Gesetzesvorhaben zu beraten.113 2. Das Bundesrechnungshofgesetz von 1985 Trotz dieser bedeutsamen Veränderungen durch die Haushaltsrechtsreform blieb das Bundesrechnungshofgesetz von 1950 zunächst unberührt. So wurden zwar die Grundlagen für die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes neu geregelt, seine Organisation und innere Verfassung blieben jedoch auf dem alten Stand.114 Erst 1984 wurde mit der Ausarbeitung eines neuen Gesetzes über den Bundesrechnungshof begonnen. Ein Jahr später, am 20. Juli 1985, trat es schließlich in Kraft. Zu den zentralen Änderungen, die das neue Gesetz über den Bundesrechnungshof mit sich brachte, gehörte zunächst die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat: „Während in der Vergangenheit das Parlament rechtlich keinen Einfluß auf ihre Bestellung hatte, (…) macht das Bundesrechnungshofgesetz ihre Ernennung von einem einvernehmlichen Zusammenwirken zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat abhängig. (…) Der gefundene Kompromiss, wonach Bundestag und Bundesrat auf Vorschlag der Bundesregierung den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes wählen, stellt klar, dass der Bundesrechnungshof weder Teil der Exekutive noch Hilfsorgan des Parlaments ist, sondern als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle bei seiner Aufgabenerfüllung zwischen den Verfassungsorganen steht.“115 112 Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland (Fn. 109), S. 43 (55). 113 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 252 f. 114 Vgl. Karl Wittrock, Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle (Fn. 111), S. 168. 115 Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland (Fn. 109), S. 43 (63 f.).

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Weiterhin bedeutete das Bundesrechnungshofgesetz eine Stärkung des kollegialen Prinzips: Die alleinige Zuständigkeit für Geschäftsverteilung und Personalauswahl lag nun nicht mehr nur beim Präsidenten, sondern auch beim Ständigen Ausschuss des Großen Senats.116 Die organisatorische Struktur des Bundesrechnungshofes wurde zudem dahingehend verändert, dass künftig die Bildung von Ad-hoc-Prüfungsgruppen aus verschiedenen Prüfungsgebieten möglich war, die fächerübergreifende Aufträge bearbeiten können.117 Auch der Einfluss des Bundesrechnungshofes auf die Vorprüfungsstellen wurde ausgebaut. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 4 Bundesrechnungshofgesetz durften deren Leiter nur noch im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof eingesetzt oder abberufen werden. Obwohl dies die Unabhängigkeit der Vorprüfungsstellen von den Behörden, in denen sie angesiedelt waren, stärkte,118 löste es doch nicht die grundlegende Problematik der Vorprüfung: „Sie [die Angehörigen der Vorprüfungsstellen, Anmerkung der Autorin] sollten die Prüfungsgeschäfte ordnungsgemäß und sachgerecht im Sinne des Bundesrechnungshofes erledigen, ohne dem Behördenleiter, dem das Recht der Dienstaufsicht über die Angehörigen der Vorprüfungsstellen oblag, einen Grund zur Beanstandung zu geben oder sogar sein Mißfallen zu erregen.“119 Dieses Dilemma konnte erst mithilfe des sogenannten HaushaltsrechtsFortentwicklungsgesetzes aufgelöst werden. Es ermöglichte eine Ergänzung des Bundesrechnungshofgesetzes dahingehend, dass dem Bundesrechnungshof die Einrichtung von Prüfungsämtern gestattet wurde (§ 20a Bundesrechnungshofgesetz). Dementsprechend wurden zum 1. Januar 1998 anstelle der ehemals 75 Vorprüfungsstellen neun Prüfungsämter des Bundes errichtet. Sie unterliegen sowohl der Dienst- als auch der Fachaufsicht des Bundesrechnungshofes und sind an seine Weisungen gebunden.120 VIII. Resümee Im Jahr 2014 blickt die externe Finanzkontrolle in Deutschland auf eine dreihundertjährige Entwicklung zurück. Eine solche institutionelle Kontinuität sucht – wenngleich sie durchaus nicht immer bruchlos verlief und verlaufen konnte – ihresgleichen. Gerade vor diesem Hintergrund wird 116

Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 262. Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 263. 118 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 292. 119 Herbert Rischer, Zur Neuorganisation des Bundesrechnungshofes – Die Wahrnehmung von Prüfungsaufgaben durch Rechnungsprüfungsämter, in: Verwaltungsrundschau 1999, S. 266. 120 Vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 28), S. 292. 117

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deutlich, dass sie – wie der vorliegende Text gezeigt hat – als interessante Quelle für die Geschichtsschreibung dienen kann, da sie fester Bestandteil aller relevanten politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit der Zeit des Absolutismus gewesen ist. Kehren wir zum Ende der historischen Betrachtung also noch einmal an den Anfang und zu Theodor Heuss zurück, der 1953 ausführte: „(…) wer die Akten des Rechnungshofes nach ihrem symptomatischen Charakter durch bald 250 Jahre studieren würde (…), würde die innere Staats- und Volksgeschichte finden können, das Hin und Her im unmittelbaren Aufgabenkreis des Staates, Vormarsch oder Rückzug des Staates in den wirtschaftlichen, sozialen Bereichen, Interventionalismus der öffentlichen Hand in den verschiedenen Stufungen, Beschränkung auf das unmittelbar Mäßige, ein sehr weites Feld.“121 Diese Aussage hat heute, sechs Jahrzehnte später, nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Auch in der Gegenwart lohnt es sich, einen Blick auf die Geschichte des Rechnungshofes und seiner Vorgänger zu werfen, um innerhalb dieses Bezugsrahmens seine gegenwärtige Rolle besser verstehen und diese Erkenntnisse für seine zukünftige Entwicklung fruchtbar machen zu können.

121 Friedrich von Pfuhlstein, Von der preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 1), S. 108.

„Seinen Auftrag leitet er unmittelbar vom Führer ab“ Der Rechnungshof des Deutschen Reiches in der Zeit von 1933 bis 1945 Hermann Butzer I. Einleitung Zu Aufgabe, Tätigkeit und Funktion des Rechnungshofes im NS-Staat stehen derzeit recht gegensätzlich anmutende Einschätzungen nebeneinander. Kurt Heinig1 etwa, von 1927 bis 1933 Mitglied der SPD-Fraktion im Deutschen Reichstag, Finanzexperte der Partei und Mitglied des Haushaltsausschusses, ab Juni 1933 im Exil in Dänemark und Schweden, spricht in seinem Klassikerwerk „Das Budget“ (1951) von einem „Abstieg“, der dem Rechnungshof in der nationalsozialistischen Zeit widerfahren sei und der ihn als bloße „Registrier- und Revisionsmaschine“ habe überleben lassen, und Reinhold Borzikowsky2 konstatiert einen „Niedergang“ „im Strom der Ereignisse“, die Voten des Rechnungshofes seien „im Grunde bedeutungslos“ geworden. Rainer Weinert,3 der die bis heute tiefgründigste und gedankenreichste Untersuchung zur Rechnungshofgeschichte ab 1938 geliefert hat, meint hingegen, dass es dem Rechnungshof in den Kriegsjahren nicht nur gelungen sei „zu überwintern“, sondern dass er „auf mittlerer Ebene eine gewisse politische und administrative Bedeutung“ habe „konservieren“ können. Noch weiter geht schließlich in seiner ebenfalls grundlegenden Dissertation das frühere Rechnungshofmitglied Hermann A. Dom1

129.

Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I, Die Budgetkontrolle, Tübingen 1949, S. 124,

2 Reinhold Borzikowsky, Finanzkontrolle und Rechnungsprüfungswesen – Die Zeit des Nationalsozialismus, in: Jeserich / Pohl / v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte – Bd. IV, Das Reich als Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart 1985, S. 883 (888). 3 Rainer Weinert, „Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege“ – Der Rechnungshof des Deutschen Reiches 1938–1946, Opladen 1993, S. 144. Im Befund ähnlich: Franz-Otto Gilles, Hauptsache sparsam und ordnungsgemäß – Finanz- und Verwaltungskontrolle in den während des Zweiten Weltkriegs von Deutschland besetzten Gebieten, Opladen 1994, S. 132 f.

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mach4 mit dem Urteil, dass es dem Rechnungshof über die ganze nationalsozialistische Zeit hinweg gelungen sei, seine im Verhältnis zur Weimarer Zeit erlittenen Kompetenzverluste auszugleichen, sodass er weiterhin eine „durchaus“ bedeutende Rolle innegehabt habe („weder Resignation noch eine Verkümmerung […] festzustellen“). 1. Überblick zu den bisherigen Forschungsarbeiten Derart unterschiedliche Bewertungen erklären sich aus der Forschungslage. Denn eine breit angelegte, unter systematischer Aufarbeitung der heute verfügbaren Aktenbestände gefertigte Behördengeschichte für den Rechnungshof des Deutschen Reiches der Jahre 1933 bis 1945 ist immer noch ein Desiderat. Das erschließt sich schnell, sieht man auf die bisherigen Untersuchungsfelder und Untersuchungstiefen: Nach der zeitzeugenhaften Darstellung Kurt Heinigs (1951)5 haben zunächst das Rechnungshofmitglied Friedrich von Pfuhlstein (1964)6 anlässlich der 250-Jahr-Feier der Errichtung der Preußischen Generalrechenkammer und Friedrich Klein7 in einem Festschriftbeitrag (1975) mit noch eher kursorischen Darstellungen der Geschichte des Rechnungshofes in den Jahren nach 1933 den Anfang gemacht. Erst zwischen 1985 und 1993 ergab sich sodann aus einer Kooperation des ehemaligen Bundesrechnungshofpräsidenten Karl Wittrock (1978– 1985) mit dem Berliner Soziologen Theo Pirker8 eine intensivere Beschäf4 Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt – Der Reichsrechnungshof im NS-Staat und die Neuordnung der staatlichen Finanzkontrolle im demokratischen Nachkriegsdeutschland, Berlin 1988, S. 127 ff., insbesondere S. 128, 131. 5 Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 122–136. 6 Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung – Zur zweihundertfünfzigjährigen Wiederkehr der Preußischen Generalrechenkammer, Frankfurt a. M. 1964, S. 7–127 (zur NS-Zeit: S. 82–91). Hierauf stützt sich wiederum Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung, Berlin 1972 (zur NS-Zeit: S. 79–81). 7 Friedrich Klein, Die Finanzkontrolle im nationalsozialistischen Staat, in: Schiffer / Karehnke (Hrsg.), Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle, Festschrift für Hans Schäfer, Köln 1975, S. 209–232. 8 Zu Theo Pirker (gest. 1995) siehe www.wikipedia.org (Suchbegriff: „Theo Pirker“). Pirker hatte seit 1972 eine Professur am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin für empirische Methodenlehre und Statistik inne. In dieser Zeit betrieb er u. a. das von der VW-Stiftung geförderte zeitgeschichtliche Forschungsprojekt „Geschichte und Bedeutung der Finanzkontrolle und ihrer Behörden im Nachkriegsdeutschland (Westzonen)“, aus dem zunächst ein Sammelband mit Beiträgen von Gilles (Fn. 24), Dommach (Fn. 9) und Weinert (Fn. 11) und sodann Monografien dieser drei (vgl. Fn. 3, 4 und 10) sowie weitere Veröffentlichungen insbe-

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tigung mit dem Thema. Aus diesem Anstoß resultieren mehrere, allesamt aus dem früheren Berliner Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin stammende Arbeiten (Dommach,9 Gilles,10 Weinert11). Dommach und Weinert haben dabei erstmals auch Archivmaterialien ausgewertet. Nach einer wiederum längeren Pause hat im Jahre 2009 Jens Bögershausen12 eine teilweise auch die NS-Zeit betreffende Dissertation vorgelegt, freilich ohne Zugriff auf Archivmaterial (und mithin wesentlich gestützt auf Dommach und Weinert). Neue ereignisgeschichtliche Erkenntnisse vermittelt dagegen eine jüngste Forschungsarbeit (2012) von Reinhard Heydenreuter,13 die sich mit dem Bayerischen Obersten Rechnungshof bzw. der späteren Außenstelle München des Reichsrechnungshofes im Dritten Reich (seit 1. April 1937) beschäftigt. Schließlich sind im Kontext noch drei kleinere Untersuchungen von Butzer,14 Störring15 und Dommach16 zu nennen, die sondere von Gilles und Weinert zu Fragen der Kontinuität der Finanzkontrolle und ihrer Behörden auf Bundes- und Länderebene nach 1945 hervorgegangen sind. 9 Hermann A. Dommach, NS-Staat I – Der Funktionsverlust des Reichsrechnungshofs in den Vorkriegsjahren, in: Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung – Entwicklung und Bedeutung der Rechnungshöfe im 20. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 51 ff.; ders., Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4). Wesentliche Ergebnisse für den Zeitraum 1933–1938 finden sich auch bei dems., Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (1922 bis 1938), in: Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 65–113. 10 Franz-Otto Gilles, Die verkannte Macht – Determinanten der Nachkriegsgeschichte der Institution Rechnungshof, Berlin 1986, 398 Seiten (zur NS-Zeit: S. 55– 61); ders., Hauptsache sparsam und ordnungsgemäß (Fn. 3). 11 Rainer Weinert, NS-Staat II – Wie ein „Veilchen im Verborgenen“ – Der Rechnungshof des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg, in: Pirker (Fn. 9), S. 51 ff.; ders., Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3). 12 Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel – Von der klassischen Rechnungsprüfung zur modernen Finanzkontrolle, Bamberg 2009 (zur NS-Zeit: S. 104–184, partiell auch S. 299–323). Unergiebig für die historische Forschung ist hingegen Philipp Bergel, Rechnungshöfe als vierte Staatsgewalt? – Verfassungsvergleich der Rechnungshöfe Deutschlands, Frankreichs, Österreichs, Spaniens, des Vereinigten Königreichs und des Europäischen Rechnungshofs im Gefüge der Gewaltenteilung, Göttingen 2010. 13 Reinhard Heydenreuter, Finanzkontrolle in Bayern unterm Hakenkreuz 1933– 1945 – Der Bayerische Oberste Rechnungshof und die Außenstelle München des Rechnungshofs des Deutschen Reiches, hrsg. vom Bayerischen Obersten Rechnungshof, München 2012. 14 Hermann Butzer, Der Reichssparkommissar in der Weimarer Republik, in: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), 50 Jahre Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart u. a. 2002, S. 54–112 (einschlägig S. 101–110).

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einem Seitenthema gelten, nämlich der seit 1922 beim Präsidenten des Reichsrechnungshofes bzw. seit 1934 in der Präsidialabteilung angesiedelten Aufgabe des Reichssparkommissars. Eine wirklich flächendeckende Untersuchung und Auswertung der Archivalien des Reichsrechnungshofs (Bundesarchiv Berlin, Bestand R 23.01), die auch ergänzende Bestände, insbesondere diejenigen des Reichsfinanzministeriums (Bundesarchiv Berlin, Bestand R 2) und der Reichskanzlei (Bundesarchiv Berlin, Bestand R 43) sowie die Nachlässe der beiden Präsidenten Saemisch (Bundesarchiv Koblenz, Bestand N 1171) und Müller (Bundesarchiv Berlin, Bestand N 2199) sowie des Vizepräsidenten Mussehl (Bundesarchiv Berlin, Bestand N 2204), in den Blick nimmt, steht jedenfalls genauso aus wie wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit der Arbeit der meisten Außenstellen (Hamburg, Karlsruhe, Leipzig [später nach Dresden verlegt] und München, später zusätzlich Metz, Posen und Wien) in der Zeit vom 1. April 1937 bis Mai 1945. Hier liegt bislang nur für die Außenstelle München die bereits genannte Untersuchung von Heydenreuter vor. 1516

2. Fokus dieses Beitrags: (interner) Funktionswandel 1930–1942 In Anbetracht dieses im Gesamtbild noch übersichtlichen Forschungsstandes erscheinen einhellige Bewertungen zu Entwicklungsgeschichte und Arbeitstätigkeit des Rechnungshofes in der NS-Zeit, gut begründete Einschätzungen zur Frage seines systemischen Beitrags zum Funktionieren, zur Stabilität und damit zur verbrecherischen Politik des NS-Regimes oder auch Schilderungen der Haltungen und Wertvorstellungen seines Personals noch nicht möglich. Ersichtlich aus den bisherigen Forschungsarbeiten ist aber, dass der Rechnungshof in der nationalsozialistischen Zeit einen Aufgabenund in der Folge auch einen bedeutenden Funktionswandel durchgemacht hat. Diesen darzustellen und zu bewerten, soll das (mit Blick auf den noch defizitären Forschungsstand und den zur Verfügung stehenden Raum beschränkte) Ziel des nachfolgenden Festschriftbeitrags sein. Es soll berichtet werden, wie der Rechnungshof in den Jahren nach 1933 seinen Kontrollgegenstand „Staatshaushalt“ ebenso wie seine in der Weimarer Zeit fast universalen Kontrollbefugnisse verloren hat und sich so von einer Verwaltungsund Verfassungskontrollbehörde in eine Einrichtung zurückentwickelt hat, 15 Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofs und seines Präsidenten – Historische Entwicklungen, Rechtsgrundlagen und Praxis, Berlin 2012 (einschlägig: S. 60–71). 16 Hermann A. Dommach, Der Reichssparkommissar Moritz Saemisch in der Weimarer Republik, Frankfurt a. M. u. a. 2012 (einschlägig: S. 41–52).

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die am Vorabend des Krieges im Wesentlichen noch Belegprüfungen und Prüfungen von Einzelmaßnahmen der Verwaltung vornahm. Noch vor Kriegsbeginn war so eine Situation erreicht, in der, sollte der Rechnungshof weiter bestehen bleiben und „Arbeit haben“, eine stärkere Anpassung seiner Tätigkeit an die Gegenwartsverhältnisse der nationalsozialistischen Herrschaft unabdingbar war. Diese Anpassung erfolgte durch den neuen Präsidenten Heinrich Müller. Mit Blick auf diese letzte Feststellung sei hier eine Zwischenbemerkung gemacht: Üblicherweise wird die Behördengeschichte des Rechnungshofes in eine Zeit von 1933–1939 und eine solche von 1939–1945 unterteilt.17 Diese gängige Zeiteinteilung folgt der in der Geschichtswissenschaft üblichen Periodisierung, die in eine Friedenszeit (Errichtung und Ausbau der Diktatur) und eine Weltkriegszeit (Krieg, [weitere Radikalisierung,] Zusammenbruch) trennt. Und für den Rechnungshof mag hier vordergründig noch hinzutreten, dass zu dieser Unterteilung der NS-Herrschaft in zwei getrennt zu betrachtende Zeitabschnitte der Wechsel im Präsidentenamt durchaus zu passen scheint: Weniger als 14 Monate vor dem Überfall auf Polen, aber bereits nach der Enthüllung von Hitlers Kriegsplänen vor den Spitzen von Militär und Außenpolitik (Hoßbach-Niederschrift) und nach dem Anschluss Österreichs, verlässt Dr. h. c. Moritz Saemisch, ein Beamter alter preußischer Schule mit hoher Fachkompetenz, großer Erfahrung und breiter Vernetzung in die Berliner Ministerialverwaltung hinein, nach 16 Jahren zum 1. April 1938 den Rechnungshof. Ihm folgt am 13. Juli 1938 gegen den Willen der bisherigen Hausspitze Oberfinanzpräsident Dr. iur. Heinrich Müller, ein über 25 Jahre jüngerer, gerade erst 42-jähriger nationalsozialistischer Karrierebeamter, seit 1921 NSDAP-Mitglied („Alter Kämpfer“). Gleichwohl: Die Zäsurierung „Friedenszeit = Amtszeit Saemisch“ / „Kriegszeit = Amtszeit Müller“ mit den damit verbundenen Konnotationen (etwa: preußischer Beamter versus nationalsozialistischer Aktivist, neutrale Fachlichkeit versus Ideologie, Bewahrung rechnungshoflicher Tradition und Tätigkeitsbereiche versus Aufbruch zu neuen [nationalsozialistischen] Ufern) verfälscht – wie unter Abschnitt III. gezeigt werden wird – eine rechnungshofadäquate institutions- und funktionsgeschichtliche Betrachtung. 1937 / 1938 ging es weniger um eine zuvor 17 Etwa Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 30–93, 94–131; ebenso Hermann A. Dommach, NS-Staat I (Fn. 9) und Rainer Weinert, NSStaat II (Fn. 11), beide in: Theo Pirker, Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung (Fn. 9), S. 35–50, 51–76; Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 12), S. 104–142, 143–179; siehe auch Theo Gilles, Die verkannte Macht (Fn. 10), S. 59 f. Auch in seiner Studie Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3) von 1993 geht Rainer Weinert von der Zweiteilung 1933–1938, 1938– 1945 aus, wenngleich mehrfach Aspekte benannt sind, die hier Anlass zu einer anderen Stoffgliederung geben.

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noch ausgebliebene durchgreifende Nazifizierung des Rechnungshofes als um sein Überleben: Müller fand nämlich – wie soeben schon angedeutet – bei seinem Amtsantritt eine Lage vor, in der in den traditionellen Arbeitsbereichen des Rechnungshofes ein Aufgabenschwund eingetreten war, der sein Fortbestehen stärker gefährdete als in der Phase der Machtergreifung (Abschnitte III.2.a) und b)). Deshalb war ab 1937 / 1938 eine strategische Aufgabenneubestimmung notwendig, flankiert durch eine Politik des Abbaus von Konfliktherden (Abschnitt IV.). Müller hat diese Neupositionierung vorgenommen. Besonders interessant und berichtenswert ist dabei sein Versuch einer neuen staatstheoretischen Verortung des Rechnungshofes nebst einer Aufgabenneubestimmung, die in einem weitreichenden Visionspapier gipfelte (Abschnitte IV.2. und 4.). II. Ausgangslage (um 1930): Verfassungs- und Verwaltungskontrollbehörde mit universalen Kontrollbefugnissen auf der Reichsebene Zur Ausgangslage um 1930 mögen hier einige wenige Berichtspunkte genügen.18 Artikel 86 Weimarer Reichsverfassung (WRV) und die Reichshaushaltsordnung von 1922 als Ausführungsgesetz nach Artikel 86 Absatz 2 WRV hatten Aufgaben und Stellung des Rechnungshofes an die parlamentarisch-demokratische Staatsform angepasst. Der Rechnungshof war dabei seit der Reichshaushaltsordnung von 1922 aus seiner organisatorischen Verflechtung mit der Preußischen Oberrechnungskammer19 immer stärker herausgewachsen und hatte sich von einem Anhängsel der Oberrechnungskammer bis 1930 zu einer von Regierung, Reichstag und Reichsrat unabhängigen Institution entwickelt, die – nur dem Gesetz unterworfen – ein unbegrenztes, seit 1922 inhaltlich auch auf die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung erstrecktes Prüfungsrecht besaß (vgl. §§ 17, 26 sowie § 118 Reichshaushaltsordnung). Dem Rechnungshof oblag sowohl die Aufgabe der Verfassungskontrolle (Rechnungsprüfung für die Kontrolle der Regierung durch das Parlament) als auch diejenige der Verwaltungskontrolle (Rechnungsprüfung für die Kontrolle der Verwaltung durch Regierung und Parlament). Neben der Aufgabe der rechnungsabhängigen Finanzkontrolle bestand explizit die Aufgabe einer rechnungsunabhängigen Finanzkontrolle (vgl. §§ 96, 18

Siehe dazu auch den Beitrag von Alexandra Hissen in dieser Festschrift. Vor 1919 hatte zunächst ein Gesetz vom 4. Juli 1868 die Kontrolle des gesamten Bundeshaushalts einer „Rechnungshof des Norddeutschen Bundes“ genannten Abteilung der Preußischen Oberrechnungskammer übertragen. Nach der Reichsgründung 1871 bekam diese Abteilung, die de facto aber wie eine eigenständige Behörde agierte, die Bezeichnung „Rechnungshof des Deutschen Reiches“. Siehe erneut den Beitrag von Alexandra Hissen in dieser Festschrift. 19

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101, 107, 109 Reichshaushaltsordnung), die zudem nicht mehr als Exklusivitätsrecht der Regierung ausgestaltet war, sondern den Rechnungshof auch verpflichtete, auf Ansuchen des Reichstages Gutachten zu erstatten (vgl. § 101 Reichshaushaltsordnung). Sieht man einmal vom Bereich der geheimen illegalen Reichswehrfinanzierung ab, deren Kontrolle seit 1928 in den sogenannten Mitprüfungsausschuss verlagert war, in dem nur Präsident Saemisch mitwirkte, war auch das Prinzip der „Lückenlosigkeit“ bzw. „Universalität der Finanzkontrolle“20 verwirklicht. Mit Blick auf diese gegenüber der konstitutionellen Zeit erweiterte Aufgabenstellung und vor allem mit Blick auf die dem Rechnungshof obliegende Verfassungskontrollaufgabe hatte sich bis 1930 ein beachtliches finanzpolitisches Machtdreieck von Finanzministerium, Rechnungshof und Haushaltsausschuss des Parlaments herausgebildet. Von Mitgliedern des Haushaltsausschusses war im November 1929 mit einem Antrag auf Vergesetzlichung des Reichssparkommissars sogar der Sprung zur Parlamentarisierung des Sparkommissars und damit indirekt auch der Rechnungshoftätigkeit versucht, aber letztlich (siehe die 1. Novelle zur Reichshaushaltsordnung vom 14. März 1930) nicht erreicht worden, weil der damalige Reichsfinanzminister Hilferding (SPD) dies im Zusammenwirken mit Rechnungshofpräsident Saemisch zu verhindern wusste.21 Jedenfalls gingen Rechnungshof und Parlamentarier Ende der 1920er Jahre routiniert und reibungslos miteinander um.22 Vor allem bestand ein gutes Zusammenarbeitsverhältnis mit der Rechnungsprüfungskommission, einem Unterausschuss des Haushaltsausschusses.23 Gleichwohl wird man nicht sagen können, dass der Rechnungshof Äquidistanz zwischen Regierung und Parlament hielt, wenngleich er als Kontrollbehörde von Berufs wegen auf einen gewissen Abstand zur Exekutive achtete. Für eine dennoch größere Nähe zur Exekutive und hier insbesondere zum Reichsfinanzminis20 Zum Begriff siehe Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, Grundgesetz, 2. Aufl., München 2013, Art. 114 Rn. 7, 15 m. w. N. 21 Hermann Butzer, Der Reichssparkommissar (Fn. 14), S. 54 (88 ff.). Der Haushaltsausschuss war vor allem an der Einsicht in die Gutachten des Sparkommissars interessiert. 22 Beispiele bei Karl Wittrock, Aktuelle Probleme der Finanzkontrolle I – Das Bundesrechnungshofgesetz im Lichte historischer Rückblende, in: Pirker, Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung (Fn. 9), S. 155 (162–165). 23 Letzte „Amtshandlung“ des Haushaltsausschusses des Reichstages war die Beratung der Haushaltsrechnungen für die Rechnungsjahre 1927 bis 1929 sowie der entsprechenden Bemerkungen des Rechnungshofes sowie am 13. Januar 1933 die Stellung des Antrags, die Reichsregierung zu entlasten (RT-Drucks. VII. WP 1932 / Nr. 288). Wegen der zwischenzeitlichen Auflösung des Reichstages kam es aber nicht mehr zu einer förmlichen Beschlussfassung.

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terium sorgte einerseits die weiterhin als Hauptaufgabe verstandene Verwaltungskontrollaufgabe, andererseits die Herkunft und die berufliche Sozialisation des Rechnungshofpersonals, das ganz überwiegend dem Bereich der Verwaltung entstammte.24 Es blieb also trotz allem gewisse „Fremdelei“, und der Rechnungshof suchte sich aus politisch brisanten Themen, in denen die Abgeordneten Prüfungen von Verwaltungsbehörden forderten, möglichst herauszuhalten. Hingewiesen werden muss mit Blick auf die Ereignisse von 1933 schließlich darauf, dass das Zusammenarbeitsverhältnis mit dem Haushaltsausschuss, wie es sich um 1930 eingespielt hatte, bereits in der Zeit der Präsidialkabinette unter Brüning, von Papen und von Schleicher mehr und mehr einschlief. III. Nach 1933: der Rechnungshof auf abschüssiger Bahn 1. Verlust der Aufgabe „Verfassungskontrolle des Reichshaushalts“ Kennzeichnend für den Wandel des Rechnungshofes in der NS-Zeit ist zunächst der schon im März 1933 durch das Ermächtigungsgesetz25 eingetretene Verlust der Aufgabe „Verfassungskontrolle“. Wie sehr sich durch das Ermächtigungsgesetz die bereits in konstitutioneller Zeit gewonnene und mit Artikel 86 WRV bzw. mit der Reichshaushaltsordnung von 1922 weiter verfestigte staatsrechtliche und staatspolitische Stellung des Rechnungshofes verändert hatte, wird vielen Rechnungshofbeamten, genauso wie den meisten Zeitgenossen, die nach den Weimarer politischen Wirren und 34 Monaten Präsidialregierung mit weitestgehender Ausschaltung des Parlaments das Extraordinäre des Ermächtigungsgesetzes nicht erkannten, nicht voll bewusst gewesen sein.26 Andere dürften die Ausschaltung des Reichstages in seinem 24 Wie hier bereits Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 122; später etwa Franz-Otto Gilles, Weimarer Republik – Der Reichsrechnungshof zwischen obrigkeitsstaatlicher Tradition und geforderter Demokratisierung, in: Pirker, Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung (Fn. 9), S. 19 (24). 25 Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, RGBl. I 1933 S. 141. 26 A. A. Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 34, dem zufolge der Rechnungshof durch die Ausschaltung des Reichstages „seinen wichtigsten Verbündeten“ verloren habe. Weiter heißt es (ebd., S. 34): „Die Mitglieder des Rechnungshofes mögen sich mit dem Gedanken beruhigt haben, dass die Ausschaltung des Parlaments nur ein vorübergehender Zustand sein würde, insgesamt mussten sie aber um die Wirksamkeit der Finanzkontrolle fürchten, solange die Entlastungsfrage ungelöst blieb.“ Anderenorts spricht Hermann A. Dommach (in: Zavel-

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Recht auf Budgetkontrolle sogar begrüßt haben.27 Die mitunter schwierige Laviererei zwischen der Regierung mit ihren Geheimhaltungs- und politischen Interessen und dem Parlament mit seinen Informationsansprüchen, das „Dienen für zwei Herren“, hatte damit ein Ende. Und dass die verfassungsmäßige Endkontrolle des Budgets, also die Entlastung nach erfolgter Rechnungslegung durch den Reichsfinanzminister, nun nicht mehr durch Reichstag und Reichsrat sondern eben vorübergehend für die nächsten vier Jahre (so die Dauer des Ermächtigungsgesetzes) durch die Reichsregierung selbst erfolgte, schien im Tagesgeschäft wenig Auswirkung zu haben. Die 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung vom 13. Dezember 193328 regelte dann die zunächst noch offengebliebene Frage, wer während der Geltung des Ermächtigungsgesetzes über die Entlastung der Reichsregierung entscheiden sollte und wem die Bemerkungen des Rechnungshofes zuzuleiten waren. Für die Vergangenheit stellte Artikel II § 2 Absatz 1 des Gesetzes lapidar fest, dass die Entlastung für die Haushaltsrechnungen der Jahre 1927, 1928 und 1929 „nach § 108 der Reichshaushaltsordnung als erteilt gilt“. Und für die Dauer des Ermächtigungsgesetzes, das bekanntermaßen 1937 und 1941 um je vier Jahre und 1943 befristungslos verlängert wurde, ging die Entlastungsbefugnis vom Reichstag auf die Reichsregierung selbst über (Artikel II § 2 Absatz 2 und 3). Von der Möglichkeit, sich die Entlastung für die Haushaltsrechnung selbst zu erteilen, hat die Reichsregierung, die bereits ab 1934 nur noch selten und nach dem 5. Februar 1938 gar nicht mehr zusammentrat,29 allerdings nie Gebrauch gemacht. Somit lief auch das in Artikel II § 2 Absatz 4 der 2. Novelle zur Reichshaushaltsordnung verankerte Widerspruchsrecht des Reichsfinanzministers gegen eine Entlastungsentscheidung der Reichsregierung leer.30 Praktisch zeitgleich mit dem Inkrafttreten der 2. Novelle fiel im berg, Festschrift 275 Jahre [Fn. 9], S. 65 [99]), von der gefühlten Hinnahme eines „erheblichen Bedeutungsverlusts“. 27 Wie hier: Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 12), S. 94 f.; Franz-Otto Gilles, Weimarer Republik (Fn. 24), S. 19 (24 f., 26 f., 32); Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 122; Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 14. 28 Gesetz über die zweite Änderung der Reichshaushaltsordnung und die zehnte Änderung des Besoldungsgesetzes, RGBl. II 1933 S. 1007. 29 1934 gab es 13 Kabinettssitzungen, 1935: 7, 1936: 4, 1937: 6, 1938: 1. Zahlen nach Bernd Mertens, Rechtsetzung im Nationalsozialismus, Tübingen 2009, S. 53 Fn. 187. 30 Dieses Widerspruchsrecht erschien später ohnehin als mit den Grundsätzen des Führerstaates nicht mehr vereinbar und überholt. So explizit: Ministerialrat Dr. Erich Wagner vom Reichsrechnungshof, wiedergegeben bei Felix Boesler / Hans Engel, Organisation, Aufgaben und Grundfragen des staatlichen Rechnungs- und Kontrollwesens – Ein Arbeitsbericht, Finanzarchiv NF 7 (1940), S. 294 (299).

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Übrigen auch der Reichsrat als vormaliger zweiter Adressat der Bemerkungen weg,31 sodass ab 1934 die Berichte und Bemerkungen des Rechnungshofes nur noch im Reichsfinanzministerium Beachtung fanden. Nach 1933 hat es somit eine Verfassungskontrolle des Haushalts nie mehr gegeben. Der Rechnungshof war auf den Status einer Verwaltungskontrollbehörde zurückgeworfen. 2. Veränderungen bei der Ausübung der Aufgabe „Verwaltungskontrolle“ Vom Machtwechsel 1933 blieb indessen auch die Verwaltungskontrollaufgabe nicht unberührt. Analysiert man den Veränderungsprozess, den der Rechnungshof seit 1933 in diesem Bereich durchgemacht hat, lassen sich zunächst Zugewinne an Kompetenzen verzeichnen, für die das Stichwort der Verreichlichung steht. Zeitlich parallel sind aber auch erhebliche Terrainverluste hinsichtlich des Kreises der Prüfungsunterworfenen und – bedingt durch die Art und Weise der NS-Haushaltswirtschaft, später auch durch das Kriegswirtschaftsrecht – erhebliche faktische Aufgabenverluste eingetreten. a) Zugewinne: Verreichlichung des Haushaltsrechts und des Kontrollwesens Wenn in den ersten Monaten der NS-Herrschaft für den Rechnungshof tatsächlich Auflösungsgefahr bestanden haben sollte (was nur durch eine breitere Aktenauswertung, als sie bisher erfolgt ist, zu klären sein wird), endete diese Gefahr jedenfalls fürs Erste im Sommer 1933, als die Arbeiten an der 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung32 begannen. Das hatte Signalcharakter für das Fortbestehen.

31 Siehe einerseits Art. II § 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 13. Dezember 1933, andererseits das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 (RGBl. I 1934 S. 75) und das Gesetz über die Aufhebung des Reichsrats vom 14. Februar 1934 (RGBl. I 1934 S. 89). 32 Verkündet am 13. Dezember 1933 (RGBl. II 1933 S. 1007 ff.).

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aa) Die 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung vom 13. Dezember 1933 Wie bereits gut erforscht und schon häufiger dargestellt,33 brachte die 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung – neben einigen neuen Prüfungsrechten34 – vor allem einschneidende Änderungen der inneren Organisation des Reichsrechnungshofes mit einer deutlichen Stärkung der Leitungsebene; die bislang kollegiale wurde in eine monokratische, präsidiale Innenverfassung abgeändert. Ferner ging die Wahrnehmung der Aufgabe des Reichssparkommissars von dem bisher selbstständig neben dem Rechnungshof agierenden Sparbüro auf die Präsidialabteilung über; dessen Mitarbeiter wurden zum Rechnungshof versetzt. Schließlich enthielt – und das ist unter dem Blickwinkel des Aufgabenund Funktionswandels des Rechnungshofes bedeutender – die Novelle noch einen ersten Schritt zur Vereinheitlichung des Haushaltsrechts von Reich und Ländern, in dem sie in Artikel IV § 1 eine Optionsklausel zugunsten der Länder mit dem Angebot enthielt, zur Herstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet des Haushalts- und Kontrollrechts die Reichshaushaltsordnung als Landesrecht zu übernehmen. Davon machte zunächst nur Preußen Gebrauch, das die Neufassung bereits zwei Tage nach der Verkündung des Gesetzes als Staatshaushaltsordnung35 pauschal übernahm. Als nunmehriges Anhängsel des Reichsrechnungshofes entging die Oberrechnungskammer der Auflösung, wie sie für die nichtpreußischen Landesrechnungshöfe in der 4. Novelle der Reichshaushaltsordnung verfügt wurde:36 Später machten 33 Eingehend etwa Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 47–54; Friedrich Klein, Die Finanzkontrolle im nationalsozialistischen Staat (Fn. 7), S. 209 ff.; Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 6), S. 7 (82–87). 34 So wurde in §§ 110 ff. RHO das Recht zur Prüfung von Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit inhaltlich ausgestaltet und erweitert (näher Moritz Saemisch, Der Bereich der staatlichen Rechnungskontrolle, DJZ 1934, Sp. 753 ff.). Sodann wurde dem Rechnungshof in § 64a RHO erstmals die Befugnis eingeräumt, auch den Nachweis über die zweckentsprechende Verwendung von Titeln zu prüfen, die aus dem Reichshaushalt an Stellen außerhalb der Reichsverwaltung, etwa an die NSDAP oder die SA, in der Form von Zuwendungen bzw. Subventionen flossen. Des Weiteren ermächtigte § 88a RHO die Reichsregierung, dem Rechnungshof die Prüfung öffentlicher Sammlungen zu übertragen (das hätte etwa relevant sein können für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt oder das Winterhilfswerk), wovon die Regierung aber – soweit ersichtlich – bis 1945 keinen Gebrauch gemacht hat. 35 Art. I § 1 des Gesetzes über die Staatshaushaltsordnung vom 15. Dezember 1933 (Preußische Gesetzsammlung – PrGS S. 475). 36 Siehe Art. IV § 11 des Gesetzes vom 17. Juni 1936 (RGBl. II 1936 S. 209). Die nach der Auflösung des preußischen Finanzministeriums 1944 beabsichtigte Liquidation der Oberrechnungskammer unterblieb bis zuletzt – dies aufgrund einer

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von der Optionsklausel einschließlich der Übertragung der Rechnungsprüfung auf den Reichsrechnungshof noch das Land Lippe37 Gebrauch und – nach der Rückgliederung 1935 – das Saarland.38 Im Jahr 1936 übernahm schließlich auch Bayern größtenteils die Regelungen der Reichshaushaltsordnung,39 suchte allerdings zugleich den Fortbestand des Landesrechnungshofes zu sichern, was indes die knapp sechs Wochen später ergehende 4. Novelle der Reichshaushaltsordnung durchkreuzte, als deren Folge der Bayerische Oberste Rechnungshof in eine Außenabteilung des Reichsrechnungshofes umgewandelt wurde.40 Mindestens so interessant wie der Inhalt der Novelle ist deren Genese: Hier wird zum Teil41 die Initiative Popitz zugeschoben (dies bei gleichzeitiger Zurückstufung des Beitrages von Saemisch). Die meisten Stimmen42 sehen die Urheberschaft zumindest für das Organisationskapitel aber allein bei Saemisch. Man43 nimmt an, dass Saemisch hier die Chance ergriff, die ohnehin anstehende Novelle der Reichshaushaltsordnung mit einer grundlegenden Änderung der Binnenstruktur des Hofes zu bepacken. Unklar ist aber noch, inwieweit das Interesse, dem sogenannten Führergrundsatz überall Geltung zu verschaffen, von anderer Seite44 begünstigend eingeflossen Intervention des Reichsfinanzministeriums (nach Bundesarchiv, Bestand R 2 [RFM] / Nr. 21860, hier zitiert nach Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt [Fn. 4], S. 122). 37 Lippische Gesetzessammlung 1935, S. 407. 38 Denkschrift des RRH für 1933 vom 1. Juli 1935, Potsdam 1935, S. 7. 39 Vgl. §§ 18–126 des Gesetzes über die Staatshaushaltsführung des Landes Bayern vom 5. Mai 1936 (BayGVBl. 1936 S. 81). 40 Reinhard Heydenreuter, Finanzkontrolle in Bayern unterm Hakenkreuz (Fn. 13), S. 28–30. 41 So etwa Arthur Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, Tübingen 1966, S. 99; Friedrich Klein, Die Finanzkontrolle im nationalsozialistischen Staat (Fn. 7), S. 215 Fn. 18; Walther Nordbeck, Friedrich Ernst Moritz Saemisch 1869–1945, in: Lauterbach, Männer der Deutschen Verwaltung, Köln u. a. 1963, S. 315 (323). 42 So etwa Hermann Butzer, Der Reichssparkommissar (Fn. 14), S. 54 (103 f.); Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 48 f.; ders., Der Reichssparkommissar (Fn. 16), S. 40, 43; Friedrich v. Dungern, Friedrich E. M. Saemisch als Reichssparkommissar, DÖV 1952, S. 46 (48); Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 124; Friedrich v. Pfuhlstein, 250 Jahre Rechnungsprüfung (Fn. 6), S. 7 (86). Diese Stimmen können sich allerdings nicht auf Saemisch selbst stützen, der sich in einem Aufsatzbeitrag zwar zum Sympathisanten, aber nicht zum Urheber des V. Abschnitts erklärt hat (Moritz Saemisch, Der Rechnungshof des Deutschen Reiches nach der Novelle zur Reichshaushaltsordnung, DJZ 1934, Sp. 171 [172]). 43 Siehe nochmals Fn. 42. Siehe ferner Hans Reger, Das Kollegialsystem in der Finanzkontrolle, Finanzarchiv NF 26 (1967), S. 246 (261). 44 Immerhin hat Innenminister Wilhelm Frick (NSDAP) noch in der Kabinettsberatung die Frage aufgeworfen, ob das (in der Novelle für die Senate erhalten geblie-

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ist – will man nicht, wie Heinz Günter Zavelberg,45 gänzlich infrage stellen, dass die Neufassung des V. Abschnitts der Reichshaushaltsordnung von diesem Gedanken beeinflusst war. Es gibt jedenfalls erhebliche Indizien dafür, ohne dass dies bisher vollständig aufgearbeitet und sicher geklärt ist, dass es im Zeitraum von August und Oktober 1933 zumindest zur Erstellung eines Vorentwurfs durch Popitz und Saemisch gekommen ist. Wie die Novelle danach an den eigentlich sachlich zuständigen Ministerialbeamten des Reichsfinanzministeriums vorbeigeschleust worden sein soll, bedarf allerdings noch der Aufklärung. Fest steht wiederum, dass in dem ganzen Erstellungsprozess das Kollegium des Rechnungshofes – „aus bestimmten Gründen“ – wie es andeutungsvoll in einem Aktenvermerk heißt – nicht gehört worden ist:46 Die Mitglieder des Rechnungshofes hätten sich bei Bekanntwerden der Pläne höchstwahrscheinlich mit Vehemenz gegen die Einführung einer weithin monokratischen Rechnungshofverfassung und die damit verbundenen Einschränkung ihrer Rechte gewehrt. bb) Das Gesetz über die Haushaltsführung, Rechnungslegung und Rechnungsprüfung der Länder vom 17. Juni 1936 Ein ähnliches Problem wie zuvor auf Reichsebene ergab sich seit dem Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 193447 auch auf der Länderebene. Die Landtage waren aufgelöst, die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt worden. Mithin stellte sich auch hier die Frage, wem auf Länderebene die Entlastungsentscheidung zustehen sollte. Die Antwort ließ mehr als zwei Jahre auf sich warten und kam durch ein Gesetz vom 17. Juni 1936.48 Dieses Gesetz bestimmte in Artikel I § 2 Absatz 2, dass fortan dafür grundsätzlich die Landesregierungen zuständig sein sollten. Doch konnte der Reichsfinanzminister, ohne dass dafür in Artikel I § 2 bene) Mehrheitsprinzip nicht abgeschafft gehöre. Das Protokoll der Kabinettssitzung vom 8. Dezember 1933 ist abgedruckt bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), Anhang, Anlage 4, S. 223. 45 Heinz Günter Zavelberg, Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof unter besonderer Berücksichtigung seiner kollegialen Organisations- und Entscheidungsstruktur, in: Brauneder (Hrsg.), Internationalität der Finanzkontrolle, Frankfurt u. a. 1995, S. 103 (107). 46 Vgl. Bundesarchiv, Bestand N 1171 (NL Saemisch), Nr. 69, Bl. 36; Aktenvermerk der Reichskanzlei vom 14. Dezember 1933, abgedruckt bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), Anhang, Anlage 6, S. 225. 47 RGBl. I 1934 S. 75. 48 Gesetz über die Haushaltsführung, Rechnungslegung und Rechnungsprüfung der Länder und über die vierte Änderung der Reichshaushaltsordnung vom 17. Juni 1936 (RGBl. II 1936 S. 209).

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Absatz 2 bestimmte Gründe genannt waren, das Verfahren auf die Reichsebene ziehen und damit eine Entlastungskompetenz der Reichsregierung herbeiführen. Wie berichtet, lief das leer, weil die Reichsregierung in der gesamten NS-Zeit keine einzige solche Entscheidung traf. Das Gesetz von 1936 brachte über die Lösung dieses Problems hinaus aber noch zwei weitere grundlegende Änderungen. Es wurde verfügt, dass für die Rechnungsprüfung in den Ländern die Vorschriften der Reichshaushaltsordnung entsprechende Geltung besitzen sollten (Artikel I § 1 Absatz 1). Hiermit wurde darauf reagiert, dass von der Optionsklausel der 2. Novelle nur Preußen, Bayern und Lippe Gebrauch gemacht hatten. Mit dieser völligen „Verreichlichung“ des Haushaltsrechts einher ging eine ebensolche des Kontrollwesens: Artikel I § 1 Absatz 2 übertrug, beginnend mit dem Rechnungsjahr 1936, die Ausübung der Rechnungsprüfung in den Ländern dem Reichsrechnungshof. In der Konsequenz wurden die bestehenden Landesrechnungshöfe mit Ausnahme der Preußischen Oberrechnungskammer49 aufgelöst. An ihre Stelle traten gemäß Artikel II § 4 Satz 1 des Gesetzes Außenabteilungen des Reichsrechnungshofes. Artikel II § 4 Satz 2 enthielt insofern eine Verordnungsermächtigung, von der gleichentags Gebrauch gemacht wurde.50 Der § 1 dieser Verordnung, die im Jargon der Rechnungshofbeamten alsbald den Beinamen „Höfchengesetz“ erhielt, ordnete die Einrichtung von fünf Außenabteilungen mit Sitzen in München, Karlsruhe, Koblenz, Hamburg und Leipzig an. Verbunden mit dem Gesetz war eine 4. Novelle zur Reichshaushaltsordnung (Artikel III § 6), die zum größeren Teil durch die Erweiterung der Aufgaben des Rechnungshofes bedingt war und ansonsten verschiedene, in der Prüfungspraxis aufgefallene Unzulänglichkeiten der bisherigen Regelungen korrigierte. Unauffällig platziert, aber wichtig war noch eine Änderung von Artikel II § 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 13. Dezember 1933. Artikel III § 7 erstreckte die dortige Fiktion, der zufolge die Entlastung für die Haushaltsrechnungen der Jahre 1927, 1928 und 1929 nach § 108 Reichshaushaltsordnung als erteilt galt, kurzerhand weiter auf die Jahre 1930, 1931 und 1932. Über die Genese dieses Gesetzes ist bislang kaum etwas bekannt. Für die historische Bewertung wäre es indessen von hohem Interesse zu wissen, ob Popitz und Saemisch wieder „die Fäden gezogen“ haben, in welcher Weise das Reichsfinanzministerium involviert war und ob die Beamten des Rech49 Die Preußische Oberrechnungskammer blieb nach § 11 der 4. Novelle unangetastet. Hier war bestimmt, dass die Vorschriften der RHO in Preußen keine Anwendung fanden, solange die Oberrechnungskammer vom Präsidenten des Reichsrechnungshofes in Personalunion geleitet werden würde. Vgl. dazu auch § 126g i. d. F. der 2. RHO-Novelle vom 13. Dezember 1933 sowie Fn. 36. 50 Verordnung über die Bildung von Außenabteilungen des Rechnungshofs des Deutschen Reichs vom 17. Juni 1936 (RGBl. II 1936 S. 211).

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nungshofes bis hin zum Vizepräsidenten Fritz Mussehl (seit 1934 amtierend) ein weiteres Mal ungefragt blieben. Fest steht, dass Saemisch auch diese Novelle inhaltlich begrüßt hat. Die Verreichlichung des Haushaltsrechts gehörte zu den Zielen, die er stets propagiert hatte, und die Auflösung der Landesrechnungshöfe hat er ausweislich mehrerer Erläuterungsbeiträge51 ebenfalls für gut erachtet, wobei es auch hier eine Meinungskonstanz gibt, da Saemisch sich bereits im Jahre 1931 für die Übertragung der LänderRechnungskontrolle – allerdings auf vertraglicher Basis – entweder auf den Reichsrechnungshof oder auf die Preußische Oberrechnungskammer ausgesprochen hatte.52 Es erscheint auch sicher, dass zumindest Saemisch in die Erstellung des Gesetzentwurfs einbezogen war, weil die schwierigen organisatorischen, personalrechtlichen und geschäftstechnischen Fragen, die sich bei der Auflösung der Landesrechnungshöfe und der Bildung der Außenabteilungen stellten, wohl nur mit seinem Fachwissen gelöst werden konnten. Für die Errichtung der Außenabteilungen standen gut neun Monate zur Verfügung. Weil das Reichsfinanzministerium die Errichtung eines Neubaus ablehnte,53 sah der Rechnungshof von der Errichtung der in Koblenz geplanten Außenabteilung ab.54 Ansonsten erfolgte die Neuorganisation planmäßig zum 1. April 1937. Die Zentrale in Potsdam prüfte seither im Wesentlichen die Reichsbehörden. Die Außenabteilung in München übernahm die Rechnungsprüfung in Bayern, die Außenabteilung in Hamburg war für die Rechnungsprüfung in Hamburg, Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Bremen, Schaumburg-Lippe und Lippe zuständig. Die Außenabteilung in Karlsruhe übernahm die Rechnungsprüfung in Baden, Württemberg sowie Hessen. Der Außenabteilung in Leipzig (ab 1940 in Dresden) wurde die Rechnungsprüfung in Sachsen sowie Thüringen und Anhalt überlassen. Daneben bestand natürlich die Oberrechnungskammer mit Zuständigkeit für Preußen fort. Alle vier Außenabteilungen, zu denen später noch weitere in Wien (ab 1. März 1939), Posen (ab 30. Januar 1942) und Metz (ab 30. Januar 1942) hinzukamen, waren aber in Einzelfällen auch für regionale Prüfungsaufgaben bei Reichsbehörden zuständig.55 Zur Geschäftserledigung 51 Moritz Saemisch, Einheitliches Haushaltsrecht im Reich und in den Ländern, DJZ 1936, Sp. 1385 ff.; ders., Haushaltsführung und Rechnungsprüfung der Länder, Reich und Länder 1936, S. 170 ff.; ders., Überwachung der Haushaltsführung im Reich und in den deutschen Ländern, Zeitschrift der Akademie für deutsches Recht 1936, S. 858 ff. 52 Moritz Saemisch, Die Kontrolle der staatlichen Finanzwirtschaft, Berlin 1931, S. 109. 53 Angabe nach Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 71. 54 Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 21738. 55 Denkschrift des Rechnungshofs für 1935 vom 24. März 1938, Potsdam 1938, S. 10.

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wurden den Außenabteilungen entsprechend einer „Vorprüfordnung für die Länder“ vom 9. April 1937 als Vorprüfstellen eine Reihe von „Rechnungsämtern“ zugeordnet. Das Personal der Außenabteilungen und Rechnungsämter wurde weitgehend von den bisherigen Landesrechnungshöfen übernommen, jedoch kamen die Leiter und der büroleitende Beamte aus Potsdam.56 Die Außenabteilungen hatten dieselbe Stellung wie die Rechnungsprüfungsabteilungen der Zentrale. Sie bestanden aus einem Direktor, mehreren Ministerialräten und dem entsprechenden Prüfungspersonal. Soweit Senatsentscheidungen in Betracht kamen, waren die in der Potsdamer Zentrale gebildeten Senate zuständig. Ob die Bildung der Außenabteilungen Effizienzsteigerungen der Rechnungsprüfung auf der Länderebene zur Folge hatte, ist bisher nicht erforscht. Man bemühte sich jedenfalls, die rechtstatsächlichen Voraussetzungen dafür herzustellen: Die „Rechnungsprüfungsordnung für den Rechnungshof des Deutschen Reiches“ vom 30. März 1938 (RPO-RH)57 brachte eine Vereinheitlichung der zuvor heterogenen, unterschiedlich geregelten Prüfungstätigkeiten der Zentrale und der früheren Landesrechnungshöfe (und jetzigen Außenabteilungen) sowie der Außenabteilungen untereinander. Mit dieser Rechnungsprüfungsordnung, die sämtliche Verfahrensgrundsätze des Rechnungshofes kodifizierte und die nach dem Zweiten Weltkrieg nur geringfügig überarbeitet worden ist, schloss Präsident Saemisch seine 16-jährige Amtszeit im Rechnungshof ab. cc) Unterschiedliche Einschätzungen: Selbstgleichschaltung oder Maßnahmen zur Effizienzsteigerung der Rechnungsprüfung? Die Schilderung der jeweiligen Entwurfsgeschichte, soweit sie bekannt ist, und das Wissen um die fachlichen Überzeugungen vor allem von Präsident Saemisch machen deutlich, dass sich weder die 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung von 1933 noch das Gesetz von 1936 als eine unter Druck erzwungene Gleichschaltung verstehen lassen. Wenn überhaupt, könnte man, was die zentralen gesetzgeberischen Maßnahmen „Einführung einer monokratischen Behördenverfassung“ und „reichseinheitliches Haushaltsrecht“ mit „reichseinheitlichem Kontrollwesen“ angeht, von „Selbstgleichschaltung“ sprechen. Doch setzte auch das voraus, dass beide Gesetze vorrangig als vorauseilender Gehorsam gedeutet werden können. Hier wäre dann wichtig, was aber noch nicht geklärt erscheint, ob der Novelle von 56

Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 72. Die RPO-RH ist nicht publiziert, sondern nur für den „inneren Dienstgebrauch“ bekannt gegeben worden (Reichsdrucksache 1938). 57

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1933 ein „Schadensbegrenzungskonzept“ zugrunde lag, das darauf zielte, durch ein Mindestmaß an Anpassungen an das Führerprinzip und die Zentralisierungstendenzen in der NS-Politik die drohende Auflösung und vielleicht auch eine nationalsozialistische Durchpolitisierung des Rechnungshofes zu vermeiden. Doch ist, wie deutlich geworden sein dürfte, eine solche Deutung der Gesetzgebung, vor allem in Anbetracht der Genese der Novelle von Dezember 1933, keineswegs ausgemacht. Das, was prima vista wie die politisch opportune Durchsetzung von Führerprinzip und Zentralisierung aussieht, könnte nämlich in Wahrheit auch andere Motive gehabt haben. Insbesondere ist denkbar und wird vertreten, dass Saemisch und andere Fachleute und Finanzpolitiker die Gunst der Stunde genutzt hätten, um mit dem Rückenwind des neuen Regimes ihre schon vor 1933 vorhandenen Ideen für ein reichseinheitliches Haushaltsrecht und Kontrollwesen und für eine (weithin) monokratische Binnenverfassung im Rechnungshof zu verwirklichen. Diese mögliche Sichtweise führt dann zu der Frage, wie die damaligen gesetzgeberischen Maßnahmen „Reichseinheitliches Haushaltsrecht“ und „Einführung einer monokratischen Behördenverfassung“ unter den Verhältnissen der 1920 / 1930er Jahre in fachlicher Hinsicht zu beurteilen waren. Hier stufen viele Stimmen,58 Präsident Saemisch eingeschlossen, die Änderungen des Abschnitts V der Reichshaushaltsordnung und das „Höfchengesetz“ nicht als Maßnahmen zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie, sondern als primär effizienzsteigernde Änderungen ein: Entscheidungen durch die Vollversammlung seien schon wegen deren Größe mit zuletzt 26 Personen häufig langwierig und nicht vereinbar gewesen mit dem Ziel einer schnellen Prüfung der Haushaltsrechnungen und der sofortigen Verwertung der Rechnungshoferkenntnisse in den kommenden Jahresbudgets. Eindrucksvoll zeige dies der in den Weimarer Jahren mehrjährige Nachlauf der Entlastungsentscheidung zum Abschluss des Budgetjahres. Die Differenz habe hier durchschnittlich drei Jahre betragen, was wiederholt Beschwerden des Haushaltsausschusses des Reichstages nach sich gezogen habe. Die Umstellung auf eine monokratische Verfassung habe insoweit dazu gedient, eine straffere Gestaltung, Vereinfachung und Beschleunigung des Prüfungsverfahrens herbeizuführen. Gleiches gelte für die Verreichlichung der Rechnungsprüfung. Vor 1936 sei das Haushaltsrecht zersplittert gewesen, Vergleiche unter den Ländern oder zwischen Ländern und Reich seien kaum möglich gewesen. Auch hätten die Rechnungshöfe einiger Länder in personeller und finanzieller Hinsicht nicht die notwendigen Ressourcen gehabt, 58 Für viele etwa Friedrich Klein, Die Finanzkontrolle im nationalsozialistischen Staat (Fn. 7), S. 209. (224 ff.); Moritz Saemisch, Der Rechnungshof des Deutschen Reiches (Fn. 42), DJZ 1934, Sp. 171 (172 ff.).

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um umfassend genug zu prüfen.59 Schließlich hätten die neuen Regelungen auch das äußere Erscheinungsbild des Reichsrechnungshofes aufgewertet und so seine Stellung gegenüber den zu prüfenden Behörden verbessert. Für Letzteres lässt sich ins Feld führen, dass nach quantitativer Betrachtung zweifelsohne eine Bedeutungsmehrung des Reichsrechnungshofes auf Kosten der Landesrechnungshöfe eingetreten ist, was sich schon an der Mitarbeiterzahl festmachen lässt, die durch die Einrichtung von Außenabteilungen von circa 250 (1932) auf über 1.000 Beschäftigte (1942: 1.130 Personen) zunahm. b) Entgegenstehende Terrainverluste: zahlreiche Exemtionen und Verschwinden des Kontrollgegenstands „Staatshaushalt“ Nimmt man diese Argumente, deren Berechtigung durch Forschungsarbeiten zu Innenleben und Prüfungspraxis des Rechnungshofes in der Weimarer Zeit noch stärker auf den Grund gegangen werden müsste, hier einmal als zutreffend an, dürfte erst recht zweifelhaft sein, dass die in der älteren Forschung gelegentlich zu findenden rigiden Bewertungen zutreffen, bereits die beiden Gesetze 1933 und 1936 hätten einen Funktionswandel des Rechnungshofs bewirkt. Dazu bedurfte es mehr, und davon ist im Folgenden zu berichten. aa) Herausentwicklung zahlreicher prüfungsfreier Verwaltungsbereiche Ein erster zentraler funktionswandelnder Aspekt ist hier die Verdrängung des Rechnungshofes aus der Kontrolle großer Verwaltungshaushalte, vor allem Rüstung und Arbeitsbeschaffung, und damit die Durchlöcherung des in der Weimarer Zeit (fast) verwirklichten Prinzips der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle. Jeder Erfolg im Abschütteln der lästigen Rechnungshofkontrolle löste zudem Nachahmereffekte aus, und all das zog einen Autoritätsverfall des Rechnungshofes bei den noch prüfungsunterworfenen Behörden nach sich. (1) Verdrängung aus der Kontrolle des Reichswehretats Den Anfang, hier handelt es sich um eine echte Flucht aus der Finanzkontrolle, machte die Reichswehr. In einem für Saemisch völlig überra59 Hinweis darauf bei Reinhard Borzikowsky, Finanzkontrolle und Rechnungsprüfungswesen (Fn. 2), S. 883 (885). Zur „Buntscheckigkeit“ der Länderprüfbehörden siehe etwa auch Franz-Otto Gilles, Weimarer Republik (Fn. 24), S. 19 (31 f.).

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schenden, von Reichswehrminister Werner von Blomberg fast handstreichartig durchgesetzten geheimen Kabinettsbeschluss vom 4. April 193360 wurde nämlich im Zusammenhang mit der geplanten Aufrüstung (bezeichnet als „Umorganisation der Wehrmacht“) vorgesehen, dass das Finanzministerium fortan Militärausgaben als Globalsumme zur Verfügung stellte (Nr. 3 des Beschlusses). Um die Größenordnung der Rüstungsausgaben sowie die begünstigten Bereiche und Einzelprojekte verschleiern zu können, sollten auch keinerlei Angaben über einzelne Ausgabetitel gemacht werden. Blomberg erhielt in Nr. 4 des Beschlusses die Ermächtigung, den Teilstreitkräften nach eigenem Ermessen aus dem Globalbudget seines Ministeriums wiederum globale Summen zur Verfügung zu stellen, über die Heer, Luftwaffe und Marine ebenfalls nach eigenem Gutdünken verfügen konnten; allerdings hatte Blomberg den Reichsfinanzminister und den Rechnungshof hierüber in Kenntnis zu setzen. Mit diesem Beschluss im Rücken entwickelte sich bald eine Praxis, dass in Verhandlungen des Reichswehrministeriums mit Finanzminister Schwerin von Krosigk und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht nur noch die Größenordnung der Mittel für die Reichswehr festgelegt wurden. Ins Detail gehende Etatverhandlungen vor Beginn des Rechnungsjahres entfielen, sodass das Haushaltsgebaren der Reichswehr komplett abgeschirmt wurde. Es konnte auch nicht verhindert werden, dass das im April 1933 neu eingerichtete Reichsluftfahrtministerium dem Negativbeispiel folgte. Insgesamt ging es hier schon 1934 um circa 18 Prozent des gesamten Haushalts von damals rund acht Milliarden Reichsmark. Zwar konnte der Rechnungshof bei den verschiedenen Waffengattungen weiter Belegprüfungen durchführen, nicht aber eine echte Rechnungsprüfung, eben weil aufgrund der globalen Mittelzuweisung detaillierte Zweckbestimmungen und Haushaltsansätze weggefallen waren. Die Wirkung dieser Belegprüfungen war nach allgemeiner Einschätzung aber gering, die Berichte gelangten nicht mehr über das Reichsfinanzministerium hinaus.61

60 Umfassend zu Vorgeschichte und Bedeutung dieses Beschlusses: Michiyoshi Oshima, Die Bedeutung des Kabinettsbeschlusses vom 4. April 1933 für die autonome Haushaltsgebarung der Wehrmacht, Finanzarchiv NF 38, S. 193 ff. Ebd. (S. 217) ist der Beschluss auch im Wortlaut wiedergegeben, ebenso bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), Anhang, Anlage 3, S. 222. 61 Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 46; Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 130 Fn. 269; Michiyoshi Oshima, Die Bedeutung des Kabinettsbeschlusses vom 4. April 1933 (Fn. 60), Finanzarchiv NF 38 (1980), S. 193 (218 f.).

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(2) Verdrängung aus der Verwendungskontrolle staatlicher Zuschüsse bei der NSDAP und bei ihren Gliederungen Dass diese Verwendungsautonomie im militärischen Bereich bei anderen Stellen ähnliche Begehrlichkeiten weckte, kann nicht überraschen. Dies galt in allererster Linie für die NSDAP und ihre Gliederungen.62 Hier bestand von Anfang an eine Konkurrenzsituation zwischen dem Rechnungshof und dem Revisionsamt der NSDAP in München, das dem Reichsschatzmeister der NSDAP (Reichsleiter) Franz Xaver Schwarz63 unterstand. Schwarz, der sich als finanzielles Gewissen der Partei64 verstand, strebte danach, die vielfältigen Geldströme, die bald auch aus dem Reichshaushalt an die Partei und ihre Gliederungen flossen, selbst zu kontrollieren. Im Jahre 1934 kam es zum ersten Kompetenzkonflikt:65 Als dem Rechnungshof bekannt wurde, dass es bei der SA, die im Jahr 1933 insgesamt 45 Millionen Reichsmark aus dem Reichshaushalt erhalten hatte, zu Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung dieser Reichsmittel gekommen war, kündigte er entsprechende Prüfungen an. Der Hof berief sich dabei auf den mit der 2. Novelle der Reichshaushaltsordnung vom 13. Dezember 1933 neu eingeführten § 64a Reichshaushaltsordnung, wonach er die zweckentsprechende Verwendung staatlicher Zuschüsse bei Empfängern außerhalb 62 Zu den Parteigliederungen gehörten etwa: Sturmabteilung (SA), Schutzstaffel (Allgemeine SS und Waffen-SS), NS-Frauenschaft (NSF), NS-Kraftfahrerkorps (NSKK) und Nationalsozialistische Fliegerkorps (NSFK), NS-Deutscher Studentenbund (NSDStB) sowie ab Juli 1944 der NS-Deutsche Dozentenbund (NSDDB). Im Gegensatz zu den Gliederungen der NSDAP besaßen die angeschlossenen Verbände der Partei – Deutsche Arbeitsfront (DAF), Reichsarbeitsdienst (RAD), NS-Volkswohlfahrt (NSV), NS-Kriegsopferversorgung (NSKOV), NS-Deutscher Ärztebund (NSDÄB), NS-Lehrerbund (NSLB), NS-Reichsbund der Deutschen Beamten, Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ) – 1928 bis 1936, später: Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund (NSRB) – eine eigene Rechtspersönlichkeit und eigenes Vermögen. Gleichwohl wurden auch die angeschlossenen Verbände durch das Reichsrevisionsamt kontrolliert. 63 Schwarz (1875–1947) war damals bereits seit 1925 „Reichsschatzmeister“. Diese hauptberufliche Tätigkeit übte er knapp zwanzig Jahre lang bis zum Ende der NS-Herrschaft aus. Schwarz starb 1947 in einem Internierungslager bei Regensburg. 64 Das Reichsschatzmeisteramt galt als vergleichsweise vertrauenswürdig, weshalb viele Parteimitglieder hofften, es könne Verfehlungen der „Parteibonzen“ unterbinden. Nach Kurt Heinig (Das Budget, Bd. I [Fn. 1], S. 133) soll Hitler Schwarz’ Aufgabe und Stellung mit den Worten beschrieben haben: „Für die Partei sind Sie der oberste Rechnungshof“. Ob Schwarz und das Reichsrevisionsamt nur kontrollierend-technokratisch vorgingen oder ob sie sich mit Rückendeckung Hitlers als Verhinderer der häufig kritisierten „Parteibonzenwirtschaft“ verstanden, bedarf noch näherer Forschung. 65 Der Rechnungshof beschrieb diesen Konflikt näher in seiner Denkschrift für das Rechnungsjahr 1933 (vom 1. Juli 1935, Potsdam 1935, S. 11 f.).

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der Reichsverwaltung prüfen dürfe. Schwarz bestritt hingegen die Prüfungsunterworfenheit der SA und teilte dem Rechnungshof am 23. Juli 1934 mit, „dass auf Anordnung des Führers künftig sämtliche für die SA zu zahlenden Reichsmittel meiner Kontrolle unterstellt werden“.66 In dieser Prüfungsangelegenheit setzte sich Schwarz zwar durch, doch fand sein Anspruch auf ausschließliche Prüfungskompetenz zunächst wohl noch nicht volle Unterstützung. Jedenfalls scheinen NSDAP-Reichsrevisionsamt und Rechnungshof in einen Kleinkrieg um Prüfungszuständigkeiten übergegangen zu sein.67 Genaueres hierzu ist noch nicht erforscht; Prüfungen sind aber wohl häufig unterblieben.68 Die Auseinandersetzungen haben sich wohl bis ins Jahr 1941 hinein fortgesetzt und wurden erst durch das sogenannte Abgrenzungsabkommen vom 18. März 1941 beendet. Von dieser Vereinbarung wird noch zu berichten sein. (3) Rapide Vermehrung (prüfungsfreier) Finanzierungen (etwa aus Sonderfonds und Mefo-Handelswechseln) Jenseits von Rüstung und Partei gab es noch eine Vielzahl anderer, faktisch kontrollfreier Bereiche, die sich zumindest in der Summe als bedeutend darstellen. Besonders zu erwähnen sind hier etwa die zunehmende Zahl von Sonderfonds, die außerhalb des Etats angesiedelt waren. Gemeint sind persönliche Verfügungsfonds hoher Staatsfunktionäre, mit denen sie ihre Gefolgschaft bei der Stange hielten.69 Diese Sonderfonds bestanden aus Geldern, die aus den öffentlichen Haushalten abgezweigt wurden, Spenden der Industrie, aber auch „Arisierungs“-Spenden und Honorare für dubiose Dienstleistungen. Eine Rechnungshofkontrolle gab es hier nicht. Außerhalb des Reichshaushalts, nämlich durch Mefo-Sonderwechsel, die von der Reichsbank gedeckt und vom Staat garantiert waren, wurden aber auch große, gewaltige Summen verschlingende Bereiche wie die Arbeitsbeschaffung und die Aufrüstung finanziert. Sonderwechsel galten aufgrund ihrer 66 Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 59 unter Hinweis auf Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 11913a. 67 Beispiele bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 59 unter Hinweis auf Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 12885; Ulf Lükemann, Der Reichsschatzmeister der NSDAP – Ein Beitrag zur inneren Parteistruktur, Berlin 1963, S. 167. 68 Das ist eine gängige, plausible und auf Korrespondenz des Rechnungshofs gestützte Annahme (siehe nur Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung [Fn. 3], S. 35). 69 Dazu Frank Bajohr, Parvenüs und Profiteure – Korruption in der NS-Zeit, Frankfurt a. M. 2001, S. 34; Gerd R. Ueberschär / Winfried Vogel, Dienen und Verdienen – Hitlers Geschenke an seine Eliten, Frankfurt a. M. 1999.

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Konstruktion als Handelswechsel. Sie mussten im Reichshaushalt und im Reichsschuldbuch nicht ausgewiesen werden und unterliefen folglich auch die Kontrolle durch den Rechnungshof. Dabei ging es um große Beträge: Von 1934 bis zum 31. März 1938 wurden Mefo-Wechsel in Höhe von zwölf Milliarden Reichsmark ausgegeben. (4) Widersätzlichkeit unter Berufung auf den Führergedanken Je mehr die Behörden im Laufe der Jahre nationalsozialistisch durchsetzt und geführt wurden, kam es auch dazu, dass sich Dienststellen gegenüber dem Rechnungshof auf Führeranordnungen beriefen, denen zufolge die Kompetenzen des Hofes ihnen gegenüber beschränkt sein sollten.70 Solchen Führererlassen, die auf das Recht des Weimarer Reichspräsidenten zurückgeführt wurden, durch Erlass die Organisation der Reichsregierung und die der obersten Reichsbehörden zu verändern, wurde Gesetzeskraft beigemessen; sie konnten mithin nach der Lex-posterior-Regel geltendes Recht verändern oder neues Recht setzen. Soweit vorgebracht wurde, Führerbefehle stünden der rechnungshoflichen Kontrolle im Ganzen entgegen oder eine konkrete Beanstandung sei unzutreffend, weil die Vorschrift, gegen die verstoßen worden sei, durch Führerbefehl ersetzt oder die Verwaltungsentscheidung oder Maßnahme sogar unmittelbar auf einem Führerbefehl beruhe, sodass ihre Wirtschaftlichkeit nicht zu beurteilen sei, zog der Rechnungshof den Kürzeren. Soweit solche Führerbefehle formlos ergingen (oder angeblich ergangen sein sollten), konnte der Rechnungshof oft nicht einmal den näheren Inhalt oder den Verbindlichkeitsgrad feststellen.71 Rainer Weinert72 hat noch auf einen zweiten Aspekt aufmerksam gemacht, der indirekt zur Widersätzlichkeit gegen rechnungshofliche Prüfungen beitrug. Im Dritten Reich ist die funktionale Differenzierung zwischen exekutivem Handeln und rechnungshoflicher Kontrolle dieses Handelns als für den NS-Staat inadäquat beurteilt worden, da sie – genauso wie das dem Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Judikative und Legislative innewohnende System von checks and balances – mit dem Führerprinzip kollidierte. Beanstandungen des Rechnungshofes gegenüber einem 70 Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 126 f.; unter Bezugnahme auf diesen Reinhold Borzikowsky, Finanzkontrolle und Rechnungsprüfungswesen (Fn. 2) S. 883 (887); Friedrich Klein, Die Finanzkontrolle im nationalsozialistischen Staat (Fn. 7), S. 209 (223). 71 Beispiele bei Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 126; Michiyoshi Oshima, Die Bedeutung des Kabinettsbeschlusses vom 4. April 1933 (Fn. 60), Finanzarchiv NF 38 (1980), S. 193 (222). 72 Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 24 f.

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Verwaltungshandeln eines Ministeriums oder einer Verwaltungsstelle sind deshalb immer auch als Kritik an der Person des Ministers oder Behördenleiters in seiner Rolle als „Führer“ gewertet worden. Man kann diese vielfach zu belegende73 Feststellung Weinerts noch ergänzen um den Hinweis, dass parallel – auch dies ein Zeichen der Erosion rechtsstaatlich gebundenen Hoheitshandelns – die Scheidung öffentlicher und privater Interessen, die in der klassisch-bürokratischen Trennung von Amt und Person zum Ausdruck kommt, verloren ging. Herrschaft, Amtsautorität und Amtsführung gründeten weniger auf einer funktionsbestimmten, vorschriftsformierten, dem Grundsatz der Verantwortung durch Rechenschaft, Kontrolle und Sanktion unterliegenden Ämterordnung als auf der Übereinstimmung mit dem Willen des Führers Adolf Hitler. In der Konsequenz förderte diese Neuorientierung anti-normatives Handeln und dieses wieder die Ebenenverwischung von Amt und Person. Kritik an der Amtsführung wurde nicht (mehr) klar abgeschichtet von Kritik an persönlichem Verhalten, und zwar selbst dann nicht, wenn kein persönlicher Vorwurf an den Amtswalter im Spiel war. Dieses Ineinandersetzen von Amt und Person machte den rationalen Umgang mit rechnungshoflichen Beanstandungen an einem Verwaltungshandeln schwieriger. Der Hof stieß bei seinen Adressaten mehr und mehr auf das Gefühl des persönlich Angegriffenseins und damit auf Überreaktionen auf seine Vorwürfe sowie ungewohnte Externalisierungen in Form von Verfahrensbeschwerden untergeordneter an ihre vorgesetzten Stellen. Das alles erschwerte nicht nur das reguläre Aufarbeiten und Ziehen normaler bürokratischer Konsequenzen aus Verwaltungsfehlern, sondern ließ den Rechnungshof auch sehr genau überlegen, wie viel Fingerspitzengefühl er in jedem Einzelfall an den Tag legen und wie vorsichtig er mit Beanstandungen und Bemerkungen sein musste. Dass daraus – genauso wie aus dem Hinweis auf entgegenstehende Führerbefehle – für den Rechnungshof ein „institutioneller Autoritätszerfall“74 resultierte, verwundert nicht.

73 Als bestes Beispiel für die vorstehend beschriebenen Phänomene kann wohl ein ab 1936 währender Dauerkonflikt zwischen dem Rechnungshof und dem Reichspostministerium bzw. Postminister Wilhelm Ohnesorge dienen. Dazu ausführlich Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 66 ff.; Hubert Faensen, Geheimnisträger Hakeburg, Beispiel eines Funktionswandels: Herrensitz, Ministerresidenz, Forschungsanstalt, SED-Parteischule, Brandenburgische Historische Hefte 6, Potsdam 1997, S. 15 ff.; Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 25 f. Die scharfe Gegenwehr Ohnesorges gegen die Beanstandungen war für den Rechnungshof sehr gefährlich, weil man nicht sicher sein konnte, dass andere Ressorts, die die Rechnungshofkontrolle ebenfalls als lästig empfanden, den Vorstoß nicht unterstützen würden. 74 Begriff bei Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 25.

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bb) Kontinuierliche Simplifizierung und Zersplitterung der Haushaltswirtschaft Reichsfinanzministerium und Rechnungshof mussten nach 1933 aber nicht nur wesentliche Mittel des Reichshaushalts aus ihrem Verfügungs- und Kontrollbereich entlassen und zudem einen Autoritätsverlust gegenüber der Reichsverwaltung hinnehmen. Auch die praktische Arbeit in ihren angestammten Bereichen wurde immer schwieriger. Das begann mit der Art und Weise der üblich werdenden Haushaltsführung.75 Seit 1933 waren die meisten Haushalte des Deutschen Reiches und der Länder nicht mehr Haushaltspläne im früheren Sinn, sondern nur noch pauschale Voranschläge.76 Zugleich wurde keiner dieser Haushaltspläne mehr rechtzeitig vor dem Beginn des nächsten Haushaltsjahres fertiggestellt, weshalb der Reichsfinanzminister die notwendigen Mittel im Einvernehmen mit den Ministern einfach ohne Haushaltsplan zuwies. Mit dieser Beschränkung auf Planzahlen und bald auch ohne nachherige Kontrolle der Planmäßigkeit ging in recht kurzer Zeit die Übersicht über Einnahmen und deren Verwendung verloren. Ab 1939 hörte auch das Planen auf, und es wurden überhaupt nur mehr die Haushalte vom Vorjahr übertragen. Kurt Heinig77 hat für diese Art von Haushaltsführung den Begriff des „fließenden Budgets“ (im Gegensatz zum „jährlichen“) geprägt. Allerdings suggeriert der von ihm weiter verwendete Ausdruck „Budget“ eine Restverbindlichkeit von Finanzplanung, die es eigentlich auch schon nicht mehr gab. Teile der Reichsverwaltung fühlten sich nämlich selbst an die pauschalen Haushaltsvoranschläge des Reichsfinanzministeriums nicht gebunden, an vorderster Stelle die zahlreichen Kommissare und anderen Sondergewalten. Überschreitungen des zugewiesenen Mittelvolumens und außerordentliche Ausgaben wurden gemäß dem Motto „Geld spielt keine Rolle“ immer selbstverständlicher. Einher damit gingen weitestgehende Auslegungen und auch bewusste Verstöße gegen Vorschriften des öffentlichen Haushaltsrechts. Einen solchen Reichsetat, der hätte in Anspruch nehmen können, den Gesamtumfang, die Ausgaben und die Einnahmen 75 Einzelheiten etwa bei Rolf Caesar / Karl-Heinrich Hansmeyer, Haushalts- und Finanzwesen, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. IV (Fn. 2), § 7, S. 832 (836 f.); Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 129–131; Christiane Kuller, Haushaltspolitik als Machtpolitik? – Kommissare im Spannungsfeld zwischen traditioneller Finanzpolitik und politischer Sondergewalt, in: Hachtmann / Süß (Hrsg.), Hitlers Kommissare – Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur, Göttingen 2006, S. 51 (66–68). 76 Es wurden bald, u. a. um die Aufrüstung zu verschleiern, auch nur noch Generalzahlen des Haushalts veröffentlicht; der Haushaltsplan blieb unter Verschluss. 77 Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 130.

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sowie die Verschuldung nach den Grundsätzen von Einheit und Vollständigkeit, Klarheit und Wahrheit erkennbar werden zu lassen, gab es im Dritten Reich mithin nie. Das Reichsfinanzministerium hatte die Herrschaft über die Reichsfinanzen verloren. Auch hier verdanken wir Kurt Heinig eine viel zitierte Beschreibung: Es habe sich bloß noch um eine „Art interner Kassenführung“78 gehandelt. Angesichts solcher Haushaltsumstände ist klar, dass der Rechnungshof die klassische nachgängige Prüfung eines Ressorthaushalts bald nicht mehr durchführen konnte. Denn eine ganzheitliche Betrachtung – abstellend auf Plan und Planvollzug eines Haushaltes – schied aus. „Machbar“ war nur noch die Prüfung der rechnerischen Richtigkeit von Rechnungen und teilweise der Rechtmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit einzelner Verwaltungsmaßnahmen. Auch von einer freien Auswahl der Prüfungsgegenstände konnte angesichts zahlreicher prüfungsfreier Verwaltungsbereiche und zahlreicher offener Widersetzlichkeiten gegen die Prüfungsunterworfenheit keine Rede mehr sein. Schließlich erfolgte auch im Falle der Beanstandung von Einzelmaßnahmen immer seltener eine gründliche Erörterung und Auswertung der Prüfungserinnerungen oder Bemerkungen mit anschließenden innerbehördlichen Überlegungen zur Fehlervermeidung, zumal die Berichte von den Spitzenfunktionären des Regimes nicht selten mit verächtlicher Geringschätzigkeit als kleinliche „Pfennigfuchserei“ abgetan wurden. Gemessen an früheren Verständnissen erscheint daher die auch in der NS-Zeit aufrechterhaltene Etikettierung des Rechnungshofes als Verwaltungskontroll- oder Finanzkontrollbehörde als realitätsferner Euphemismus. Eng mit dem Vorherigen verbunden war das Problem der fortschreitenden Zersplitterung der Verwaltung. Neben die Ressorts mit ihren nachgeordneten Behörden traten immer zahlreichere Kommissare, Sondergewalten und Sonderstäbe, die jeweils Sonderhaushalte besaßen.79 Als Beispiele mögen hier etwa das 1936 im Vierjahresplan-Kontext gebildete „Reichskommissariat für die Preisbildung“ (geleitet von Gauleiter Josef Wagner) oder die mit den Namen Fritz Todt und Albert Speer verbundenen verschiedenen Kommissariate im bauwirtschaftlichen Bereich genügen. Aber auch Joseph Goebbels vermochte nach dem massiven Luftangriff auf Lübeck 1942 als „Heimatfront-Kommissar“ und Chef der „Reichsinspektion für den zivilen Luftschutz“ zu reüssieren. Sonderkommissare erhielten grundsätzlich Mittel aus dem Reichshaushalt, verplanten und verausgabten diese Mittel aber 78

Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 129. Siehe dazu etwa den von Rüdiger Hachtmann und Winfried Süß herausgegebenen Sammelband „Hitlers Kommissare“ (Fn. 75). 79

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autonom. Sie wehrten sich folglich gegen eine Haushaltsplanung durch das Reichsfinanzministerium und erst recht gegen eine Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Rechnungshof. Mitunter verweigerten sie sogar die reguläre Haushaltsabrechnung. Völlig enthemmt gestaltete sich die Haushaltswirtschaft einiger dieser Sondergewalten, als während des Krieges durch Raubzüge angelegentlich der rassistischen Vernichtungspolitik eine staatshaushaltsferne Finanzierung ihrer Aufgaben möglich wurde. Hier sollte der Rechnungshof ein neues Aufgabenfeld finden. IV. Nach 1939: der Rechnungshof auf dem Weg zur Stabsstelle des Führers für gegenwartsnahe Maßnahmenprüfung und Verwaltungsberatung 1. Präsidentenwechsel 1938: der Rechnungshof am Scheideweg In diese für den Rechnungshof kritische Lage fiel nun das Ende der langen, 16-jährigen Amtszeit von Präsident Saemisch und der Ämterwechsel an der Spitze des Rechnungshofes. Weiter erschwert wurde die Situation noch durch eine erhebliche Verstimmung mit Finanzminister Schwerin von Krosigk. Ausgangspunkt des entstandenen Streits war die seit Längerem erhobene Klage Saemischs darüber, dass der Finanzminister das ihm nach § 119 Absatz 3 und Absatz 4 Reichshaushaltsordnung zugewiesene Vorschlagsund Mitzeichnungsrecht bei Ernennungsvorgängen im Rechnungshof hinauszögere und die Verhandlungen über den Etat des Rechnungshofes dazu missbrauche, dem Hof unbequem gewordene Beamte aus anderen Ministerien aufzudrängen.80 Mit der Begründung, dass der Ausführungserlass81 zum 80 Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 21756; Schreiben an Lammers vom 29. März 1938 (in: Bundesarchiv, Bestand R 43 II [Reichskanzlei], Nr. 1155b, jeweils zitiert nach Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt [Fn. 4], S. 86 f.). Hieran haben sich im Nachhinein freundliche Urteile über das Personal des Reichsrechnungshofes festmachen lassen, etwa die Meinung des allgemein als untadelig anerkannten Kurt Heinig (Das Budget, Bd. I [Fn. 1], S. 127), im Rechnungshof habe „sich dauernd ein respektabler Widerstand“ gehalten, oder auch die gern zitierte Sentenz von Schwerin von Krosigk selbst, der Rechnungshof sei zwischen 1933 und 1945 ein „Veilchen im Verborgenen“ und ein „Asyl für Mißliebige“ gewesen (Lutz Graf Schwerin von Krosigk, Staatsbankrott – Die Geschichte der Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1920 bis 1945, geschrieben vom letzten Reichsfinanzminister, Göttingen / Frankfurt / Zürich 1974, S. 259 [beide Zitate]). Demgegenüber stellt Rainer Weinert (Sauberkeit der Verwaltung [Fn. 3], S. 78) fest, dass weder in der Literatur noch in den Archiven noch durch Interviews mit Zeitzeugen ein Beleg für die These hätte erbracht werden können, dass es im Reichsrechnungshof politisch motivierten Widerstand gegen das NS-Regime gegeben habe. Prägnant: „Es gab noch nicht einmal ‚Resistenz‘ “ (ebd., S. 78). 81 RGBl. I 1937 S. 769.

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Deutschen Beamtengesetz von 193782 offenlasse, inwieweit die Ernennungsregelungen des § 119 Reichshaushaltsordnung fortgälten (eigentlich dürfte das nach dem Lex-specialis-Grundsatz klar gewesen sein), verschärfte Saemisch den schwelenden Konflikt ultimativ. Zwei Tage vor seiner Pensionierung schrieb er nämlich an Reichskanzleichef Lammers und erbat unter Hinweis auf die Unabhängigkeit des Rechnungshofes eine Neuregelung des Ernennungsrechts mit dem Ziel, den Finanzminister künftig von seiner Mitwirkung an Ernennungsvorgängen im Rechnungshof auszuschließen.83 Trotz dieser Provokation war Finanzminister Schwerin von Krosigk offenbar bereit, Saemisch die Ruhestandsurkunde persönlich auszuhändigen. Saemisch brüskierte den Minister aber erneut, indem er eine Begegnung mit der Begründung ablehnte, sein Gesundheitszustand lasse eine persönliche Begegnung nicht zu.84 Sein Nachfolger stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Saemisch hatte seinen parteilosen Vizepräsidenten Mussehl empfohlen (und Müller abgelehnt);85 es waren aber auch eine Reihe anderer Kandidaten86 im Rennen. Letztlich setzte sich das von Saemisch herausgeforderte Reichsfinanzministerium mit seinem Personalvorschlag durch: In einem persönlichen Gespräch mit Hitler am 11. Juli 1938 auf dem Obersalzberg erreichte Staatssekretär Reinhardt, dass Hitler der Ernennung seines Kandidaten, des Kölner Oberfinanzpräsidenten Müller, zustimmte.87 Bereits zwei Tage später wurde Müller zum neuen Präsidenten des Rechnungshofes ernannt.

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RGBl. I 1937 S. 37. Bundesarchiv, Bestand N 1171 (NL Saemisch), Nr. 119 Bl. 80 f.; Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 21760; Bundesarchiv, Bestand R 43 II (Reichskanzlei), Nr. 1155 b (hier zitiert nach Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt [Fn. 4], S. 86 f.). Im Ergebnis führte der bewusst ausgelöste Konflikt mit dem Reichsfinanzministerium, den nicht der pensionierte Saemisch, sondern der neue Präsident Müller auszuhalten hatte, dazu, dass Hitler durch Erlass vom 23. November 1938 (RGBl. I S. 1169) die Ernennungsregelungen des § 119 RHO suspendierte und anordnete, Personalvorschläge künftig dem Chef der Reichskanzlei zu übermitteln, der die entsprechenden Urkunden mitzuzeichnen hatte (dazu sogleich). 84 Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 21756. Als Saemisch dessen ungeachtet später dem Finanzminister seine Erfahrungen anbot, ließ Schwerin von Krosigk das Schreiben verständlicherweise unbeantwortet (ebd.). 85 Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 21756; Bundesarchiv, Bestand N 1171 (NL Saemisch), Nr. 65, Bl. 302 ff. 86 Ausführlicheres zur Kandidatenriege bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 77–79. 87 Bundesarchiv, Bestand R 43 II (Reichskanzlei), Nr. 1155a, Bl. 42 ff. 83

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a) Der neue Präsident: „Alter Kämpfer“ mit fachnaher Berufserfahrung Heinrich (Rufname: „Heinz“) Müller88 war einerseits ein politisch zuverlässiger Nationalsozialist, der nun als Alter Kämpfer mit einem attraktiven Posten belohnt wurde: Nach der freiwilligen Teilnahme am Ersten Weltkrieg, einem anschließenden Jurastudium und der Promotion in Würzburg (1920) hatte er sich bereits 1921 dem Nationalsozialismus zugewandt. Andererseits hatte Müller aber auch seit 1922 eine beachtliche Erfahrung in der Finanzverwaltung vorzuweisen und war Leiter des Finanzamts in Alsfeld (Hessen), Landesfinanzamtsdirektor in Darmstadt und dann in schnellem Aufstieg Oberfinanzpräsident in Köln gewesen. Zwischen 1931 und 1934 war Müller in der Politik und hatte hier schnell höchste Ämter erklommen (Abgeordneter im Hessischen Landtag, Vorsitzender des Finanzausschusses, kurzzeitig sogar Landtagspräsident, dann Reichskommissar und ab dem 13. März 1933 Hessischer Staatsminister für Inneres, Justiz und Finanzen). Nach einem Machtkampf mit Gauleiter Jakob Sprenger verlor Müller aber sein Ministeramt, war wenige Monate Oberbürgermeister von Darmstadt und nahm dann, Sprenger ausweichend, Abschied von der Politik und kehrte in die Reichsfinanzverwaltung zurück. Am 13. Juli 1938 ernannt, war Müller für knapp sieben Jahre bis zum 26. April 1945 Präsident des Reichsrechnungshofes und Chefpräsident der Preußischen Oberrechnungskammer. An diesem Tag, an dem die Rote Armee in Potsdam einmarschiert war, erschoss Müller drei seiner vier Kinder, seine Ehefrau und sich selbst. Es überlebte nur die älteste Tochter Helga (19-jährig), die bereits als Flakhelferin diente. Ihr gelang es, sich nach Westen durchzuschlagen. Ihrem Sohn Veit Golinski89 verdanken wir eine außergewöhnliche Schilderung der letzten Tage Heinrich Müllers und seiner Familie. b) Auflösung oder Weiterexistenz: Müller vor großen Herausforderungen Wie berichtet, trat Müller sein neues Amt in für den Rechnungshof schwierigen Zeiten an. Sein Vorgänger hatte es sich mit vielen verscherzt, wofür exemplarisch die unmittelbar vor seiner Pensionierung begonnene 88 Zur Person: Hermann A. Dommach/Eckhart G. Franz, Artikel zu: Müller, Heinrich, in: Neue Deutsche Biografie (NDB), Bd. 18, Berlin 1997, S. 406 f.; Jochen Lengemann, Hessische Abgeordnete 1808–1996, Marburg 1996, S. 271 f.; Hans Georg Ruppel/Birgit Groß, Hessische Abgeordnete 1820–1930, Darmstadt 1980, S. 192 f. 89 Veit Golinski, Das Geisterhaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. März 2013; Fundstelle: www.faz.net, Suchbegriff: „Veit Golinski Das Geisterhaus“.

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heftige Auseinandersetzung mit dem „Stammhaus“ des Rechnungshofes, dem Reichsfinanzministerium, um das Ernennungsrecht, aber etwa auch der Dauerkonflikt mit NSDAP-Reichsschatzmeister Schwarz oder mit Postminister Ohnesorge benannt werden können. Zwar hatte der Rechnungshof durch die Verreichlichung des Rechnungswesens vordergründig an Personalstärke und Kompetenzen zugenommen, zwar verfügte er weiterhin über die formale Anerkennung durch die nationalsozialistische Staatsführung als notwendige Institution, doch war seine Autorität als unabhängige und allzuständige Rechnungsprüfungs- und Kontrollbehörde massiv angeschlagen. Faktisch betrieb der Rechnungshof – gemessen an Früherem – nur noch Pseudo-Verwaltungskontrolle. Wollte der neue Präsident nicht alsbald erleben, dass seine Behörde aufgelöst würde, waren daher grundlegende Veränderungen notwendig. Man mag vielleicht rückblickend fordern, dass es – um eine weitere Verstrickung in die Kriegsführung und die Untaten und Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten zu vermeiden – besser gewesen wäre, durch Passivität den Gang der Dinge nicht aufzuhalten. Doch kann man auch nachvollziehen, dass ein Behördenleiter, ganz egal welcher politischen Couleur, mit Blick auf eine bereits damals 225 Jahre währende Behördentradition, aber auch aus Verantwortungsgefühl für einen mehr als 1.000 Köpfe umfassenden Personalkörper, auf die Sicherung der Fortexistenz „seiner“ Behörde aus ist. Und auch in persönlicher Hinsicht wird es für Müller, gerade 42 Jahre alt, mit einem noch langen Berufsleben vor sich, unvorstellbar gewesen sein, sich seine Meriten als Abwickler des Rechnungshofes zu verdienen. Müller entschied sich also nach einer kurzen Eingewöhnungs- und Orientierungsphase, die bestehenden Probleme anzugehen, wobei in seinen Überlegungen zur staatspolitischen Verortung des Rechnungshofs im NS-Staat genauso wie in seinen Sachentscheidungen nationalsozialistische Ideologiefestigkeit und absolute Linientreue, persönlicher Ehrgeiz, aber auch eine beachtliche beamtenrechtliche Prinzipienfestigkeit, ferner ein gutes Stück Pragmatismus zusammenkamen.90 2. Überlegungen Müllers zu Stellung und Aufgaben eines Rechnungshofs im nationalsozialistischen Staat Zum Verständnis von Müllers Politik als Rechnungshofpräsident ist zuvörderst seine staatsrechtliche und staatspolitische Standortbestimmung für 90 Rainer Weinert (Sauberkeit der Verwaltung [Fn. 3], S. 65) hat diese Ambivalenz ebenso pointiert wie treffend mit den Worten zusammengefasst, Müller sei in erster Linie Präsident des Reichsrechnungshofes gewesen und erst in zweiter Linie Nationalsozialist.

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den Rechnungshof wichtig. Für die offizielle Vorstellung seiner diesbezüglichen Überlegungen wählte er ein seinerzeit eher ungewöhnliches Forum, nämlich eine Theorie-Praxis-Arbeitstagung, zu der die Mitglieder des Ausschusses für Finanz- und Steuerrecht der Gruppe Wirtschaftswissenschaftlicher Hochschullehrer im NS-Rechtswahrerbund am 30. Juni und 1. Juli 1939 nach Potsdam in den Rechnungshof eingeladen waren; später folgte eine Publikation seiner Thesen im Finanzarchiv, einer der damals wie heute sehr renommierten Fachzeitschriften im Bereich Öffentliche Finanzen.91 Auf der Tagung selbst wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Felix Boesler92 anhand von sechs Vorträgen von Rechnungshofmitarbeitern dem Generalthema „Organisation, Aufgaben und Grundfragen des staatlichen Rechnungs- und Kontrollwesens“ nachgegangen. Müller hielt das einführende Hauptreferat.93 Zunächst gab er darin dem Rechnungshof eine neue, den Verhältnissen im Dritten Reich angepasste Legitimation. Mit breitem historischem Ausgriff benannte Müller dabei als Aufgabe des Rechnungshofes die Kontrolle. Ausgeschieden werden könne heute eine politische Kontrolle (Verfassungskontrolle), da die Stellung des Führers eine solche nicht vertrage. Was die Kontrolle der Verwaltung angehe, werde die Aufgabe des Rechnungshofes klarer umrissen als bislang, wenn die „verwaschenen Begriffe“ Verwaltungs- und Rechnungskontrolle durch eine „grundsätzliche Scheidung zwischen dem Kontrollrecht des Rechnungshofes auf der einen Seite und der Überwachung der Behörden durch die Verwaltung selbst auf der anderen Seite“ ersetzt würden („administrative Überwachung“). Müller ging es hier einerseits um die Trennung von externer und interner Kontrolle, andererseits aber auch um den Begriff „Kontrollrecht“ selbst, den er von Zusätzen (politische Kontrolle / Verfassungs-Kontrolle; Verwaltungs-Kontrolle; Rechnungs-Kontrolle) freistellen wollte, um Kontrolle sodann als „Hoheitsrecht“ und „Teil der in der Hand des Führers vereinigten Regierungsgewalt“ einzuordnen.94 Zum Rechnungshof gewandt, hieß das für ihn: „Seinen Auftrag leitet er unmittelbar vom 91 Tagungsbericht durch Felix Boesler / Hans Engel, Organisation, Aufgaben und Grundfragen des staatlichen Rechnungs- und Kontrollwesens (Fn. 30), Finanzarchiv NF 7 (1940), S. 294 ff. 92 Felix Boesler (1901–1976) lehrte zunächst in Königsberg, ab 1939 an der Universität Jena (dort: Lehrstuhl für Volkswirtschaft und Finanzwissenschaft), seit den 1960er Jahren an der TU Stuttgart. Er galt als nationalsozialistischer Experte für die Verbindung von Bevölkerungs- und Finanzpolitik. 93 Heinrich Müller, Die staatsrechtliche und staatspolitische Stellung des Rechnungshofs im Dritten Reich, Finanzarchiv NF 7 (1940), S. 193 ff. Die nachfolgend gekennzeichneten Zitate finden sich allesamt auf S. 197–203. 94 Nach der in der Zeit des Nationalsozialismus gültigen Definition Ernst Forsthoffs (Der totale Staat, Hamburg 1933, S. 30 f.) galt: „Die Führergewalt ist umfassend und total; sie vereinigt in sich alle Mittel der politischen Gestaltung; sie er-

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Führer ab, und der Führer allein als Inhaber des Kontrollhoheitsrechts ist befugt, die Stellung und die Aufgabe des Rechnungshofes zu ergänzen, zu ändern oder zu beschränken.“ Der Rechnungshof sei mithin „mehr Führerbehörde als Reichsbehörde“. Er stehe damit „außerhalb des Kreises der Verwaltungsbehörden (der Reichsregierung im engeren Sinne), befindet sich aber mit ihnen auf der gleichen Ebene (Begriff der Parität).“ Diese Rangüberlegung gab für Müller – wovon sogleich näher zu berichten ist – die staatspolitische Rechtfertigung dafür ab, den Rechnungshof aus seiner bisherigen personalrechtlichen Anbindung an das Reichsfinanzministerium zu lösen und stattdessen eine Anbindung an die Hitler unmittelbar als geschäftsführende Stabsbehörde zugeordnete Reichskanzlei zu suchen. Ebenso begründete sie den Anspruch der Rechnungshofleitung, den Chefs der Fachressorts gleichrangig zu begegnen und mit den Reichsministerien auch stellenbewertungsmäßig gleichzuziehen. Inhaltlich umfasse das Kontrollrecht des Rechnungshofes – so Müller weiter – „die Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung der Verwaltung und gipfele darin, dass der Rechnungshof der Reichsregierung und damit dem Führer die Unterlagen für die Entlastung der verantwortlichen Fachminister unterbreitet“. Die Bekräftigung des hergebrachten Rechnungshofauftrags verband Müller sodann aber in der zweiten wichtigen Neubestimmung seines Referats mit einer seines Erachtens der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft adäquaten weiteren Aufgabenbeschreibung. Für den Staat als politische Form dieser Volksgemeinschaft gehe es darum, mithilfe des Rechnungshofes in seiner Verwaltung einen „rechtschaffenen und wahrhaft haushälterischen Sinn zu bewahren, auszuprägen und zu vervollkommnen.“ Der Erfolg dieses Bewahrungs- und Vervollkommnungsauftrags des Rechnungshofes gegenüber den Verwaltungen sei dabei „mehr auf Überzeugung durch die Güte seiner Arbeit als auf der Gesetzeskraft oder Unangreifbarkeit seiner Entscheidungen begründet“. „Sachverstand und Überzeugungskraft“ seien „die besten Waffen des Rechnungshofes“. Daher lasse man es sich „ganz besonders angelegen sein, nicht nur abgeschlossene Vorgänge zu prüfen und ihre Durchführung zu kritisieren, sondern auch zu raten, vorzusorgen, zu planen und vor allem auch Verwaltungen, die neu aufgebaut sind oder die im Aufbauwerk des Führers neue und besonders große Aufgaben zu bewältigen haben, zu beraten.“ Diese hier noch behutsam formulierte neue Maxime „Prüfen durch Unterstützen und Beraten“, sie erinnert mehr an die Tätigkeit des Reichssparkommissars als an die traditionelle Rechnungshoftätigkeit, beschreibt exakt den Weg, den der Rechnungshof in den weiteren Jahren bis 1945 nahm. Mit diesem Konzept überlebte er den Krieg. streckt sich auf alle Sachgebiete des völkischen Lebens; sie erfasst alle Volksgenossen, die dem Führer zu Treue und Gehorsam verpflichtet sind.“

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Trotz der Linientreue von Müllers Darlegungen tut man ihm Unrecht, wenn man diese Neupositionierung allein als eine unter Präsident Saemisch noch unterbliebene bzw. vermiedene Anpassung an nationalsozialistische Doktrinen (so die bisher überwiegende Deutung) versteht. Die neue dogmatische Verortung ebenso wie die angekündigte Verlagerung des Tätigkeitsschwerpunktes weg von der Haushaltsprüfung, weg von der nachgängigen Belegprüfung und weg von Kontrolle und Kritik hin zur begleitenden (gegenwärtigen) Maßnahmenprüfung mit nachfolgender Beratung und Unterstützung war ein Zukunftskonzept, das dem komplett veränderten Prüfungsumfeld Ende der 1930er Jahre gerecht wurde: Es bot andere reiche Betätigungschancen, brachte voraussichtlich aber weniger Anlässe mit sich, den Prüfungsbetroffenen durch bloße Kritik „auf die Füße zu treten“, und machte es so insgesamt seinen Gegnern schwer, den Rechnungshof als Relikt vergangener Zeiten abzustempeln und seine Auflösung zu betreiben. 3. Maßnahmen zur institutionellen Absicherung und Stabilisierung des Rechnungshofes Zwei „Großbaustellen“, die Saemisch seinem Nachfolger hinterlassen hatte, betrafen Dauerkonflikte. So musste unbedingt das Konfliktfeld mit NSDAP-Reichsschatzmeister Schwarz, so Müllers Analyse, bereinigt werden. Besonders eilig war aber die Lösung des Streits um das Mitwirkungsrecht des Reichsfinanzministers bei Ernennungen im Rechnungshof. Als Ausgangsbefund war hier klar, dass der Rechnungshof, um Anfeindungen und Schließungsabsichten von Reichsministern oder Parteistellen widerstehen zu können, entweder die Protektion eines Fachressorts oder diejenige der Reichskanzlei benötigte. An Fachressorts kam hierfür nur – wie bisher – das Reichsfinanzministerium in Betracht, allenfalls noch das Reichsinnenministerium (mit dem aber im Bereich der Gemeindeprüfung ein gewichtiges Konfliktfeld bestand). Gegen den Versuch der Neubelebung der traditionell engen Allianz mit dem Finanzministerium sprach aber nicht nur der dann eintretende Gesichtsverlust für den Rechnungshof, sondern auch die Beobachtung, dass die Position dieses vormals so mächtigen Ministeriums seit 1933 viel schwächer geworden war.95 Attraktiv war also nur der Wechsel unter das starke Dach der Staatskanzlei.

95 Der Machtverlust des Reichsfinanzministeriums in Haushaltsfragen setzte sich im Übrigen nach Kriegsbeginn verschärft fort, was Kurt Heinig (Das Budget, Bd. I [Fn. 1], S. 130, 131) veranlasste, von der „vollendeten Degradierung des Finanzministers zu einem Finanzfunktionär“ zu sprechen bzw. davon, der Minister sei „de facto nur noch ein Schleusenfunktionär für das fließende Budget“.

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a) Günstige Entscheidung des Streits mit dem Reichsfinanzministerium um das Ernennungsrecht für Rechnungshofbeamte Die Lösung des Konflikts um das Ernennungsrecht fiel dem neuen Präsidenten dabei praktisch in die Hände. Für das Reichsfinanzministerium sehr überraschend, schlug sich Hans-Heinrich Lammers, Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, auf die Seite des Rechnungshofes und teilte mit, dass er, um den „Notstand“ bei Ernennungen von Beamten im Rechnungshof abzustellen, zunächst eine Zwischenlösung bei Hitler erwirkt habe, die den Präsidenten des Rechnungshofes bis auf Weiteres ermächtige, Beamtenernennungen selbst vornehmen zu können. Wieviel Müller danach noch tun musste, um bei Lammers eine dauerhafte Lösung des Streits zu erreichen, ist nicht bekannt – jedenfalls suspendierte Hitler durch Erlass vom 23. November 193896 die Ernennungsregelungen des § 119 Reichshaushaltsordnung und ordnete an, die Vorschläge für die Ernennung der Beamten des Rechnungshofes, ihre Versetzung in den Ruhestand und ihre Entlassung künftig dem Chef der Reichskanzlei zu übermitteln, der fortan die entsprechenden Urkunden mitzuzeichnen habe. Am 27. November 1938 bekam Schwerin von Krosigk erläuternd mitgeteilt, „daß Hitler in dieser Sache eine ‚weitere rechtstheoretische Erörterung‘ ablehne, es müsse vielmehr ‚eine den praktischen Bedürfnissen Rechnung tragende Lösung gefunden und beschleunigt verwirklicht werden.‘ (…) Diese Lösung müsse ‚im Hinblick auf die dem Rechnungshof obliegenden besonderen Aufgaben eine Anlehnung des Rechnungshofes an eines der Sachressorts vermeiden‘.“97 Das war, wie sich zeigen sollte, ein wichtiger Etappensieg auf dem Weg der Vermeidung einer Auflösungsentscheidung. Denn der Beistand der Reichskanzlei blieb kein Einzelfall. Rückendeckung ausmachen kann man etwa bei der weiteren Behandlung des (fortdauernden und auch von Müller nicht zu lösenden) Konflikts mit Postminister Ohnesorge, dessen Forderung vom Januar 1940 nach Auflösung des Rechnungshofes an der Reichskanzlei, konkret an Staatssekretär Lammers, scheiterte. Ähnlich war die Konstellation bei Versuchen des Innenministers und Generalbevollmächtigten für 96 Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Ernennung der Beamten und die Beendigung des Beamtenverhältnisses in dem Geschäftsbereich des Rechnungshofs des Deutschen Reiches (RGBl. I 1938 S. 1669 f.). Zum Ablauf des Streits siehe Bundesarchiv, Bestand R 2 (RFM), Nr. 21760; Bundesarchiv, Bestand R 43 II (Reichskanzlei), Nr. 1155b; Bundesarchiv, Bestand N 1171 (NL Saemisch), Nr. 119, Bl. 80 f. (zitiert nach Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt [Fn. 4], S. 87). 97 Zitiert nach Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 34; dieser unter Hinweis auf das Schreiben Lammers’ an Schwerin von Krosigk (Bundesarchiv, Bestand R 2 [RFM], Nr. 21760).

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die Reichsverwaltung Wilhelm Frick, den Rechnungshof stillzulegen. Das scheiterte wiederum mit Lammers’ Hilfe 1942 und erneut 1944.98 Das Verhältnis Müllers zu Lammers und die Kontaktpflege der Rechnungshofspitze zu den Beamten der Reichskanzlei bedarf noch näherer Klärung, insbesondere interessiert, aus welchen Gründen Lammers sich bei Frontalattacken von zwei Ministern auf den Rechnungshof jeweils auf die Seite des Rechnungshofes schlug. Die Unterstützung der Reichskanzlei (Müller baute hier eine sehr gute Arbeitsbeziehung mit Reichskabinettsrat Dr. Killy auf) war für den Rechnungshof jedenfalls von großem Wert. Lammers befand sich nämlich – mindestens bis 1942 (als mit dem wachsenden Einfluss Martin Bormanns sein eigener nach und nach zu sinken begann) – in der zentralen regierungsamtlichen Schlüsselstellung: Da seit 1938 keine Kabinettssitzungen mehr stattfanden, war er seither für alle nicht-parteirelevanten Dinge die entscheidende Zugangshürde zu Hitler: Lammers filterte die Informationen und Anliegen, die aus den Ministerien oder der nachgeordneten Verwaltung an Hitler herangetragen wurden, stellte die aus seiner Sicht regierungsrelevanten Anliegen zusammen, besprach sie, wegen Hitlers bekannter Abneigung gegen Bürotätigkeit und Aktenstudium, im mündlichen Vortrag mit dem Diktator und übermittelte sodann den Reichsministerien Hitlers Wünsche und Befehle, die er zuvor verwaltungskompatibel „übersetzte“, sodass ihre Umsetzbarkeit und Ausführung gesichert war. Insofern muss die unter Müller erreichte Regelung des Ernennungsrechts – wie Weinert99 zu Recht hervorhebt – im Rückblick als Einstieg in eine für den Rechnungshof überaus nützliche Kooperation gewertet werden. b) Das Abgrenzungsabkommen mit NSDAP-Reichsschatzmeister Schwarz Ein langjährig ungelöstes Konfliktfeld bestand bekanntermaßen auch mit NSDAP-Reichsschatzmeister Schwarz, der dem Rechnungshof die nach § 64a Reichshaushaltsordnung eigentlich vorgesehene Kompetenz bestritt, die Haushaltswirtschaft seiner Partei und ihrer Gliederungen zu prüfen, soweit diese Mittel aus dem Reichshaushalt erhielten. Nach einer Besprechung Müllers mit Schwarz am 21. Oktober 1940 in München erreichten beide Seiten hier nach zügiger Abstimmung der Inhalte am 18. März 1941 den Abschluss einer „Vereinbarung zwischen dem Reichsschatzmeister der NSDAP und dem Rechnungshof des Deutschen Reichs sowie der Preußi98

Dazu Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 34, 80 f. Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 34. A. A.: Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 87 („keine nennenswerten Auswirkungen“). 99

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schen Oberrechnungskammer über die Abgrenzung der Prüfungsrechte“ (sogenanntes Abgrenzungsabkommen).100 Schwarz blieb die ausschließliche Zuständigkeit für die Prüfungen der Einrichtungen des Parteirechts vorbehalten (Nummer 1 des Abkommens), während die beiden Rechnungshöfe für die Prüfung von Einrichtungen staatlichen Rechts (Reich, Länder, Reichsgaue und sonstige öffentlich- oder privatrechtliche Stellen, deren Prüfung den Rechnungshöfen kraft Gesetzes, Verordnung oder Einzelverwaltungsaktes zustand) zuständig sein sollten (Nummer 2). Zusätzlich nannte der Zuständigkeitskatalog in Nummer 2, 3. Absatz als Rechnungshofprüfungen unterworfene Stellen ausdrücklich u. a. „die Waffen-SS und die Konzentrationslager“, „die Versorgung der Waffen-SS“, die Motorsportschulen des NSKK, das NSFK sowie den „Reichsführer-SS als Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums nebst angeschlossenen Einrichtungen“.101 Soweit ersichtlich, wird dieses Abgrenzungsabkommen bislang zumeist102 als Niederlage des Rechnungshofes betrachtet. Dommach spricht etwa von bloßer „Scheinparität“103 der Vereinbarungsparteien und folgt damit Kurt Heinig,104 der das Abkommen als „vollendete Kapitulation der höchsten deutschen Budgetprüfungsbehörde vor der alleinherrschenden Parteimacht“ bewertet hat. Das mag gemessen an der Weimarer Rechtslage und auch gemessen am damit endgültig obsolet gewordenen § 64a Reichshaushaltsordnung richtig sein, lässt aber doch außer Acht, dass es sich nur um die Festschreibung des damaligen Status quo handelte, mithin nicht um einen Verzicht auf zuvor (noch) ausgeübte Rechnungshofkompetenzen. Den Dualismus von Staat und Partei auf dem Gebiet der öffentlichen Rechnungshofkontrolle (Rechnungshof versus Partei-Rechnungshof) gab es bereits 100 Abgedruckt bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), Anhang, Anlage 7, S. 226–232. Das Abkommen wurde im Jahre 1943 geringfügig modifiziert. Zur Entstehungsgeschichte des Abkommens siehe bislang nur Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 35. Weitere Details zu den Motivationen und zur Vorbereitungsgeschichte sind noch unbekannt. 101 Es ist – wie Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 12), S. 167, völlig zu Recht bemerkt – noch ungeklärt, ob dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler daran gelegen war, seiner Partei grundsätzlich einen Einblick in seine Haushaltsführung zu verwehren, ob er dem Reichsschatzmeisteramt die fachliche Kompetenz absprach oder ob er den Rechnungshof für neutraler oder vielleicht auch für beeinflussbarer im Falle parteiinterner Machtkämpfe hielt. 102 Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 106; Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 134 f.; Rainer Weinert, NS-Staat II (Fn. 11), S. 51 (58); wohl auch Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 12), S. 167. Anders aber Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 37. 103 Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 106. 104 Kurt Heinig, Das Budget, Bd. I (Fn. 1), S. 135.

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vorher; dieser wurde mit dem Abkommen nur besiegelt. Damit rücken dann die strategischen Vorteile der Vereinbarung in den Vordergrund: Der Rechnungshof „verzichtete“ auf etwas, was er im Konfliktfall ohnehin nicht durchsetzen konnte, bekam dafür aber explizit das Prüfungsrecht gegenüber der SS, was zuvor streitig gewesen war. Das war ein umfangreicher und natürlich hochsensibler Bereich – folglich ein echter Zugewinn an (zuvor von Schwarz bestrittenen) Prüfungsbefugnissen. Noch wichtiger aber könnte gewesen sein, was noch näher zu untersuchen wäre, dass nunmehr Ruhe an einer für den Rechnungshof wichtigen Front hergestellt war und man mit Schwarz einen vormaligen Gegner neutralisierte und ihn gegebenenfalls sogar zum potenziellen Verbündeten machte. Überdies erleichterten beide Seiten ihr Alltagsgeschäft um die ständigen Kompetenzstreitigkeiten, die die Prüfungsunterworfenen in den Vorjahren natürlich weidlich ausgenutzt hatten. Ab sofort konnte im Konflikt mit dem Reichsschatzmeister jedenfalls kein Argument mehr dafür gefunden werden, den Rechnungshof aufzulösen. c) Veränderung der Prüfungsinhalte sowie geografische Verlagerung der Prüfungstätigkeit in die eroberten Gebiete Wie an dieser Stelle nicht näher ausgeführt und mit Beispielen belegt werden kann, aber in der Untersuchung von Dommach105 und vor allem in den Studien von Weinert106 und Gilles107 ausführlich dargestellt ist, ging der Rechnungshof getreu der von Präsident Müller in seinem Vortrag vom Sommer 1939 angestellten theoretischen Vorüberlegungen vermehrt von der kontrollierenden Belegprüfung zur begleitenden Maßnahmenprüfung und Beratung über. Dieser Verlagerungsprozess beschleunigte sich, als der Rechnungshof infolge des Krieges drastische Vereinfachungen im Buchführungsund Rechnungslegungswesen hinnehmen108 und überdies auf Druck der ihm 105

Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 94 ff. Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 41 ff., 79 ff. 107 Franz-Otto Gilles, Hauptsache sparsam und ordnungsgemäß (Fn. 3). 108 Das geschah in raschem Takt binnen zwei Jahren. Siehe im Einzelnen: Verordnung zur Vereinfachung der Haushaltsführung in Reich und Ländern für 1940 vom 15. Januar 1940 (RGBl. II 1940 S. 29); Verordnung über die Haushaltsführung im Reich im Rechnungsjahre 1940 vom 26. März 1940 (RGBl. II 1940 S. 65); Verordnung über die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung während des Krieges vom 5. Juli 1940 – Reichskontrollgesetz (RGBl. II 1940 S. 139); Verordnung zur Vereinfachung der Haushaltsführung in Reich und Ländern im Rechnungsjahr 1941 vom 12. Februar 1941 (RGBl. II 1941 S. 37); Verordnung über die Haushaltsführung im Reich im Rechnungsjahr 1940 vom 26. März 1940 (RGBl. II 1940 S. 85); Erlass zur Vereinfachung der Verwaltung vom 25. Januar 1942 (nicht veröffentlicht; abgedruckt bei: Martin Moll, Führererlasse 1939–1945, Stuttgart 1997, S. 231–233). 106

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ablehnend gegenüberstehenden Stellen seine Prüfungstätigkeiten im sogenannten Altreich erheblich einschränken musste. Nach 1942 sah die Prüfungspraxis daher, wie der Vermerk eines Prüfungsgebietsleiters109 ausweist, wie folgt aus: fast völliger Verzicht auf örtliche Prüfungen im Altreich, weitgehender Verzicht auf Rechnungslegung, Verzicht auf die Vorprüfung, großzügiges Entgegenkommen bei Anträgen der Verwaltung auf Erleichterungen in der Rechnungslegung, Beschränkungen auf Prüfungserinnerungen mit Überlassung zur selbstständigen Erledigung durch die Verwaltungen, Erörterungen der Monita an Ort und Stelle. An die Stelle der kaum noch stattfindenden Prüfungen im Altreich traten Prüfungen in den besetzten Gebieten. Dommach und Weinert110 haben eindrucksvoll beschrieben, dass der Rechnungshof Prüfungen etwa bei Verwaltungsstellen in Böhmen und Mähren, Serbien, Oberitalien, Norwegen, Belgien, Luxemburg, Lothringen und im Elsass durchgeführt hat. Schwerpunkte waren – auch hier ist allerdings noch vieles näher zu betrachten und auszuwerten – offensichtlich die Vermögensämter, die für die Erfassung, Verwaltung und Verwertung von Feind-, Juden- und sonstigem Vermögen zuständig waren. Zentrale Ziele der Prüfungen sind die Eindämmung der Korruption, die Veruntreuung beschlagnahmten Vermögens und die Verschwendung gewesen, ferner der Abbau der sogenannten Überbürokratisierung in den neuen Verwaltungen und die Abschöpfung kriegsbedingter Mehrgewinne in der Rüstungsindustrie. Im Gesamtbild wurden Kontrolltätigkeiten früheren Verständnisses nur noch auf dem Papier aufrechterhalten (man sprach von „Kontrolle durch Beratung“ bzw. „Beratungsrevision“). In seinen klassischen Funktionen aus der Zeit vor 1933 war der Rechnungshof kaum mehr aktiv. Fast ganz betrieb man Prüfungen mit sich anschließender Beratung der Verwaltungen, welche Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Korruption und Verschwendung zweckdienlich seien und wie man am besten den Erfordernissen des totalen Kriegseinsatzes nachkommen könne. Darüber, ob Präsident Müller vorhatte, in Friedenszeiten diese komplette Neuausrichtung der Prüfungstätigkeit rückgängig zu machen und zu einer Kontrollbetätigung zurückzufinden, die die Bezeichnung Verwaltungskontrolle verdienen würde, kann nur spekuliert werden. Dazu hätte jedoch zuallererst einmal das Regime zu einer geordneten Haushaltswirtschaft mit Haushaltsplanung, vorherigem Haushaltsplan und plangemäßem Aufgabenvollzug zurückkehren müssen, um so überhaupt 109 Vermerk vom 19. Juli 1943 (Bundesarchiv, Bestand 23.01 [Rechnungshof], Nr. 306, Bl. 132, zitiert nach Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung [Fn. 3], S. 82). 110 Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 109 ff.; Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 131 ff.

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die Voraussetzungen für eine nachgängige Rechnungsprüfung auf Ordnungsgemäßheit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu schaffen. Anzeichen, dass das unter nationalsozialistischer Herrschaft (noch) möglich gewesen wäre, gibt es indessen nicht. 4. Der Blick in die fernere Zukunft: das Visionspapier der Rechnungshofspitze und dessen Vertagung bis zu einem „gelegeneren Zeitpunkt“ Müller ging es allerdings nicht nur um das Überleben. Vielmehr verfolgte er für den Rechnungshof, dies im Zusammenwirken mit seinem Vizepräsidenten Mussehl, eine weitreichende Zukunftsvorstellung. Theoretischer Ausgangspunkt war dafür die bei der Arbeitstagung im Sommer 1939 vorgetragene Überlegung, dass auch das Recht zur Kontrolle, so wie alle anderen Rechte, die in der Hand des Führers ruhten, ein totales, allumfassendes Recht sei. Organisatorisch bedeutete diese Totalität für Müller, dass die hergebrachte Zersplitterung des Kontrollwesens durch Bündelung bei einer einzigen führerunmittelbaren Stelle, „Reichskontrollhof“ genannt, beseitigt werden solle. Anhand einer nicht datierten Zusammenfassung („Grundsätze über das Kontrollwesen im Großdeutschen Machtbereich“) und weiterer Archivalien111 lassen sich die Gedanken näher beschreiben. Gemäß dem Abgrenzungsabkommen vom 18. März 1941 wird zunächst die Dualität der Kontrolle von Parteieinrichtungen und derjenigen für Einrichtungen staatlichen Rechts als gegeben erachtet: „Der Führer lässt die Kontrolle ausüben: in der Partei durch den Reichsleiter, Reichsschatzmeister der NSDAP, im Staat durch die Reichskontrolle.“ Die nach der Zukunftsvorstellung neu zu schaffende Reichskontrolle sollte alle damals vorhandenen Prüfungseinrichtungen der öffentlichen Hand zusammenfassen, mithin den Reichsrechnungshof und die Preußische Oberrechnungskammer, den Rechnungshof im Generalgouvernement, das Hauptprüfungsamt der Deutschen Reichsbahn, das Prüfungsamt der Deutschen Reichsbank, die Prüfstelle für den Bereich der Organisation der Gewerblichen Wirtschaft bei der Reichswirtschaftskammer, das Reichsversicherungsamt (Abteilung „Gemeinschaftsgruppe Vermögensverwaltung“), das Reichsaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (1943: Reichsaufsichtsamt für das Versicherungswesen), das Reichsaufsichtsamt für Kreditwesen (im September 1944 aufgelöst) sowie die seinerzeit beim Reichsinnenministerium angesiedelten Ämter für die Kommunalprüfungen. Der Aufgabenbereich des zu errichtenden Reichskontrollhofes wird 111 Wiedergegeben bei Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 79 ff., 118 f.; Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 38 f.

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mit Kassenprüfung, Haushaltsprüfung und Organisationsprüfung umrissen. Interessant ist sodann der Vorschlag, dass die Reichskontrolle in oberstgerichtlicher Eigenschaft tätig werden können solle, um wichtigen Entscheidungen verbindliche Kraft auch gegenüber den Reichsministerien und den ihnen nachgeordneten Behörden beizulegen.112 Alle Erkenntnisse aus der Prüfung des Haushaltsjahres sollten in einem „Reichskontrollbericht“ zusammengefasst werden, den der Chef der Reichskontrolle dem Führer überreichen sollte. Zuletzt kam noch die Forderung nach Gleichstellung mit den Reichsministerien, verbunden mit der Forderung nach Anhebung der Stellenbewertungen im Reichskontrollhof, was auch ein „Bonbon“ für Müller selbst beinhaltete; die Reichskontrolle solle nämlich geleitet werden von einem „Reichsminister und Chef der Reichskontrolle“. Müller erhielt für diese Zukunftspläne zunächst Rückendeckung aus der Reichskanzlei und auch durch seinen neuen Verbündeten, Reichsschatzmeister Schwarz, der Parteikanzleichef Martin Bormann das Vorhaben schmackhaft zu machen versuchte.113 Eine Unterredung zwischen Lammers und Bormann führte dann aber zu dem Müller am 11. März 1943 mitgeteilten Ergebnis, Lammers und Bormann beurteilten Müllers Pläne zwar grundsätzlich positiv. Beide seien jedoch der Meinung, dass „zur Zeit von der Verfolgung der Angelegenheit Abstand genommen“ werden und man sie „bis zu einem gelegeneren Zeitpunkt zurückstellen“ solle. Weinert114 hat dieses Schreiben als Machtwort Lammers’ gegen „Kontroll-Megalomanie“ und als „Beerdigung erster Klasse“ gedeutet. Das Vorhaben sei „abenteuerlich“ gewesen und habe nie die Chance auf Verwirklichung besessen. Gut abgestützt erscheint diese Behauptung bislang nicht, denn in anderen Bereichen – etwa in demjenigen der Polizei (Himmler als Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei) oder in der gewerblichen Wirtschaft (Reichswirtschaftskammer als Zusammenführung aller Wirtschaftsverbände) – sind während des Dritten Reiches ähnliche Zentralisierungsvorhaben verwirklicht worden. Und im Frühjahr 1943, gerade nach der Vernichtung der deutschen 6. Armee in Stalingrad, was allgemein als psychologischer Wendepunkt des Krieges gesehen wird, war der Zeitpunkt wirklich ungünstig. Unter dem Eindruck solcher Kriegsereignisse und im Zeichen der Ausrufung des totalen Kriegs durch Goebbels (18. Februar 1943) war sicherlich nicht der Moment, eine große Organisationsreform ins Werk zu setzen. Gegen Wei112 Das erinnert an die Tätigkeit des Reichsversicherungsamtes als letzte Instanz des seinerzeitigen dreistufigen sozialversicherungsrechtlichen Rechtsschutzsystems innerhalb der Sozialverwaltung; diese Tätigkeit des RVA ging erst mit der Errichtung des Bundessozialgerichts und der Sozialgerichtsbarkeit (1954) verloren. 113 Dazu Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 40. 114 Rainer Weinert, Sauberkeit der Verwaltung (Fn. 3), S. 35 („abenteuerliche Vorstellungen)“, S. 39 („Kontroll-Megalomanie“), S. 40 („Beerdigung erster Klasse“).

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nerts Einschätzung spricht auch, dass Müller – wie Dommach115 berichtet – von dem Schreiben Lammers’ offenbar keineswegs entmutigt war, sondern unter strenger Geheimhaltung den „Entwurf eines Erlasses über die Reichskontrolle (Reichskontrollgesetz)“ erarbeiten ließ, der 1944 sogar die Zustimmung des Reichsfinanzministeriums und der Reichskanzlei gefunden haben soll, aber nicht mehr zur Verkündung kam. V. Zusammenfassung und Schlussbetrachtung Zwischen 1930 und 1940 ist der Reichsrechnungshof von einer Verwaltungs- und Verfassungskontrollbehörde mit (fast) universalen Kontrollbefugnissen auf der Reichsebene zu einer bloßen Pseudo-Verwaltungskontrollbehörde herabgesunken. Dies geschah trotz der Verreichlichung des Haushaltsrechts und des Kontrollwesens zwischen 1933 und 1936, was dem Rechnungshof eigentlich einen erheblichen Bedeutungszuwachs brachte. Doch verflüssigte sich zeitgleich sein Kontrollgegenstand: Eine geordnete Haushaltswirtschaft, die ein Rechnungshof braucht, um seine Kontrolltätigkeit ausüben zu können, gab es nicht mehr, genauso wenig wie einen umfassend durchsetzbaren Kontrollanspruch gegenüber allen Verwaltungsstellen. Unter dem 1938 ins Amt gekommenen neuen Präsidenten Müller wurde der Rechnungshof einerseits stärker nationalsozialisiert, andererseits aber die Richtung „Auflösungsentscheidung“ „abschüssige Bahn“, auf der sich der Rechnungshof seit Längerem befand, verlassen. Müller beseitigte den Dauerkonflikt mit Parteischatzmeister Schwarz und positionierte den Rechnungshof staatstheoretisch als eine Art Stabsstelle des Führers für die Ausübung des zur Führergewalt zählenden Kontrollrechts und in praktischer Hinsicht als führerunmittelbare Behörde für die Kontrolle von Verwaltungen, konkret insbesondere als Stelle für gegenwartsnahe Maßnahmenprüfungen und Verwaltungsberatung vornehmlich in den besetzten Gebieten. Er stellte den Rechnungshof damit „kriegswichtig“ auf und stabilisierte ihn so entscheidend in seiner Existenz. Müllers darüber hinausführende Vorstellung von einer einheitlichen Kontrollbehörde (Reichskontrollhof), in der alle Stellen gebündelt sein sollten, die im NS-Staat Kontrollaufgaben wahrnahmen, blieb Zukunftsvision. Die populäre Ansicht, die deutschen Rechnungsprüfungsbehörden hätten letztlich seit 300 Jahren (und damit auch über das Dritte Reich hinweg) eine „ungebrochene Tradition“, weil neben den institutionellen Merkmalen und dem jeweiligen Personal jeweils auch ihre Funktionen von den verschiedenen politischen Systemwechseln relativ unberührt geblieben seien, 115

Hermann A. Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 4), S. 118 f.

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erscheint somit eher zweifelhaft. Der Rechnungshof des Deutschen Reiches in der Zeit von 1933 bis 1945 mag institutionell als Teil einer imponierend langen Tradition angesehen werden können. Für die funktionelle Betrachtung gilt das aber nicht. Hier war der Rechnungshof ab 1933 und signifikant ab etwa 1939 / 1940 auf dem Sprung in eine funktionelle Diskontinuität, aus der es vermutlich kein „Zurück“ gegeben hätte. An die Rechnungshoffunktionen am Ende des Dritten Reiches war jedenfalls nicht anzuknüpfen, als es nach 1945 um die Neuordnung der staatlichen Finanzkontrolle im Nachkriegsdeutschland ging. Vielmehr ging es damals gewissermaßen „Zurück auf Los“, nämlich auf die um 1930 erreichte Weimarer Ausgangslage (siehe Abschnitt II.). Diese Feststellung ist aber selbstverständlich kein Grund, nicht zu feiern, dass vor jetzt 300 Jahren im Jahre 1714 in Preußen eine Generalrechnungskammer errichtet worden ist.

Die Entwicklung der Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik Patrick Schröter I. Organe der Finanzkontrolle 1. Untersuchungsgegenstand Der Beitrag stellt die Organe der externen Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR einander gegenüber und beschreibt deren Funktions- und Arbeitsweise.1 Um die Tätigkeit der ostdeutschen Finanzkontrolle vor dem Hintergrund der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR besser verstehen zu können, wird der ideologische Kontext der DDR beleuchtet. Zugleich werden die Kontrollorgane an maßgeblichen Standards gemessen, die sich aus den Vorschriften der internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (International Organisation of Supreme Audit Institutions – INTOSAI) ergeben. Die Darstellung beschränkt sich auf Organe, die nach dem Zweiten Weltkrieg neu entstanden sind und zumindest für eine gewisse Dauer bestanden haben. Ausgespart sind Teile des Reichsrechnungshofes, die in den Besatzungszonen noch kurzzeitig tätig waren, sowie kurzlebige Neugründungen in den Besatzungszonen. Für die Bundesrepublik beschäftigt sich der Beitrag daher mit dem Bundesrechnungshof. Für die DDR wird zuvorderst die Staatliche Finanzrevision (SFR) in den Blick genommen, deren Aufgabenstellung und Tätigkeit am ehesten der des Bundesrechnungshofes ähnelten und die zumindest ihrer äußeren Form nach in einer gewissen Kontinuität zur traditionellen externen Finanzkontrolle stand. Außerdem werden für die DDR die Arbeiter-undBauern-Inspektion (ABI) und deren Vorläufer, die Zentrale Kontrollkommission (ZKK) bzw. die Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle (ZKSK), 1 Zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die in der DDR für die Staatliche Finanzrevision oder die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion gearbeitet hatten, standen dem Autor wiederholt für ausführliche Auskünfte zur Verfügung. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

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untersucht.2 Diese Einrichtungen führten zumindest teilweise Prüfungen durch, die nach heutigem Verständnis der externen Finanzkontrolle zugerechnet werden können.3 2. Externe Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland In der Bundesrepublik gestaltete der Verfassungsgesetzgeber die externe Finanzkontrolle in der „traditionellen Form“,4 sodass der Bundesrechnungshof in Artikel 114 des Grundgesetzes dem bisherigen Rechnungshofsystem folgt. Nach diesem Vorbild gründeten auch die Bundesländer ihre Landesrechnungshöfe. In Deutschland besteht daher heute für den Bund und jedes Bundesland ein eigener Rechnungshof. Der Bundesrechnungshof wurde in institutioneller und organisatorischer Hinsicht Zeit seines Bestehens kaum verändert. Eine größere Reform stellte 2 Neben der SFR und der ABI gab es weitere Stellen, die sich mit Aufgaben der Finanzkontrolle befasst hatten; die Banken übten die sogenannte Bankenkontrolle aus, weitere Untersuchungen führten das Amt für Preise (Preiskontrollen) und die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik durch, vgl. Günter v. Grumbkow (Hrsg.), Sozialistische Finanzkontrolle, Berlin-Ost 1984, S. 57. Die Bankenkontrolle wurde von der Staatsbank der DDR, der Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft, der Deutschen Außenhandelsbank sowie den Sparkassen und Genossenschaftskassen erledigt (Günter v. Grumbkow, a. a. O., S. 103). Sie bezog sich auf die Kreditgewährung an die volkseigene Wirtschaft, erfasste aber auch den gesamten Zahlungsverkehr der Betriebe. Anhand dieser Daten stellten die Banken Forderungen zur Steigerung der Effizienz an die Unternehmen (Günter v. Grumbkow, a. a. O., S. 104). 3 Die ABI hatte den Auftrag, „volkswirtschaftliche Reserven bei der Ausnutzung der Arbeitszeit, der Grundmittel, des Materials und der finanziellen Fonds aufzudecken und planwirksam zu machen“ sowie „in den Betrieben, Genossenschaften und Einrichtungen bzw. in den Städten und Gemeinden die Erfüllung der betrieblichen und territorialen Pläne, die effektive Nutzung der materiellen und finanziellen Mittel und der Arbeitszeit (…) zu kontrollieren“; vgl. Ziffer 1 Buchst. b) sowie Ziffer 17 „Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 6. August 1974, DDR GBl. I 1974 S. 389. Dieser weite Begriff der Finanzkontrolle entsprach auch dem Selbstverständnis der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, die über die ABI die Bürger an der staatlichen „Finanzkontrolle der Werktätigen“ beteiligen wollte; vgl. hierzu Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 194 ff., insbes. 197 ff., sowie die Vorbemerkung (dritter Absatz) „Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 6. August 1974, DDR GBl. I 1974 S. 389. 4 Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: März 2013, Art. 114 GG Rn. 15 ff.; Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Grundgesetz, 12. Aufl., Köln 2011, Art. 114 GG Rn. 6.

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1998 die Ersetzung der Vorprüfungsstellen durch die Prüfungsämter des Bundes dar.5 Die Vorprüfungsstellen waren organisatorisch Teil der zu prüfenden Bundesbehörden. Die Bediensteten unterstanden nur in fachlicher Hinsicht dem Bundesrechnungshof, während die Dienstaufsicht bei der jeweiligen Behörde lag. Für den Bundesrechnungshof war es mitunter schwierig, im erforderlichen Maße auf die Prüfungstätigkeit Einfluss zu nehmen. Hinzu kam, dass die Auswahl und Qualifizierung des Personals den jeweiligen Behörden überlassen waren. Lediglich bei der Besetzung der Leitungspositionen in den Vorprüfungsstellen hatte der Bundesrechnungshof ein Mitspracherecht.6 Seit 1998 hat der Bundesrechnungshof eigene Prüfungsämter des Bundes, die die Vorprüfungsstellen ersetzt haben. Deren Beschäftigte gehören zum Bundesrechnungshof und unterliegen dessen Fach- und Dienstaufsicht. Da die Prüfungskräfte räumlich zusammengefasst und die Strukturen gestrafft wurden, konnte in erheblichem Maße Personal eingespart werden.7 Der Bundesrechnungshof leitet seine Legitimation aus dem Demokratieprinzip ab. Eine demokratisch legitimierte Herrschaft hat dem Volk gegenüber eine Treuhänderstellung bei der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel.8 Bei dieser Aufgabe unterstützt der Bundesrechnungshof das Parlament.9 Die Rechnungshöfe und das Parlament kompensieren mit der Haushaltskontrolle die weitgehend fehlende gerichtliche Kontrolle der Haushaltsgesetze.10 Im Rechnungshofsystem sind die Rechnungshöfe idealtypisch unabhängige Instanzen, die weder von der Regierung noch vom Parlament abhängig sind.11 Ein Rechnungshof unterliegt keinen Weisungen und kann insbesondere sein Arbeitsprogramm nach eigenen Vorstellungen und Prioritäten festlegen. Das Parlament kann sich grundsätzlich nur mit Prüfungsbitten an den Rechnungshof wenden.12 5 Die Prüfungsämter sind seit 1. Januar 1998 im neuen § 20a BRHG normiert. Entsprechend lässt § 100 BHO n. F. seitdem statt der Vorprüfungsstellen die Einrichtung von Prüfungsämtern des Bundes zu. 6 Vgl. zur Rechtsstellung der Vorprüfungsbehörden und den Einflussrechten des Bundesrechnungshofes auf deren Tätigkeit § 100 BHO a. F. in der Zeit bis 19. Juli 1985 und für die Zeit ab 20. Juli 1985. 7 Vgl. zur Rechtsstellung der Prüfungsämter des Bundes § 20a BRHG. 8 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, 6. Aufl., München 2010, Art. 114 GG Rn. 51. 9 Vgl. dazu Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 50 f. 10 Werner Heun, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl., Tübingen 2004, Art. 114 GG Rn. 9. 11 Dazu auch: Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 6. 12 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 158.

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Die mitunter vertretene Ansicht, der Bundesrechnungshof sei ein Hilfsorgan des Bundestags,13 überzeugt nicht.14 Sie steht im Widerspruch zur verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit und dazu, dass der Bundestag keinen Einfluss auf die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes nehmen kann.15 Er hat über das Budgetrecht nur einen sehr indirekten Einfluss auf die Prüfungstätigkeit, indem er den Haushaltsplan und den Stellenplan des Bundesrechnungshofes beschließt. Außerdem wählen Bundestag und Bundesrat nach § 5 Absatz 1 des Bundesrechnungshofgesetzes (BRHG) den Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes, wozu im Bundestag eine absolute Mehrheit der Mitglieder erforderlich ist. Weitere Organe der externen Finanzkontrolle gibt es in der Bundesrepublik neben den Rechnungshöfen nicht. Die Rechnungshöfe sind für den Gesamtbereich ihrer Gebietskörperschaft zuständig, sodass es keine sachlichen Kompetenzkonflikte zwischen verschiedenen Prüfungsorganen geben kann. Die allumfassende Zuständigkeit ist zugleich die eindeutigste. Sie vermeidet Koordinationsprobleme und mindert die Gefahr, dass „prüfungsfreie Räume“ oder „überprüfte“ Bereiche entstehen. Zuständigkeitskonflikte kann es nur bei der fachlichen Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bundes- und Landesrechnungshöfen geben. Da die Bundesrepublik ein föderalistischer Staat ist, sind die Zuständigkeiten für die Gesetzgebung und die Verwaltung zwischen Bund und Ländern geteilt. Problematisch kann die Zuständigkeitsabgrenzung werden, wenn die Länder Bundesgesetze im Auftrag des Bundes ausführen oder Zuschüsse vom Bund erhalten. Hier können Streitigkeiten entstehen, die mitunter durch Vereinbarungen der Rechnungshöfe geregelt werden.16 3. Finanzkontrolle in der Deutschen Demokratischen Republik a) Rolle der Staatsideologie Die Finanzkontrolle der DDR diente – neben den klassischen Zielen der Sicherstellung von Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der staatlichen Finanzwirtschaft – aus Sicht der Sozialistischen Einheitspartei 13 So aber: Ulrich Hufeld, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, 3. Aufl., Heidelberg 2005, § 56 Rn. 1. 14 Ebenso: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 309; Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 76. 15 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 76. 16 Ausführlich dazu: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 327.

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Deutschlands auch ideologischen Zwecken. Sie verfolgte insoweit einen – wenn auch eingeschränkten – normativen Gestaltungsanspruch, indem sie dabei helfen sollte, den Sozialismus aufzubauen. Ihre politisch-weltanschauliche Grundlage und ihren ideologischen Überbau fand sie im MarxismusLeninismus.17 Zum Wirtschaftssystem der DDR gehörte die vollständige Kontrolle aller Bereiche durch staatliche und gesellschaftliche Organe unter der obersten Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Ohne Berücksichtigung dieses ideologischen Überbaus ist ein tieferes Verständnis der Staats- und Volkskontrolle in der DDR kaum möglich.18 Die Finanzkontrolle war nach dem Verständnis der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands „eine spezifische Form der auf allen Ebenen der sozialistischen Gesellschaft ausgeübten gesellschaftlichen Kontrolle, wie sie bereits von Lenin für den Sozialismus gefordert wurde“. Das Ziel der Kontrolle bestand darin, „die Politik der Partei der Arbeiterklasse und des sozialistischen Staates aktiv (…) verwirklichen zu helfen“.19 Eine besondere Rolle hatte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands bei der als Volkskontrolle ausgestalteten Tätigkeit der ABI. Typisches Merkmal der Volkskontrolle war eine sehr hohe Zahl ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gegen Ende der DDR hatte die ABI über 280.000 ehrenamtliche, aber weniger als 2.000 hauptamtliche Beschäftigte. Im MarxismusLeninismus ist die Volkskontrolle Teil der demokratischen Teilhabe des Volkes an der Verwaltung des Staates und Mittel zur Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse.20 „Mit Hilfe der gesellschaftlichen Kontrolle im Sozialismus verwirklicht die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, mit der Intelligenz und allen anderen Werktätigen ihre führende Rolle bei der Leitung der sozialistischen Gesellschaft“.21 Die Finanzkontrolle war daher nach dem Verständnis der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands „ein wichtiges Instrument zur Vervollkommnung sozialistischer Demokratie“22 und zur „Verwirklichung des demokratischen Zentralismus“.23 Für Lenin war „Rechnungslegung und Kontrolle (…) das Wichtigste, was zum Ingangsetzen, zum richtigen Funktionieren der kommunistischen Gesell17 Dazu ausführlich: Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 20 ff. aus der Perspektive der DDR und Thomas Horstmann, Logik der Willkür, Köln 2002, S. 57 ff. aus der Perspektive der Forschung. 18 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 57. 19 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 21 für den ganzen Abschnitt. 20 Vgl. Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 57. 21 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 21. 22 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 21. 23 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 194.

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schaft in ihrer ersten Phase erforderlich ist“.24 Wesentliches Herrschaftsmittel der Diktatur des Proletariats in der Aufbauphase des Sozialismus ist damit die Kontrolle der Finanzen des Staates und der Wirtschaft. Das sozialistische Eigentum an den Produktionsgütern erforderte ebenfalls eine wirksame staatliche Finanzkontrolle: „Die Notwendigkeit der Finanzkontrolle durch die Organe der sozialistischen Staatsmacht ergibt sich aus der ökonomischen Funktion des sozialistischen Staates, das heißt aus seiner Verantwortung für die Leitung, Planung und ökonomische Stimulierung der Volkswirtschaft“.25 Zur Wahrung gesamtstaatlicher Interessen prüfte die Finanzkontrolle der DDR deshalb auch die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit von Betrieben und Banken, die sich im politischen System der DDR fast alle im Eigentum des Staates befanden. Unbeschadet des ideologischen Überbaus stand die Finanzkontrolle in der DDR keineswegs ausschließlich im Dienste der Parteiideologie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Da in der DDR das System der Staatswirtschaft herrschte, musste sich die Finanzkontrolle zwar an betriebswirtschaftlichen Methoden orientieren, die den Voraussetzungen in einem sozialistischen planwirtschaftlichen Wirtschaftssystem angepasst waren. Dennoch verliefen die Prüfungen der Finanzrevisionsorgane in der DDR im Alltag nicht besonders ideologielastig. Die Beschäftigten legten vielmehr Wert darauf, ihre Prüfungstätigkeit anhand wissenschaftlicher – und weniger ideologischer – Maßstäbe der Betriebswirtschaftslehre auszuüben. b) Staatliche Finanzrevision innerhalb des Ministeriums der Finanzen Die Staatliche Finanzrevision (SFR) in der DDR war organisatorisch als eine Hauptabteilung in das Ministerium der Finanzen integriert.26 Ihre Tätigkeit war auf die Einhaltung der „sozialistischen Gesetzlichkeit“27 bei der 24 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 58 unter Bezugnahme auf: Lenin, Staat und Revolution, in: Ausgewählte Werke in drei Bänden, Moskau 1987, S. 259 (332). 25 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 55 für das Vorstehende. 26 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 79. 27 Die „sozialistische Gesetzlichkeit“ war in Art. 19 Abs. 1 S. 2 VerfDDR zusammen mit der Gewährleistung der Rechtssicherheit verankert. Art. 87 VerfDDR bestimmte dazu: „Gesellschaft und Staat gewährleisten die Gesetzlichkeit durch die Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften in die Rechtspflege und in die gesellschaftliche und staatliche Kontrolle über die Einhaltung des sozialistischen Rechts.“ Art. 90 Abs. 1 S. 1 VerfDDR übertrug die „Durchführung“ der sozialistischen Gesetzlichkeit der Rechtsprechung.

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Haushalts- und Finanzwirtschaft, den pfleglichen Umgang mit dem Volkseigentum und die Verbesserung des Nutzeffekts der gesellschaftlichen Arbeit gerichtet.28 Sie nahm 195229 unter der Bezeichnung „Verwaltung Finanzrevision“ ihre Arbeit auf. Als Teil des Finanzministeriums war sie kein unabhängiges Kontrollorgan und unterstand den Weisungen des Finanzministers sowie des Ministerrates, der den Weisungen des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu folgen hatte. Sie stand daher nicht außerhalb, sondern innerhalb des Staatsapparates. Deshalb stellte sie auch – anders als der Bundesrechnungshof – keine „externe“ Finanzrevision dar. Die Verwaltung Finanzrevision hatte die Aufgabe, die Tätigkeit der bei den Ministerien und Staatssekretariaten gebildeten Kontrollgruppen zu überGegen Ende der 50er-Jahre entstand Streit über den Inhalt der „sozialistischen Gesetzlichkeit“, der durch „Beschluß des Staatsrates der DDR über die weitere Entwicklung der Rechtspflege“ vom 20. Januar 1961 (veröffentlicht in DDR GBl. I 1961 S. 3) beigelegt wurde. Darin wurde v. a. auf das Strafrecht Bezug genommen: „Zum Wesen des sozialistischen Rechts gehört die Gerechtigkeit, eine wahre Gerechtigkeit, die alle Bereiche unseres Lebens durchdringt. (…) In der Deutschen Demokratischen Republik dienen Recht und Gesetzlichkeit der Förderung der gesellschaftlichen Entwicklung, der Festigung der sozialistischen Disziplin und Moral. (…) Die sozialistische Gesetzlichkeit verlangt die allseitige, genaue Beachtung des gesetzlichen Tatbestands.“ Damit kam zum Ausdruck, dass das Gesetz der Verwirklichung des Sozialismus dienen musste und parteilich im Sinne des Marxismus-Leninismus auszulegen war. Der Richter musste neben den Gesetzen zugleich die Beschlüsse der Partei beachten. In der Frühphase der DDR wurde das vorsozialistische Recht bedenkenlos uminterpretiert, um mit Mitteln des Rechts „revolutionäre Gesetzlichkeit“ zu schaffen. Da jedoch die Gesetze 1961 beim Inkrafttreten dieses Beschlusses bereits im Sinne des Sozialismus parteilich umformuliert und neuformuliert worden sind, konnte der Richter jetzt die „sozialistische Gesetzlichkeit“ – anders als in der Frühphase der DDR – bei einer strikten Bindung an den Gesetzeswortlaut durchsetzen. Wobei die strikte Einhaltung der Gesetze stets mit einer parteilichen Anwendung einhergehen musste. Michael Stolleis bezeichnet die „sozialistische Gesetzlichkeit“ daher als „parteilichen Gesetzespositivismus, flexibel gemacht durch weit offene, politisierte Generalklauseln“, Michael Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, München 2009, S. 30; vgl. zum Begriff auch: Michael Stolleis, a. a. O., S. 28 ff.; Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), DDR Handbuch, 3. Aufl., Köln 1985, S. 1189 f. 28 Johannes Gurtz / Gotthold Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR, 2. Aufl., Berlin 1982, S. 158. 29 Die erste Regelung über die Tätigkeit der Finanzrevision findet sich in der „Verordnung über die Finanzrevision in den staatlichen Verwaltungen und Einrichtungen und in den Betrieben und Verwaltungen der volkseigenen Wirtschaft“ vom 6. November 1952 DDR GBl. 1952 S. 1192. In diesem Regelwerk fand sich neben dem Regelwerk für die „Verwaltung Finanzrevision“ zugleich die Regelung für die Innenrevision in den übrigen Teilen der staatlichen Verwaltung und der staatlichen Wirtschaftsbetriebe.

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wachen und für deren Tätigkeit Prüfungsrichtlinien zu verfassen. Zudem führte sie selbst mindestens einmal jährlich Kontrollen bei den Ministerien und Staatssekretariaten, der Abteilung Staatshaushalt bei der Deutschen Notenbank sowie den Räten der Bezirke durch.30 Im Jahre 1967 legte der Ministerrat im „Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision“ die Rechtsstellung der neu organisierten Staatlichen Finanzrevision (SFR) fest. Dieser Beschluss galt bis zu deren Überführung in den Rechnungshof der Republik zum 1. Juli 1990.31 Er regelte nur noch die Angelegenheiten der SFR und nicht mehr die Innenrevision in staatlichen Verwaltungen und Betrieben, weil im Zuge der Vereinheitlichung ab 1967 die Eigenrevisionsorgane zu großen Teilen in die SFR integriert wurden.32 In dieser Neuregelung der Rechtsstellung der SFR drückte sich das Anliegen aus, dass die Staatliche Finanzrevision zwar dem Ministerrat unterstehen, gegenüber den geprüften Stellen in der staatlichen Verwaltung und in der Wirtschaft aber unabhängig sein sollte.33 Die SFR führte – anders als andere Finanz- oder Bankorgane – eine reine Kontrolltätigkeit durch, ohne zugleich Finanzierungsaufgaben wahrzunehmen.34 Wesentliche Änderungen organisatorischer und struktureller Art blieben bei ihr aus. c) Rechnungshof der Republik Am 15. Juni 1990 erließ die Volkskammer der DDR mit Wirkung zum 1. Juli 1990 ein neues „Gesetz über die Haushaltsordnung der Republik“35 und ein „Gesetz über den Rechnungshof der Republik“.36 Die neue Haushaltsordnung der DDR regelte in den §§ 74 ff. die Tätigkeit des Rechnungshofes der DDR, der vergleichbare Rechte wie der Bundesrechnungshof in 30 § 7 der Verordnung über die Finanzrevision in den staatlichen Verwaltungen und Einrichtungen und in den Betrieben und Verwaltungen der volkseigenen Wirtschaft vom 6. November 1952, DDR GBl. 1952 S. 1192. 31 Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision vom 12. Mai 1967, DDR GBl. II 1967 S. 329. 32 Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 31), Teil B Nr. 1. Teil B dieses Beschlusses ist nicht im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht, findet sich aber im Bundesarchiv unter DC 20 I / 4 / 1560. Der geheime Teil regelte allerdings nur, dass die SFR nicht bei „bewaffneten Organen“ tätig werden durfte und wie mit Mitarbeitern zu verfahren war, die bei der Reorganisation der Finanzkontrolle 1967 von anderen Bereichen zur SFR gewechselt waren. 33 Vorbemerkung zum Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 31). 34 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 80. 35 DDR GBl. I 1990 S. 313. 36 DDR GBl. I 1990 S. 325.

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der Bundeshaushaltsordnung erhielt. Dazu gehörte der in § 74 Absatz 2 normierte Auftrag, die Volkskammer und den Ministerrat zu beraten. Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über den Rechnungshof der Republik hatte der Rechnungshof eine unabhängige Stellung, war bei seinen Aufgaben nur an das Gesetz gebunden und unterlag keinen Weisungen. § 3 Absatz 3 sah eine organisatorische Gliederung des Rechnungshofes vor, die der des Bundesrechnungshofes entsprach, nämlich eine Präsidialabteilung für die Verwaltung sowie Prüfungsabteilungen, die aus unterschiedlichen Prüfungsgebieten bestanden. Die Entscheidungen in Prüfungsangelegenheiten trafen regelmäßig – wie beim Bundesrechnungshof – nach § 7 Absatz 1 Satz 1 die Abteilungs- und die Prüfungsgebietsleitungen in einem Zweierkollegium. In bestimmten Fällen trat der Präsident oder der Vizepräsident hinzu (Dreierkollegium). Im Unterschied zum Bundesrechnungshof konnte das Dreierkollegium nach § 7 Absatz 2 mit Mehrheit entscheiden. d) Finanzkontrolle durch Organe der Volkskontrolle Die Volkskontrollorgane entwickelten sich deutlich dynamischer als die SFR. Neben dem Namen änderten sich mehrfach ihre Aufgabenstellung, Arbeitsweise und Organisation maßgeblich. In den ersten Jahren der DDR bestanden die Volkskontrollorgane aus überzeugten Kommunisten, die auf diese Weise das politische System der DDR – durchaus auch mit exzessiver Gewalt – durchsetzen sollten.37 Gegen Ende der DDR wurde die Volkskontrolle in Gestalt der ABI immer mehr zu einem Organ der Bürgerbeteiligung, mit dem die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands die Identifikation und Zufriedenheit der Bürger mit ihrem Staat stärken wollte. Die Zentrale Kontrollkommission (ZKK) wurde bereits 1948 – vor der Gründung der DDR – aufgrund einer Anordnung des Sekretariats der Deutschen Wirtschaftskommission errichtet.38 Die ZKK fungierte vor allem als Kontrollorgan in der Wirtschaft und nebenbei als Kontrolle der Verwaltung. 37 Ausführlich zu dieser Zeit: Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 66 ff., 75. 38 Grundlage für ihre Errichtung war die „Anordnung über die Aufgaben der Zentralen Kontrollkommission bei der Deutschen Wirtschaftskommission, der Landes-Kontrollkommissionen bei den Landesregierungen und der Kontrollbeauftragten in den Kreisen und kreisfreien Städten der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands“ vom 1. September 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 429. Obwohl die Kommission erst zum 1. September 1948 „offiziell“ errichtet wurde, war sie schon deutlich vor diesem Datum „inoffiziell“ tätig. Die ZKK sah den 31. März 1948 als ihr offizielles Gründungsdatum an. Elke Scherstjanoi kommt zu dem Ergebnis, dass die ZKK bereits im Oktober 1947 faktisch ihre Arbeit aufnahm; mitgeteilt bei Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 27 ff.

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Etwa 25 bis 30 % der Kontrollen waren Verwaltungskontrollen.39 Die §§ 11 bis 14 der Anordnung über die Aufgaben der ZKK gaben dieser umfangreiche Vollmachten. Sie konnte Verwaltungsangestellte bis zur Klärung eines Vorwurfs vorläufig des Dienstes entheben; bei Verdacht auf Straftaten konnte sie Justizbehörden verpflichten, ein Strafverfahren einzuleiten, Personen festzunehmen und Sachen zu beschlagnahmen.40 Die ZKK wurde zu einem Repressionsorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und vielfach in einem Atemzug mit dem Ministerium für Staatssicherheit genannt.41 Dazu trug maßgeblich die Personalauswahl der ZKK bei. Die Führung der ZKK bestand in ihrer Anfangszeit bis auf eine Ausnahme „nur aus Kommunisten, die in politischen Auseinandersetzungen gestählt waren, und für die kompromissloses, ja rücksichtsloses Vorgehen zum politischen Tagesgeschäft gehörte“.42 Fachliche Qualifikationen spielten neben der ideologischen Überzeugung nur eine geringe Rolle.43 Bis zum „Neuen Kurs“ im Jahr 1953 betätigte sich die ZKK aggressiv bei der Durchsetzung von Enteignungen und nutzte weitreichende Machtbefugnisse.44 Da die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands bei Enteignungen nicht per „Generalerlass“ vorgehen wollte,45 nutzte sie dazu das (politische) Strafrecht.46 Im Jahr 1953 schließlich erhielt die Kommission ein eigenes Statut und firmierte nunmehr als Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle (ZKSK).47 Ab diesem Zeitpunkt wurde die Verwaltungs- und Wirt39

Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 305. Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 13. 41 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 2. Ausführlich zur Konkurrenz mit dem Ministerium für Staatssicherheit Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 208 ff.: Teilweise traten Zuständigkeitskonflikte zwischen der ZKK und dem MfS auf, da beide gegen „Schädlinge und Saboteure“ kämpften. Gleichzeitig bedienten sie sich ähnlicher Arbeitsweisen. Möglicherweise war diese Konkurrenz beider Organe gewollt, um eine Kontrolle und Gegenkontrolle zu erzielen und den Kontrolleffekt zu stärken. Mit Inkrafttreten des Statuts der ZKSK 1953 endete diese Konkurrenzsituation, weil die strafrechtlichen Kompetenzen der ZKSK entfielen. 42 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 75. 43 Vgl. zur Personalpolitik: Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 66 ff., insbesondere S. 75, 136. 44 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 3, 259, 435. 45 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 44 f., 259, 435: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands befürchtete, dass bei einem brachialen Vorgehen zu viele Unternehmer, auf die zu Beginn der DDR nicht verzichtet werden konnte, „kaltgestellt“ würden und wirtschaftliches Chaos ausbrechen könnte. Zudem wollte sie hierdurch nicht die deutsche Teilung vertiefen. 46 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 259, 435. 47 Statut der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle und ihrer Organe vom 30. April 1953, DDR GBl. 1953 S. 685. 40

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schaftskontrolle zur wichtigsten Aufgabe.48 Die Verfolgung angeblicher politischer Straftaten und sogenannter Wirtschaftskriminalität, die jetzt nur noch der Leitungsebene vorbehalten war, verlor sukzessive ihre Bedeutung.49 Die Kommission behielt ihren weiten Zuständigkeitsbereich und war neben der Sicherung der Umsetzung von Beschlüssen der Staatsleitung auch für die Kontrolle von Staat, Volkswirtschaft und Kultur berufen.50 Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sie sich folglich in Richtung eines Organs der sozialistischen Finanzkontrolle. Bei Einstellungen achtete sie jetzt stärker auf fachliche Qualifikationen, während die Linientreue in ihrer Bedeutung abnahm.51 1963 erfolgte die Umbenennung in Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (ABI). Damit verbunden war eine Reorganisation, mit der Partei und Ministerrat eine einheitliche, von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, den staatlichen Einrichtungen und den gesellschaftlichen Organisationen getragene Kontrollorganisation schaffen wollten. Zugleich wollten sie der Zersplitterung und Überschneidung der Zuständigkeiten der bis dahin bestehenden zahlreichen Kontrollorgane entgegenwirken.52 Die Zahl der Ehrenamtlichen in der ABI wuchs zum Ende der DDR auf über 280.000; dies entsprach etwa 1,7 % der Bevölkerung.53 Vertreten waren alle Schichten: Während den Basisorganen (Volkskontrollausschüsse und Betriebskommissionen) vor allem einfache Berufe angehörten, dominierten in fachbezogenen und betriebsübergreifenden Inspektionen qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.54 Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands wollte die Verankerung der ABI in der Bevölkerung und damit die Umsetzung des Sozialismus stärken, indem sie den Bürgerinnen und Bürgern die Mitarbeit in den wieder errichteten Volkskontrollausschüssen anbot.55 Die ABI konnte die Machtstellung, die der ZKK bis 1953 zukam, bei 48

Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 20. Vgl. Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 20, 151 ff.: Die ZKK führte von 1948–1958 unzählige Verfahren durch, deren genaue Zahl sich kaum mehr bestimmen lässt. Die ZKK besaß erst ab 1952 eine Statistik über die Strafverfahren. Allerdings betrieb sie nach den Recherchen von Thomas Horstmann in den ersten sieben Monaten von 1952 mindestens 450 und 1953 mindestens 220 Strafverfahren. Da sie gerade in den ersten Jahren ihrer Existenz besonders aggressiv vorging, dürften vermutlich mehrere tausend Strafverfahren durchgeführt worden sein. 50 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 84 ff. 51 Vgl. dazu Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 108, 438. 52 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 105 für den ganzen Abschnitt. 53 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion in der DDR zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Berlin 1999, S. 5. 54 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 18. 55 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 7. 49

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Weitem nicht mehr erreichen, da die Partei, die Zentrale Plankommission und das Ministerium für Staatssicherheit ihre Positionen inzwischen stark ausgebaut hatten.56 Der erste Beschluss des Ministerrates über die Tätigkeit der ABI von 196357 betonte deutlich die Natur der ABI als Volkskontrolle, die Missstände aufdecken und helfen sollte, das Neue Ökonomische System58 in der Wirtschaft durchzusetzen.59 Der Beschluss des Ministerrates zur ABI von 197460 war eng mit dem Machtübergang auf Erich Honecker verknüpft, der die ABI stärker auf die Unterstützung von Partei und Regierung der DDR ausrichten wollte.61 In der Wendezeit beschloss das Präsidium der Volkskammer am 4. Januar 1990, die ABI künftig allein der Volkskammer zu unterstellen und zu einem 56

Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 105. Beschluss des Ministerrates vom 13. Mai 1963: „Beschluß über die Aufnahme der Tätigkeit der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik“, DDR GBl. 1963, 261. 58 Beim Neuen Ökonomischen System (NÖS) handelte es sich um ein wirtschaftspolitisches Reformkonzept, das in den Jahren 1963 bis 1967 in der DDR umgesetzt werden sollte. Es zielte auf eine Modernisierung, Dezentralisierung und Rationalisierung des Wirtschaftssystems ab. Diese Politik hat die DDR anschließend 1967 bis 1970 in modifizierter Form, aber in wichtigen Teilaspekten unverändert, im Ökonomischen System des Sozialismus (ÖSS) fortgesetzt. Die Partei versuchte in dieser Zeit, das bisherige theoretisch nicht fundierte Wirtschaftssystem, das lediglich auf Mengenplanung und zentrale Steuerung setzte, weiterzuentwickeln. Es sollte ein Wirtschaftslenkungssystem ausgebildet werden, das einerseits wissenschaftlich fundiert war und andererseits die zentrale Planfestlegung durch indirekte Steuerungsmechanismen mittels monetärer Anreize (z. B. Zinsen, Prämien, dynamische Preisbildung) ergänzen sollte. Ziel war, eine gewisse Selbstregulierung der Wirtschaft zuzulassen, welche aber weiterhin im Wesentlichen auf der Grundlage des staatlichen Plans gesteuert werden sollte. Die Rolle der Partei im Wirtschaftsbereich sollte wieder stärker als zuvor beim NÖS betont werden. Nach 1970 sind zwar die Institutionen des indirekten Steuerungssystems – wie das Vertragssystem, das Prinzip der Eigenerwirtschaftung der Mittel, die Kreditvergabe oder die Kostenrechnung – geblieben, allerdings haben monetäre Plankennziffern als wirtschaftliche Steuerungsinstrumente wieder stark an Bedeutung verloren. Es wurde eine Rezentralisierung der Wirtschaftspolitik eingeleitet. NÖS und ÖSS waren damit Versuche, bestimmte marktwirtschaftliche Instrumente in das planwirtschaftliche System der DDR zu übertragen, um dessen Effizienz zu steigern; vgl. zum NÖS und ÖSS: Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, DDR Handbuch (Fn. 27), S. 945, 1487–1491. 59 Vgl. Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 10. 60 Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Arbeiterund-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. August 1974, DDR GBl. I 1974 S. 389. 61 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 11 f. 57

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demokratischen Organ mit dem Namen „Komitee für Volkskontrolle“ umzubilden. Alle nachgeordneten Einheiten in den Bezirken, Kreisen und Gemeinden sollten den dortigen Volksvertretungen als Komitees für Volkskontrolle untergeordnet werden. Das Komitee für Volkskontrolle führte noch 1990 Kontrollen von Funktionären der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands durch, bei denen sich Hinweise auf ungerechtfertigte Bereicherung am Staatsvermögen ergeben hatten, was bisher nicht möglich war.62 II. Normative Verankerung 1. Rechtsgrundlagen des Bundesrechnungshofes Artikel 114 Absatz 2 des Grundgesetzes,63 gewährt dem Bundesrechnungshof eine institutionelle Garantie, die ihm eine finanzielle, personelle und rechtliche Mindestausstattung sichert.64 Sein Bestand steht nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers.65 Der Gesetzgeber darf seine Tätigkeit weder einschränken noch in ihrem Wesen ändern.66 Diese Stellung verleiht dem Bundesrechnungshof eigene Rechte, die er im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen kann.67 Als Organ der Finanzkontrolle hat der Bundesrechnungshof eine ähnlich unabhängige Position wie ein Gericht.68 Den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes garantiert Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz richterliche Unabhängigkeit.69 Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz gewährt dem Bundesrechnungshof 62 Thomas Horstmann, Logik der Willkür (Fn. 17), S. 106 für den ganzen Abschnitt. 63 In Art. 86 Abs. 2 WRV war mit dem Reichsrechnungshof in der Weimarer Republik erstmals ein Rechnungshof verfassungsrechtlich abgesichert. Allerdings war in der WRV nur der Bestand des Rechnungshofes als solcher abgesichert, nicht auch dessen Rechtsstellung. Deren Ausgestaltung oblag dem einfachen Gesetzgeber, vgl. dazu: Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 63. 64 Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig, Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl., München 2012, Art. 114 GG Rn. 3 sowie ausführlich dazu: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 146 ff. 65 Hans Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, 12. Aufl., München 2012, Art. 114 GG Rn. 4. 66 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 71. 67 Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 15, 17; ausführlich dazu: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 313 ff. 68 Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber, Grundgesetz, München 2009, Art. 114 GG Rn. 24. 69 Bei den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes handelt es sich nach § 3 Abs. 1 BRHG neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten um die Führungskräfte in den

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indes kein „Prüfungsmonopol“ und berührt deshalb nicht die Tätigkeit der Innenrevision oder des Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschusses des Bundestags.70 Die Mitglieder arbeiten weisungsfrei und dürfen bei der Wahl ihrer Prüfungsgegenstände nicht beeinflusst werden.71 Sie können nicht abgesetzt oder gegen ihren Willen versetzt werden; ihre Beratungen unterliegen wie bei Richtern dem Beratungsgeheimnis.72 Die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder impliziert allerdings keine richterlichen Entscheidungsrechte.73 Die Haushaltshoheit liegt allein beim Deutschen Bundestag. Die Einordnung des Bundesrechnungshofes in das Gewaltenteilungsschema ist streitig.74 Die richterliche Unabhängigkeit und seine unabhängige Stellung innerhalb des Staates zeigen Parallelen zur Judikative. Nicht dazu passt, dass dem Bundesrechnungshof Entscheidungsbefugnisse fehlen.75 Seine beratende Mitwirkung an Gesetzesvorhaben rückt ihn in die Nähe zur Legislative76 und Gubernative als Teil der Exekutive. Seine beratende Tätigkeit insgesamt zeigt wiederum Wesenszüge der Exekutive, da er als Dienstleister für andere Behörden tätig ist. Richtigerweise handelt es sich nach alledem beim Bundesrechnungshof um ein Bundesorgan mit einer Sonderstellung,77 die ihm eine Position zwischen Parlament und Regierung Prüfungsabteilungen, das sind die Prüfungsgebietsleitungen, die jeweils ein Team von etwa 3 bis 12 Prüfungskräften leiten, sowie die Leitungen der Abteilungen, denen jeweils 5 oder 6 Prüfungsgebiete angehören. Keine Mitglieder sind die Prüfungskräfte sowie die Beschäftigten der Präsidialabteilung, die für die Verwaltung zuständig ist. 70 Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 3. 71 Hans Jarass, in: Jarass / Pieroth (Fn. 65), Art. 114 GG Rn. 4; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 153, 155. 72 Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber (Fn. 68), Art. 114 GG Rn. 27. Das Beratungsgeheimnis steht in einem Widerstreit mit den Informationsrechten der Öffentlichkeit nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Mit dieser Problematik befasst sich der Beitrag von Horst Erb in dieser Festschrift. 73 Hans Jarass, in: Jarass / Pieroth (Fn. 65), Art. 114 GG Rn. 4; vgl. auch Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 153. 74 Ausführlich zur Stellung des Bundesrechnungshofes im Gewaltenteilungsschema: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 308 ff. 75 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 309. 76 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 309. 77 Ebenso: Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 75 f. mit ausführlichen Nachweisen zum Streitstand; ähnlich: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 310.

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einräumt78 und ihm ein „neutrales Gegengewicht“ zum parteiendominierten parlamentarischen Regierungssystem verleiht.79 Der Bundesrechnungshof nimmt diese Sonderrolle „im Dienste der Gewaltenteilung und -kontrolle“ wahr.80 Insoweit zeigt er Wesenszüge aller drei Staatsgewalten.81 Nach Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz muss der Bundesgesetzgeber Einzelheiten bezüglich des Status, der Organisation und der Aufgaben des Bundesrechnungshofes regeln.82 Dies ist durch das BRHG und den 5. Abschnitt der Bundeshaushaltsordnung geschehen.83 Nach § 1 Absatz 1 BRHG hat der Bundesrechnungshof im Staatsgefüge die Stellung einer obersten Bundesbehörde und ist damit den Ministerien gleichgestellt.84 Da der Bundesrechnungshof richtigerweise keine Behörde ist, wäre es besser gewesen, ihn als oberstes Bundesorgan zu bezeichnen.85 2. Rechtsgrundlagen der Staatlichen Finanzrevision Die Finanzkontrolle der DDR hat keine verfassungsrechtliche Absicherung erfahren. Das erste formelle Gesetz, das die Tätigkeit der staatlichen Finanzkontrolle zumindest am Rande erwähnt hat, waren die §§ 12, 13 des „Gesetzes über den Staatshaushaltsplan 1953“.86 Zu dieser Zeit war die Durchführung von Revisionen noch vor allem den Führungskräften in den staatlichen Einrichtungen sowie den Betrieben der volkseigenen Wirtschaft vorbehalten. Die damalige Verordnung über die Finanzrevision von 1952 sah in § 4 Absatz 1 vor, dass bei allen Ministerien und Staatssekretariaten eigene Revisionsgruppen zu bilden sind. Die Ministerien konnten nach dieser Regelung auch – falls erforderlich – auf nachgeordneten Ebenen der 78 Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber (Fn. 68), Art. 114 GG Rn. 13. Dies führt aber nicht dazu, dass der Bundesrechnungshof im Verwaltungs(gerichts)verfahren keine Behörde im Sinne von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist. Daher können insbesondere Prüfungsanordnungen des Bundesrechnungshofes verwaltungsgerichtlich angefochten werden. 79 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 75. 80 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 76. 81 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 76. 82 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 145; Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 15. 83 Vgl. dazu: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 145. 84 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 164. 85 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 77. 86 Gesetz über den Staatshaushaltsplan 1953 vom 5. Februar 1953, DDR GBl. 1953 S. 257.

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Hauptverwaltungen und Verwaltungen eigene Revisionsgruppen bilden.87 Aus diesem Grunde fanden auf den unteren Ebenen der Verwaltungen und Betriebe meist nur Innenrevisionen statt. Die Innenrevisionsorgane standen unter der Aufsicht der Verwaltung Finanzrevision im Ministerium der Finanzen.88 Die Verwaltung Finanzrevision führte nach § 7 Absatz 1 der Verordnung nur jährliche Revisionen auf der Ebene der Ministerien und Staatssekretariate, der Zentralbank und der Räte der Bezirke durch. Dies wurde erst anders, als die Finanzkontrolle 1967 zur SFR vereinheitlicht wurde.89 Das Gesetz von 1953 übertrug der Finanzrevision zwar Aufgaben, räumte ihr aber kaum Befugnisse ein und traf keine Vorgaben zum Kontrollverfahren oder zu Zuständigkeiten. Das Gesetz benennt mehrfach politische Ziele wie in § 13 Absatz 1 Satz 1: „Um den Kampf um die Sparsamkeit in den volkseigenen Betrieben und im Staatsapparat wirksam führen zu können, genügen die bisherigen Methoden der Kontrolle und Revision nicht mehr.“ Umfassender regelte das „Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 17. Februar 1954 die Grundlagen der Finanzrevision in § 44.90 Darin waren die Verantwortung des Finanzministers für die Finanzkontrollen und die Organisation der „Verwaltung Finanzrevision“ im Ministerium mit ihren Kreis- und Bezirksinspektionen bestimmt. Die Revisoren erhielten Weisungsrechte gegenüber den geprüften Stellen.91 87 Verordnung über die Finanzrevision in den staatlichen Verwaltungen und Einrichtungen und in den Betrieben und Verwaltungen der volkseigenen Wirtschaft vom 6. November 1952, DDR GBl. 1952 S. 1192 (1193). 88 Vgl. dazu § 6 der Verordnung über die Finanzrevision in den staatlichen Verwaltungen und Einrichtungen und in den Betrieben und Verwaltungen der volkseigenen Wirtschaft vom 6. November 1952, DDR GBl. 1952 S. 1192 (1193): „Auf Aufforderung der Verwaltung Finanzrevision im Ministerium der Finanzen hat der Leiter der Revisionsgruppe über seine Tätigkeit und über die Durchführung des Arbeitsplans Bericht zu erstatten und die Originalberichte mit den Unterlagen der Verwaltung Finanzrevision zu übergeben.“ Ergänzend § 7 Absatz 3 Satz 1 dieser Verordnung: „Dem Ministerium der Finanzen obliegt die Kontrolle der bei den Ministerien und Staatssekretariaten gemäß § 4 gebildeten Revisionsgruppen.“ 89 Erst zu dieser Zeit wurde die SFR im Ministerium der Finanzen weitgehend mit den Eigenrevisionen der anderen Ministerien, der anderen zentralen Staatsorgane und den ihnen unterstellten wirtschaftsleitenden Organen vereinigt. Vgl. dazu Teil B Nr. 1 i. V. m. der Anlage des Beschlusses des Ministerrates vom 12. Mai 1967: „Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision“; Teil B des Beschlusses wurde nicht im DDR GBl. veröffentlicht und ist nur im Bundesarchiv unter DC 20 I / 4 / 1560 verfügbar. 90 Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 17. Februar 1954, DDR GBl. 1954 S. 207. 91 Die Befugnisse der SFR werden unter Abschnitt IV.2. näher erläutert.

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Die bis 1990 gültige gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit der SFR stellte § 23 des „Gesetzes über den Staatshaushalt der Deutschen Demokratischen Republik“ vom 16. Dezember 1968 dar.92 Die SFR hatte die „strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit“ im Haushaltswesen und den ordnungsgemäßen Umgang mit den Geldfonds sowie dem Volkseigentum zu kontrollieren. Allerdings gewährte dieses Gesetz der SFR keine Befugnisse mehr. Sie wurden in untergesetzliche Regelungen verlagert. Bis zum Ende der DDR stellten das „Statut des Ministeriums der Finanzen“ vom 28. April 197593 und der „Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision“ vom 12. Mai 196794 die beiden untergesetzlichen Rechtsgrundlagen der SFR dar. Der Beschluss von 1967 regelte die Befugnisse der SFR im Einzelnen. 3. Rechtsgrundlagen der Organe der Volkskontrolle Sämtliche Rechtsgrundlagen für die Organe der Volkskontrolle standen auf untergesetzlicher Ebene. Als Ermächtigung für grundrechtsrelevante, aus Prüfungen der Volkskontrolle resultierende Eingriffe taugten sie deshalb – nach rechtsstaatlichen Grundsätzen – nicht. Die erste Rechtsgrundlage der Zentralen Kontrollkommission (ZKK) bestand lediglich in einer Anordnung des Sekretariats der Deutschen Wirtschaftskommission.95 Darin wurde geregelt, dass die ZKK und ihre Landeskontrollkommissionen die Polizei zur Festnahme von Personen verpflichten konnten (§ 13 der Anordnung) und verdächtige Personen bis zur Klärung der Vorwürfe ihres Amtes entheben konnten (§ 10 der Anordnung). Das erste „Statut der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle (ZKSK) und ihrer Organe“ von 1953 erging aufgrund eines Beschlusses des Ministerrates.96 Entsprechend ist der Ministerrat beim zweiten Statut der ZKSK von 195897 vorgegangen. Das dritte Statut für die ZKSK vom 17. Mai 1962 hat der Ministerrat schließlich im Wege einer Verordnung 92

DDR GBl. I 1968 S. 383. DDR GBl. I 1975 S. 321. 94 Veröffentlicht wurde nur Teil A des Beschlusses, s. auch Fn. 32. 95 Anordnung über die Aufgaben der Zentralen Kontrollkommission bei der Deutschen Wirtschaftskommission, der Landeskontrollkommissionen bei den Landesregierungen und der Kontrollbeauftragten in den Kreisen und kreisfreien Städten der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 1. September 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, S. 429. 96 Statut der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle vom 30. April 1953, DDR GBl. 1953 S. 685. 97 Beschluß über das Statut der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle vom 16. Oktober 1958, DDR GBl. I 1958 S. 786. 93

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erlassen.98 Alle drei Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der ABI aus den Jahren 1963,99 1970100 und 1974101 wurden als gemeinsame Beschlüsse des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates erlassen. Diese enge Zusammenarbeit zwischen Partei und Regierung der DDR sollte die besondere Rolle der ABI für den Aufbau und die Entfaltung des Sozialismus betonen, die bereits in der Bezeichnung des Beschlusses von 1970 deutlich zum Ausdruck kam.102 III. Organisation der Kontrollorgane 1. Bundesrechnungshof Der Bundesrechnungshof besteht aus der Stammdienststelle in Bonn, der Außenstelle Potsdam und sieben Prüfungsämtern des Bundes.103 Im Bundesrechnungshof gibt es zehn Abteilungen. Die Präsidialabteilung mit acht Referaten unterliegt den Weisungen des Präsidenten und erledigt die Verwaltungsaufgaben. Die neun Prüfungsabteilungen mit 49 Prüfungsgebieten bilden den „Hofbereich“ und haben alle eine im Geschäftsverteilungsplan 98 Verordnung über das Statut der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle vom 17. Mai 1962, DDR GBl. II 1962 S. 327. 99 Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Bildung der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik vom 15. Mai 1963, DDR GBl. II 1963 S. 262. 100 Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Aufgaben, die Arbeitsweise und das Leitungsprinzip der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik bei der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus vom 26. Mai 1970, DDR GBl. II 1970 S. 363. 101 Beschluß des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Arbeiterund-Bauern-Inspektion der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. August 1974, DDR GBl. 1974 I S. 389. 102 Die enge Verbindung der ABI zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wurde im Vorwort des Beschlusses über die ABI von 1963 thematisiert: „Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (…) ist ein Instrument des Volkes, das in seinem Interesse und unter seiner unmittelbaren und aktiven Mitwirkung die Durchführung der von der Partei der Arbeiterklasse (…) gestellten Aufgaben nach dem Grundsatz ‚Alles mit dem Volk, alles durch das Volk, alles für das Volk‘ zuverlässig garantiert. Der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion wird die Aufgabe gestellt, bei der unbedingten Erfüllung des Programms der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mitzuwirken (…) sowie die Staatsdisziplin und sozialistische Gesetzlichkeit zu festigen.“ 103 Die Prüfungsämter liegen in Stuttgart, Frankfurt, München, Koblenz, Hannover, Hamburg und Berlin.

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festgelegte Zuständigkeit. Die Prüfungsämter haben mehrere Sachgebiete, die jeweils einem Prüfungsgebiet zur Unterstützung zugeordnet sind. Prüfungsentscheidungen werden kollegial getroffen.104 Grundsätzlich beschließt das Zweierkollegium aus Prüfungsgebietsleitung und Abteilungsleitung nach § 9 Absatz 1 Satz 1 BRHG. In bestimmten Fällen tritt der Präsident oder Vizepräsident hinzu (Dreierkollegium). Die Kollegien entscheiden nach § 15 Absatz 1 BRHG einstimmig. In den seltenen Fällen, in denen sich Kollegien nicht einigen können, entscheidet nach § 12 Nummer 2 BRHG der Senat der Abteilung105 mit Stimmenmehrheit (§ 15 Absatz 2 BRHG).106 Wesentliches Beschlussorgan des Bundesrechnungshofes ist der Große Senat107 nach § 13 BRHG. Seine Zuständigkeiten stehen in § 14 BRHG und umfassen vor allem die Aufstellung der Bemerkungen, grundsätzliche Prüfungs- und Beratungsangelegenheiten und die Grundsätze der Arbeitsplanung, Beratung und Berichterstattung. Die Prüfungskräfte im gehobenen Dienst verfügen üblicherweise über ein Fachhochschuldiplom oder einen Bachelorabschluss. Typische Fachrichtungen sind Verwaltungs- und Finanzwirtschaft, Ingenieurwissenschaften und Betriebswirtschaft. Die Prüfungskräfte im höheren Dienst haben einen Universitätsabschluss bzw. einen Masterabschluss. Hier finden sich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, in technischen Bereichen vor allem Natur- und Ingenieurwissenschaften, mitunter auch Psychologen und Informatiker. Die Prüfungskräfte werden von Prüfungsassistenzkräften im mittleren Dienst unterstützt, die meist eine Verwaltungsausbildung absolviert haben. Alle Prüfungskräfte nehmen an einem eigens entwickelten Qualifikationsprogramm teil.108 2. Staatliche Finanzrevision Die SFR hatte in den 1980er-Jahren ca. 1.600 Beschäftigte, von denen 80 im Ministerium und der Rest in den 16 Inspektionen tätig waren. Die SFR unter104 Vgl. dazu: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 160. 105 Abteilungsleitung und alle Prüfungsgebietsleitungen der Abteilung sowie eine abteilungsfremde Prüfungsgebietsleitung. 106 Ausführlich zur kollegialen Entscheidungsfindung: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 165 ff. 107 Präsident, Vizepräsident, Prüfungsabteilungsleitungen sowie drei Prüfungsgebietsleitungen. 108 Dieses Qualifikationsprogramm stellt der Aufsatz von Lars Friege in dieser Festschrift vor.

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stand fachlich dem Ministerium der Finanzen.109 Der Minister der Finanzen hatte die SFR im Auftrag des Ministerrates „als einheitliche, von den staatsund wirtschaftsleitenden Organen unabhängige Finanzrevision“ zu organisieren.110 Im Jahr 1967 wurde die „einheitliche“ Finanzrevision geschaffen, die auch zahlreiche vorher eigenständige Revisionsorgane umfasste.111 Die SFR war republikweit zuständig, was die Koordination ihrer Tätigkeit erleichterte. Nach einem Beschluss des Ministerrates vom 12. Mai 1967 war die SFR nicht für die Ministerien für Nationale Verteidigung, das Ministerium des Innern, das Ministerium für Staatssicherheit, die Staatliche Verwaltung der Staatsreserve und die Zollverwaltung zuständig.112 Aufgrund einer Verfügung des Vorsitzenden des Ministerrates vom 14. September 1972 durfte die SFR bis auf wenige Ausnahmen auch nicht im Bereich Kommerzielle Koordinierung des Ministeriums für Außenhandel und in dessen Außenhandelsbetrieben tätig werden. Diese Einschränkungen bestanden bis Dezember 1989. Die Zentrale der SFR war eine Hauptabteilung im Ministerium der Finanzen mit vier Abteilungen. Die erste Abteilung war zuständig für die Revision der Industrie, die zweite für Transport- und Nachrichtenwesen, Bau, Handel sowie Landwirtschaft und die dritte für örtliche Organe und staatliche Einrichtungen.113 Die vierte Abteilung war die Valutakontrollgruppe, die die Botschaften und den „offiziellen Außenhandel“ kontrollierte. In jedem der 14 Bezirke hatte eine Bezirksinspektion ihren Sitz; sie hatten drei Abteilungen, deren Zuständigkeiten die des Ministeriums abbildeten.114 Die Inspektionen besaßen jedoch keine Valutakontrollgruppen. Die 15. Inspektion war für die Hauptstadt Berlin zuständig und die 16. Inspektion war die Sonderinspektion Finanzen mit Sitz in Berlin. Bei der SFR waren nur hauptamtliche Beschäftigte mit einer fachbezogenen Ausbildung tätig. Ein Teil der Prüfungskräfte hatte eine dreijährige Fachschulausbildung, die etwa Bachelorniveau hatte,115 der andere Teil 109 § 11 Abs. 1 S. 2 des Statuts des Ministeriums der Finanzen vom 9. Januar 1975, DDR GBl. I 1975 S. 321 (323); Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 81. 110 Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 30), Vorbemerkung Abs. 2; dazu auch: Johannes Gurtz / Gotthold Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR (Fn. 28), S. 159. 111 Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 32), Teil B Nr. 1. 112 Beschluß über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 32), Teil B Nr. 4. 113 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 81 f. 114 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 81. 115 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, DDR Handbuch (Fn. 27), S. 370.

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verfügte über ein Hochschuldiplom nach einem neunsemestrigen Studium.116 Nur Hochschulabsolventen konnten eine Leitungsfunktion erreichen. Die SFR führte Fortbildungen durch. Zur Unterweisung neu eingestellter Prüferinnen und Prüfer fanden hausinterne Seminare statt, die von erfahrenen Beschäftigten geleitet wurden. 3. Arbeiter-und-Bauern-Inspektion Die Organisation der ABI entsprach dem Staatsaufbau der DDR: An der Spitze standen ein Minister, der Mitglied des Ministerrates war, und ein Staatssekretär. Der Minister war zugleich Vorsitzender des 22-köpfigen Komitees, dessen Mitglieder aus unterschiedlichen Bereichen kamen.117 Dem Komitee unterstanden in jedem der 14 Bezirke und in Berlin ein Bezirkskomitee, in den Kreisen 218 Kreiskomitees bzw. in großen Städten 42 Stadt- oder Stadtbezirkskomitees. Bei den Komitees handelte es sich um ehrenamtlich besetzte Leitungsgremien mit einem kollektiv arbeitenden Vorstand und einem Vorsitzenden an der Spitze. Zugleich wurde als Komitee der Apparat auf der jeweiligen Ebene mit den hauptamtlichen Beschäftigten verstanden. Innerhalb der Komitees gab es Abteilungen für Verwaltungsaufgaben und Inspektionen, die die eigentlichen Kontrollaufgaben durchführten.118 Den Komitees der untersten Stufe unterstanden die Basisorgane, denen etwa 80 % der Ehrenamtlichen angehörten. Es gab Kommissionen, die in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen tätig waren, und Volkskontrollausschüsse, die in den Kommunen das „Wohnumfeld“ kontrollierten.119 Die Vorsitzenden der Komitees waren regelmäßig zugleich Mitglied der Parteiführungsorgane der jeweiligen Ebene, um die gewünschte enge Anbindung an die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands zu sichern.120

116 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, DDR Handbuch (Fn. 27), S. 1388. 117 Z. B. SFR, Staatsbank und Amt für Preise. 118 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 8 f. für das Vorstehende. 119 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 8 f. für das Vorstehende. 120 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 9.

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IV. Verfahren bei den Prüfungen 1. Prüfungen des Bundesrechnungshofes Die Auswahl von Prüfungsthemen richtet sich nach § 15 der Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes (PO-BRH). Wichtige Kriterien sind die Vermeidung prüfungsfreier Räume, das finanzielle Gewicht und die Fehleranfälligkeit eines Bereichs.121 Die Kollegien fassen ihre Prüfungsthemen in jährlichen Arbeitsplänen nach § 14 Absatz 2 Satz 1 PO-BRH zusammen, aus denen der Bundesrechnungshof einen Gesamtarbeitsplan nach § 14 Absatz 4 PO-BRH erstellt. Unterjährig sammeln die Kollegien und Prüfungskräfte Prüfungsideen, aus denen sich neue Themen ergeben könnten. Zur Vorbereitung einer Prüfung erstellen die Prüfungskräfte ein Prüfungskonzept (§ 23 Absatz 1 PO-BRH), das die Zielsetzung und Schwerpunkte der Prüfung beschreibt. Der Bundesrechnungshof kündigt Prüfungen nach § 25 Absatz 1 PO-BRH den geprüften Stellen an. Die Prüfung vor Ort beginnt mit einem Eröffnungsgespräch (§ 26 Absatz 1 PO-BRH), in dem der Bundesrechnungshof sein Vorgehen und seine Ziele erläutert. Die Erhebungen enden mit einem Abschlussgespräch nach § 30 PO-BRH, bei dem zentrale Feststellungen und Wertungen erörtert werden. Schriftlich fasst der Bundesrechnungshof seine Ergebnisse in einer Prüfungsmitteilung an die geprüfte Stelle zusammen (§ 33 PO-BRH). Im anschließenden kontradiktorischen Verfahren nach § 34 PO-BRH hat die geprüfte Stelle die Gelegenheit, schriftlich Stellung zu nehmen. In der Mehrzahl der Fälle überzeugt der Bundesrechnungshof mit seinen Argumenten. Bleibt es bei wesentlichen Meinungsunterschieden, entscheidet das zuständige Kollegium über die nächsten Schritte (§ 35 Absatz 5 PO-BRH). Der Bundesrechnungshof hat keine administrativen Sanktionsmittel, um seine Empfehlungen bei den geprüften Stellen durchzusetzen.122 Er kann aber in einer Bemerkung (§ 97 Bundeshaushaltsordnung) oder einem Bericht gemäß § 88 Absatz 2 bzw. § 99 Bundeshaushaltsordnung über seine Prüfungsergebnisse berichten123 und dadurch eine Beratung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages erreichen. Aus Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz stehen dem Bundesrechnungshof Kontrollrechte bei der unmittelbaren Bundesverwaltung (dazu zählen auch 121 Ausführlich zur Auswahl des Prüfungsstoffes: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 230 ff. 122 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 105. 123 Zu den Inhalten der Berichte des Bundesrechnungshofes und ihren Zwecken sei verwiesen auf die Beiträge von Horst Erb und Joachim Romers in dieser Festschrift; vgl. auch Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 97 ff.

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die Sicherheitsorgane wie Bundespolizei, Bundeswehr und Geheimdienste) und bei unselbstständigen Bundesbetrieben zu.124 Auf gesetzlicher Grundlage kann der Bundesrechnungshof nach Artikel 114 Absatz 2 Satz 3 Grundgesetz weitere Prüfungsrechte erhalten,125 z. B. bei selbstständigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf Bundesebene, öffentlichen Unternehmen und privatrechtlichen Stiftungen, die öffentliche Gelder erhalten.126 Sofern der Bund an privatrechtlichen Unternehmen beteiligt ist, prüft der Bundesrechnungshof nicht das Unternehmen, sondern die Beteiligung des Bundes hieran nach kaufmännischen Grundsätzen.127 Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz teilt die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes in zwei Bereiche auf. Mit der Prüfung der Haushaltsrechnung des Bundesministeriums der Finanzen wird die Entlastung der Bundesregierung durch den Bundestag vorbereitet (rechnungsabhängige Finanzkontrolle). Daneben unterliegt im Rahmen der rechnungsunabhängigen Finanzkontrolle jede finanzwirksame Maßnahme der öffentlichen Verwaltung der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof.128 Als Prüfungsmaßstäbe nennt Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung.129 Die Wirtschaftlichkeit gibt dem Staat auf, ein optimales Verhältnis zwischen dem Einsatz von staatlichen Geldern und dem Gemeinnutzen zu finden.130 Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit achtet auf die rechnerische und rechtliche Korrektheit.131 Bei der rechtlichen Kontrolle bildet neben den Vorschriften des Haushaltsrechts die gesamte Rechtsordnung einschließlich der Verfassung den Maßstab.132 Der Bundesrechnungshof kann sich auch zum politischen und rechtlichen Rahmen der Haushaltswirtschaft kritisch äu-

124 Hans Jarass, in: Jarass / Pieroth (Fn. 65), Art. 114 GG Rn. 6; ausführlich zu den Prüfungsrechten: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 186 ff. 125 Hans Jarass, in: Jarass / Pieroth (Fn. 65), Art. 114 GG Rn. 6. 126 Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber (Fn. 68), Art. 114 GG Rn. 19. 127 Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 33. 128 Vgl. Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber (Fn. 68), Art. 114 GG Rn. 7. 129 Diese Festlegung der Prüfungsmaßstäbe erfolgte 1969 im Zuge einer Verfassungsänderung, mit der der Gesetzgeber zugleich auch die Berichte des Bundesrechnungshofes an Bundestag und -rat einführte, vgl. dazu: Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 65. 130 Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 24. 131 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 108; Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 25. 132 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 108; Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 25.

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ßern.133 Um nicht in die Zuständigkeit der Legislative einzugreifen, muss er hierbei freilich eine gewisse Zurückhaltung wahren.134 Der Bundesrechnungshof darf aber die Voraussetzungen und Auswirkungen von politischen Entscheidungen in den Blick nehmen; dazu hinterfragt er, ob die Prämissen und Tatsachengrundlagen politischer Entscheidungen tragfähig sind.135 Im Übrigen hat der Bundesrechnungshof die Aufgabe, auf der Grundlage seiner Prüfungserfahrungen Empfehlungen zu geben sowie die geprüften Stellen und das Parlament zu beraten. Ziel der Beratung ist, finanzielle Nachteile für den Bund zu vermeiden oder zu verringern und Leistungen zu verbessern. Die Beratung kann schon einsetzen, bevor Entscheidungen getroffen sind. Manchmal geben die Beratungen Anstoß dazu, Gesetze zu ändern oder neu zu erlassen.136 Der Bundestag, insbesondere sein Haushaltsausschuss, nimmt die Beratung durch den Bundesrechnungshof zumeist in Anspruch, wenn wichtige finanzwirksame Gesetzesvorhaben und finanziell bedeutsame Sachverhalte zu beurteilen sind. 2. Prüfungen der Staatlichen Finanzrevision Die Tätigkeit der SFR hatte zum Ziel, die Umsetzung der Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der Staatsführung zu kontrollieren.137 Sie arbeitete dazu mit den Werktätigen in Betrieben sowie Partei- und Gewerkschaftsorganisationen zusammen. Prüfungspläne wurden unter Berücksichtigung der Vorschrift zur turnusmäßigen Prüfung in den Abteilungen der Inspektionen erarbeitet, vom Leiter der Inspektion gezeichnet und an den Leiter der SFR zur Zustimmung gegeben. Sie wurden sodann mit den zuständigen Leitungsorganen der volkseigenen Wirtschaft sowie der staatlichen Organe und Einrichtungen abgestimmt und schließlich vom Minister der Finanzen beschlossen.138 Prüfungsschwerpunkte ergaben sich aus Beschlüssen der Partei- und Staatsführung, aus Gesetzen, volkswirtschaftlichen Analysen und dem Stand der Planerfüllung.139 Eine wichtige Quelle 133

Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 24. Vgl. Markus Heintzen, in: v. Münch / Kunig (Fn. 64), Art. 114 GG Rn. 5. 135 Kyrill Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 8), Art. 114 GG Rn. 50. 136 Die Beratungsaufgaben behandelt der Beitrag von Horst Erb in dieser Festschrift. 137 Ziffer I.1. Abs. 2 des Beschlusses des Ministerrates über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 32). 138 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 82. 139 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 93; vgl. auch Ziffer I.1. Abs. 2 des Beschlusses des Ministerrates über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 32). 134

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für die Prüfungsthemen waren Erkenntnisse aus vorherigen Prüfungen. Die möglichen Prüfungsfelder in den volkseigenen Betrieben und wirtschaftsleitenden Organen fanden sich unter Ziffer I.3. des Beschlusses über die SFR bzw. unter Ziffer I.4. dieses Beschlusses für die staatlichen Organe und Einrichtungen.140 Die SFR, die ABI und die anderen Kontrollorgane der DDR – die Banken, die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik und das Amt für Preise – hatten überschneidende Zuständigkeiten; zur Steigerung der Effektivität ihrer Kontrollen141 stimmten sie ihre Kontrollpläne untereinander ab und vereinbarten in geeigneten Fällen gemeinsame Kontrollen.142 Bei Kontrollen unterstützten sie sich üblicherweise. Ferner arbeitete die SFR mit den Hauptbuchhaltern in den volkseigenen Betrieben und den Leitern der Haushaltswirtschaft zusammen.143 Ein Merkmal der Kontrollen war, mit den Leitungen der Betriebe und Behörden konstruktiv zu kooperieren.144 Die Zusammenarbeit mit anderen Kontrollorganen, wie der ABI, der Staatsbank und den Hauptbuchhaltern und Leitern der Haushaltswirtschaft, sollte die Wirksamkeit der Kontrollen erhöhen.145 Die SFR prüfte in rechtlicher und ökonomischer Hinsicht; Prüfungsziele waren die Einhaltung der „sozialistischen Gesetzlichkeit“, der Schutz des Volkseigentums und die Erschließung von Leistungs- und Effektivitätsreserven.146 In formeller Hinsicht kontrollierte die SFR die Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen, die rechnerische Richtigkeit und die Vollständigkeit der Belege; in materieller Hinsicht prüfte sie, ob Vorschriften und Beschlüsse beachtet wurden.147 Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nach heutigen Methoden führte sie – naturgemäß – noch nicht durch. 140 Beschluß des Ministerrates über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 32). 141 Vgl. dazu die Aufgaben der ABI gem. Ziffer I.4. des Beschlusses des Zentralkomitees der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der DDR über die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der DDR, DDR GBl. I 1974 S. 389 sowie der SFR gem. Ziffer II.1. Abs. 2 des Beschlusses des Ministerrates über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 32); Johannes Gurtz / Gotthold Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR (Fn. 28), S. 159; Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94. 142 Vgl. z. B. § 11 Abs. 2 Statut des Ministeriums der Finanzen vom 9. Januar 1975, DDR GBl. 1975 S. 321; Ziffer I.4. des Beschlusses des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministerrates der DDR über die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion der DDR (Fn. 98). 143 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94. 144 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 93. 145 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94. 146 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 93. 147 Johannes Gurtz / Gotthold Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR (Fn. 28), S. 159.

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Es war zwar bei den Kontrollen beabsichtigt, Fehler frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.148 Ob es dabei aber erwünscht war, normative Regelungen, grundlegende Beschlüsse und Anordnungen infrage zu stellen, muss mit einem Fragezeichen versehen werden.149 Nach ihrem ideologischen Selbstverständnis als maßgeblicher Repräsentantin der Arbeiterklasse nahm die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands eine führende Rolle in Staat und Gesellschaft wahr. Für ihre Funktionäre stand außer Frage, dass „die Partei immer Recht“ hatte.150 Ein Eingeständnis von Fehlentscheidungen und nachträgliche Korrekturen in zentralen Angelegenheiten dürften damit wohl nicht vereinbar gewesen sein. Prüfungsergebnisse wurden mit den Führungskräften vor Ort ausgewertet, um der geprüften Stelle Mängel aufzuzeigen und mittels Auflagen und Vorschlägen Veränderungen zu erreichen; zur ideologischen Zielsetzung zählte im Übrigen, die Führungskräfte zur bewussten und freiwilligen Einhaltung der „sozialistischen Gesetzlichkeit“ zu erziehen.151 Das typische Prüfungsgeschäft der SFR sah vor, die Einhaltung von Gesetzen und Parteibeschlüssen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit finanziellen Auswirkungen sowie von Wirtschaftsplänen zu kontrollieren. Beratungsaufgaben nahm die SFR durch Vorschläge und Auflagen gegenüber Betrieben und Einrichtungen wahr, um sie von vorbildlichen Praktiken zu überzeugen. Anders als der Bundesrechnungshof beriet sie nicht losgelöst von konkreten Prüfungsvorhaben und regte keine gesetzlichen Änderungen an. Der Prüfungsablauf folgte den einheitlichen Prüfungsrichtlinien des Ministeriums der Finanzen, dem sogenannten Leitfaden zur Durchführung von Finanzrevisionen.152 Zu Beginn der Prüfung sammelten die Prüfungskräfte Informationen über die zu prüfenden Stellen.153 Dazu zählten beispielsweise die letzten Prüfungsergebnisse und die Stellungnahmen der geprüften Stelle über die Erfüllung von Auflagen und Vorschlägen der SFR; bei Betrieben gehörten dazu Bilanzen, Inventare, Aufzeichnungen über die Nettoproduk148

Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94. So allerdings aus der Sicht eines Autors aus der DDR: Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94. 150 Vgl. dazu Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, DDR Handbuch (Fn. 27), S. 1187: Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands verstand sich als führende Kraft der sozialistischen Gesellschaft. Für die Partei folgte aus dem Marxismus-Leninismus ihre führende Rolle in Staat und Gesellschaft. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands als die Partei der Arbeiterklasse vertrat nach ihrem Selbstbild allein die fortschrittlichen Interessen der Gesellschaft. Staat und Gesellschaft waren der Partei nachgeordnet. 151 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 99. 152 Vgl. Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 82 f. 153 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94. 149

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tion, den Nettogewinn, die Erzeugnisse und Leistungen sowie die Exporte des Betriebs.154 Bei Kontrollen in Verwaltungen interessierte vor allem der Jahreshaushaltsplan, der Mindestbetrag der Einnahmen, der Höchstbetrag der Ausgaben, der Anteil an den Gesamteinnahmen im Staatshaushalt und der Kassenbestand am Jahresende.155 Auf dieser Basis wurden Ausgangsanalysen und Prüfungsprogramme erstellt.156 Das Prüfungsprogramm bestimmte das Prüfungsziel, die Schwerpunkte, die Prüfungskräfte und den Prüfungszeitraum.157 Bei den Prüfungen wurden Dokumente gesichtet sowie Ortsbesichtigungen und Befragungen durchgeführt. Die SFR prüfte regelmäßig anhand von Stichproben.158 Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten war systematisch nachzugehen. Zur Aufklärung eines Sachverhaltes gehörte es, Ursachen und Verantwortliche zu ermitteln.159 Prüfungsergebnisse wurden während der Prüfung mit den Leitern der Einrichtungen ausgewertet.160 Zum Schluss erhielten die Leitungen der geprüften Stellen und deren übergeordneten Stellen ein Revisionsprotokoll.161 Das Protokoll enthielt wichtige Einzelfeststellungen aus der Prüfung, die Bewertung ihrer Ursachen und die angeordneten Sanktionen.162 Den Abschluss jeder Revision bildete eine Schlussbesprechung.163 Die Leitungsorgane hatten der SFR über die Erfüllung der Auflagen und die Umsetzung der Vorschläge zu berichten; spätestens bei der nächsten Revision führte die SFR Nachkontrollen durch. Die SFR wertete ihre Prüfungen aus und unterrichtete darüber die zentralen und örtlichen Führungsorgane, um die Wirksamkeit von Beschlüssen und Vorschriften aufzuzeigen, auf neue Entwicklungen und Probleme aufmerksam zu machen und Entscheidungsvorschläge zu unterbreiten.164 Die Prüfungskräfte der SFR konnten Sanktionen gegen die geprüfte Stelle verhängen. Bei der Verletzung gesetzlicher Bestimmungen musste die SFR Auflagen erteilen, um den gesetzlichen Zustand wieder herzustellen. Die 154

Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 95. Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 95. 156 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 94 ff. 157 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 97. 158 Johannes Gurtz / Gotthold Kaltofen, Der Staatshaushalt der DDR (Fn. 28), S. 159. 159 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 98 f. 160 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 99 ff. 161 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 100 f. 162 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 100 f. 163 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 101. 164 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 102 für den ganzen Abschnitt. 155

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SFR prüfte zudem, ob die Leitungsorgane verpflichtet werden sollten, Disziplinar- oder Ordnungsstrafverfahren einzuleiten bzw. die „materielle Verantwortlichkeit“165 gegenüber Personen geltend zu machen, die schuldhaft das Volkseigentum durch Verletzung ihrer Arbeitspflichten beeinträchtigt hatten. Alle Auflagen waren termingebunden und bezeichneten die zu ergreifenden Maßnahmen. Spezielle Auflagen mussten die Verpflichtung enthalten, finanzielle Mittel an den Staatshaushalt abzuführen, Verzugszuschläge zu entrichten oder eine Kontensperrung durch den Minister der Finanzen zu dulden.166 Solche Auflagen kamen in Betracht, wenn kontrollierte Stellen die geplante Verwendung der jeweiligen Mittel nicht für bestimmte Maßnahmen oder Vorhaben belegen konnten. Des Weiteren konnte die SFR Verbesserungsvorschläge unterbreiten und die Leitungsorgane verpflichten, verantwortliche Beschäftigte disziplinarisch oder mittels Ordnungsstrafen167 zu belangen und für Schäden zur Verantwortung zu ziehen.168 3. Prüfungen der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion Das Komitee der ABI stellte halbjährlich Arbeitspläne auf, die von allen nachgeordneten Organen zu berücksichtigen waren. Das Komitee erhielt dazu vom Ministerrat und vom Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands Vorgaben. Außer diesen zentral vorgegebenen Aufgaben führten die Organisationseinheiten der ABI aufgrund eigener Planungen oder auf Hilfeersuchen zusätzliche Prüfungen durch. Die Kontrollen zielten auf die Einhaltung des Planes sowie die Identifikation und Beseitigung damit zusammenhängender Probleme ab.169 Die ABI führte Erhebungen vor Ort in den Betrieben und Einrichtungen durch,170 bei denen Arbeitsprozesse analysiert und die Leitungstätigkeit begutachtet wurden. Außerdem wurde kontrolliert, ob arbeitsrechtliche Bestimmungen und Normen eingehalten wurden und ob diese sich in der Praxis bewährt hatten. Kritik an staatlichen Vorgaben wurde kaum geübt, weil es nicht opportun war, die Partei zu kritisieren.171 165

Dahinter verbirgt sich die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 100 für den ganzen Abschnitt. 167 Ordnungsstrafen waren mit Bußgeldern im Ordnungswidrigkeitenrecht vergleichbar. 168 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 100. 169 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 23 f. für den ganzen Abschnitt. 170 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 202. 171 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 24 für das Vorstehende. 166

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Der Prüfungsansatz bei der ABI war weiter als bei der SFR, weil sie als Volkskontrollorgan im Dienste der Staatsideologie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands stand. Die ABI betrachtete weniger die Finanzen der Einrichtungen; sie suchte nach Verbesserungsmöglichkeiten bei der Produktion und bei Produktivitätsreserven. Zusätzlich kontrollierte sie – vergleichbar mit der Gewerbeaufsicht – die Einhaltung des Arbeitsschutzes und von Produktsicherheitsvorschriften. Wie die SFR arbeitete die ABI anhand eines Kontrollkonzeptes, das Ziele, Schwerpunkte und Objekte der Prüfung festlegte. Jede Kontrolle wurde mit der Leitung des Kontrollobjekts vorbereitet. Ziel war stets, gemeinsam mit der Leitung Verbesserungsmöglichkeiten zu finden. Die sogenannten Prüfungsinformationen benannten verantwortliche Personen und enthielten – wie bei der SFR – Vorschläge, Auflagen oder Verlangen an die Leitung der Einrichtung.172 In den 80er-Jahren traten in Produktionsstätten immer mehr Materialprobleme auf; der X. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands 1981 forderte daher, die Leistung ohne zusätzliches Material und zusätzliche Energie zu steigern.173 Da die ABI aus ihren Kontrollen wusste, wo es Materialreserven gab, wurde sie oft von Betrieben mit Materialmangel um Hilfe gebeten.174 V. Gegenüberstellung der Organe im Lichte internationaler Standards Die Organe der externen Finanzkontrolle der Bundesrepublik und der DDR haben bzw. hatten im Ansatz vergleichbare Aufgaben. Ebenso wie der Bundesrechnungshof untersuchten auch die SFR und die ABI der DDR die Haushalts- und Wirtschaftsführung staatlicher Stellen. Trotz dieser im Kern gleichen Funktion unterschieden sich die Organe in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, ihrer Organisation und in ihrer rechtlichen Konstruktion grundlegend. Die gravierenden Gegensätze der staatlichen Systeme, in die die Kontrollorgane eingebettet sind bzw. waren, trugen hierzu maßgeblich bei. Zutage traten die Unterschiede der Kontrolleinrichtungen bereits in der Auswahl der zu prüfenden Stellen. Während der Bundesrechnungshof nur ausnahmsweise und im Rahmen der Beteiligungsprüfung Untersuchungen in Wirtschaftsunternehmen durchführt, prüften ABI und SFR staatliche Unter172 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 25 ff. für den ganzen Abschnitt 173 Günter v. Grumbkow, Sozialistische Finanzkontrolle (Fn. 2), S. 195. 174 Hartmut Mummert, Die Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (Fn. 53), S. 23.

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nehmen schwerpunktmäßig. Dies war Folge davon, dass es sich bei den Betrieben in der DDR nahezu ausschließlich um staatliche Betriebe handelte. Für die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands war es ein fundamentales Anliegen, die Erfüllung der Pläne und der Beschlüsse von Partei- und Staatsführung durch regelmäßige Kontrollen in Betrieben zu überwachen. Insbesondere die Kontrollen der ABI in den Betrieben hatten Elemente eines institutionalisierten Erfahrungsaustauschs. Die Kontrolleure kamen typischerweise aus den gleichen Branchen, in denen sie kontrollierten. Sie waren Fachleute, die mit Beschäftigten vor Ort Neuerungen und Verbesserungsmöglichkeiten erörterten. Typisch für das Staats- und Gesellschaftssystem der DDR waren die Organe der Volkskontrolle, die – jedenfalls in Teilen – eine Kompensation für fehlende demokratische Einflussmöglichkeiten der Bürgerschaft im politischen System schaffen sollten. Über die Basisorgane der ABI mit ihren Betriebskommissionen und Volkskontrollausschüssen wollte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands der Bevölkerung ermöglichen, ehrenamtlich im Staat Verantwortung zu übernehmen. Dies sollte zum einen die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit dem politischen System stärken. Zum anderen konnte der Staat mittels der Volkskontrollausschüsse bei der Bevölkerung in den Wohnquartieren Bürgernähe demonstrieren – ein Ziel, dem auch die Betriebskontrollen dienten, mittels derer die Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften untersucht wurde. All diese Motive und Intentionen sind dem Finanzkontrollsystem der Bundesrepublik fremd. Sehr viel stärker mit dem Bundesrechnungshof vergleichbar war demgegenüber die personelle Struktur der SFR mit ihren hauptamtlichen, fachlich qualifizierten Prüfungskräften. Auch Arbeitsweise und Prüfungsaufgaben der SFR – jedenfalls bei staatlichen Einrichtungen – kamen denen des Bundesrechnungshofes nahe. Dass die SFR noch keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in der heutigen Form durchführte, mag daran gelegen haben, dass dieses Instrument bis in die 80er-Jahre noch nicht allzu verbreitet war. Auch im Bundesrechnungshof gewann diese Tätigkeit erst zu dieser Zeit allmählich an Bedeutung. Deutlicher zeigten sich die Unterschiede demgegenüber bei der Beratung. Während eine frühzeitige Beratung vor allem des Parlaments beim Bundesrechnungshof einen wesentlichen Teil des Kerngeschäfts darstellt,175 fehlte es in der DDR an einer entsprechenden Schwerpunktsetzung. Vorschläge etwa, eine gesetzliche Bestimmung aufgrund von 175 Seit dem Regierungswechsel 1982 hat sich die beratende Funktion des Bundesrechnungshofes immer mehr verfestigt. Während früher wiederholt um diese Rolle des Bundesrechnungshofes gestritten wurde, wird sie seit dieser Zeit nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt; vgl. dazu auch: Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten, Berlin 2013, S. 285 f.

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Prüfungsergebnissen zu ändern, hätten im Zweifel kaum die Zustimmung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands gefunden. Ideologisch wären sie auch schwer begründbar gewesen, da an der Weisheit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands naturgemäß keine Zweifel bestanden. Besonders ausgeprägt sind die Systemunterschiede zwischen Ost und West in der rechtlichen Position der Finanzkontrollorgane. Anders als in der DDR verleiht das Grundgesetz dem Bundesrechnungshof eine starke und unabhängige Stellung, die dieser im Streitfall durch Anrufung des Bundesverfassungsgerichts verteidigen kann. Als unabhängiges Bundesorgan steht der Bundesrechnungshof außerhalb der Weisungsketten der Verwaltung, was seine Funktion als Kontrollinstanz von Bundesregierung und Verwaltung sicherstellt. In der DDR war eine derart starke Position der Finanzkontrolle demgegenüber nicht erwünscht. Die Finanzkontrolle diente der Staatsideologie und unterstützte die Politik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands – ein Merkmal, das vor allem bei der Volkskontrolle deutlich wird. Im Jahr 1963 wurde die ABI so strukturiert, dass sie effektiv bei der Implementierung des Neuen Ökonomischen Systems helfen konnte. Nach der Machtübernahme Erich Honeckers erfolgte 1974 eine Reorganisation, um seinem Wunsch nach mehr Volksnähe zu entsprechen, was den Anstieg der Zahl der ehrenamtlich Beschäftigten erklärt. Die politische Rolle, die der DDR-Finanzkontrolle zugedacht war, äußerte sich auch in ihren weitreichenden Sanktionsrechten. Da im MarxismusLeninismus Finanzkontrollorgane der Durchsetzung der sozialistischen Politik dienen, müssen sie Verstöße hiergegen sanktionieren können. Die Kontrollorgane wurden infolgedessen – jedenfalls partiell – von der Partei für ihre Zwecke instrumentalisiert. Derartige Sanktionskompetenzen sind mit dem Finanzkontrollsystem der Bundesrepublik nicht vereinbar. Verstöße gegen die ordnungsgemäße Haushaltswirtschaft aufzugreifen und für deren Beseitigung zu sorgen, ist exklusive Aufgabe des Parlaments, insbesondere seines Haushalts- und seines Rechnungsprüfungsausschusses. Das Parlament ist die demokratisch gewählte Volksvertretung und übt für die Bürgerinnen und Bürger die Budgetkontrolle gegenüber der Exekutive aus. Daher ist es folgerichtig, dass der Bundesrechnungshof nicht selbst gegen Fehlverhalten in Ministerien und nachgeordneten Behörden vorgehen kann. Aufgrund der Unterschiede der Finanzkontrolleinrichtungen in Ost und West stellt sich die naheliegende Frage, inwieweit sich dies auf eine Übereinstimmung der Revisionsorgane mit allgemein anerkannten, internationalen Maßstäben auswirkt. In den Regelwerken der INTOSAI, den sogenannten ISSAI (International Standards for Supreme Audit Institutions),176 wer176

Deutsch: Internationale Normen für die Obersten Rechnungskontrollbehörden.

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den die wesentlichen Voraussetzungen für das ordentliche Funktionieren und ein professionelles Verhalten Oberster Rechnungskontrollbehörden beschrieben. Alle Grundprinzipien sind in der 1977 beschlossenen Deklaration von Lima niedergelegt.177 Die Präambel der Deklaration von Lima betont, dass jeder Mitgliedstaat der INTOSAI über eine Oberste Rechnungskontrollbehörde verfügen muss, deren Unabhängigkeit normativ bestimmt ist. § 5 Nr. 3 verlangt darüber hinaus, dass diese Unabhängigkeit in der Verfassung festgeschrieben werden soll. Neben der Unabhängigkeit der Institution muss auch die Unabhängigkeit der Mitglieder der Kontrollorgane verfassungsrechtlich verankert sein (§ 6 Nr. 2). Die Mitglieder dürfen nur unter besonderen Modalitäten, die in der Verfassung festzulegen sind, abberufen werden. Nach § 6 Nr. 3 müssen zudem die Prüfungsbediensteten vom Einfluss der geprüften Stelle frei und unabhängig sein. Zu den weiteren zentralen Merkmalen Oberster Rechnungskontrollbehörden gehört, dass sie über einen eigenverantwortlich zu bewirtschaftenden Haushaltsplan verfügen (§ 7 Nr. 3), ihr Prüfungsprogramm selbst bestimmen (§ 13 Nr. 1) und freien Zugang zu allen Stellen haben, die staatliche Gelder verwalten (§ 10 Nr. 1 und § 18 Nr. 3). Dem Parlament und der Öffentlichkeit müssen die Obersten Kontrollbehörden über ihre Tätigkeit berichten (§ 16). Anders als beim Bundesrechnungshof, dessen Bestand, Organisation, Aufgaben und Prüfungsverfahren unmissverständlich (verfassungs-)rechtlich determiniert sind, fehlte den Kontrollorganen der DDR eine derart weitreichende normative Grundlage. Die Regelwerke für die staatlichen Revisionsorgane der DDR waren in ihren wesentlichen Zügen nur in untergesetzlichen Beschlüssen des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, des Staatsrates und des Ministerrates enthalten. Die SFR und ihre Beschäftigten standen als Hauptabteilung im Ministerium der Finanzen unter der Leitung des Finanzministers und waren daher von der Regierung nicht unabhängig. Über den Finanzminister unterlagen sie den Weisungen und Beschlüssen des Ministerrates, der seinerseits den Einflüssen durch das Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ausgesetzt war. Zudem fehlte es an einem Budget, das ihnen zur freien Bewirtschaftung zur Verfügung stand. Noch deutlicher zeigte sich dieser Befund bei der ABI, die von einem Minister geleitet wurde und deren Führungsorgane fast ausnahmslos mit der Leitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands verwoben waren. Der ABI, deren Betriebskommissionen in den eigenen Betrieben kontrollierten, mangelte es zudem an der notwendigen Distanz zwischen Prüfer und geprüfter Stelle. 177 Zur Tätigkeit der INTOSAI und zur Deklaration von Lima: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 4), Art. 114 GG Rn. 368 ff.

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Auch hinsichtlich ihrer Rechte im Zuge der Prüfungen und Erhebungen verstieß die Konstruktion der DDR-Finanzkontrolle gegen die Bestimmungen der Deklaration von Lima, weil ein freier Zugang zu allen staatliche Mittel verwaltenden Stellen sowie entsprechende Auskunfts- und Akteneinsichtsrechte nicht gewährleistet waren. Die Prüfungsplanung bei SFR und ABI entsprach ebenfalls nicht den Anforderungen der ISSAI: Im Falle der SFR kamen die Prüfungspläne – zumindest formal – vom Finanzminister und im Falle der ABI zu großen Teilen vom Ministerrat und dem Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Von einer eigenverantwortlichen Prüfungsplanung durch die Revisionsorgane konnte damit keine Rede sein. Schließlich berichteten die Kontrollorgane der DDR weder dem Parlament noch veröffentlichten sie ihre Berichte. Auch dadurch fehlte es am Merkmal der Transparenz der Finanzkontrolle nach außen und an einem unmittelbaren Zugang zur Legislative. All diese Widersprüche der Revisionsorgane in der DDR zur Deklaration von Lima mögen Grund dafür gewesen sein, dass die DDR – wie auch andere sozialistische Staaten – der INTOSAI niemals beigetreten waren. Trotz ihrer auf den ersten Blick nicht ideologieverdächtigen Aufgabe nahm die Finanzkontrolle der DDR schon frühzeitig in wesentlichen Bereichen eine grundlegend andere Entwicklung als der Bundesrechnungshof. Dies darf als Beispiel dafür gewertet werden, welch starken Einfluss ein politisches System auf die Interpretation und Wahrnehmung staatlicher Aufgaben haben kann. Vor diesem Hintergrund sind die besonderen Leistungen hervorzuheben, die schon kurze Zeit nach der Wiedervereinigung ein Zusammenführen der Finanzkontrolle West und Ost auf Bundesebene sicherstellten.178 Sie sind im Wesentlichen und zuallererst dem Einsatz der Angehörigen des „alten“ Bundesrechnungshofes wie auch der hinzugekommenen neuen Beschäftigten aus der Finanzkontrolle der DDR zu verdanken.

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Vgl. hierzu den Beitrag von Heinz Günter Zavelberg in dieser Festschrift.

Zusammenführung von Finanzkontrolle Ost und West Staatliche Finanzrevision der DDR – Rechnungshof der Republik – Bundesrechnungshof Heinz Günter Zavelberg I. Vorbemerkungen Als der Präsident des Bundesrechnungshofes, Professor Engels, mich bat, für diese Festschrift einen Beitrag über die Zusammenführung der Finanzkontrolle Ost und West zu schreiben, habe ich – zwei Jahrzehnte nach dem altersbedingten Ausscheiden aus diesem Amt – nach Zögern zugesagt. Die Erinnerung an eine ereignisreiche Zeit in der Geschichte des Bundesrechnungshofes hat mich zu dieser Entscheidung veranlasst. Die Phase begann mit der Vorbereitung und der Ausrichtung des XIII. Weltkongresses der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI) vom 12. bis 21. Juni 1989 in Berlin.1 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fast 130 Nationen und internationalen Institutionen erlebten damals noch die Mauer als bedrückendes Symbol der Teilung Europas und Deutschlands. Vor diesem Hintergrund beschlossen die Vertreterinnen und Vertreter der europäischen Obersten Rechnungskontrollbehörden einschließlich der anwesenden Repräsentanten der osteuropäischen Staaten2 „in dem Bewusstsein des gemeinsamen kulturellen Erbes der Völker zwischen Atlantik und Ural“ eine Initiative zur Gründung einer europäischen Regionalgruppe EUROSAI innerhalb der INTOSAI. Dadurch sollte gerade von Berlin „an der Nahtstelle zwischen West und Ost“ eine Signalwirkung ausgehen.3 1 Vgl. zur Gesamtthematik: Bundesrechnungshof (Hrsg.), XIII. Weltkongress der Obersten Rechnungskontrollbehörden, Kongressbericht, Deutsche Ausgabe, Frankfurt am Main 1990; allgemein zu INTOSAI: Tassilo Broesigke, Die internationale Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart – 1714 bis 1989¸ Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechenkammer, Berlin 1989, S. 435. 2 Bulgarien, das damalige Jugoslawien und Ungarn. 3 Bundesrechnungshof (Hrsg.), XIII. Weltkongress der Obersten Rechnungskontrollbehörden, Kongressbericht, Deutsche Ausgabe, Frankfurt am Main 1990, S. 241 f.

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Mit der Ausrichtung des Kongresses wurde der Präsident des Bundesrechnungshofes, satzungsgemäß für drei Jahre (1989 bis 1992) Vorsitzender der INTOSAI, beauftragt. Fast zeitgleich, aber unabhängig davon wählte ihn die UNO-Vollversammlung für drei Jahre zum Mitglied des „Board of Auditors“ der Vereinten Nationen. Damit übernahm der Bundesrechnungshof, gemeinsam mit zwei anderen Obersten Rechnungskontrollbehörden die externe Finanzkontrolle der UNO und bedeutsamer Unterorganisationen. Und zu all dem kam dann für den Bundesrechnungshof mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten unerwartet die Ausweitung des Prüfungsbereiches auf das erweiterte Staatsgebiet und die Auswahl und Einarbeitung des neuen Personals aus der bisherigen DDR.4 II. Quellen der Darstellung Bislang existiert keine zusammenfassende Darstellung des Themas. Der verstorbene Direktor beim Bundesrechnungshof, Gerhard Winkler, in Personalunion Leiter der Grundsatz- und der Präsidialabteilung, war bei der Zusammenführung der Finanzkontrolle Ost und West von Anfang an in besonderer Weise engagiert. Nach Abschluss der Aufgabe erarbeitete er über die Zeit nach dem Fall der Mauer eine umfangreiche Dokumentation. Ferner stellte der frühere Leiter der Staatlichen Finanzrevision der DDR, Gert Henneberg,5 im letzten Jahr der DDR für kurze Zeit amtierender Präsident des damals neu geschaffenen Rechnungshofes der Republik, eine Dokumentation über die Entwicklung der Staatlichen Finanzrevision, die Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof sowie die Errichtung des Rechnungshofes der Republik und dessen kurze Tätigkeit. Diese Aufzeichnungen haben mir bei meiner Arbeit vorgelegen und sind an vielen Stellen in meinen Beitrag eingeflossen. Meinen damaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke ich an dieser Stelle sehr herzlich für Ihre umfangreichen Niederschriften. Weitere schriftliche Quellen für diese Abhandlung sind Dokumente der Arbeitsgruppe DDR und die Hausmitteilungen des Bundesrechnungshofs. Der Verfasser kann sich, nach den vielen Jahren natürlich nur begrenzt, auch auf eigene Erinnerungen und Auskünfte ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stützen.6 4 Wegen der dadurch bedingten Arbeitsbelastung verzichtete der Bundesrechnungshof auf eine erneute Kandidatur für das Board of Auditors für den ab 1992 beginnenden neuen Turnus. 5 Gert Henneberg wurde nach der Wende in das Angestelltenverhältnis des höheren Dienstes des Bundesrechnungshofes übernommen, allerdings ohne Leitungsfunktion. Leider konnte er wegen schwerer Erkrankung nicht an diesem Beitrag mitwirken. 6 Besonders habe ich Frau Direktorin BRH a. D. Gabriele Teichmann-Schulz, die als Leiterin des Personalreferates 1990 enge Mitarbeiterin von Direktor Gerhard Winkler war, für die kritische Durchsicht und wertvolle Anregungen zu danken.

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III. Die Staatliche Finanzrevision der DDR Das Haushaltsrecht entwickelte sich nach dem Ende des letzten Weltkriegs in beiden Teilen Deutschlands auseinander. Die Reichshaushaltsordnung (RHO) in der zum Kriegsende geltenden Fassung galt zunächst in allen vier Besatzungszonen weiter. In den westlichen Zonen und in der Bundesrepublik wurde sie fortentwickelt, insbesondere durch die Haushaltsrechtsreform von 1969. Die Reformen führten die Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle ein, lösten die Prüfung aus der Bindung an die Rechnung und machten die Beratung von Parlament und Regierung zur eigenständigen Aufgabe der Finanzkontrolle. Dem Bundesrechnungshof und schrittweise auch den Rechnungshöfen der Länder wurde der unmittelbare Zugang zu den Parlamenten eröffnet.7 Dagegen hob die DDR mit dem Aufbau einer neuen staatlichen Ordnung bereits im Jahre 1950 die RHO samt Nebenbestimmungen auf.8 Die Organisation der Kontrolle der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben oblag dem Minister der Finanzen der DDR.9 Die Staatliche Finanzrevision war eine „Verwaltung“ im Ministerium der Finanzen (wohl vergleichbar einer Abteilung in einem Bundesministerium), geleitet von einem stellvertretenden Minister, der wie die anderen stellvertretenden Minister dem Minister und seinem Staatssekretär unterstellt war.10 Die Stellung des Leiters entsprach in der ministeriellen Hierarchie der eines Abteilungsleiters (Ministerialdirektors) in einem Bundesministerium. Somit gab es in der DDR keine von der Exekutive unabhängige Rechnungsprüfung. Auch hatte die Staatliche Finanzrevision – anders als der Bundesrechnungshof – keinen unmittelbaren Zugang zum Parlament (Volkskammer). 7 Vgl. zur Thematik: Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatlicher Rechnungsprüfung in Deutschland – Etappen der Entwicklung, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart – 1714 bis 1989¸ Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer, Berlin 1989, S. 43 (52 ff.). 8 § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Reform des Haushaltswesens, GBl. DDR 1950 S. 1201. Sehr informativ zur Entwicklung des öffentlichen Haushaltswesens in der DDR: Helmut Meier, Die Entwicklung des Haushaltswesens in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Berlin 1960. 9 Vgl. z. B. § 14 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über den Staatshaushaltsplan 1953 vom 9. Februar 1953, GBl. DDR 1953 S. 257; § 44 Abs. 1 des Gesetzes über die Staatshaushaltsordnung der DDR vom 17. August 1954, GBl. DDR 1954 S. 207. 10 Vgl. Teil A Abschnitt VI des Beschlusses des Ministerrats über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision vom 12. Mai 1967, GBl. DDR II 1967 S. 329 (332 f.), §§ 15 Abs. 1 S. 1, 17 Abs. 1 der Verordnung des Ministerrates über das Statut des Ministeriums der Finanzen, GBl. DDR II 1967 S. 323 (327).

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Der Zentrale der Finanzrevision im Ministerium waren 16 Inspektionen in den Bezirken der DDR nachgeordnet. Die Finanzrevision hatte insgesamt rund 1.600 hauptamtliche Mitarbeiter, davon rund 80 in der Zentrale. Ihr oblag auf dem Gebiet der Finanzen die Aufgabe der „Revision“ (Rechnungskontrolle) gegenüber den volkseigenen Betrieben, den Vereinigungen volkseigener Betriebe, den zentralen und örtlichen Staatsorganen und staatlichen Einrichtungen.11 Sie sollte zur „Sicherung der gesamtstaatlichen Interessen (…) in allen Bereichen der Volkswirtschaft Aufwand und Nutzen der wirtschaftlichen Tätigkeit, insbesondere die Bildung und Verwendung der staatlichen Geldfonds sowie die Verwaltung, Nutzung und Mehrung des Volkseigentums kontrollieren“. Erklärtes Ziel waren eine „Erhöhung des Nutzeffektes der gesellschaftlichen Arbeit“ und die Verhinderung der „Verschwendung von materiellen und finanziellen Mitteln“.12 Der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag in der Kontrolle der Planerfüllung, insbesondere der Abführungen der Wirtschaft. Die Prüfungen im Bereich der Staatsverwaltung machten den geringeren Teil ihrer Tätigkeit (geschätzt etwa 30 %) aus. Die Staatliche Finanzrevision sollte „von den leitenden Staats- und Wirtschaftsorganen unabhängig“ prüfen,13 was allerdings nur mit der Maßgabe galt, dass sie dem Finanzminister und damit auch dem Ministerrat unterstellt war.14 Von der mit dieser Maßgabe bestehenden ressortübergreifenden Prüfungszuständigkeit gab es gravierende Ausnahmen. Nach einer nicht veröffentlichten Entscheidung des Ministerrates der DDR vom 12. Mai 1967 unterlagen die Ministerien der bewaffneten Organe (nationale Verteidigung, Innere Angelegenheiten – Volkspolizei – sowie Staatssicherheit) sowie die Zollverwaltung mit ihren nachgeordneten Einrichtungen nicht ihrer Prüfungszuständigkeit. Gleiches galt nach einer ebenfalls nicht veröffentlichten Verfügung des Vorsitzenden des Ministerrates vom 14. September 1972 für den Bereich Kommerzielle Koordinierung des Ministeriums für Außenhandel mit den dazu gehörenden Betrieben.15 11 In dieser Reihenfolge aufgeführt in § 1 Abs. 2 S. 2 der Verordnung über das Statut des Ministeriums der Finanzen, GBl. DDR II 1967 S. 323. 12 Teil A Abschnitt I Nr. 1 des Beschlusses des Ministerrates der DDR über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 10), S. 329. 13 So wörtlich § 1 Abs. 2 S. 2 der VO über das Statut des Ministeriums der Finanzen, GBl. DDR II 1967 S. 323. 14 Teil A Abschnitt VI des Beschlusses über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision vom 12. Mai 1967 (Fn. 10), S. 329 (331 ff.). 15 Aufgabe des Bereichs Kommerzielle Koordinierung war die „Sicherung des Zahlungsverkehrs mit dem Ausland“ einschließlich Devisenbeschaffung (unter Leitung von Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski).

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Die Prüfungs- und Kontrolltätigkeit der Finanzrevision bestand in der Belegprüfung. Eine Prüfung (auch) der Wirtschaftlichkeit, wie sie Voraussetzung für die Beratungs- und Berichtstätigkeit des Bundesrechnungshofes gegenüber Parlament und Regierung ist, war der Finanzrevision nicht verwehrt, hatte aber in der Praxis keine oder allenfalls geringe Bedeutung. Eine bedeutsame Einschränkung der Prüfungsmöglichkeit der Finanzrevision ergab sich aus dem Reisekostenrecht der DDR. Nach den Erkenntnissen des Bundesrechnungshofes sind örtliche Erhebungen (vgl. § 94 BHO) für eine vertiefte Prüfung häufig unverzichtbar.16 Diese waren auch in der DDR zulässig, aber durch das Reisekostenrecht erschwert, weil Empfängern von Dienstaufwandsentschädigungen von monatlich mehr als 250 DDR-Mark bei Dienstreisen nur die Fahrtkosten, aber keine sonstigen Reisekosten (Übernachtung und Verpflegung) erstattet wurden. Dienstaufwandsentschädigung in der genannten Höhe erhielten ab einer bestimmten Vergütungsgruppe (Z 10) alle Bediensteten der „zentralen Staatsorgane“ der DDR, also auch der Zentrale der Finanzrevision im Finanzministerium. Unter diese Regelung fiel ein Großteil (etwa ein Drittel) der Prüferinnen und Prüfer in der Zentrale. Örtliche Erhebungen, zumindest wenn sie mit Reisen verbunden waren, wurden daher von der Finanzrevision nicht oder nur äußerst selten durchgeführt. Vielleicht war das sogar gewollt. Die Finanzrevision war „verpflichtet“, im Protokoll, das über jede Revision zu fertigen war, „den geprüften Stellen zur Beseitigung der bei der Revision aufgedeckten Mängel bindende Weisungen zu erteilen“.17 Ähnlich hieß es noch im Beschluss des Ministerrates über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision vom 12. Mai 1967, dass bei Feststellung von Verstößen gegen die staatliche Ordnung auf dem Gebiet der Finanzwirtschaft zur Herstellung der staatlichen Ordnung Auflagen erteilt werden.18 Aber diese Vorschriften dürften in der Praxis keine besondere Bedeutung erlangt haben.19 Die Staatshaushaltsordnung von 1954 16 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland – Etappen der Entwicklung, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart – 1714 bis 1989¸ Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer, Berlin 1989, S. 43 (52). 17 § 44 Abs. 3 S. 2 des Gesetzes über den Staatshaushalt der Deutschen Demokratischen Republik vom 17. Februar 1954, GBl. DDR 1954 S. 207 (214). 18 Teil A Abschnitt I Nr. 2 Abs. 2 S. 2 des Beschlusses über die Aufgaben, die Arbeitsweise und den Aufbau der Staatlichen Finanzrevision (Fn. 10), S. 329. 19 Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel – Von der klassischen Rechnungsprüfung zur modernen Finanzkontrolle, Dissertation Univ. Bamberg 2009, S. 237 f.: Die Auflagen mussten die Betriebe fast nie umsetzen, da die SED die Arbeit der Staatlichen Finanzrevision vielfach behinderte.

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wurde Ende des Jahres 1968 aufgehoben und durch eine neue Staatshaushaltsordnung ersetzt.20 Darin ist die Verpflichtung oder auch nur Befugnis zur Erteilung von Auflagen nicht mehr erwähnt.21 Neben der Staatlichen Finanzrevision gab es in der DDR noch andere Kontrollorgane, insbesondere die „Arbeiter-und-Bauern-Inspektion“ (ABI), mit etwa 280.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Genossenschaften, Betrieben und Kombinaten sowie in Ministerien und Verwaltungen.22 Der Vorsitzende des Komitees der ABI hatte Ministerrang und war nicht nur dem Ministerrat der DDR, sondern förmlich auch dem Zentralkomitee der SED unterstellt. Die ABI war in erster Linie Parteiorgan, dem auch staatliche Befugnisse übertragen waren.23 Sie war aber keine professionelle staatliche Rechnungskontrollbehörde wie die Staatliche Finanzrevision und auch nicht in der Staatshaushaltsordnung aufgeführt. Die Nachfolgeinstitution der ABI, das Komitee für Volkskontrolle, das mit Beschluss des Präsidiums der Volkskammer vom 4. Januar 1990 direkt der Volkskammer unterstellt wurde, hat sich bei einem Gespräch mit dem Bundesrechnungshof in Ostberlin im März 1990 darum bemüht, sich beim Aufbau eines Rechnungshofes der DDR zu beteiligen. Dieses Bemühen war letztlich erfolglos. Die abschließende Entscheidung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des neuen Rechnungshofes „insbesondere“ aus dem Personalbestand der Staatlichen Finanzrevision zu gewinnen, traf der Ministerrat später am 30. Mai 1990 bei der Verabschiedung des Entwurfs des neuen Rechnungshofgesetzes der DDR. IV. Erster Kontakt zwischen Bundesrechnungshof und Staatlicher Finanzrevision der DDR Seit den 1970er Jahren bemühte sich der Österreichische Rechnungshof in seiner Eigenschaft als Generalsekretariat der INTOSAI, die Staatliche Finanzrevision der DDR als Mitglied der Organisation zu gewinnen. Diese Bemühungen scheiterten an der ablehnenden Haltung der zuständigen Entscheidungsträger in der Führung der DDR. Im Jahre 1988 kam es im Vorfeld des XIII. INTOSAI-Kongresses erstmals zu einem Kontakt zwischen der Finanzrevision und dem Bundesrech20 Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 13. Dezember 1968, GBl. DDR I 1968 S. 383. 21 Vgl. § 23 Abs. 3 Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 13. Dezember 1968, GBl. DDR I 1968 S. 383 (388). 22 Vgl. Wikipedia, Arbeiter-und-Bauern-Inspektion, Fundstelle: www.wikipedia. org (abgerufen am 28. Oktober 2012). 23 Vgl. Birgit Wolf, Sprache in der DDR, Berlin 2000, S. 2.

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nungshof. In Absprache mit der Bundesregierung und dem Senat der Stadt Berlin (West) wurde als Kongressort Berlin ausgewählt, wo einst die Preußische Generalrechenkammer (später Oberrechnungskammer) gegründet worden war. Diese Entscheidung hatte auch einen politischen Grund; sie sollte zur Stärkung der im Ost-West-Konflikt umstrittenen Stellung des Landes Berlin (West) beitragen. Deshalb waren wir bestrebt, auch möglichst viele Oberste Rechnungskontrollbehörden der Staaten des damaligen kommunistischen Blocks für die Teilnahme am Kongress zu gewinnen, vor allem die Staatliche Finanzrevision der DDR. Erste Versuche der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR, im April 1987 einen unmittelbaren Kontakt mit dem für die Staatliche Rechnungskontrolle der DDR zuständigen „Organ“ herzustellen, scheiterten am Widerspruch des zuständigen Sekretärs der SED, Dr. Günter Mittag. Ähnlich ergebnislos waren im März des Folgejahres die Bitte des Bundesrechnungshofes an die Finanzrevision um Zusendung von sogenannten Länderpapieren (Grundlagenpapiere zu Fachfragen der Finanzkontrolle) für den Kongress und Anfang April die schriftliche Ankündigung der Einladung zum Kongress. Einen ersten Erfolg hatte endlich im April 1988 ein neuer Vorstoß auf diplomatischem Wege. Die Ständige Vertretung teilte dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR mit, dass der Präsident des Bundesrechnungshofes Anfang Mai 1988 die Vertretung besuchen und ihr Leiter aus diesem Anlass in seiner Residenz ein Essen geben werde. Dazu sei auch der Leiter der Staatlichen Finanzrevision eingeladen. Dieser Einladung stimmte am 2. Mai 1988 die zuständige Arbeitsgruppe des Politbüros der SED mit der Maßgabe zu, dass der Leiter der Finanzrevision dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes ausdrücklich erkläre, eine Ausrichtung des Kongresses in Westberlin sei widerrechtlich (angeblicher Verstoß gegen das Viermächteabkommen vom 3. September 1971) und die Finanzrevision werde daher auch keinerlei schriftliche Materialien zur Verfügung stellen. Die Entscheidung wurde durch Generalsekretär Erich Honecker persönlich bestätigt. Das Arbeitsessen fand – wie vorgesehen – am 6. Mai 1988 in der Residenz des Ständigen Vertreters statt. Teilnehmer waren – für den verhinderten Leiter der Ständigen Vertretung dessen Stellvertreter, Ministerialdirigent Franz-Jürgen Staab, begleitet von zwei Angehörigen der Vertretung, – der Präsident des Bundesrechnungshofes und sein Vertreter, Vizepräsident Ernst Heuer, sowie – der Leiter der Staatlichen Finanzrevision der DDR, Gert Henneberg, begleitet von einem seiner Abteilungsleiter und einem Angehörigen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten.

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Themen eines mehrstündigen Arbeitsgespräches in sachlicher Atmosphäre waren insbesondere die Rechtsstellung, die Aufgaben, die Struktur und die Arbeitsweise der beiden Kontrollbehörden, ihre Aufgabenabgrenzung zu anderen staatlichen Kontrollorganen und ihr Personal. Beiderseits wurde Interesse an einer Fortsetzung des Gedankenaustausches geäußert. Unsererseits wurde eine Einladung zu einem Arbeitsbesuch in der Bundesrepublik in Aussicht gestellt. Eine Bitte mit Schreiben vom 1. Juni 1988 an Gert Henneberg, mit einem Artikel zur Festschrift aus Anlass der 275. Wiederkehr des Tages der Gründung der Preußischen Oberrechnungskammer beizutragen, wurde – wie die offizielle Einladung zum Kongress – weisungsgemäß von der Finanzrevision abgelehnt. Die in dem Schreiben gemäß der Ankündigung bei dem Arbeitsessen zugleich ausgesprochene Einladung wurde hinhaltend beantwortet. Bei diesem Ergebnis blieb es. V. Nach dem Fall der Mauer: erste Reformen der Finanzrevision und erste Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof Bereits kurz nach dem Fall der Mauer, noch im Jahre 1989, kam es unter der neuen Regierung Modrow zu bedeutsamen Erweiterungen der Prüfungsrechte der Finanzrevision der DDR. Am 3. Dezember 1989 wurde die Verfügung des Vorsitzenden des Ministerrates von 1972, durch die der Bereich Kommerzielle Koordinierung des Ministeriums für Außenhandel mit den zugehörigen Betrieben von der Prüfung durch die Finanzrevision ausgenommen war, aufgehoben. Ebenfalls noch im Dezember hob der neue Vorsitzende des Ministerrates, Hans Modrow, auch den bisherigen Ausschluss der sogenannten Bewaffneten Organe (mit den Ministerien für Nationale Verteidigung, des Ministeriums für Staatssicherheit und des Ministeriums des Innern) von der Rechnungsprüfung durch die Finanzrevision auf. Daneben gab es bereits erste Überlegungen, die Frage der künftigen Finanzkontrolle und ihre rechtliche Stellung grundsätzlich zu überdenken. Diese wurden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Inspektion Cottbus der Finanzrevision an den Präsidenten der Volkskammer herangetragen und von dort auch der Finanzministerin zur Stellungnahme gegeben. Eine damals diskutierte Möglichkeit war die Einrichtung einer Kammer für Rechnungsprüfung bei der Volkskammer. Sie wurde aber in der Schnelligkeit des Prozesses der Wiedervereinigung nicht vertieft. Anfang Januar 1990 ergriff die Finanzrevision die Initiative zur unmittelbaren Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof. Anlass war eine von

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der Finanzrevision in Aussicht genommene gemeinsame Prüfung des neuen Reisedevisenfonds der Deutschen Bundesbank. Der Fonds ermöglichte den Bürgerinnen und Bürgern der DDR einen günstigen Geldumtausch von Reisezahlungsmitteln (Ost-Mark in DM)24 und ersetzte das Begrüßungsgeld von 100 DM, das DDR-Bürger noch bis Dezember 1989 bei Besuchen in der Bundesrepublik einschließlich Westberlins erhalten hatten. Die Prüfung des Fonds war den Rechnungsprüfungsbehörden der beiden deutschen Staaten übertragen. Bereits am 11. Januar 1990 besuchte eine Delegation des Bundesrechnungshofes unter Leitung von Direktor Gerhard Winkler die Finanzrevision im Ministerium für Finanzen und Preise der DDR in Ost-Berlin und erarbeitete den Entwurf einer Kontrollvereinbarung. In Gesprächen am Rande der Arbeitssitzung bestand Übereinstimmung sowohl über die Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen Finanzkontrolle in der DDR wie auch in der Erwartung des späteren Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten und dementsprechend auch der Finanzkontrollorgane. Aus damaliger Sicht gingen die Teilnehmer allerdings davon aus, dass dies erst „in drei bis vier Jahren“ zu erwarten war.25 Den Entwurf der Kontrollvereinbarung legte der Leiter der Finanzrevision dem Finanzminister zur Genehmigung vor. Nach Genehmigung und Bevollmächtigung zur Unterzeichnung auch durch den Ministerrat der DDR wurde die Vereinbarung am 8. Februar 1990 beim ersten Besuch des Leiters der Finanzrevision, Gert Henneberg, im Bundesrechnungshof in Frankfurt / Main unterzeichnet. Es bestand Einigkeit, dass die vereinbarte gemeinsame Prüfung Modellcharakter haben und Ausgangspunkt für weitere gemeinsame Kontrollen sein sollte. Ein wichtiges weiteres Thema der Gespräche war der vertrauliche Gedankenaustausch über die Bildung eines Rechnungshofes der DDR und seine Strukturierung nach dem Beispiel des Bundesrechnungshofes. Ich sagte die Unterstützung meines Hauses bei der Ausarbeitung der Rechtsvorschriften und bei der Aus- und Fortbildung des Prüfungspersonals zu. Bereits im Februar und Anfang März 1990 fanden in Westberlin und in der DDR die vereinbarten gemeinsamen Erhebungen des Reisedevisenfonds statt. Gemäß der Vereinbarung waren Gegenstände der Prüfungen – die ordnungsgemäße Zuführung zum gemeinsamen Reisedevisenfonds entsprechend den vereinbarten Anteilen, – der Umtausch entsprechend den festgelegten Umtauschsätzen, 24 Einmalig bis 100 Ostmark im Verhältnis 1 zu 1, für die zweiten 100 Ostmark im Verhältnis 1 zu 2. 25 Vgl. Chronologie in der Anlage.

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– die Einzahlung der in der Bundesrepublik in Mark der DDR vereinnahmten Beträge bei der Staatsbank der DDR zugunsten des Projektfonds sowie – die vollständige Zuführung des aus der Bundesrepublik in Mark der DDR sowie des in der DDR aus dem Umtausch der Mittel des Reisedevisenfonds entstandenen Erlöses in Mark der DDR an den Projektfonds. Parallel zu den Erhebungen wurden vertiefende Gespräche über weitere gemeinsame Erhebungen geführt und Fortbildungsveranstaltungen vorbereitet. Am 14. März 1990 traf der Bundesrechnungshof eine Reihe von Grundsatzentscheidungen im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Finanzkontrolle für die DDR. Sie hatten folgenden Inhalt: – Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass nach einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten für die Gebietskörperschaft Bund nur eine Rechnungsprüfungsbehörde, nämlich der Bundesrechnungshof, bestehen kann. – Bei der Einrichtung einer neuen Finanzkontrollbehörde der DDR sollen alle Lösungen vermieden werden, die eine reibungslose Übernahme der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof erschweren. – Neu eingerichtete Finanzkontrollbehörden der DDR sollen bei einer Vereinigung in den Bundesrechnungshof integriert werden. – Um die notwendige Gestaltungsfreiheit bei dieser Eingliederung zu erhalten, soll für den Fall einer Neueinrichtung einer obersten Finanzkontrollbehörde der DDR auf eine Präsidialstruktur (nicht Mitgliederstruktur) hingewirkt werden. Das benötigte zusätzliche Prüfungspersonal des Bundesrechnungshofes soll wegen der Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und der bisherigen Prüfungsfelder vor allem aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Finanzrevision gewonnen werden; diese könnten im Einzelfall wegen des bei der Finanzrevision nicht vorhandenen spezifischen Sachverstandes – Juristen, Techniker, Naturwissenschaftler – auch um taugliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Komitees für Volkskontrolle (vorher ABI) ergänzt werden.26 Eine erste Klausurtagung von Finanzrevision und Bundesrechnungshof fand am 11. / 12. April 1990 im Schulungszentrum der Finanzrevision in Friedrichroda / Thüringen statt. Teilnehmer waren von der Finanzrevision auch alle Inspektionsleiter aus den Bezirken und deren Vertreter. In meiner Ansprache stellte ich fest, dass ich die Finanzrevision als den fachlich kom26

Dazu ist es aber in der Praxis nicht gekommen.

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petenten Partner für die Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof ansehe. Das war insoweit eine wichtige Vorentscheidung, als – wie schon erwähnt – auch die ABI bzw. das „Komitee für Volkskontrolle“ sich um Beteiligung am Aufbau eines neuen Rechnungshofes der DDR beworben hatte. In den folgenden Monaten fanden weitere gemeinsame Prüfungen, Schulungsveranstaltungen und Besprechungen über die weitere Zusammenarbeit der beiden Finanzkontrollorgane statt, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen aufgezählt werden. VI. Rechnungshof der Republik Wichtigstes Thema der Besprechungen am Rande der Klausurtagung in Friedrichroda war, wie schon in Frankfurt am 8. Februar 1990, die Vorbereitung des Aufbaus eines Rechnungshofes der DDR nach dem Vorbild des Bundesrechnungshofes. Die Finanzrevision erarbeitete den ersten Entwurf eines Rechnungshofgesetzes der DDR und erörterte diesen am 7. / 8. März 1990 in Ost-Berlin mit einer Delegation des Bundesrechnungshofes (Leitung Vizepräsident Ernst Heuer und Direktor Gerhard Winkler). Nach etlichen Änderungen auf Vorschlag des Bundesrechnungshofes konnte schon im April ein gemeinsamer Entwurf vereinbart werden. Die Beteiligten gingen dabei von einer Tätigkeitsdauer des Rechnungshofes der DDR von zwei Jahren bis etwa 1992 aus; im Februar hatten sie insoweit noch vier Jahre zugrunde gelegt.27 Dass wir von den politischen Ereignissen überrollt wurden und die Wiedervereinigung bereits am 3. Oktober desselben Jahres kam, ahnten wir damals noch nicht. Der in Friedrichroda vereinbarte Entwurf wurde im Wesentlichen im späteren Gesetzgebungsverfahren übernommen. Wichtige Weichen wurden auch auf einer Tagung in Frankfurt / Main am 14. / 15. Mai 1990 gestellt. Hier wurde in Absprache mit dem Leiter der Staatlichen Finanzrevision vor allem ein Organisationsschema für den Rechnungshof der Republik erarbeitet (damals vorgesehen: vier Prüfungsabteilungen, eine Verwaltungsabteilung, zusammen etwa 200 Bedienstete in der Zentrale). Ausgangspunkt aller Überlegungen zum Personal und zur Organisation war die Zielsetzung, den Rechnungshof der Republik nach Beendigung seiner Aufgaben „passfähig“ in den Bundesrechnungshof einzugliedern. Ein Sonderproblem war die Vorprüfung nach § 100 BHO in der bis 1997 geltenden Fassung. Der Bundesrechnungshof konnte nach dieser Bestimmung Prüfungsaufgaben durch Vorprüfungsstellen durchführen lassen. Diese gehörten organisatorisch und personell nicht zum Bundesrechnungshof, son27

Chronologie in der Anlage.

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dern zur Verwaltung, waren jedoch der Dienst- und Fachaufsicht des Bundesrechnungshofes unterstellt. Während der Bundesrechnungshof selbst damals nur rund 600 Bedienstete hatte, waren bei den Vorprüfungsstellen etliche tausend Kräfte in der externen Finanzkontrolle des Bundes eingesetzt.28 Weil wir glaubten, in der Verwaltung der DDR auf die Schnelle keine Vorprüfungsstellen einrichten zu können, wurde für das Gebiet der DDR eine Zentralisierung der Vorprüfung mit bis zu etwa 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorgesehen, überwiegend aus dem Personalbestand der Inspektionen, die dem Rechnungshof der DDR zugeordnet werden sollten.29 Diese Überlegungen wurden mit der Leitung der Staatlichen Finanzrevision abgestimmt und, dieser folgend, vom damaligen Finanzminister, Walter Romberg (SPD), übernommen. Danach ging es zügig weiter. Der Ministerrat der Regierung de Maizière beschloss am 30. Mai 1990, den vom Finanzminister vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes über den Rechnungshof der Republik“ der Volkskammer zuzuleiten. Nur zwei Tage später, am 1. Juni 1990, begründete der Minister den Entwurf in erster Lesung. Die Volkskammer verabschiedete das Gesetz nach dreitägiger Beratung in den zuständigen Ausschüssen am 15. Juni 1990. Es trat am 1. Juli 1990 in Kraft.30 Seit diesem Tag gab es einen Rechnungshof der Republik. Das Gesetz legte in § 1 fest, dass die Institution sachlich unabhängig, also bei der Erfüllung ihrer Aufgaben ausschließlich an das Gesetz gebunden und keinen Weisungen unterworfen war. Wie vom Bundesrechnungshof bereits im März vorgesehen, bestand keine Mitglieder-, sondern eine Präsidialstruktur. Das Personal bestand aus den bisherigen Bediensteten der Staatlichen Finanzrevision, ergänzt durch Bedienstete der ehemaligen Zentralen Staatlichen Preiskontrolle für Investitionen (ZSPI).31 Parallel erfolgten die Verabschiedung und Inkraftsetzung der neuen Haushaltsordnung der Republik, die in § 85 die Regeln über die Einführung der zentralisierten Vorprüfung enthielt. Diese Bestimmung wurde jedoch nicht wirksam, da der Bundesrechnungshof mit seinem Vorschlag, § 85 der Haushaltsordnung der ehemaligen DDR weiter gelten zu lassen, nicht durchge28 Vgl. zum System der Vorprüfung in der Bundesrepublik Deutschland bis 1998: Jörg Bublitz, Über die Vorprüfung in Deutschland – Ein Beitrag zu ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Entwicklung und ihren Problemen, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart – 1714 bis 1989¸ Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechenkammer, Berlin 1989, S. 343 (369). 29 Chronologie in der Anlage. 30 Gesetz über den Rechnungshof der Republik vom 15. Juni 1990, GBl. DDR, 1990 S. 325. 31 Die ZSPI gehörte zum Amt für Preise, das 1990 dem Finanzministerium der DDR zugeordnet wurde.

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drungen war. Mit dem Einigungsvertrag trat daher (mit der BHO im Übrigen) auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die Verpflichtung der Verwaltung zur Vorprüfung nach § 100 BHO a. F. in Kraft. Die in den Besprechungen zwischen dem amtierenden Präsidenten Gert Henneberg und Direktor Gerhard Winkler erwogene Beschäftigungsmöglichkeit für mehrere hundert Bedienstete der Inspektionen war damit entfallen. Bereits unmittelbar nach der Verabschiedung des Rechnungshofgesetzes hatte Finanzminister Walter Romberg mit Schreiben vom 18. Juni 1990 dem Ministerpräsidenten empfohlen, den bisherigen Leiter der Finanzrevision Gert Henneberg mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten des Rechnungshofes der Republik zu beauftragen. Als es dazu in der Eile nicht kam, ernannte Finanzmister Romberg angesichts des Handlungsbedarfs Gert Henneberg am 30. Juni 1990, dem Tag vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, zum „amtierenden Präsidenten“ und unterrichtete darüber lediglich mit Schreiben vom selben Tag den Ministerpräsidenten. VII. Vorbereitung der Übernahme von Personal der ehemaligen DDR in den Bundesrechnungshof Mit Ernennung des amtierenden Präsidenten war der Rechnungshof der Republik handlungsfähig. Dem Bundesrechnungshof stand damit ein kompetenter Gesprächspartner für die Vorbereitung der bevorstehenden Übernahme der Rechnungsprüfung des Bundes auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zur Verfügung. Wie die Bundesminister für ihre Geschäftsbereiche war der Bundesrechnungshof als oberste Bundesbehörde für seinen Geschäftsbereich zuständig für die Vorbereitung organisatorischer Regelungen und Maßnahmen einschließlich der Vorentscheidung über die Übernahme von DDR-Personal. Zu diesem Zweck hatte der Leiter der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes am 30. Juli 1990 die Arbeitsgruppe „Aufbau der Finanzkontrolle in der DDR“ mit Regierungsdirektor Rolf-Dietrich Kammer als Leiter und Regierungsdirektor Dr. Axel Nawrath als ständigem Mitarbeiter gebildet. Hier wurden wichtige Einzelheiten über die Organisation und das zu übernehmende Personal des Rechnungshofes der Republik sowie dabei auftauchende Rechtsfragen besprochen. In einer Grundsatzsitzung am 10. September 1990 stellte Direktor Gerhard Winkler nochmals klar, dass der Bundesrechnungshof in jedem Fall Personal des Rechnungshofes der Republik übernehmen werde, auch gegen etwaige Widerstände im Hause.32 32 Anders als der Bundesrechnungshof und die meisten anderen Ressorts hat das Auswärtige Amt so gut wie kein DDR-Personal übernommen; vgl. dazu: Otto Pfeiffer, Nur das Meißner Porzellan. Das Auswärtige Amt übernahm keine DDR-Diplomaten, epd-Entwicklungspolitik, Heft 6 / 7-1997.

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Erste Erkenntnisse über die Eignung des Personals hatte der Bundesrechnungshof bereits bei den gemeinsamen Prüfungen gewinnen können. Um den Betroffenen so früh wie möglich Klarheit über ihr künftiges berufliches Schicksal zu geben, führten Direktor Gerhard Winkler und die damalige Ministerialrätin Gabriele Teichmann-Schulz als Leiterin des Personalreferates bereits ab August 1990 Einzelgespräche mit den für eine Übernahme in Betracht kommenden Prüferinnen und Prüfern. Sie gingen dabei von den bei der Besprechung in Frankfurt / Main im Mai entwickelten Vorstellungen zum Personalumfang des Rechnungshofes der Republik (200) aus. Vorerst abschließende, intensive Gespräche über das zu übernehmende Personal fanden in Berlin in der Zeit vom 13. bis 20. September 1990 zwischen dem amtierenden Präsidenten Gert Henneberg und Direktor Gerhard Winkler statt. Danach beabsichtigte der Bundesrechnungshof, 83 Bediensteten der ehemaligen Finanzrevision einschließlich sieben Bediensteten der ehemaligen ZSPI ein Übernahmeangebot in eine dauerhafte Beschäftigung zu machen. Für weitere vier Mitarbeiter hing das Ergebnis noch von weiteren Gesprächen ab. All dies stand natürlich unter dem Vorbehalt, dass das Parlament die vom Bundesrechnungshof beantragten Stellen genehmigte und keine Verstöße gegen die Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit sowie Tätigkeiten für das frühere Ministerium für Staatssicherheit festgestellt wurden. Die Vorstellungen des Rechnungshofes der Republik auf Übernahmen weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden abgelehnt (davon 25 wegen fehlender Prüfungserfahrung, unzureichender Qualifikation, zu geringen Lebensalters und fehlender Mobilität sowie drei wegen politischer Belastung; bei vier Verwaltungskräften fehlte ein Bedarf). Die Betroffenen der Zentrale wurden absprachegemäß von Gert Henneberg als ihrem damaligen Dienstvorgesetzten unterrichtet. Ferner fand am 15. September 1990 eine letzte Dienstbesprechung mit den Leitern der Außenstellen in den Bezirken statt. Dabei musste er auch hier die sich aus dem Einigungsvertrag ergebenden persönlichen Konsequenzen erläutern sowie den Haushaltsabschluss und die Eigentumsübergabe der Liegenschaften an das Bundesvermögen vorbereiten. Nach dem 3. Oktober 1990 wurden in den Außenstellen Abwicklungsstellen mit jeweils bis zu drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingerichtet. Zum damaligen Stand (3. Oktober 1990) waren die Angehörigen des Rechnungshofes der Republik bzw. der Staatlichen Finanzrevision (rund 1.600 Personen abzüglich Zentrale) bereits zu etwa 60 % (etwa 950 Personen) zu anderen Arbeitgebern abgewandert, z. B. zu Finanzämtern, kommunalen Rechnungsprüfungsämtern oder privaten Unternehmen (insbesondere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften). Etwa 130 Personen gingen in den Ruheoder Vorruhestand.

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Das Ende der DDR und die Wiedervereinigung unserer Staaten erlebten Gert Henneberg und ich gemeinsam beim Festakt am 2. Oktober 1990 im Schauspielhaus Berlin und in der Nacht darauf beim Zeremoniell vor dem Reichstag. VIII. Außenstelle des Bundesrechnungshofes in Berlin, Leipziger Straße 5–7 Mit Organisationserlass vom 2. Oktober 1990 ordnete ich als Präsident des Bundesrechnungshofes an: „Mit der Herstellung der Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 obliegt dem Bundesrechnungshof die Finanzkontrolle des Bundes auch auf dem Beitrittsgebiet. Entsprechendes gilt für die Aufgaben des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV). Gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Bundesrechnungshofgesetzes richte ich eine Außenstelle in Berlin, Leipziger Straße 5–7,33 ein. Der Rechnungshof der Republik ist mit Ablauf des 2. Oktober 1990 aufgelöst.“

Bereits am 2. Oktober 1990 hatten Angehörige der Arbeitsgruppe DDR des Bundesrechnungshofes unter Leitung von Direktor Gerhard Winkler die Arbeit in der Außenstelle aufgenommen. Dank der intensiven Kontakte des Bundesrechnungshofes mit der ehemaligen Staatlichen Finanzrevision ab Januar 1990 sowie dem gegenseitigen Kennenlernen bei den gemeinsamen Prüfungen, den Seminaren in Friedrichroda und ersten Personalgesprächen war es möglich geworden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ehemaligen Rechnungshofes der Republik schnell Klarheit zu verschaffen, ob ihr Dienstverhältnis mit dem Bundesrechnungshof fortgesetzt wird. So konnten am 4. Oktober 1990, dem ersten Werktag im wiedervereinigten Deutschland, zur ersten Personalversammlung in der neuen Außenstelle 90 neue Bedienstete eingeladen werden. Diese erhielten noch am selben Tag ihre Übernahmeverträge und wurden damit Angehörige des Bundesrechnungshofes, 70 für den Prüfungsdienst und 20 für den Inneren Dienst und die Verwaltung. Sehr bald begann die praktische Arbeit. Zum weiteren Ausbau wurde im November 1990 der Ministerialrat beim Bundesrechnungshof Franz Mittag aus der Zentrale mit der administrativen Leitung der Außenstelle und der Koordinierung der praktischen Fortbildung der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beauftragt. Die neuen Prüferinnen und Prüfer wurden organisatorisch fünf neuen Abteilungsreferaten mit Sitz in Berlin zugewiesen. 33 Ehemaliges Haus der Ministerien der DDR, Sitz des Finanzministeriums der DDR (mit der Staatlichen Finanzrevision, später Rechnungshof der DDR), später auch der Treuhandanstalt; heute Sitz des Bundesfinanzministeriums.

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Ende Mai des Folgejahres wurden die übernommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Wirkung ab 1. Juli 1991 entsprechend den tarifrechtlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland eingruppiert. Auch hier konnte sichergestellt werden, dass die neu berechneten Bezüge nach den Tätigkeitsmerkmalen des Bundesangestelltentarifvertrags zum ersten Zahlungstermin überwiesen werden konnten. Sehr bedauerlich war, dass nach einer Anfrage bei der Gauck-Behörde auch bei Angehörigen der ehemaligen Finanzrevision der DDR Belastungen festgestellt wurden. Bei etwa 15 Personen waren die Verstrickungen so groß, dass sich der Bundesrechnungshof nach intensiven Personalgesprächen im Juni und Juli 1991 von ihnen trennen musste. Über die berufliche Eingliederung gibt es aber auch Erfreuliches zu berichten. Am 17. März und 12. Juni 1992 hat der Bundesrechnungshof als eine der ersten obersten Bundesbehörden den nächsten und entscheidenden Schritt zur Gleichstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ehemaligen DDR mit seinen anderen Bediensteten getan: Von den übernommenen Angestellten wurden 33 Angestellte zu Beamten des gehobenen Dienstes auf Probe ernannt. Damit erfüllte der Bundesrechnungshof das Gebot des Einigungsvertrages, „die Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben so bald wie möglich Beamten zu übertragen“.34 Neben der im Einigungsvertrag grundsätzlich vorgesehenen Einstellung im Eingangsamt wurden aufgrund eines Beschlusses des Bundespersonalausschusses 15 Prüferinnen und Prüfer wegen der gezeigten Leistungen im ersten und zweiten Beförderungsamt des gehobenen Dienstes angestellt. Zu einem nicht unbeträchtlichen Teil schafften die neuen Beamtinnen und Beamten zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund guter dienstlicher Leistungen den Aufstieg in den höheren Dienst. Der Bundesrechnungshof darf mit Stolz auf die Leistungen bei der Zusammenführung der Finanzkontrolle Ost und West im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung zurückblicken. Das gilt sowohl für die Angehörigen des alten Bundesrechnungshofes wie für die Neuen aus den neuen Ländern. Ihnen allen gilt mein persönlicher Dank. Es hat mir Freude gemacht, an einige ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich persönlich besonders eingesetzt haben, auch namentlich zu erinnern.

34 Art. 20 Abs. 2 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl. II 1990 S. 889 (895).

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Anlage Das Zusammenwachsen der beiden deutschen Staaten auf dem Gebiet der Finanzkontrolle im chronologischen Abriss 11.01.1990

Erste fachliche Kontakte zwischen Bundesrechnungshof und Staatlicher Finanzrevision sowie Erarbeitung des Entwurfs einer Vereinbarung für die – gemeinsame – Prüfung des „Reisedevisenfonds“; Einvernehmen über Notwendigkeit des Aufbaus einer unabhängigen Finanzkontrolle in der DDR.

08.02.1990

Unterzeichnung der Prüfungsvereinbarung Reisedevisenfonds in Frankfurt / Main durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes und den Leiter der Finanzrevision der DDR Gert Henneberg sowie Einvernehmen über die Vorbereitung weiterer gemeinsamer Prüfungsaufgaben; Zusage der Unterstützung des Bundesrechnungshofes beim Aufbau eines Rechnungshofes der Republik, dessen Wirken auf drei bis vier Jahre prognostiziert wurde.

Februar / März 1990

Erste gemeinsame Erhebungen beim Reisedevisenfonds in Berlin (West) und der DDR.

10.04 / 11.04.1990

Informationsveranstaltung für leitende Mitarbeiter der Staatlichen Finanzrevision in Friedrichroda / Thüringen sowie – Unterzeichnung einer Prüfungsvereinbarung für die Prüfung der Leistungen des Bundes an Stellen in der DDR und – Erarbeitung des Entwurfs eines Rechnungshofgesetzes DDR.

14.05. / 15.05.1990

Gemeinsame Entwicklung eines Organisationsschemas für den Rechnungshof in der DDR (vier Prüfungsabteilungen, eine Verwaltungsabteilung, etwa 200 Bedienstete); Erarbeitung eines Konzepts für eine zentrale, dem Rechnungshof der DDR zugeordnete Vorprüfung mit etwa 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

15.06.1990

Volkskammer beschließt Gesetz über Rechnungshof der Republik.

26.06. / 27.06.1990

Erarbeitung eines neuen Organisationskonzepts wegen „beschleunigten“ Zusammenwachsens (zwei Prüfungsabteilungen und Verwaltung mit zusammen 120 bis 130 Bediensteten).

seit Anfang August 1990

Vorbereitung der Überführung von Personal des Rechnungshofes der Republik in den Bundesrechnungshof durch die neugeschaffene Arbeitsgruppe „DDR“ des Bundesrechnungshofes zum 3. Oktober 1990.

Die historische Entwicklung des parlamentarischen Budgetrechts Alice Trabant I. Einführung Artikel 110 Absatz 2 Satz 1 unseres Grundgesetzes klingt ziemlich spröde: „Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt.“

Haushaltsplan? Haushaltsgesetz? Rechnungsjahr? Das hört sich nach einschläfernder Rechnungslegung mit endlosen Zahlenreihen an. Die Regelung scheint also das gängige Vorurteil über Jura zu bestätigen: trocken. Doch weit gefehlt! Wie viel politischer Sprengstoff und welche verfassungsrechtliche Dimension sich hinter dieser Regelung verbirgt, zeigt ein Blick in die Geschichte. Denn die simpel anmutende Kernbotschaft, die Feststellung des Haushaltsplans durch Gesetz, bedeutet nicht weniger als das Fundament des parlamentarischen Budgetrechts. Hierbei handelt es sich um eine der bedeutsamsten Errungenschaften des parlamentarischen Regierungssystems, einen Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie. Heute mag es für uns selbstverständlich sein, dass unser durch Wahlen demokratisch legimitierter Gesetzgeber das Budget bzw. den Etat des Staates verbindlich beschließt, und nicht etwa die Regierung die von ihr veranschlagten, zum Regieren benötigten staatlichen Einnahmen und Ausgaben einfach selbst Jahr für Jahr bestimmt. Der Bundestag gibt vor, welche staatliche Stelle, beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, im künftigen Jahr wie viel Geld maximal ausgeben darf, für welche genauen Zwecke und in welcher Höhe. Wenn der Bundestag etwa den Bildungsetat erhöht und den Justizetat kürzt, setzt er bereits inhaltlich Prioritäten. Den anschließenden Haushaltsvollzug überprüft das Parlament – mit Hilfe des Bundesrechnungshofes – und entlastet sodann die Regierung. Das Budgetrecht dient dem Parlament der Sicherung von politischem Einfluss und Kontrolle der Regierungs- bzw. Verwaltungstätigkeit, welche vereinfacht formuliert im Geldausgeben besteht.

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Doch um dieses sogenannte „Königsrecht“ der Volksvertretung1 mussten die Parlamentarier lange erbittert kämpfen und es im wahrsten Sinne des Wortes dem König abtrotzen. Hintergrund ist die altbekannte Weisheit: Wer das Geld hat, hat die Macht. Anders gewendet: Wer die Verfügungsmacht über die staatlichen Finanzen besitzt, hat die politische Macht über die Staatsaktivitäten inne2 und demzufolge über den Staat. Im geschichtlichen Budgetkampf zwischen Exekutive und Legislative spiegelt sich insofern eindrücklich ein Verfassungskampf der Gewalten wider. In einem Schnelldurchlauf durch die Geschichte werden wir vier Stationen entsprechend vier verschiedener Verfassungssysteme durchlaufen. Dabei werden wir sehen, wie stark das Budgetrecht von dem verfassungsrechtlichen Kontext abhängt, in den es eingebettet ist. Dieser historische Ausflug vergegenwärtigt uns nicht nur die sich wandelnde Bedeutung des Budgetrechts, sondern trägt auch zu einem tiefgreifenden Verständnis des heutigen Haushaltsrechts insgesamt bei. Viele der berühmten Haushaltsgrundsätze, die das Budgetrecht flankieren, sind keine neue Erfindung des Grundgesetzgebers, sondern mehr als hundert Jahre alt. Mit unserem Wissen aus der Vergangenheit, wie das parlamentarische Budgetrecht entstanden ist und warum andere Modelle sich nicht durchsetzen konnten, können wir auch aktuelle Diskussionen z. B. um die Staatsverschuldung und Reformbestrebungen besser einschätzen und kritisch hinterfragen. Nicht zuletzt liefert ein kleiner Geschichtskurs aber auch die eine oder andere Überraschung und Kuriosität, die zum Schmunzeln einlädt. In diesem Sinne: II. Station I: die Prinzessinnensteuer Wer angesichts der zahlreichen Spuren, welche die Römer und Griechen hinterlassen haben – man denke nur an den Grundsatz „in dubio pro reo“, den Satz des Pythagoras oder die Olympischen Spiele –, geglaubt hat, auch die Anfänge des Budgetrechts lägen in der Antike, der liegt gründlich daneben. Vorgänger unseres modernen Haushaltsrechts finden wir überraschenderweise erst im Spätmittelalter, im ständestaatlichen System des 15. bis 17. Jahrhunderts.3 In jener Zeit lag die Rechtsetzungsbefugnis ausschließlich beim fürstlichen Landesherrn.4 Dieser war für sein Territorium und dessen Verwaltung 1 Abgerufen unter: www.haushaltssteuerung.de (Navigation: „Lexikon“, Stichwort: „Budgetrecht“). 2 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Loseblatt Stand: Juni 2012, Neuwied, II. Vorbemerkung BHO Rn. 19. 3 Zu den möglichen Ursachen, warum dies erst so spät geschah, siehe Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, Göttingen 1976, S. 38 ff. 4 Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan im Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Regierung, Bad Homburg 1968, S. 24.

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zuständig; Kehrseite seiner Pflicht, die Kosten seiner Landesverwaltung tragen zu müssen, war sein Recht, selbst darüber entscheiden zu dürfen, wie er sein Geld aus eigenen Einkünften verwendet, das er z. B. aus fürstlichen Kammergütern oder anerkannten Abgaben von Grundbesitzern erzielte.5 Doch als sich einerseits die Verwaltungsaufgaben angesichts gestiegener Bedürfnisse und Ansprüche vermehrten, andererseits aber alles Geld ausgegeben war, war der Landesherr, frei formuliert, gezwungen, bei den Ständen betteln zu gehen. Er erläuterte ihnen, für welche besonderen Zwecke er extra Geld brauchte. Wenn sie es für sinnvoll erachteten, bewilligten die Ständevertretungen seine Bitte, früher Bede genannt, heute unter dem Wort Steuer bekannt.6 Dieses Steuerbewilligungsrecht korrespondierte wegen der konkreten Zweckbestimmung mit einem Ausgabenbewilligungsrecht. Einer zweckwidrigen Steuerverwendung durch den Landesherrn, die durchaus vorkam,7 traten die Stände dadurch entgegen, dass sie dazu übergingen, die Steuern selbst von den Steuerzahlern einzuziehen und eine eigene Steuerverwaltung neben der fürstlichen Kammerverwaltung aufzubauen.8 Durch die finanzielle Mitbestimmung war folglich zunächst ein gewisser Machtgewinn der Stände zu verzeichnen. Das änderte sich allerdings, als gewisse wiederkehrende Steuern durch wiederkehrende Bewilligungen im Laufe der Zeit als gewohnheitsrechtlich anerkannt galten.9 Dazu zählte die „Prinzessinnensteuer“, d. h. die Abgabe der Untertanen anlässlich der Hochzeit der Fürstentochter zur Finanzierung der vom Fürsten zu zahlenden Mitgift.10 Da eine Ablehnung der Bewilligung durch die Stände nunmehr ausgeschlossen war, verloren sie ihr finanzielles Druckmittel.11 5 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht als Kampf um die staatliche Steuerungsherrschaft – Zur Entwicklung des modernen Haushaltsrechts, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Effizienz als Herausforderung an das Verwaltungsrecht, Baden-Baden 1998, S. 71; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan (Fn. 4), S. 28 f.; Werner Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung: Das Haushaltsrecht im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes, Baden-Baden 1989, S. 38 f. 6 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 71. 7 Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan (Fn. 4), S. 30; Werner Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung (Fn. 5), S. 43 f.; Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 51. 8 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 72; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan (Fn. 4), S. 31. 9 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 71. 10 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 49 Fn. 42. 11 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 71.

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Das ursprüngliche Steuerbewilligungsrecht der Stände wandelte sich in ein bloßes Steuerverteilungsrecht.12 Das unkoordinierte, unwirtschaftliche Nebeneinander zweier Steuerverwaltungen, die jeweils ihre eigenen Interessen verfolgten, trug zum stetigen Machtverlust der Stände genauso bei wie die Gewährung sogenannter pauschaler Kammerhilfen, mit denen der Landesherr seinen kontinuierlich steigenden allgemeinen Finanzbedarf deckte. Mangels einer Zweckbindung der Kammerhilfen war dadurch auch eine Kontrolle der Ausgaben unmöglich geworden. Der Landesherr hatte sich seine finanzielle Unabhängigkeit und Macht zurückerobert.13 Wer im ständischen Steuerbewilligungsrecht nach Gemeinsamkeiten zum heutigen Budgetrecht sucht, findet sie in der Erkenntnis, dass erstens die Steuererhebung der Zustimmung einer Vertretung der Steuerzahler bedarf und dass zweitens zur Eindämmung einer Missbrauchsgefahr eine Kontrolle der Steuerverwendung notwendig ist.14 Drittens erkennt man in der genauen Zweckbestimmung der Ein- und Ausgaben den Ursprung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der sachlichen Bindung. Demzufolge ist die Exekutive beim Haushaltsvollzug an den zuvor von der Legislative festgelegten Zweck gebunden.15 Ein maßgeblicher Unterschied liegt jedoch in der Zielrichtung des Steuerbewilligungsrechts: Die Stände wollten im Sinne eines negativen Abwehrrechts den Schutz vor allzu hoher Steuerbelastung erreichen,16 eine politische Einflussnahme war nicht bezweckt.17 Das moderne Parlament nimmt demgegenüber mit seinem Budgetrecht ein aktives Gestaltungsrecht wahr.18 III. Station II: das Staatsgeheimnis Nummer 1 „L’État c’est moi! – Der Staat bin ich!“ Willkommen im Zeitalter des Absolutismus! Wer hier – natürlich gottgegeben – das Steuererhebungs- und Steuerverwendungsrecht in den Händen hielt, bedarf keiner näheren Erläuterung. Bemerkenswert ist aber, dass die absoluten Monarchen die hohe Bedeutung der Staatsfinanzen als Mittel zur Ausübung von Macht erkannten. Um ihre alleinige Herrschaft zu festigen und auszubauen, war es unerlässlich, 12

Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 49. Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 58 ff. 14 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 63 f. 15 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 34. 16 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 72 Fn. 67; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan (Fn. 4), S. 32. 17 Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan (Fn. 4), S. 32. 18 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 72 Fn. 67. 13

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ihre finanzielle Unabhängigkeit zu wahren. Da die Ausgaben kontinuierlich stiegen – prunkvolle Barockschlösser (zu bewundern beispielsweise in Mannheim) und das kostspielige höfische Leben mussten finanziert werden –, ließen die Herrscher zur Ordnung und Kontrolle ihrer Finanzen erstmals Voranschläge ihrer Einnahmen und Ausgaben erstellen.19 Damit gingen sie als die Ersten in die Geschichte ein, die aus ökonomischer Klugheit einen Staatsetat errichteten.20 In Preußen war es im Jahre 1689 so weit. Großer Fan eines Haushaltsplans war vor allem Friedrich Wilhelm I., der 1714 zur Überprüfung seiner Behörden die Generalrechenkammer als von der Verwaltung unabhängiges kollegiales Prüfungsorgan ins Leben rief und sozusagen den ersten Bundesrechnungshof gründete.21 Der Staatsetat diente jedoch einem völlig anderen Zweck als heute. Da der Monarch als absoluter Herrscher ihn einfach selbst aufstellte und – mangels Existenz einer Volksvertretung – von niemandem genehmigen lassen musste, war er an den Etat selbstverständlich nicht gebunden.22 Der Etat war kein vom Herrscher erlassenes und verkündetes Gesetz, sondern vielmehr ein streng geheimes Dokument.23 Denn es diente dem Monarchen zur internen Rechnungslegung und zur Kontrolle seiner Verwaltung und Behörden; mithilfe des Etats führte der Monarch Buch für den Betrieb Staat.24 Wie die Staatsfinanzen aussahen, durfte nur eine Handvoll Beamter wissen, die besonderes Vertrauen des Monarchen genossen.25 Und so wurde der Staatsetat wie das Staatsgeheimnis Nummer 1 behütet.26 IV. Station III: Periculam in mora. Dépêchez-vous! Wie das Parlament in der nächsten Epoche, in der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts, dem Monarchen Schritt für Schritt seine Budgethoheit abrang und sich mehr Mitsprache und Macht erkämpfte, soll 19

Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 65. Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments zwischen Schein und Sein, JZ 2005, S. 971. 21 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 68; Sonia Strube, Die Geschichte des Haushaltsrechts, Berlin 2002, S. 57. 22 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 77; Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 971; Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 75. 23 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 75 f. 24 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 77. 25 Sonia Strube, Die Geschichte des Haushaltsrechts (Fn. 21), S. 58. 26 Reinhard Mußgnug, Der Haushaltsplan (Fn. 3), S. 76. 20

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am Beispiel Preußens ein fiktives Interview mit Otto von Bismarck veranschaulichen:27 Sehr geehrter Herr Reichskanzler, vor gut 150 Jahren schlug in Preußen die Geburtsstunde des parlamentarischen Budgetrechts. Vielen Dank, dass Sie heute als Zeitzeuge über diesen für die Demokratie so wichtigen Entwicklungsschritt sprechen. von Bismarck: Nun ja. Da muss ich gleich einhaken. Denn das war zu meiner Zeit gerade die entscheidende Frage, ob das Parlament wirklich ein solches Budgetrecht besaß. Und da sage ich ganz klar: Nein. Aber Artikel 99 der Preußischen Verfassung von 1850 klingt doch ganz ähnlich wie unser Grundgesetz. So heißt es: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch Gesetz festgestellt.“ Der Staatshaushalt musste damals wie heute per Gesetz beschlossen werden. Die Julirevolution von 1830 und die Märzrevolution von 1848 waren also erfolgreich. Aber meine Liebe, Sie dürfen das Ganze nicht durch Ihre rosa-rote Demokratiebrille sehen. Sie vergessen den wesentlichen Unterschied zwischen dem heutigen und dem damaligen Verfassungssystem und Staatsverständnis. Schauen Sie doch mal in Artikel 62 der Preußischen Verfassung. Dort steht: „Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt.“ Sodann heißt es weiter: „Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.“ Während heute das Parlament allein das Gesetzgebungsrecht ausübt und demzufolge die Entscheidungsmacht über Gesetze einschließlich des Haushaltsgesetzes innehat, wurden früher in der konstitutionellen Monarchie Gesetze gemeinsam vom König und den beiden Kammern des Parlaments, dem Abgeordnetenhaus und dem Herrenhaus, beschlossen. Heißt das, dass das Parlament gar kein Alleinentscheidungsrecht, sondern allenfalls ein Mitentscheidungsrecht bei der Gesetzgebung und in der Budgetfrage hatte? Aber setzt dieser Dualismus von Monarch und Volksvertretung demzufolge nicht stets eine Einigung zwischen beiden voraus? Dann 27 Als Quellen dienen: Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 61 ff., 82 ff.; Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan (Fn. 4), S. 228 ff.; Eberhard Kolb, Bismarck, München 2009, S. 54 ff.; Sonia Strube, Die Geschichte des Haushaltsrechts (Fn. 21), S. 72 ff., 112 ff.; Recherchen aus dem Internet: www. wikipedia.de (Stichworte: Bismarck, Preußischer Verfassungskonflikt); www.dhm.de (Navigation: „LeMo“, „Lebendiges Museum Online“, „Kaiserreich“, „Das Reich“, „Reichsverfassung“); www.uni-leipzig.de (Suchbegriff: „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“); www.verfassungen.de (Navigation: „Verfassungen Deutschlands“, „Verfassungen Preußens“, „Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850“).

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stellt sich mir die Folgefrage, was denn geschieht, wenn auch nach zähen Verhandlungen einfach keine Übereinstimmung zustande kommt? Das auf einen Zwang zum Konsens angelegte System der konstitutionellen Monarchie haben Sie richtig verstanden. Das überrascht Sie vielleicht, aber in der Praxis hat dieses Modell eigentlich recht gut funktioniert, und es wurde stets ein Kompromiss gefunden. Einen Ausnahmefall gab es allerdings und da wären wir bei Ihrer letzten Frage angelangt. Ich beantworte sie am besten am Beispiel des Streits um die Heeresreform, der in einen grundsätzlichen Konflikt um die Budgethoheit umschlug und in einem Verfassungs- und Machtkampf eskalierte. Worum genau ging es bei der Heeresreform? Es ging um die Zukunftssicherung Preußens! Die Armee musste hierfür dringend reformiert werden. Der König Wilhelm I., genau genommen mein geschätzter Kollege, General von Roon, seinerzeit Kriegsminister, hatte einen genialen Plan, der aus drei Eckpunkten bestand. Erstens wollte er das Heer vergrößern. Warum? War das Heer mit einer Friedenspräsenzstärke von 150.000 Mann nicht groß genug? Nein, ganz und gar nicht. Im Vergleich mit anderen Großmächten hinkte Preußen inzwischen hinterher und drohte, an Macht und Einfluss zu verlieren. Denn während die Bevölkerung von 11 auf 18 Millionen angewachsen war, blieb die Heeresstärke seit 1815 unverändert. Das führte zudem zu einer enormen Wehrungerechtigkeit, da nur zwei Neuntel der Rekruten, also nicht einmal ein Drittel, tatsächlich eingezogen wurden. Was waren der zweite und dritte Punkt der Reform? Die Streitkräfte mussten unbedingt umstrukturiert werden: mehr Linieninfanterie-Regimenter, weniger Landwehr-Regimenter. Denn der König brauchte für den Kriegsfall ein schlagkräftigeres stehendes Heer mit treuen Soldaten. Die 1813 gegründete Landwehr war schlichtweg nicht mehr zeitgemäß. Zudem musste die aktive Dienstzeit von drei Jahren beibehalten werden, um eine bessere Ausbildung der Truppen zu gewährleisten. Ging es dem König nicht in Wahrheit darum, durch eine langjährige Bindung der Soldaten einen Korpsgeist zu erzeugen und so die Treue zum König sicherzustellen, das bedeutet, die Soldaten gegen das aufgekommene liberale Gedankengut zu immunisieren? Das würde auch erklären, warum der König gerade die Landwehr, die sich als bürgerliches Heer und Rückgrat der preußischen Streitkräfte verstand, schwächen wollte. Das ist Ihre Interpretation – und die der Parlamentarier. Als der Gesetzesentwurf 1860 in das Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, beharrten

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diese Sturköpfe auf einer zweijährigen Dienstzeit und Beibehaltung der Landwehr. Sie nutzten, ich würde sogar sagen missbrauchten, ihr Mitwirkungsrecht beim Haushalt, indem sie sich weigerten, den Militäretat und die für die Reformen notwendigen Ausgaben zu bewilligen. Erst nach langwierigen Debatten gab es einen vorübergehenden Kompromiss, wonach das Parlament für die Haushaltsjahre 1860 / 61 und 1861 / 62 lediglich provisorisch Gelder für die Vergrößerung des Heeres bewilligte. Wann und wie kam es zu einer endgültigen Beilegung des Konflikts? Welche Seite hat in den beiden anderen Streitfragen schließlich nachgegeben? Das war das Problem. Niemand hat nachgegeben, aber das war ja auch nicht die Aufgabe des Königs als Souverän. Nach den Neuwahlen Ende 1861 wurden diese Parlamentarier immer aufmüpfiger und knüpften ihre Zustimmung zum gesamten Haushalt 1862 / 63, d. h. nicht bloß zu den reformbedingten militärischen Ausgaben, an die Erfüllung ihrer Forderungen. Ich sage Ihnen, dem Abgeordnetenhaus ging es gar nicht mehr um die Sache. Sondern? Um mehr Macht. Durch ihre Haushaltsblockade wollten die Parlamentarier ein von Verfassungs wegen nicht vorgesehenes alleiniges Budgetrecht durchsetzen und auf diese Weise der Krone ihren Herrschaftsanspruch demonstrierten. Als wenn sie nicht schon genug Rechte hatten! Wie reagierte der König auf dieses neue Selbstbewusstsein des Abgeordnetenhauses? Er löste es auf. Als diese illoyalen neu gewählten Abgeordneten ihre Zustimmung zum Haushalt weiterhin verweigerten, wollte der arme König sogar schon das Handtuch schmeißen und abdanken. Aber das habe ich dann ja zum Glück verhindert. Wie kam es dazu? Der werte General von Roon rief mich mit den Worten: „Periculum in mora. Dépêchez-vous!“, das bedeutet „Gefahr im Verzug. Beeilen Sie sich!“, zu Hilfe. Ich habe dem König versprochen, ihm in Not und Gefahr mit Rat und Hilfe beizustehen. Ich habe seine Majestät davon überzeugt, dass er zum Wohle Preußens weiter regieren muss – ob mit oder ohne Budget. Der König ernannte mich im September 1862 zum Ministerpräsidenten, kurz darauf auch zum Außenminister. Nachdem das Abgeordnetenhaus alle beantragten Ausgaben gestrichen hatte und der Staatshaushalt endgültig gescheitert war, leitete ich die notwendigen Schritte zur Rettung Preußens ein. Ich proklamierte das budgetlose Regiment und verwirklichte sodann die Heeresreform.

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Moment mal. Haben Sie dadurch nicht selbst gegen die Verfassung verstoßen, indem Sie ohne eine gesetzliche Grundlage Ausgaben zur Umsetzung der Heeresreform getätigt haben? Keineswegs. Diesen Vorwurf verbitte ich mir! Wie Sie vorhin messerscharf erkannt haben, enthält die Verfassung gar keine Regelung, welche der drei Gewalten letzten Endes nachgeben muss, wenn eine Vereinbarung zwischen König, Abgeordnetenhaus und Herrenhaus nicht erzielt wird. Diese vorhandene Lücke ist dadurch zu schließen, dass der König die erforderliche Entscheidung trifft. Können Sie das bitte näher erläutern? Warum der König und nicht das Parlament? Das gebietet das in der Verfassung niedergelegte monarchische Prinzip. Der König ist der Monarch. Der König ist der Souverän. Alle Staatsgewalt geht von ihm aus. Aber der Absolutismus wurde doch längst überwunden, auch in Preußen. Zwar ist richtig, dass es – anders als heute – noch nicht hieß: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Aber die Grundidee der konstitutionellen Monarchie ist, dass der Monarch zwar Träger der Staatsgewalt ist, aber bei der Ausübung bestimmter Rechte auf die Mitwirkung des Parlaments angewiesen ist. Die Mitentscheidungsrechte der Volksvertretung bei der Gesetzgebung dürfen daher nicht unterlaufen werden. Demzufolge darf der Monarch gerade nicht mehr allein entscheiden und sich eigenmächtig über den Willen der Volksvertretung hinwegsetzen. Vielmehr muss der Monarch an das Volk appellieren und darf das Parlament zum Zwecke von Neuwahlen auflösen. Aber das hatte der König doch bereits mehrfach getan. Auch die Neuwahlen haben nicht zu einer Einigung geführt. Soll er etwa zwölf Mal hintereinander das Parlament auflösen und solange Däumchen drehen? Nein. Dieser Konflikt ist in einen Machtkampf ausgeartet. Wer die Macht in Händen hält, geht dann in diesem Sinne vor, weil das Staatsleben auch nicht einen Augenblick stillstehen kann! Bedenken Sie, es herrschten exzeptionelle Zustände, in die uns das Parlament schuldhaft hineinmanövriert hat. In dieser Notstandssituation hat die königliche Regierung, welche die Staatsgeschicke lenkt, ein Budgetnotstandsrecht. Wäre es nicht Aufgabe einer neutralen rechtsprechenden Instanz gewesen, diesen Verfassungsstreit zwischen Verfassungsorganen zu entscheiden? Tja, eine Art Bundesverfassungsgericht gab es früher nicht. Stimmt, auch das ist ja erst eine Errungenschaft der Demokratie. Wie und wie lange haben Sie als Regierungsvertreter ohne Budget regiert? Wo ka-

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men die staatlichen Gelder her, wenn es an einem gesetzlichen Budgetbeschluss fehlte? Bis 1866. Der Einnahmefluss war gesichert, weil das preußische Parlament kein periodisches, d. h. stets wiederkehrendes, Steuerbewilligungsrecht hatte. Denn nach Artikel 109 der Preußischen Verfassung wurden bestehende Steuern und Abgaben bis zu einer Gesetzesänderung forterhoben. Dem Parlament stand daher lediglich eine Mitentscheidungsbefugnis auf der Ausgabenseite zu. Protestierte das Parlament oder die Bevölkerung nicht lautstark gegen diese Staatspraxis, die sich nicht bloß vorübergehend, sondern immerhin vier Jahre lang auf ein umstrittenes Notstandsrecht stützte? Doch, aber all die Proteste der liberalen Parlamentarier verhallten letztlich im Winde. Denn das Volk selbst interessierte sich nicht besonders für den Streit, zumal die Steuern und Abgaben ganz eindeutig rechtmäßig erhoben wurden. Wissen Sie, es gab damals weit Wichtigeres zu tun. Die Außenpolitik, nicht die Innenpolitik bestimmte das tägliche Leben. Bedeutsame Schlachten waren zu führen und zu gewinnen! 1864 siegten Preußen und Österreich im Krieg gegen Dänemark. 1866 besiegte Preußen dann Österreich im Deutschen Krieg. Dadurch habe ich die Basis für die Gründung eines Nationalstaates im Sinne der kleindeutschen Lösung geschaffen. Haben Ihre außenpolitischen Erfolge, mit denen Sie die politische Vorherrschaft Preußens unter den deutschen Ländern sicherten, zum Ende des Preußischen Verfassungskonflikts im Jahre 1866 geführt? Um ehrlich zu sein, ja. Das war Teil meines Masterplans. Ich habe die Gunst der Stunde genutzt und die Parlamentarier bezüglich des budgetlosen Regiments um Indemnität gebeten. Mit Beschluss des Indemnitätsgesetzes wurde dieser lästige Konflikt endlich beigelegt. Der Regierung wurde für die letzten Haushaltsjahre nachträglich Indemnität erteilt, d. h., sie wurde hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeit so behandelt, als wenn die Verwaltung in dieser Zeit auf Grund eines gesetzlich festgestellten und rechtzeitig veröffentlichten Staatshaushalts-Etats geführt worden wäre. Da Sie durch diese nachträgliche Genehmigung im Ergebnis ein parlamentarisches Budgetbewilligungsrecht anerkennen, hat das Parlament den Kampf um das Budgetrecht also gewonnen. Warum erfolgte Ihr Politikwechsel, Ihr faktisches Schuldeingeständnis, so spät? Das würde ich so nicht sagen. Erstens hätte ein echter Sieg des Parlaments vorausgesetzt, dass die Regierung dem Parlament in der Zukunft verantwortlich gewesen wäre. Das war jedoch weiterhin nicht der Fall. Zweitens habe ich schlichtweg um des Friedens willen die Initiative zur

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Beendigung des Verfassungskonflikts in die Hand genommen. Meines Erachtens wurde durch das Indemnitätsgesetz vielmehr die Rechtmäßigkeit von Notstandsausgaben durch die Regierung anerkannt. Letztlich wurde bestätigt, dass ich in diesem Ausnahmezustand pflichtgemäß und nach bestem Gewissen gehandelt habe. Meine Politik war alternativlos! Ich sehe schon, die entscheidenden Fragen sind offengeblieben. Der vierjährige Budgetkonflikt hat jedenfalls eindrücklich ans Licht gebracht, dass das dualistische Verfassungssystem der konstitutionellen Monarchie bei anhaltendem Dissens zwischen Krone und Parlament an seine Grenzen gestoßen ist. Wenn ich laut konsequent zu Ende denke, ist das Budgetbewilligungsrecht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schlichtweg nicht teilbar, sondern es muss einer Gewalt allein zustehen, um dauerhaft Rechtsfrieden und die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staates zu gewährleisten. Änderte sich die verfassungsrechtliche Situation nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871? Ja. Die Verfassung des Deutschen Reiches ist ein Meisterstück, eine Kombination aus Tradition und Moderne. Sie baute auf der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 und diese wiederum auf der Preußischen Verfassung von 1850 auf. Insofern wird Ihnen Artikel 69 bekannt vorkommen, der lautete: „Alle Einnahmen und Ausgaben des Reiches müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.“ Was ist daran modern? In der Budgetfrage hatte sich demnach rein gar nichts geändert. Immer langsam mit den jungen Pferden! Ich war noch nicht fertig. Erstens dürfen Sie den kleinen Zusatz „vor Beginn des Etatjahres“ nicht überlesen. Dadurch wurde der sogenannte Grundsatz der Vorherigkeit deutlich verankert. Demnach durfte die Regierung Staatsausgaben ohne vorheriges Haushaltsgesetz bedauerlicherweise nicht mehr tätigen. Zweitens gab es nicht unerhebliche Änderungen auf der Einnahmeseite. Wegen der föderalen Verfassungsstruktur und des restriktiven Steuererhebungsrechts des Reiches hatte das Parlament faktisch ein periodisches Einnahmebewilligungsrecht, da die von den Einzelstaaten einzuziehenden Beiträge von der jährlichen Budgetbewilligung auf Reichsebene abhängig waren. Drittens, und das war seinerzeit höchst modern, stand das Gesetzgebungsrecht nicht mehr der Krone und dem Parlament gemeinschaftlich zu. Gemäß Artikel 5 beschlossen der Reichstag und der Bundesrat die Reichsgesetze, mithin auch das Haushaltsgesetz. Die Krone verkündete die Gesetze nur noch, d. h., sie hatte kein Mitentscheidungs- bzw. Vetorecht mehr, so dass das Konfliktpotential deutlich entschärft wurde.

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Das Parlament war nun also alleiniger Träger des Budgetbewilligungsrechts? Ja, zumindest rechtlich lag die Budgetgewalt beim Parlament, wenn auch das Parlament seinerseits Einigkeit beim Budget, nämlich zwischen Reichstag und Bundesrat, erzielen musste und der Regierung genau wie heute das Budgetinitiativrecht zustand. War das der Hebel des Parlaments, um den Wechsel zu einem echten parlamentarischen Regierungssystem zu vollziehen? Theoretisch ja. Ich habe leider nicht verhindern können, dass sich der Reichstag zusehends mehr Einfluss auf die Regierungspolitik erstritt. Mit meinem Vorschlag einer dreijährigen Haushaltsperiode konnte ich mich ärgerlicherweise wieder nicht gegen die Parlamentarier durchsetzen. Durch den stattdessen beibehaltenen Grundsatz der Jährlichkeit des Haushalts ist eine zunehmende Spezialisierung eingetreten. Je spezieller aber die Haushaltstitel sind, desto geringer ist der Gestaltungsspielraum der Regierung. Die einzelnen Voranschläge der Regierung wurden noch dazu detailliert durch die Budgetkommission, eine Vorgängerin des Haushaltsausschusses, geprüft, bewertet und korrigiert. Zugleich nutzte der Reichstag die jährlichen Haushaltsberatungen immer stärker für eine Generalkritik an der Regierung. Dennoch nutzte der Reichstag das über das Budgetrecht vorhandene Potential für einen Systemwechsel nicht, da es hierfür nicht den politischen Willen und keine starke Mehrheit gab. Und schließlich war der Reichstag weiterhin von der Krone abhängig und nicht umgekehrt, da der Kaiser ihn mit Zustimmung des Bundesrates auflösen konnte. Den Wandel zur Demokratie und den damit einhergehenden Bedeutungswechsel des Budgetrechts habe ich persönlich ja dann nicht mehr miterlebt. Vielen Dank für das Interview, Herr Reichskanzler. Ich habe nun verstanden, dass ein vollumfängliches, alleiniges Budgetrecht des Parlaments zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für ein parlamentarisches Regierungssystem ist. V. Station IV: der wahre Inhaber des Budgetrechts Erst mit dem Eintritt in das parlamentarische Regierungssystem ist der letzte Schritt zum endgültigen Sieg des parlamentarischen Budgetbewilligungsrechts vollzogen worden.28 Wir sind in der Weimarer Republik und – unter Auslassung des Dritten Reichs, in dem es kein parlamentarisches Budgetrecht gab – in der Bundesrepublik Deutschland angekommen. 28

Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 87.

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Rein äußerlich betrachtet weichen Artikel 85 der Weimarer Reichsverfassung von 191929 und der fast identische Artikel 110 Absatz 2 des Grundgesetzes kaum von Artikel 69 der Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 ab. Doch die Zeichen der Zeit haben sich geändert und der verfassungsrechtliche Zusammenhang ist ein grundverschiedener:30 Das Haushaltsgesetz wird weder von drei Gewalten wie nach der Preußischen Verfassung (König, Abgeordnetenhaus, Herrenhaus) noch von zwei Organen wie nach der Verfassung des Deutschen Reichs (Reichstag und Bundesrat), sondern allein von dem unmittelbar demokratisch legitimierten Reichstag bzw. Bundestag beschlossen. Der Reichsrat bzw. der Bundesrat hat nur noch ein Einspruchsrecht. Die Regierung bzw. der Kanzler ist vom Vertrauen des Reichstages bzw. des Bundestages abhängig.31 Einen Kaiser oder König gibt es nicht mehr. Auch ein Zwang zum Konsens zwischen Exekutive und Legislative besteht nicht mehr. Abstrakter gesprochen: Nicht mehr der Monarch, sondern ausschließlich das Volk ist Träger aller Staatsgewalt. Die politische Willensbildung geschieht von unten nach oben und nicht mehr umgekehrt. Das Volk bestimmt die Politik durch die von ihm gewählten Volksvertreter. Das Volk bestimmt notwendigerweise das zur Durchführung der Politik erforderliche Budget (Steuerung); und das Volk überprüft, ob die Regierung seine Beschlüsse ordnungsgemäß ausgeführt hat (Kontrolle). Hat das parlamentarische Budgetrecht durch die Entscheidung für das verfassungsrechtliche Modell der parlamentarischen Demokratie nun endlich die hohe Bedeutung entfalten können, welche die Parlamentarier der konstitutionellen Monarchie ihm stets beigemessen haben? Ist es heute der entscheidende politische Machtfaktor? Die Antwort mag verblüffen. Sie lautet nein. Früher war das parlamentarische Budgetrecht, genauer gesagt der Kampf darum, die wahrscheinlich stärkste Waffe der Parlamentarier im Kampf um die Vorherrschaft und Macht zwischen Exekutive und Legislative. Doch in dem Moment, in dem die Parlamentarier ihr Ziel erreicht haben und sie den Kampf der Gewalten 29 „Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingestellt werden. Der Haushaltsplan wird vor Beginn des Rechnungsjahres durch ein Gesetz festgestellt.“ Abgerufen unter: www.documentarchiv.de (Navigation: „Weimarer Republik“, „Verfassung des Deutschen Reichs [„Weimarer Reichsverfassung“] vom 11.08.1919“). 30 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 20; Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 88; Werner Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung (Fn. 5), S. 83. 31 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 88.

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im Sinne der traditionellen Gewaltenteilungslehre gewonnen und sowohl das ausschließliche Gesetzgebungsrecht als auch das Budgetbewilligungsrecht erobert haben, hat das Budgetrecht selbst an Bedeutung für das Parlament eingebüßt.32 Warum? Im parlamentarischen Regierungssystem kann das Parlament durch sein Gesetzgebungsrecht die politischen Sachentscheidungen durch den Erlass entsprechender Gesetze selbst treffen.33 Als der Bundestag beispielsweise per (Sach-)Gesetz die Einführung eines Betreuungsgeldes zugunsten von Elternteilen, die ihre Kleinkinder zuhause erziehen, beschloss, legte er zugleich die Höhe des Betreuungsgeldes fest. Diese umstrittene Entscheidung, welche auch die Bereitstellung staatlicher Mittel erfordert, wurde also nicht erst im Rahmen der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes getroffen. Das Haushaltsgesetz wird folglich durch das Sachgesetz relativiert.34 Darüber hinaus kann das Parlament die politischen Personalentscheidungen selbst treffen, da es den Kanzler wählen und auch abwählen kann.35 Diese sachliche und personelle Abhängigkeit der Regierung vom Parlament hat das Budgetrecht aus seiner bedeutsamen Funktion als entscheidendes politisches Mittel des Machtkampfes zwischen Regierung und Parlament entlassen.36 Trotz dieses Bedeutungsverlustes kommt dem Budgetrecht aber weiterhin eine ganz „zentrale Bedeutung“37 für die Demokratie zu. Insofern dürfen seine heutigen Funktionen nicht unterschätzt werden: Steuerung und Kontrolle der Regierung. Daher ist der Ausdruck Bedeutungswandel passender. Die theoretischen Grundlagen sind gelegt. Aber wie steuert und kontrolliert das Parlament die Regierung durch das Haushaltsgesetz? Anders gefragt: Wie übt das Parlament sein Budgetbewilligungsrecht in der Praxis aus? Doch aufgepasst, die Fragen sind etwas tückisch. Denn „das“ Parlament im historischen Sinne, das der Regierung mehr oder weniger geschlossen als Gegenpol entgegentritt, gibt es – systembedingt – so nicht mehr.38 Denn in einem parlamentarischen Regierungssystem ist die politische Spaltung vielmehr im Parlament selbst zu finden, nämlich in Regierungs- und Oppo32

Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 88. Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 89. 34 Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 976. 35 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 89. 36 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 88 f.; Werner Heun, Staatshaushalt und Staatsleitung (Fn. 5), S. 79 Fn. 250, S. 83. 37 So explizit der Bayerische Verfassungsgerichtshof, BayVerfGHE 47, 276 (304). 38 So auch Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 20. 33

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sitionsfraktionen.39 Die Mehrheitsfraktion im Bundestag trägt die Regierung und ist mit ihr in politischer Hinsicht eng verknüpft.40 Man könnte gar von einer partei- und koalitionspolitischen Synchronisation von Parlamentsmehrheit und Regierung sprechen.41 Die Rolle der Opposition, sprich des politischen Gegenspielers, nimmt die Minderheitsfraktion im Parlament wahr.42 Die Kritik an der Regierung erfolgt nicht mehr durch das Parlament als solches, sondern durch die Parlamentsminderheit.43 Aus dieser innerparlamentarischen Spaltung ergibt sich quasi von selbst, wer das Steuerungsrecht und wer das Kontrollrecht ausübt: Die Mehrheitsfraktion steuert, die Minderheitsfraktion kontrolliert die Regierung.44 Das darf nicht vergessen werden – trotz aller konstruktiven und fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit, die im Haushaltsausschuss viel stärker als in anderen parlamentarischen Ausschüssen ausgeprägt ist, da er als ein sehr sachbetont arbeitendes finanzielles Kontrollgremium gilt.45 Vor diesem Hintergrund sind die Rechte eines jeden Parlamentariers zu sehen, die ihm im Haushaltsgesetzgebungsverfahren zustehen: das Rederecht, das Informationsrecht, das Antragsrecht, das Klagerecht. Seine Bedeutung ist davon abhängig, ob der Bundestagsabgeordnete der regierenden Mehrheitsfraktion oder der oppositionellen Minderheitsfraktion angehört.46 Im Einzelnen: Wie bei jedem anderen Gesetz finden auch zum Haushaltsgesetz öffentliche bzw. öffentlichkeitswirksame Debatten im Bundestag statt, wodurch der Haushaltsgrundsatz der Öffentlichkeit gewahrt wird. In den Lesungen im Plenum können die Abgeordneten der Mehrheits- und Minderheitsfraktion über ihr Rederecht Werbung für ihre jeweilige politische Meinung machen und den von der Regierung eingebrachten Haushaltsgesetzentwurf verteidigen oder kritisieren.47 Diese Möglichkeit nutzt insbesondere die Opposition allzu gern für eine Generalabrechnung mit der Regierung.48 Die durch die Medien verbreitete Kritik ist ein Medium par39

Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 20. Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 20. 41 Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 976. 42 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 20. 43 Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 976. 44 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 21. 45 Diesen Aspekt überbetonend Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 92. 46 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 21. 47 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 23. 48 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 23; Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 976. 40

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lamentarischer Kontrolle. Die Macht der Worte ist bekannt. Als anschauliches Beispiel einer Haushaltsdebatte hören bzw. lesen wir einen Auszug der Rede von Carsten Schneider (SPD) vom 20. November 2012: „Chaos, Verantwortungslosigkeit, Blindheit für die großen Aufgaben, Verschleudern der Zukunftsreserven für irrsinnige Wahlgeschenke, finanzpolitische Trickserei und offensichtlicher Wählerbetrug – das ist der Haushalt 2013, den Sie uns hier vorlegen. (…) Sie haben eine Legislaturperiode hinter sich, die mit Klientelpolitik begonnen hat – Stichwort „MöwenpickSteuer“ – und die mit dem bildungspolitischen Irrsinn des Betreuungsgeldes endet. (…) Es ist Ihnen, obwohl die Einnahmen explodieren und sich die Sozialausgaben um 10 Milliarden Euro verringert haben, weil Sie im Sozialbereich kürzen und die Sozialkassen plündern – das ist der einzige Bereich, in dem Sie zugreifen; Subventionsabbau kennen Sie nicht –, nicht gelungen, die Schuldenlast zu senken. Im Gegenteil: 2012 ist die Neuverschuldung noch einmal explodiert. (…) Wir Sozialdemokraten setzen dem einen klaren Kurs entgegen: ausgeglichene Haushalte so schnell wie möglich.“49 Im Haushaltsausschuss wird der von der Regierung erarbeitete Gesetzentwurf intensiv beraten, indem alle Einzelpläne im Detail besprochen und modifiziert werden.50 Dies erfolgt im Wege des Berichterstatter-Systems, wonach jede (!) Fraktion für jeden Einzelplan einen verantwortlichen Berichterstatter bestellt.51 Dieser tauscht sich fortlaufend – auf formellem und informellem Wege52 – mit den Ministerialbeamten des entsprechenden Ressorts aus.53 Hierbei unterliegt die Regierung, die durch ihren behördlichen Unterbau mit ihren großen personellen und fachlichen Ressourcen dem Parlament strukturell überlegen ist,54 einer Informations- und Unterrichtungspflicht, und zwar gegenüber allen Berichterstattern.55 Das bedeutet, dass die Berichterstatter der Mehrheitsfraktion(en) keinen Informationsvorsprung gegenüber denen der Minderheitsfraktion(en) besitzen dürfen. Für Letztere ermöglicht gerade dieser Informationsanspruch eine bessere Kontrolle der Regierungstätigkeit, für Erstere sichert der Beratungsprozess die Einflussnahme auf die Einzelpläne und damit die notwendige Rückbindung der Regierung an die Parlamentsmehrheit.56 Denn trotz aller politischen 49 Abgerufen unter: www.carsten-schneider.de (Navigation: „Aktuelles“, „Bundestagsreden“, „Bundeshaushalt 2013, 20. November 2012“). 50 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 25. 51 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 25. 52 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 92. 53 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 25. 54 Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 91. 55 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 25. 56 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 25.

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Verknüpfung gibt es durchaus haushaltspolitische Differenzen, die vereinfacht gesprochen darin liegen, dass die Parlamentsmehrheit eher ausgabenfreundlich orientiert ist (Stichwort: Wahlgeschenke), während gerade der Finanzminister eher auf Sparsamkeit bedacht ist.57 Entsprechendes gilt für das elementare (Änderungs-)Antragsrecht eines jeden Abgeordneten im Rahmen der zweiten Lesung im Plenum, um laut Bundesverfassungsgericht seine „Vorstellungen über die Verwendungsmöglichkeiten der Haushaltsmittel darlegen und dadurch die Entscheidung über den Haushaltsplan beeinflussen“58 zu können. Ein Abgeordneter der Mehrheitsfraktion kann mit Unterstützung seiner Fraktionskollegen den Haushaltsentwurf der Regierung verändern, während der Antrag eines Abgeordneten der Minderheitsfraktion in der Regel keine Erfolgsaussicht hat und daher der öffentlichen Kritik dient und Kontrollzwecke verfolgt. Den Abgeordneten steht bei Verstößen im Gesetzgebungsverfahren außerdem der Klageweg offen. Verletzungen der Abgeordnetenrechte oder der verfassungsrechtlich normierten Haushaltsgrundsätze können im Wege des Organstreitverfahrens oder der abstrakten Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht gerügt werden. Hierdurch wird primär die Kontrolle des Verfahrens durch die Minderheitsfraktion gewährleistet.59 Mit Beschluss des Haushaltsgesetzes wird das Budget in der dritten Lesung schließlich bewilligt, und zwar mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion. Das parlamentarische Budgetbewilligungsrecht liegt rechtlich gesehen beim gesamten Bundestag. Tatsächlich bewilligt und verbindlich durch Gesetz festgestellt wird das Budget jedoch (nur) von der Mehrheits- bzw. Regierungsfraktion des Bundestags,60 die den (Mehrheits-)Willen des Volkes verwirklicht. VI. Resümee „Ohne Moos nix los!“ Was für uns im heutigen Leben gilt, gilt auch für den Staat. Das mussten bereits die Monarchen im Ständestaat leidlich feststellen. So baten die Landesherren die Stände um finanzielle Unterstützung. Diese bewilligten in konkreten Einzelfällen, die allerdings schnell zur tradierten Regel wurden, zweckgebundene Steuern. In ihrem Bestreben, die Kontrolle über die Steuern und ihre Verwendung mit Hilfe einer eigenen 57

Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 976. BVerfGE 66, 26 (38). 59 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 43. 60 Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 2), II. Vorbemerkung BHO Rn. 27; Josef Isensee, Budgetrecht des Parlaments (Fn. 20), S. 973. 58

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Steuerverwaltung zu gewinnen, scheiterten die Stände jedoch letztlich. Sie mussten hilflos zusehen, wie die Landesherren, nicht nur in finanzieller Hinsicht, ihre Macht zurückeroberten. Mit dem alleinigen Steuererhebungs- und Gesetzgebungsrecht in der Hand erstellten die Monarchen im Absolutismus erstmals Staatsetats. Die streng geheim gehaltenen Budgets dienten ihnen selbst, nämlich zur Kalkulation und Überprüfung ihrer Einnahmen und Ausgaben, um bei steigenden Bedürfnissen und Staatsausgaben vernünftiger wirtschaften zu können. Sie erkannten, wie wichtig es ist, dass der Staat – sprich sie selbst – den Überblick, die Kontrolle und die Hoheit über die Finanzen hat. Im Zuge der Aufklärung und mit Hilfe der Revolutionen zwischen Ende des 18. und Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich das aufstrebende Bürgertum sukzessive aus den Fesseln der absoluten Monarchie befreien können. Es hat sich zunächst Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung sowie beim Staatsetat, nun als Gesetz erlassen, erkämpft. Nach der Preußischen Verfassung von 1850 bezog sich das mit der Krone geteilte Budgetrecht des Parlaments auf die Ausgabenseite. Im Gegensatz zum vorabsolutistischen Ständestaat verfügte das Parlament nicht über ein periodisches Steuerbewilligungsrecht. Die staatlichen Einnahmen waren also gesichert, und „lediglich“ zur Tätigung der staatlichen Ausgaben musste der Monarch die Zustimmung des Abgeordneten- und Herrenhauses einholen. Doch dieses zwingend auf Konsens angelegte Verfassungsmodell erwies sich 1862 als großes und unlösbares Problem, als die Parlamentarier die erforderlichen Ausgaben für eine vom König geplante, höchst umstrittene Heeresreform einfach nicht bewilligten. Mit ihrer Haushaltsblockade setzten sie ein starkes Zeichen und forderten vom Monarchen mehr Mitsprache, mehr politische Mitbestimmung, mehr Macht ein. Das Budgetrecht wurde zum wichtigsten politischen Machtinstrument der Parlamentarier. Es erhielt als Mittel der politischen Mitherrschaft eine neue Bedeutung, welche die Ständevertretungen in dieser Dimension nicht erkannt hatten, da sie lediglich den Schutz vor hoher Steuerbelastung im Auge hatten. Doch König Wilhelm I., besser gesagt sein loyaler und taktisch brillanter Ministerpräsident Otto von Bismarck, trieb, statt klein beizugeben, den Machtkampf auf die Spitze. Er setzte sich gegen die Parlamentarier durch und regierte vier Jahre lang unter Berufung auf seine Lückentheorie ohne gesetzliches Budget. Der Verfassungskampf wurde offiziell 1866 durch ein Indemnitätsgesetz beendet, aber welche Seite am Ende der Sieger war, ist nicht gewiss. Der Budgetkampf der Parlamentarier zeigte aber insofern Früchte, als diese im Deutschen Kaiserreich nun mehr Rechte bekamen. Reichstag und Bundesrat beschlossen fortan Gesetze, einschließlich des Haushaltsgesetzes. Doch die Krux war, dass die Regierung nicht vom Parlament politisch ab-

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hängig war und die Krone den Reichstag auflösen konnte. Der Reichstag nutzte sein nur noch mit dem Bundesrat geteiltes Budgetbewilligungsrecht zwar immer stärker als Mittel der Steuerung bzw. Kritik der Regierungspolitik. Aber das in ihm ruhende, volle Potential schöpfte der Reichstag nicht aus. Der alles entscheidende Systemwechsel vom Konstitutionalismus zum Parlamentarismus, von der Monarchie zur Demokratie, erfolgte erst 1919. Mit der Weimarer Verfassung und dem Grundgesetz ist die unmittelbar vom Volk gewählte Vertretung alleinige Inhaberin des Budgetbewilligungsrechts, die Regierung ist von ihr abhängig. Das mit dem Budget- und Verfassungskampf verfolgte Ziel der Herrschaft des Volkes ist erreicht. Der große „Kampf um das System“61 ist vorbei. Das Budgetrecht hat sozusagen seine Aufgabe erfüllt. Überflüssig ist das parlamentarische Budgetrecht indes nicht geworden. Es hat in dem parlamentarischen Regierungssystem lediglich eine andere Bedeutung erhalten. Der Parlamentsmehrheit dient das Budgetrecht zur Steuerung der – mit ihr politisch verflochtenen – Regierung, der oppositionellen Parlamentsminderheit dient es zur Kontrolle der Regierung.

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Horst Dreier, Der Kampf um das Budgetrecht (Fn. 5), S. 90.

Der Bundesrechnungshof als Berater von Parlament und Regierung Horst Erb* I. Kritiker oder Berater? Der Bundesrechnungshof wird in Medien und Öffentlichkeit vor allem als Kritiker von Regierung und Verwaltung wahrgenommen. Bei der Vorstellung seines Jahresberichts1 greifen die Journalisten aus der Fülle der behandelten Themen in der Regel jene heraus, die plakativ über Misswirtschaft und Verschwendung berichten.2 Diese Betrachtung und der so in der Öffentlichkeit erzeugte Eindruck bilden aber nur einen Ausschnitt seiner Aufgaben und Ergebnisse ab. Fast verstellen sie den Blick darauf, dass sich der Bundesrechnungshof, insbesondere seit der Haushaltsrechtsreform im Jahre 1970, von einer Einrichtung der nachgängigen Prüfung und Kontrolle der Exekutive zu einer der Beratung von Parlament und Regierung in allen Fragen der öffentlichen Finanzwirtschaft des Bundes entwickelt hat. Die Beratungsaufgabe nimmt heute einen wesentlichen Teil der Ressourcen des Bundesrechnungshofes in Anspruch und ist in der Praxis komplementärer Teil seiner Prüfungstätigkeit. 300 Jahre externe Finanzkontrolle bieten einen geeigneten Anlass, die Genese dieser Entwicklung in ihren Grundzügen nachzuzeichnen, die rechtlichen und methodischen Grundlagen der Beratungsaufgabe zu benennen und die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes für Parlament und * Der Verfasser leitet die Abteilung für Grundsatzfragen der Finanzkontrolle im Bundesrechnungshof. 1 Der Bundesrechnungshof fasst jährlich das Ergebnis seiner Prüfung, soweit es für die Entlastung der Bundesregierung von Bedeutung sein kann, in Bemerkungen zusammen, vgl. z. B. Bemerkungen 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2011), BT-Drs. 17 / 11330. 2 „Verschwendung und Schlamperei – Der Bundesrechnungshof sieht bei der Verwaltung großes Sparpotenzial“, Stuttgarter Zeitung vom 14. November 2012; „So verprassen staatliche Behörden unser Geld – Schonungsloser Bericht des Rechnungshofes“, FOCUS vom 14. November 2012; „Hier verbrennt der Staat Geld“, Wirtschaftswoche vom 14. November 2012.

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Regierung praxisorientiert darzustellen. Beratung durch den Bundesrechnungshof ist dabei eng verbunden mit den Aufgaben des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, zu dem der Präsident oder die Präsidentin des Bundesrechnungshofes regelmäßig von der Bundesregierung bestellt wird. Der oder die Bundesbeauftragte stützt sich auf die Ressourcen des Bundesrechnungshofes und erweitert dessen Möglichkeiten, beratend tätig zu werden. Beratung durch Rechnungshöfe stößt aber auch an Grenzen und wird nicht selten kritisch gesehen; diese Grenzen gilt es auszuloten. Abschließend werden Herausforderungen für die Rechnungshöfe in Deutschland beschrieben, die sich aus neuen gesetzlichen Transparenzregeln für staatliche Stellen im Bund und in verschiedenen Ländern ergeben. II. Historische Wurzeln und Genese der Beratungsaufgabe Aufgabe der Rechnungshöfe – zugleich Grund ihrer Entstehung – war vorrangig das Prüfen der Belege und der Rechnungen. 1713 oder 1714 – das genaue Datum lässt sich aus dem Archivmaterial nicht mit letzter Sicherheit bestimmen3 – gründete König Friedrich Wilhelm I. (1713 bis 1740) die Preußische Generalrechenkammer. Sie war ihm unmittelbar unterstellt und diente ihm als Instrument, um sich einen Überblick über das gesamte Finanz- und Rechnungswesen Preußens zu verschaffen und es zu kontrollieren. Schon die Instruktion des Königs vom 2. März 1723 sah vor, dass die Minister des Generaldirektoriums – heute würde man sagen: das Kabinett – eine Stellungnahme der zwischenzeitlich aus der Generalrechenkammer neu formierten Ober-Kriegs- und Domänen-Rechen-Kammer zum Budget einholen konnten.4 Sie soll einen sehr viel weiter gehenden – allerdings in einem Geheimpapier niedergelegten und letztlich nicht durchsetzbaren – Beratungsauftrag des Königs an die Generalrechenkammer abgelöst haben, der die Minister verpflichtete, das Budget vor seiner Verabschiedung von der Generalrechenkammer durchgehen und examinieren zu lassen.5 Erstmalig normierte die königliche Instruktion vom 18. Dezember 1824 eine Beratungsfunktion für die Oberrechnungskammer.6 Sie übertrug ihr die Aufga3 Die in Betracht kommenden Termine der Gründung behandelt u. a. Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt am Main 1964, S. 14 ff. 4 Vgl. Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer, Berlin 1884, S. 23, Nr. 7. 5 Vgl. Karl Wittrock, Der Rechnungshof als Berater, DÖV 1989, S. 347. 6 Die Generalrechenkammer führte ab 1797 die Bezeichnung Oberrechenkammer; ab 1802 hieß sie Oberrechnungskammer. 1827 war sie zugleich „Rechnungshof des Deutschen Bundes“, ab 1871 zugleich „Rechnungshof des Deutschen Reiches“. Eine

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be darzulegen, ob und wo zur Beförderung des Staatszwecks Abänderungen nötig oder doch ratsam seien.7 Darüber hinaus konnte der König den Präsidenten verpflichten, in bestimmten Fällen gutachtlich Stellung zu nehmen.8 Bemerkenswert klar – geradezu modern – verpflichtete § 20 des Preußischen Oberrechnungskammergesetzes vom 27. März 1872 die Oberrechnungskammer, in ihrem jährlichen Geschäftsbericht für den König Vorschläge über Änderungen von Gesetzen oder Verordnungen zu unterbreiten.9 Eine entsprechende Regelung findet sich ab 1923 auch in § 109 der Reichshaushaltsordnung. In der Zeit der konstitutionellen Monarchie war das Beratungsprivileg des Monarchen Gegenstand ständiger parlamentarischer Auseinandersetzungen.10 Erst in der Weimarer Republik setzte der Reichstag in den Beratungen zur Reichshaushaltsordnung mit § 101 das Recht durch, gutachtliche Äußerungen des Rechnungshofes in Haushaltsfragen einholen zu können.11 Von den erweiterten Möglichkeiten, zu beraten, machte der Rechnungshof in der Folge nur verhalten Gebrauch. Der Reichstag brachte wiederholt zum Ausdruck, dass der Rechnungshof bei seinen Prüfungen weniger formale Verstöße rügen, sondern sein Hauptaugenmerk auf die wirtschaftliche Führung der Reichsverwaltung richten solle.12 So verwundert es nicht, dass in konzentrierte Zusammenfassung mit Literaturzusammenstellung zur Gründung und Geschichte der Preußischen Oberrechnungskammer findet sich bei Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 5 Fn. 7. 7 Dort heißt es in § 1: „Der Zweck der Ober-Rechnungs-Kammer ist: a) (…), b) nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resultaten der Verwaltung zu beurteilen, ob und wo zur Beförderung des Staats-Zwecks Abänderungen nöthig oder doch räthlich sind.“ Abgedruckt bei Karl Theodor Hertel, Ober-Rechnungskammer (Fn. 4), S. 127. 8 Vgl. § 52: „(…) Wir behalten uns jedoch vor, in den dazu geeigneten wichtigen Fällen das Gutachten des Chef-Präsidenten der Ober-Rechnungs-Kammer zu erfordern, ehe Wir in der Sache definitiv entscheiden.“ Abgedruckt bei Karl Theodor Hertel, Ober-Rechnungskammer (Fn. 4), S. 163. 9 Vgl. § 20: „Nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres erstattet die Ober-Rechnungskammer dem Könige einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Geschäftsthätigkeit, welchem zugleich ihre gutachtlichen Vorschläge beizufügen sind, ob und inwieweit nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resultaten der Verwaltung zur Beförderung der Staatszwecke im Wege der Gesetzgebung oder der Verordnung zu treffende Bestimmungen nothwendig oder rathsam erscheinen.“ Abgedruckt bei Karl Theodor Hertel, Ober-Rechenkammer (Fn. 4), S. 190. 10 Vgl. Karl Wittrock, Der Rechnungshof als Berater (Fn. 5), S. 348. 11 Reichshaushaltsordnung (RHO) vom 31. Dezember 1922, RGBl. II 1923, S. 17. 12 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen:

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der Weimarer Republik und der sie prägenden finanziellen Notlage des Staates nicht der Rechnungshof zur entscheidenden Beratungsinstanz für Regierung und Parlament wurde. Stattdessen wandte sich die Reichsregierung an den damaligen Rechnungshofpräsidenten Saemisch und ersuchte ihn, den gesamten Reichshaushalt auf Einsparmöglichkeiten zu untersuchen und Vorschläge und Empfehlungen zur Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung zu erarbeiten. Sie übertrug ihm dazu 1922 neben seinem Amt des Reichsrechnungshofpräsidenten als persönliche Sonderaufgabe das Amt eines Reichssparkommissars.13 Seit 1927 erweiterte die Reichsregierung seinen anfänglich auf reine Sparvorschläge beschränkten Aufgabenkreis, sodass er mit zuletzt über 30 Beschäftigten umfassende Organisations- und Wirtschaftlichkeitsgutachten erstellte.14 Auch in die Haushaltsaufstellung war er eingebunden. Ihm waren sämtliche Voranschläge der Ressorts zum Reichshaushaltsplan zur Stellungnahme zuzuleiten. Außerdem war er an der Vorbereitung von Gesetzen beteiligt. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Reichsregierung verpflichtete die Reichsministerien, ihm sämtliche Referentenentwürfe zur Prüfung der finanziellen Auswirkungen und zur gutachtlichen Stellungnahme vorzulegen.15 Allein in den Jahren 1929 bis 1933 verfasste er 440 Gutachten und gutachtliche Äußerungen; zunächst nur für die Reichsverwaltung, später auch für Länder und Kommunen.16 Seine Tätigkeit war nicht unumstritten; gegen sie wurde eingewandt, ihr fehle eine gesetzliche Grundlage und eine unmittelbare Anbindung an den Reichstag.17 Seit Anfang der 1930er-Jahre wurde über eine Verschmelzung der Ämter des Reichssparkommissars und des Präsidenten des Reichsrechnungshofes debattiert; sie wurde mit der Novelle der Reichshaushaltsordnung im Jahr 1933 umgesetzt. Die Aufgaben des Reichssparkommissars als VertrauensGeschichte und Gegenwart 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 49. 13 Vgl. Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten, Berlin 2013, S. 36. 14 Vgl. Hermann Butzer, Der Reichssparkommissar der Weimarer Republik, in: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2002, S. 93 ff. 15 Vgl. Hermann A. Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit seines Präsidenten Saemisch (1922 bis 1938), in: Die Kontrolle der Staatsfinanzen (Fn. 12), S. 84. 16 Vgl. Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 3), S. 76; Hermann A. Dommach, Der Reichssparkommissar Moritz Saemisch in der Weimarer Republik, Frankfurt am Main 2012, S. 73–84 (Übersicht über Gutachten und Denkschriften). 17 Vgl. Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes (Fn. 13), S. 51 ff.

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person der Reichsregierung gingen auf den Reichsrechnungshof und organisatorisch auf die dort neu gegründete Präsidialabteilung über. Zugleich wurde der Präsident des Reichsrechnungshofes in dem neu formulierten § 101 Reichshaushaltsordnung zur zentralen Beratungsperson für Reichsregierung und (formal) Reichstag.18 Auch die bisher vom Reichssparkommissar wahrgenommene Beteiligung im Haushaltaufstellungsverfahren ging auf ihn über.19 Im Grundgesetz vom 23. Mai 1949 knüpfte Artikel 114 mit den Regelungen zur Rechnungslegung und Rechnungsprüfung an die vor 1933 geltenden historischen Vorbilder in der Weimarer Verfassung und der Reichsverfassung von 1871 an.20 Für die Haushaltswirtschaft und Rechnungsprüfung des Bundes galt die Reichshaushaltsordnung – mit den Vorschriften zur beratenden Tätigkeit des Rechnungshofes, insbesondere § 101 Reichshaushaltsordnung – zunächst fort, soweit ihre Bestimmungen nicht gegen das Grundgesetz verstießen.21 § 8 des Bundesrechnungshofgesetzes vom 27. November 195022 ergänzte und erweiterte diesen Beratungsauftrag (z. B. um den Bundesrat als weiteren Adressaten) – allerdings nicht ganz widerspruchsfrei.23 Auch die Funktion des Reichssparkommissars wurde unter einer neuen Bezeichnung wiederbelebt. Auf Betreiben des Bundesfinanzministeriums richtete die Bundesregierung im Jahre 1952 das Amt des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung ein, mit dessen Wahrnehmung seitdem der Präsident oder die Präsidentin des Bundesrechnungshofes24 beauftragt wird. Es ist nicht mit eigenem Personal oder eigenen Sachmitteln ausgestattet, sondern stützt sich auf die Ressourcen des Bun18 Vgl. Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes (Fn. 13), S. 64. 19 § 19 Abs. 2 RHO. 20 Vgl. Dieter Engels, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Art. 114 GG Rn. 11–25. 21 Art. 123 Abs. 1 GG bestimmt die Fortgeltung vorkonstitutionellen Rechts, soweit es nicht dem Grundgesetz widerspricht. Vgl. dazu auch Hans-Dietrich Lehmberg, Die Gutachtertätigkeit des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Münster 1968, S. 26 ff. Zur Rolle des Reichsrechnungshofes im Dritten Reich vgl. im Übrigen den Beitrag von Hermann Butzer in dieser Festschrift. 22 Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 (Bundesrechnungshofgesetz – BRHG), BGBl. I 1950 S. 765. 23 Während sich z. B. nach § 101 RHO „Der Präsident des Rechnungshofes (…) auf Ansuchen (…) gutachtlich zu äußern“ (hat), „kann“ er sich nach § 8 Abs. 1 BRHG (1950) „gutachtlich äußern“. 24 Erst einmal in der rund 300-jährigen Geschichte der externen Finanzkontrolle des Bundes hatte eine Frau das Amt einer Präsidentin des Rechnungshofes und damit auch das einer Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung inne, und zwar Dr. Hedda v. Wedel in der Zeit von 1993 bis 2001.

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desrechnungshofes. Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat die Aufgabe, durch Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben hinzuwirken.25 Die Reform des Haushaltsrechts im Jahre 1969 mit der Neufassung von Artikel 114 Grundgesetz,26 dem Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder27 und der Bundeshaushaltsordnung28 eröffnete dem Bundesrechnungshof neben dem umfassenden Mandat, Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu prüfen, verfassungsrechtlich abgesichert das Recht, unmittelbar Bundestag und Bundesrat über die Ergebnisse zu berichten. Aufgrund der mit § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung neu aufgenommenen Bestimmung kann der Bundesrechnungshof seitdem auch aufgrund von Prüfungserfahrungen unmittelbar Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und einzelne Bundesministerien beraten. Das Parlament verband mit dieser neuen Bestimmung die Erwartung, den Bundesrechnungshof stärker als bisher als Berater zu gewinnen, der es bei der Ausübung des parlamentarischen Budgetrechts und bei der Kontrolle von Regierung und Verwaltung mit regierungsunabhängigen Informationen und Empfehlungen unterstützt.29 Mit der Reform endete auch die namentliche Beschränkung der Beratungsfunktion auf die Person des Präsidenten des Rechnungshofes; Beratung wurde wieder zur Aufgabenstellung des Rechnungshofes als Ganzes.30 Beratung als Aufgabe des Rechnungshofes hat in Deutschland – wie vorstehend ausgeführt – eine lange Tradition. Mit der Verabschiedung der Reichshaushaltsordnung im Jahre 1922 erlangte die Finanzkontrolle hierzulande nicht zuletzt deshalb eine im internationalen Vergleich führende Stel25 Richtlinien für die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV-Richtlinien) vom 26. August 1986 (BAnz Nr. 163, 12485). 26 Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969, BGBl. I 1969 S. 357. 27 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG) vom 19. August 1969, BGBl. I 1969 S. 1273. 28 Bundeshaushaltsordnung (BHO) vom 19. August 1969, BGBl. I 1969 S. 1284. 29 Vgl. Dieter Engels, Die Beratungsaufgabe der Rechnungshöfe, in: Wallmann/ Nowak / Mühlhausen / Steingässer (Hrsg.), Moderne Finanzkontrolle und öffentliche Rechnungslegung, Denkschrift anlässlich der Verabschiedung von Herrn Prof. Dr. Manfred Eibelshäuser aus dem Amt des Präsidenten des Hessischen Rechnungshofs, Luchterhand 2013, S. 141 ff. 30 Mit § 119 Abs. 2 Nr. 4 BHO hob der Gesetzgeber die Gutachterbefugnis des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nach § 8 BRHG (1950) auf; § 88 Abs. 2 BHO spricht wieder den Bundesrechnungshof an, nicht allein dessen Präsidenten wie noch der als Vorbild dienende § 101 RHO; vgl. Jens Michael Störring, Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes (Fn. 13), S. 176.

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lung.31 Zwar hat sich die Internationale Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden32 bereits 1977 in der „Deklaration von Lima“ ausdrücklich zur Beratung gegenüber Parlament und Verwaltung als Teil der Aufgaben moderner Rechnungshöfe bekannt.33 Zuletzt hat auch das 22. Symposium der Vereinten Nationen mit INTOSAI vom 5. bis 7. März 2013 in Wien über Prüfung und Beratung durch Rechnungshöfe die Bedeutung der Beratungstätigkeit durch Rechnungshöfe nachdrücklich unterstrichen.34 Gleichwohl dürften international bis heute nur wenige Rechnungshöfe ihre Arbeit vergleichbar stark auf die Beratung des Parlaments ausgerichtet haben wie der Bundesrechnungshof. III. Grundlagen der Beratungstätigkeit 1. Rechtsgrundlagen Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz regelt Stellung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes in der Verfassung; die Beratung als Teil seiner Aufgabenstellung ist dort begrifflich allerdings nicht erwähnt.35 Nach Artikel 114 Absatz 2 Satz 3 Grundgesetz werden weitere Befugnisse des Bundesrechnungshofes durch Bundesgesetz geregelt. § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung eröffnet dem Bundesrechnungshof – einfachgesetzlich – die Möglichkeit, aufgrund von Prüfungserfahrungen – losgelöst von konkreten Einzelprüfungen – Legislative und Exekutive zu beraten.36 Kommentierung und Literatur37 haben diese einfachgesetzlich begründete Beratungsaufgabe in Abgrenzung zur verfassungsrechtlich verankerten Prü31 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland (Fn. 12), S. 48. 32 International Organization of Supreme Audit Institutions (INTOSAI); www. intosai.org. 33 § 12 Nr. 1 S. 1 International Standards for Supreme Audit Institutions (ISSAI) 1: Die Deklaration von Lima, vgl. Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Februar 2009, VII / 1, § 12 Rn. 1. Zur internationalen Zusammenarbeit der Rechnungshöfe siehe auch Heinz Günter Zavelberg, Die Arbeit der Rechnungshöfe im internationalen Bereich, DÖV 1993, S. 1000. 34 22. VN / INTOSAI-Symposium; Ergebnisse unter www.intosai.org (Navigation: „Aktuelles“), Stand: 11. Mai 2013. 35 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Art. 114 GG Rn. 39. 36 Vgl. Matthias Mähring, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Dezember 2008, § 88 BHO Leitsatz 6. 37 Vgl. u. a. Albert v. Mutius / Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Juni 1999, Art. 114 GG

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fungsaufgabe zum Anlass genommen, (theoretisch) strikt zwischen unselbstständiger und selbstständiger Beratung zu unterscheiden. Unselbstständige Beratung sei danach dadurch gekennzeichnet, dass ihre Empfehlungen, Vorschläge, Hinweise – also all jene Elemente einer Prüfung, die beratenden Charakter haben – in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit konkreten Prüfungsfeststellungen stünden; im Gegensatz dazu fuße selbstständige Beratung auf allgemeinen Prüfungserfahrungen losgelöst von einzelnen Prüfungsergebnissen.38 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Unterscheidung in seinem Beschluss vom 7. September 201039 aufgegriffen. Es äußert sich darin zur Verfassungsmäßigkeit von Erhebungsrechten des Bundesrechnungshofes im Bereich der Länder aufgrund von § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz40 mit dem Ergebnis, Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz betreffe das Prüfen, welches das Feststellen eines Sachverhalts und dessen Bewertung umfasse. Dem gegenüber sei das darüber hinausgehende Beraten nur einfachgesetzlich in § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung geregelt. In Konkurrenz zu anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern – hier der Haushaltsautonomie der Länder gemäß Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz – müsse deshalb der Anspruch zu beraten zurücktreten.41 Dieser bis in die jüngste Zeit feinsinnig und differenziert diskutierte42 dualistische Beratungsansatz berücksichtigt nicht ausreichend, dass sich Beratung, gestützt auf konkrete Prüfungen, und eine (lediglich) auf Prüfungserfahrungen beruhende Beratungstätigkeit in der Praxis einer modernen Finanzkontrolle kaum voneinander unterscheiden. Jede Prüfung umfasst komplementäre Elemente der Beratung, will sie nicht wirkungslos bleiben; ebenso setzt Beratung durch Rechnungshöfe Prüfungstätigkeit voraus als spezifisches Abgrenzungsmerkmal zur Wissenschafts- oder Auftragsberatung.43 Die Rn. 21; Andreas Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stuttgart Loseblatt Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 28 und § 88 BHO Rn. 5; Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hoffmann / Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, Köln 2011, Art. 114 GG Rn. 11; Hermann Butzer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, München 2009, Art. 114 GG Rn. 32; Holger Miß, Die Unabhängigkeit von Bundesrechnungshof und Abschlussprüfern vor dem Hintergrund paralleler Prüfung und Beratung, Baden-Baden 2006, S. 42 ff.; Andreas Reus / Peter Mühlhausen, Die Beratungsaufgabe der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Verwaltungsrundschau 2011, S. 8. 38 Vgl. Matthias Mähring, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 36), § 88 BHO Rn. 16, 17. 39 BVerfG Beschluss vom 7. September 2010 – 2 BvF 1 / 09. 40 Zukunftsinvestitionsgesetz vom 2. März 2009 (BGBl. I 2009 S. 416, 428), zuletzt geändert durch Artikel 3b des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I 2010 S. 671). 41 BVerfG (Fn. 39), Rn. 122, 123 und 138. 42 So auch bei Andreas Reus / Peter Mühlhausen, Beratungsaufgabe (Fn. 37), S. 10–12. 43 Vgl. Helmut Karehnke, Zur Abgrenzung der Begriffe Prüfung und Beratung, DVBl. 1975, S. 612.

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Unterscheidung ist daher eher gradueller denn grundsätzlicher Natur. Daraus folgt, dass zumindest dort, wo Beratung sich auf konkrete Prüfungsergebnisse stützt, sie vom verfassungsrechtlichen Mandat des Bundesrechnungshofes – auch in Konkurrenz zu anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern – gedeckt ist.44 Für den Bundesrechnungshof ist § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung deshalb heute weniger eine Norm zur Kompetenzerweiterung seines verfassungsrechtlichen Prüf- und Beratungsauftrages um ein eigenständiges Beratungsmandat als vielmehr Instrument der Berichterstattung über aktuelle Prüfungs- und Beratungsergebnisse gleichermaßen. Der Bundesrechnungshof nutzt die Möglichkeiten der Berichterstattung aufgrund § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung (sogenannte „88er-Berichte“) nicht nur für die Beratung, sondern auch, um über konkrete Prüfungsergebnisse im Einzelfall zu berichten, z. B. bei Prüfungsbitten des Parlaments oder bei der Weitergabe von Prüfungserkenntnissen im Haushaltsaufstellungsverfahren. Über konkrete Prüfungsergebnisse könnte der Bundesrechnungshof dem Parlament ansonsten nur im Rahmen der jährlichen Bemerkungen (§ 97 Bundeshaushaltsordnung), mittels Sonderbericht (§ 99 Bundeshaushaltsordnung) oder in den „Ausnahmefällen“ des § 96 Absatz 1 Satz 2 Bundeshaushaltsordnung berichten. Dies würde eine aktuelle Berichterstattung und Unterstützung des Parlaments sehr erschweren und den Erwartungen an eine moderne Finanzkontrolle nicht genügen. Auch die Adressierung von Prüfungsergebnissen mit konkreten Empfehlungen an die Bundesregierung und einzelne Bundesministerien beschränkt der Bundesrechnungshof nicht auf Prüfungsmitteilungen. Auch hierzu nutzt er in geeigneten Fällen – etwa bei strukturellen oder ressortübergreifenden Prüfungsergebnissen – die Berichterstattung aufgrund § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung. Insofern ist diese Norm in der Praxis des Bundesrechnungshofes „Universalinstrument“ zur zeitnahen Übermittlung wichtiger Prüfungs- und Beratungsergebnisse an Parlament und Regierung. Neben der auf Prüfungserkenntnisse und Prüfungserfahrungen gestützten Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes bietet sich ihm in Person und Funktion des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung eine weitere Möglichkeit, Bundesregierung und Bundesministerien sowie das Parlament zu beraten.45 Er wirkt durch Vorschläge, Gutachten oder Stellungnahmen auf eine wirtschaftliche Erfüllung der Bundesaufgaben und 44 Für eine vertiefende Betrachtung der verfassungsrechtlichen Fragestellung, vgl. Dieter Engels, Die Beratungsaufgabe der Rechnungshöfe (Fn. 29), S. 141 (148 f.). Zu den besonderen Problemen der externen Finanzkontrolle des Bundes im Kontext der föderativen Staatsverfassung und Staatspraxis vgl. auch den Beitrag von Matthias Mähring in dieser Festschrift. 45 BWV-Richtlinien (Fn. 25).

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eine dementsprechende Organisation der Bundesverwaltung einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe hin. Die Beratung erstreckt sich auch auf die Gesetzgebungstätigkeit des Bundes. Als Beauftragter der Bundesregierung ist Gegenstand und Adressierung seiner Tätigkeit vorrangig die Bundesverwaltung und deren Gesetzgebungstätigkeit; aber auch den Bundestag und den Bundesrat kann (darf) er beraten.46 Er wird eigeninitiativ oder auf Anregung der Bundesregierung tätig. Die Beratungen durch Bundesrechnungshof und Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sind zwar theoretisch und normativ zu trennen.47 Aber schon die Aufgabenstellungen lassen eine große Schnittmenge erkennen. Ähnlich wie beim dualistischen Beratungsansatz (selbstständige und unselbstständige Beratung) greifen auch hier die Möglichkeiten beider zu beraten zweckmäßig und sich gegenseitig verstärkend ineinander. Ohne eigenen organisatorischen und personellen Unterbau stützt sich der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung im Wesentlichen auf die Prüfungsergebnisse und -erfahrungen des „Hofes“. Daneben kann er selbst örtlich erheben oder sich auf Beauftragte stützen. Von diesen Möglichkeiten macht er bei größeren Gutachten Gebrauch.48 Freiheitsgrad und Aktivitätsradius seiner Beratungstätigkeit eröffnen ihm die Möglichkeit, sich zu größeren, systematisch zu durchdringenden Sachkomplexen zu äußern und neben Prüfungserkenntnissen und Prüfungserfahrungen auch allgemeine oder spezielle wissenschaftsbasierte Aspekte und Erkenntnisse zu berücksichtigen. So können z. B. auch fiskalisch bedeutende Fragen im Verhältnis von Bund und Ländern, die über verfassungsrechtliche Prüfungs- und Erhebungsgrenzen hinausreichen, in die Begutachtung des Bundesbeauftragten einbezogen werden.49 Darüber hinaus ist es ihm – anders als dem Bundes46 BWV-Richtlinie (Fn. 25), Nr. 3 S. 2. Als Beispiel für eine Beratung des BWV auf Ersuchen von Bundestag und Bundesrat: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern, Stuttgart 2007; die Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (BT-Drs. 16 / 3885 und BR-Drs. 913 / 06) hatte den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung um das Gutachten gebeten. 47 Zu den unterschiedlichen Nuancen der Beratung von BWV und BRH vgl. Helmut Karehnke, Zur Prüfung der staatlichen Haushalts- und Wirtschaftsführung nach der Haushaltsrechtsreform, DÖH 15, S. 45 ff.; Jens Treuner, Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, in: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), 50 Jahre Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Stuttgart 2002, S. 23 ff. 48 Z. B. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes (Schwerpunkt Lebensmittel), Band 16, Stuttgart 2011. 49 Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 46).

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rechnungshof – grundsätzlich möglich, seine Berichte und Gutachten herauszugeben50 und zu veröffentlichen.51 2. Moderne Prüfungsphilosophie und ganzheitlicher Prüfungsansatz Befördert durch die Haushaltsrechtsreform im Jahre 1970 mit der stärkeren Ausrichtung am Parlament und dessen Beratungsbedarf, entwickelte der Bundesrechnungshof auch seine Prüfungsphilosophie und seine Prüfungsansätze weiter. Die Prüfungstätigkeit wurde zukunftsorientierter, weniger einzelfallbezogen, eher querschnittlich und Fehlerstrukturen aufdeckend, vor allem aber aktuell und begleitend ausgerichtet.52 In seinem Bericht für die Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1996 hat Helmuth Schulze-Fielitz die tief greifenden Modifikationen der Prüfungsphilosophie treffend mit den Schlagworten umschrieben:53 – von der Beleg- zur Funktionsprüfung, – von der Vollzugs- zur Programmprüfung, – von der nachträglichen zur zukunftsorientierten begleitenden Kontrolle, – von der prüfenden Kritik zur Beratung. Aus dieser fortentwickelten Aufgaben- und Positionsbestimmung darf nicht geschlossen werden, die Prüfung der Belege, der Rechnungen und des Haushaltsvollzugs sei in den Hintergrund gerückt; sie ist und bleibt verfassungsrechtliche Pflichtaufgabe.54 Die modifizierte Prüfungsphilosophie hat in Deutschland – anders als international üblich55 – aber nicht dazu geführt, strikt zwischen klassischer Finanzkontrolle der Rechnungen und Belege sowie der Ordnungsmäßigkeit einerseits und gegenwartsnaher 50 Ggf. mit Zustimmung der betroffenen Ressorts, vgl. BWV-Richtlinie (Fn. 25), Nr. 3 S. 3. 51 Der BWV veröffentlicht eine eigene Schriftenreihe sowie weitere Gutachten und Berichte auch im Internet unter www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Bundesbeauftragter (BWV)“, „Ergebnisse“). 52 Vgl. Dieter Engels, Die Beratungsaufgabe der Rechnungshöfe (Fn. 29), S. 141 (146 ff.). 53 Vgl. Helmuth Schulze-Fielitz, Kontrolle der Verwaltung durch Rechnungshöfe, VVDStRL 55, S. 231 (245–250). 54 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Art. 114 GG Rn. 44. 55 International wird bei der Beschreibung der Aufgaben oberster Rechnungskontrollbehörden üblicherweise zwischen Financial Audits (Rechnungs-, Beleg- und Abschlussprüfungen), Performance Audits (Wirtschaftlichkeitsprüfungen) und Compliance Audits (Ordnungsmäßigkeitsprüfungen) unterschieden. Vgl. International Standards of Supreme Audit Institutions (ISSAI) unter www.issai.org.

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begleitender Wirtschaftlichkeitsprüfung andererseits zu unterscheiden. Der Bundesrechnungshof verfolgt vielmehr einen integrierten Prüfungsansatz, der – wenn immer möglich und sinnvoll – beide Elemente in einer Prüfung verbindet. So kann z. B. die Errichtung eines Gebäudes, die Beschaffung von Computern oder ein staatliches Förderprogramm unter Bedarfsund Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten geprüft werden; es liegt aber zugleich nahe, dabei auch die Ordnungsmäßigkeit der Auftragsvergabe, die Zahlungsabwicklung und die Rechnungslegung in die Prüfung einzubeziehen. Dieser integrierte, umfassende und zukunftsorientierte Prüfungs- und Beratungsansatz wird auch in den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes deutlich. Die einzelnen Bemerkungsbeiträge außerhalb eines „gesetzlichen Pflichtteils“, der die Prüfungsergebnisse zur Rechnungslegung und zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes behandelt,56 befassen sich gleichermaßen mit Fragen der Wirtschaftlichkeit wie der Ordnungsmäßigkeit und enden nicht mit der Fehlerbeschreibung, sondern mit konkreten Empfehlungen. Es wird zu zeigen sein, dass der Bundesrechnungshof und der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung die verschiedenen Ausprägungen ihres Beratungsmandates nutzen, um insbesondere das Parlament bei der Wahrnehmung seines Budgetrechts, aber auch Regierung und Verwaltung bei einem effizienten Verwaltungsmanagement wirksam zu unterstützen. IV. Schwerpunkte und Ergebnisse der Beratungstätigkeit In den Jahren 2010 bis 2012 hat der Bundesrechnungshof 172 Berichte, Stellungnahmen und Schreiben nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung überwiegend an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, seinen Rechnungsprüfungsausschuss und an Berichterstatter beider Gremien gerichtet; 7 Berichte nach § 99 Bundeshaushaltsordnung57 hat er an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung adressiert; 190 Stellungnahmen hat der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen oder Verwaltungsvorschriften und sonstigen Regelungen abgegeben. In durchschnittlich etwa 70 bis 100 Einzelbeiträgen berichtet der Bundesrechnungshof jährlich in seinen Bemerkungen nach § 97 56 Vgl. § 97 Abs. 2 Nr. 1 BHO; z. B. in den Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, S. 59–84. 57 Die Berichte nach § 99 BHO werden wie die Bemerkungen als Bundestagsdrucksachen veröffentlicht. Der Bundesrechnungshof publiziert beide auf seiner Homepage: www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Bemerkungen / Jahresberichte“ bzw. „Sonderberichte“).

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Bundeshaushaltsordnung58 über entlastungsrelevante Prüfungsergebnisse und formuliert dazu konkrete Vorschläge und gibt Empfehlungen. 1. Beratung des Parlaments Der Bundesrechnungshof sieht es als eine vorrangige Aufgabe an, insbesondere den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in allen Phasen des Haushaltskreislaufs mit gesicherten, regierungsunabhängigen Informationen unmittelbar und aktuell zu versorgen. Damit trägt er dazu bei, den natürlichen Informationsvorsprung der Regierung gegenüber dem Parlament zu verringern, und unterstützt das Parlament bei seinem Kontroll- und Gestaltungsauftrag als Haushaltsgesetzgeber. a) bei den Haushaltsberatungen Schon früh in der über 300-jährigen Geschichte der externen Finanzkontrolle in Deutschland war der Rechnungshof bei der Aufstellung des Staatshaushaltes beteiligt (siehe Abschnitt II.). Seine Einbindung sollte seine vertieften Kenntnisse der Verwaltung für die Aufstellung des Staatsbudgets nutzbar machen. Für den Bundesrechnungshof ist sie nicht nur historisch, sondern auch gegenwärtig ein wesentliches und prägendes Element seiner Beratungstätigkeit. Der von der Regierung eingebrachte Haushaltsentwurf wird federführend vom Haushaltsausschuss beraten.59 Die Entscheidungen zu den Einzelplänen werden jeweils in sogenannten „Berichterstattergesprächen“ vorbereitet. Für jeden Einzelplan werden Ausschussmitglieder als Vertreter der verschiedenen Fraktionen als Berichterstatter / Mitberichterstatter benannt. Sie erörtern unter der Leitung des Berichterstatters die einzelnen Positionen des Regierungsentwurfs mit dem Ressortminister / der Ressortministerin und dem Bundesfinanzministerium. An diesen Gesprächen nehmen regelmäßig für den jeweiligen Einzelplan zuständige Mitglieder des Bundesrechnungshofes teil. Der Bundesrechnungshof wird um Stellungnahme zu einzelnen Ansätzen, offenen Fragen oder aktuellen Prüfungserkenntnissen gebeten oder kann sich dazu äußern. Das gibt ihm Gelegenheit, den Parlamentariern im direk58 Zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes nach § 97 BHO und ihrem Wandel im Laufe der Zeit vgl. den Beitrag von Joachim Romers in dieser Festschrift. 59 § 95 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT), BGBl. I 1980 S. 1237; zuletzt geändert durch BGBl. I 2013 S. 548.

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ten persönlichen Kontakt Hinweise zu haushaltsrelevanten Schwachstellen in der Verwaltung zu geben oder Verbesserungen zu empfehlen. Auch besteht die Möglichkeit, die Berichterstatter über (noch) nicht umgesetzte Beschlüsse des Rechnungsprüfungsausschusses oder offene Berichtsbitten zu informieren. Den Abgeordneten können auch Ergebnisse aus noch laufenden Prüfungen mitgeteilt werden, wenn dies zweckmäßig erscheint.60 Der Bundesrechnungshof hat in dieser Phase auch die Chance, seine Hinweise und Empfehlungen, die die Regierung bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs nicht berücksichtigt hat,61 erneut einzubringen. Häufig bitten die Berichterstatter in diesen Gesprächen kurzfristig um Prüfung oder Beratung zu bestimmten Themen für die abschließende Behandlung des Einzelplans im Haushaltsausschuss. Der Bundesrechnungshof kommt diesen Bitten in aller Regel nach und nimmt dann meist schriftlich – hin und wieder auch mündlich, z. B. in Anhörungen – in Form eines „88er-Berichts“ Stellung. So hat er z. B. auf Bitten des Haushaltsausschusses bei den Beratungen zum Haushalt 2012 zum Abbaupfad des strukturellen Defizits nach der neuen verfassungsrechtlichen Schuldenbremse Stellung genommen; bei einer Anhörung des Haushaltsausschusses zum Nachtragshaushalt 2012 äußerte er sich zur strukturellen Konsolidierung und zur Einhaltung der Kreditobergrenze im Nachtragsentwurf 2012.62 2011 informierte er die Berichterstatter für den Einzelplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Folgen der Aussetzung des Zivildienstes für den Bundeshaushalt. Diese (wenigen) Beispiele aus jährlich etwa 30 bis 40 mündlichen und schriftlichen Beratungsfällen im Haushaltsaufstellungsverfahren zeigen, dass der Bundesrechnungshof in dieser Phase der parlamentarischen Haushaltsberatungen als Informant und Berater eng eingebunden ist. Nach Abschluss der Berichterstattergespräche folgt die Beratung der Einzelpläne im Plenum des Haushaltsausschusses. Dabei werden in der Regel nur noch die Ansätze verhandelt, die aus politischen Gründen – oder weil noch inhaltliche Fragen offengeblieben sind – der Beratung im Ausschuss vorbehalten werden. Der Ausschuss behandelt die Einzelpläne der Ressorts in Anwesenheit der Ministerin / des Ministers. Der Bundesrechnungshof ist durch seine zuständigen Mitglieder vertreten. Sowohl in der Beratung zum jeweiligen Einzelplan als auch in der die Ausschussberatungen zum Gesamthaushalt abschließenden „Bereinigungssitzung“ werden regelmäßig 60

§ 96 Abs. 1 S. 2 BHO. Siehe Abschnitt IV.2.a). 62 Zu Fragen der Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes im Zusammenhang mit der neuen verfassungsrechtlichen Schuldenregel vgl. den Beitrag von Dieter Hugo in dieser Festschrift. 61

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Fragen an den Bundesrechnungshof gerichtet. Nicht selten wird er – etwa zu haushaltsrechtlichen Fragen oder bei kontroversen Sachverhalten – spontan um gutachtliche mündliche Äußerung gebeten. Andererseits bietet sich dem Bundesrechnungshof in der abschließenden Beratung des jeweiligen Einzelplans und in der „Bereinigungssitzung“ letztmalig die Chance, Bedenken und Anregungen vorzubringen. Für die Beratungen zum Haushalt 2012 hat der Bundesrechnungshof erstmals verschiedene Einzelplanentwürfe analysiert. Ziel dieser Analysen ist es, die Parlamentarier bei den Haushaltsberatungen nicht nur von Fall zu Fall, sondern mit einer einheitlich strukturierten schriftlichen Beratungsunterlage zu unterstützen. Sie soll auf wenigen Seiten regierungsunabhängig einen Überblick über Struktur, Schwerpunkte und Entwicklungen des Einzelplans in den vergangenen zwei Jahren sowie bis zum Ende des Finanzplanungszeitraums geben. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Berichte gemäß § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung finden seit dem Jahre 2011 als sogenannte Einzelplanbemerkung auch Eingang in die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes.63 b) im Haushaltsvollzug Beratung und Unterstützung des Haushaltsausschusses – in einzelnen Fällen auch anderer Ausschüsse (z. B. Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Finanzausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie) – enden nicht mit der Verabschiedung des Haushalts im Deutschen Bundestag. Obwohl der Haushaltsvollzug im Rahmen des verabschiedeten Haushalts der Exekutive obliegt, wird er vom Haushaltsausschuss intensiv begleitet. Der Ausschuss nimmt kontrollierend Einfluss und bedient sich dabei der in der Bundeshaushaltsordnung und im Haushaltsgesetz niedergelegten oder in langjähriger Parlamentspraxis herausgebildeten Möglichkeiten.64 An allen Sitzungen des Haushaltsausschusses nimmt ein Mitglied des Bundesrechnungshofes als ständiger Vertreter teil. Es beantwortet Fragen, nimmt Stellung oder gibt Prüfungs- und Beratungsbitten des Ausschusses an die zuständigen Kollegien weiter. Die Kollegien informieren das Mitglied über für einzelne Tagesordnungspunkte relevante Prüfungs- und Beratungsergebnisse mündlich oder schriftlich, damit es in den Ausschusssitzungen auskunftsfähig ist. Stehen Berichte des Bundesrechnungshofes zur Beratung 63

Vgl. den Beitrag von Joachim Romers in dieser Festschrift. Vgl. Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Berlin 1989, S. 1183 ff. 64

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an oder wird auf solche Bezug genommen, ist regelmäßig das Fachkollegium in der Sitzung vertreten, bei besonders bedeutenden Berichten, Fragestellungen oder Beratungsthemen auch Präsident oder Vizepräsident als Mitglied des jeweils zuständigen Dreierkollegiums. Der Bundesrechnungshof begleitet die Sitzungen aber nicht nur reaktiv. Er unterstützt den Ausschuss mit aktuellen Informationen und Empfehlungen zu anstehenden Tagesordnungspunkten oder Entscheidungen. In den Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 hat der Bundesrechnungshof z. B. in mehreren Berichten und Anhörungen auf Auswirkungen und Risiken der Maßnahmen zur Finanzmarkt- und Eurostabilisierung auf den Bundeshaushalt hingewiesen. Ein besonderes Problem hat er darin gesehen, dass der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM65 zunächst über keine internationalen Standards genügende externe Finanzkontrolle verfügte.66 Einen weiteren Schwerpunkt der Beratung bildete die Umsetzung der Finanzhilfen des Bundes nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz67 an Länder und Kommunen zur Belebung der Wirtschaft nach der Bankenkrise. Der Bundesrechnungshof hat in mehreren „88er-Berichten“ dem Ausschuss zum Mittelabfluss, zur konjunkturellen Wirksamkeit der Maßnahmen und zu Problemen der Umsetzung der Finanzhilfen im Bereich der Länder und Kommunen berichtet.68 Weitere aktuelle Berichtsthemen waren z. B. das Liquiditäts- und Anlagenmanagement der Deutschen Rentenversicherung oder der „Goldbericht“ zur Bestandserfassung, Bilanzierung und Lagerung der Goldreserven der Deutschen Bundesbank. Erheblichen Raum bei den Beratungen des Ausschusses nehmen Anträge auf Einwilligung in die Aufhebung qualifizierter Sperren69 ein, über die der Haushaltsausschuss – für den Deutschen Bundestag – entscheidet. Qualifizierte Sperren bringt er häufig bei finanziell bedeutenden Projekten aus, deren Etatreife bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts noch nicht abschließend beurteilt werden kann. Er sichert sich dadurch ein Mitspracherecht im Haushaltsvollzug. Klassische Beispiele sind militärische oder inf65 European Stability Mechanism, Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 27. September 2012. 66 Vgl. dazu den Beitrag von Ulrich Graf in dieser Festschrift. 67 Gesetze zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland, Art. 7: Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz – ZuInvG) vom 2. März 2009, BGBl. I 2009 S. 428. 68 Diese und die weiteren beispielhaft erwähnten Berichte nach § 88 Abs. 2 BHO an den Haushaltsausschuss sind nicht öffentlich. Die wesentlichen Ergebnisse und Empfehlungen aus den Prüfungen zur konjunkturellen Wirksamkeit der Maßnahmen der Bundesregierung im Rahmen des Konjunkturpaketes II sind in den Bemerkungen 2010, Weitere Prüfungsergebnisse, BT-Drs. 17 / 5350, Nr. 1, zusammengefasst. 69 § 22 S. 3 i. V. m. § 36 S. 2 BHO.

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rastrukturelle Großprojekte, Ausgaben für IT-Ausstattung und Öffentlichkeitsarbeit. Hatte der Bundesrechnungshof im Haushaltsaufstellungsverfahren die Ausbringung einer qualifizierten Sperre empfohlen, so nimmt er in der Regel auch zu einer entsprechenden Entsperrungsvorlage der Regierung Stellung. Eine weitere Besonderheit der Beteiligung des Haushaltsausschusses im Haushaltsvollzug sind die sogenannten „25 Millionen Euro-Vorlagen“. Aufgrund einer 1981 zwischen den Obleuten der Fraktionsarbeitsgruppen im Haushaltsausschuss mit Zustimmung der Bundesregierung getroffenen Vereinbarung werden alle Regierungsabkommen mit Verpflichtungen ab 25 Millionen Euro, ferner alle (Beschaffungs-)Verträge, die vom Bundesverteidigungsministerium mit Verpflichtungen ab diesem Betrag geschlossen und aus Rüstungskapiteln des Verteidigungshaushaltes finanziert werden, vorab dem Haushaltsausschuss zur Befassung vorgelegt.70 Da es sich dabei häufig um größere Rüstungsvorhaben, langfristige Beschaffungsverträge oder umfangreiche Entwicklungsvorhaben handelt, die vom Bundesrechnungshof begleitend geprüft werden, informiert er die Berichterstatter zur Beratung der Vorlagen über seine Erkenntnisse. Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 überwacht ein parlamentarisches Kontrollgremium gemäß § 10a Finanzmarktstabilisierungs- und § 16 Restrukturierungsfondsgesetz71 die Maßnahmen des Bundes zur Bankenrettung und Finanzmarktstabilisierung. Das geheim tagende Gremium berät über einzelne Stabilisierungsmaßnahmen, Beteiligungen an Banken und langfristige Entwicklungen der Finanzmarktstabilisierung, der Bankenaufsicht und damit im Zusammenhang stehende europäische Fragen. Der Bundesrechnungshof ist bei den Sitzungen des Gremiums regelmäßig durch ein zuständiges Mitglied vertreten. Es unterrichtet und berät das Kontrollgremium schriftlich und mündlich aufgrund von Erkenntnissen, die der Bundesrechnungshof bei der Prüfung von Stabilisierungsmaßnahmen bei begünstigten Instituten und ihrer Abwicklung und Steuerung durch die Finanzmarktstabilisierungsanstalt und das Bundesfinanzministerium gewonnen hat.72

70 Vgl. Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 64), S. 1207. 71 Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz – FMStFG) vom 17. Oktober 2008, BGBl. I 2008 S. 1982; zuletzt geändert am 13. Februar 2013, BGBl. I 2013 S. 174. Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG) vom 9. Dezember 2010, BGBl. I 2010 S. 1900, 1921; zuletzt geändert am 20. Dezember 2012, BGBl. I 2012 S. 2777. 72 Zu Einzelheiten siehe den Beitrag von Ulrich Graf in dieser Festschrift.

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c) im Entlastungsverfahren Mit dem Entlastungsverfahren schließt sich der Haushaltskreislauf. Das Bundesfinanzministerium leitet die Haushalts- und die Vermögensrechnung mit dem Antrag auf Entlastung der Bundesregierung im Mai des Folgejahres Bundestag und Bundesrat zu. Die Beratung dieses Antrags erfolgt jedoch erst, wenn der Bundesrechnungshof im November seine Bemerkungen73 vorgelegt hat. Beide Vorlagen werden vom Bundestag an den Haushaltsausschuss überwiesen, der sie seinerseits an seinen Rechnungsprüfungsausschuss zur eigentlichen Beratung weiterleitet.74 Nach Abschluss der Beratungen der Einzelbeiträge verabschiedet der Rechnungsprüfungsausschuss Empfehlungen an die Bundesregierung, die in der Regel die Vorschläge und Forderungen des Bundesrechnungshofes zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns aufgreifen. Die Empfehlungen bilden die Grundlage für die Entlastungsentscheidung des Deutschen Bundestages; die Bundesregierung wird aufgefordert, sie umzusetzen. Das verdeutlicht, dass es auch bei der Berichterstattung des Bundesrechnungshofes im Entlastungsverfahren nicht um Vergangenheitsbewältigung, sondern um Gestaltung für die Zukunft geht. d) bei der Gesetzgebung Das Beratungsmandat von Bundesrechnungshof und Bundesbeauftragtem für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung75 erstreckt sich auch auf die Gesetzgebung des Bundes. Dabei haben sie sich eigener politischer Bewertungen zu enthalten. Gestützt auf die dem Bundesrechnungshof in § 97 Absatz 2 Nummer 4 Bundeshaushaltsordnung übertragene Aufgabe, Empfehlungen für die Zukunft zu formulieren, greift der Bundesrechnungshof auch Erkenntnisse aus seiner Prüfungstätigkeit zur Gesetzesanwendung auf, wenn sie zeigen, dass ein Gesetz nicht zu den vom Gesetzgeber gewünschten Wirkungen geführt hat oder auf unzutreffenden Annahmen beruht. Das Parlament hat den Bundesrechnungshof zudem ausdrücklich aufgefordert, über Prüfungsergebnisse zu berichten, die für anstehende Gesetzesvorhaben von Bedeutung sind.76 Dieser Aufforderung kommt der Bundesrechnungshof z. B. in seinen Bemerkungen regelmäßig nach. Insbesondere im Bereich der Steuergesetzge73 74 75 76

§ 97 BHO. Vgl. den Beitrag von Joachim Romers in dieser Festschrift. BWV-Richtlinie (Fn. 25), Nr. 2 S. 2. Vgl. z. B. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012 (Fn. 56), S. 7.

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bung zeigen seine Prüfungsergebnisse immer wieder Regelungslücken, vom Gesetzgeber nicht gewollte Steuerbegünstigungen oder steuerliche Ungleichbehandlungen auf. So weist der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen 2012 auf die unterschiedliche Besteuerung von Zuschlägen für Kindererziehungszeiten bei Pensions- und bei Rentenbeziehern hin und informiert den Gesetzgeber über eine durch Zeitablauf fraglich gewordene steuerliche Privilegierung des Anpassungsgeldes im Steinkohlenbergbau.77 In Berichten nach § 99 Bundeshaushaltsordnung monierte der Bundesrechnungshof Besteuerungslücken bei Land- und Forstwirten78 und unterbreitete Vorschläge für eine künftige Ausgestaltung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes.79 In seinem Gutachten zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung hat sich der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung dafür ausgesprochen, die Bund-Länder-Beziehungen verfassungsrechtlich in wichtigen Bereichen neu zu ordnen und das föderative Potenzial wiederzubeleben.80 In einem weiteren Gutachten über „Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und der Pflege des Normenbestandes“81 hat er konkrete Empfehlungen zur Befristung von Gesetzen, zur Gesetzesevaluation sowie zur Umsetzung von europäischem in nationales Recht gegeben. Zunehmend wird der Bundesrechnungshof auch als Sachverständiger zu öffentlichen Anhörungen im Zusammenhang mit Gesetzgebungsverfahren eingeladen. So war er 2012 als Sachverständiger zu einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales über einen Gesetzentwurf zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung geladen. Im gleichen Jahr nahm ein zuständiges Mitglied an einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses zum Entwurf des Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes82 teil. Weitere Anhörungen mit Beteiligung des Bundesrechnungshofes fanden zu den Themen neue Schuldenregel im Grundgesetz und Abbaupfad des strukturellen Defizits oder zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen im Rahmen Öffentlich-Privater-Partnerschaften statt.

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Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nr. 85 und 86. BT-Drs. 17 / 8428. 79 BT-Drs. 17 / 2290. 80 Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 46). 81 Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung und der Pflege des Normenbestandes, Stuttgart 2010. 82 BT-Drs. 17 / 8343. 78

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2. Beratung der Regierung Die Reform des Haushaltsrechts (siehe Abschnitt II.1.) hat den Bundesrechnungshof nicht nur näher an das Parlament herangerückt. Sie hat auch nachhaltige Impulse gesetzt für seine Beiträge zur Verbesserung des Verwaltungsmanagements des Bundes. Dies hat dazu beigetragen, das Bild des Bundesrechnungshofes auch im Verhältnis zur Verwaltung zu verändern. Er wird auch dort als Berater und Ratgeber wahrgenommen, dessen übergreifende Kenntnisse unterschiedlicher Strukturen, Verfahren und Prozesse im Sinne eines „Best Practice“ für die Verwaltung nutzbar gemacht werden können. a) bei der Haushaltsaufstellung Um vorhandene Prüfungserkenntnisse und Prüfungserfahrungen des Bundesrechnungshofes schon für die Aufstellung des Regierungsentwurfes zum Haushaltsplan nutzbar zu machen, – ein Gedanke, der bis ins Jahr 1723 zurückreicht83 – verpflichtet § 27 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung die Ressorts, ihre Voranschläge, die sie dem Bundesfinanzministerium zuleiten, auch dem Bundesrechnungshof zu übersenden. Der Bundesrechnungshof prüft die Voranschläge auf Schlüssigkeit und Plausibilität der zugrunde liegenden Annahmen und anhand eigener Prüfungserkenntnisse. Er kann zu den Voranschlägen Stellung nehmen. Darüber hinaus macht er von der Möglichkeit Gebrauch, Prüfungsergebnisse von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung dem Bundesfinanzministerium mitzuteilen,84 damit es sie schon bei den Haushaltsverhandlungen mit den Ressorts berücksichtigen kann. Mit dem bei der Aufstellung des Regierungsentwurfs 2012 erstmals angewendeten Top-down-Verfahren,85 statt des bisher üblichen Bottom-upVerfahrens, haben die Verhandlungen der Ressorts mit dem Bundesfinanzministerium über die Haushaltsvoranschläge, an denen regelmäßig auch der Bundesrechnungshof teilnimmt, an Bedeutung verloren. Denn maßgebliche Grundlage für die regierungsinterne Aufstellung des Bundeshaushalts ist nunmehr ein Eckwertebeschluss des Bundeskabinetts, in dem verbindliche Ausgabenplafonds für die Aufstellung der Einzelpläne der Bundesministerien festgeschrieben werden. Der Verhandlungscharakter zwischen dem 83

Vgl. Abschnitt II. Vgl. § 96 Abs. 2 BHO. 85 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), So entsteht der Bundeshaushalt, Berlin 2011, www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Themen“, „öffentliche Finanzen“, „Bundeshaushalt“). 84

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Bundesfinanzministerium und den Ressorts ist in diesem Stadium deutlich reduziert. Er hat sich vor den Eckwertebeschluss verlagert. Für den Bundesrechnungshof bedeutet dieser Paradigmenwechsel: Will er in wesentlichen Fragen Einfluss auf die Haushaltsaufstellung nehmen, muss er seine Hinweise und Empfehlungen rechtzeitig vor der Entscheidung über den Eckwertebeschluss an die Regierung herantragen. Das geeignete Instrument hierfür sind Beratungsberichte nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung. Prüfungserkenntnisse bereits bei der Haushaltsaufstellung der Exekutive einbringen zu können, kann die Wirksamkeit der externen Finanzkontrolle enorm erhöhen, wird doch von Anfang an verhindert, dass Mittel zur Verfügung gestellt werden, die nicht benötigt werden oder deren Verwendung erkennbar unwirtschaftlich wäre. b) zur Verbesserung des Verwaltungsmanagements Die integrierte Prüfung komplexer Verwaltungsverfahren, des Programmund Finanzmanagements der öffentlichen Hand, großer Infrastrukturinvestitionen und der administrativen Umsetzung politischer Entscheidungen stellt hohe Anforderungen an Rechnungshöfe. Dem muss sich die externe Finanzkontrolle stellen, indem sie nicht nur Einzelfälle in den Blick nimmt, sondern querschnittlich und systemisch prüft und der Verwaltung umsetzbare Hinweise und Empfehlungen für ein besseres Vorgehen und bessere Ergebnisse liefert. Ein Instrument, um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind beim Bundesrechnungshof insbesondere die sogenannten Querschnittsprüfungen. Sie zielen darauf ab, durch Vergleich einer repräsentativen Auswahl betroffener Stellen übergreifende Erkenntnisse über das Verwaltungshandeln in einem Aufgabenbereich zu gewinnen.86 Adressat der Ergebnisse dieser Prüfungen ist vor allem die Verwaltung selbst. Bedeutende Ergebnisse werden in „88er-Berichten“ an die federführenden Ministerien oder an die Bundesregierung gerichtet. Gegenüber Wissenschafts- oder Auftragsberatung hat der Bundesrechnungshof dabei den Vorteil, dass er seine Erkenntnisse unmittelbar vor Ort in der Verwaltung durch persönliche Inaugenscheinnahme, Interviews und Akteneinsicht der Prüferinnen und Prüfer sowie der Kollegien gewinnt. Insbesondere in zwei Abteilungen des Bundesrechnungshofes beschäftigen sich Prüfungsgebiete mit ressortübergreifenden Prüfungs- und Beratungsthemen. So hat sich das Prüfungsgebiet „Verwaltungsmodernisierung, 86 § 18 Abs. 4 Prüfungsordnung (PO-BRH); abgedruckt in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 36), Abschnitt VI / 3.

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Wirtschaftlichkeit, Rechtsbereinigung und -vereinfachung“ in den vergangenen Jahren schwerpunktmäßig mit den Ansätzen und Programmen der Bundesregierung zur Verwaltungsmodernisierung im Bundesbereich befasst. Berichte behandelten Themen wie Leitbilder und Zielvereinbarungen, Qualitätsmanagement, Risikomanagement oder Kundenorientierung in der Bundesverwaltung. Weitere Schwerpunkte der prüfungsgestützten Beratungstätigkeit bilden das Beschaffungs- und Vergabewesen, Empfehlungen zur Internen Revision, aber auch Themen zur Prävention und Bekämpfung von Korruption sowie zum Einsatz externer Berater und externer Personen in der Bundesverwaltung. Das für „Informations- und Kommunikationstechnik“ zuständige Prüfungsgebiet hat Verbesserungspotenziale bei der Umsetzung von IT-Großprojekten aufgezeigt, Empfehlungen zur Sicherung der Softwarequalität bei IT-Vorhaben der Bundesverwaltung gegeben oder Kriterien zur Aussonderung und Verwertung von IT-Altgeräten und Software formuliert. Das für „Organisation“ zuständige Prüfungsgebiet hat Bundesministerien und Bundesregierung zu Fragen des Projektmanagements und des Projektcontrollings, den Auswirkungen elektronischer Medien in Bundesbehörden oder zur geschäftsprozessorientierten Aufgabenwahrnehmung in der Bundesverwaltung beraten. Die vielfältigen Erkenntnisse und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes aus Prüfungs- und Beratungsverfahren sind für die Öffentlichkeit grundsätzlich nicht zugänglich. Der Bundesrechnungshof teilt sie regelmäßig den geprüften Stellen, in finanziell bedeutenden Angelegenheiten dem Bundesfinanzministerium87 und dem Parlament mit. Seit einigen Jahren stellt er wichtige Erkenntnisse aus Querschnittsprüfungen, die über den Prüfungsund Erhebungsbereich hinaus für die Verwaltung hilfreich sein können, in das Intranet des Bundes ein und macht sie so der ganzen Bundesverwaltung zugänglich. Um wichtige grundsätzliche oder allgemeingültige Erkenntnisse und Empfehlungen seiner Prüfungs- und Beratungstätigkeit auch für eine interessierte (Fach-)Öffentlichkeit außerhalb der Bundesverwaltung erschließbar zu machen, veröffentlicht der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung eine eigene Schriftenreihe; sie besteht derzeit aus 18 Bänden.88 Diese Schriftenreihe wird seit dem Jahre 2013 um eine Sammlung „Leitsätze der externen Finanzkontrolle“ ergänzt. Beide werden auch im Internet veröffentlicht.89 Bundesrechnungshof und Bundesbeauftragter wir87 88 89

§ 96 Abs. 1 und 2 BHO. Unter Beachtung von Nr. 3 S. 3 der BWV-Richtlinie (Fn. 25). www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Bundesbeauftragter-BWV“).

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ken bei der Erstellung von Schriftenreihe und Leitsatzsammlung eng zusammen, um adressatengerecht einen möglichst hohen Nutzen ihrer Beratungstätigkeit für viele unterschiedliche Interessenten zu schaffen. Die Leitsätze richten sich vorrangig an Entscheider in der Verwaltung und sollen ihnen Hilfe und Orientierung in konkreten Entscheidungssituationen sein. Sie sollen präventiv dazu beitragen, Fehler zu vermeiden – auch indem sie informieren, anhand welcher Kriterien der Bundesrechnungshof das Verwaltungshandeln prüft. Die bislang veröffentlichten Leitsätze befassen sich z. B. mit grundlegenden Empfehlungen zur Aus- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Korruptionsprävention, mit der internen Revision als Steuerungsinstrument der Behördenleitung, der Verwertung ausgesonderter Vermögensgegenstände oder mit Fragen des Zuwendungsrechts. c) bei der Normgebung Auch bei der Gesetzesvorbereitung und Normgebung durch die Bundesregierung kommen dem Bundesrechnungshof und dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung wichtige Beratungsaufgaben zu. Der Bundesrechnungshof ist über zentrale haushaltsrelevante Entscheidungen der Verwaltung, etwa über normative, organisatorische oder sonstige Maßnahmen von erheblicher finanzieller Tragweite, unverzüglich zu unterrichten; er kann sich jederzeit dazu äußern (§ 102 Bundeshaushaltsordnung). Die Bestimmung gehört zu einer Reihe von Vorschriften, nach denen die externe Finanzkontrolle über Maßnahmen zu unterrichten oder im Vorfeld anzuhören ist.90 Häufige Unterrichtungsfälle sind Änderungen bei Beteiligungen des Bundes (§ 102 Absatz 1 Nummer 3 Bundeshaushaltsordnung), die Einrichtung oder Auflösung von Verwaltungen oder Regelungen zu Akkreditierungsstellen. Vor dem Erlass von Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung ist der Bundesrechnungshof anzuhören (§ 103 Bundeshaushaltsordnung).91 Hauptanwendungsfälle sind neben diesen Verwaltungsvorschriften Zuwendungsrichtlinien. Besondere Bedeutung hat auch das Anhörungsrecht bei Änderungen von Finanzvorschriften internationaler Organisationen, an denen der Bund beteiligt ist (§ 103 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung). So hat 90 Vgl. Oliver Sievers, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Mai 2011, § 102 BHO. Weitere Anhörungs- oder Unterrichtungsverpflichtungen ergeben sich z. B. aus § 56 Abs. 1 und 2 HGrG sowie § 69 BHO. 91 Handelt es sich um Fälle, die in den §§ 44 Abs. 1, 73 Abs. 1, 74 Abs. 2, 79 Abs. 4 und 5 BHO geregelt sind, ist das Einvernehmen des Bundesrechnungshofes erforderlich.

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der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen 2000 auf erhebliche Einschränkungen dieses Anhörungsrechts mit der Folge möglicher finanzieller Nachteile für den Bund hingewiesen.92 Auch die Änderung von Rechnungslegungs- und Rechnungsprüfungsvorschriften supranationaler Rüstungsagenturen ist häufig Gegenstand von Anhörungs- und Beteiligungsverfahren. Es ist dem Bundesrechnungshof darüber hinaus unbenommen, sich zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen gegenüber der Bundesregierung oder einzelnen Ressorts – etwa im Rahmen der Ressortabstimmung – beratend zu äußern (gemäß § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung), wenn ihm sachdienliche Prüfungserkenntnisse oder Prüfungserfahrungen vorliegen. Losgelöst von dieser anlassbezogenen Beratungstätigkeit bei von der Exekutive initiierten Normsetzungsverfahren analysiert der Bundesrechnungshof selbstständig Rechtsetzungsmaßnahmen und Rechtsgebiete im Hinblick auf Handlungsindikationen. Auf solche beratend hinzuweisen, kann z. B. angezeigt sein, wenn Gesetze mit vermeidbarem Verwaltungsaufwand verbunden sind, angestrebte Ziele nicht oder nicht mehr erreicht werden oder wenn die sachlichen Grundlagen sich geändert haben. Schwerpunkte seiner diesbezüglichen Beratungstätigkeit sind z. B. die Rechtsbereinigung und aktuell das Gebührenrecht und das Verwaltungskooperationsrecht des Bundes. So hat der Deutsche Bundestag 2013 das „Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes“93 beschlossen. Dadurch wird das bisher in weit über 200 Gesetzen und Rechtsverordnungen stark zersplitterte heterogene Verwaltungsgebührenrecht des Bundes vereinheitlicht und damit transparenter und insgesamt weniger verwaltungsaufwendig gestaltet. Einen wesentlichen Anstoß zu dieser Reform gab der Bundesrechnungshof mit zahlreichen Prüfungsmitteilungen, Beratungsberichten und Bemerkungen.94 Auch die Ressortabstimmung zum Gesetzgebungsverfahren hat er eng begleitet. Zu den Beratungsaufgaben des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zählt die Mitwirkung bei der Erarbeitung von Gesetzen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften durch die Bundesregierung.95 Nach der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien ist der Bundesbeauftragte grundsätzlich immer und so frühzeitig zu beteiligen, dass ihm eine sachgerechte Befassung mit den Entwürfen möglich ist. Seine eventuell abweichende Meinung ist in der Kabinettvorlage anzugeben.96 92

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2000, BT-Drs. 14 / 4226, Nr. 15. BT-Drs. 17 / 10422, 17 / 12722. 94 Vgl. BT-Drs. 17 / 10422, S. 85, 101, 226, 229. 95 Vgl. BWV-Richtlinien (Fn. 25), Nr. 2 S. 2. 96 Vgl. § 45 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4, § 51 Nr. 4 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vom 1. September 2011, GMBl. 29 / 2011 S. 576. 93

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Die Befassung konzentriert sich zum einen darauf zu beurteilen, ob die Gesetzesbegründung, die Angaben zur Gesetzesfolgenabschätzung und Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen den formalen Anforderungen insbesondere der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien entsprechen. Es werden zum anderen aber auch materiell-inhaltliche Fragen untersucht, etwa ob die Ziele des Gesetzes klar und widerspruchsfrei definiert werden, das Gesetz geeignet und erforderlich ist, um diese Ziele zu erreichen, die Annahmen und Berechnungen der finanziellen Auswirkungen vollständig und plausibel sind und beabsichtigte und unbeabsichtigte Wirkungen bedacht wurden. Der Bundesbeauftragte stützt sich dabei auf vorhandene Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes, in Ausnahmefällen auch auf eigene Erhebungen; er kann auch wissenschaftliche und sonstige Erkenntnisse heranziehen.97 Insgesamt bindet die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung bei der exekutiven Normsetzung eng ein.98 Professor Dr. Dieter Engels hat in seiner Amtszeit als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung diese Einbindung in die Gesetzgebungstätigkeit der Exekutive erheblich ausgebaut und eigens zu diesem Zweck eine Servicestelle eingerichtet. Sein Ziel war es, die reichlich vorhandenen Prüfungserkenntnisse und Prüfungserfahrungen des „Hofes“ und seiner Mitglieder für die Beratung der Ressorts und der Bundesregierung bei der Gesetzesvorbereitung nutzbar zu machen. Deshalb hat er die Mitglieder gebeten, ihn zu unterstützen und seine Beteiligungsrechte als Bundesbeauftragter in der Regel in seinem Auftrag wahrzunehmen. V. Grenzen der Beratung Gegen die Beratung durch Rechnungshöfe werden seit jeher in der Literatur Vorbehalte geltend gemacht.99 Nicht zuletzt Betroffene äußern sich kritisch. Unter Hinweis darauf, dass der Bundesrechnungshof seine späteren Kontrollaufgaben durch vorgängige Beratung beeinträchtigen könnte, empfiehlt z. B. der ehemalige Erste Direktor der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg dem Bundesrechnungshof mehr Zurückhaltung und 97 Vgl. Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: November 2007, Abschnitt VI / 7 (BWV-RL), Rn. 7. 98 Vgl. Thomas Franz, Der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, DÖV 2008, S. 1046. 99 Vgl. z. B. Kay Waechter, Geminderte demokratische Legitimation staatlicher Institutionen im parlamentarischen Regierungssystem, 1994, S. 224 ff.; Andreas Reus / Peter Mühlhaus, Die Beratungsaufgabe der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Verwaltungsrundschau 2011, S. 8 (9 f.).

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Selbstbescheidung bei der Beratung.100 Von Kritikern wird im Wesentlichen eingewandt, eine unabhängige nachgängige Kontrolle als Kernaufgabe eines Rechnungshofes könne beeinträchtigt sein, wenn er im Wege der Beratung an später zu prüfenden Entscheidungen mitgewirkt habe.101 Weiterhin wird die Gefahr gesehen, die Beratungstätigkeit greife unzulässig in den Kernbereich der Exekutive102 und der Legislative ein, wenn sie schon bei der Entscheidungsvorbereitung durch die Regierung einsetze und aufseiten des Parlaments die dortige Entscheidungsfindung beeinflusse. Die Einbindung in politische Entscheidungsprozesse gehöre nicht zu den Aufgaben eines Rechnungshofes.103 Auch international wird die Ausweitung des Funktionsspektrums von Rechnungshöfen auf Beratungsaufgaben teilweise kritisch beurteilt. Der Europäische Rechnungshof etwa ist zurückhaltend mit sogenannten begleitenden Prüfungen und darauf aufbauender Beratung. Die Deklaration von Lima grenzt die Beratungsaufgabe dahingehend ein, dass ihre Wahrnehmung die neutrale Prüfung exekutiver Entscheidungen nicht beeinträchtigen darf.104 Der Bundesrechnungshof ist sich dieser Risiken und der sich daraus ergebenden Grenzen seiner Beratungstätigkeit bewusst. Ihre Beachtung kommt nicht selten einer Gratwanderung gleich und erfordert Zurückhaltung, um die Grenzen zur faktischen Mitentscheidung nicht zu überschreiten. Begleitende, zeitnahe Prüfungen setzen deshalb immer erst dann ein, wenn die Verwaltung zumindest Teil-Entscheidungen getroffen hat, die für sich betrachtet geprüft und beurteilt werden können. Die Entscheidungen selbst trifft die Verwaltung stets eigenverantwortlich. Große Investitionsvorhaben bestehen aus einer Vielzahl aufeinander aufbauender Entscheidungen. So hängen z. B. Größe und Investitionssumme eines Bauvorhabens entschei100 Vgl. Gero-Falk Bormann, Finanzmarktkrise – Vermögensmanagement – Kontrolle – Budgethoheit, RVaktuell 2012, S. 75. 101 Vgl. Franz Knöpfle, in: Hans Herbert v. Arnim, Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989, S. 313, unter Bezugnahme auf den früheren Vizepräsidenten des Bayerischen Obersten Rechnungshofes, Hans Reger, der auf die Gefahr hingewiesen habe, dass sich der Rechnungshof durch ausgedehnte Beratung vorzeitig festlegen könnte; Sabine Dahm, Das neue Steuerungsmodell auf Bundes- und Länderebene sowie die Neuordnung der öffentlichen Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2004, S. 271; Holger Miß, Die Unabhängigkeit von Rechnungshof und Abschlussprüfern vor dem Hintergrund paralleler Prüfung und Beratung, Baden-Baden 2006, S. 62 ff. 102 Vgl. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, München 1980, S. 431 f. 103 Vgl. Hans Blasius, Die Aufgaben der Rechnungshöfe im Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Beratung, NWVBl. 1997, S. 368. 104 Vgl. § 12 Nr. 1 S. 3 International Standards for Supreme Audit Institutions (ISSAI) 1 „Deklaration von Lima“ (Fn. 33).

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dend vom zu deckenden Raumbedarf ab. Die Entscheidung der Verwaltung über den Raumbedarf als Grundlage für die Bauplanung kann der Bundesrechnungshof – unabhängig von den daran anknüpfenden Folgeentscheidungen – uneingeschränkt prüfen und beurteilen. Die Prüfung kann Erkenntnisse liefern, die bei Folgeentscheidungen noch berücksichtigt werden können, ohne an der Entscheidung teilzuhaben. Nur so ist es möglich, Parlament und Verwaltung frühzeitig zu informieren, wenn finanzielle Risiken drohen, die noch abgewendet werden können. Es bleibt der Verwaltung und den Parlamentariern überlassen, welche Schlussfolgerungen sie aus den Informationen und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes ziehen. Mit gutem Grund ist der Bundesrechnungshof nicht mit Exekutivbefugnissen ausgestattet, sodass die Adressaten seiner Beratungstätigkeit frei bleiben, sich zu entscheiden und dafür die Verantwortung zu übernehmen haben. Mit den Erwartungen von Parlament, Regierung und nicht zuletzt der Öffentlichkeit an eine moderne externe Finanzkontrolle wäre es allerdings nicht vereinbar, Investitions- oder Beschaffungsvorhaben, Forschungsprogramme oder umfangreiche Organisationsmaßnahmen, die sich zum Teil über viele Jahre hinziehen, erst nach deren vollständiger Umsetzung zu prüfen, mit anderen Worten: wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Aktuelle Beispiele wie „Stuttgart 21“ oder das Rüstungsprojekt „Euro Hawk“ zeigen, dass Prüfungs- und Beratungsgegenstände des Bundesrechnungshofes von erheblicher politischer Relevanz sein können. In solchen Fällen ist es nicht zu vermeiden, dass seine Erkenntnisse und Empfehlungen in der politischen Auseinandersetzung verwendet werden. Das geht nicht selten einher mit dem Vorwurf, der Bundesrechnungshof mische sich politisch ein. Ein solcher Vorwurf verkennt, dass sich der Bundesrechnungshof konsequent politischer Bewertungen und Empfehlungen enthält. Seit Jahren weist er in seinen Bemerkungen auf diesen in seiner Prüfungsordnung verankerten Grundsatz105 hin. Entscheidungen innerhalb des geltenden Rechts hat der Bundesrechnungshof zu akzeptieren. Auch im Rahmen seines Beratungsmandats steht es ihm nicht zu, sie zu bewerten. Er kann aber prüfen und berichten, ob die zugrunde liegenden Sachverhalte und Annahmen zutreffen und ob die beabsichtigten Wirkungen eingetreten sind. Insoweit trägt er zu einer Versachlichung auch der politischen Diskussion bei. Wenn er über Erkenntnisse verfügt, dass Gesetze auf unzutreffenden Annahmen beruhen, nicht zu den vom Gesetzgeber gewünschten Wirkungen führen oder wenn die Ziele des Gesetzgebers wirtschaftlicher erfüllt werden können, kann der Bundesrechnungshof Gesetzesänderungen empfehlen. Damit bewegt er sich im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages (§ 97 Absatz 2 Nummer 4 Bundeshaushaltsordnung). 105

§ 6 Abs. 1 PO-BRH (Fn. 86).

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VI. Wie viel Transparenz ist möglich? Dass der Bundesrechnungshof vor allem als Kritiker der Regierung wahrgenommen wird, mag einen Grund auch darin haben, dass über seine Beratungstätigkeit in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt ist. Grundsätzlich wurden seine Beratungsergebnisse bislang nur dann öffentlich, wenn sie als Teil der jährlichen Bemerkungen106 oder als Sonderbericht107 in Form einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht wurden. Verwaltungs- und parlamentsintern blieben dagegen Berichte nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung oder Prüfungsmitteilungen; Medien, Öffentlichkeit oder auch interessierte Personen erhielten über sie grundsätzlich keine Informationen. Das mag in einer mediengeprägten, Transparenz fordernden Gesellschaft ein Nachteil sein. Auch international ist es zunehmend Standard, dass Rechnungshöfe ihre Berichte veröffentlichen.108 Spätestens seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts109 vom 15. November 2012 muss die Frage neu gestellt werden: Wie viel Öffentlichkeit verträgt die externe Finanzkontrolle? Das Gericht hatte entschieden, dass die Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes110 unterliegt. Das Gesetz gewährt ein voraussetzungsloses Informationszugangsrecht zu allen amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Damit musste der Bundesrechnungshof auf Antrag verlangte Informationen herausgeben, soweit nicht im Einzelfall im Gesetz genannte, eng auszulegende Ausschlussgründe dem entgegenstanden. Das hatte dazu geführt, dass insbesondere die Medien gezielt Auskünfte verlangten zu Prüfungs- und Beratungsergebnissen, aber auch zu den internen Akten des Bundesrechnungshofes. Ein schrankenloser Zugang zu den Unterlagen des Bundesrechnungshofes beeinträchtigt allerdings die Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlichen Aufgaben. Wenn etwa Prüfungsstrategien und -konzepte vorzeitig bekannt werden, kann das den Prüfungserfolg gefährden. Müssen Entwürfe zu Prüfungsmitteilungen herausgegeben werden, noch bevor sie mit der geprüften Stelle abschließend erörtert wurden, ist ein sachlicher Umgang mit den 106

§ 97 BHO. § 99 BHO. 108 Vgl. International Standards of Supreme Audit Institutions (ISSAI) 20 und 21, Grundsätze der Transparenz und Rechenschaftspflicht – Grundsätze und vorbildliche Verfahren; www.intosai.org (Navigation: „ISSAI Executive Summaries“, „Voraussetzungen für das Funktionieren von ORKB“). 109 BVerwG 7 C 1.12. 110 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I 2005 S. 2722). 107

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Prüfungsergebnissen zwischen Prüfer und Geprüftem kaum mehr möglich. Auch die Unterstützung der parlamentarischen Kontrolle und eine wirksame Beratung würden beeinträchtigt, wenn über Berichte bereits in der Öffentlichkeit diskutiert wird, über die das Parlament als ihr Adressat noch nicht beraten hat. Das bedeutet nicht, dass sich die externe Finanzkontrolle Forderungen nach mehr Transparenz verschließen sollte. Sie hat selbst ein großes Interesse, staatliches Handeln transparent zu machen. Dazu trägt gerade sie bei, indem sie das Finanzgebaren des Staates prüft und darüber berichtet. Mehr Transparenz ist deshalb grundsätzlich zu befürworten. Zur Vermeidung der genannten Risiken darf dies allerdings nicht dazu führen, dass die Prüfungsund Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes – insbesondere von professionellen Informationssammlern – schrankenlos ausgeforscht werden kann. Das Prüfungsverfahren mit vorbereitenden Überlegungen, Erhebungsunterlagen, der Abstimmung der Feststellungen mit den betroffenen Stellen, die kollegiale Entscheidungsfindung über das Ergebnis einer Prüfung oder eines Beratungsberichts und die parlamentarische Behandlung der Berichte müssen geschützt bleiben, um die externe und die parlamentarische Finanzkontrolle nicht zu schwächen. Der Gesetzgeber hat diesen Überlegungen im Spannungsfeld von mehr Transparenz einerseits und dem notwendigen Schutz der Funktionsfähigkeit der externen Finanzkontrolle andererseits durch eine Regelung in der Bundeshaushaltsordnung im Juli 2013 Rechnung getragen.111 Sie eröffnet dem Bundesrechnungshof die Möglichkeit, abschließend festgestellte Prüfungsergebnisse und vom Parlament abschließend beratene Berichte herauszugeben, schützt aber gleichzeitig das Prüfungs- und Beratungsverfahren, indem der Zugang zu den Akten des Verfahrens ausgeschlossen wird (§ 96 Absatz 4 Bundeshaushaltsordnung). Diese spezialgesetzliche Regelung in der Bundeshaushaltsordnung schließt die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes auf die Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes aus.112

111 Vgl. Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Bundeshaushaltsordnung vom 15. Juli 2013, BGBl. I 2013 S. 2395. 112 Vgl. § 1 Abs. 3 IFG (Fn. 110).

Zusammenarbeit des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Rechnungsprüfungsausschusses mit dem Bundesrechnungshof Petra Merkel „Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts.“ Diese Redensart gilt für Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die öffentliche Hand. Allerdings ist die Verantwortung, über Steuergelder zu verfügen, wohl von größerer Tragweite als die Entscheidung „lediglich“ über das eigene Budget. Wer im staatlichen Machtgefüge verbindlich über die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben bestimmen kann, ist „König“. Als „zentrales Element der demokratischen Willensbildung“1 hat der Deutsche Bundestag im deutschen politischen System dieses „Königsrecht“ inne. Er trifft die letztverbindliche Entscheidung über das Budget des Bundes durch den Beschluss über das Haushaltsgesetz. Innerhalb des Bundestages wird der Beschluss vorbereitet durch den „Treuhänder des parlamentarischen Budgetrechts“2 – den Haushaltsausschuss. Diese Tatsache ist der Grund für die besondere Stellung und Bedeutung des Haushaltsausschusses, er ist zuständig für alle haushaltsrelevanten Fragen. Anders als die ständigen Fachausschüsse des Deutschen Bundestages setzt sich der Haushaltsausschuss thematisch nicht nur mit einem Ressort auseinander. Mit Blick auf die Budgetbewilligung und auf die Kontrolle des Haushaltsvollzuges agiert er vielmehr als „Querschnittsausschuss“ mit Zuständigkeiten für alle Politikbereiche, Ressorts und Verfassungsorgane. Die Kontrollfunktion des Haushaltsausschusses gegenüber der Regierung wird insbesondere dadurch unterstrichen, dass aufgrund ungeschriebener Übereinkunft den Vorsitz des Haushaltsausschusses immer eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der größten Oppositionsfraktion innehat. 1

BVerfGE 123, 267 (359). Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland – Ein Handbuch, Berlin / New York 1989, § 44 Rn. 1. 2

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Dem Ausschuss kommt die Aufgabe zu, politische Schwerpunkte, die meist auch mit finanziellen Wünschen der Fachpolitikerinnen und -politiker einhergehen, zu gewichten und den ausgeglichenen Bundeshaushalt mit den Vorgaben der Verschuldungsregeln auf nationaler und internationaler Ebene zu berücksichtigen. Daraus resultiert das Selbstverständnis der Mitglieder des Ausschusses, auch über die Fraktionsgrenzen hinweg als Gegengewicht zur Exekutive zu wirken und die Ausgabenpolitik der Bundesregierung kritisch zu begleiten, d. h., auch zu hinterfragen. Selbstverständlich spiegeln sich auch im Haushaltsausschuss die Mehrheitsverhältnisse des Parlamentes, jedoch führt das „Haushälter-Ethos“ durchaus dazu, dass Koalitions- und Oppositionsabgeordnete auch zusammenarbeiten. Haushälterinnen und Haushälter „ticken“ anders. In den letzten Jahren wurden die Aufgaben des Haushaltsausschusses auch mit Blick auf die Bewältigung der Banken- und der europäischen Finanzmarktkrise erheblich ausgedehnt. Als federführender Ausschuss ist er in besonderem Maße in die Entscheidungen über einzelne Maßnahmen der Hilfsprogramme für die Staaten der Eurozone im Rahmen der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und des Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) eingebunden.3 Seine Stellung wurde durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls noch gestärkt. Um all diese Aufgaben erfolgreich bewältigen zu können, sind der Haushaltsausschuss und seine Mitglieder auf fachliche Beratung und externe Hilfe angewiesen. Die Bundesregierung und insbesondere das Bundesfinanzministerium sind erste Ansprechpartner, die den Informationsrechten des Ausschusses nachkommen müssen. Allerdings ist die Bundesregierung zugleich interessengeleiteter Gegenpart des Parlaments und insofern Partei.4 Um den natürlichen Informationsvorsprung der Bundesregierung gegenüber dem Parlament ausgleichen zu können, ist der Haushaltsausschuss daher im Besonderen auf regierungsunabhängige Beratung und Unterstützung angewiesen. Neben Expertenanhörungen, der Zuarbeit durch die Fraktionsarbeitsgruppen sowie der Abgeordnetenbüros schließt diese Lücke der Bundesrechnungshof, der als neutrale und richterlich unabhängige staatliche Instanz die Ziele der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung des Bundes verfolgt.5 3 Beate Hasenjäger, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland – Ein Handbuch, 2. Aufl., Berlin / New York 2013, im Erscheinen. 4 Rudi Walther, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof, in: Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 145 (146). 5 Rudi Walther, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof (Fn. 4), S. 145 (146).

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Wie sich die Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes mit dem Haushaltsausschuss und seinem Unterausschuss, dem Rechnungsprüfungsausschuss, in der politischen Praxis gestaltet, möchte ich mit diesem Beitrag näher beleuchten. I. So arbeitet der Haushaltsausschuss Der Haushaltsausschuss ist mit 41 Mitgliedern in der 17. Wahlperiode der größte ständige Ausschuss des Deutschen Bundestages. Sein, nicht nur nach meinem eigenen Empfinden, hohes Ansehen ergibt sich jedoch nicht unmittelbar aus der Verfassung. Blickt man in das Grundgesetz, findet er dort im Gegensatz zu anderen ständigen Ausschüssen keine Erwähnung.6 Die Bedeutung und das Schwergewicht des Haushaltsausschusses im parlamentarischen Gefüge resultieren vielmehr aus seiner ihm zugewiesenen Rolle als Hüter des Budgetrechts, des „Königsrechts des Parlaments“. Sobald es um Haushaltsmittel geht, ist der Haushaltsausschuss im parlamentarischen Entscheidungsprozess gefragt.7 Im Haushaltskreislauf obliegt nach der Aufstellung des Haushaltsplans und der Einbringung des Haushaltsgesetzentwurfs durch die Bundesregierung ihm allein die Vorbereitung der Feststellung des Haushaltsplans durch das Haushaltsgesetz, welche durch Beschlussfassung im Plenum erfolgt.8 Während der Haushaltsberatungen, die mit Ausnahme der Wahljahre stets von September bis November andauern, erhält der Haushaltsausschuss eine Sondergenehmigung der Präsidentin oder des Präsidenten des Deutschen Bundestages, um mit Rücksicht auf seinen erheblichen Beratungsumfang neben dem Mittwoch auch am Donnerstag parallel zum Plenum tagen zu können. Ist der Bundeshaushalt nach der 2. und 3. Lesung im Plenum beschlossen, begleitet der Haushaltsausschuss den Vollzug des Haushalts durch die Bundesregierung und kontrolliert auf diese Weise fortlaufend die Exekutive. Zum Ende des Haushaltsverfahrens erfolgt die Entlastung der Bundesregierung, für die der Haushaltsausschuss nach ausführlicher Vorberatung in dem als Unterausschuss eingerichteten Rechnungsprüfungsausschuss eine Beschlussempfehlung abgibt.9 6 Vgl. dagegen Art. 45 GG (Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union), Art. 45a GG (Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigung), Art. 45c GG (Petitionsausschuss), Art. 45d GG (Parlamentarisches Kontrollgremium). 7 Wolfgang Ismayr, Der Deutsche Bundestag, 3. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 350. 8 Vgl. § 95 der Geschäftsordnung des Bundestages; die Fachausschüsse werden nicht im Wege der klassischen Mitberatung, sondern lediglich durch die Abgabe sog. gutachterlicher Stellungnahmen beteiligt. Vgl. auch Beate Hasenjäger, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 3). 9 Beate Hasenjäger, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 3).

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Unabhängig von den Haushaltsberatungen müssen alle Plenumsvorlagen neben den Fachausschüssen auch an den Haushaltsausschuss überwiesen werden, wenn diese wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung oder ihres finanziellen Umfangs auf die öffentlichen Finanzen des Bundes oder der Länder erhebliche Auswirkungen haben können.10 Ergibt die Prüfung des Haushaltsausschusses, dass es hierbei zu Auswirkungen auf den laufenden oder künftige Haushalte kommt, hat er dem Bundestag über sein Ergebnis zu berichten und einen Vorschlag zur Deckung der Mehrausgaben oder Mindereinnahmen zu unterbreiten. Der Haushaltsausschuss legt also die Entscheidungsgrundlage für das Plenum vor. Um bei der enormen Bandbreite der Themen, die den Haushaltsausschuss betreffen, nicht den Überblick zu verlieren, bedient sich der Haushaltsausschuss eines Berichterstattersystems, das von der üblichen Form in den Fachausschüssen11 abweicht. Zu Beginn einer Wahlperiode wird aus den einzelnen Fraktionsarbeitsgruppen je eine Berichterstatterin oder ein Berichterstatter für jeden Einzelplan sowie für das Haushaltsgesetz in seiner Gesamtheit benannt, die oder der diesen Bereich bis zum Ende der Legislaturperiode sachlich betreut.12 Ausschussmitglieder der zahlenmäßig kleineren Fraktionen sind demzufolge für die Berichterstattung für mehr Einzelpläne zuständig als die Mitglieder aus den zahlenmäßig größeren Fraktionen, welche üblicherweise ein bis drei Einzelpläne bearbeiten. Die Mitglieder des Haushaltsausschusses sind in den meisten Fällen auch stellvertretende Mitglieder der mit den Einzelplänen korrespondierenden Fachausschüsse, sodass sie über detaillierte Kenntnisse zu ihrem Einzelplan verfügen und dieses Wissen auch über die Jahre stetig ausbauen. Innerhalb der einzelplanspezifischen Berichterstattergruppen wird eine Haushälterin oder ein Haushälter zur Hauptberichterstatterin bzw. zum Hauptberichterstatter und die anderen (derzeit) vier werden zu Mitberichterstatterinnen und -erstattern bestimmt.13 Die Hauptberichterstatterin oder der Hauptberichterstatter hat im Wesentlichen eine organisatorische Funktion. Sie bzw. er übernimmt die terminliche Vorbereitung sowie die Leitung der Berichterstattergespräche. Grundsätzlich können die einzelnen Berichterstatterinnen und -erstatter jederzeit – auch außerhalb der Sitzungen und Haushaltsberatungen – Detail- und Sachfragen an das betreffende Ressort richten 10

Vgl. § 96 der Geschäftsordnung des Bundestages. Vgl. § 65 der Geschäftsordnung des Bundestages. 12 Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 2), § 44 Rn. 6. 13 Die Hauptberichterstatterinnen und -erstatter werden nach einem von der Stärke der einzelnen Fraktionen und der Gesamtzahl der Einzelpläne abhängigen Schlüssel festgelegt. 11

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und erhalten schnelle Antwort. Eine Unterscheidung zwischen Angehörigen der Regierungs- oder Oppositionsfraktionen wird hierbei nicht gemacht. Die Antworten auf ihre Berichtsbitten gehen allen Berichterstatterinnen und -erstattern gleichermaßen zu. Unabhängig von der geschilderten Berichterstatterrolle gilt für die Haushälterinnen und Haushälter letzten Endes aber immer das Gebot, nicht primär ein einzelnes Ressort im Blick zu haben, sondern bei ihren Entscheidungen im Haushaltsausschuss und im Plenum stets das große Ganze – den Bundeshaushalt mit all seinen Ausgaben und Einnahmen – einzubeziehen. Auch wenn die Mitglieder des Haushaltsausschusses unterschiedlichen Fraktionen angehören mögen, kann ich aus eigener Erfahrung feststellen, dass sie doch ein gemeinsamer „Spar- und Konsolidierungskonsens“14 sowie das Selbstverständnis als kontrollierender Gegenpol zur Bundesregierung eint. Nicht zuletzt diesem Gemeinschaftssinn ist es wohl zu verdanken, dass trotz der zum Teil sehr kontrovers geführten Beratungen im Haushaltsausschuss traditionell eine gute und sehr kollegiale Arbeitsatmosphäre vorherrscht. Selbstverständlich jedoch entsprechen die Mehrheitsverhältnisse im Haushaltsausschuss denen im Bundestag. II. Der lange Weg der Zusammenarbeit zwischen Haushaltsausschuss und Bundesrechnungshof Die Zusammenarbeit zwischen Parlament und dem Bundesrechnungshof blickt auf eine lange Historie zurück.15 Im Laufe der Zeit veränderten sich jedoch die Bandbreite sowie der Adressat der Arbeit des Hofes. Blickt man auf die 300 Jahre seit Gründung der Preußischen Generalrechenkammer durch König Friedrich Wilhelm I. von Preußen zurück, fällt auf, dass die direkte Zusammenarbeit zwischen Parlament und Bundesrechnungshof erst vor rund 45 Jahren, also verhältnismäßig spät, formalisiert wurde. Tatsächlich fand eine Entwicklung statt, die den Bundesrechnungshof näher an das Tagesgeschäft des Parlaments heranführte.16 Von den Aufgaben, die eher rückwärtsgewandt waren und vergangene Jahre betrafen, wie der Entlastung der Bundesregierung, entwickelte sich zusätzlich die Funktion des Bundesrechnungshofes, auch aktuelle politische Entwicklungen zu begleiten sowie 14 Treffend bezeichnet von Roland Sturm, Entscheidungsstrukturen und Entscheidungsprozesse in der Haushaltspolitik – Zum Selbstverständnis des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, Politische Vierteljahresschrift 26 (1985), S. 247–269. Ebenso Wolfgang Ismayr, Der Deutsche Bundestag (Fn. 7), S. 350 f. 15 Vgl. hierzu auch den Beitrag von Alexandra Hissen in dieser Festschrift. 16 Siehe zu dieser Entwicklung Rudi Walther, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof (Fn. 4), S. 145 (148 ff.).

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schon in die Beratung des kommenden Etats eingebunden zu sein. Weg also von der ausschließlichen Betrachtung der Vergangenheit zusätzlich hin zur Gegenwart und Zukunft. Dabei stand und steht der Bundesrechnungshof vor der gleichen Herausforderung wie Abgeordnete und Regierung: Alle müssen sich immer wieder auf neue Themen einstellen, neue Sachverhalte eruieren und sich dazu sachkundig machen. Bis zum Ende der Sechzigerjahre wurden Haushalte in wirtschaftspolitischer Hinsicht als „neutral“ angesehen; die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes beschränkte sich im Wesentlichen auf die nachträgliche Kontrolle der Haushaltsrechnung sowie der Zweckmäßigkeit beim Haushaltsvollzug.17 Adressat der damaligen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes war noch nicht das Parlament, sondern die Bundesregierung, die ihrerseits – nach der Wahl eines geeigneten Zeitpunkts und versehen mit einer Erwiderung – für sich das Recht in Anspruch nahm, die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes dem Parlament zuzuleiten. Mangels Aktualität und wenig öffentlicher Beachtung der damaligen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes, welche ausschließlich ein bereits abgeschlossenes Haushaltsjahr zum Gegenstand hatten, war auch das Interesse des Parlaments an ihnen bzw. an der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes eher gering. Der politische und gesellschaftliche Wandel Deutschlands hin zum Wirtschafts- und Sozialstaat des 20. Jahrhunderts18 brachte auch eine Neugewichtung von Haushalts- und Finanzpolitik mit sich. Ausdruck hiervon war die Haushaltsrechtsreform von 1969. Diese bewirkte auf Betreiben des federführenden Rechtsausschusses und unter Mitwirkung des Haushaltsausschusses insbesondere eine Neufassung von Artikel 114 des Grundgesetzes. Für den Haushaltsausschuss bedeutete diese Reform eine Erweiterung seiner Kontrollrechte, damit er seine Funktion als Hüter des Budgetrechts auch entsprechend wahrnehmen konnte. So wurden unter anderem Instrumente wie qualifizierte Sperren, Einvernehmensregelungen, Unterrichtungspflichten durch die Bundesregierung, die der Haushaltsausschuss während der Haushaltsberatungen ausbringen kann, geschaffen oder ausgebaut.19 Die Stärkung der Kontrollrechte erhöhte naturgemäß auch den Bedarf an Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof. Dieser wurde aufgrund der Rechtsänderungen in die Lage versetzt, auch den Haushaltsausschuss bei den ihm neu zugewachsenen Kontrollmöglichkeiten umfänglicher zu unter17 Rudi Walther, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof (Fn. 4), S. 145 (147). 18 Rudi Walther, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof (Fn. 4), S. 145 (148). 19 Vgl. Rudi Walther, Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages und der Bundesrechnungshof (Fn. 4), S. 145 (148).

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stützen. Das wiederum verstärkte auch das Gewicht und die Stellung des Bundesrechnungshofes im Gefüge der Finanzkontrolle. Gemäß Artikel 114 Absatz 1 Grundgesetz n. F. wurde dem Bundesrechnungshof nunmehr neben der Prüfung der Haushaltsrechnung bereits abgeschlossener Haushaltsjahre das Recht zugebilligt, auch die „Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung“ der Bundesregierung zu prüfen. Mit der neuen Textfassung legte der Verfassungsgesetzgeber damit indirekt fest, dass der Bundesrechnungshof Prüfungen schon im Laufe und nicht erst zum Abschluss eines Haushaltsjahres vornehmen durfte. Zugleich drückte sich darin unterschwellig das Ansinnen des Gesetzgebers aus, dass der Bundesrechnungshof nicht nur prüfen, sondern den Bundestag bei seiner Ausübung des Budgetrechts und der Kontrolle der Bundesregierung auch beraten solle.20 Als weitere Neuerung wurde in Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz der unmittelbare Berichtsweg des Bundesrechnungshofes an den Bundestag ohne den Umweg über die Bundesregierung in der Verfassung verankert.21 Der Bundesrechnungshof wurde also näher an das Parlament gerückt. Vor dem Hintergrund der Haushaltsreform wurde auf Initiative des Haushaltsausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses nach 20 Jahren Vorarbeit am 20. Juli 1985 das Bundesrechnungshofgesetz in Kraft gesetzt.22 Mit dem Bundesrechnungshofgesetz bekam der Bundesrechnungshof ein eigenes Organisationsrecht. Entsprechend der in der Zwischenzeit gewachsenen Praxis sollte das Bundesrechnungshofgesetz zudem die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrechnungshof und dem Bundestag, insbesondere dem Haushaltsausschuss, unterstreichen.23 Ein Ausdruck dieser guten und gewachsenen Beziehung ist nach § 5 Bundesrechnungshofgesetz die Wahl der Präsidentin oder des Präsidenten und der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes durch den Deutschen Bundestag. Die Bundesregierung hat hierbei zwar das Vor20 Vgl. Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 30. Ausdrücklich erwähnt wird der Beratungsauftrag des Bundesrechnungshofes in dem ebenso im Jahre 1969 geänderten § 88 Abs. 2 BHO. Insbesondere zur Beratungsaufgabe des Bundesrechnungshofes siehe auch den Beitrag von Horst Erb in dieser Festschrift. 21 Joachim Romers / Petra Müller, Informativere Bemerkungen – transparenterer Bundeshaushalt – Zur Weiterentwicklung der Berichterstattung des Bundesrechnungshofes, Verwaltung und Management 2012, S. 64 (67). 22 Heinz Günter Zavelberg, Partner bei der Finanzkontrolle – Bundesrechnungshof, Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss, Die Haushälter 1990, S. 105. 23 Peter Eickenboom / Ernst Heuer, Das neue Bundesrechnungshofgesetz – Abschluss der Reform der Finanzkontrolle?, Die öffentliche Verwaltung 1985, S. 998.

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schlagsrecht, allerdings holt sie vorab die Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und des Finanzausschusses des Bundesrates ein.24 III. Zusammenarbeit auf vielen Ebenen Die Zusammenarbeit zwischen Bundesrechnungshof und Haushaltsausschuss bzw. Bundestagsabgeordneten findet auf vielen Ebenen statt, zum einen auf der formalisierten Ebene mittels Berichten und zum anderen in Gesprächen zwischen Abgeordneten und Vertreterinnen und Vertretern des Bundesrechnungshofes. Bei näherer Betrachtung der sich auf vielen Ebenen und Kanälen vollziehenden Zusammenarbeit ist festzustellen, dass die Einflussmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes wesentlich größer sind, als es der Wortlaut in Verfassung und einfachem Recht erkennen lässt. Da der Bundesrechnungshof formal und politisch keine Handhabe hat, seine Empfehlungen umzusetzen, muss er mit Argumenten überzeugen, um die Unterstützung der Abgeordneten zu erhalten, die zur Durchsetzung nötig ist. Auch die Abgeordneten wiederum nutzen oftmals die Argumentation des Bundesrechnungshofes, um ihren Positionen mehr Gewicht zu verschaffen. Wichtig ist und bleibt hier, immer die Eigenständigkeit des Bundesrechnungshofes zu beachten. Der Präsident des Bundesrechnungshofes drückt es so aus: „Wir werden bei vielen Projekten schon früh eingebunden. Bei allen großen Beschaffungs- und Bauvorhaben des Bundes holt der Haushaltsausschuss unsere Expertise ein. Es besteht aber die Gefahr, dass unsere Berechnungen in der politischen Diskussion als Waffe eingesetzt werden und wir für die eine oder andere Seite instrumentalisiert werden. Ich bleibe aber dabei: Unsere Aufgabe ist es, dem Gesetzgeber für seine Entscheidungen die notwendigen Fakten zu liefern.“25

1. Während der Sitzung des Haushaltsausschusses Bei jeder Sitzung des Haushaltsausschusses ist der sogenannte ständige Vertreter des Bundesrechnungshofes anwesend. Als Ansprechpartner hält er während, aber auch vor und nach den Ausschusssitzungen den Kontakt zu den Haushälterinnen und Haushältern. Neben der Entgegennahme von Berichtsbitten können ihm die Mitglieder des Ausschusses eigene Anregungen übermitteln sowie Erläuterungen zu aktuellen Prüfungsvorhaben, Berichten oder Pressemitteilungen einholen. Damit der ständige Vertreter die gewünschten Auskünfte auch erteilen kann, wird er vor den Sitzungen von den 24 25

BT-Drs. 10 / 3510, S. 5; 10 / 3323, S. 12. Interview mit Dieter Engels im Tagesspiegel vom 29. April 2013.

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für die einzelnen Tagesordnungspunkte zuständigen Fachkollegien (bestehend aus Prüfungsgebietsleiterin oder -leiter und Abteilungsleiterin oder -leiter) über alle Vorgänge, die eine Einbeziehung des Bundesrechnungshofes in die Ausschussberatung nahelegen, informiert. Als Vorsitzende des Haushaltsausschusses behalte ich den ständigen Vertreter des Bundesrechnungshofes stets im Blick, da es sich bei vielen Sachverhalten anbietet, die Meinung des Bundesrechnungshofes unmittelbar in der Diskussion zu hören. Ein Signal des Vertreters des Bundesrechnungshofes zeigt mir, ob die Bereitschaft dazu auch besteht. Bei komplexeren Fragestellungen ist es üblich, dass der ständige Vertreter im Ausschuss vor Ort von dem Prüfungskollegium unterstützt wird, das innerhalb der Organisationsstruktur des Bundesrechnungshofes für die Prüfung zuständig ist. Sind die Beratungsgegenstände im Haushaltsausschuss von herausragender politischer Bedeutung mit Bezugspunkten zum Bundesrechnungshof als Institution, gibt darüber hinaus der Präsident bzw. der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes persönlich im Ausschuss eine Stellungnahme ab. 2. Beratungsberichte Die klassische Form der Unterstützungstätigkeit des Bundesrechnungshofes liegt in der Beratung des Haushaltsausschusses mittels Prüfberichten. Allgemein kann zwischen Beratungsberichten des Bundesrechnungshofes nach § 88 Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung, Berichten über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung gemäß § 99 Bundeshaushaltsordnung und seinen jährlichen Bemerkungen im Rahmen des Entlastungsverfahrens gemäß § 97 Bundeshaushaltsordnung unterschieden werden. Die Berichte ermöglichen es dem Haushaltsausschuss, entweder aufgedeckte Mängel durch entsprechende Maßgabebeschlüsse gegenüber der Bundesregierung zu beheben oder auf laufende Verfahren steuernd Einfluss zu nehmen. In manchen Fällen bringen derartige Berichte des Bundesrechnungshofes aber auch die Gewissheit für den Haushaltsausschuss, dass das Regierungshandeln nicht zu beanstanden ist. a) Berichte nach § 88 Absatz 2 BHO In § 88 Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung heißt es: „Der Bundesrechnungshof kann aufgrund von Prüfungserfahrungen den Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung und einzelne Bundesministerien beraten. Soweit der Bundesrechnungshof den Bundestag oder den Bundesrat berät, unterrichtet er gleichzeitig die Bundesregierung.“

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Der Bundesrechnungshof kann also das Parlament und im Besonderen den Haushaltsausschuss sowie seinen Unterausschuss, den Rechnungsprüfungsausschuss, unabhängig von einem konkreten Prüfungsvorhaben zu finanziell bedeutsamen Einzelmaßnahmen und wichtigen Gesetzesvorhaben beraten. Die Bandbreite der Beratung nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung ist grundsätzlich an keine Formvorgaben gebunden. Meist erfolgt sie jedoch schriftlich, angefangen von kurzen Stellungnahmen bis hin zu umfangreichen Ausarbeitungen, welche auf der Basis von mehrmonatigen Untersuchungen angefertigt werden. Da die Beratung „aufgrund von Prüfungserfahrungen“ zu erfolgen hat, müssen die Berichte zumindest in einer gewissen Beziehung zu dem in der Prüfpraxis des Bundesrechnungshofes erworbenen Wissen stehen.26 Im Gegensatz zu den Bemerkungen und den Sonderberichten nach § 97 bzw. § 99 der Bundeshaushaltsordnung ist die Beratung des Bundesrechnungshofes nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung nicht zugleich für die Öffentlichkeit, sondern für die enumerativ genannten Stellen bestimmt.27 Ausgangspunkt für eine Beratung nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung ist häufig eine Berichtsbitte, welche die Mitglieder des Haushaltsausschusses während der Ausschusssitzung an den Bundesrechnungshof richten, um komplexere Sachverhalte oder Konzepte mit Blick auf ihre Wirtschaftlichkeit bewerten zu können.28 Es ist Ausdruck der Neutralität und richterlichen Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes, dass der Haushaltsausschuss und seine Mitglieder kein formales Recht besitzen, den Bundesrechnungshof mit der Anfertigung eines Prüfberichts zu beauftragen. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder kann ihn lediglich bitten, einen bestimmten Sachverhalt zu prüfen.29 Zudem obliegt dem Bundesrechnungshof als unabhängiger Instanz das Recht, über die Art und den Zeitaufwand für eine Prüfung selbstständig zu bestimmen. Erfahrungsgemäß kommt der Bundesrechnungshof der Prüfbitte des Ausschusses aber nach, versteht er sich doch als Partner und Berater der parlamentari26 Matthias Mähring, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Dezember 2008, § 88 BHO Rn. 20. 27 Im Gegensatz zu der Berichterstattung nach §§ 99, 97 BHO berät der Bundesrechnungshof mit den Berichten nach § 88 Abs. 2 BHO regelmäßig aber nicht den Bundestag als Ganzes, sondern allein die mit der Haushalts- und Wirtschaftsführung befassten Gremien, wie den Haushaltsausschuss, den Rechnungsprüfungsausschuss sowie die Berichterstatter, siehe Marten J. Vogt, Zur Informationstätigkeit des Bundesrechnungshofes, Berlin 2013, S. 222. 28 Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 2), § 44 Rn. 38. 29 Dieser Umstand ergibt sich insbesondere aus § 88 Abs. 2 BHO, nach dem der Bundesrechnungshof den Bundestag beraten „kann“, aber nicht „muss“.

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schen Gremien.30 Der Bundesrechnungshof nutzt das Instrument der Beratung nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung mitunter aber auch in eigener Initiative, indem er etwa unabhängig von einer konkreten Prüfung zu Gesetzentwürfen Stellung nimmt, weil ihm die beabsichtigten Regelungen aufgrund seiner Prüferfahrungen als verbesserungswürdig erscheinen.31 Im Jahre 2011 hat der Bundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss und dem Rechnungsprüfungsausschuss sowie weiteren Ausschüssen des Deutschen Bundestages insgesamt 62 Stellungnahmen und Beratungsberichte nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung zugeleitet.32 Nach Eingang im Ausschusssekretariat werden diese Berichte in der Regel auf die Tagesordnung der Sitzung des Haushaltsausschusses gesetzt. Ausschussmitglieder, gerade der Oppositionsfraktionen, haben so die Möglichkeit, für sie wichtige Themen vonseiten des Bundesrechnungshofes beleuchten zu lassen und das Ergebnis im Ausschuss zu diskutieren. b) Sonderberichte nach § 99 BHO § 99 der Bundeshaushaltsordnung führt aus: „Über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung kann der Bundesrechnungshof den Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung jederzeit unterrichten. Berichtet er dem Bundestag und dem Bundesrat, so unterrichtet er gleichzeitig die Bundesregierung.“

Die Berichte des Bundesrechnungshofes über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung werden im Vergleich zu den Berichten nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung in der Praxis weit weniger häufig als Mittel der Unterrichtung genutzt; so wurden im Jahre 2012 lediglich sechs Berichte nach § 99 Bundeshaushaltsordnung herausgegeben.33 Ein Grund für diesen Umstand ist insbesondere das recht aufwendige Beschlussverfahren innerhalb des Bundesrechnungshofes unter Einbindung des Großen Senats. Von ihrer inhaltlichen Gestaltung sind die Sonderberichte durchaus mit den Berichten nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung vergleichbar. Zugleich unterscheidet sie aber der Umstand, nicht nur für das Parlament bzw. die Bundesregierung, sondern auch für die Öffentlichkeit zugänglich zu sein. 30

Vgl. Matthias Mähring, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 26), § 88 BHO Rn. 18. Vgl. Matthias Mähring, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 26), § 88 BHO Rn. 18. 32 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, BT-Drs. 17 / 11330, S. 354. 33 Vgl. die Internetpräsenz des Bundesrechnungshofes, www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Sonderberichte“). 31

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Ein dem Bundestag vom Bundesrechnungshof übermittelter Sonderbericht wird in der Regel dem Haushaltsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen, der beschließen kann, den Bericht im Rechnungsprüfungsausschuss vorberaten zu lassen. Hat der Rechnungsprüfungsausschuss seine Beratungen abgeschlossen und eine Beschlussempfehlung formuliert, wird diese in der Regel vom Haushaltsausschuss nach einer weiteren Beratung mitgetragen. Während der Sitzungen des Haushalts- und des Rechnungsprüfungsausschusses ist vonseiten des Bundesrechnungshofes stets das für den Sonderbericht zuständige Kollegium zugegen, um darauf gerichtete Fragen der Ausschussmitglieder detailliert beantworten zu können. Sonderberichte gab es 2012 beispielsweise zu den Themen: „Kontrollprüfung zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug“ und „Vollzugsaufwand bei der Gewährung von Unterhaltsvorschuss und Wohngeld an Kinder mit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende“. c) Die jährlichen Bemerkungen nach § 97 BHO In § 97 Absatz 1 der Bundeshaushaltsordnung wird bestimmt: „Der Bundesrechnungshof fasst das Ergebnis seiner Prüfung, soweit es für die Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnung und der Vermögensrechnung von Bedeutung sein kann, jährlich für den Bundestag und den Bundesrat in Bemerkungen zusammen, die er dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zuleitet.“

Öffentlichkeitswirksames Kernstück der Berichtstätigkeit des Bundesrechnungshofes sind zweifellos seine vom Großen Senat beschlossenen jährlichen „Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ nach § 97 Bundeshaushaltsordnung.34 Die Bemerkungen werden in der Regel im Herbst jeden Jahres dem Bundestag, dem Bundesrat und der Bundesregierung zur Beratung zugeleitet und von der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes unmittelbar danach in einer Pressekonferenz vorgestellt. Die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes enthalten einerseits die Prüfungsergebnisse der Rechnungen für das Haushaltsjahr, welches zur Entlastung ansteht. Unabhängig vom Entlastungsjahr werden andererseits in den Bemerkungen wesentliche Ergebnisse von Prüfungsverfahren veröffent34 Die Bemerkungen werden nach ihrer Zuleitung an den Bundestag zur Bundestagsdrucksache und somit auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich, vgl. zuletzt BT-Drs. 17 / 11330. Daneben können die Bemerkungen auch auf der Internetseite des Bundesrechnungshofes abgerufen werden: www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Bemerkungen“). Vertiefend zum zeitlichen Wandel der Bemerkungen siehe auch den Beitrag von Joachim Romers in dieser Festschrift.

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licht. Die einzelnen Beiträge der Bemerkungen beinhalten Feststellungen und Bewertungen des Bundesrechnungshofes, die damit korrespondierende Stellungnahme der geprüften Stelle, eine abschließende Bewertung der vorgetragenen Einwände sowie die Empfehlungen für die weitere Sachbehandlung in der Zukunft.35 Nach ihrer Übermittlung an den Bundestag und der 1. Lesung im Plenum werden sie an den Haushaltsausschuss überwiesen, der sie sodann dem Rechnungsprüfungsausschuss zur „originären parlamentarischen Beratung“ und Vorbereitung der Entlastungsentscheidung der Bundesregierung überstellt.36 Am Ende seiner Beratung legt der Rechnungsprüfungsausschuss seine Beschlussempfehlungen zu den Bemerkungen dem Haushaltsausschuss vor, der diese ohne weitere Änderungen als eigene Beschlussempfehlungen übernimmt und dem Plenum zur abschließenden Beratung zuleitet. Seit 2010 werden zusätzlich zu den im Herbst erscheinenden Bemerkungen jedes Jahr im April „Weitere Prüfungsergebnisse“ vorgelegt.37 Auf diese Weise wird die Taktung der Prüfung und Beratung erhöht und der Bundesrechnungshof kann aktueller reagieren und informieren.38 Auch die neue formale Struktur, die die Bemerkungen seit 2011 haben, soll dazu dienen, den Erkenntnisgewinn und Nutzen der Bemerkungen zu erhöhen. Einzelplanbemerkungen und ressortbezogene Berichte sollen einen Gesamtüberblick geben und somit wegführen von der ausschließlich punktuellen Betrachtungsweise einzelner Titel im jeweiligen Einzelplan.39 Die unterschiedlichen Berichtsformate verdeutlichen die hohe Bedeutung des Bundesrechnungshofes einerseits durch seine direkten Informationsmöglichkeiten an das Parlament und andererseits für die Ausgestaltung der parlamentarischen Finanzkontrolle. 35 Hierzu gehören bedeutsame Feststellungen über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesregierung und der nachgeordneten Bundesverwaltung, der juristischen Personen des öffentlichen Rechts des Bundes sowie der Sondervermögen der Bundesbetriebe. Enthalten sein können weiter die Ergebnisse der Prüfung privater Unternehmen und der Betätigung des Bundes bei Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Schließlich wird in den Bemerkungen auch berichtet über die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, vgl. Dieter Engels, Bonner Kommentar (Fn. 20), Art. 114 GG Rn. 279 ff. 36 Zur Tätigkeit des Rechnungsprüfungsausschusses und seiner Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof vgl. vertiefend Abschnitt IV. 37 Zuletzt veröffentlicht am 16. April 2013 unter BT-Drs. 17 / 12990. 38 Vgl. Joachim Romers / Petra Müller, Informativere Bemerkungen – transparenterer Bundeshaushalt (Fn. 21), S. 64 (68). 39 Vgl. Joachim Romers / Petra Müller, Informativere Bemerkungen – transparenterer Bundeshaushalt (Fn. 21), S. 64 (70 f.).

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3. Beteiligung des Bundesrechnungshofes während der Haushaltsberatungen Originäre Aufgabe des Haushaltsausschusses ist, wie bereits erwähnt, die Beratung des Bundeshaushalts, die mit Ausnahme des Wahljahres jeweils im Herbst des Vorjahres stattfindet.40 Nach der sogenannten „Haushaltswoche“, in der nach der Einbringungsrede des Bundesfinanzministers zum Regierungsentwurf des Bundeshaushalts in 1. Lesung im Plenum des Deutschen Bundestages debattiert wird, berät der Haushaltsausschuss in der Regel in vier Sitzungswochen, acht Ausschusssitzungen und 50 bis 60 Sitzungsstunden den Haushaltsentwurf der Bundesregierung.41 Wer allein den Umfang des jährlichen Bundeshaushalts betrachtet, der ca. 3.000 Seiten und rund 10.000 Haushaltstitel umfasst, wird erkennen, wie wichtig an dieser Stelle die Arbeitsteilung und die neutrale und regierungsunabhängige Beratungsunterstützung für die einzelnen Abgeordneten sind, um sich auch als Haushaltsausschuss die Eigenständigkeit bei der Beratung zu bewahren. Dieser Informations- und Beratungsbedarf wird insbesondere vom Bundesrechnungshof während der gesamten Haushaltsplanberatungen zu einem großen Teil abgedeckt. Er begleitet bereits in einer Frühphase die Erarbeitung des Entwurfs des Bundeshaushalts und steht im weiteren parlamentarischen Verfahren dem Haushaltsausschuss während der Haushaltsberatungen mit seiner fachlichen Expertise zur Seite. Vor der Einzelplanberatung im Haushaltsausschuss finden jeweils Berichterstattergespräche statt. So soll der Großteil der fachlichen Detailberatung aus dem Ausschuss auf eine kleinere Runde verlagert werden, damit später nur noch die offenen und strittig gebliebenen Titelansätze im Ausschuss beraten werden. Die Berichterstatterinnen und Berichterstatter gehen mit Vertreterinnen und Vertretern des jeweiligen Ressorts (in der Regel ist auch die jeweilige Ressortchefin bzw. Amtschefin oder der jeweilige Ressortchef bzw. Amtschef anwesend) den Einzelplan des Ministeriums in einem mehrstündigen Gespräch „Titel für Titel“ durch. Auch hier sind die zuständigen Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrechnungshofes sowie des Bundesfinanzministeriums anwesend. Bitten der Berichterstatterinnen und Berichterstatter an das Ressort um Erläuterung zu einzelnen Titeln des Einzelplans wird vielfach bereits im direkten Gespräch nachgekommen. Zu 40 In Wahljahren wird der Bundeshaushalt Anfang des Jahres beraten (d. h., nach der Bundestagswahl 2013 wird der Haushalt 2014 im Frühjahr 2014 beraten; die Beratung des Haushalts für 2015 findet dann wieder im Herbst 2014 statt). 41 Beate Hasenjäger, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 3).

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manchen Punkten stellen die Abgeordneten auch zusätzliche schriftliche Berichtsanforderungen, denen das Ressort nachkommt. Bereits zur Vorbereitung der Gespräche mit den Fachministerien führen die Berichterstatterinnen und Berichterstatter in der Regel jeweils alleine Vorgespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern des Haushaltsreferats ihres Einzelplans sowie mit den zuständigen Bediensteten des Bundesfinanzministeriums. Auch die für den jeweiligen Einzelplan zuständigen Mitglieder des Bundesrechnungshofes stehen den Abgeordneten bei Fragen oder zu Vorgesprächen zur Verfügung. Diese Gespräche helfen bei der Einschätzung des Etatentwurfes. Dabei kann es um konkrete, aber auch um grundsätzliche Fragen zum jeweiligen Einzelplan gehen. Im Haushaltsausschuss werden die Einzelpläne abschließend beraten. Während der Haushaltsberatungen nehmen für den Bundesrechnungshof neben der ständigen Vertreterin bzw. dem ständigen Vertreter grundsätzlich auch die für die jeweiligen Einzelpläne zuständigen Kollegien an den Sitzungen des Haushaltsausschusses teil und halten sich für Stellungnahmen bereit. 4. Beratung durch den Bundesrechnungshof während des Haushaltsvollzugs Ist der Bundeshaushalt nach der 2. und 3. Lesung im Plenum abschließend beraten und beschlossen, begleitet der Haushaltsausschuss den Vollzug des Haushalts als parlamentarischer Kontrolleur der Exekutive. Hierzu bedient er sich verschiedener Instrumente, die sich aus den politischen Bedürfnissen entwickelten und ihre gesetzliche Grundlage teilweise in der Bundeshaushaltsordnung oder im Haushaltsgesetz haben.42 Zu diesen Mitteln der Kontrolle gehören unter anderem „Unterrichtungen“ sowie die Ausbringung von „qualifizierten Sperren“. Der Haushaltsausschuss wird kontinuierlich über die Entwicklungen beim Haushaltsvollzug durch die Bundesregierung vom Bundesfinanzministerium unterrichtet. Insbesondere bei aktuellen Ereignissen, die sich auf den Bundeshaushalt auswirken könnten, kann der Haushaltsausschuss auf Initiative einer oder mehrerer Fraktionen das Thema auf die Tagesordnung setzen und um Unterrichtung durch die jeweilige Bundesministerin bzw. den jeweiligen Bundesminister bitten. Derartige Fälle betreffen etwa Etats mit großen Bauoder Beschaffungsvorhaben wie die Einzelpläne 12 (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) und 14 (Bundesministerium der Verteidigung). Um drohende Haushaltsrisiken kontrollieren zu können, lässt sich 42 Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 2), § 44 Rn. 31.

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der Haushaltsausschuss darüber hinaus über den Stand der Bürgschaften und Gewährleistungen des Bundes im außen- und binnenwirtschaftlichen Bereich sowie über alle Bürgschafts- und Garantiefälle von grundsätzlicher Bedeutung unterrichten.43 Formal in § 37 Absatz 4 der Bundeshaushaltsordnung geregelt ist schließlich das vierteljährliche Unterrichtungsverfahren bei über- und außerplanmäßigen Ausgaben sowie die Beteiligung des Haushaltsausschusses bei der Veräußerung von Grundstücken. Stellungnahmen des Bundesrechnungshofes sind in gewisser Regelmäßigkeit zu all diesen Beratungspunkten gefragt. Gibt es weiteren Klärungsbedarf, wird der Bundesrechnungshof vom Haushaltsausschuss auch um die Erstellung schriftlicher Prüfberichte gebeten.44 Mit der Ausbringung einer qualifizierten Sperre sichert sich der Haushaltsausschuss über die Unterrichtung hinaus ein kraftvolles Mitspracheinstrument im Haushaltvollzug. Sperrvermerke werden auch deshalb während der Haushaltsberatungen vom Parlament festgeschrieben, um etwa bei langwierigen Großprojekten die Ausgaben an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder weiterführende Informationen vor der Verausgabung der Mittel zu erhalten. Ohne die Aufhebung der Sperre können im Haushaltsplan eingestellte Ausgaben nicht geleistet bzw. Verpflichtungen für künftige Haushaltsjahre nicht eingegangen werden.45 Um qualifizierte Sperren aufzuheben, bedarf es der ausdrücklichen Zustimmung des Haushaltsausschusses. Bevor er diese jedoch erteilt, ersucht der Haushaltsausschuss in der Regel zuvor den Bundesrechnungshof um Stellungnahme und eine Empfehlung. 5. Der Bundesrechnungshof als Sachverständiger Zwar betrifft die Position des Bundesrechnungshofes als Sachverständiger nicht ausschließlich oder immer unmittelbar den Haushaltsausschuss, wichtig bleibt dies jedoch zweifelsohne. Auch bei öffentlichen Anhörungen des Ausschusses wird der Bundesrechnungshof oft und gerne als Sachverständiger geladen. Wichtig sind darüber hinaus aber auch Vorschläge, Gutachten und Berichte, die der Bundesrechnungshof als faktisch sachverständiger Berater in die politische Diskussion selbstständig einbringt. Mir persönlich ist dabei in bester Erinnerung die Ausarbeitung des Bundesrechnungshofes aus dem Jahre 2006 zur Bundessteuerverwaltung – ein Thema, das im Zuge der Föderalismuskommission II vom Bundesrech43 Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 2), § 44 Rn. 32 f. 44 Siehe hierzu Abschnitt III.2.a). 45 Beate Hasenjäger, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 3).

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nungshof angemahnt wurde. Dort konnte es aufgrund vieler Widerstände nicht umgesetzt werden, ich bin aber sicher, dass dieser Stein, den der Bundesrechnungshof hier ins Wasser geworfen hat, weitere Wellen schlagen wird.46 6. Neue Arbeitsfelder im Rahmen der sog. Euro-Rettungsschirme Zur Bewältigung der europäische Banken- und Finanzkrise hat Deutschland in der jüngeren Zeit im Rahmen der Beteiligung an den sogenannten Euro-Rettungsschirmen umfangreiche finanzielle Gewährleistungen übernommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang vermehrt unterstrichen, dass grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen mit Blick auf das grundgesetzlich verankerte Demokratieprinzip durch den Deutschen Bundestag zu treffen sind.47 Der Deutsche Bundestag ist vor diesem Hintergrund maßgeblich an allen Entscheidungen zur Bereitstellung von europäischen Stabilitätshilfen zu beteiligen und hat über alle Fallkonstellationen konstitutiv Beschluss zu fassen, welche seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung betreffen. Dem Haushaltsausschuss kommt im parlamentarischen Entscheidungsverfahren mit Bezug zur europäischen Banken- und Finanzkrise eine herausgehobene Stellung zu. Federführend vorbereitet hat er die Beschlussfassung für das Währungsunion-Finanzstabilisierungsgesetz (WFStG),48 mit dem die erste bilaterale Griechenlandhilfe auf den Weg gebracht wurde. In der Folge war er federführend eingebunden in die Beschlussfassung über die Verankerung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) im Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG),49 über die Ratifizierung des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und des Fiskalpakts sowie über die entsprechenden nationalen Umsetzungsgesetze – das ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG) und das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags.50 Im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Vereinbarungen über Stabilitätshilfen verfügt der Haushaltsausschuss daneben über Rechte zur Un46 Das Thema wurde auch vom Bundesrechnungshof in einem Gutachten für die Föderalismuskommission erneut ausgeführt, das als Kommissionsdrucksache 055 aufgenommen wurde, abrufbar im Internet unter www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Gutachten / Berichte Bundesbeauftragter (BWV)“, „sonstige Gutachten / Berichte“, „2007 – Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern“). 47 BVerfG NJW 2011, S. 2946 (2950 f.) mit Verweis auf BVerfGE 123, 267 (359). 48 BT-Drs. 17 / 1561 und 17 / 1562. 49 BT-Drs. 17 / 1740 und 17 / 1741. 50 BT-Drs. 17 / 10126 und 17 / 10172 (ESM-Vertrag), 17 / 10125 und 17 / 10171 (Fiskalvertrag) und 17 / 12222 (Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags).

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terrichtung51 und Abgabe von Stellungnahmen, welche von der Bundesregierung bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen sind,52 sowie über verschiedene alleinige Zustimmungskompetenzen, beispielsweise bei Entscheidungen über die Bereitstellung zusätzlicher Instrumente ohne Änderung des Gesamtfinanzierungsvolumens einer bestehenden Finanzhilfefazilität oder wesentliche Änderungen der Bedingungen.53 Der Bundesrechnungshof hat den Haushaltsausschuss bei seiner Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der europäische Banken- und Finanzkrise insbesondere im Wege von schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen und Berichten beraten.54 Beispielhaft zu nennen sind der Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung vom 14. Juni 2010 zu den haushaltsmäßigen Auswirkungen des „Euro-Rettungsschirms“55 oder der mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmte Bericht des Bundesrechnungshofes vom 26. Juni 2012 über das maximale Risiko des Parallelbetriebs der EFSF und des ESM für den Bundeshaushalt.56 Fragen im Zusammenhang mit der EFSF und dem ESM beantwortete ein als Sachverständiger geladenes Mitglied des Bundesrechnungshofes zudem während der öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012.57 Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof mit Unterstützung des Haushaltsausschusses entscheidend darauf hingewirkt, dass im Zuge einer Vertragsanpassung auch der ESM als eine mit öffentlichen Mitteln finanzierte internationale Organisation durch unabhängige Rechnungshöfe geprüft wird. Die Neufassung von Artikel 30 des ESM-Vertrages sieht nunmehr zu diesem Zweck vor, dass ein fünfköpfiger Prüfungsausschuss, dem insbesonde51

§ 7 ESMFinG, § 5 StabMechG. § 5 Abs. 3 ESMFinG, § 4 Abs. 3 StabMechG. 53 Vgl. § 5 Abs. 2 ESMFinG, § 4 Abs. 2 StabMechG – die Reichweite der Zustimmungskompetenz ist derzeit Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht, vgl. bislang Entscheidung des BVerfG über den Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 12. September 2012, AZ 2 BvR 1390 / 12. 54 Vgl. zum Prüfungsverhalten des Bundesrechnungshofes im Zusammenhang mit dem europäischen Stabilitätsmechanismus auch den Beitrag von Ulrich Graf in dieser Festschrift. 55 Ausschussdrucksache 17(8)1461. 56 Ausschussdrucksache 17(8)4541. 57 Vgl. dazu im Einzelnen das stenografische Protokoll der 91. Sitzung des Haushaltsausschusses sowie die schriftlichen Einzelstellungnahmen im Anhang, online abrufbar unter www.bundestag.de (Navigation: „Der Bundestag“, „Ausschüsse“, „Haushalt“, „Aus der Ausschussarbeit“, „Öffentliche Anhörungen“, „Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2012“, „Stenografisches Protokoll Nr. 91“). 52

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re ein Mitglied des Europäischen Rechnungshofes und zwei Mitglieder aus den Rechnungshöfen der Euro-Staaten angehören, die Konten des ESM prüft und sich von der Ordnungsmäßigkeit seiner Gewinn- und Verlustrechnung sowie seiner Bilanz überzeugt.58 Der Deutsche Bundestag und konkret auch der Haushaltsausschuss werden anhand eines Jahresberichts über die Ergebnisse der Prüfungen beim ESM unterrichtet. IV. Was ist die Rolle des Rechnungsprüfungsausschusses? Dem Haushaltsvollzug folgt als abschließende Phase im Haushaltskreislauf das parlamentarische Entlastungsverfahren auf der Grundlage der Jahresrechnung59 des Bundesfinanzministeriums und der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung.60 Die Bundesfinanzministerin oder der Bundesfinanzminister legt hierfür die Jahresrechnung dem Parlament in der Regel zur Mitte desjenigen Jahres vor, welches auf das abgeschlossene Haushaltsjahr folgt. Mit der Vorlage der Jahresrechnung verbunden ist ihr bzw. sein Antrag auf Entlastung der Bundesregierung. Der Entlastungsantrag und die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes werden vom Bundestag ohne Debatte an den Haushaltsausschuss überwiesen, der ohne eigene Aussprache beide Vorlagen zur Beratung dem Rechnungsprüfungsausschuss zuleitet. Der Rechnungsprüfungsausschuss befasst sich im Rahmen des Abschlusses des Haushaltskreislaufs mit jeder einzelnen im Bericht des Bundesrechnungshofes aufgeführten Bemerkung.61 In der 17. Wahlperiode besteht der als ständiger Unterausschuss des Haushaltsausschusses eingerichtete Rechnungsprüfungsausschuss aus 15 Mitgliedern, die zugleich auch Mitglieder des Haushaltsausschusses sind. Den Vorsitz hat nach den geltenden Gepflogenheiten eine Vertreterin oder ein Vertreter der größten Koalitionsfraktion inne.62 Da der Rechnungsprü58 EU-Report deutscher Rechnungshöfe 2012, Bonn 2012, S. 13 f. Die Mitglieder der nationalen Rechnungshöfe im Prüfungsausschuss nach Art. 30 des ESM-Vertrages werden nach dem Rotationsprinzip ernannt. Derzeit als Vertreter der nationalen Rechnungshöfe im Prüfungsausschuss vertreten sind Marc Gengler, Mitglied des Luxemburgischen Rechnungshofes, und Ulrich Graf, Mitglied des Bundesrechnungshofes. 59 Die Jahresrechnung besteht aus der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes und bildet in dieser Form den Kontrapart zum Haushaltsplan. 60 Wolfgang Ismayr, Der Deutsche Bundestag (Fn. 7), S. 355. 61 Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 2), § 44 Rn. 46. 62 In der 16. Wahlperiode hatte den Vorsitz ein Vertreter der kleineren Regierungsfraktion inne. Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses in der 17. Wahlperiode ist Dr. Michael Luther (CDU / CSU-Fraktion).

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fungsausschuss als Schwerpunkt die jährlichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes berät, kommt ihm in der Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Das im Haushaltsausschuss angewandte Berichterstattersystem setzt sich auch im Rechnungsprüfungsausschuss fort. Im Gegensatz zum Haushaltsausschuss ist im Rechnungsprüfungsausschuss jeweils nur eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter für die Berichterstattung für einen Einzelplan bzw. ein Ministerium zuständig. Diese bearbeiten die Prüfbemerkungen für das jeweilige Ressort. In enger Abstimmung mit dem Bundesrechnungshof und den zuständigen Ressorts werden Beschlussempfehlungen vorbereitet, bei denen in den meisten Fällen die Bemerkungen und Beschlüsse des Bundesrechnungshofes die Grundlage bilden. Der Beweis für die fachliche Kompetenz des Bundesrechnungshofes ist der Umstand, dass zu 95 Prozent der Rechnungsprüfungsausschuss die einzelnen Bemerkungen „zustimmend“ zur Kenntnis nimmt. Mit der Zustimmung werden auch die im konkreten Fall häufig vom Bundesrechnungshof vorgeschlagenen Auflagen an die Bundesregierung übernommen, denen innerhalb bestimmter Fristen nachzukommen ist. Nur in Ausnahmefällen wird eine Bemerkung nur „zur Kenntnis“ genommen und eine Diskrepanz zur Auffassung des Bundesrechnungshofes dokumentiert. Es gehört zur gängigen Praxis, dass der Rechnungsprüfungsausschuss seine Beschlüsse fast immer einstimmig fasst, was zum einen zu einer gewissen Versachlichung der Debatte beiträgt und zum anderen die Kontrollfunktion des Parlamentes unterstreicht. Ich selbst war für zwei Legislaturperioden Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses und Berichterstatterin für den Einzelplan des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und in der 15. Wahlperiode für das Bundesministerium des Innern. Gerade die enge Zusammenarbeit mit den Haushaltsreferaten der Ressorts und den zuständigen Prüferinnen und Prüfern des Bundesrechnungshofes hat nach meinem Empfinden zu einer sehr effektiven Arbeitsweise beigetragen. Um die Ausschusssitzungen auf die wesentlichen Themen zu reduzieren, werden oftmals Vorgespräche geführt, die darauf abzielen, eine Einigung über die Vorschläge des Bundesrechnungshofes mit dem entsprechenden Ressort zu erreichen. Stimmen die zuständigen Abgeordneten mit der Haltung der Prüferinnen und Prüfer überein, haben diese wichtige Verbündete, um Vorschläge umgesetzt zu sehen. Nach Abschluss der Beratungen im Rechnungsprüfungsausschuss schließt sich der Haushaltsausschuss dessen Gesamtbeschlussempfehlung mitsamt den in einer Anlage dargestellten Einzelbeschlüssen nach nur kurzer Debatte an und übermittelt sie dem Plenum als eigene Beschlussempfehlung, um

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die in der Regel vor der parlamentarischen Sommerpause anstehende Entlastung der Bundesregierung herbeizuführen.63 Erwähnt werden sollte schließlich noch eine nicht zu vernachlässigende Aufgabe des Rechnungsprüfungsausschusses. Ihm obliegt der Auftrag, die „Prüfer zu prüfen“.64 Prüfungsgegenstand ist die Rechnung des Bundesrechnungshofes, welcher seinen Haushaltsentwurf ebenso wie alle anderen Ressorts über die Bundesregierung im Einzelplan 20 dem Bundestag zur Bewilligung zuleitet.65 V. Mein (Aus-)Blick Der Bundesrechnungshof – dies kann ich aus meiner eigenen Erfahrung unterstreichen – ist für die einzelnen Abgeordneten schon deshalb ein wichtiger Ansprechpartner, weil er eine unabhängigere Sichtweise hat als beispielsweise die Ressortvertreterinnen und -vertreter. Seine Position gilt daher stets als ein gewichtiges Argument, mit dem man sich ernsthaft auseinandersetzen muss. Neben den weitgehend formalisierten Begegnungen in den Berichterstattergesprächen und den Sitzungen des Haushaltsausschusses spielen der persönliche Kontakt und die Gespräche mit den Prüferinnen und Prüfern des Bundesrechnungshofes eine besondere Rolle, liefern sie doch wichtige Informationen für die Meinungsbildung sowie die Beschlussfassung im Ausschuss. Zugleich agiert der Bundesrechnungshof in einem Bereich, in dem politische Meinungen und Positionen eine erhebliche Rolle spielen. Deshalb ist er stets darauf bedacht, von keiner Seite politisch instrumentalisiert zu werden – und soweit ich das beurteilen kann, sind etwaige Versuche in diese Richtung auch nie erfolgreich gewesen. Nicht unterschätzt werden darf dennoch, dass der Bundesrechnungshof durchaus Einfluss ausüben kann. Und natürlich verstärkt sich eine Position, wenn Politik und Bundesrechnungshof am gleichen Strang ziehen. Auch kann es für Angehörige einer Oppositionsfraktion in der Auseinandersetzung mit der Regierung hilfreich sein, wenn der Bundesrechnungshof die Sichtweise teilt. Ebenso gibt es Fälle, wo die Haltung des Bundesrechnungshofes nicht dem politischen Willen der Mehrheit entspricht. Dies beruht auch auf den unterschiedlichen Funktionen und Rollen von Parlament und Bundes63 Peter Eickenboom, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 2), § 44 Rn. 47. 64 Vgl. dazu den Beitrag von Michael Luther in dieser Festschrift. 65 Beate Hasenjäger, Haushaltsausschuss und Haushaltsverfahren (Fn. 3).

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rechnungshof. Die Entscheidungen des Bundesrechnungshofes müssen wesentlich auf wirtschaftlichen Erwägungen gründen. Politische Schwerpunktsetzungen können und sollen in diese Bewertung nicht einbezogen werden. Nicht alles, was auf dem Papier aus Sicht des Bundesrechnungshofes vielleicht wirtschaftlicher erscheinen mag, ist zwangsläufig auch aus politischer Sicht der vorzugswürdige Weg. Vor diesem Hintergrund gilt es als Parlamentarier zu beachten, was auch der Bundesrechnungshof nicht infrage stellt: Der Bundesrechnungshof prüft und berät, die Folgerungen daraus trifft und vor allem „verantwortet“ die Mehrheit der vom Volk gewählten und damit demokratisch legitimierten Mitglieder des Bundestages. Wie die Aufgaben des Haushaltsausschusses in den letzten Jahren gewachsen sind, hat sich auch das Tätigkeitsfeld des Bundesrechnungshofes erweitert. Gerade vor dem Hintergrund der Euro-Rettungsschirme, nationaler und europäischer Verschuldensregeln, des Fiskalpaktes sowie der Aufgabenverteilung mit dem Europäischen Parlament, die Haushalte betreffend, stellt sich jedoch für mich perspektivisch die Frage, ob der Haushaltsausschuss und das Parlament noch weitere Unterstützung brauchen. Ein nach wie vor ungelöstes Problem ist es, auf die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums beim Entwurf des Haushalts angewiesen zu sein und keine eigene Expertise zu haben. Abhilfe könnte hier künftig eine stärkere personelle Kompetenz – nach dem Vorbild eines Budget Offices wie beispielsweise in den USA / nach angloamerikanischem Vorbild – schaffen, die eng an das Parlament angebunden ist.66 Inwieweit der Bundesrechnungshof in ein solches Vorhaben einbezogen werden kann, muss sich zeigen. Im Ergebnis – das zeigt dieser Beitrag – bleibt aber auch unter der Berücksichtigung noch kommender Entwicklungen folgende Erkenntnis: Der Bundesrechnungshof hat nach 300 Jahren kontinuierlicher Fortentwicklung im Zusammenspiel zwischen Parlament – im Besonderen dem Haushaltsund Rechnungsprüfungsausschuss – und der Bundesregierung mehr denn je seinen festen Platz als geschätzte und unabhängige Prüfungs- und Beratungsinstanz bezogen und ist im politischen System von Deutschland wohl auch in den kommenden 300 Jahren nicht mehr wegzudenken. 66 Über die Funktionsweise eines Budget Office berichteten beispielhaft Robert Chote (Chairman of the Office for Budget Responsibility) und Barry Anderson (The Committee for a Responsible Federal Budget) als Sachverständige anlässlich der öffentlichen Anhörung in der 108. Sitzung des Haushaltsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags. Vgl. dazu im Einzelnen das stenografische Protokoll Nr. 17 / 108 sowie die schriftlichen Einzelstellungnahmen im Anhang, online abrufbar unter www.bundestag.de (Navigation: „Der Bundestag“, „Ausschüsse“, „Haushalt“, „Aus der Ausschussarbeit“, „Öffentliche Anhörungen“, „Innerstaatliche Umsetzung des Fiskalvertrags“, „Stenografisches Protokoll Nr. 108“).

Bemerkungen im Wandel der Zeit Joachim Romers I. Einleitung Neben dem Prüfen gehört das Berichten zu den wesentlichen Aufgaben eines jeden Rechnungshofes. Sofern er – wie der Bundesrechnungshof – nicht über eigene Exekutiv- und Sanktionsbefugnisse verfügt, ist er darauf angewiesen, dass bereits die Darstellung und Vermittlung seiner Prüfungsergebnisse einen besseren Umgang mit öffentlichen Mitteln bewirken. So ist es nur folgerichtig, dass der Bundesrechnungshof selbst die „Verlässlichkeit seiner Feststellungen und die Überzeugungskraft seiner Argumente in seinen schriftlichen Berichten“1 als wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit seiner Tätigkeit ansieht. Dieser hohe Anspruch muss in besonderem Maß für die jährliche Berichterstattung des Bundesrechnungshofes gelten, in der er seine wesentlichen Erkenntnisse für Parlament und Regierung, aber auch zur Information der Öffentlichkeit zusammenfasst. Es mag überraschen, dass dieses „zentrale Dokument der Finanzkontrolle“2 die Bezeichnung „Bemerkungen“ trägt, die eher auf den beiläufigen Charakter als auf die zentrale Bedeutung seines Inhalts hinzuweisen scheint. Liegt dies an der Neigung zur Tiefstapelei, die mancher Beobachter dem Rechnungshof und seinen Beschäftigten zuschreibt?3 Oder deutet es tatsächlich darauf hin, dass der Bundesrechnungshof seinen Adressaten mit dieser Berichtsform eine Sammlung von Anmerkungen auf den Weg gibt, die vielleicht von Interesse, aber ohne große Tragweite sind? Dass weder die eine noch die andere Interpretation richtig sein kann, bestätigt der Rückblick in die lange Geschichte der Berichterstattung des Bundesrechnungshofes und seiner Vorläufereinrichtungen. Schon der Begriff der Bemerkung erschließt sich erst im historischen Kontext. Sein Wortsinn 1 Heinz Günter Zavelberg, Staatliche Finanzkontrolle in Deutschland – Über Arbeit und Effektivität des Bundesrechnungshofes, Die Verwaltung 1995 (28), S. 513 (524). 2 Ulrich Hufeld, Der Bundesrechnungshof und andere Hilfsorgane des Bundestages, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 3, 3. Aufl., Heidelberg 2005, § 56 Rn. 42. 3 Vgl. Wolfgang Gehrmann, Im Orden der Tiefstapler, Die Zeit vom 23. Mai 2002.

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ist bis in das 19. Jahrhundert hinein geprägt von dem heute noch in der Verbform „bemerken“ präsenten Sinn des Wahrnehmens oder Beobachtens.4 Auch die aus der Rechnungsprüfung gewonnenen Bemerkungen sollten von Anfang an das beschreiben, was die Kontrollbehörde bei ihrer Tätigkeit beobachtet, wahrgenommen oder festgestellt hatte. Die preußische Verfassung von 1850, mit der der Begriff eingeführt wurde, stützte sich weitgehend auf eine zwanzig Jahre ältere Vorläuferregelung aus der Verfassung des neu gegründeten belgischen Königreichs, die im französischen Text von den „observations“ des Rechnungshofes, also von den Beobachtungen sprach, die mit der Staatsrechnung dem Parlament vorzulegen seien.5 Nicht nur die Bedeutung des Begriffs, sondern auch der Charakter der Bemerkungen hat sich seit dieser Zeit grundlegend geändert. Im historischen Rückblick sind – über die Zäsuren der deutschen Geschichte hinweg – Entwicklungslinien, aber auch im Zeitablauf immer wiederkehrende Grundfragen erkennbar. Sie sind geprägt vom allgemeinen Wandel der Rechnungsprüfung hin zu einer umfassenden Finanzkontrolle.6 Sie betreffen aber auch den besonderen Wesensgehalt der Bemerkungen, etwa in ihrem Verhältnis zu den Adressaten, in ihrer Bedeutung für die Kontrolle des staatlichen Haushalts, in ihrer Aktualität oder im Informationsgehalt ihrer Beiträge. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle der Bemerkungen für Parlament und Öffentlichkeit. Ebenso wie vor 150 Jahren ist heute noch die Frage von Bedeutung, wie und wie wirksam die Bemerkungen die Arbeit des Parlaments unterstützen. Zunehmend ist daneben die Frage in den Vordergrund gerückt, welchen Beitrag sie zur Information der Öffentlichkeit leisten können. Dies bedeutet keineswegs, dass die Rolle der Bemerkungen für die Exekutive als weiteren Adressaten zu vernachlässigen wäre. Die Zuleitung an sie hat zweifellos „mehr als nur nachrichtlichen Charakter“7, auch wenn die geprüften Behörden die sie betreffenden Prüfungsergebnisse 4 Vgl. Jacob Grimm / Wilhelm Grimm, Wörterbuch der Deutschen Sprache, Bd. 1, Leipzig 1854, S. 1460. Dort steht diese Wortbedeutung (observatio) neben der Bemerkung im Sinne einer Anmerkung (notatio), wobei sich die Mehrzahl der Beispiele auf die erste Bedeutung bezieht. 5 Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt am Main 1964, S. 7 (46). 6 Vgl. hierzu Heinz Günter Zavelberg, Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle, in: Hans Herbert v. Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989, S. 19 ff.; Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel – Von der klassischen Rechnungsprüfung zur modernen Finanzkontrolle, Bamberg 2009, insbesondere S. 35 ff. 7 Helmut Karehnke, Zur Berichterstattung des Rechnungshofes an die gesetzgebende Gewalt nach neuem Haushaltsrecht, Die Öffentliche Verwaltung 1971, S. 441 (442).

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längst kennen. Die Bemerkungen können nämlich darüber hinaus Fehlentwicklungen in der Verwaltung in der Gesamtschau darstellen und ihr dadurch Ansatzpunkte für wirtschaftliches Handeln aufzeigen.8 Diese pädagogische Wirkung tritt jedoch in den Hintergrund gegenüber der Bedeutung für Parlament und Öffentlichkeit, für die die Bemerkungen das zentrale Informationsmedium über die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes sind. Der Wandel der Bemerkungen im Verhältnis zu diesen Adressaten soll daher im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen. Die prägenden Entwicklungen sollen zunächst in einem historischen Abriss skizziert werden, um dann in einer knappen aktuellen Bestandsaufnahme die modernen Bemerkungen in ihren wesentlichen Funktionen zu beschreiben. Anschließend soll einigen zentralen Fragen nachgegangen werden, die zum Verständnis der Bemerkungen in ihrer jetzigen Form hilfreich sein können, aber auch aktuelle und mögliche künftige Herausforderungen in das Bewusstsein rücken. II. Etappen der Entwicklung von den Anfängen in Preußen bis heute 1. Verankerung der Bemerkungen in der konstitutionellen Monarchie Die Geburtsstunde der Bemerkungen war das Ergebnis eines Ringens um den Stellenwert der Budgetkontrolle in den neuen Strukturen der konstitutionellen Monarchie. Die Paulskirchenverfassung von 1849 hatte sich bereits zur parlamentarischen Kontrolle des Haushaltsvollzugs als Bestandteil des Budgetrechts bekannt, die Rolle des Rechnungshofes aber offengelassen.9 Die erste preußische Verfassung von 1848 war sogar noch weiter gegangen, indem sie bestimmte, dass „die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres, einschließlich einer Übersicht der Staatsschulden, (…) von der Ober-Rechnungskammer zur Entlastung der Staatsregierung den Kammern vorgelegt (wird).“ Das damit verankerte wesentliche Element des Budgetrechts, nämlich die Regierung zu entlasten, sollte in den folgenden Verfassungsschritten Bestand haben, nicht jedoch der hiermit verbundene direkte Zugang des Rechnungshofes zum Parlament. Nach Artikel 104 der im Jahr 1850 revidierten Verfassung Preußens war die Staatsrechnung dem Parlament – nach belgischem Vorbild – nunmehr mit den Bemerkungen der Preußischen 8 Vgl. Oliver Sievers, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Juli 2010, § 97 BHO Rn. 10. 9 Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 6.

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Oberrechnungskammer zur Entlastung vorzulegen.10 Damit war ein entscheidender Schritt getan. Die bereits seit Anfang des 18. Jahrhunderts im Auftrag des Monarchen vollzogene Rechnungsprüfung war nun auch in den Dienst der parlamentarischen Budgetkontrolle gestellt. Die Bemerkungen hatten dabei eine wesentliche Rolle zu spielen. Allerdings war die Regierung ihr erster Adressat. Das Parlament war zudem weit davon entfernt, einen umfassenden Einblick in die Schwächen der Verwaltung zu erhalten, oder gar, wie es dem König zustand, über Verbesserungsvorschläge informiert zu werden.11 In den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Verfassung von 1850 bekamen die Abgeordneten gar keine Bemerkungen zu Gesicht, da die restriktive Haltung von Mitgliedern der Regierung und konservativer Abgeordneter ebenso wie die Unsicherheit der Oberrechnungskammer über den tatsächlichen Inhalt dies verhinderten.12 Beide Kammern des Parlaments bestanden aber darauf, dass „das bloße Vorlegen der Rechnung (…) und das Vorenthalten der Bemerkungen unvereinbar sei mit der Verfassung und eine verständige oder eine einer Landesvertretung angemessene Behandlung der Sache unmöglich mache“.13 In der Folge beschrieb die Exekutive in einer Instruktion an die Oberrechnungskammer, was sie unter Bemerkungen verstand: eine Übersicht über Etatüberschreitungen, „extraordinäre Ausgaben“ und Verstöße gegen die vom Haushaltsgesetz vorgesehene Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben. Aus Sicht des Parlaments war dies zu wenig. Es beklagte, dass die Bemerkungen lediglich die „rein kalkulatorischen Momente behandeln, nicht aber das Wesen der Verwaltung und diejenigen Momente, welche einen Grund zu Beanstandung der Decharge enthalten.“ Der Wunsch nach derart wesentlichen Informationen ging aber nicht in Erfüllung, auch nicht mit dem Preußischen Oberrechnungskammergesetz von 1872, das die seit Inkrafttreten der Verfassung von 1850 ausstehende rechtliche Grundlage für die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer festlegen sollte. In den Gesetzesberatungen wurde die Forderung nach einem Bericht über die hauptsächlichsten Prüfungsergebnisse ebenso abgelehnt wie der Vorschlag, dem Landtag und 10 Art. 104 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850; vgl. Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland, in: Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 43 (59); Friedrich von Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 5), S. 7 (51). 11 Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 6), S. 61. 12 Auch der Finanzminister musste erst den Zugang zu den Berichten des Rechnungshofes an den König erbitten, was ihm 1862 gewährt wurde; vgl. Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer (Rechnungshof des Deutschen Reichs) – Ihre Geschichte, Einrichtung und Befugnisse, Berlin 1884, S. 243. 13 Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer (Fn. 12), S. 245.

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seinen Ausschüssen Rückfragen an die Oberrechnungskammer zu gestatten.14 Es blieb bei dem „kalkulatorischen“ Charakter der Bemerkungen: Die Oberrechnungskammer sollte mit ihnen dem Parlament darlegen, zu welchen über- und außerplanmäßigen Ausgaben und zu welchen Abweichungen zwischen Kassenrechnung und tatsächlichen Zahlungen es im Berichtsjahr gekommen war.15 2. Neue Grenzen und neue Wege – die Bemerkungen in der Kaiserzeit Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes 1869 und des Deutschen Reichs 1871 hatte die Preußische Oberrechnungskammer die ihr zugewiesenen Aufgaben auch für den Bundes-, später den Reichshaushalt auszuüben. Eine dauerhafte rechtliche Grundlage hierfür gab es nicht: Die Reichsverfassung von 1871 äußerte sich anders als die preußische Verfassung nicht zur Rechnungsprüfung und ihren Ergebnissen. Verschiedene Versuche, die Rechnungsprüfung reichsgesetzlich zu regeln, scheiterten an gegensätzlichen Auffassungen von Reichskanzler, Reichstag und Reichsrat. Die Rechnungsprüfung übernahm eine Abteilung der Preußischen Oberrechnungskammer als Rechnungshof des Deutschen Reiches auf der Grundlage von zeitlich befristeten Kontrollgesetzen. Gerade das Provisorium, in dem die Rechnungsprüfung im Kaiserreich stattfand, erwies sich als fruchtbarer Boden, um neue Wege im Umgang mit den Bemerkungen zu entwickeln oder zumindest zu erproben. So hielt sich die Oberrechnungskammer für befugt, ihre Bemerkungen zu den Reichshaushaltsrechnungen unmittelbar dem Parlament vorzulegen; eine Praxis, der Reichskanzler Bismarck im Jahr 1885 ein abruptes Ende bereitete. Er wies den Kaiser darauf hin, dass damit den Bestrebungen zur „Erweiterung der parlamentarischen Macht“ zulasten der Regierungsbefugnisse Vorschub geleistet würde.16 Eine zweite Gepflogenheit hatte sich in den Jahren der Kaiserzeit etabliert, nämlich „den Bemerkungen einen sogenannten Vorbericht voranzustellen, in dem er grundsätzliche wichtige Fragen zur Sprache brachte“.17 Damit entfernte sich die Berichterstattung von den „kleinen 14 Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 5), S. 7 (57 f.). 15 Gesetz vom 27. März 1872 über die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer. §§ 18 und 19 definieren den Inhalt der zu erstattenden Bemerkungen und die von ihnen zu beschreibenden „Etatsüberschreitungen“. 16 Friedrich v. Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 5), S. 7 (67). 17 Denkschrift und Bemerkungen des Rechnungshofes des Deutschen Reichs zur Haushaltsrechnung 1921–1923, RT-Drs. III / 3374, S. 2.

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Einzelheiten“ und näherte sich den „höheren Gesichtspunkten ihrer Pflichterfüllung“, wie es der Abgeordnete Lasker in der Beratung des Kontrollkammergesetzes 1872 gefordert hatte.18 Die Wertschätzung des Parlaments für diese Neuorientierung blieb nicht aus. Als Beispiel mag die Reichstagsberatung der Rechnung über den Haushalt der afrikanischen Schutzgebiete im Jahr 1909 dienen. Der Rechnungshof hatte die Rechnungskommission in einem Vorbericht auf grundlegende Mängel in der Rechnungsführung der Kolonialverwaltung hingewiesen und zugleich Vorschläge für Verbesserungen gemacht. Abgeordnete verschiedener Fraktionen, aber auch der Vertreter der Exekutive schlossen sich der Bewertung des Rechnungshofes an und hielten eine Umsetzung seiner grundsätzlichen Vorschläge für wichtig. Der Abgeordnete Erzberger fasste es so zusammen: „Bei der hervorragenden Wichtigkeit, welche ich diesen Bemerkungen des Rechnungshofes beilege, möchte ich die Kolonialzentralverwaltung, das Reichskolonialamt hier in Berlin, bitten, daß es eine Abschrift dieser Grundsätze des Rechnungshofes zur Nachachtung liefere.“19 3. Bemerkungen auf neuer Rechtsgrundlage – die Bemerkungen nach der Reichshaushaltsordnung von 1922 Der Erste Weltkrieg und seine Folgen stellten eine schwerwiegende Hypothek auch für die deutschen Staatsfinanzen dar. Angesichts eines enormen Schuldenbergs mussten die neu geschaffene Republik und ihr Parlament besonderen Wert auf Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit und damit auch auf eine effektive Finanzkontrolle legen. Es lag also nahe, die im Kaiserreich entwickelten Ansätze für eine wirksame Unterstützung des Parlaments durch den Rechnungshof zu nutzen und weiterzuentwickeln. Die hierfür immer noch fehlenden reichsrechtlichen Grundlagen mussten rasch geschaffen werden. Beides gelang mit der Reichshaushaltsordnung von 1922, der ersten umfassenden Regelung des deutschen Haushaltsrechts, die den gesamten Haushaltskreislauf von der Auf- und Feststellung über den Vollzug bis hin zur Kontrolle regelte.20 Zwar hatte die Weimarer Reichsverfassung wie schon die Verfassung des Kaiserreichs auf eine Erwähnung der Rechnungsprüfung verzichtet; diese Materie regelte die Reichshaus18 Zitiert nach Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer (Fn. 12), S. 302. 19 Verhandlungen des Reichstags, Band 235, Protokoll der Sitzung vom 24. Februar 1909, 7137C; kurz zuvor hatte ein Vertreter des Rechnungshofes erstmals an einer Sitzung der Rechnungskommission des Reichstages teilgenommen; vgl. Herbert Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns – Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als Prüfungsmaßstäbe, Heidelberg 1995, S. 56. 20 Herbert Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns (Fn. 19), S. 53.

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haltsordnung umso genauer und beschrieb dabei auch Aufgaben und Inhalte der Bemerkungen. So stellte der hierfür maßgebliche § 107 Reichshaushaltsordnung einleitend klar, der Rechnungshof habe die Bemerkungen „unter selbständiger und unbedingter Verantwortlichkeit“ aufzustellen. Sie sollten, wie in preußischer Zeit, Aufschluss über die rechnerische Richtigkeit, über die Übereinstimmung der Zahlungsvorgänge mit den hierfür geltenden Regelungen und Abweichungen von den Haushaltsansätzen liefern.21 Auch an der Praxis, die Bemerkungen zunächst dem Reichsfinanzminister zuzuleiten, um sie mit der Reichshaushaltsrechnung dem Parlament zur Entlastung vorzulegen, änderte sich nichts. Dennoch erweiterte sich der rechtliche Rahmen an entscheidenden Stellen. So bestimmte § 107 Absatz 6 Reichshaushaltsordnung, dass den Bemerkungen eine „Denkschrift“ beigefügt werden sollte, die die „hauptsächlichsten Prüfungsergebnisse“ zusammenfasst. Diese Denkschrift gab nicht zuletzt auch die Möglichkeit, dem neuen Schwerpunkt der Prüfung Rechnung zu tragen, wie sie in § 96 Reichshaushaltsordnung zum Ausdruck gebracht wurde: der Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns. Dieser Prüfungsmaßstab war zwar schon in preußischer Zeit zu beachten, in der eher formalen Berichterstattung an das Parlament konnte er aber keine wesentliche Rolle spielen. Ausdrücklich sollten die Bemerkungen auch auf Prüfungserkenntnisse zu den im staatlichen Eigentum stehenden Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit eingehen. Die Reichshaushaltsordnung schuf außerdem einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für die Beratungsfunktion des Rechnungshofes. Hinweise auf grundlegende Mängel in der Verwaltung und entsprechende Verbesserungsvorschläge, die zuvor nur an die Exekutive gerichtet waren, durften nunmehr – nach entsprechender Stellungnahme der Regierung – an das Parlament weitergeleitet werden.22 Der Rechnungshof legte seinen ersten zusammenfassenden Bericht für die Haushaltsjahre 1920 bis 1923 im Mai 1927 vor. In den Folgejahren bemühte er sich um eine zeitnähere Berichterstattung, zumal die Abgeordneten des Haushaltsausschusses die späte Vorlage beklagten und beispielsweise mahnend darauf hinwiesen, der amerikanische Rechnungshof sei „viel fixer“ und lege seine Berichte bereits am Ende des Fiskaljahrs vor.23 Die Denkschrift stellte der Rechnungshof stets an den Anfang seines Berichts. In ihrem „Allgemeinen Teil“ thematisierte er übergreifende haushaltsrechtliche Grundsatzfragen und methodische Aspekte der Rechnungsprüfung, im „Besonderen Teil“ beschrieb er die aus den Prüfungsergebnissen abgeleiteten Problemfel21

Vgl. § 107 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 RHO. Vgl. § 109 Abs. 2 RHO. 23 Abg. Dr. Wieland in Verhandlungen des Reichstags, Band 425, Protokoll der 86. Sitzung vom 14. Juni 1929, 2465C. 22

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der und Handlungsempfehlungen für einzelne Verwaltungsbereiche. Die eigentlichen Bemerkungen folgten der Denkschrift und stellten den Stand des Entlastungsverfahrens, die Rechnung einschließlich der festgestellten Abweichungen sowie die Feststellung über- und außerplanmäßiger Ausgaben und Verstöße gegen die für die Mittelverwendung geltenden Vorschriften dar. Der Rechnungshof nutzte seine neu geschaffenen Möglichkeiten. Auch wenn er stets die Bedeutung der formellen Rechnungsprüfung betonte, kam in den Denkschriften die „Verschiebung der Prüfungstätigkeit des Rechnungshofes hin zu der wirtschaftlichen Seite“ zum Ausdruck.24 Sie enthielten Analysen und Empfehlungen zu staatlichen Maßnahmen in einem durchaus breiten und komplexen Zusammenhang. So legte der Rechnungshof bereits in seiner ersten Denkschrift das „Hauptaugenmerk auf die wirtschaftliche Gestaltung der zur Förderung des Luft- und Kraftfahrwesens geschaffenen Einrichtungen“.25 Die Denkschriften und Bemerkungen des Rechnungshofes stießen in der Folge auf ein großes Interesse im Haushaltsausschuss des Reichstages und im Rechnungsunterausschuss.26 Im Jahr 1928 war den Parlamentariern die Bedeutung der Tätigkeit des Rechnungshofes zumindest so bewusst, dass sich eine Delegation des Rechnungsunterausschusses erstmals zu einem Besuch in sein Gebäude in Potsdam begab.27 Der zunehmende Einfluss des Rechnungshofes auf die parlamentarische Arbeit setzte sich über die Bemerkungen hinaus bis in die Haushaltsberatungen fort. Mit der Institution des Reichssparkommissars erhielt der Präsident des Reichsrechnungshofes schließlich weitgehende Befugnisse und einen unmittelbaren Einfluss auf die Haushaltsgestaltung.28 Die Bedeutung und Wirksamkeit, die die Bemerkungen und Denkschriften nach und nach gewonnen hatten, wurden ihnen mit der Machtübernahme 24 Vgl. Denkschrift und Bemerkungen des Rechnungshofes des Deutschen Reichs zur Reichshaushaltsrechnung 1926, RT-Drs. IV / 1053, S. 25. 25 Denkschrift und Bemerkungen des Rechnungshofes des Deutschen Reichs zur Reichshaushaltsrechnung 1920–1923, S. 24. 26 Vgl. Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof während der Amtszeit von Präsident Saemisch, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 65 (87 ff.). Die ursprünglich als selbstständiger Ausschuss eingesetzte Rechnungsprüfungskommission des Reichstages wurde 1928 in einen Unterausschuss des Haushaltsausschusses umgewandelt; vgl. Heinz Günter Zavelberg, Staatliche Finanzkontrolle in Deutschland (Fn. 1), S. 513 (526). 27 Verhandlungen des Reichstags, Band 394, Protokoll der 370. Sitzung vom 28. Januar 1928, 12487B. 28 Vgl. Hermann Dommach, Der Reichsrechnungshof (Fn. 26), S. 86.

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des nationalsozialistischen Regimes schnell genommen. Spätestens seit Anfang 1934, als auch der Reichsrat seine Stellung als Reichsorgan verloren hatte, gab es keine parlamentarischen Adressaten mehr; die Bemerkungen hatten ihre Funktion verloren.29 Für die Denkschriften zeichnete fortan nicht mehr der Rechnungshof als Kollegialorgan, sondern sein Präsident verantwortlich.30 Sie stellten in der Folgezeit keine kritische Analyse des Verwaltungshandelns mehr dar, sondern lebten lediglich in der Form einer Sammlung von Ratschlägen und Anregungen des Rechnungshofes als „Helfer der Verwaltung“ fort.31 4. Kontinuität im Neuanfang – die Bemerkungen in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Der Weg der Finanzkontrolle nach dem Zweiten Weltkrieg begann mit einem Rückgriff auf die preußische Verfassung von 1850. Das Grundgesetz in der ab 1949 geltenden Fassung sah in Artikel 114 vor, dass wie damals die Regierung ihre Haushaltsrechnung dem Parlament mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung vorzulegen hatte. Als Fortsetzung der üblichen Rechnungslegung und -prüfung war dieser Ansatz weitgehend unumstritten.32 Auch in der Ausformung der Bemerkungen setzte das Haushaltsrecht der Bundesrepublik auf Bestehendes. Die Reichshaushaltsordnung galt fort, wenn auch bewusst als Provisorium.33 Der 1950 gegründete Bundesrechnungshof legte auf dieser Grundlage erstmals im Jahr 1952 Bemerkungen vor, und zwar für die Zeit von 1947 bis September 1949. Entsprechend der Regelung in Artikel 114 Grundgesetz war der Bundesfinanzminister erster Adressat der Bemerkungen, der sie mit seinem Entlastungsantrag dem Parlament vorzulegen hatte. Das Plenum des Bundestages überwies die Bemerkungen dem Haushaltsausschuss und seinem „Rechnungsunterausschuss“ zur Beratung und fasste auf der Grundlage der Ausschussberatungen 29

Herbert Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns (Fn. 19), S. 406. Diese Praxis wurde auch nach Gründung der Bundesrepublik bis zur Haushaltsreform 1969 fortgeführt. 31 Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt – Der Reichsrechnungshof im NS-Staat und die Neuordnung der staatlichen Finanzkontrolle im demokratischen Nachkriegsdeutschland, Berlin 1988, S. 37. 32 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 9), Art. 114 GG Rn. 15. 33 Die RHO galt auch in der DDR bis 1950 fort, bevor sie durch das Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der DDR abgelöst wurde, in der für eine Rolle des Parlaments bei der Beratung des Haushalts und damit auch der Bemerkungen im Sinne von § 107 RHO kein Platz war; vgl. Jens Bögershausen, Rechnungshöfe und Regimewechsel (Fn. 6), S. 232. 30

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den Entlastungsbeschluss. Damit war der grundlegende Ablauf der parlamentarischen Behandlung festgelegt, der im Grundsatz bis heute unverändert gilt.34 Der erste Entlastungsbeschluss des Deutschen Bundestages vom Oktober 1952 galt für Jahre, in denen gar keine zu entlastende Bundesregierung existierte. Nach dem Verlauf der damaligen Beratung im Plenum zu urteilen tat dies der Wertschätzung der Bemerkungen und der darauf beruhenden Entlastungsentscheidung jedoch keinen Abbruch. Es wurde vielmehr betont, dass mit dieser „Beschlussfassung erstmalig nach vielen Jahren wieder zum Ausdruck kommt, daß das Parlament darüber wacht, wie öffentliche Gelder, die es bewilligt hat, verwendet worden sind.“35 Anfang 1954 begann der Bundesrechnungshof mit der regelmäßigen Vorlage der Bemerkungen, zunächst für die Haushaltsjahre 1949 / 1950 und 1951. Struktur und inhaltliche Schwerpunkte entsprachen dabei wie in der Weimarer Zeit den Vorgaben der Reichshaushaltsordnung. Breiten Raum nahm in den Bemerkungen die Darstellung der Rechnungsergebnisse, der über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Ordnungsmäßigkeitsverstöße bei einzelnen Titeln des Bundeshaushalts ein. Andere Schwerpunkte setzten allerdings die – deutlich von den Bemerkungen getrennten – Denkschriften des Präsidenten. Sie sollten die Prüfungsergebnisse von besonderer Bedeutung darstellen und, „wo es zweckmäßig erschienen ist, auch auf Ergebnisse und Vorgänge aus neuerer Zeit“36 eingehen. Ein besonders großes Interesse der Adressaten schien dennoch weder den Bemerkungen noch den Denkschriften beschieden gewesen zu sein. In der Sitzung im Jahr 1967, in der sich der Bundestag mit den Bemerkungen zur Haushaltsrechnung für das Jahr 1962 befasste, stellte der Berichterstatter nüchtern fest, es habe „keine besonders gravierenden Verstöße gegen die Vorschriften der Haushaltsordnung“ gegeben.37 Als einzige Ausnahme sah er ein Fehlverhalten der Einfuhr- und Vorratsstelle für Schlachtvieh, die unter anderem in großem Maßstab überfettes, kaum verwertbares Rindfleisch zu überhöhten Preisen aufgekauft hatte. Die Bemerkungen für das Jahr 1966 stießen auf noch weniger Interesse, ebenso wie die Bemerkungen der Jahre 1967 bis 34 Am 8. Februar 1952 wurde der Rechnungsunterausschuss in Rechnungsprüfungsausschuss umbenannt, s. Deutscher Bundestag (Hrsg.), Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Bd. 2, Baden-Baden 1999, S. 2043. 35 Abg. Dr. Blank (Oberhausen) im Protokoll der 236. Sitzung des Deutschen Bundestages (1. Wahlperiode) am 30. Oktober 1952, 10846B. 36 So beispielsweise die Einleitung zur Denkschrift des Jahres 1955, BT-Drs. 2 / 1892, S. 79. 37 Abg. Dr. Koch in der 103. Sitzung des Deutschen Bundestages (5. Wahlperiode) am 14. April 1967, 4825A.

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1969. Mit einer Verzögerung von sechs Jahren erteilte das Parlament der Bundesregierung Entlastung, ohne die Inhalte der Bemerkungen und die Gründe für die Verspätung zu thematisieren. Der Präsident des Bundesrechnungshofes sah diese Gründe beim Parlament selbst: Der Haushaltsausschuss sei in dieser Zeit selbst völlig überlastet gewesen, und so habe auch der Rechnungsprüfungsausschuss keine Zeit gehabt, sich um die Bemerkungen zu kümmern.38 5. Näher am Parlament, näher an der Öffentlichkeit, näher an der Gegenwart – die Bemerkungen nach der Haushaltsreform von 1969 Eine entscheidende Zäsur brachte die Haushaltsreform des Jahres 1969. Sie führte zunächst dazu, dass der Begriff Bemerkungen aus der Verfassung verschwand: In dem grundlegend veränderten Artikel 114 Grundgesetz war von ihnen nicht mehr die Rede, dafür aber von einem jährlichen Bericht an den Bundestag und den Bundesrat. Der in preußischer Zeit verordnete Umweg der Berichterstattung des Rechnungshofes an das Parlament über den Finanzminister war damit abgeschafft, der Bundesrechnungshof – wie es der Zielsetzung der Reform entsprach – näher an das Parlament gerückt.39 Für den Gegenstand der Berichterstattung ließ die Formulierung zudem großen Raum: Sie sollte all das umfassen, was Artikel 114 Grundgesetz dem Bundesrechnungshof als neue, bewusst breit formulierte Prüfungsaufgabe zugewiesen hatte: die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes. Die Beschreibung der Rolle, die die Bemerkungen künftig spielen sollten, fand in § 97 der mit der Haushaltsreform geschaffenen Bundeshaushaltsordnung ihren Platz. Die Regelung schien allerdings den breiten Gestaltungsspielraum für die Berichterstattung wieder einzuengen. Die Bemerkungen sollten sich demnach weiterhin auf Prüfungsergebnisse beschränken, die „für die Entlastung wegen der Haushaltsrechnung und der Vermögensrechnung von Bedeutung“ sein können. Zudem übernahmen die Regelungen des § 97 Absatz 2 Nummer 1 und 2 Bundeshaushaltsordnung mit der Aufgabe, über die Richtigkeit und ordnungsgemäße Belegung der Jahresrechnung sowie über bei ihrer Prüfung festgestellte Ordnungsmäßigkeitsverstöße zu berichten, grundsätzlich die Zielrichtungen der Bemerkungen „alter Art“ nach der Reichshaushaltsordnung.40 Da aber auch über Abweichungen von 38 Hans Schäfer, Bericht des Bundesrechnungshofes zur Bundeshaushaltsordnung 1970, in: Bulletin der Bundesregierung Nr. 162, 1972, S. 1926 (1927). 39 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 9), Art. 114 GG Rn. 31. 40 Helmut Karehnke, Zur Berichterstattung des Bundesrechnungshofes (Fn. 7), S. 441 (443).

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Grundsätzen der Haushalts- und Wirtschaftsführung, also auch vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 7 Bundeshaushaltsordnung), berichtet werden sollte, war ein Ansatzpunkt für die Darstellung von Ergebnissen geschaffen, die weit über das Rechnungsergebnis hinausreichen. Mit der Möglichkeit, über Feststellungen zu berichten, die nicht dem für die Entlastung anstehenden Haushaltsjahr zuzuordnen sind, löste § 97 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung die in Absatz 1 formulierte strenge Bindung an die Jahresrechnung wieder auf und schuf mit der Vorgabe, auch Empfehlungen zu unterbreiten, einen ausdrücklichen Zukunftsbezug. Unter das Dach der Bemerkungen „neuer Art“ fügten sich ebenfalls die zuvor nach der Reichshaushaltsordnung gesondert vorgesehenen Berichte über die Betätigung des Bundes bei seinen Unternehmen (§ 97 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung). In ihnen gingen schließlich auch die Denkschriften auf.41 Im Ergebnis führten die ab 1970 vom Bundesrechnungshof vorzulegenden Bemerkungen die Tradition einer rechnungsbezogenen Grundlage für die Entlastung der Regierung durch das Parlament fort, boten aber zugleich vielfältige Möglichkeiten, um der im Grundgesetz verankerten umfassenden Berichts- und Informationsaufgabe nachzukommen. Beide Funktionen fanden sich in den Bemerkungen der Folgezeit wieder, wenn auch nicht in einer unmittelbar erkennbaren Differenzierung. Unter den „Allgemeinen Prüfungsergebnissen“ berichtete der Bundesrechnungshof zunächst über die Ergebnisse der rechnerischen Prüfung nach § 97 Absatz 2 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung. Dieser Abschnitt enthielt gleichzeitig Feststellungen zur Betätigung bei den Unternehmen und übergreifende Ergebnisse von besonderer Bedeutung, wie sie zuvor in den Denkschriften aufgenommen waren. Unter der Überschrift „Besondere Prüfungsergebnisse“ beschrieb der Bundesrechnungshof Erkenntnisse zu einzelnen Haushaltsstellen der Einzelpläne des Bundeshaushalts, aber nicht mehr wie in den Bemerkungen „alter Art“ nur dann, wenn ein unmittelbarer Bezug zur Haushaltsrechnung bestand. Vielfach stellten sie längerfristige Entwicklungen, exemplarische Wirkungen und konkrete Empfehlungen des Bundesrechnungshofes in den Vordergrund. Die einzelne Bemerkung zeigte nicht mehr nur haushaltsrechtliche Verstöße auf, die in mehr oder weniger lange zurückliegenden Haushaltsjahren begangen worden waren, sondern konnte einen umfassenderen und aktuelleren Blick auf Ursachen, Wirkungen und

41 Vgl. Einleitung zu den Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1967, BT-Drs. 6 / 559. Die Praxis, entsprechend den Vorgaben der RHO Denkschriften vorzulegen, führen einige Landesrechnungshöfe fort. Vgl. § 97 Abs. 6 Niedersächsische Landeshaushaltsordnung, § 97 Abs. 6 Landeshaushaltsordnung des Landes Sachsen-Anhalt; auch den Bemerkungen des Landesrechnungshofes Baden-Württemberg wird eine Denkschrift beigefügt.

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Verbesserungsmöglichkeiten zu einzelnen Aspekten des Verwaltungshandelns lenken. Diese Entwicklung gab offenkundig der Aufmerksamkeit für die Bemerkungen einen zusätzlichen Schub. Noch im Jahr 1972 hatte der damalige Präsident des Bundesrechnungshofes, Hans Schäfer, beklagt, die Resonanz der Bemerkungen entspreche nicht dem Gewicht seiner Feststellungen, während im selben Jahr die französische Tageszeitung „Le Monde“ in „fünf längeren Artikeln wesentliche Teile der Feststellungen des französischen Rechnungshofes wiedergegeben hat“.42 Zwar hatte der Bundesrechnungshof seit Ende der Fünfzigerjahre die Presse über seine Bemerkungen informiert und damit ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erregt.43 Doch galt der Bundesrechnungshof Ende der Sechzigerjahre als „praktisch unbekannte Behörde.“44 Erst Anfang der Siebzigerjahre war festzustellen, dass er einer systematischen, regelmäßigen und aktuellen Information der Öffentlichkeit größere Bedeutung beimaß. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass die Ausführungen des Präsidenten zur jährlichen Bemerkungspressekonferenz im Jahre 1970 erstmals über das Bulletin der Bundesregierung verbreitet wurden. In dieser Phase, die nach dem Ende der Großen Koalition 1969 durch tief greifende politische Kontroversen geprägt war, wurde auch die mögliche politische Tragweite der Bemerkungen bewusster. So hatte der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1972 beanstandet, dass die in der Jahresrechnung ausgewiesenen außer- und überplanmäßigen Ausgaben von 2 Milliarden D-Mark in wesentlichen Teilen weder unabweisbar noch unvorhersehbar waren. Es handelte sich dabei um Zuwendungen an die Bundesbahn sowie Kredite an die Kreditanstalt für Wiederaufbau und bundeseigene Unternehmen. In seinen Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1973 führte der Bundesrechnungshof weitere Zahlungen auf, die nach seiner Auffassung nicht mit dem Budgetrecht zu vereinbaren waren. In dem danach von der Opposition angestrengten Organstreitverfahren kam das Bundesverfassungsgericht wie der Bundesrechnungshof zu dem Ergebnis, dass die notwendigen zwingenden Ausnahmegründe für eine Abweichung 42 Hans Schäfer, Bericht des Bundesrechnungshofes zur Haushaltsrechnung 1970 (Fn. 38), S. 1926 (1929). 43 Vgl. „Wir lassen die Akten nicht los“, Der Spiegel vom 7. Januar 1959, S. 16 ff., in dem nach der ersten Pressekonferenz vom 26. Oktober 1958 in Frankfurt ein ausführlicher Beitrag über den Bundesrechnungshof erschien. Darin wurde dem damaligen Präsidenten Hertel „Publizitätseifer“ bescheinigt, der dafür gesorgt habe, dass der Prüfungsbericht „in der Öffentlichkeit Aufsehen und im Bundeskabinett Unwillen erregte“. 44 Raimond Koplin, Reicht die Kontrolle aus? – Die Aufgaben des Bundesrechnungshofes, Die Zeit vom 7. April 1967.

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vom Budgetrecht des Parlaments nicht gegeben waren.45 Mit Hinweis auf diese Entscheidung verweigerte die Opposition im Deutschen Bundestag die Zustimmung zur Entlastung für die Haushaltsjahre 1973 und 1974.46 Auch der Bundesrat schränkte seine Zustimmung zur Entlastung für die Haushaltsjahre 1972 bis 1975 wegen der außer- und überplanmäßigen Ausgaben zulasten der Haushalte 1972 und 1973 ein – der bisher einzige Fall, in dem einer Bundesregierung keine vollständige Entlastung erteilt wurde. Beide Entlastungsentscheidungen fielen im Jahr 1978, also mit einem zeitlichen Abstand von fünf bis sechs Jahren. Die damit verbundene Berichterstattung in einer politisch brisanten Angelegenheit trug ebenfalls zu einer stärkeren Wahrnehmung des Bundesrechnungshofes und seiner Bemerkungen bei. Es häuften sich Pressebeiträge, die sich mit der Rolle des Bundesrechnungshofes befassten. Dabei gerieten aber auch die Grenzen seiner Wirksamkeit in das Blickfeld. Verschiedene Artikel mit Titeln wie „Ohnmacht der Kontrolleure“ oder „Rügen ohne Folgen“ kritisierten, „dass der Bundesrechnungshof mit seinen Bemerkungen regelmäßig der aktuellen Haushaltslage hinterherhinkt.“47 Als ärgerlich wurde auch empfunden, dass die Beanstandungen häufig keine Konsequenzen hätten und die Feststellungen des Bundesrechnungshofes die „Abgeordneten ziemlich kalt“ ließen.48 Die Kritik zielte allerdings zumeist nicht auf den Bundesrechnungshof selbst, sondern auf die Rahmenbedingungen für seine Tätigkeit. 6. Aktueller, interessanter, informativer – die Weiterentwicklung der Bemerkungen Der Bundesrechnungshof selbst unternahm in der Folge erhebliche Anstrengungen, die Wirksamkeit seiner Bemerkungen und seiner Tätigkeit insgesamt zu erhöhen oder zumindest deutlicher zu machen. Ein wesentliches Ziel war es, das Problem der zeitlichen Aktualität der Bemerkungen zu entschärfen. Dies wurde Anfang der Achtzigerjahre deutlich, als der Bundesrechnungshof die traditionelle Bezeichnung seiner Bemerkungen änderte. Er nannte erstmals das Jahr der Vorlage im Titel, indem er „Bemerkungen 45

BVerfGE 45,1 (32). Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für die Haushaltsjahre 1973 und 1974 aufgrund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes, BT-Drs. 8 / 1899. 47 Wolfgang Hoffmann, Rügen ohne Folgen – Schützenhilfe im Kampf gegen die öffentliche Verschwendung gesucht, Die Zeit vom 29. Oktober 1976, S. 29. 48 Dieter Piel, Die Ohnmacht der Kontrolleure, Die Zeit vom 11. Mai 1973, S. 34. 46

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1983 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Bemerkungen zur Jahresrechnung des Bundes 1981)“ vorlegte.49 Damit sollte die „Aktualität sowie die Zeitnähe, aber auch die Zukunftsbezogenheit“ der Bemerkungen betont werden.50 Zudem wollte der Bundesrechnungshof auch die Wirksamkeit seiner Tätigkeit in das Blickfeld rücken. Ab 1982 tauchten in den Bemerkungen nicht nur Beanstandungen auf, sondern auch Hinweise auf die Ergebnisse der Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. Hinzu kamen Fälle, in denen die Verwaltung den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes gefolgt war. In den Bemerkungen des Jahres 1984 wurden die Beratungsergebnisse erstmals ausführlich dargestellt, sogar an erster Stelle des Berichts. Grundlage für die umfangreichere Darstellung war ein Beschluss zu „vorläufigen Richtlinien zur jährlichen Berichterstattung“, den der Große Senat des Bundesrechnungshofes Anfang 1983 fasste. Er formulierte damit Kriterien für die Auswahl der Beiträge für die Bemerkungen, die sich an der Bedeutung der Feststellungen für die Adressaten orientierten.51 Damit war der Weg geöffnet, um nicht nur über Beanstandungen zu berichten, sondern auch über weitere Ergebnisse der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes, wenn dies für das Entlastungsverfahren oder die Berichtsempfänger von Bedeutung ist. Auch für die öffentliche Wahrnehmung der Bemerkungen brachten die Achtzigerjahre neue Impulse. Die Pressekonferenz, die zuvor am Sitz des Bundesrechnungshofes stattfand, wurde seit 1986 an den Sitz der Regierung verlegt. Dies hatte zum Ziel, die parlamentarische Beratung der Bemerkungen intensiver durch die Presseberichterstattung zu begleiten.52 Einen zweiten Reformschub erlebten die Bemerkungen Anfang der Neunzigerjahre. Wiederum stand die Frage nach ihrer Wirksamkeit im Vordergrund. Diese Frage ließ sich nur mit Blick auf die parlamentarische Behandlung der Bemerkungen im Rechnungsprüfungsausschuss beantworten. Statt des in früheren Jahren beklagten Desinteresses war nun offenkundig die Zielsetzung der Parlamentarier erkennbar, die Bemerkungen stärker für eine 49 Der Klammerzusatz verweist seitdem auf die zur Entlastung anstehende Haushaltsrechnung. 50 Karl Wittrock, Bericht des Bundesrechnungshofes zur Haushaltsrechnung 1981, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 128, 1983, S. 1170. 51 Die Kriterien hat der Große Senat in der Folge der 1997 verabschiedeten Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes am 1. März 2000 weiter konkretisiert. Siehe hierzu Dieter Engels, Die Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes, in: Eibelshäuser (Hrsg.), Finanzpolitik und Finanzkontrolle – Partner für Veränderung, Gedächtnisschrift für Udo Müller, Baden-Baden 2002, S. 204. 52 Heinz Günter Zavelberg, Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1986, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 126, 1986, S. 1060.

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wirksame parlamentarische Kontrolle zu nutzen und den Beanstandungen und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes Nachdruck zu verleihen. Dies zeigt deutlich die Tatsache, dass der damalige Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Karl Deres, nach Abschluss der Beratung der Bemerkungen 1991 im Juni 1992 eine Pressekonferenz gab, in der er die Beschlüsse des Ausschusses erläuterte. Er betonte zugleich die hiervon ausgehenden Wirkungen und die Tatsache, dass der Ausschuss einen sehr hohen Anteil der Bemerkungen zustimmend zur Kenntnis genommen hatte.53 Im selben Jahr veröffentlichte der Bundesrechnungshof erstmals einen Jahresbericht, in dem er die Bemerkungen und die Ergebnisse der Ausschussbehandlung nebeneinander stellte. Bis zum Jahr 2006 behielt der Bundesrechnungshof die Praxis bei, die Ergebnisse der parlamentarischen Beratung der Bemerkungen der Öffentlichkeit in Form eines – in den Folgejahren allerdings von den Bemerkungen getrennten – Ergebnisberichts darzustellen. Gleichzeitig entwickelten sich in den Bemerkungen neue Schwerpunkte. Vor dem Hintergrund einer stark steigenden Nettokreditaufnahme befasste sich der Bundesrechnungshof zunehmend mit den haushaltsrechtlichen Implikationen und den Auswirkungen und Risiken auf künftige Bundeshaushalte; seit dem Jahr 1993 widmete er der finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes ein eigenes Kapitel in den Bemerkungen, das seitdem an Bedeutung kontinuierlich zugenommen hat. Seit dem Jahr 1998 stellte der Bundesrechnungshof zudem immer wieder Schwerpunktthemen in den Mittelpunkt seiner Berichterstattung. Diese Möglichkeit sah die 1997 vom Großen Senat verabschiedete Prüfungsordnung ausdrücklich vor.54 Zu einer größeren Aktualität der Bemerkungen trug das Bundesfinanzministerium bei, indem es die Jahresrechnung für das Jahr 1996 erstmals bereits im März des Folgejahres vorlegte, um ein zeitnäheres Entlastungsverfahren zu ermöglichen. Dies ermöglichte es dem Bundesrechnungshof, in die Bemerkungen jeweils die Feststellungen zur Jahresrechnung des Vorjahres einzubeziehen.55 Parallel zu diesen inhaltlichen Weiterentwicklungen fand auch die Darstellung der Bemerkungen zu einer moderneren und für die Verwendung in der Öffentlichkeitsarbeit besser geeigneten Form. Seit 1997 stellt der Bundesrechnungshof die Bemerkungen in seinem Internetangebot zur Verfügung. Seit 1998 erscheinen sie nicht nur als Bundestagsdrucksache, sondern auch in einer eigenen Broschüre. Mit einer Kurzfassung, die als „blaue Seiten“ den Bemerkungen vorangestellt sind, aber auch als eigenständige 53 Karl Deres, Geleitwort zum Jahresbericht des Bundesrechnungshofes 1991 / 92, Frankfurt am Main 1992. 54 Vgl. dazu Dieter Engels, Die Prüfungsordnung des Bundesrechnungshofes (Fn. 51), S. 204. 55 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1997, BT-Drs. 13 / 8550, S. 10.

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Publikation verfügbar sind, werden die Bemerkungen zudem in einer übersichtlicheren und verständlicheren Form bereitgestellt. Die äußere Gestalt der Bemerkungen ist seit 1998 unverändert geblieben. Die Weiterentwicklung hin zu einem größeren Informationsgehalt war damit jedoch noch nicht abgeschlossen. Einen bisher letzten Schritt hin zu größerer Aktualität hat der Bundesrechnungshof unternommen, indem er seit dem Jahr 2010 jeweils im April seine Bemerkungen um weitere Prüfungsergebnisse ergänzt. Mit den Bemerkungen 2010 hat er zudem erstmals zu den Einzelplänen des Bundeshaushalts Bemerkungsbeiträge vorgelegt, die jeweils die Haushaltsstruktur und -entwicklung aufzeigen, wesentliche Ausgaben und Einnahmebereiche beleuchten, auf strukturelle Probleme und Risiken hinweisen und die Verbindung zu Prüfungsfeststellungen zu wesentlichen Aspekten des Einzelplans herstellen. Mit der Einführung der Einzelplanbemerkungen war eine neue Struktur verbunden, die auf eine kohärente einzelplanbezogene Darstellung zielt. Seitdem enthält Teil I der Bemerkungen die allgemeinen Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung, Teil II die übergreifenden und querschnittlichen Prüfungsergebnisse und Teil III die Erkenntnisse zu den Einzelplänen des Bundeshaushalts.56 III. Die heutigen Bemerkungen als Kernprodukt und Visitenkarte des Bundesrechnungshofes Als Ergebnis der dargestellten Entwicklung stellen sich die Bemerkungen heute als Kernprodukt des Bundesrechnungshofes dar, das sowohl seine Wirksamkeit als auch das Bild seiner Tätigkeit wesentlich prägt. Die Bemerkungen – liefern dem Parlament die wesentlichen Grundlagen, damit es sich ein aktuelles Bild über den Umgang mit den von ihm bewilligten Mitteln verschaffen und die Entscheidung über die Entlastung der Bundesregierung treffen kann, – werden von einem eigens hierfür zuständigen Parlamentsausschuss, dem Rechnungsprüfungsausschuss beraten, der sich in den letzten Jahren in über 90 % der Fälle die Einschätzungen und Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zu eigen gemacht und damit ihre Wirksamkeit entscheidend erhöht hat, – sind sowohl für das Parlament als auch für Regierung und Verwaltung eine Möglichkeit, die Erkenntnisse des Bundesrechnungshofes als beratende Grundlage für künftige Entscheidungen zu nutzen, 56 Joachim Romers / Petra Müller, Informativere Bemerkungen – Transparenterer Bundeshaushalt, Verwaltung & Management 2012, S. 64.

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– decken grundsätzlich das breite Spektrum an Prüfungs- und Beratungsmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes ab, soweit keine Geheimhaltungsvorschriften oder Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu berücksichtigen sind, – geben der Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich über Strukturen, Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten in der Bundesverwaltung zu informieren, – ermöglichen durch die Zusammenschau bedeutsamer Prüfungserkenntnisse und erzielter Wirkungen ein umfassendes Bild von der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes und sind damit seine Visitenkarte. Dieses breite Spektrum von Funktionen und Adressaten wurde dadurch ermöglicht, dass sich die Bemerkungen weit über ihren ursprünglich eng begrenzten Ansatz hinaus entwickelt haben. Die Bemerkungen „alter Art“ sind längst aufgegangen in einer breit angelegten Berichterstattung, die die übergreifende Zielrichtung der früheren Denkschriften, die beratende Funktion des Rechnungshofes und weitere Aspekte seiner Tätigkeit umfasst. Allerdings ist diese Entwicklung – wie der geschichtliche Überblick zeigt – keineswegs linear und ohne Brüche verlaufen. Auch hinter den heute praktizierten Verfahren verbergen sich offene oder zumindest diskussionswürdige Fragen. Die in der bisherigen Entwicklung zum Ausdruck kommenden Fragen können zum Verständnis des jetzt erreichten Stands, aktueller Veränderungen und möglicher künftiger Entwicklungen wichtig sein. Auch hierbei geht es vor allem um die Standortbestimmung der Bemerkungen im Verhältnis zu ihren Hauptadressaten. IV. Kontinuität und Entwicklung im Verhältnis zu Parlament und Öffentlichkeit 1. Relevanz der Bemerkungen für das Budgetrecht des Parlaments Ausgangspunkt und wesensbestimmendes Element der Bemerkungen war und ist ihre Funktion, das Parlament bei seiner Kontrolle der Exekutive zu unterstützen. Alle Aktivitäten des Parlaments, die diesem Ziel dienen, münden letztlich in seiner Entscheidung, der Regierung auf der Grundlage ihrer Rechnungslegung Entlastung zu erteilen. Diese enge Verbindung wirft die Frage auf, inwieweit die Bedeutung der Bemerkungen von der Bedeutung der Entlastungsentscheidung abhängt. Zudem stellt sich die Frage, ob und wie sich ein auf die Rechnungslegung fokussierter Entlastungsprozess mit einer modernen Finanzkontrolle verbinden lässt.

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Die Bedeutung des Entlastungsprozesses wird nicht selten kritisch beurteilt. Weitgehend unbestritten ist, dass er politischer Natur ist und keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen entfalten kann.57 Die Tatsache, dass das Parlament der Bundesregierung bisher in keinem Fall die Entlastung verweigert hat, lässt allerdings auch die politische Wirkung fraglich erscheinen. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie in der Mehrzahl der Fälle – die Parlamentsmehrheit dafür sorgt, ein kritisches Testat über die von ihr gestellte Regierung zu vermeiden.58 Auch die in festen Formeln erstarrte Beschlussfassung des Parlaments über die Entlastung und die auch in den letzten Jahren häufig beiläufige Art der Behandlung im Plenum lässt eher den Eindruck einer Routinehandlung entstehen als einer machtvollen Demonstration parlamentarischer Kontrolle über die Regierung. Lässt sich daraus schließen, dass sich die Bedeutung der Bemerkungen auf den Charakter eines Beitrags für eine rechnungsbezogene Formalität beschränkt? Ausgangspunkt für ein solches Urteil mag die „nicht ganz geglückte“59 Formulierung des § 97 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung sein. Sie weist den Bemerkungen die Funktion zu, eine vergangenheitsbezogene Entlastungsentscheidung „wegen der Haushaltsrechnung und der Vermögensrechnung“ zu ermöglichen. Für eine solche Entscheidung werden „rechnungsunabhängige“ oder zukunftsbezogene Prüfungsergebnisse naturgemäß nicht herangezogen werden können.60 Ein solches Verständnis der Entlastung und der Bemerkungen wird aber der Zielsetzung der Haushaltsreform und der Realität in der Zeit danach nicht gerecht. Anliegen der Reform war gerade die Entwicklung der Prüfung des Bundesrechnungshofes und seiner Bemerkungen hin zu rechnungsunabhängigen, zukunftsgerichteten Inhalten. Der Schwerpunkt der Bemerkungen hat sich seither eindeutig in diese Richtung verschoben. Die Verbindung zur Haushaltsrechnung ist dabei immer weiter in den Hintergrund getreten, was bisweilen auch aus Rechnungshofsicht lobend hervorgehoben wurde.61 Im gleichen Kontext wurde die Verlagerung der Berichterstattung hin zu Ergebnissen aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen genannt. Solche Prüfungen sind zumeist rechnungsunabhängig. Sie kritisieren beispielsweise Beschaffungen und Investitionen, mit denen kein angemessener Nutzen erzielt wird, oder zeigen auf, wie politische Vorgaben wirtschaftlicher erreicht werden können. Es überrascht nicht, dass diese 57 Dieter Engels, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 9), Art. 114 GG Rn. 128. 58 Oliver Sievers, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 8), § 97 BHO Rn. 8. 59 Heinz Günter Zavelberg, Staatliche Finanzkontrolle in Deutschland (Fn. 1), Die Verwaltung 1995, S. 513 (525). 60 Herbert Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns (Fn. 19), S. 419. 61 Vgl. z. B. Karl Wittrock, Bericht des Bundesrechnungshofes zur Haushaltsrechnung 1981 (Fn. 50), S. 1170.

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Ergebnisse näher am politischen Interesse liegen als reine Fragen der Rechnungslegung, denn aus ihnen lassen sich Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen.62 Mit der erweiterten Informationsgrundlage und dem verringerten Gewicht der Rechnungsprüfung veränderte sich auch der Charakter des Entlastungsverfahrens. Bereits in den Fünfzigerjahren beließ es das Parlament nicht dabei, seinen Beschluss auf die Erteilung der Entlastung zu beschränken. Es verband damit die Mahnung, die Feststellungen des Bundesrechnungshofes zu beachten und in der Bundesverwaltung bekannt zu machen. Ende der Sechzigerjahre, bereits im Vorfeld der anstehenden Haushaltsrechtsreform, kam der bis heute geltende Appell hinzu, die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Kenntnis zu nehmen, fristgerecht auf die Beanstandungen zu reagieren und „unter Berücksichtigung der einzelnen Feststellungen und Bemerkungen des Haushaltsausschusses Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in die Wege zu leiten.“ Zehn Jahre später verstärkte das Parlament diese Orientierung der Entlastungsentscheidung weiter, indem es „Bundesregierung und Bundesrechnungshof in diesem Zusammenhang regelmäßig aufforderte, den Haushaltsausschuss laufend über solche Prüfungsergebnisse zu unterrichten, die zu gesetzgeberischen Maßnahmen geführt haben oder für anstehende Gesetzesvorhaben von Bedeutung sind.“ Indem er ausdrücklich auf mit der Entlastung zu beschließende, von der Exekutive einzuleitende Maßnahmen und Berichtspflichten hinweist, stellt der Gesetzgeber in § 114 Bundeshaushaltsordnung klar, dass die Entlastung sich keineswegs auf eine rückwärtsgewandte Betrachtung von Rechnungen beschränken soll. Diese Sichtweise ist wesentlich für die Bedeutung und Wirksamkeit, die der Beratung der Bemerkungen durch den Rechnungsprüfungsausschuss nach der derzeitigen Praxis zukommt. Er fasst in jedem Einzelfall einen Beschluss zu den ihm vorgelegten Bemerkungen und verbindet damit Auflagen und Berichtspflichten für das gerügte – und in den Beratungen grundsätzlich auf Leitungsebene vertretene – Ressort. Er sorgt damit dafür, dass Mängel abgestellt und Verbesserungen eingeleitet werden. Seine Aufforderungen an die Exekutive fließen über den Beschlussvorschlag des Haushaltsausschusses in den Entlastungsbeschluss des Bundestages ein. Ein Entlastungsverfahren, das nicht nur zurückblickt, sondern sich auf eine breite Informationsgrundlage stützt und auch Schlussfolgerungen für die Zukunft zieht, ist in Substanz und Zielrichtung das Pendant einer „erweiterten“ und beratenden Finanzkontrolle, wie sie der Bundesrechnungshof nach 1969 seinen Bemerkungen zugrunde legt. 62 So z. B. der damalige Präsident des Europäischen Rechnungshofes Marcel Mart, in: Hans Herbert v. Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1989, S. 250.

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Dies bedeutet freilich nicht, dass damit der Kern einer rechnungsbezogenen Entlastung für die Haushalts- und Vermögensrechnung entbehrlich ist. Die Entlastungsaufgabe kann als Pflichtaufgabe des Parlaments angesehen werden.63 Sie ist unmittelbar verknüpft mit der „Pflichtbemerkung“ des Bundesrechnungshofes zur Haushalts- und Vermögensrechnung und der Rechenschaftspflicht der Exekutive. Diese Verbindung ist von wesentlicher Bedeutung für die Verbindlichkeit der Behandlung der Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes durch das Parlament. Es wird auch künftig wichtig sein, dieser Verbindung in den Bemerkungen angemessene Beachtung zu widmen. Nicht ohne Grund stehen darin die Prüfungsergebnisse zur Haushalts- und Vermögensrechnung an erster Stelle. Ihre Ergebnisse sind häufig Ausgangspunkt für weitere vertiefte Prüfungen, aus denen finanziell bedeutsame und für die Beratung des Parlaments wesentliche Aspekte hervorgehen können. In diesem Bewusstsein hat der Bundesrechnungshof jüngst erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Prüfung der Haushalts- und Vermögensrechnung methodisch besser zu fundieren und an internationalen Standards auszurichten. 2. Aktualität der Bemerkungen Klagen über einen allzu großen zeitlichen Abstand zwischen den Bemerkungen, dem Jahr der Rechnung, auf die sie sich beziehen, und dem Zeitpunkt ihrer Beratung im Parlament haben eine lange Tradition. Der bereits zitierte Abgeordnete Erzberger griff 1909 die Tatsache auf, dass in diesem Jahr über Bemerkungen beraten werden sollte, die das Haushaltsjahr 1896 / 1897 betrafen. Er verzichtete auf nähere Ausführungen hierzu, „denn die Persönlichkeiten, die für die Etatsüberschreitungen und Verletzungen, für nicht genügende Belegungen der Ausgaben verantwortlich gemacht werden müssten, leben ja größtenteils nicht mehr; man kann sie also gar nicht mehr hören, man hört schließlich nur eine Seite, und es hat schließlich keinen Zweck mehr, auf diese einzelnen Ausstellungen einzugehen.“64 Auch die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes litten nicht nur in der Anfangszeit an einer „chronischen Verspätung“.65 Erst über zwei Jahre nach Ablauf des Haushaltsjahres 1967 erreichten die hierzu vorgelegten Bemerkungen das Parlament, und es dauerte weitere dreieinhalb Jahre, bis das 63 Erich Röper, Nicht-Entlastung einer Regierung, Deutsches Verwaltungsblatt 1980, S. 525 (527). 64 Verhandlungen des Deutschen Reichstags, Protokoll der 212. Sitzung vom 24. Februar 1909, 7132B. 65 Erwin Piduch, Zehn Jahre Haushaltsreform, Die Öffentliche Verwaltung 1979, S. 881 (885).

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Entlastungsverfahren abgeschlossen war. Damit erreichte der zeitliche Abstand zwischen Haushaltsabschluss und Entlastung einen Rekordwert von 65 Monaten.66 Dem Bundesrechnungshof konnte die Verantwortung für diese Verzögerung kaum zugewiesen werden. Der Bundesfinanzminister hatte die Haushaltsrechnung erst im Mai 1969 vorgelegt. Dennoch bemühte sich der Bundesrechnungshof, Möglichkeiten für eine Beschleunigung zu nutzen. Sein im Jahr 1977 unternommener Versuch, die Bemerkungen in zwei Teilen vorzulegen, um eine größere Zeitnähe zu gewinnen und sich dem Arbeitsrhythmus des Parlaments besser anpassen zu können, bewährte sich nicht.67 Die angestrebte Beschleunigung gelang erst im Jahr 1996 dank der früheren Vorlage der Jahresrechnung durch das Bundesfinanzministerium. Seitdem legt der Bundesrechnungshof seine Bemerkungen regelmäßig im Jahr nach Ablauf des Haushaltsjahres vor, auf das sich die Jahresrechnung bezieht. Auch wenn das Rechnungsjahr als Bezugsgröße an Bedeutung eingebüßt hat, bleibt doch die Frage der Aktualität der Bemerkungen relevant. Das Ziel, den Beratungen im Entlastungsverfahren möglichst aktuelle Prüfungsergebnisse zugrunde zu legen, liegt sowohl im Interesse des Parlaments als auch der Finanzkontrolle. Dieser Zielsetzung folgend ergänzt der Bundesrechnungshof seit 2010 die im Herbst eines Jahres vorgelegten Bemerkungen im Frühjahr des Folgejahres um „weitere Prüfungsergebnisse“. Auf diese Weise hat der Bundesrechnungshof in den letzten Jahren dem Parlament zwischen fünf und zwölf weitere aktuelle Ergebnisse vorgelegt, die es noch in demselben Jahr in seine Entlastungsentscheidung einbeziehen konnte. Trotz dieser vergleichsweise geringen Zahl erscheint die Fortführung dieser Praxis auch unter dem Gesichtspunkt von Bedeutung, dass der Bedarf des Parlaments an aktuellen Prüfungsergebnissen ansonsten außerhalb des Bemerkungsverfahrens gedeckt werden muss. Für die Übermittlung solcher zeitnaher Informationen hat in den letzten Jahren die Berichterstattung des Bundesrechnungshofes an Haushaltsausschuss und Rechnungsprüfungsausschuss nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung an Bedeutung gewonnen. 3. Aussagekraft der Bemerkungen Es ergibt sich aus ihrer Entstehungsgeschichte und Konzeption, dass die Bemerkungen eine Zusammenstellung einzelner, aus den Prüfungsfeststel66 Deutscher Bundestag (Hrsg.), Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages (Fn. 34), S. 2808; dort findet sich eine Übersicht über die Zuleitungsdaten der Bemerkungen und den Ablauf der Entlastungsverfahren für diesen Zeitraum. 67 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Bundeshaushaltsrechnung für das Jahr 1975, BT-Drs. 8 / 373.

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lungen stammender Beobachtungen sind. Dieses Mosaik von Einzelfeststellungen rief schon früh die Sorge hervor, dass die Fokussierung der Bemerkungen auf zentrale Gesichtspunkte in den Hintergrund treten könnte. Bereits bei der Beratung des Oberrechnungskammergesetzes 1872 wurde die Erwartung formuliert, die Oberrechnungskammer möge dem Parlament statt „einer großen Summe von Nadelstichen“ die „Hauptsumme ihrer Thätigkeit zur Kenntnis bringen“.68 Die nach der Reichshaushaltsordnung von 1922 eingeführten Denkschriften boten eine Grundlage, sich Fragen von zentralem und übergreifendem Interesse zu widmen. So befassten sich die Denkschriften sowohl des Reichsrechnungshofes der Weimarer Republik als auch des Bundesrechnungshofes ausführlich mit Themenschwerpunkten, die sich etwa auf haushaltsrechtliche Grundsatzfragen (z. B. in der Denkschrift von 1925 zur Frage der Übertragbarkeit von Haushaltsmitteln) oder auf thematische Schwerpunkte des Verwaltungshandelns bezogen (z. B. Forschungsfinanzierung in der Denkschrift des Jahres 1964, Zuwendungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung in der Denkschrift des Jahres 1969). Der Teil „Allgemeine Prüfungsergebnisse“ der Bemerkungen, in den die Denkschriften nach 1969 aufgegangen waren, setzte diese Tradition fort und befasste sich etwa im Jahr 1971 mit dem Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung in der Bundesverwaltung. Im Laufe der Siebzigerjahre folgte dieser Teil zunehmend einem standardisierten Muster, das im Wesentlichen die Ergebnisse der Rechnungsprüfung und der Haushaltsentwicklung zum Gegenstand hatte. Erst nach der im Jahr 1997 eingeführten Prüfungsordnung widmete die Berichterstattung wieder verstärkt übergreifenden Schwerpunkten breiten Raum. Diese Schwerpunkte sind zumeist in einem übergreifenden Berichtsteil zusammenfassend beschrieben und durch weitere Einzelfeststellungen untermauert. Nach diesem Muster hat sich der Bundesrechnungshof beispielsweise im Jahr 1998 mit dem Liegenschaftsmanagement von Bundesbehörden, im Jahr 2003 mit der Kontrolle von Zuwendungen oder im Jahr 2010 mit den Finanzanlagen des Bundes befasst. Auch die mit den Bemerkungen des Jahres 2011 erstmals vorgelegten Einzelplanbemerkungen69 dienen dem Ziel, Zusammenhänge deutlich zu machen, die Prüfungserkenntnisse in einen größeren Kontext einzuordnen und damit die Aussagekraft der Bemerkungen zu erhöhen. Ein roter Faden, der die Ergebnisse der Bemerkungen zu einem Gesamtbild verknüpft, ist damit freilich nicht verbunden. Es kommt daher darauf an, dass jeder einzelne Bemerkungsbeitrag eine hohe Aussagekraft entfaltet. Dies hängt von der sachgerechten Auswahl der Beiträge ab, für die die 1997 in Kraft getretene Prüfungsordnung wesentliche Kriterien formuliert 68 69

Karl Theodor Hertel, Die Preußische Ober-Rechnungskammer (Fn. 12), S. 303. Vgl. Abschnitt II.6.

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hat. Danach ist es wichtig, dass die Beiträge für die Entlastung und zur Beurteilung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes von Bedeutung sein können. Sie sollen Fälle mit finanzieller Bedeutung oder exemplarischer Relevanz behandeln. Nach einem konkretisierenden Beschluss des Großen Senats sollen sie das Parlament unterstützen, zu einem ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Handeln beitragen, querschnittliche übergreifende Aussagen zulassen oder auch dabei helfen, Empfehlungen durchzusetzen.70 Diese Funktion können auch Bemerkungen haben, die über bereits von der geprüften Stelle eingeräumte oder behobene Beanstandungen berichten. Die vom Großen Senat des Bundesrechnungshofes am 1. März 2000 formulierten Kriterien machen zugleich auch die Grenzen der Berichterstattung in den Bemerkungen deutlich. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Ausschluss politischer Wertungen oder reiner Diskussionsbeiträge. Die Bemerkungen dürfen trotz ihrer Bedeutung für politische Abläufe nicht die Grenze zur politischen Äußerung überschreiten, sondern müssen sich objektiv und neutral auf die Erkenntnisse aus der Prüfungstätigkeit stützen.71 Neben der Auswahl der Beiträge ist auch die klare, verständliche und objektive Darstellung ihrer Inhalte von wesentlicher Bedeutung. Dies gilt ebenso für Adressaten in Parlament und Verwaltung als auch für die Öffentlichkeit. Noch 1978 gaben die Formulierungen der Berichte Anlass zur Klage, „weil die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes eher an die Spielregeln einer Schnitzeljagd erinnern, als den kritisierten Sachverhalt klipp und klar beim Namen zu nennen“.72 Der Bundesrechnungshof hat in der Folge erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Klarheit und Verständlichkeit der Darstellung zu verbessern. Bereits in seinen im Oktober 1980 vorgelegten Bemerkungen stellte er den einzelnen Beiträgen sogenannte Nullziffern voran, die den wesentlichen Inhalt prägnant zusammenfassen sollten. Insbesondere mit den ab 1997 eingeführten und seitdem immer wieder weiterentwickelten Grundsätzen für die Bemerkungen hat er zudem für eine stärker vereinheitlichte Darstellung gesorgt: Die Bemerkungen unterteilen sich deutlich gegliedert in Sachverhalt, Würdigung, Stellungnahme der geprüften Stelle und abschließende Würdigung des Bundesrechnungshofes. Die Grundsätze 70 Vgl. im Einzelnen Oliver Sievers, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 8), § 97 BHO Rn. 34. 71 In der Vorbemerkung zu seinen Bemerkungen erläutert der Bundesrechnungshof regelmäßig, dass er politische Entscheidungen innerhalb des geltenden Rechts nicht bewertet. Allerdings kann er prüfen und berichten, ob politische Entscheidungen auf zutreffenden Sachverhalten und Annahmen basieren und zu den beabsichtigten Folgen führen. 72 Abg. Esters im Protokoll der 99. Sitzung des Bundestages (8. Wahlperiode) vom 21. Juni 1978, 7904D.

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enthalten auch Vorgaben für eine klare sprachliche Darstellung, die sich an einem kommunikationstheoretisch fundierten Verständlichkeitskonzept orientieren. Der Große Senat, der nach § 14 Absatz 1 Nummer 2 Bundesrechnungshofgesetz am Ende eines für diesen Zweck eingerichteten Bearbeitungs- und Abstimmungsverfahrens über die Bemerkungen zu entscheiden hat, achtet auch darauf, ob diese Grundsätze und die Kriterien für die Auswahl der Bemerkungen eingehalten sind. 4. Öffentliche Wahrnehmung der Bemerkungen Die öffentliche Wahrnehmung der externen Finanzkontrolle war spätestens seit der Weimarer Republik eng mit den Bemerkungen verknüpft. Ein einfacher Grund hierfür liegt in der Tatsache, dass seither die Bemerkungen als Parlamentsdrucksache jedermann zugänglich sind. Die Zuleitung an das Parlament führt damit – als erwünschtes Nebenprodukt – auch zur Information der Öffentlichkeit.73 Es liegt nahe, die so erzeugte Publizität für die Darstellung und Erläuterung der Prüfungsergebnisse in Pressekonferenzen und Pressemitteilungen zu nutzen, wie dies der Bundesrechnungshof seit Langem tut. Damit ist die Öffentlichkeit längst zum Adressaten der Bemerkungen geworden, auch wenn eine explizite Rechtsgrundlage hierfür erst vor kurzem geschaffen wurde74 und die Grenzen einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit der Rechnungshöfe umstritten bleiben.75 Die Frage, mit welcher Zielrichtung die Öffentlichkeit informiert wird, ist allerdings damit noch nicht geklärt. Der Bundesrechnungshof selbst hat in der Phase der Intensivierung seiner Öffentlichkeitsarbeit in den Achtzigerjahren diese Zielrichtungen erläutert. Danach ging es ihm vor allem darum, den berechtigten Anspruch der Öffentlichkeit in einem demokratischen Rechtsstaat zur Verwendung öffentlicher Mittel zu erfüllen, die Wirksamkeit der Finanzkontrolle durch öffentliche Wahrnehmung zu erhöhen und Fehlinterpretationen der Prüfungsergebnisse zu vermeiden. Die Ziele lassen sich dabei nach dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und dem Informationsinteresse des Bundesrechnungshofes selbst differenzieren.76 73 Hans Blasius, Der Rechnungshof: Kontrolleur und Informant, Die Öffentliche Verwaltung 1993, S. 642 (645). 74 Mit dem Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Bundeshaushaltsordnung vom 15. Juli 2013 wurde in § 97 BHO die Verpflichtung verankert, die Bemerkungen unverzüglich nach Zuleitung im Internet zu veröffentlichen. 75 Zur Praxis des Bundesrechnungshofes und zur Diskussion um die Zulässigkeit einer aktiven Öffentlichkeitsarbeit vgl. Dieter Engels, Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 9), Art. 114 GG Rn. 304 ff. 76 Heinz Günter Zavelberg, Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1985, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 137, 1985, S. 1201.

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Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch darauf hat, sich auf der Grundlage authentischer Fakten ein Bild staatlichen Handelns zu machen. Informationen zum Finanzgebaren der Verwaltung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes können hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Als Auswahl wesentlicher und aussagefähiger Prüfungsergebnisse kommen sie dem Informationsbedürfnis, ein möglichst objektives Gesamtbild über die Qualität des Verwaltungshandelns zu erhalten, wesentliche Problemfelder zu erkennen und Hinweise auf mögliche Entwicklungsrichtungen zu erhalten, in besonderem Maß entgegen. Es fällt allerdings auf, dass die Informationserwartung der Öffentlichkeit jedenfalls nicht nur auf eine dergestalt fundierte Grundlage für die Meinungsbildung gerichtet ist. Wie an den Schlagzeilen der Berichterstattung über die Bemerkungen abzulesen ist, sind es oft plakative Einzelfälle, die das Interesse der Medien wecken. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um groteske Fehlleistungen der Verwaltung und augenfällig sinnlose Ausgaben geht. So kommt es, dass immer wieder Schlagzeilen wie „Hunde-Nachtkerzenöl verliert Förderung“ (2001), „Luxuriöse Gebäude und Ohrenhaare südamerikanischer Rinder für die Truppe“ (2007) oder „Bundeswehr lässt Munition für 46 Millionen Euro verrotten“ (2010) die Berichterstattung prägen. Häufig gerät dabei die Bundeswehr mit ihren teuren, aber auch fehleranfälligen Investitionsprojekten in das Rampenlicht. Bereits Mitte der Achtzigerjahre stellte ein Zeitungsbericht fest: „In den Berichten des Bundesrechnungshofes wird eine Historie kostspieligster Fehlplanungen geboten – von rostenden U-Booten bis zu abstürzenden Starfightern.“77 Als publizitätsfördernd erweisen sich stets auch kritische Äußerungen, die von den Medien im Sinne einer politischen Kontroverse wie „Bundesrechnungshof – Ohrfeige für die Koalition“ (2009) dargestellt werden können. Einen ähnlichen Effekt hat es, wenn hohe Geldbeträge zur Beschreibung der öffentlichen Verschwendung genannt werden, wie etwa „Rechnungshof – Staat vergeudet bis zu 25 Milliarden“ (2010). Eine solche Fokussierung der öffentlichen Berichterstattung auf spektakuläre Einzelfälle und Geldsummen wird dem Informationsgehalt der Bemerkungen sicher nicht gerecht. Vermeidbar ist sie hingegen nicht und muss stets bei der Konzeption der Informationstätigkeit im Auge behalten werden. Dies gilt im Übrigen ebenso für andere Berichtsformen des Bundesrechnungshofes und auch die nicht seltenen Fälle, in denen die Presse Kenntnis von nicht veröffentlichten Berichten erhält und hierüber berichtet. Der Bundesrechnungshof versucht in diesen Fällen, durch Erläuterungen in den Pressekonferenzen und Pressemitteilungen, Missverständnisse und unsachgemäße Zuspitzungen zu vermeiden bzw. zu korrigieren. Ziel und Aufgabe 77

Vgl. „Wörners nächste Krise“, Die Zeit vom 30. März 1984.

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der Bemerkungen kann es nicht sein, „den Medien griffige, gegenwartsnahe ‚Knüller‘ bzw. politisch brisante Monita zu präsentieren.“78 In ihnen geht es vielmehr darum, den Blick auf Ursachen, Hintergründe und strukturelle Verbesserungsmöglichkeiten zu richten. Diesem Ziel dient nicht zuletzt der Versuch, mit den Einzelplanbemerkungen strukturelle Probleme aufzuzeigen und auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Strukturen und Schwerpunkte des Bundeshaushalts auch für Bürgerinnen und Bürger transparent werden. Der Bundesrechnungshof verfolgt mit der Veröffentlichung der Bemerkungen selbstverständlich auch ein eigenes Informationsinteresse. Dass er hierdurch allerdings systematisch die Wirkung seiner Ergebnisse in seinem Sinne verstärken kann, ist allerdings zu bezweifeln. Die Nutzung dieser Möglichkeit ist „ebenso Chance wie Risiko“.79 Eine Mobilisierung der Öffentlichkeit, um beispielsweise eine in der politischen Diskussion umstrittene Empfehlung durchzusetzen, dürfte jedenfalls kaum zulässig sein. Dieser Einwand spricht jedoch nicht dagegen, Bemerkungen öffentlich bekannt zu machen und ihre Bedeutung durch Publizität bewusster zu machen. Dies trägt auch dazu bei, die präventive Wirkung der Prüfungstätigkeit zu erhöhen. Das öffentliche Bekanntwerden eines Fehlverhaltens ist naturgemäß eine Wirkung, die es aus Sicht einer Behörde unbedingt zu vermeiden gilt. Ein anderes Informationsinteresse des Bundesrechnungshofes ist stets implizit mit den Bemerkungen verbunden, nämlich das Interesse, die Schwerpunkte und die Wirkungen der eigenen Tätigkeit darzustellen. Dieser Aspekt ist interessanterweise bereits in den ersten Bemerkungen des Bundesrechnungshofes durchaus präsent. Sein Präsident kündigte damals an, „in den künftigen Denkschriften (…) auch die geldlichen Ergebnisse der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes darzustellen.“80 Dies war auch tatsächlich der Fall bis zu den Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1960, in denen der Bundesrechnungshof allein für das betreffende Rechnungsjahr von Mehreinnahmen und Minderausgaben von etwa 120 Millionen D-Mark berichten konnte, die auf seine Prüfungen zurückzuführen waren.81 Dies war ein Vielfaches der im selben Jahr für ihn selbst ange78 Nils Diederich et al., Die diskreten Kontrolleure – Eine Wirkungsanalyse des Bundesrechnungshofes, Opladen 1990, S. 207. 79 Matthias Rossi, Möglichkeiten und Grenzen des Informationshandelns des Bundesrechnungshofes, Baden-Baden 2012, S. 203. 80 Bemerkungen des Bundesrechnungshofes und Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu den Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und für das Rumpfrechnungsjahr 1949, BT-Drs. 1 / 3341, S. 88. 81 Vgl. BT-Drs. 4 / 1780, S. 89.

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fallenen Ausgaben von knapp 7 Millionen D-Mark. Bereits im darauf folgenden Jahr jedoch verzichtete der Bundesrechnungshof auf eine solche Darstellung mit dem Argument, „der Wert der beratenden und begutachtenden Tätigkeit“ lasse sich „in der Angabe von Zahlen nicht annähernd erfassen.“ Zudem habe die Zusammenstellung erhebliche Arbeit verursacht. Seitdem sind Wirkungszahlen aus den Bemerkungen verschwunden; sie sind aber regelmäßig beliebter Gegenstand von Fragen der Presse in den Pressekonferenzen zu den Bemerkungen. Zunehmendes Gewicht erhielten dagegen Ausführungen über die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes in der „Vorbemerkung“ zu den Bemerkungen. Zunächst diente diese Einführung lediglich dazu, in knappen Worten den Gegenstand der Bemerkungen und den Prüfungsumfang (einschließlich wesentlicher Rechtsgrundlagen) sowie den Stand des Entlastungsverfahrens darzustellen. Ab Anfang der Achtzigerjahre traten zunehmend ausführlichere Hinweise zur Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes hinzu, die bald in einen eigenen Abschnitt überführt wurden. Ab 1990 berichteten die Vorbemerkungen ausführlicher über den Gegenstand der Bemerkungen, aber auch über das Verfahren für ihre Aufstellung, über ihre Grenzen im Hinblick auf die Bewertung politischer Entscheidungen, über Prüfungsrechte und später auch über Prüfungsschwerpunkte des Bundesrechnungshofes. Hinzu kamen Hinweise auf die Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes mit deutschen und internationalen Rechnungshöfen sowie die Rolle der Vorprüfung, ab dem Jahr 1999 die Prüfungsämter des Bundes. Diese Entwicklung mündete ab dem Jahr 2010 in einer ausführlichen Darstellung wesentlicher Aktivitäten des Bundesrechnungshofes, die zudem mit einer Übersicht über Struktur und Entwicklung der Haushaltsdaten für den Bundesrechnungshof (Einzelplan 20 des Bundeshaushaltsplans) und der von ihm eingesetzten Ressourcen verbunden ist. Eine Information der Rechnungskontrollbehörden über ihre Aufgaben und Tätigkeiten ist im internationalen Maßstab inzwischen Standard; vielfach veröffentlichen sie eigenständige Tätigkeitsberichte mit einer ausführlichen Darstellung von Ressourceneinsatz und Wirkung ihrer Tätigkeit.82 Dabei geht es jedenfalls nicht vorrangig um das Interesse dieser Einrichtungen, die eigene Leistung herauszustellen. Betont wird vielmehr die Notwendigkeit gerade von Rechnungskontrollbehörden, Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen und auch insoweit zur Transparenz des öffentlichen Sektors bei-

82 So z. B. der Europäische Rechnungshof, die Cour des Comptes in Frankreich, das National Audit Office Großbritanniens oder der Rechnungshof Österreichs; in Deutschland hat der Rechnungshof Berlin erstmals einen Leistungsbericht für das Jahr 2012 veröffentlicht.

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zutragen.83 Sicherlich gehören solche Informationen nach der hier geschilderten Aufgabenstellung und Konzeption nicht zum entlastungsrelevanten Kern der Bemerkungen, zumal für die Prüfung und Entlastung des Bundesrechnungshofes ein eigenes, unmittelbar in der Hand des Parlaments liegendes Verfahren gilt.84 Gleichwohl dürfte es für alle Adressaten der Bemerkungen ein wesentlicher Beitrag zur Transparenz der Prüfungstätigkeit sein, wenn der Bundesrechnungshof die Schwerpunkte und Grundlagen seiner Arbeit erläutert. Zugleich dürfte dies auch dem Verständnis seiner Ergebnisse dienen. V. Zusammenfassung und Ausblick In ihrer nunmehr über 150-jährigen Geschichte haben die Bemerkungen tief greifende Veränderungen erlebt. Sie haben sich gewandelt von einem in der Anfangszeit der Demokratisierung erkämpften Informationsbaustein für die Wahrnehmung des parlamentarischen Budgetrechts hin zu einer umfassenden Informationsgrundlage für Parlament und Öffentlichkeit über den Umgang der Exekutive mit öffentlichen Mitteln. Sie haben sich entfernt von einer zeitlich und sachlich engen Rechnungsprüfung hin zu wesentlichen, übergreifenden und zukunftsgerichteten Ergebnissen einer modernen Finanzkontrolle. Sie sind im Laufe der Jahre aktueller, verständlicher und interessanter geworden. Die Bilanz des Wandels fällt also unzweifelhaft positiv aus. Sind damit die Ziele erreicht, die diesen Wandel angestoßen oder vorangetrieben haben? Dies wird man schon deshalb nicht sagen können, weil die beschriebenen Entwicklungen keineswegs ohne Brüche verlaufen sind und wesentlich von äußeren Rahmenbedingungen in den verschiedenen Phasen abhingen. So haben die nicht primär von Motiven der Finanzkontrolle ausgehenden haushaltsrechtlichen Weichenstellungen in den Jahren 1922 und 1969 den Bemerkungen weitreichende neue Perspektiven aufgezeigt, auch wenn manche Neuerung die in der Praxis bereits vollzogene Weiterentwicklung der Bemerkungen lediglich legitimiert hat. Umgekehrt hat die Entwicklung nach 1933 gezeigt, wie schnell aus den Bemerkungen eine leere Hülle wurde, als mit dem Verlust der parlamentarischen Kontrolle auch die Existenzgrundlage für eine kritische Berichterstattung des Rechnungshofes zerstört wurde. 83 Die hieraus ableitbaren Anforderungen hat die Internationale Vereinigung der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI) in „Grundprinzipien für die Transparenz und Rechenschaftspflicht“ zusammengefasst (ISSAI 20, abrufbar unter www. intosai.org, Navigation: „ISSAI Executive Summaries“, „Ebene 2: Voraussetzungen für das Funktionieren von ORKB“). 84 Siehe § 101 BHO; zur Entlastung des Bundesrechnungshofes vgl. auch den Beitrag von Michael Luther in dieser Festschrift.

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Der Rückblick zeigt deutlich die weit über formalrechtliche Bestimmungen hinausgehende Verknüpfung von Bemerkungen und der Budgetkontrolle des Parlaments. Die Möglichkeit der unmittelbaren Zuleitung an das Parlament war daher eine notwendige Bedingung, damit sich die Wirksamkeit der Bemerkungen entfalten und der erweiterte Rahmen für die Berichterstattung mit Leben gefüllt werden konnte. Die parallele Entwicklung von Finanzkontrolle, Bemerkungen und Budgetkontrolle des Parlaments hin zu einer Aufgabe, die ordnungsmäßiges und wirtschaftliches Handeln für die Zukunft sicherstellen will, hat die Bedeutung der Bemerkungen nachhaltig erhöht. Die konkreten Beschlüsse, die der Rechnungsprüfungsausschuss zumeist in ihrem Sinne fasst, sind hierfür ein offenkundiger Beleg. Auch für die weitere Entwicklung wird entscheidend sein, dass das Parlament die Bemerkungen für seine Arbeit umfassend nutzen kann und nutzt. Dazu bedarf es weiterhin einer Auswahl und Gestaltung von Bemerkungen, die auch weiterhin ein umfassendes, objektives und auf wesentliche Handlungsfelder fokussiertes Bild des Verwaltungshandelns vermitteln. Dazu trägt auch eine Art und Weise der Behandlung der Bemerkungen durch das Parlament bei, die nicht durch politische Mehrheitsverhältnisse, sondern durch die Wahrnehmung der sich an alle Abgeordneten gleichermaßen richtenden Aufgabe der Budgetkontrolle bestimmt ist. Die in den letzten Jahren zumeist einstimmige Beschlussfassung im Rechnungsprüfungsausschuss zeugt von diesem Selbstverständnis. Eine weitere Voraussetzung ist aber auch, dass die besondere Rolle der Bemerkungen an der Nahtstelle von Finanzkontrolle, Rechnungslegungspflicht der Verwaltung und parlamentarischer Budgetkontrolle bewusst bleibt. Auch künftig werden sich die Bemerkungen an veränderte politische, institutionelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen anpassen müssen. Mehr noch als ihre Bedeutung für das Parlament dürfte dies ihre Rolle in der Öffentlichkeit betreffen. Der in den letzten Jahren deutlich in den Vordergrund gerückte Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Informationen aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung, wie ihn etwa das Informationssicherheitsgesetz des Bundes gewährt, zeigt dies deutlich. Lange Zeit waren für sie die Bemerkungen – neben den wenigen ebenfalls veröffentlichten Sonderberichten – die einzige originäre Informationsquelle über die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes. Die im Juli 2013 in Kraft getretenen Änderungen der Bundeshaushaltsordnung, die den Zugang zu Informationen des Bundesrechnungshofes spezialgesetzlich regeln,85 schaffen nun eine weitere Möglichkeit zur Weitergabe von Prüfungsergebnisse an Dritte. Diese Möglichkeit stößt aber insbesondere dort an Grenzen, wo durch die Offenlegung von Prüfungsakten oder durch die Weitergabe vor85

§ 96 Abs. 4 BHO; vgl. Fn. 74.

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läufiger oder noch nicht vom Parlament beratener Prüfungsergebnisse die unabhängige und effektive Aufgabenwahrnehmung des Bundesrechnungshofes selbst beeinträchtigt würde. Das in solchen Fällen möglicherweise entstehende Spannungsfeld zwischen Informationsinteresse der Öffentlichkeit und Funktionsfähigkeit der Finanzkontrolle kann umso leichter entschärft werden, je klarer und umfassender die Bemerkungen das Informationsinteresse der Allgemeinheit berücksichtigen und hierdurch zur erforderlichen Transparenz beitragen. In einem weiteren Kontext können auch veränderte Informationsmuster im digitalen Zeitalter die Wahrnehmung der Bemerkungen beeinflussen. Zwar sind die Bemerkungen seit Langem im Internet abrufbar, und der Bundesrechnungshof hat ihre digitale Darstellung und Nutzbarkeit erst kürzlich verbessert. Dies ändert aber nichts daran, dass sie mit anderen Informationen in immer neuen Formen, z. B. durch Soziale Medien, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit konkurrieren. Es dürfte aber zweifelhaft sein, ob den Bemerkungen vom Gehalt und der Komplexität ihrer Informationen her hier neue Perspektiven erwachsen können. Der Anpassung der Bemerkungen an öffentliche Informationserwartungen werden auch in Zukunft Grenzen gesetzt sein. Dem allgemeinen Informationsinteresse wird wohl auch künftig am besten dadurch entsprochen, dass die Bemerkungen einerseits solide, objektive und umfassende, andererseits auch für Bürgerinnen und Bürger interessante und verständliche Informationen bereitstellen. Dies dürfte eine wesentliche Voraussetzung sein, dass die Bemerkungen auch künftig die mit dem Wandel der Zeiten verbundenen Herausforderungen bestehen.

Die Prüfung der Steuereinnahmen durch den Bundesrechnungshof Außer-Haus-Umsätze, Umsatzsteuerkarusselle und Auslandsrenten im Blickfeld der externen Finanzkontrolle Rolf Flöer* I. Einleitung Als der Bundesrechnungshof im Juni 2010 seinen Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung über den ermäßigten Umsatzsteuersatz1 veröffentlichte, war die Resonanz in den Medien und in der Politik groß und durchweg positiv. Die angestoßene Reformdebatte zum Anwendungsbereich der Steuerermäßigung wurde allgemein begrüßt. Nach ersten Äußerungen des Bundesfinanzministeriums sollte mit entsprechenden Reformüberlegungen noch im Jahr 2010 begonnen werden. Die Reaktionen waren nur allzu verständlich, da es bei diesem Thema immerhin um ein Begünstigungsvolumen von rund 24 Milliarden Euro ging und nahezu alle Lebensbereiche betroffen waren. Neben den alltäglichen Lebensmitteln und Feinschmeckerprodukten ging es dabei um Außer-Haus-Umsätze, Rennpferde, Kunstgegenstände, Beherbergungsleistungen und vieles mehr. Der Bericht zeigte nicht nur Schwachstellen und strukturelle Defizite im Bereich der Steuereinnahmen auf, sondern verdeutlichte zugleich auch die herausgehobene Bedeutung der Steuern als Einnahmequelle für den Staat und die Notwendigkeit der externen Finanzkontrolle, in diesem Bereich zu prüfen. Schließlich vermittelte er einen Eindruck darüber, nach welchen Kriterien Einnahmenprüfungen des Bundesrechnungshofes durchgeführt werden und welche Beurteilungsmaßstäbe dabei angelegt werden können. Der vorliegende Beitrag greift diese Aspekte auf und geht insbesondere den Fragen nach, welche Zielsetzung der Bundesrechnungshof bei der Prüfung der Steuereinnahmen verfolgt und wie er seine Prüfungsthemen aus* Herrn Ministerialrat Jörg Koslowski und Herrn Oberregierungsrat Frank Fritsch bin ich für wertvolle Unterstützung dankbar. 1 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über den ermäßigten Umsatzsteuersatz – Vorschläge für eine künftige Ausgestaltung der Steuerermäßigung vom 28. Juni 2010, BT-Drs. 17 / 2290.

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wählt. Da die Prüfungszuständigkeit des Bundesrechnungshofes allein an die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes anknüpft,2 die Steuern aber weitgehend durch die Länder verwaltet werden, wird auch auf die Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes bei der Einnahmenprüfung eingegangen. Obwohl diese in der Bundeshaushaltsordnung klar geregelt sind,3 verlief die Durchführung von Erhebungen bei den Landesfinanzbehörden nicht immer spannungsfrei. Hierdurch bedingte gerichtliche Auseinandersetzungen stärkten im Ergebnis die Rechte des Bundesrechnungshofes bei der Einnahmenprüfung. Schließlich beleuchtet der Beitrag anhand aktueller Prüfungen, was und wie der Bundesrechnungshof konkret im Bereich der Steuern prüft. Dabei überwiegen, nicht zuletzt wegen der Zuständigkeit des Verfassers im Bundesrechnungshof,4 umsatzsteuerliche Themen, wie der Umsatzsteuerbetrug, der ermäßigte Umsatzsteuersatz oder die umsatzsteuerliche Behandlung von Kreditfabriken. Ausgewählte Prüfungen aus dem ertragsteuerlichen Bereich, z. B. die Behandlung von Auslandsrenten, und aus dem Bereich der Automation in der Steuerverwaltung sollen die Ausführungen zum Prüfungsgegenstand insoweit abrunden. Die in den vergangenen Jahren veröffentlichten Bemerkungen und Berichte des Bundesrechnungshofes zu den unterschiedlichen Steuerarten unterstreichen den hohen Stellenwert der Einnahmenprüfungen.5 Der Beitrag endet mit einem Ausblick, welche nationalen und internationalen Herausforderungen künftig bei der Prüfung der Steuereinnahmen auf den Bundesrechnungshof zukommen können. II. Bedeutung der Steuereinnahmen „Ob beim Einkaufen, an der Zapfsäule, beim Biertrinken oder Heizen – jeder zahlt Steuern. Sie sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Jeder eingenommene Steuer-Euro fließt in die Gesamtmasse des Staatshaushalts, aus dem die Ausgaben für das Gemeinwohl finanziert werden.“6 So finanziert auch der Bund seine Ausgaben hauptsächlich durch Steuereinnahmen.7 Die 2

Vgl. §§ 88 ff. BHO. Vgl. §§ 89 ff. BHO. 4 Der Verfasser ist als Leiter des Prüfungsgebiets VIII 2 des Bundesrechnungshofes u. a. zuständig für die Prüfung der Umsatzsteuer. 5 Die einzelnen Bemerkungen, Berichte und Sonderberichte sind auf der Internetseite des Bundesrechnungshofes (www.bundesrechnungshof.de, Navigation: „Veröffentlichungen“) eingestellt. 6 Vgl. www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Themen“, „Steuern“). 7 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, Nr. 79 Abschnitt 3.1.1, BT-Drs. 17 / 11330. Nach dem Haushaltsentwurf 2013 entfallen auf die Steuereinnahmen 86 % der Gesamteinnahmen des Bundes i. H. v. rund 302 Mrd. Euro. 3

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vollständige und rechtzeitige Erhebung der Steuereinnahmen ist deshalb von grundlegender Bedeutung für den Bundeshaushalt.8 Dies gilt gleichermaßen für die Länderhaushalte und für die Haushalte der Gemeinden. Um sicherzustellen, dass die vollständige und rechtzeitige Erhebung der Steuern eingehalten wird, bedarf es einer externen Kontrolle durch die Rechnungshöfe. Diese überprüfen, ob Bund und Länder ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachkommen. Die Steuereinnahmen beliefen sich im Haushaltsjahr 2012 für Bund, Länder und Gemeinden auf insgesamt 551,8 Milliarden Euro.9 Davon entfielen 256,1 Milliarden Euro auf den Bund.10 Dem Bund stehen das Aufkommen aus den Bundessteuern11 und Anteile aus dem Aufkommen der Gemeinschaftsteuern12 zu. Bundessteuern sind unter anderem die Kraftfahrzeugsteuer, die Versicherungsteuer, die Tabaksteuer und die Energiesteuern. Die aufkommensstarken Gemeinschaftsteuern stehen Bund und Ländern gemeinsam zu und umfassen die Lohnsteuer, die veranlagte Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer. Die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer sind dabei die wichtigsten Einnahmequellen des Bundes. Im Haushaltsjahr 2012 beliefen sich seine Lohnsteuereinnahmen auf 63,1 Milliarden Euro und seine Umsatzsteuereinnahmen auf 76,1 Milliarden Euro. Auf die Einfuhrumsatzsteuer entfielen zusätzlich 27,9 Milliarden Euro. III. Zuständigkeit für die Steuererhebung Nach dem föderativen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland sind die Aufgaben der Finanzverwaltung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt.13 Der Bund verwaltet nur einen Teil der ihm zustehenden Einnahmen durch Bundesfinanzbehörden selbst.14 Hierzu gehören im Wesentlichen die Zölle, die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer sowie die Kraftfahrzeugsteuer und die 8

Vgl. insoweit auch § 34 Abs. 1 BHO. Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Monatsbericht Januar 2013, Beitrag: Die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder im Kalenderjahr 2012, S. 20; abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Service“, „Monatsberichte“). 10 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Monatsbericht Januar 2013 (Fn. 9), S. 20 (24). 11 Vgl. Art. 106 Abs. 1 GG. 12 Vgl. Art. 106 Abs. 3 GG. Den Ländern steht das Aufkommen aus den Landessteuern zu. Hierzu gehören z. B. die Vermögensteuer, die Erbschaftsteuer und die Biersteuer (vgl. Art. 106 Abs. 2 GG). 13 Vgl. Art. 108 Abs. 1 bis 4 i. V. m. Art. 85 GG. 14 Vgl. Art. 108 Abs. 1 GG. 9

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Versicherungsteuer.15 Die übrigen Steuern werden durch Landesfinanzbehörden verwaltet.16 Sie setzen insbesondere die Gemeinschaftsteuern (Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer) fest und erheben die Steuern. Soweit die Landesfinanzbehörden Steuern verwalten, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen,17 werden sie regelmäßig im Auftrag des Bundes tätig (Bundesauftragsverwaltung durch die Länder).18 Die beauftragte Verwaltung nimmt dabei die zugewiesenen Aufgaben als eigene Aufgabe wahr.19 Die Landesfinanzbehörden handeln damit zwar als Landesorgane und nicht als Bundesorgane.20 Sie unterstehen nach Artikel 85 Grundgesetz aber gleichwohl den Weisungen und der Aufsicht der zuständigen obersten Bundesbehörde, sprich des Bundesfinanzministeriums.21 Die rechtliche Stellung des Bundes und seine Handlungsmöglichkeiten sind dabei stärker ausgeprägt als beim Gesetzesvollzug durch die Länder als eigene Angelegenheit nach Artikel 84 Grundgesetz.22 IV. Länderverwaltung und Bundesaufsicht Die Bundesaufsicht erstreckt sich auf die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausführung der Steuergesetze und zielt darauf, dass die dem Bund anteilig zustehenden Steuereinnahmen rechtzeitig und vollständig erhoben werden.23 Sie ist weiter gehend als eine reine Rechtsaufsicht. Der Maßstab der Kontrolle und Steuerung weist zudem Gesichtspunkte auf, die 15 Die Verwaltung der Versicherung- und Kraftfahrzeugsteuer ist erst in jüngerer Zeit von den Ländern auf den Bund übertragen worden. Für die Versicherungsteuer am 1. Juli 2010, vgl. BT-Drs. 16 / 12400, Entwurf eines Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform; für die Kraftfahrzeugsteuer am 1. Juli 2009, vgl. BT-Drs. 16 / 11742, Gesetz zur Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer und Änderung anderer Gesetze. 16 Vgl. Art. 108 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 85 GG. Für die den Gemeinden allein zufließenden Steuern kann die den Landesfinanzbehörden zustehende Verwaltung durch die Länder ganz oder zum Teil den Gemeinden übertragen werden, Art. 108 Abs. 4 GG. 17 Insbesondere der Bundesanteil an den Gemeinschaftsteuern. 18 Vgl. Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG. 19 Vgl. Thomas Clemens / Dieter Umbach, in: Clemens / Umbach (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar, Band 2, Heidelberg 2002, Art. 85 GG Rn. 13. 20 Vgl. BVerfGE 81, 310 (332). 21 Vgl. Art. 85 Abs. 3 GG. 22 Vgl. Friedrich Kirchhof, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, München Loseblatt: Stand November 2012, Art. 85 GG Rn. 1. Vgl. auch Thomas Clemens / Dieter Umbach, in: Clemens / Umbach (Hrsg.) (Fn. 19), Art. 85 GG Rn. 14. 23 Vgl. Art. 85 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 108 Abs. 3 GG, § 34 BHO.

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für eine Fachaufsicht typisch sind. Das Bundesverfassungsgericht teilt die Verwaltungskompetenz bei der Bundesauftragsverwaltung in Wahrnehmungs- und Sachkompetenz.24 Dabei hat das Land die unentziehbare Wahrnehmungskompetenz als Landesangelegenheit, während die Sachkompetenz dem Land nur unter dem Vorbehalt ihrer Inanspruchnahme durch den Bund zusteht. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bund im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung alle Aktivitäten entfalten darf, die er für eine effektive und sachgerechte Vorbereitung und Ausübung seines grundsätzlich unbeschränkten Direktions- und Weisungsrechts für erforderlich hält.25 Allerdings darf er mit seinem Direktionsrecht nicht die Wahrnehmungskompetenz der Länder verletzen. Das rechtsverbindliche Handeln nach außen, z. B. durch einen Verwaltungsakt, verbleibt stets bei den Ländern.26 Mit dem in Artikel 85 Absatz 3 Grundgesetz verankerten Weisungsrecht verfügt das Bundesfinanzministerium über ein Instrument, um auf die Landesfinanzverwaltungen im Rahmen seiner Bundesaufsicht einwirken zu können. Das Weisungsrecht des Bundes ist grundsätzlich unbeschränkt und bedarf keiner weiteren spezialgesetzlichen Grundlage. Es erstreckt sich nicht nur auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns.27 Wie weit das Weisungsrecht des Bundesfinanzministeriums bei der Steuerauftragsverwaltung durch die Länder reicht, ist umstritten. Unstrittig ist die sogenannte Einzelweisung.28 Diese Weisungen treffen für einen konkreten Sachverhalt des Verwaltungshandelns rechtsverbindliche Aussagen, ohne auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen hin gerichtet zu sein. Adressat der Weisung ist die jeweilige oberste Landesfinanzbehörde und nicht das Finanzamt vor Ort.29 Denn als Ausfluss der Wahrnehmungskompetenz steht den Ländern alleine die Dienstaufsicht gegenüber ihren nachgeordneten Behörden zu. Dagegen wird kontrovers diskutiert, wer Regelungen treffen darf, die sich – statt auf einen Einzelfall – auf eine Mehrzahl von Fällen beziehen (allgemeine Weisungen). Das Bundesfinanzministerium und ein Teil der Literatur vertreten die Auffassung, dass das Weisungsrecht nach Artikel 85 Absatz 3 Grundgesetz sowohl einzelne als auch generelle Weisungen umfasst. Sie 24 Grundlegend: BVerfGE 81, 310 (332). Daran anknüpfend BVerfGE 104, 249 (264 f.). 25 BVerfGE 104, 249 (265). 26 Vgl. Friedrich Kirchhof, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, München Loseblatt: Stand November 2012, Art. 85 GG Rn. 64. 27 Vgl. Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG. 28 Vgl. Art. 85 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 84 Abs. 5 S. 1 GG. 29 Vgl. Art. 85 Abs. 3 S. 2 GG.

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leiten dies aus dem Wortlaut der Artikel 84 und 85 Grundgesetz ab.30 Die Länder und ein anderer Teil der Literatur wollen den Weisungsbegriff in Artikel 85 Absatz 3 Grundgesetz ebenso wie den in Artikel 84 Absatz 5 Grundgesetz auf Einzelweisungen beschränken. Nach deren Auffassung kollidiere die Zulässigkeit von allgemeinen Weisungen mit den allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.31 Der Auslegungsstreit ist bislang noch nicht gerichtlich entschieden. Bund und Länder haben sich vielmehr unter Wahrung ihrer unterschiedlichen Rechtsauffassungen auf einen Kompromiss für die Praxis verständigt. Danach trifft das Bundesfinanzministerium Regelungen allgemeiner Art, soweit diese nicht in Gesetzen und in allgemeinen Verwaltungsvorschriften festgelegt werden (Bund-Länder-Vereinbarung aus dem Jahre 1970; sogenannte Staatssekretärsvereinbarung). Es erlässt allgemeine Weisungen in Form von Schreiben an die obersten Finanzbehörden der Länder nur, wenn es zuvor die Länder angehört und die Mehrzahl der Länder keine Einwendungen erhoben hat. Die Länder haben darüber hinaus in der Staatssekretärsvereinbarung zugesichert, Fragen von überregionaler oder grundsätzlicher Bedeutung an das Bundesfinanzministerium heranzutragen. Neben dem Weisungsrecht stehen dem Bundesfinanzministerium weitere Aufsichtsmittel zur Verfügung. Es kann sich Berichte und Steuerakten von den Landesfinanzbehörden vorlegen lassen, um die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsvollzuges zu überprüfen. Zudem kann es Beauftragte zu den obersten Finanzbehörden der Länder und in die Finanzämter entsenden, um den Vollzug der Steuergesetze vor Ort zu überprüfen.32 V. Externe Finanzkontrolle und Steuerverwaltung Den Rechnungshöfen ist verfassungsrechtlich die Kontrolle übertragen, ob Bund und Länder ihren Verpflichtungen nachkommen, die Steuern vollständig und rechtzeitig zu erheben. Der Bundesrechnungshof hat die Einnahmen des Bundes zu prüfen, die Landesrechnungshöfe haben die Einnah30 Vgl. Wolfgang Löwer, Verfassungsrechtsfragen der Steuerauftragsverwaltung, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 70, Bonn 2001, S. 91 ff., 133 ff. 31 Allgemeine Verwaltungsvorschriften sind nach Art. 108 Abs. 7 GG nicht vom Bundesfinanzminister, sondern von der Bundesregierung zu erlassen und bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Davon abweichend hat die Bundesregierung bei der Umsatzsteuer ab dem 1. November 2010 die Umsatzsteuer-Richtlinien durch einen sogenannten Umsatzsteuer-Anwendungserlass ersetzt. Dieser kann ständig an aktuelle Entwicklungen angepasst werden und wird wie ein BMF-Schreiben mit den Ländern abgestimmt. Die Zustimmung des Bundesrates ist insoweit nicht notwendig. 32 Art. 85 Abs. 4 S. 2 GG.

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men ihres jeweiligen Landes zu prüfen.33 In diesem Beitrag soll in erster Linie die Rolle des Bundesrechnungshofes bei der Prüfung der Steuereinnahmen untersucht werden. Dabei wird das Spannungsfeld zur Steuerauftragsverwaltung der Länder im Bereich der Gemeinschaftsteuern von besonderem Interesse sein. 1. Prüfungsrecht Das Recht des Bundesrechnungshofes, die Einnahmeseite des Bundeshaushalts zu prüfen, folgt aus Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz in Verbindung mit §§ 88 ff. Bundeshaushaltsordnung.34 Danach hat der Bundesrechnungshof die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu prüfen. Hierunter fällt nach § 89 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung ausdrücklich die Prüfung der Einnahmen des Bundes. Dazu gehören insbesondere die Steuereinnahmen. Die Einnahmenprüfung hat sich dabei gemäß § 90 Bundeshaushaltsordnung auf die Einhaltung der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze zu beziehen. Hierzu zählen neben den Steuergesetzen auch die Vorschriften der Artikel 108 sowie 85 Absatz 3 und 4 Grundgesetz über die Rechte und Pflichten des Bundesfinanzministeriums im Rahmen der Steuerauftragsverwaltung. Prüfungsgegenstand können deshalb einzelne Besteuerungsnormen sein, z. B. der ermäßigte Umsatzsteuersatz, weil ihre Handhabung unmittelbar für die Einnahmen des Bundes bedeutsam ist. Prüfungsgegenstand kann aber auch sein, ob das Bundesfinanzministerium seiner ihm obliegenden Bundesaufsicht bei der Steuerverwaltung durch die Länder sachgerecht nachkommt. 2. Ordnungsmäßigkeit als Prüfungsmaßstab Nach der Bundeshaushaltsordnung erstreckt sich die Prüfung des Bundesrechnungshofes insbesondere darauf, ob Einnahmen begründet und belegt sind und die Haushaltsrechnung und die Vermögensrechnung ordnungsgemäß aufgestellt sind (§ 90 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung). Die Prü33 Vgl. Art. 114 Abs. 2 GG i. V. m. § 89 Abs. 1 Nr. 1 BHO bzw. die entsprechenden Vorschriften der jeweiligen Landesverfassungen i. V. m. § 89 LHO. 34 Vgl. hierzu Heinz Günter Zavelberg, Die Kontrolle der Steuer- und Abgabenerhebung durch den Bundesrechnungshof, in: Kirchhof / Offerhaus / Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Finanzpolitik, Festschrift für Franz Klein, Köln 1994, S. 1141; vgl. auch Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung, in: Magiera / Sommermann / Ziller (Hrsg.), Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis in nationaler und transnationaler Perspektive, Festschrift für Heinrich Siedentopf, Berlin 2008, S. 243.

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fungstätigkeit des Bundesrechnungshofes zielt deshalb darauf ab, eine rechtzeitige, vollständige und gesetzmäßige Erhebung der Steuereinnahmen des Bundes zu sichern.35 Hierzu gehören unter anderem Fragen, ob einzelne Steuernormen von den Finanzbehörden richtig angewendet werden, ob Steuergestaltungen und Steuerbetrug wirksam begegnet wird und ob die mit Steuervergünstigungen angestrebten Wirkungen regelmäßig evaluiert werden. Als weiteres Ziel seiner Kontrolltätigkeit verfolgt der Bundesrechnungshof, dass die dem Bund zustehenden Steuern im gesamten Bundesgebiet nach einheitlichen Rechtsgrundsätzen gleichmäßig erhoben werden.36 In diesem Sinne hatte er schon für das Jahr 1967 nicht mehr erträgliche Ungleichmäßigkeiten bei der Besteuerung festgestellt und große Steuerausfälle kritisiert.37 Auch in der jüngeren Vergangenheit hat der Bundesrechnungshof mehrfach den mangelnden Vollzug der Steuergesetze und die uneinheitliche Besteuerung beanstandet.38 Neben seiner Prüfungstätigkeit berät der Bundesrechnungshof den Deutschen Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung und einzelne Bundesministerien aufgrund seiner Prüfungserfahrungen zu Fragen bei den Steuereinnahmen, z. B. bei Regelungsdefiziten im geltenden Steuerrecht oder bei Steuerangelegenheiten von besonderer Bedeutung. Von dieser Möglichkeit hat er in den letzten Jahren regelmäßig Gebrauch gemacht und über seine Feststellungen nach § 88 Absatz 2 und § 99 Bundeshaushaltsordnung berichtet.39 Neben der reinen Ordnungsmäßigkeit (§ 90 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung) sind die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Handelns der Finanzverwaltung sowie die Zweckmäßigkeit (§ 90 Nummer 3 und 4 Bundeshaushaltsordnung) Beurteilungsmaßstäbe für die Finanzkontrolle bei den 35 Vgl. § 19 Abs. 1 HGrG, § 34 Abs. 1 BHO. Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Die Kontrolle der Steuer- und Abgabenerhebung durch den Bundesrechnungshof (Fn. 34), S. 1145. 36 Der Gleichheitssatz für das Steuerrecht ist nicht nur Maßstabsnorm für den Gesetzgeber, sondern auch für eine effektive Erhebungsgleichheit, weil diese wiederum konstitutiv für die Steuermoral ist; vgl. dazu: Josef Isensee, Steuerstaat als Staatsform, in: Stödter / Thieme, Hamburg – Deutschland – Europa, Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 418; deshalb verlangt das Bundesverfassungsgericht rechtliche und tatsächliche Belastungsgleichheit und leitet daraus strukturelle Anforderungen an das Erhebungsverfahren und dessen rechtliche Ordnung ab, vgl. BVerfG 84, 233 – Zinsbesteuerung. 37 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1967, Rn. 88. 38 Vgl. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, Stuttgart 2006, S. 13–87; vgl. auch Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über den Vollzug der Steuergesetze, insbesondere im Arbeitnehmerbereich, vom 17. Januar 2012, BT-Drs. 17 / 8429. 39 Vgl. beispielhaft auch die nachfolgenden Abschnitte VII.–IX.

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Steuereinnahmen.40 Unter diesen Gesichtspunkten wird beispielsweise geprüft, wie die Finanzbehörden den Vollzug der Steuergesetze effektiv, z. B. mit moderner technischer Unterstützung, erfüllen können.41 Es ist aber zu bedenken, dass bei der Bundesauftragsverwaltung die Prüfung des Bundesrechnungshofes an die Aufgaben des Bundes anknüpfen muss. Die Organisations- und Personalhoheit der Länder bleibt grundsätzlich unberührt. Im Fokus der Einnahmenprüfungen des Bundesrechnungshofes steht bei der Prüfung der Gemeinschaftsteuern deshalb regelmäßig die Ordnungsmäßigkeit. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit geht dabei viel weiter, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Wie bereits ausgeführt, gehören dazu Fragen wie: Wird das Steuerrecht zutreffend und gleichmäßig angewendet? Dazu gehört aber auch: Kommt Deutschland seiner Verpflichtung nach, nationales Recht an das Unionsrecht anzupassen? Oder aber: Dürfen die Steuerabteilungsleiter des Bundes und der Länder ohne gesetzliche Ermächtigung Verwaltungsregelungen erlassen? Auf diese und andere aktuelle Beispiele zur Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes im Bereich der Einnahmenprüfung wird im Weiteren noch ausführlich eingegangen. 3. Prüfungs- und Erhebungsstellen Der Bundesrechnungshof prüft bei seinen Einnahmenprüfungen zu den Gemeinschaftsteuern grundsätzlich das Bundesfinanzministerium. In diesem Zusammenhang prüft er auch diejenigen Bundesbehörden, die mit steuerlichen Angelegenheiten betraut sind, z. B. das Bundeszentralamt für Steuern. Das Prüfungsrecht steht dem Bundesrechnungshof nach der Bundeshaushaltsordnung zur Erfüllung seiner Kontrolltätigkeit nur bei der Bundesverwaltung zu. Allerdings ist eine sachgerechte Prüfung der Bundesaufsicht des Bundesfinanzministeriums nur möglich, wenn der Bundesrechnungshof die Besteuerungspraxis der Landesfinanzbehörden beurteilen kann. Deshalb ist es erforderlich, dass der Bundesrechnungshof Einblick in die Tätigkeit der Landesfinanzbehörden, insbesondere der Finanzämter, nehmen darf.42 Nach § 91 Absatz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung ist der Bundesrechnungshof berechtigt, bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung unter 40 Die Ordnungsmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Einnahmenprüfungen lassen sich bereits aus Art. 114 Abs. 2 GG ableiten. 41 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Die Kontrolle der Steuer- und Abgabenerhebung durch den Bundesrechnungshof (Fn. 34), S. 1146. 42 Vgl. Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 34), S. 246.

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anderem dann zu prüfen, wenn sie Bundesmittel verwalten.43 Dies trifft auf die Landesfinanzbehörden zu, weil die Länder im Bereich der Gemeinschaftsteuern Bundesmittel verwalten. Die Vorschrift besagt allerdings nicht, dass der Bundesrechnungshof das gesamte Verhalten der Landesfinanzbehörden prüfen darf. Seinem Prüfungsrecht unterliegt insoweit allein das Bundesfinanzministerium, sodass der Gegenstand der Prüfung ausschließlich die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes ist. Nur zu diesem Zweck hat der Bundesrechnungshof die Befugnis, bei den Landesfinanzbehörden Erhebungen durchzuführen und Auskünfte einzuholen, Unterlagen einzusehen und auf diese Weise Erkenntnisse bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu gewinnen. Prüfungsadressat ist allein das Bundesfinanzministerium und nicht die jeweilige Landesfinanzbehörde. Sie zu prüfen, ist dem jeweils zuständigen Landesrechnungshof vorbehalten.44 Das Spannungsverhältnis zwischen den Erhebungsrechten des Bundesrechnungshofes einerseits und der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung durch die Landesrechnungshöfe andererseits haben die Rechnungshöfe in den sogenannten Trierer Empfehlungen aus dem Jahre 1972 aufgegriffen. Hierbei handelt es sich um eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen.45 Die Regelungen betreffen die Arbeitsplanung und die Abstimmung über Prüfungsvorhaben sowie die Erhebungen, die Unterrichtung über Prüfungserkenntnisse und ihre Verwertung. Daneben ist eine Übertragung der Kompetenzen für die Prüfung im Rahmen des § 93 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen möglich. Im Ergebnis sehen sich die Landesfinanzbehörden der Tätigkeit von zwei Organen der externen Finanzkontrolle ausgesetzt: den Erhebungen 43 Vgl. BVerwGE 116, 92; vgl. auch Ernst Heuer, Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten – Die Anwendung des § 91 BHO im Länderbereich und in der Sozialversicherung, Erhebungsrechte bei Rüstungsfirmen, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714– 1989 – Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen GeneralRechen-Kammer, Berlin 1989, S. 181 (183). 44 Vgl. Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 34), S. 246. 45 Vgl. Norbert Buchbinder, Die Kontrolle der Finanzverwaltung durch den Bundesrechnungshof, Inauguraldissertation der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Nürnberg 1985, S. 365. Zur Staatspraxis der gemeinsamen Prüfung siehe auch Trierer Empfehlungen in der Neufassung des Beschlusses der Präsidentenkonferenz vom 6. bis 8. Mai 1996 in Dresden. Die Trierer Empfehlungen sind abgedruckt in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: November 2012, Band 3, Teil VIII / I.3.

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des Bundesrechnungshofes und den Prüfungen des jeweiligen Landesrechnungshofes. In den Jahren 1999 bis 2001 kam es zwischen dem Bundesrechnungshof und den Ländern zu Meinungsverschiedenheiten. Es ging um die Frage, ob und inwieweit Landesfinanzbehörden bei der Verwaltung von Gemeinschaftsteuern im Auftrag des Bundes vor Ort durchzuführende Prüfungen des Bundesrechnungshofes zu dulden haben.46 Der Bundesrechnungshof sah sich berechtigt, bei seinen Prüfungen nunmehr neben den Erhebungen bei den Finanzämtern auch Erkenntnisse bei den Oberfinanzdirektionen und den Landesfinanzministerien zu gewinnen. Er stützte sich dabei auf eine entsprechende Auslegung des § 91 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung. Dem widersetzten sich die Länder.47 Konkret zog der Freistaat Bayern die Erhebungszuständigkeit des Bundesrechnungshofes bei Landesfinanzbehörden in Zweifel. Nach seiner Auffassung stellten derartige Erhebungen einen unzulässigen Eingriff in die Eigenstaatlichkeit der Länder und eine Verletzung des Prinzips der getrennten Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern sowie des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens dar. Erhebungen des Bundesrechnungshofes seien lediglich nach § 93 Absatz 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung gemeinsam mit dem jeweils zuständigen Landesrechnungshof zulässig.48 4. Gerichtliche Durchsetzung der Erhebungsrechte Der Bundesrechnungshof entschloss sich im Jahr 2001, sein Erhebungsrecht gegenüber dem Freistaat Bayern gerichtlich durchzusetzen (vgl. Abschnitt V.3.).49 Auf seine Klage entschied das Bundesverwaltungsgericht im März 2002, dass bei der Steuerauftragsverwaltung der Länder eine Landesfinanzbehörde gemäß § 91 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung „Erhebungsobjekt des Bundesrechnungshofes“ sein könne. Die Vorschrift sei dahingehend auszulegen, dass auch Landesfinanzbehörden Stellen außerhalb der Bundesverwaltung sind und der Bundesrechnungshof zur 46 Vgl. Wolfgang Löwer, Verfassungsrechtsfragen der Steuerauftragsverwaltung (Fn. 30), S. 20 ff. 47 Vgl. Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 34), S. 248 ff. 48 Zur Gegenwehr der Länder sowie zur Unterstützung des Bundesrechnungshofes durch Parlament und Wissenschaft ausführlich: Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 34), S. 248–251. BVerwGE 116, 92. Dazu auch Hanno Kube, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, München Loseblatt Stand: Oktober 2008, Art. 114 GG Rn. 84. 49 Vgl. Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 34), S. 251.

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Prüfung berechtigt ist.50 Das hiernach bestehende Erhebungsrecht im Bereich der Steuerauftragsverwaltung begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, der systematischen Stellung und der Ratio des § 91 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung. Danach wäre es verfehlt, „gerade im Bereich der Steuerauftragsverwaltung die Erhebungsbefugnis des Bundesrechnungshofes an den Verbandsgrenzen enden zu lassen. Dies würde einen vom Gesetzgeber nicht gewollten prüfungsfreien Raum schaffen (…), obwohl die Notwendigkeit, die Landesfinanzbehörden in die Erhebungen des Bundesrechnungshofes einzubeziehen, auf der Hand liege.“51 Bezüglich der Terminologie in § 91 Bundeshaushaltsordnung stellte bereits Wolfgang Löwer in seinem Rechtsgutachten aus dem Jahre 200052 fest, dass die Bundeshaushaltsordnung insoweit ungenau ist, da sie ganz allgemein von „prüfen“ in Bezug auf „Stellen außerhalb der Bundesverwaltung“ spricht. Da der Bundesrechnungshof lediglich die Wahrnehmung der Sachverantwortung des Bundes prüfe, könne für Stellen im Landesbereich nur von „erheben“ die Rede sein. Die „Erhebung“ ist ein Teilausschnitt des Prüfvorgangs und bezeichnet das Verfahren zur Ermittlung eines Sachverhalts und der Schaffung von Erkenntnisquellen.53 Diese Unterscheidung zwischen „Prüfung“ und „Erhebung“ hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hervorgehoben. Demnach ist der in § 91 Absatz 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung genannte Terminus „prüfen“ so zu verstehen, dass örtliche Erhebungen durch Beauftragte des Bundesrechnungshofes zu dulden sind.54 Landesbehörden sind damit zwar mögliche Adressaten einer Prüfungsanordnung. Sie sind aber im weiteren Verlauf der Prüfung lediglich Erhebungsobjekt. Prüfungsadressat ist allein das Bundesfinanzministerium. Festzuhalten bleibt: Die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerauftragsverwaltung der Länder wurden gerichtlich durchgesetzt und stärken im Ergebnis die Rechte des Bundesrechnungshofes im Bereich der Einnahmenprüfung. 50 Vgl. BVerwGE 116, 92. Zustimmend auch Hans-Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl., Köln 2012, Art. 114 GG Rn. 12a ff. 51 BVerwGE 116, 92. Vgl. dazu auch Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 34), S. 245 ff. 52 Vgl. Wolfgang Löwer, Verfassungsrechtsfragen der Steuerauftragsverwaltung (Fn. 30), S. 19–68. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages beauftragte Wolfgang Löwer im Jahre 1999 mit der Erstellung des Rechtsgutachtens. 53 Vgl. Wolfgang Löwer, Verfassungsrechtsfragen der Steuerauftragsverwaltung (Fn. 30), S. 57. 54 Vgl. BVerwGE 116, 92.

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Erwähnt werden soll an dieser Stelle aber auch, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen auf dem Gebiet der Steuern in der Praxis vertrauensvoll gelebt wird. Die Rechnungshöfe informieren sich nicht nur gegenseitig über ihre vorgesehenen Arbeitspläne. Die Landesrechnungshöfe erhalten Prüfungsankündigungen des Bundesrechnungshofes, wenn die Erhebungsstellen in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen. Zudem tauschen die Landesrechnungshöfe und der Bundesrechnungshof ihre Prüfungsmitteilungen, Berichte nach § 88 Absatz 2 und § 99 Bundeshaushaltsordnung sowie ihre Bemerkungen aus. Schließlich treffen sich die Landesrechnungshöfe und der Bundesrechnungshof einmal jährlich in einem Arbeitskreis Steuern, um über ihre Prüfungserkenntnisse und Erfahrungen zu diskutieren und Möglichkeiten für gemeinsame Prüfungsansätze auszuloten. Schließlich organisieren sie auch gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen für ihre Prüferinnen und Prüfer. VI. Gegenstand der Einnahmenprüfungen des Bundesrechnungshofes Wurde vorstehend erläutert, „wen“ der Bundesrechnungshof bei den Steuereinnahmen prüft, „wo“ er prüft und „welche Zielsetzung“ er dabei verfolgt, bleibt schließlich noch die Frage offen, „was“ Gegenstand seiner Steuerprüfungen im engeren Sinne ist. Von Interesse sind also nun die konkreten Prüfungsthemen aus dem Steuerbereich und deren Auswahl. Für den Bundesrechnungshof ist es immer wieder eine Herausforderung, die „richtigen“ Themen auszuwählen. Denn der steuerliche Prüfungsstoff ist äußerst umfangreich und wird durch die Aufgabe, die rechtzeitige, vollständige, gesetzmäßige sowie gleichmäßige Erhebung der Steuereinnahmen zu prüfen, nur weitläufig umrissen.55 Er reicht von der Prüfung steuerlicher Einzelaspekte, der Prüfung grundlegender Vollzugsmängel im Steuerbereich, der Prüfung des nationalen und innergemeinschaftlichen Steuerbetrugs sowie der Prüfung struktureller Mängel in speziellen Bereichen des Steuerrechts bis hin zur Prüfung der Vereinbarkeit nationaler Steuerregelungen mit dem Unionsrecht und der Unterbreitung von Reformvorschlägen. Es ist daher notwendig, die gesamte Bandbreite des Steuerrechts und der Steuererhebung im Blick zu haben. Dazu bedarf es einer genauen Kenntnis der Aufgabenbereiche und einer planvollen Herangehensweise bei der Auswahl der Prüfungsthemen. Auf der Grundlage einer umfassenden Aufgabenanalyse identifiziert der Bundesrechnungshof dabei die Prüffelder, die im Rahmen einer mittelfristigen Arbeitsplanung erschlossen werden sollen. 55 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Die Kontrolle der Steuer- und Abgabenerhebung durch den Bundesrechnungshof (Fn. 34), S. 1155.

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Auswahlkriterien hierbei sind neben dem Grundsatz, dass prüfungsfreie Räume vermieden werden sollen, insbesondere die Aktualität, die Fehlerträchtigkeit des Prüfungsstoffes und das finanzielle Volumen. Erkenntnisse hierzu gewinnt der Bundesrechnungshof insbesondere, indem er – die aktuelle Rechtsprechung und Fachveröffentlichungen verfolgt, – in neue Gesetzgebungsverfahren über den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung eingebunden wird, – einen intensiven Kontakt zu den maßgeblichen parlamentarischen Gremien sucht, – sich mit den Landesrechnungshöfen austauscht – und nicht zuletzt den hohen fachlichen Sachverstand der mit den Prüfungsaufgaben betrauten Prüferinnen und Prüfern im Bundesrechnungshof nutzt. Das Ergebnis seiner Analysen setzt der Bundesrechnungshof in seiner jährlichen Arbeitsplanung um. Auf dieser Grundlage identifizierte er in den letzten Jahren u. a. strategische Prüffelder wie den innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug und die Umsatzsteuerkontrolle, die querschnittliche Prüfung von Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen sowie die Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft. Anhand veröffentlichter Berichte und Bemerkungen des Bundesrechnungshofes aus jüngster Zeit wird nachfolgend auf einzelne „Steuerprüfungen“ des Bundesrechnungshofes näher eingegangen.56 Diese Prüfungen veranschaulichen die unterschiedlichen Facetten der Ordnungsmäßigkeitsprüfung im Bereich der Steuereinnahmen. VII. Prüfungen aus dem Bereich der Umsatzsteuer 1. Umsatzsteuerkontrolle im europäischen Binnenmarkt Mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 entfielen für Warenbewegungen im Gemeinschaftsgebiet die Grenzkontrollen durch den Zoll. Amtliche Nachweise für den grenzüberschreitenden Warenverkehr werden seitdem nicht mehr erstellt. Lieferungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden jedoch weiterhin im Bestimmungsland besteuert. Statt des Zolls stellen nunmehr die Steuerbehörden des Bestimmungslands die umsatzsteuerliche Belastung her, indem 56 Die Ausführungen zu den nachfolgenden Abschnitten VII.–IX. wurden aus den Bemerkungen und veröffentlichten Berichten des Bundesrechnungshofes übernommen. Im Interesse einer besseren Lesbarkeit sind wörtlich zitierte Textstellen nicht gesondert ausgewiesen.

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sie den innergemeinschaftlichen Erwerb der Ware besteuern. Um eine ordnungsgemäße Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels im Rahmen des harmonisierten Mehrwertsteuersystems sicherzustellen und Umsatzsteuerbetrug zu erschweren, wurde in der Europäischen Union ein besonderes, länderübergreifendes Kontrollverfahren – das Umsatzsteuer-BinnenmarktKontrollverfahren – eingeführt. Kernelemente dieses Verfahrens sind – die Erteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an Unternehmer, – die Verpflichtung der Unternehmer, die von ihnen ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen unter Angabe der ihnen sowie der dem Erwerber erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in Zusammenfassenden Meldungen anzugeben57 – sowie der automationsgestützte Informationsaustausch zwischen den EUMitgliedstaaten über die so gewonnenen Daten. Deutschland kommt in diesem Kontrollverfahren aufgrund seines hohen Anteils am innergemeinschaftlichen Handel eine zentrale Rolle zu. Der Bundesrechnungshof hat sich deshalb wiederholt mit dem Thema befasst. Er stellte bei seinen Erhebungen im Bundeszentralamt für Steuern und bei den Landesfinanzbehörden immer wieder fest, dass die Kontrolle der innergemeinschaftlichen Lieferungen in zusammenfassenden Meldungen und Umsatzsteuererklärungen für alle Beteiligten sehr aufwendig ist. Darüber hinaus wurden die aus beiden Meldungen gewonnenen Daten nicht systematisch von der Finanzverwaltung überprüft, obwohl dies ohne Weiteres technisch möglich und rechtlich zulässig gewesen wäre. Im Rahmen einer bilateralen Prüfung untersuchten der Bundesrechnungshof und der Rechnungshof der Tschechischen Republik die UmsatzsteuerKontrolle innergemeinschaftlicher Warenbewegungen in den Jahren 2006 und 2010 parallel in ihren Ländern. Sie stellten dabei fest, dass ein frühzeitiger, risikoorientierter und rechtlich zulässiger Datenaustausch die Umsatzsteuer-Kontrolle und die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs deutlich verbessern kann. Das harmonisierte Umsatzsteuersystem allein garantiert dies nicht. Es kommt immer darauf an, wie die EU-Mitgliedstaaten die unionsrechtlichen Regelungen in ihr nationales Recht umsetzen und vollziehen.58 Zudem haben der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe Belgiens und der Niederlande im Jahr 2012 einen gemeinsamen Bericht über 57 Seit dem 1. Januar 2010 besteht die Verpflichtung der Unternehmer zur Abgabe von Zusammenfassenden Meldungen auch für innergemeinschaftliche Dienstleistungen. 58 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2011, Nummer 87, BT-Drs. 17 / 7600.

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den innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug verfasst.59 Darin setzen sie sich damit auseinander, wie ihre Empfehlungen aus dem ersten gemeinsamen Bericht zum Umsatzsteuerbetrug in der Europäischen Union aus dem Jahre 2009 umgesetzt wurden. Nach den Feststellungen der drei Rechnungshöfe hat sich die Betrugsbekämpfung zwar positiv entwickelt, weist aber nach wie vor Mängel auf. Verbessert hat sich insbesondere der Datenaustausch zwischen den Steuerverwaltungen in der Europäischen Union. So werden Daten über innergemeinschaftliche Umsätze früher ausgetauscht als bisher. Die Verbesserungen können den Umsatzsteuerbetrug aber insgesamt nicht verhindern. Die Rechnungshöfe haben deshalb u. a. empfohlen, die Eingriffsmöglichkeiten der Steuerbehörden bei Betrugsverdacht weiter zu stärken. Die Vollzugsmängel bei der Umsatzsteuer-Kontrolle führen also im Ergebnis dazu, dass Umsatzsteuerbetrug, vor allem in Form von innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerkarussellen, erleichtert wird. Der Grundsatz der Vollständigkeit der Steuererhebung ist damit nicht mehr sichergestellt. Der jährliche Steuerschaden durch Umsatzsteuerkarusselle innerhalb der Europäischen Union ist beträchtlich. Schätzungen gehen von mehreren Milliarden Euro pro Jahr aus. Genaue Angaben zur Schadenshöhe liegen allerdings nur in Einzelfällen vor.60 Der Bundesrechnungshof berichtete dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Bericht nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung vom 6. Oktober 2011 über das Kontrollverfahren im UmsatzsteuerBinnenmarkt. Er wies darauf hin, dass das seit 18 Jahren in Deutschland grundsätzlich unveränderte Verfahren dringend verbessert und an den technischen Fortschritt angepasst werden muss. Er empfahl ein einfaches und wenig verwaltungsaufwendiges Verfahren.61 Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes sollten die zur Verfügung stehenden Daten aus den zusammenfassenden Meldungen mit den Angaben in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen automationsgestützt abgeglichen und mit den anderen EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht werden.62 59 Vgl. hierzu die gemeinsamen Berichte des Bundesrechnungshofes und der Rechnungshöfe von Belgien und den Niederlanden zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug vom 12. März 2009 und vom 27. September 2012, www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Sonderberichte“). 60 Beim Handel mit Emissionsrechten ging die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt von einem Gesamtschaden durch Umsatzsteuerbetrug von 850 Mio. Euro aus. Vgl. www.sueddeutsche.de, „Tango mit der Deutschen Bank“ (6. März 2011). 61 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, Entwicklung des Einzelplans 60 – Wesentliche Steuereinnahmebereiche, BT-Drs. 17 / 11330. 62 Zum weiteren Fortgang: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Chancen zur Sicherung

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2. Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand Ein weiteres Prüffeld, das der Bundesrechnungshof identifizierte, ist die Besteuerung der öffentlichen Hand. Ausgangspunkt waren dabei deren vielfältige Beteiligung am wirtschaftlichen Leben und die zunehmende Bedeutung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit. Auf der anderen Seite drängten immer mehr private Unternehmer auch auf den Markt der „öffentlichen Daseinsvorsorge“. Ursache dafür waren neue Gesetze auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, beispielsweise das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz,63 die es Privaten in verstärktem Maße ermöglichten, tätig zu werden. Betätigt sich die öffentliche Hand im privatwirtschaftlichen Bereich, tritt sie in Konkurrenz zu privaten Unternehmern. Unabhängig davon, ob dies ordnungspolitisch erwünscht ist, darf sie dabei aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit keinen Steuervorteil erhalten. Der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität ist im europäischen Recht verankert. Das nationale Steuerrecht muss diesen Vorgaben genügen. Das bedeutet, dass alle Leistungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die im Wettbewerb am Markt angeboten werden, zu besteuern sind. Lediglich bestimmte hoheitliche Kernbereiche der öffentlichen Hand, die einen Wettbewerb mit privaten Unternehmern ausschließen, wie z. B. die Abfallentsorgung für die privaten Haushalte, dürfen der Besteuerung entzogen bleiben. Neben Wettbewerbsgesichtspunkten sind für die Besteuerung der öffentlichen Hand auch die Vorgaben des föderalen Finanzverfassungsrechts relevant. In einem föderalen Finanzverfassungssystem ist eine Besteuerung der öffentlichen Hand erforderlich. Ansonsten hätten es z. B. Gemeinden oder sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts in der Hand, privatrechtlich organisierte Wirtschaftstätigkeit in öffentlich-rechtliche Betriebe umzuschichten und das Steueraufkommen, insbesondere das Umsatzsteueraufkommen, von Bund und Ländern zu verringern. Umgekehrt könnten sich der Bund und die Länder durch entsprechende öffentlich-rechtliche Betriebe ebenfalls der Steuer entziehen. Der Bundesrechnungshof prüfte in den Jahren 2001 bis 2004 die Besteuerung verschiedener juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Hierzu sah er Steuerakten in den Finanzämtern ein. Von Interesse war dabei, in welchen Bereichen und in welchem Umfang die öffentliche Hand jeweils unternehmerisch tätig wurde und ob diese Tätigkeiten der Besteuerung undes Umsatzsteueraufkommens – Vorschläge zur Umsetzung wichtiger Reformvorhaben bei der Umsatzsteuer, Bericht vom 16. Januar 2013, www.bundesrechnungshof. de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Gutachten / Berichte Bundesbeauftragter (BWV)“, „sonstige Gutachten / Berichte des BWV“). 63 BGBl. I 1994 S. 2705.

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terworfen worden sind. Gegenstände der Untersuchungen waren insbesondere Art und Umfang der wirtschaftlichen Betätigung, die Abgrenzung zur hoheitlichen Tätigkeit, die steuerliche Behandlung durch die Finanzverwaltung und die Konformität des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht. In seine Prüfungen bezog er u. a. sogenannte Beistandsleistungen der öffentlichen Hand, kommunale Gebietsrechenzentren, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, statistische Ämter und die Auftragsforschung staatlicher Hochschulen ein. Er legte seine Prüfungsergebnisse in mehreren Prüfungsmitteilungen dem Bundesfinanzministerium vor und berichtete über einen Teil seiner Feststellungen in seinen Bemerkungen 200264 und 200365. Wegen der besonderen steuerpolitischen Bedeutung unterrichtete der Bundesrechnungshof in einem Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung vom 2. November 2004 auch den Deutschen Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung unmittelbar über die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand.66 In dem Bericht wies er zusammenfassend auf die verwaltungsmäßigen, strukturellen und gemeinschaftsrechtlichen Probleme hin, die bei der derzeitigen Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand bestehen. So waren juristische Personen des öffentlichen Rechts in vielen Bereichen auch dann nicht besteuert worden, wenn sie im Wettbewerb mit privaten Konkurrenten Leistungen angeboten hatten. Dieser Umstand verzerrte den Wettbewerb zum Nachteil privater Anbieter und stand mit dem Unionsrecht nicht in Einklang. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes versuchten die juristischen Personen des öffentlichen Rechts vielfach, eine steuerliche Erfassung soweit wie möglich zu vermeiden. Hierzu beschränkten sie ihre Außendarstellung auf ihren steuerlich nicht relevanten hoheitlichen Bereich. Für die Finanzämter war es mitunter schwierig, die Sachverhalte zu erkennen bzw. steuerrechtlich zutreffend zu beurteilen. Hinzu kam, dass die Finanzämter aufgrund entsprechender Vorgaben, insbesondere durch einen Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, grundsätzlich gehalten waren, auch wettbewerbsrelevante Leistungen dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Der Bundesrechnungshof empfahl, die derzeitige Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend zu überdenken und das nationale Steuerrecht an die unionsrechtlichen Vorgaben anzupassen. Dabei sprach er sich für eine rasche Angleichung aus, um Vertragsverletzungsverfahren vor dem 64

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2002, Nummer 77, BT-Drs. 15 / 60. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2003, Nummer 52, BT-Drs. 15 / 2020. 66 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand – Vorschläge für eine EG-konforme Besteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts vom 2. November 2004, BT-Drs. 15 / 4081. 65

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Europäischen Gerichtshof zu vermeiden. Das Bundesfinanzministerium richtete daraufhin eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein. Konkrete Ergebnisse lagen bis Anfang 2007 nicht vor. Aus diesem Grund wies der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen 200767 erneut auf die mangelnde Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand hin. Er vertrat die Auffassung, dass die von ihm bereits im Jahr 2004 aufgezeigten Probleme fortbestehen und der Handlungsbedarf durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom Sommer 200668 noch drängender geworden sei. Er hielt eine nationale Neuregelung, die eine gleichmäßige, vollständige und wettbewerbsneutrale Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand sicherstellt, für nicht länger aufschiebbar.69 3. Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes Das Umsatzsteuergesetz sieht neben dem Regelsteuersatz von 19 % einen ermäßigten Steuersatz von 7 % vor. Ermäßigungen wurden ursprünglich aus sozial-, kultur-, agrar- und verkehrspolitischen Motiven eingeführt. Zweck war, Güter des lebensnotwendigen Bedarfs und bestimmte Leistungen (z. B. öffentlicher Personennahverkehr) zu verbilligen. Die Begünstigung durch den ermäßigten Steuersatz belief sich im Jahre 2008 auf 24,2 Milliarden Euro.70 Einzelne Ermäßigungstatbestände wurden wegen der schwierigen Abgrenzung und systematischer Schwachstellen in der Vergangenheit häufig kritisiert. Gleichwohl kamen weitere Steuerermäßigungen hinzu. Das Bundesfinanzministerium wies in einem Bericht aus dem Jahre 2007 darauf hin, dass viele der ursprünglichen Begründungen keinen Bestand mehr haben. Dennoch gelten fast alle Begünstigungen bis heute unverändert fort. Frühere Gesetzesinitiativen mit dem Ziel, den Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes einzuschränken, waren nicht erfolgreich. Der Bundesrechnungshof griff das Prüffeld auf und untersuchte im Jahre 2004 zunächst die Steuerbegünstigung für die Personenschifffahrt. Beförde67

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2007, Nummer 50, BT-Drs. 16 / 7100. EuGH ABlEU 2006 Nummer C 178, S. 2. 69 Zum weiteren Fortgang: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Chancen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens – Vorschläge zur Umsetzung wichtiger Reformvorhaben bei der Umsatzsteuer, Bericht vom 16. Januar 2013, www.bundesrechnungshof. de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Gutachten / Berichte Bundesbeauftragter (BWV)“, „sonstige Gutachten / Berichte des BWV“). 70 Der steuerlichen Begünstigung lagen ermäßigt besteuerte Umsätze von über 523 Mrd. Euro zugrunde. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Umsatzsteuerstatistik Eckdaten 2008 (Stand: März 2010), www.destatis.de (Navigation: „Publikationen“, „Thematische Veröffentlichungen“; „Fachserie 14: Finanzen und Steuern“). 68

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rungen von Personen mit Schiffen waren bis zum 31. Dezember 1983 von der Umsatzsteuer befreit.71 Seit dem 1. Januar 1984 unterliegen diese Beförderungen grundsätzlich dem allgemeinen Steuersatz, soweit sie im Inland steuerpflichtig sind. Die Unternehmer der Personenschifffahrt sahen sich nicht in der Lage, die Mehrbelastung sofort auf die Verbraucher zu überwälzen. Zu ihrer Entlastung wurde deshalb eine Übergangsregelung eingeführt, wonach die Umsätze fünf Jahre lang (bis zum 31. Dezember 1988) mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % besteuert werden sollten.72 Spätestens ab dem 1. Januar 1989 sollte dann der allgemeine Steuersatz endgültig angewendet werden. Dazu war es bis zum Beginn der Prüfung durch den Bundesrechnungshof im Jahr 2004 allerdings nicht gekommen. Im Gegenteil: Die Übergangsregelung wurde seit ihrer Einführung inzwischen fünfmal verlängert und damit mehr als 20 Jahre lang angewandt. Über die gesamte Geltungsdauer der Übergangsregelung seit 1984 wurde die Personenbeförderung mit Schiffen mit rund 197 Millionen Euro subventioniert. Für die beabsichtigte erneute Verlängerung der Laufzeit der Übergangsregelung vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2007 waren weitere Umsatzsteuermindereinnahmen von mindestens rund 43,9 Millionen Euro zu erwarten. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes waren die Gründe für das Fortbestehen der Übergangsregelung spätestens seit dem Jahre 1997 entfallen. Er war deshalb der Auffassung, dass eine erneute Verlängerung der Übergangsregelung nicht mehr gerechtfertigt war, und hielt es für geboten, die Regelung zu diesem Zeitpunkt nunmehr endgültig auslaufen zu lassen.73 In den Jahren 2006 bis 2011 führte der Bundesrechnungshof weitere Prüfungen zum ermäßigten Umsatzsteuersatz durch. Er legte seine Prüfungsergebnisse in mehreren Prüfungsmitteilungen dem Bundesfinanzministerium vor und berichtete in seinen Bemerkungen unter anderem über hohe Steuerausfälle in der Fast-Food-Gastronomie74 und durch unzutreffende Besteuerung von Kombinationsartikeln75 sowie über die gemeinschaftsrechtswidrigen Steuerbegünstigungen für Kunstgegenstände und Sammlungsstücke.76 71

§ 4 Nr. 7 Buchst. b, § 28 Abs. 1 Nr. 1 UStG a. F. § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a i. V. m. § 28 Abs. 4 UStG. Vgl. Art. 9 Nr. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl. I 1983 S. 1583. 73 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2005, Nummer 34, BT-Drs. 16 / 160. Die Steuerbegünstigung für die Personenbeförderung mit Schiffen ist schließlich am 31. Dezember 2011 endgültig ausgelaufen, nachdem der Bundesrechnungshof nochmals über die Angelegenheit berichtet hatte. Zum weiteren Fortgang: Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über den ermäßigten Umsatzsteuersatz (Fn. 1). 74 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2006, Nummer 52, BT-Drs. 16 / 3200. 75 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2007, Nummer 51, BT-Drs. 16 / 7100. 76 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2007, Nummer 52, BT-Drs. 16 / 7100. 72

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Wegen der besonderen finanziellen Bedeutung unterrichtete der Bundesrechnungshof schließlich in einem Sonderbericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung vom 28. Juni 2010 das Parlament und die Bundesregierung über seine umfangreichen Prüfungserkenntnisse zum ermäßigten Umsatzsteuersatz.77 In dem Bericht führte er zahlreiche Beispiele unterschiedlicher Leistungen und Güter auf, um die aktuellen Defizite und Schwachstellen bei den Ermäßigungstatbeständen deutlich zu machen. Die Ermäßigungen waren häufig nicht mehr zeitgemäß und in sich widersprüchlich, nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand umzusetzen und zu kontrollieren sowie vom Regelsteuersatz vielfach nicht klar abgrenzbar. Darüber hinaus wurden sie zu Mitnahmeeffekten und missbräuchlichen Gestaltungen genutzt und standen teilweise im Widerspruch zum Unionsrecht. Damit waren die Grundsätze der Vollständigkeit, Gesetzmäßigkeit und Einheitlichkeit der Steuererhebung nicht sichergestellt. Der Bundesrechnungshof empfahl, den Katalog der Steuerermäßigungen grundlegend zu überarbeiten. Nur so könnten Abgrenzungsschwierigkeiten, missbräuchliche Gestaltungen oder Wettbewerbsverzerrungen künftig vermieden werden. Dabei sollte nicht der einzelne Ermäßigungstatbestand im Vordergrund stehen, sondern der Ermäßigungskatalog als Ganzes. Alle Erleichterungen sollten darauf untersucht werden, ob sie den Kriterien der Klarheit, Nachvollziehbarkeit und Steuergerechtigkeit nach wie vor standhalten. Dies könne einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Steuererhebung zu vereinfachen und ein klares, unionsrechtskonformes und zielgenaues System der ermäßigten Umsatzsteuersätze zu schaffen.78 4. Umsatzsteuerbefreiung von Kreditfabriken Entwicklungen im Finanzsektor gehen seit einigen Jahren dahin, bestimmte Aufgaben auszulagern. Die Kreditinstitute lassen dabei banktechnische Tätigkeiten durch externe Dienstleister erledigen. Ziel hierbei ist es, durch Synergien Kosten einzusparen. Ein Beispiel hierfür sind Unternehmen, die für die einzelnen Kreditinstitute einen Teil oder im Einzelfall auch alle banktypischen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kreditgeschäften übernehmen (sogenannte Kreditfabriken). Dazu gehören Tätigkeiten im Vorfeld einer Kreditgewährung wie die Bewertung von Sicherheiten und des Kreditrisikos sowie die nachgelagerte Verwaltung von Krediten mit Adress77 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über den ermäßigten Umsatzsteuersatz (Fn. 1). 78 Zum weiteren Fortgang: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Chancen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens (Fn. 62).

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pflege, Überwachung der Zahlungseingänge und das Mahnwesen. Aufseiten der Kreditinstitute verbleibt neben dem Erstkundengespräch regelmäßig nur noch, den Vertrag zu unterschreiben und die Unterschrift des Kunden einzuholen. Leistungsbeziehungen bestehen einerseits zwischen Kreditfabrik und Kreditinstitut und andererseits zwischen dem Kreditinstitut als Kreditgeber und dem Kreditkunden. Die Kreditfabrik hat keine Leistungsbeziehung zu dem Kreditkunden. Der Bundesrechnungshof untersuchte in den Jahren 2010 bis 2011 die Steuerbefreiungen bei der Umsatzsteuer. In diesem Zusammenhang befasste er sich u. a. mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Finanzdienstleistungen. Bei seinen Erhebungen beim Bundesfinanzministerium und bei ausgewählten Landesfinanzbehörden stellte er fest, dass steuerpflichtige Leistungen von Kreditfabriken im Verwaltungswege von der Steuer befreit werden. Grundlage dafür war ein Beschluss der Steuerabteilungsleiter von Bund und Ländern aus dem Jahr 2008, der im Vorgriff auf eine gesetzliche Regelung gefasst wurde. Die Bundesregierung sowie der Bundesrat schlugen in zwei Gesetzgebungsverfahren vor, eine entsprechende Umsatzsteuerbefreiung im Bereich des Banken- und Versicherungswesens einzuführen. Der Gesetzgeber griff jedoch beide Vorschläge nicht auf. Eine erneute Gesetzesinitiative war danach nicht mehr vorgesehen. Obwohl die beabsichtigte Gesetzesänderung nicht umgesetzt wurde, nahmen die Abteilungsleiter ihren Beschluss nicht zurück. Die Finanzbehörden befreiten die Leistungen der Kreditfabriken weiterhin auf dieser Grundlage. Damit war der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuererhebung nicht sichergestellt. Durch die Umsetzung der Steuerbefreiung im Verwaltungswege waren nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums bis Anfang des Jahres 2010 Mindereinnahmen von 50 Millionen Euro entstanden. In der Folgezeit dürften weitere Steuerausfälle in Millionenhöhe hinzugekommen sein. Der Bundesrechnungshof wies in seinem Sonderbericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung vom 3. April 2011 auf die unzulässige Subventionierung der Kreditfabriken und die damit verbundenen Steuerausfälle hin.79 Nach seiner Auffassung war die Anwendung einer Umsatzsteuerbefreiung ohne gesetzliche Grundlage grundsätzlich nicht zulässig. Er hielt es aufgrund der eindeutigen Rechtslage für geboten, die Besteuerung bei den Kreditfabriken umgehend sicherzustellen. Der Beschluss der Steuerabteilungsleiter wurde schließlich – möglicherweise auch als Folge der Prüfung des Bundesrechnungshofes – aufgehoben.

79 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen von Kreditfabriken vom 3. April 2011, BT-Drs. 17 / 9283.

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5. Prüfungsquote bei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen Die Umsatzsteuer wird nicht nur durch regelmäßige Betriebsprüfungen, sondern auch anlassbezogen durch Umsatzsteuer-Sonderprüfungen geprüft. Diese Prüfungen sind wegen der Betrugsanfälligkeit der Umsatzsteuer eilbedürftig und dulden keinen Aufschub bis zur nächsten Betriebsprüfung. Der Bundesrechnungshof griff das Prüffeld im Jahr 2005 auf und stellte fest, dass von den Umsatzsteuer-Sonderprüfungen jährlich durchschnittlich 2 % der Unternehmen betroffen sind. Rechnerisch unterlag danach ein Unternehmen alle 50 Jahre einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Die Prüfungsquote war in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich und reichte im Jahre 2005 von 1,3 bis 2,8 %. Damit wurden Unternehmen in einem Land rechnerisch alle 35 Jahre, in einem anderen Land nur alle 77 Jahre geprüft. Besonders wirtschaftsstarke und große Länder wiesen eine geringe Prüfungsdichte auf. Der Bundesrechnungshof nahm die Feststellungen in seine Bemerkungen 2006 auf.80 Nach seiner Ansicht war eine Prüfungsquote von 2 % im Bereich der Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht ausreichend, um nicht erklärte Umsatzsteuern flächendeckend zu ermitteln. Darüber hinaus gefährdeten der unterschiedliche Personaleinsatz, die abweichenden Prüfungsquoten und die dadurch bedingten differierenden Ergebnisse die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Bundesgebiet. Da das Bundesfinanzministerium bisher auf eine Kontrolle der Gesetz- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Länder beschränkt war, konnte es zu wenig gestaltend und lenkend auf die Prüfungstätigkeit einwirken. Der Bundesrechnungshof empfahl, die Rechtsposition des Bundes insoweit zu stärken. Mit dem Föderalismusreform-Begleitgesetz wurden die Kompetenzen des Bundes im Bereich der Auftragsverwaltung schließlich erweitert.81 Das Bundesfinanzministerium hatte nunmehr nach dem Finanzverwaltungsgesetz die Möglichkeit, den Ländern Vorgaben zur Arbeitserledigung, zur Fallauswahl und zum Personaleinsatz zu machen.82 Der Bundesrechnungshof empfahl dem Bundesfinanzministerium, von den neuen Kompetenzen verstärkt Gebrauch zu machen, um die Prüfungsquoten der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsstellen der Länder auf gleichmäßig hohem Niveau anzugleichen. Dabei sollte die Prüfungsquote deutlich über 2 % der Unternehmen liegen. Das 80

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2006, Nummer 49, BT-Drs. 16 / 3200. Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006, BGBl. I 2006 S. 2098. Durch das Gesetz wurde § 20 Abs. 1 FVG geändert und ein neuer § 21a FVG eingefügt, um den gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze zu erleichtern und zu verbessern. 82 Vgl. § 20 Abs. 1 FVG. 81

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Bundesfinanzministerium sollte hierfür einheitliche Maßstäbe festlegen und auf eine risikoorientierte Fallauswahl achten. VIII. Prüfungstätigkeit im Bereich der Ertragsteuer 1. Steuerliche Sonderregelung für Land- und Forstwirte Das Steuerrecht enthält zahlreiche Sonderregelungen für Land- und Forstwirte. Hierzu zählt auch die vereinfachte Gewinnermittlung für kleine landund forstwirtschaftliche Betriebe. Für Land- und Forstwirte gibt es neben den gewöhnlichen Gewinnermittlungsmethoden des Bestandsvergleichs nach § 4 Absatz 1 Einkommensteuergesetz und der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Absatz 3 Einkommensteuergesetz die Möglichkeit, ihre Gewinne nach Durchschnittssätzen zu ermitteln.83 Der Gesetzgeber wollte damit den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben eine vereinfachte, pauschalierende Methode an die Hand geben und sie dadurch von Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten befreien. Die Methode darf nur für kleinere land- und forstwirtschaftliche Betriebe angewandt werden, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Der Bundesrechnungshof hatte diese Begünstigung bereits im Jahr 1995 geprüft und festgestellt, dass die Gewinnermittlungsmethode nur 50 % der tatsächlichen Gewinne abbildete. Um eine angemessene und gerechte Besteuerung kleinerer Land- und Forstwirte zu erreichen, forderte er das Bundesfinanzministerium auf, die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen abzuschaffen oder die Regelung dem Strukturwandel in der Landwirtschaft anzupassen. Der Gesetzgeber änderte daraufhin die Vorschrift mit dem Ziel, den Kreis der Begünstigten einzuschränken und deren Gewinne durchschnittlich zu 90 % zu erfassen. Die Subventionswirkung der Regelung sollte deutlich zurückgeführt werden. Erreicht wurden diese Ziele nicht. Der Bundesrechnungshof hat die begünstigende Regelung im Jahr 2011 erneut aufgegriffen. Er prüfte die vielfältigen Einzelregelungen dieser pauschalierenden Gewinnermittlungsmethode. Dabei untersuchte er insbesondere, ob sie die vom Gesetzgeber vorgesehene Zielgruppe kleiner land- und forstwirtschaftlicher Betriebe erreicht und ob das Verfahren tatsächlich zu der beabsichtigten Vereinfachung führt. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes wurden die Ziele des Gesetzgebers, den Anwenderkreis auf kleine Betriebe zu begrenzen, die Gewinnberechnung zu vereinfachen und die Gewinnerfassungsquote zu erhöhen, nicht realisiert. Der Bundesrechnungshof sah hierin eine Benachteiligung derjenigen Land- und Forst83

Vgl. § 13a EStG.

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wirte, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich oder Einnahmenüberschussrechnung zu ermitteln haben. Der Bundesrechnungshof unterrichtete in seinem Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung vom 17. Januar 2012 das Parlament und die Bundesregierung über seine Feststellungen.84 Zur Beseitigung der steuerlichen Ungleichbehandlung und zur zielgenaueren Förderung kleiner land- und forstwirtschaftlicher Betriebe empfahl er, die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen abzuschaffen und durch eine modifizierte Einnahmenüberschussrechnung zu ersetzen. 2. Besteuerung von Auslandsrenten Das Alterseinkünftegesetz hat die Besteuerung der Alterseinkünfte ab dem Jahre 2005 grundlegend verändert. Seither gilt der Grundsatz der nachgelagerten Besteuerung. Damit sind einerseits die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung steuermindernd zu berücksichtigen, andererseits die späteren Rentenzahlungen steuerpflichtig. Mit dem Alterseinkünftegesetz wurden auch die gesetzlichen Renten steuerpflichtig, die im Ausland lebende Rentnerinnen und Rentner (Auslandsrentner) aus Deutschland beziehen. Doppelbesteuerungsabkommen regeln als völkerrechtliche Verträge vorrangig, wie eine doppelte Besteuerung von Einkünften im Wohnsitz- und im Quellenstaat zu vermeiden ist. Zahlreiche Doppelbesteuerungsabkommen weisen das Besteuerungsrecht für Alterseinkünfte ausschließlich dem Wohnsitzstaat (Ausland) zu. Das Bundesfinanzministerium kündigte an, diese Abkommen zu überarbeiten, um die nachgelagerte Besteuerung der Auslandsrenten in Deutschland zu ermöglichen. Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes überarbeitete das Bundesfinanzministerium nach seiner Ankündigung nur einige Doppelbesteuerungsabkommen. Dabei erreichte es nicht immer ein Besteuerungsrecht für die Auslandsrenten. Im Jahre 2007 schätzte es erstmals, dass rund 1,5 Millionen Rentnerinnen und Rentner mit gesetzlichen Renten von jährlich 4,6 Milliarden Euro im Ausland leben. Für 575.000 der Auslandsrentner mit Renten von 1,2 Milliarden Euro sahen die Doppelbesteuerungsabkommen ein deutsches Besteuerungsrecht vor. Für rund 900.000 Auslandsrentner mit 3,4 Milliarden Euro gesetzlichen Renten hatte Deutschland dagegen kein Besteuerungsrecht. Der Bundesrechnungshof schätzte den Einnahmeausfall bei Bund und Ländern zusammen auf jährlich 450 Millionen Euro 84 Vgl. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen bei land- und forstwirtschaftlichen Einkünften vom 17. Januar 2012, BT-Drs. 17 / 8428.

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seit dem Jahre 2005. Damit war eine rechtzeitige, vollständige, gesetzmäßige und gleichmäßige Besteuerung der Auslandsrenten nicht gewährleistet. Der Bundesrechnungshof griff das Thema in seinen Bemerkungen 2009 auf.85 Er war der Ansicht, dass die jährlichen Einnahmeausfälle von 450 Millionen Euro, davon 190 Millionen Euro allein beim Bund, nicht ohne Weiteres hinnehmbar sind. Er wies außerdem darauf hin, dass Inlands- und Auslandsrentner seit dem Jahre 2005 steuerlich nicht gleich behandelt werden, und empfahl dem Bundesfinanzministerium zu prüfen, wie eine gleichmäßige Besteuerung der gesetzlichen Altersrenten gesichert werden kann. 3. Besteuerung von Einkunftsmillionären Im Jahre 2004 hatten ca. 15.600 von 27,7 Millionen Steuerpflichtigen ein Einkommen von 0,5 Millionen Euro oder mehr. Die Finanzbehörden bezeichnen diese Fälle mit bedeutenden Einkünften auch heute noch als „Einkunftsmillionäre“. Diese Steuerpflichtigen erzielen ihre Einkünfte nicht aus unternehmerischer Tätigkeit, sondern aus nicht selbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung. Nach einer bundeseinheitlichen Verordnung soll dieser Personenkreis regelmäßig von der Außenprüfung der Finanzämter geprüft werden. Es soll grundsätzlich keine prüfungsfreien Zeiträume geben. Der Bundesrechnungshof untersuchte im Jahre 2005, wie die Steuerverwaltung die bundeseinheitliche Regelung umsetzte. Dabei stellte er fest, dass die Finanzämter in den Jahren 2000 und 2001 bundesweit jährlich lediglich bei 5 % der 15.600 Einkunftsmillionäre Außenprüfungen durchführten. Da in der Regel ein Zeitraum von drei Jahren geprüft wurde, ergab sich daraus eine jährliche Prüfungsquote von etwa 15 %. Die Prüfungen führten durchschnittlich zu Mehreinnahmen von 135.000 Euro pro Außenprüfung. Ein Finanzamt, das für die Besteuerung von rund 100 Einkunftsmillionären zuständig war, prüfte keinen davon. Die Prüfung unterblieb selbst in Fällen, in denen die Notwendigkeit eindeutig erkennbar war. Die Steuern wurden häufig entsprechend der Erklärung des Steuerpflichtigen festgesetzt. Selbst Flüchtigkeitsfehler und Rechenfehler, die zu Steuermindereinnahmen in sechsstelliger Höhe führten, korrigierten die Finanzämter nicht. Der Bundesrechnungshof wies in seinen Bemerkungen 200686 darauf hin, dass eine Prüfungsquote von bundesweit etwa 15 % viel zu gering sei. Wegen der langen prüfungsfreien Zeiträume werde eine gleichmäßige Besteuerung der Einkunftsmillionäre nicht erreicht. Außerdem belegten die Mehr85 86

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2009, Nummer 41, BT-Drs. 17 / 77. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2006, Nummer 57, BT-Drs. 16 / 3200.

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einnahmen von 135.000 Euro pro Außenprüfung deren Notwendigkeit. Die niedrige Prüfungsquote führe darüber hinaus zu Steuerausfällen und -ungerechtigkeiten. Der Bundesrechnungshof hielt zudem die Unterschiede bei den Prüfungsquoten in einzelnen Ländern von 10 bis 60 % für zu groß. Die unterschiedlichen Prüfungsquoten widersprachen dem Gebot der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung. Der Bundesrechnungshof empfahl dem Bundesfinanzministerium, auf eine deutlich höhere und einheitliche Prüfungsquote bei Einkunftsmillionären hinzuwirken. Das Bundesfinanzministerium sagte zu, wegen der allgemein anerkannten steuerlichen Bedeutung der Einkunftsmillionäre an die Länder zu appellieren, sich dieser Fälle nachhaltig anzunehmen. Außerdem teilte es mit, dass diese Fälle gesondert in einer Statistik erfasst werden sollen, um verlässliche Zahlen zur Prüfungsdichte bei diesem Personenkreis ableiten zu können.87 IX. Prüfungen im Bereich der Automation in der Steuerverwaltung Eine Automation in der Steuerverwaltung ist unverzichtbar, da es sich bei der Bearbeitung von Steuerfällen um Massenverfahren handelt, die ohne eine technische Unterstützung nicht gewährleistet werden können. Die Automation muss zu gleichen Programmergebnissen führen und einen ausgewogenen Leistungsstand in der Steuerverwaltung ermöglichen. Grundsätzlich sind die Landesfinanzverwaltungen im föderalen Gefüge für die Art, den Umfang und die Organisation des IT-Einsatzes verantwortlich.88 Allerdings erfordert der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, das Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium herbeizuführen. Deshalb hatten sich Bund und Länder bereits vor mehr als 20 Jahren dafür ausgesprochen, die gesamte IT-Unterstützung des Besteuerungsverfahrens neu zu gestalten. Insbesondere sollte eine bundesweit einheitliche Software entwickelt werden. Dazu wurde im Jahre 1992 das Projekt FISCUS eingerichtet. Im Jahr 2005 wurde dieses Projekt wieder eingestellt, weil es trotz der Kosten von fast 400 Millionen Euro kaum einsatzfähige Produkte vorweisen konnte. Bund und Länder einigten sich daraufhin auf das Vorhaben KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) und verpflichteten sich, eine gemeinsame einheitliche Software für das Besteue87 Infolge der Bemerkung des Bundesrechnungshofes wurde § 193 Abs. 1 AO geändert und § 147a AO eingefügt. 88 Vgl. § 20 Abs. 1 FVG.

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rungsverfahren zu entwickeln, zu beschaffen und einzusetzen. Die Umsetzung gesetzlicher Änderungen hat bei KONSENS oberste Priorität. Die wichtigsten gemeinsamen Kernverfahren sind Grundinformationsdienst, Festsetzung und Erhebung. Alle Länder finanzieren das Vorhaben gemeinsam. Zusätzlich beteiligt sich der Bund. Der Anteil des Bundes lag im Jahre 2011 bei 6,3 Millionen Euro, bei einem Gesamtbudget in Höhe von 75,5 Millionen Euro. Der Bundesrechnungshof prüfte das Vorhaben KONSENS in den Jahren 2011 und 2012. Gegenstand seiner Prüfung war dabei insbesondere, wie das Ziel, die Kernverfahren zu vereinheitlichen und zu modernisieren, erreicht werden soll. Er stellte fest, dass zu viele Projekte begonnen und später unterbrochen werden mussten. Er sah deshalb erhebliche Risiken, die den Gesamterfolg des Vorhabens gefährden oder verzögern können. Der Bundesrechnungshof griff das Thema in seinen Bemerkungen 201289 auf und empfahl dem Bundesfinanzministerium dafür einzutreten, dass für die Kernverfahren notwendige Meilensteine vereinbart und nachgehalten werden. X. Zusammenfassung und Ausblick Die vorstehend aufgeführten Prüfungen sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuern. So hat er alleine im Zeitraum vom 1. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2012 neben einer Vielzahl von Prüfungsmitteilungen hierzu rund 110 Bemerkungsbeiträge und 60 Berichte und Sonderberichte verfasst. Seine Prüfungsaufgaben im Bereich der Steuern nimmt er mit insgesamt drei Prüfungsgebieten wahr.90 Diese werden von drei Sachgebieten in den Prüfungsämtern des Bundes Berlin, Frankfurt und München unterstützt. Dieser Beitrag soll einen Überblick darüber geben, welche Aspekte für die Prüfung der Steuern durch die verantwortlichen Kollegien des Bundesrechnungshofes bedeutsam sind. Besonders hervorzuheben ist dabei, dass – die Gemeinschaftsteuern von den Ländern im Auftrag des Bundes verwaltet werden, – eine rechtzeitige, vollständige und gesetzmäßige Erhebung der Steuereinnahmen durch die Länder vom Bundesfinanzministerium durch die Bundesaufsicht sicherzustellen ist, 89

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, Nummer 18, BT-Drs. 17 / 11330. Ein weiteres Prüfungsgebiet ist u. a. für Zölle, Verbrauchsteuern und die Einfuhrumsatzsteuer zuständig. 90

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– der Bundesrechnungshof insbesondere prüft, wie das Bundesfinanzministerium diese Aufgabe wahrnimmt, – und der Bundesrechnungshof hierzu auch örtliche Erhebungen bei allen verantwortlichen Behörden der Länder durchführen darf. Darüber hinaus wird darauf eingegangen, wie der Bundesrechnungshof seinen Prüfungsstoff bei den Einnahmenprüfungen auswählt. Schließlich werden aktuelle Prüfungen aus den Bereichen der Umsatzsteuer, Ertragsteuer und Automation dargestellt, in denen der Bundesrechnungshof neben zahlreichen Vollzugsmängeln in der Steuerverwaltung auch strukturelle Mängel festgestellt hat, die zu erheblichen Steuerausfällen und unangemessenem Bürokratieaufwand führten. Auf der Grundlage seiner Prüfungsfeststellungen berät der Bundesrechnungshof den Deutschen Bundestag, den Bundesrat, die Bundesregierung sowie einzelne Bundesministerien auch, wie der Verwaltungsvollzug verbessert werden kann. Dazu können u. a. Vorschläge zur Fortentwicklung bzw. Änderung gesetzlicher Vorschriften gehören.91 Mit seinen Prüfungen kann er so auf eine zutreffende Besteuerung sowohl in einer Vielzahl von Fällen als auch in Einzelfällen hinwirken und damit insgesamt zur Sicherung des Steueraufkommens beitragen. Vergleicht man die aktuellen Prüfungsergebnisse mit Einnahmenprüfungen des Bundesrechnungshofes aus den Sechzigerjahren, lässt sich Bemerkenswertes feststellen: Im Rahmen seiner Bemerkungen zur Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1967 zum Zustand der Steuerverwaltung führte der Bundesrechnungshof sinngemäß Folgendes aus: Die Finanzämter haben sich im Allgemeinen bemüht, ihre Aufgaben nach besten Kräften zu erfüllen. Jedoch ist das von ihnen seit mehr als vierzig Jahren unverändert angewandte Steuerermittlungs- und Festsetzungsverfahren überholt. Als Gründe führte der Bundesrechnungshof seinerzeit an: „Die Ursachen der Schwierigkeiten liegen hauptsächlich in der stetigen Erweiterung der gesetzlichen Aufgabenbereiche, in der komplizierten Steuergesetzgebung, in der steigenden Zahl von Verfassungsbeschwerden, in dem wesensfremden Subventionszweck vieler Steuervergünstigungen sowie in der notwendigen Anpassung des Steuerrechts und der Rechtsprechung an die immer mannigfaltigeren bürgerlichrechtlichen und handelsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.“92 Weiterhin 91 Vgl. z. B. Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO zur umsatzsteuerlichen Behandlung der öffentlichen Hand (Fn. 62); ders., Bericht nach § 99 BHO über den ermäßigten Umsatzsteuersatz (Fn. 1); ders., Bericht nach § 99 BHO zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen bei land- und forstwirtschaftlichen Einkünften (Fn. 84). 92 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen für das Haushaltsjahr 1967, Rn. 88.

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wies der Bundesrechnungshof darauf hin, dass die größeren Steuerzahler ihre Erklärungen meistens sehr spät einreichen und für erforderliche Betriebsprüfungen in angemessenen Zeitabständen vielfach nicht das notwendige Personal zur Verfügung stehe. Die jüngsten Erkenntnisse des Bundesrechnungshofes offenbaren, dass die Feststellungen für das Jahr 1967 im Grundsatz immer noch aktuell sind.93 So wird auch heute der Subventionszweck von Steuervergünstigungen nicht in dem gebotenen Umfang evaluiert, wie das Beispiel der ermäßigten Umsatzsteuersätze anschaulich belegt. Auch die Prüfquoten bei Außenprüfungen sind weiterhin zu gering. Das Steuerrecht ist zudem noch komplizierter geworden. Hinzu kommt bei der Umsatzsteuer, dass die Harmonisierung des Rechts hinsichtlich des europäischen Binnenmarkts weitere Möglichkeiten zur Steuergestaltung eröffnet, die nur durch ein entschlossenes Handeln von Finanzverwaltung und Gesetzgeber auf das gebotene Maß beschränkt werden können. Häufig stellt jedoch auch der technische Fortschritt die Finanzverwaltung ins Abseits. Betrüger nutzen die volle Bandbreite moderner Kommunikationsmittel und Technik. Der innergemeinschaftliche Emissionsrechtehandel, in Sekunden elektronisch abgewickelt, belegt, welche immensen Schäden die öffentlichen Haushalte durch kriminelles Handeln erleiden können. Demgegenüber müssen die Bediensteten in der Finanzverwaltung immer noch Daten manuell abgleichen bzw. auf notwendige Datenbankverknüpfungen zur Betrugsbekämpfung verzichten. Mit seinem Prüfungsansatz, die Bundesaufsicht des Bundesfinanzministeriums zu prüfen und dabei in den Ländern örtlich erheben zu dürfen, ist der Bundesrechnungshof in einer besonderen Position und Verantwortung. Er hat einen unverstellten Blick auf alle Ebenen der Finanzverwaltung. Nur er ist zugleich mit der Arbeitsweise der Finanzämter, der Mittelbehörden und der Finanzministerien der Länder sowie der zuständigen Bundesbehörden und des Bundesfinanzministeriums durch eigene Augenscheinnahme vertraut. Diese Erkenntnisse für seine Prüfungs- und Beratungstätigkeit zu nutzen und so aufzubereiten, dass sie den politisch Verantwortlichen als verlässliche Entscheidungsgrundlage zur Verfügung stehen können, wird auch in den nächsten Jahren seine Aufgabe sein. Dabei wird der Bundesrechnungshof neben dem Vollzug der Steuergesetze insbesondere auch steuerrechtliche (Fehl-)Entwicklungen im Blick haben müssen. Dies gilt naturgemäß für die Anwendung neuer Steuerrechtsnormen und die Besteuerung neuer Wirtschaftszweige, wie den Online-Handel, aber auch für bestehende Steuerbegünstigungen. Schließlich gilt dies auch für die Besteue93 Vgl. hierzu insbesondere die unter den Abschnitten VII. bis IX. aufgeführten Prüfungen.

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rung im gemeinsamen Binnenmarkt, welche an die Finanzverwaltung besondere Anforderungen stellt. Hierzu gehören insbesondere die Zusammenarbeit mit Partnerbehörden, ein europäisches Risikomanagement und ein funktionierender Informationsaustausch. Aufgabe des Bundesrechnungshofes ist es, mit seinen Prüfungen Defizite und Mängel sowie den notwendigen Handlungsbedarf aufzuzeigen. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Steuereinnahmen. Die steuerpolitisch Verantwortlichen haben die Aufgabe, sachlich gebotene Entscheidungen vorzubereiten und umzusetzen. Dass dabei z. B. eine grundlegende Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nicht einfach ist, liegt auf der Hand. Denn hiervon sind eine Vielzahl von Branchen und Begünstigten betroffen. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass der Bundesfinanzminister eine breite politische Mehrheit zur Umsetzung der Reform für unerlässlich erachtet. Das positive Echo auf den Bericht des Bundesrechnungshofes aus dem Jahre 2010 zeigt aber auch, dass Notwendigkeit und Nutzen einer solchen Reform in weiten Teilen der Bevölkerung als sinnvoll und längst überfällig eingeschätzt werden. Das Beispiel des ermäßigten Umsatzsteuersatzes verdeutlicht einmal mehr, dass es zum Erfolg von Reformen regelmäßig eines langen Atems und einer gewissen Beharrlichkeit bedarf. Dies gilt nicht nur für die Politik und die Exekutive, sondern eben auch für die externe Finanzkontrolle. Im Interesse einer vollständigen und gleichmäßigen Steuererhebung ist es deshalb erforderlich, dass der Bundesrechnungshof mit seinen Prüfungen nachhaltig am Ball bleibt.

Zur Finanzkontrolle selbstverwalteter Sozialversicherungsträger Lukas Elles I. Ausgangslage Der Bundesrechnungshof ist als Organ der externen Finanzkontrolle des Bundes zur Prüfung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, jeweils auf Bundes- und Landesebene, befugt. Die gesetzliche Kranken- und die gesetzliche Rentenversicherung erledigen in einem besonderen Maße und Umfang eminent wichtige Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die gesetzlichen Krankenkassen, 146 an der Zahl, die (Stand: 2012) 70 Millionen Versicherte1 zählen, haben wesentlich die gesundheitliche Versorgung und Vorsorge der Bevölkerung sicherzustellen – auch durch deren angemessene Aufklärung und Beratung. Sie tun dies insbesondere, indem sie alle erforderlichen ärztlichen und therapeutischen Behandlungen finanzieren. Außerdem haben sie für alle Versicherungsträger die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zur Sozialversicherung einzuziehen. Die insgesamt noch 16 Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, die (Stand: 20122) 52,4 Millionen Versicherte führen, haben für die pünktliche und exakte Gewährung von Renten zu sorgen, und sie haben medizinische und berufliche Rehabilitation zu finanzieren. Dafür unterhalten sie eine Vielzahl von Rehabilitationskliniken und Beratungseinrichtungen. Außerdem haben auch sie die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem maßgeblichen Sozialgesetzbuch aufzuklären. Finanzkontrolle interessiert sich zuvörderst fürs Geld, genauer dafür, wo und wofür wie viel Geld hingeht. Und da steht die Sozialversicherung an mit Abstand erster Stelle unseres Interesses. Denn die hier erwähnten Versicherungsträger verwalten nicht nur ihnen anvertraute Beitragsmittel in Höhe von 1 Sämtliche Angaben im Folgenden sind, soweit nicht anders erwähnt, dem aktuellen Jahresbericht des Bundesrechnungshofes, den Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, entnommen. Die Bemerkungen sind im Internet abrufbar unter: www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Bemerkungen / Jahresberichte“). 2 Verzeichnisse der Deutschen Rentenversicherung: www.rentenversicherung.de (Navigation: „Wir über uns“, „Fakten und Zahlen“, „Statistiken“).

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insgesamt 369 Milliarden Euro, sondern sie erhalten, da das Beitragsaufkommen ihre Leistungsausgaben dauerhaft nicht zu decken vermag, ergänzende Bundesmittel (Einnahmen) in Höhe von insgesamt 98,4 Milliarden Euro (jeweils Stand: 2012). Da die Bundesländer, so will es das Grundgesetz (Artikel 120 Absatz 1 Satz 4 Grundgesetz), sich an den Kosten der Sozialversicherung nicht beteiligen, trägt der Bund sämtliche Lasten allein. So erklärt sich, dass seitens der externen Finanzkontrolle allein der Bundesrechnungshof die gesetzliche Sozialversicherung zu prüfen berechtigt ist. Da überdies die Bundesmittel grundsätzlich ohne Zweckbindung in die Haushalte3 der Versicherungsträger fließen, ist der Bundesrechnungshof zur Prüfung des gesamten Mittelaufkommens der Versicherungsträger – Beiträge und Bundesmittel – berechtigt. Wir reden hier folglich über ein im Jahr 2012 zu prüfendes Volumen an Einnahmen in Höhe von insgesamt rund 467 Milliarden Euro. Zur Gegenüberstellung: Der gesamte Bundeshaushalt für das Jahr 2012 (Ist) belief sich auf 307 Milliarden Euro an Ausgabeermächtigungen.4 II. Das Prüfungsobjekt: die Träger der Sozialversicherung, die Deutsche Rentenversicherung 1. Ihre Entstehung Bedeutung und Gewicht der Träger der Sozialversicherung werden deutlich, wenn wir einen Blick zurück auf deren Geschichte werfen und uns noch einmal an die Wiege der gesetzlichen Sozialversicherung stellen. Der Bildung von Trägern der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung initial durch die Kaiserliche Botschaft von 18815 hatten eminent politische Beweggründe zugrunde gelegen: Reichskanzler Bismarck hatte, um der erstarkenden Sozialistenbewegung im Kaiserreich Paroli zu bieten und Wind aus ihren Segeln zu nehmen, nicht nur „Reptilienfonds“ angelegt, sondern, insoweit auch der immer drängenderen sozialen Not im wirtschaftlich erstarkenden Reich gehorchend, zunächst eine allgemeine Krankenversicherung der zumeist ausgebeuteten Arbeiter angeordnet und später auch deren allgemeine Rentenversicherung angeordnet. Letztere, als beitragsfinanzierte 3 Zutreffend insoweit auch Heinz-Dietrich Steinmeyer, Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2013, S. 361. 4 Dementsprechend beachtlich fallen die Anteile der Bundesmittel an die jeweiligen Sozialversicherungsträger zu den sonstigen Ausgabeermächtigungen in den Haushaltsplänen der jeweiligen Ministerien aus: Einzelplan 15 – Gesundheit (Krankenkassen): 96 %; Einzelplan 11 – Arbeit und Soziales (Rente): 65 %. 5 Abgedruckt bei Deutsche Rentenversicherung (Hrsg.), Unsere Sozialversicherung, Berlin 2009, S. 9.

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Versicherung konzipiert, sollte von Anfang an auch mit Zuschüssen des Reiches rechnen können. Die diesen Organisationen übertragenen Aufgaben sind bedeutsam für das reibungslose Funktionieren unseres Landes: Sie sind es wirtschaftspolitisch; denn eine gesunde Bevölkerung belastet das Gesundheitssystem weniger, ist leistungsfähig und verfügt derart über eine wesentliche Voraussetzung für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung. Eine zahlungskräftige ältere, in ihrem Umfang zudem kontinuierlich anwachsende Generation von Rentnern vermag überdies erheblich die Binnennachfrage zu stärken und damit ein wichtiges nachfragepolitisches Binnenpendant im exportorientierten Deutschland zu gewährleisten. Sie sind es haushalts- und finanzpolitisch; denn eine gesunde und gesundheitsbewusste Bevölkerung verursacht weniger Gesundheitskosten und ist eher in der Lage, später, also älter, in Rente zu gehen. Und sie sind es schließlich sozialpolitisch; denn nichts vermag, insbesondere bei einem konstant ansteigenden Anteil älterer Menschen unter den Wahlberechtigten, die (Sozial-)Politik stärker unter Druck zu bringen, als „Probleme mit der Rente“.6 Befassen wir uns nachfolgend mit der Finanzkontrolle selbstverwalteter Versicherungsträger, so sei dies am Beispiel der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung getan. Denn sie verwalten das vergleichsweise größte Vermögen. Gleichwohl gelten insbesondere die Ausführungen zur Aufsicht und Kontrolle der Rentenversicherungsträger cum grano salis auch für die Versicherungsträger der anderen Sozialversicherungszweige. 2. Ihre Aufgaben Die gesetzliche Rentenversicherung (allgemeine und knappschaftliche Rentenversicherung) ist eine Pflichtversicherung. Sie speist sich aus Beiträgen der Arbeitnehmer (Versicherte) und Arbeitgeber sowie aus Bundesmitteln. Arbeitgeber haben sogenannten Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (für die Kranken-, die Renten- und die Arbeitslosenversicherung) alle notwendigen Angaben über die bei ihnen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten zu machen (Meldeverfahren) und nach dort auch ihre Beiträge zu entrichten. Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag sind die Krankenkassen. 6 Wenngleich Zurückhaltung angebracht ist gegenüber der Annahme, ältere Menschen zeigten qua ihres Alters kohortenspezifische politische Präferenzen. In diesem Sinne Karl Rudolf Korte, Wenn über Macht der Greise lacht, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. April 2013, unter Bezugnahme auf Ergebnisse einer neueren sozialwissenschaftlichen Studie von Bettina Munimus, Alternde Volksparteien – Neue Macht der Älteren in CDU und SPD?, Bielefeld 2012.

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Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung hat der Gesetzgeber im Wesentlichen im Vierten und Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Sozialgesetzbuch IV, VI) festgelegt. Auf der Einnahmenseite treffen die gesetzliche Rentenversicherung beim Meldeverfahren und Beitragseinzug wesentliche Prüfungs- und Kontrollpflichten. Das auf sie entfallende Beitragsaufkommen und die Zuschüsse des Bundes – im Jahr 2012 im Gesamtvolumen von 260,5 Milliarden Euro – hat sie wirtschaftlich und ordnungsgemäß zu verwalten. Und sie hat die Beitragskonten ihrer Versicherten zu führen. Auf der Ausgabenseite hat sie Informations- und Beratungspflichten gegenüber namentlich ihren Versicherten, und sie hat die Leistungsansprüche ihrer Versicherten festzustellen und zu erfüllen, also namentlich Renten zu zahlen. Im Jahr 2012 zahlte sie Renten in Höhe von 229 Milliarden Euro aus. Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt auch Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Vorbeugung gegen vorzeitige Erwerbsunfähigkeit. Sie unterhält dafür über 78 Rehabilitationskliniken7. Ausgaben im Jahr 2012 (jeweils Ist): etwa 5,7 Milliarden Euro. Insgesamt fielen im Jahr 2012 knapp 255 Milliarden Euro an zu prüfenden Leistungsausgaben an. Gegenüber der Bundesregierung ist die gesetzliche Rentenversicherung berichtspflichtig. Sie hat die Bundesregierung zeitnah über die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Rentenversicherung und insbesondere über deren finanzielle Perspektiven zu unterrichten. Denn die Bundesregierung hat den Gesetzgeber, dem das Grundgesetz die letzte Verantwortung für die (finanzielle) Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung auferlegt hat, zu der längerfristigen finanziellen Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung auf dem Laufenden zu halten und zu beraten. 3. Ihre Stellung als Selbstverwaltungskörperschaft und ihre Organisation a) Selbstverwaltete Körperschaften „Wer zahlt, schafft an!“ – so ließe sich die Grundidee der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zusammenfassen.8 Denn seit ihren Anfängen 7 Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Statistik der Deutschen Rentenversicherung – Rehabilitation 2011, Band 189, Berlin 2012. Hinzu kommen vier Kliniken für Kinderrehabilitation. 8 Dabei enthält das Grundgesetz zugunsten der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung keine Bestandsgarantie. Ausführlicher und zustimmend Dieter Leopold, Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, 6. Auflage, St. Augustin 2008, S. 131 ff., 147 f. Anders, aber nicht überzeugend Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, Weinheim Loseblatt Stand: September 2012, § 29 SGB IV Rn. 5.

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ist die Sozialversicherung in Deutschland selbstverwaltet:9 Arbeitgeber und Arbeitnehmer als heute immer noch maßgebliche Finanziers10 der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmen gemeinsam über Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Dem dritten Teilhaber am Tisch, dem Reich bzw. heute dem Bund mit seinen Zuschüssen, sollten gegenüber einer selbstverwalteten Sozialversicherung aber auch noch Einwirkungsmöglichkeiten verbleiben.11 Ihm standen von Anfang an Aufsichtsrechte gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zu. Die der Selbstverwaltung zufallende Hauptaufgabe ist folglich auch heute noch ihre Mitwirkung bei der Aufstellung des Haushaltsplans und bei der Entlastung der den Haushalt ausführenden Geschäftsführung des jeweiligen Versicherungsträgers, §§ 70 Absatz 1, 77 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV. Grundsätzlich bestimmen Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Art und Weise der Aufgabenerledigung ihres Versicherungsträgers. Dabei hat die Selbstverwaltung der Deutschen Rentenversicherung kein „plein pouvoir“. Denn die selbstverwalteten Versicherungsträger erfüllen, wie das Gesetz (§ 29 Absatz 3 Sozialgesetzbuch IV) ihren Handlungsspielraum rechtlich konturiert, „(…) im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts ihre Aufgaben in eigener Verantwortung.“ Die Selbstverwaltungen der Versicherungsträger haben folglich denjenigen Spielraum für eigene Entscheidungen, den ihnen insbesondere das Sozialgesetzbuch belässt. Mit dem „sonstigen für sie maßgebenden Recht“ meint der Gesetzgeber insbesondere das autonome Recht der Versicherungsträger, das sie berechtigt sind, sich selbst zu setzen, und das sie dann aber auch gegen sich gelten lassen müssen. Angesichts der Regelungsdichte des formellen, materiellen, aber auch des Organisationsrechts der sozialen Sicherung bleiben der sozialen Selbstverwaltung da tatsächlich keine großen Spielräume mehr zur vollkommen freien Gestaltung.12 9 Eine Ausnahme bildet die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Ausführlicher zur sozialen Selbstverwaltung im Allgemeinen Dieter Leopold, Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung (Fn. 8), S. 106 ff. Die Kaiserliche Botschaft ordnete die Selbstverwaltung in der „Form kooperativer Genossenschaften“ an, vgl. hierzu Karl Rudolf Korte (Fn. 6). 10 Der Anteil des beitragsgedeckten Aufkommens an den Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung betrug 2012 76 %. 11 Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (Fn. 8), § 87 SGB IV Rn. 2. 12 Hierauf verweist auch Friedrich Schnapp, Gibt es noch eine Selbstverwaltung in der Sozialversicherung?, Vierteljahresschrift für Sozialrecht 2006, S. 191 (195 f.). In aufsichtsrechtlicher Sicht folgert Peter Lerche (in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, München Loseblatt Stand: Januar 2011, Art. 84 GG Rn. 148) aus der „erhebliche(n) Vergesetzlichung der Verwaltung“ zutreffend eine „Intensivierung der bundesaufsichtlichen Kompetenzen“. Eingehender, die Reichweite aufsichts- und kontrollrecht-

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Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland hat zwei Weltkriege, drei Währungsreformen und eine Wiedervereinigung Deutschlands mit der Inkorporierung eines grundverschiedenen DDR-Rentenversicherungssystems er- und durchlebt. Die Folgen dieser Ereignisse hat sie nicht unwesentlich mit bewältigt. Wer auf einen solchen Erfahrungshorizont blickt und einen derart großen Etat verwaltet wie die Deutsche Rentenversicherung, ist sich seiner schieren ökonomischen und politischen Bedeutung für den Alltag in Deutschland bewusst. Die Träger der Rentenversicherung (Träger) wissen, dass ohne sie schwerlich „etwas läuft“ in Fragen der Alterssicherung. Sie sehen sich nicht als Behörden, sondern, wie sie in ihren „Geschäftsberichten“ immer wieder betonen, als „Unternehmen“. Die Kommentierung der maßgeblichen Sozialgesetzbücher IV und VI stammt in wesentlichen Teilen aus den Federn ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Namhafte deutsche Hochschullehrer aus den Bereichen Sozialrecht und Altersforschung werden von den Trägern in weiser Voraussicht in wichtigen Angelegenheiten gern um ergänzende gutachtliche Stellungnahmen gebeten. Das bindet solche Kapazitäten dann in späteren Auseinandersetzungen. Schließlich wissen wir auch um einen engen Personalaustausch zwischen der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Aufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. b) Organisation und Selbstverwaltung Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Rentenversicherung im Jahr 2005 umfassend reorganisiert. Ziel war eine Rentenversicherung „aus einem Guss“,13 die ihr Geschäft mit einer reduzierten Zahl von Versicherungsträgern effizienter verrichtet als ehedem. Es gibt seither zwei Bundesträger14 und – nach diversen Fusionen – 14 auf Länderebene organisierte sogenannte Regionalträger. Alle Träger sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Regionalträger sind landesunmittelbare Versicherungsträger. Sie führen einheitlich den Namen Deutsche Rentenversicherung (DRV) und einen auf ihre regionale Zugehörigkeit hinweisenden Zusatz. Alle Versicherungsträger haben einheitlich Bundesrecht anzuwenden. Zwar sind die Träger rechtlich selbstständig; zur Gewährleistung einer einlicher Befugnisse behandelnd, Heinz-Dietrich Steinmeyer, Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 361 (364 f.). 13 Entwurf eines Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 24. August 2004, BT-Drs.15 / 3654, S. 62. Eingehend dazu insbesondere Tanja Klenk, Innovation und Kontinuität – Die Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung, Wiesbaden 2007, S. 165 ff. 14 Die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Sitz in Berlin und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See mit Sitz in Bochum.

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heitlichen Rechtsanwendung und zur Sicherstellung eines wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Verwaltungsvollzugs haben sie jedoch in vom Gesetz näher bestimmten Angelegenheiten eng zusammenzuarbeiten. Insoweit hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV Bund), der größte Rentenversicherungsträger, neben ihren originären Aufgaben als Versicherungsträger mit der Organisationsreform die zusätzliche Aufgabe übertragen bekommen, in Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung als Dachverband die Zusammenarbeit der Träger zu organisieren und zu intensivieren. Als Grundsatz- und Querschnittsaufgaben nennt der insoweit als Schlüsselvorschrift geltende § 138 Absatz 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch VI unter anderen die: – gemeinschaftliche Öffentlichkeitsarbeit der Träger, – Statistik, – Klärung von grundsätzlichen Fach- und Rechtsfragen, – Organisation des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerbs zwischen den Trägern (insbesondere Benchmarking), – Grundsätze für die Aufbau- und Ablauforganisation, das Personalwesen und Investitionen unter Wahrung der Selbstständigkeit der Träger, – Grundsätze und Steuerung der Finanzausstattung und -verwaltung im Rahmen der Finanzverfassung für das gesamte System, – Koordinierung der Planung von Rehabilitationsmaßnahmen, insbesondere der Bettenbedarfs- und Belegungsplanung, – Grundsätze und Koordinierung der Datenverarbeitung und Servicefunktionen, – Grundsätze für die Aus- und Fortbildung, – Grundsätze der Organisation und Aufgabenzuweisung der Auskunfts- und Beratungsstellen, – Forschung im Bereich der Alterssicherung und der Rehabilitation. Zur Wahrnehmung von Grundsatz- und Querschnittsaufgaben hat der Gesetzgeber alle Versicherungsträger gleichermaßen aufgerufen. Die DRV Bund hat insoweit zwar die Zusammenarbeit zu organisieren, und es kommt ihr aus ihrer Stellung heraus sicherlich auch ein primordiales Initiativrecht zu; allen anderen Trägern aber ist die Erfüllung von Grundsatz- und Querschnittsaufgaben ebenso Pflicht und sollte mit Blick auf das ihnen gesetzlich eingeräumte Recht zur Selbstverwaltung und die daraus folgende Organisationshoheit in gerade diesen einer Selbstverwaltung noch vorbehaltenen Angelegenheiten eigentlich auch eine gemeinsame Herzensangelegenheit sein. Kommen in unseren Prüfungsmitteilungen die Grundsatz- und Quer-

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schnittsaufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung zur Sprache, was häufig genug der Fall ist, so appellieren wir an die „Gemeinschaft der Rentenversicherungsträger in der DRV Bund“. Unser Appell richtet sich regelmäßig an Geschäftsführung und Selbstverwaltung. Denn von beiden kann und sollte man Initiativen in Grundsatz- und Querschnittsangelegenheiten erwarten. Gerade weil die Grundsatz- und Querschnittsaufgaben ihren tieferen Sinn in der den Rentenversicherungsträgern gewährten Selbstverwaltung und Organisationshoheit haben, hat der Gesetzgeber der Selbstverwaltung bei deren Wahrnehmung eine tragende Rolle zugewiesen. Das höchste Entscheidungsgremium der Selbstverwaltung, die der DRV Bund zugeordnete Bundesvertreterversammlung, in der sämtliche Selbstverwaltungen aller Bundesund Regionalträger anteilmäßig vertreten sind und die sich mit einem Bundesparlament vergleichen ließe, ist zur verbindlichen Beschlussfassung über Grundsatz- und Querschnittsangelegenheiten befugt. Das Entscheidende: Verbindliche Beschlüsse der Bundesvertreterversammlung haben nach ihrer Veröffentlichung für die Träger bindende Normqualität. Eine Verwaltung mit einem Aufgabenspektrum, wie es der Deutschen Rentenversicherung eigen ist, ist eine Massenverwaltung. Das drückt sich in der Anzahl von 16 Versicherungsträgern ebenso aus wie in der Zahl des bei ihnen beschäftigten Personals (Stand 2012: 61.621).15 Organisationseinheiten, auf die man hier trifft (Leistungsabteilungen mit über 3.000 Beschäftigten), sprengen ob ihrer schieren Größe jeden Rahmen des bei staatlichen Verwaltungen üblicherweise Anzutreffenden. Auch Umfang und Komplexität der von ihr entwickelten und betriebenen Informationstechnologien zur Bewältigung ihres sehr vielfältigen Massengeschäfts suchen ihresgleichen. Das alles hat seinen Preis. Zwar verweisen die Träger in diesem Zusammenhang immer wieder stolz auf ihren im Vergleich zu anderen Verwaltungen geringen Anteil von Verwaltungs- und Verfahrenskosten an ihren Gesamtausgaben (Stand: 2012: 1,4 %); doch lässt sich dem entgegenhalten, dass ein Betrag von 3,64 Milliarden Euro16 für die Deckung sämtlicher Verwaltungsund Verfahrenskosten für sich genommen eine gewaltige Summe öffentlichen Geldes ist, der es wert ist, fortwährend jede Bemühung zu Einsparungen zu unternehmen. Insoweit zum Vergleich: Der Haushalt des Auswärtigen Amtes (Einzelplan 05 des Bundeshaushalts) belief sich für das Jahr 2012, einschließlich aller Personal- und Sachausgaben für 230 Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland, der Beiträge Deutschlands an 15 Personalstatistik der Deutschen Rentenversicherung vom 30. Juni 2012 nach § 11 RSVwV. 16 Verzeichnisse der Deutschen Rentenversicherung, „Zusammenstellung der Rechnungsergebnisse für das Jahr 2012 im Bundesgebiet – Ausgaben“.

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die Vereinten Nationen, humanitärer Hilfen, Krisenprävention, der Ausgaben für Auslandskultur, der Ausgaben für 136 Goetheinstitute und 141 deutsche Auslandsschulen, auf 3,3 Milliarden Euro. Allen Sozialversicherungsträgern hat der Gesetzgeber deshalb mit dem für uns als weitere Schlüsselvorschrift geltenden § 69 Sozialgesetzbuch IV zur Pflicht gemacht, – sämtliche Aufgaben wirtschaftlich und sparsam zu erledigen, – für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen, – in geeigneten Bereichen eine Kosten- und Leistungsrechnung einzuführen und, – da die Personalausgaben den größten Anteil an den Verwaltungshaushalten der Träger ausmachen, Planstellen und Stellen nur dann auszubringen, wenn sie unter Verwendung angemessener und anerkannter Methoden der Personalbedarfsermittlung begründet sind. Die Rentenversicherungsträger sind bei der Aufstellung und Ausführung ihrer Haushalte autonom. Um von Bundesseite – denn der Bund haftet gemäß Artikel 120 Absatz 1 Satz 4 Grundgesetz für die Defizite der Sozialversicherungsträger – die Entwicklung der Verwaltungsausgaben unter Kontrolle zu behalten, hat der Gesetzgeber den Rentenversicherungsträgern Auflagen zur Einsparung von Verwaltungs- und Verfahrenskosten gemacht: Innerhalb eines Fünfjahreszeitraumes sollten die Rentenversicherungsträger bis zum Jahr 2010 10 % ihrer jährlichen Verwaltungs- und Verfahrenskosten einsparen. Über ihre Einsparungen hatten und haben die Rentenversicherungsträger weiterhin jährlich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu berichten. Gesondert haben sie dabei auf die Schlussfolgerungen einzugehen, welche sich aus einem zwischen ihnen durchzuführenden Benchmarking ergeben. Lässt man diesen Katalog an betriebswirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten wie Kosten- und Leistungsrechnung, Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und – im Rahmen eines permanent abzuhaltenden Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerbs untereinander – Benchmarking (einschließlich eines dies zwangsnotwendig voraussetzenden Controllings) Revue passieren, wird unschwer deutlich, dass dem Gesetzgeber eine gesetzliche Rentenversicherung vorschwebt, die als Gegenleistung für ihre rechtliche wie organisatorische Unabhängigkeit hochgradig kostenbewusst und, soweit das bei einer Pflichtversicherung geht, wettbewerbsorientiert handelt. Das von den Rentenversicherungsträgern kultivierte Selbstbild von „Unternehmen“ mit ihren „Kunden“, als die sie die Beitragspflichtigen sehen, kommt insoweit sicher den Wünschen auch des Gesetzgebers nahe. Indes Wunsch

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und Wirklichkeit miteinander abzugleichen, macht einen Gutteil gerade unserer Prüftätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung, aber auch bei allen anderen Versicherungsträgern, die sich denselben Erwartungen des Gesetzgebers gegenübersehen, aus. III. Ihre Kontrolle und ihre Aufsicht Selbstverwaltete Versicherungsträger schweben nicht im luftleeren, rechtsfreien Raum. Ihrer Tätigkeit hat der Gesetzgeber über einen Zeitraum von mittlerweile mehr als einem Jahrhundert einen zunehmend konturierten Rahmen gesetzt. Dieser bildet sich mittlerweile in zwölf Büchern des Sozialgesetzbuches und beinahe zahllosen sie ergänzenden Verordnungen und sonstigen Durchführungsvorschriften ab. Abgesehen vom Steuerrecht dürfte kein anderer legislativer Komplex des Bundes stärker von Gesetzen und sonstigen Regelungen durchwirkt und von fortwährenden Rechtsänderungen betroffen sein wie die Sozialgesetzgebung im Allgemeinen und diejenige in den Bereichen Arbeit, Gesundheit und Rente im Besonderen. Rufen wir uns das in den Bereichen Kranken- und Rentenversicherung zu verwaltende Finanzvolumen von 467 Milliarden Euro in Erinnerung, so drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf: Wer kontrolliert und wer beaufsichtigt das alles? Fest steht: Der Bundesrechnungshof kann das nicht,17 und – das wird aus seiner Stellung als Organ der externen18 Finanzkontrolle deutlich – er darf das auch nicht (ausschließlich).19 Die laufende Kontrolle und eine Aufsicht über staatliche Verwaltung sind zuvörderst aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folgende Kernaufgaben der Exekutiven selbst und nicht solche einer nach Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz verfassungsrechtlich garantier17 Für die Prüfung der Einnahmen, der Leistungsausgaben (außer Rehabilitation) und der Verwaltungs- und Verfahrenskosten der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung stehen dem Kollegium des Bundesrechnungshofes insgesamt (Stand: Anfang 2013) 28 Prüfkräfte (Bundesrechnungshof: 10 Prüfkräfte; zwei Sachgebiete in Prüfungsämtern des Bundes: 18 Prüfkräfte) zur Verfügung. Bei einem zu prüfenden Finanzvolumen (Zuständigkeit für die Prüfung der Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung, ausgenommen Rehabilitation) von 516 Mrd. Euro entfällt auf jede Prüfkraft ein zu prüfendes Finanzvolumen von mindestens 18 Mrd. Euro. Nicht berücksichtigt sind dabei weitere Prüfkapazitäten des Bundesrechnungshofes aus seinen Querschnittsprüfungsbereichen Bau, Personal und IT. 18 Ausführlich zur Stellung des Bundesrechnungshofes im System der Gewaltenteilung Philipp Bergel, Rechnungshöfe als vierte Staatsgewalt?, Göttingen 2010, S. 43 ff. (65). 19 Die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes gegenüber den Sozialversicherungsträgern gründen auf § 112 Abs. 1 i. V. m. § 111 Abs. 1 BHO (Bundesträger) bzw. auf § 55 HGrG (Regionalträger bzw. Träger unter Länderaufsicht).

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ten und determinierten externen Finanzkontrolle. Eine Kontrolle von Rentenversicherungsträgern muss folglich die Exekutive selbst sicherstellen, in concreto auch und insbesondere die selbstverwalteten Rentenversicherungsträger der Deutschen Rentenversicherung.20 Denn sie gehören zur mittelbaren Staatsverwaltung.21 Für die Aufsicht über die Versicherungsträger geht unser Land verschiedene Wege: Sind die Versicherungsträger auf Bundesebene organisiert, liegt deren Aufsicht beim Bund;22 sind Versicherungsträger auf Länderebene zu beaufsichtigen, sind hierfür die jeweiligen Länder zuständig.23 Im Falle ihres Aufsichtsversagens hat der Bund gemäß Artikel 84 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz die Möglichkeit, die Länder zur sachgerechten Anwendung des Bundesrechts – um nichts anderes geht es bei der Tätigkeit von auf Länderebene organisierten Versicherungsträgern – anzuhalten.24 Erinnern wir uns, dass in Deutschland allein der Bund die finanziellen Lasten der Sozialversicherung trägt, so stehen wir insoweit vor einer Situation, wo Finanzierungsverantwortung und Aufsicht auseinanderfallen: Die Länder zahlen 20 Desgleichen am Beispiel der funktionalen Selbstverwaltung Bernd Grzeszick, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, München Loseblatt Stand: Januar 2010, Art. 20 GG Rn. 189. 21 Diese Zuordnung kann als unstreitig gelten; vgl. Art. 87 GG Abs. 2 GG, § 12 Abs. 1 SGB I und statt vieler Ferdinand Kirchhof, Die Prüf- und Mitwirkungskompetenzen des Bundesrechnungshofes bei Aufstellung und Abnahme der Jahresrechnung von Rentenversicherungsträgern, Deutsche Rentenversicherung 1992, S. 369, dort im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit Prüf- und Mitwirkungskompetenzen des Bundesrechnungshofes bei der Aufstellung und Abnahme der Jahresrechnung von Rentenversicherungsträgern (S. 374 f.). Kirchhof spricht im Zusammenhang mit der von Art. 87 GG Abs. 2 GG vorgenommenen Zuordnung von einer „organisatorische(n) Staatsdistanzierung“ der Rentenversicherungsträger (a. a. O., S. 377). 22 Vgl. § 90 Abs. 1 SGB IV: Das Bundesversicherungsamt ist für die Aufsicht über die gesetzliche Krankenversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung zuständig. In Grundsatz- und Querschnittsangelegenheiten ist gem. § 90 Abs. 2a S. 2 SGB IV das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für die Aufsicht zuständig. 23 § 90 Abs. 2 SGB IV. 24 Mit der gegenwärtigen Organisation der gesetzlichen Rentenversicherung fallen Gesetzgebungs- (Bundesebene) und Verwaltungszuständigkeiten in weiten Teilen auseinander. Peter Lerche, in: Maunz / Dürig (Fn. 11), Januar 2011, Art. 84 GG Rn. 128, leitet aus solchen Konstellationen eine „grundsätzliche Verpflichtung zur Kontrolle“ durch die Bundesregierung her, bei deren Form und Ausgestaltung der Bundesregierung allerdings ein erheblicher Spielraum zukomme. Unsere einschlägigen Prüfungserfahrungen zeigen indes, dass die Bundesregierung ungern den Weg des Art. 84 GG Abs. 3 S. 2 Grundgesetz geht und Länderaufsichten im Falle ihrer Untätigkeit förmlich anweisen würde, ihren Aufsichtspflichten nachzukommen. Insofern praxisnah kommt auch Lerche zu dem Schluss, solches käme einem „bundesstaatlichen Eklat“ gleich, vgl. ders., in: Maunz / Dürig (Fn. 11), Stand: Januar 2011, Art. 84 GG Rn. 129.

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keinen Cent Zuschuss an die in Rede stehenden Sozialversicherungen, haben aber die Aufsicht über deren Mittelverwendung.25 Das muss zu Spannungen führen, und das tut es auch. 1. Finanzkontrolle durch die Selbstverwaltung Die Rentenversicherungsträger verwalten sich selbst. Der Kern ihres Rechts zur Selbstverwaltung liegt im ihnen gesetzlich verliehenen Recht zur Haushaltsaufstellung und zur Entlastung der den Haushalt vollziehenden Organe, §§ 67 Absatz 1, 68 Absatz 1, 70 Absatz 1, 77 Absatz 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch IV. Ihrer Finanzverantwortung haben sie im Rahmen eines besonderen Haushaltsrechts für die Versicherungsträger gerecht zu werden. Zu nennen sind insbesondere die bereits oben im Zusammenhang mit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Versicherungsträger erwähnten Vorschriften der §§ 67 ff. Sozialgesetzbuch IV und – namentlich – die Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung.26 Wo öffentliche Gelder, als die auch die gesetzlich eingeforderten Beitragsmittel zur Sozialversicherung gelten, verausgabt werden, muss die Kontrolle von deren Verwendung auf dem Fuße folgen. Es herrscht deswegen auch kein Streit darüber, dass die Selbstverwaltung, die den Trägerhaushalt genehmigt und nach Ablauf des Haushaltsjahres über die Entlastung der Geschäftsführung zu entscheiden hat, eine eigene Kontrollpflicht trifft.27 Ferdinand Kirchhof konstatiert in einem Gutachten zu den Prüf- und Mitwirkungskompetenzen des Bundesrechnungshofes bei der Aufstellung und Abnahme der Jahresrechnung von Rentenversicherungsträgern eine Pflicht der Vertreterversammlung zur internen Finanzkontrolle und – bemerkenswerterweise – eine Pflicht der Aufsichtsbehörden zur externen Finanzkontrolle.28 Stimmte man Letzterem zu, was folgte dann daraus? Wären Selbstverwaltung und Auf25 Im Jahr 2012 verwalteten die unter Länderaufsicht stehenden Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung 115,3 Mrd. Euro an Beitrags- und Bundesmitteln. 26 BGBl. I 1977 S. 3147. 27 Zur Pflicht des Vorstandsvorsitzenden des Versicherungsträgers zur Beanstandung von rechtswidrigen Beschlüssen der Selbstverwaltung vgl. § 38 Abs. 1 SGB IV. Die Deutsche Rentenversicherung sieht das als Ausdruck ihrer Pflicht zur „Eigenkontrolle“; vgl. Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (Fn. 8), § 88 SGB IV Rn. 2. Eine Erörterung dieser bedeutenden, namentlich die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung treffenden Verpflichtung zur Kontrolle des jeweiligen Trägers fehlt bedauerlicherweise vollständig in den Erörterungen von HeinzDietrich Steinmeyer zur Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung in der Sozialversicherung, vgl. ders., Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 361 f. 28 Ferdinand Kirchhof, Die Prüf- und Mitwirkungskompetenzen des Bundesrechnungshofes (Fn. 21), S. 381.

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sicht zu derselben Art von Prüfungen aufgerufen, die Selbstverwaltung dabei von der Innenansicht auf den Träger geleitet, die Aufsicht von der Außenwarte, zumal noch mit der Gefahr möglicherweise heilloser Kompetenzkonflikte zwischen den Akteuren, mit der Folge einer letztlich unzureichenden Kontrolle der Versicherungsträger? a) Abgrenzung Finanzkontrolle – Aufsicht Der gesetzlich nicht determinierte Begriff Finanzkontrolle bezeichnet in Anlehnung an Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung.29 Haushaltsführung meint den Vollzug des Haushaltes, folglich die Ausführung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes und zwar umfassend und unter Berücksichtigung sämtlichen für den Vollzug maßgeblichen Haushalts- und sonstigen Rechts. Wirtschaftsführung ist demgegenüber die finanzwirtschaftliche Betätigung außerhalb des Haushaltes oder bei noch nicht festgestelltem Haushalt.30 Finanzkontrolle im hier verstandenen Sinne hat ihre Prüfungsmaßstäbe in der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns, mithin auch, das wird mit Blick auf einen Vergleich von Aufsicht und Finanzkontrolle gern etwas „übersehen“, in der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns.31 Finanzkontrolle kann folglich jegliches Handeln, das finanzwirksam ist, ihrem kritischen Blick unterziehen.32 Wir sprechen insoweit auch von einem Bestreben nach Lückenlosigkeit von Finanzkontrolle.33 Finanzkontrolle kennzeichnet damit, dass ihr grundsätzlich kein Teil finanzwirksamen Verwaltungshandelns entzogen ist. Teleologisch steht Finanzkontrolle in einer, ihre Existenz sichernden, unlösbaren Verbindung zum Budgetrecht des Parlaments, demgegenüber zur Ausführung des Haushaltsgesetzes durch die Regierung und zu der im Zusammenhang mit der Entlastung der Regierung zwangsnotwendigerweise erforderlichen Kontrolle ihres 29 Den Begriff Finanzkontrolle verwenden in diesem Zusammenhang Albert v. Mutius / Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Juni 1999, Art. 114 GG Rn. 9, dort auch unter ausführlicherer Heranziehung der Gesetzesmaterialien im Zusammenhang mit der Neufassung des Art. 114 Abs. 2 GG im Zuge der Haushaltsrechtsreform im Jahr 1969. 30 Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 180. 31 Albert v. Mutius / Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 29), Art. 114 GG Rn. 26. 32 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 30), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 181. 33 Albert v. Mutius / Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 29), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 10.

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Ausgabeverhaltens beim Vollzug des Haushaltsgesetzes durch eine Finanzkontrolle.34 Inhaltlich steht der Begriff Kontrolle dabei für eine Tätigkeit, eine prüfende Tätigkeit. Organisatorisch kann der Kontrolleur dem zu prüfenden Organismus zuzuordnen sein (interne Revision, Rechnungsprüfung), oder er steht außerhalb von ihm (externe Kontrolle). Die organisatorische Zuordnung ändert nichts an seiner Tätigkeit, der Kontrolle. Aufsicht indes ist die institutionelle Folge eines politischen Delegationsprozesses, hat also primär einen organisatorischen Bezug: Wer sich entscheidet, Hoheitsgewalt abzugeben, behält sich (vernünftigerweise) die Befugnis zur Aufsicht über den Delegierten vor. Aufsicht kann deshalb nicht vom Delegierten selbst wahrgenommen werden, sondern nur von jemandem außerhalb seines Wirkungskreises. Es ist in diesem Zusammenhang klar, dass sich Aufsicht auf Kontrolle stützt. b) Finanzkontrolle durch die Selbstverwaltung Der Gesetzgeber hat den Selbstverwaltungen der Versicherungsträger eine umfassende Verantwortung für die Finanzen der Sozialversicherungszweige übertragen. Zur Sicherstellung dieser Verantwortlichkeit hat das Gesetz dem Vorsitzenden des Vorstands des Versicherungsträgers zur Pflicht gemacht, rechtswidrige Beschlüsse von Selbstverwaltungsorganen zu beanstanden, § 38 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV. Eine Beanstandung kommt namentlich gegenüber Beschlüssen im Zusammenhang mit der Haushaltsaufstellung und mit der Entlastung der Geschäftsführung des Versicherungsträgers in Frage. Mit der gesetzlichen Pflicht des Vorstandsvorsitzenden zur Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse setzt das Gesetz auf die Etablierung und Kultivierung einer eigenständigen Kontrollkultur innerhalb des Versicherungsträgers. Ziehen wir diese in § 38 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV durchscheinende Akzessorietät von (Finanz-)Verantwortung und Pflicht zur Kontrolle (der Mittelverwendung) heran, dann ist Ferdinand Kirchhof nachdrücklich zuzustimmen, wenn er für Selbstverwaltungen der Rentenversicherungsträger eine umfassende Pflicht zur internen Finanzkontrolle befürwortet. Die Selbstverwaltungen sind folglich zur umfassenden und lückenlosen Finanzkontrolle sämtlicher Ausgaben aufgrund der von ihnen erteilten Ausgabeermächtigungen (Haushalte) aufgerufen und verpflichtet.

34 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 30), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 8, der dort allerdings nur von Kontrolle spricht.

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2. Finanzkontrolle durch die Aufsicht? Anders verhält es sich mit der Kontrolle durch die Aufsicht. Zwar schließen sich Aufsicht und Kontrolle nicht aus; fraglich ist indes, ob Aufsicht über Versicherungsträger im Rahmen einer Finanzkontrolle ausgeübt werden kann oder ob die Aufsicht sich anderer Kontrollansätze bedienen muss? Staatliche Aufsicht erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist, § 87 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV. Die Aufsicht kann die Geschäfts- und Rechnungsführung des Versicherungsträgers prüfen, § 88 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV. Verletzt ein Beschluss der Selbstverwaltung geltendes Recht, so hat der Vorsitzende des Vorstands des Versicherungsträgers in letzter Konsequenz die Aufsicht hierüber zu unterrichten, § 38 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch IV. Wird durch das Handeln oder Unterlassen des Versicherungsträgers das Recht verletzt, kann die Aufsicht den Versicherungsträger verpflichten, die Rechtsverletzung zu beheben. Sie kann Zwangsmittel androhen, und sie kann verlangen, dass die Selbstverwaltungsorgane zu Sitzungen einberufen werden. Wird dem Verlangen der Aufsicht nicht entsprochen, kann die Aufsicht die Sitzung selbst anberaumen und die Verhandlungen leiten, § 89 Absätze 1 und 3 Sozialgesetzbuch IV. a) Keine Finanzkontrolle Finanzkontrolle zieht ihre Legitimation aus der Delegation von Finanzierungs- und Haushaltskompetenzen. Sie konzentriert sich auf die Prüfung der angemessenen Wahrnehmung von Finanzverantwortung und setzt daher ziemlich engmaschig an. Fraglich ist, ob eine Aufsicht über Versicherungsträger typischerweise auf einer solchen Ebene tätig wird? Nur dann nämlich würde sich eine Finanzkontrolle durch sie als insoweit kongruentes Instrument einer Aufsicht erweisen. Indes, die Aufsicht über Versicherungsträger steht nicht in einem solchen Verhältnis delegierter Finanzierungs- und Haushaltskompetenz. Zwar verleiht § 88 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IV der Aufsicht für den Bereich der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Versicherungsträgers weitgehende Prüfungsbefugnisse („Rechnungsführung“);35 doch einen bedeutsamen Teil des Haushaltszyklus der Versicherungsträger, die Rechnungslegung, lässt 35 Zutreffend räumt auch die Deutsche Rentenversicherung der Aufsicht insoweit ein umfassendes Prüfungsrecht ein, das nicht auf die Prüfung nur der laufenden Verwaltungsgeschäfte beschränkt ist. Vgl. insoweit Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (Fn. 8), § 88 SGB IV Rn. 2.

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diese Regelung unerwähnt. Im Verhältnis Versicherungsträger – Aufsicht ist letztere der Exekutive zuzurechnen, und eine Finanzkontrolle besorgt begrifflich das Geschäft des Haushaltsgesetzgebers und nicht dasjenige der Regierung. Deshalb macht das Gesetz dem Vorstandsvorsitzenden in Ausübung seiner Kontrollaufgaben eine Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse zur Pflicht, während es der Aufsicht in ihr pflichtgemäßes Ermessen (Opportunitätsprinzip) stellt, Rechtsverstöße beim Haushaltsaufstellungsverfahren zu beanstanden. Schließlich ist die Aufsicht nicht in das Verfahren der Rechnungslegung und Entlastung der Geschäftsführung des Versicherungsträgers eingebunden. Der insoweit maßgebliche § 77 Sozialgesetzbuch IV weist Pflichten nur der Geschäftsführung und der Selbstverwaltung des Versicherungsträgers zu. Die Aufsichtsbehörden werden von den Versicherungsträgern lediglich über die erfolgte Entlastung in Kenntnis gesetzt. Das entbindet sie allerdings nicht von ihrer Aufgabe, im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens auch das Entlastungsverfahren des Versicherungsträgers von Zeit zu Zeit unter die Lupe zu nehmen. Dies alles legt nahe, dass der Gesetzgeber die Aufsicht über Versicherungsträger nicht zu einer weiteren zur Finanzkontrolle des Versicherungsträgers berufenen Kontrolleinrichtung machen wollte. Für eine Pflicht der Aufsicht zur externen Finanzkontrolle des Versicherungsträgers lassen sich deshalb – entgegen Ferdinand Kirchhof – keine überzeugenden Gründe finden. Die Systematik des Aufsichts- und Haushaltsrechts der Sozialversicherungsträger spricht eher gegen eine solche Pflicht.36 b) Beanstandungsrecht bei der Haushaltsaufstellung Welche spezifischen Prüf- und Kontrollansätze zu den Finanzen verbleiben dann aber noch einer Aufsicht von Versicherungsträgern? Auch diese Frage nach der Reichweite von Aufsicht muss eine externe Finanzkontrolle von Versicherungsträgern durch den Bundesrechnungshof, die auch das gesamte System von Kontrolle und Aufsicht in den Blick nimmt, interessieren. Das Sozialgesetzbuch IV gewährt der Aufsicht gegenüber den Haushaltsplanentwürfen der Versicherungsträger ein sogenanntes Beanstandungsrecht, § 70 Absatz 2 Sätze 2, 3 Sozialgesetzbuch IV. Danach kann die Aufsichtsbehörde den vom Vorstand des Versicherungsträgers (Teil der Selbstverwaltung) beschlossenen Entwurf des Haushaltsplanes oder einzelne Ansätze davon beanstanden, soweit namentlich gegen Gesetz oder sonstiges für den 36 Auch Heinz-Dietrich Steinmeyer, Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 361 (363, 366).

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Versicherungsträger maßgebendes Recht (also insbesondere eigenes von ihm verbindlich gesetztes Recht)37 verstoßen worden ist, § 70 Absatz 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch IV. Auch die Missachtung von sogenannten Bewertungsund Bewirtschaftungsmaßstäben, die für Versicherungsträger verbindlich sind, kann die Aufsicht beanstanden, § 70 Absatz 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch IV. Das Gesetz gibt der Aufsicht folglich das Recht, bei der Haushaltsaufstellung jeden Verstoß der Versicherungsträger gegen Haushaltsrecht zu beanstanden. Namentlich kommen Beanstandungen wegen Verstößen gegen die Gebote wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsansätze und Haushaltsführung, gegen die Pflicht zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, gegen die Beachtung des Gebots zur Führung von Kosten- und Leistungsrechnungen und zur Durchführung von Benchmarking und Personalbedarfsermittlungen nach anerkannten Methoden (§ 69 Sozialgesetzbuch IV) und gegen Bewertungs- und Bewirtschaftungsmaßstäbe in Betracht. Ignoriert die Vertreterversammlung bei der Feststellung des Haushaltsplanes die Beanstandung, kann die Aufsicht insoweit den Feststellungsbeschluss aufheben und selbst den Haushaltsplan feststellen, § 70 Absatz 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch IV. Eine solche Ersatzvornahme ist zweifellos ein – vom Gesetz gedeckter – erheblicher Eingriff der Aufsicht in zentrale Selbstverwaltungsbefugnisse des Versicherungsträgers. Vielleicht liegt es an der Massivität38 dieses gesetzlich in Aussicht gestellten Eingriffs in den Kernbereich ihrer Selbstverwaltungsautonomie, dass die Deutsche Rentenversicherung die Beanstandungsrechte der Aufsicht als Ausdruck bloßer Rechtsaufsicht sieht und – ohne nähere Begründung – das Beanstandungsrecht nicht als Befugnis zur „Fachaufsicht und der damit verbundenen Zweckmäßigkeitskontrolle“ versteht.39 Es fragt sich aber dann, aufgrund welcher Erkenntnisse und Erfahrungen eine Aufsicht die Ersatzvornahme im Sinne des § 70 Absatz 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch IV gegenüber der Vertreterversammlung anordnen kann, wenn nicht aufgrund eigener profunder (fachaufsichtlicher) Kenntnisse, die sie kraft Gesetzes gar noch an die Stelle der Erwägungen (Ermessen) der Vertreterversammlung zu stellen befugt ist? Ich plädiere, das Gesetz beim Wort zu nehmen und ein Beanstandungsrecht nach § 77 Absatz 3 Sozialgesetzbuch IV überall da zu gewähren, wo das 37

Zu den verbindlichen Beschlüssen siehe oben Abschnitt II.3.b). Die Möglichkeit einer solchen Ersatzvornahme sieht das Aufsichtsrecht der Sozialversicherung allerdings auch für den Fall eines kompletten Organversagens der Selbstverwaltung vor, § 37 Abs. 1 S. 1 SGB IV. 39 Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (Fn. 7), § 70 SGB IV Rn. 1. Ähnlich zurückhaltend, ohne allerdings auf das Beanstandungsrecht der Aufsicht einzugehen (Rechtsaufsicht, keine Befugnis zur Zweckmäßigkeitskontrolle), Heinz-Dietrich Steinmeyer, Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 363. 38

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finanzwirksame Handeln der Versicherungsträger bei der Aufstellung des Haushalts im Widerspruch zum Haushaltsrecht steht. Erweisen sich konkret – und das bedeutet im Zweifel nach entsprechender Überprüfung durch die Aufsicht (insofern hat die Aufsicht auch Prüfungs- und Erhebungsrechte) – Haushaltsansätze als nicht wirtschaftlich und sparsam, sind Haushaltsansätze für Personal nicht mit angemessenen Personalbedarfsermittlungen unterlegt etc., kann die Aufsicht diese Ansätze beanstanden. Ob sie das auch tut, steht auf einem anderen Blatt und sei nachfolgend erörtert. Eine solche Beanstandungspraxis lässt sich schwerlich noch als Rechtsaufsicht klassischen Typs deuten. Mit § 69 Absatz 2 Sozialgesetzbuch IV, der die Versicherungsträger zu wirtschaftlichem und sparsamem Handeln verpflichtet, sind die ökonomischen Postulate Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu Rechtsbegriffen geworden, deren (rechts-)konforme Anwendung bis ins Einzelne einer Prüfung durch die Aufsicht zugänglich ist. Die im Rahmen des Beanstandungsverfahrens erfolgende Einschätzung der Wirtschaftlichkeit und / oder Sparsamkeit einer Maßnahme (unter notwendiger Heranziehung obligatorischer Kosten- und Leistungsrechnungen sowie Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen) durch die Aufsicht läuft auf eine Zweckmäßigkeitskontrolle hinaus. Ob die Aufsicht sich insoweit bereits auf dem Feld der Fachaufsicht bewegt oder die Ausübung des Beanstandungsrechts nach § 70 Absatz 2 Sätze 2, 3 Sozialgesetzbuch IV Ausdruck eines Falles besonders weitreichender Rechtsaufsicht ist, kann hier dahingestellt bleiben. IV. Die Praxis der Finanzkontrolle und Aufsicht über Rentenversicherungsträger Die Finanz- und Wirtschaftskrise dieses Jahrzehnts hat gezeigt, wie sehr Politik und (Finanz-)Wirtschaft Vertrauen einbüßen, wenn sich insbesondere staatlich legitimierte finanzrelevante Strukturen als labil und leistungsschwach erweisen. Es ist heute Allgemeingut, dass auch und gerade der Umgang mit öffentlichen Geldern von einer engmaschigen Kontrolle der Mittelverwendung begleitet werden muss. Die Sozialversicherungszweige in Deutschland binden einen Großteil der öffentlichen Ausgaben. Die Sozialausgabenquote, das ist der Anteil der Sozialausgaben an den Gesamtausgaben des Bundes, liegt bei fast 50 %, gefolgt von den Zinsausgaben (Zinsausgabenquote: 10 %).40 Wobei die Sozialausgabenquote nicht die Pflichtbeiträge an die verschiedenen Sozialversicherungszweige einschließt. Jene sind volkswirtschaftlich berücksichtigt in der Sozialabgabenquote (Anteil der Sozialab40 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, „Feststellungen zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes“, Ziff. 2.4.1, Tabelle „Wesentliche Ausgabearten und Finanzkennzahlen“.

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gaben am Bruttoinlandsprodukt), und diese lag im Jahr 2011 bei fast 17 %.41 Akteure wie die Versicherungsträger, mit einer derartigen, aus öffentlichen Mitteln gespeisten „Finanzkraft“ und unterwegs mit einem derart bedeutsamen politischen Auftrag wie der Sicherung der Gesundheitsversorgung und der Altersvorsorge in Zeiten eines epochalen demografischen Wandels, stehen in einer besonderen Verantwortung für die Sicherheit der ihnen anvertrauten öffentlichen Gelder und für den Erhalt des Vertrauens der Bevölkerung in eine nachhaltig leistungsfähige staatliche Administration dieser Aufgaben. Zur Sicherung all dessen müssen die Versicherungsträger nicht zuletzt eine leistungsfähige Finanzkontrolle vorhalten. Eine solche sicherzustellen liegt in der Verantwortung der Selbstverwaltung jedes Trägers. Die Aufsicht hat darüber zu wachen, dass die Selbstverwaltung des Versicherungsträgers ihren Kontrollpflichten nachkommt. Wie aber sieht im Lichte der Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes die Wirklichkeit aus? 1. Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes a) Ausrichtung seiner Prüfungen Der Bundesrechnungshof prüft die Sozialversicherungsträger. Sein Prüfungsrecht ist umfassend und uneingeschränkt. Für die Prüfung der hier etwas eingehender42 behandelten gesetzlichen Kranken- und gesetzlichen Rentenversicherung hält er drei Fachprüfungsgebiete vor, denen fünf Sachgebiete in Prüfungsämtern des Bundes (Geschäftsbereich des Bundesrechnungshofes) zuarbeiten. Will der Bundesrechnungshof Themen aus den Bereichen Personal, Bau und Informationstechnologie prüfen, stehen dafür zusätzlich noch entsprechend spezialisierte Querschnittsprüfungsgebiete zur Verfügung. Eine flächendeckende Prüfung der Einnahmen, der Leistungsausgaben und der Verwaltungs- und Verfahrenskosten der Deutschen Rentenversicherung kann der Bundesrechnungshof nicht sicherstellen. Das ist auch nicht seine Aufgabe.43 Um dem Ziel einer möglichst lückenlosen Finanzkontrolle der Rentenversicherungsträger nahe zu kommen, hat er Prüfungsschwerpunkte gesetzt und daran ausgerichtete Prüfungsbereiche festgelegt. Seine Schwerpunkte überprüft er periodisch und passt sie nötigenfalls an. Er lässt sich von 41 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Datensammlung zur Steuerpolitik 2012, www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Service“, „Publikationen“, „Broschüren / Bestellservice“). 42 Auch die Bundesagentur für Arbeit und die landwirtschaftliche Sozialversicherung prüft der Bundesrechnungshof mit insgesamt drei Prüfungsgebieten. 43 Vgl. Abschnitt III. (Einleitung).

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der finanziellen Bedeutung von Haushaltsansätzen und von einer Massenverwaltung wie der Rentenversicherung inhärenten, potenziellen Organisationsrisiken leiten. Und er verwertet im Rahmen einer risikoorientierten Prüfungsplanung seine bisherigen Prüfungserkenntnisse. Da der Bundesrechnungshof nicht den gesamten Haushalt und administrativen Apparat der gesetzlichen Rentenversicherung prüfen kann, legt er bei seinen Prüfungen besonderen Wert auf eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Leitungs-, Aufsichtsund Kontrollstrukturen. Großes Gewicht legt er dabei auf die Prüfung der Umsetzung der vom Gesetzgeber angeordneten Organisationsreform: Hat die Leitung der Rentenversicherungsträger (Selbstverwaltung und Geschäftsführung) ihre Zusammenarbeit namentlich in Grundsatz- und Querschnittsangelegenheiten der Deutschen Rentenversicherung, wie vom Reformgesetzgeber gefordert, intensiviert, nutzt sie die ihr übertragene Möglichkeit zur Rechtsetzung und stellt damit eine effektive Steuerung der Träger sicher, hat sie die gesetzlich geforderte Verwendung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente in ihrem Verwaltungsalltag in Angriff genommen und sich damit auf den Weg gemacht, hin zu einer effizienten, schlanken Rentenversicherung „aus einem Guss“? In diesem Zusammenhang festgestellte Mängel (Organisationsreform, Defizite in der Leitung und Kontrolle) macht der Bundesrechnungshof verstärkt zum Gegenstand parlamentarischer Berichterstattung, wenn sich die Träger im Zuge kontradiktorischer Verfahren gegenüber den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes als nicht hinreichend zugänglich erweisen. Die Zustimmungsquote seiner Berichterstattung im Parlament liegt bei deutlich über 90 %. b) Prüfungsergebnisse hinsichtlich der Selbstverwaltung und Geschäftsführung Die Jahresberichte des Bundesrechnungshofes aus den vergangenen Jahren liefern zu den Bereichen Organisationsreform und Leitung der Träger ein eindeutiges Bild: Weder hat die überwiegende Zahl der Rentenversicherungsträger die Organisationsreform „innerlich“ angenommen und ihre Zusammenarbeit in Grundsatz- und Querschnittsangelegenheiten vorangetrieben und intensiviert,44 noch reagieren die Leitungen der Träger (Selbstverwaltung, 44 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, Nr. 34 (Öffentlichkeitsarbeit); ders., Bemerkungen 2010, Nr. 21 (Rentenversicherungsträger scheuen Leistungsvergleiche); ders., Bemerkungen 2009, Nr. 10 (Teure IT-Parallelstrukturen bei der Deutschen Rentenversicherung) und Nr. 11 (DRV Bund muss IuK der deutschen Rentenversicherung besser koordinieren); ders., Bemerkungen 2009 – Weitere Prüfungsergebnisse, Nr. 7 (Auskunfts- und Beratungsangebot der Rentenversicherungsträger ist nicht wirtschaftlich); ders., Bemerkungen 2007, Nr. 21 (DRV Bund koordiniert nicht ausreichend die Planung von Rehabilitationsmaßnahmen).

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Geschäftsführung) auf komplexer gelagerte und finanziell folgenreiche Aufgabenstellungen mit der nötigen Führungskraft.45 Insbesondere ein steuernder Einfluss der Selbstverwaltung auf die Aufgabenerledigung der Rentenversicherungsträger ist regelmäßig nicht oder kaum spürbar. In zahlreichen steuerungsrelevanten operativen Bereichen meidet die Selbstverwaltung das Fassen verbindlicher Beschlüsse. Solche könnten ja insbesondere die auf ihre Eigenständigkeit besonders pochenden Regionalträger ungebührlich „an die Leine legen“. Zu Abschlussgesprächen von Prüfungen laden wir regelmäßig Vertreter der Selbstverwaltung ein. Bis auf ganz wenige Ausnahmen lässt die für die Kontrolle der Geschäftsführung verantwortliche Selbstverwaltung diese gute Gelegenheit des sich aus erster Hand Informierens ungenutzt. Regelmäßig finden solche Abschlussgespräche ausschließlich mit der Geschäftsführung statt. Die gegenwärtige Geschäftsführung eines Regionalträgers und mit ihr die Selbstverwaltung des Trägers sehen grundsätzlich davon ab, überhaupt an Abschlussgesprächen mit dem Bundesrechnungshof teilzunehmen. Auch wenn die Selbstverwaltung die ihr obliegende Pflicht zur internen Finanzkontrolle, einschließlich der bedeutsamen Aufgabe der Entlastung der Geschäftsführung, ausüben wollte, stünde ihr ein dafür geeigneter Prüfungsapparat in Gestalt von Innenrevisionen und Rechnungsprüfungsämtern bislang tatsächlich nicht zur Verfügung. Es kann von den ehrenamtlichen Mitgliedern der Selbstverwaltung nicht erwartet werden, dass sie ihre Kontrollaufgaben höchstpersönlich wahrnehmen.46 Ein sie darin unterstützender und nur ihnen zuarbeitender Apparat sollte ihnen daher stets an die Seite gestellt werden. Hingegen sind diese Stabsstellen, über die jeder Rentenversicherungsträger verfügt, bis auf ganz wenige Ausnahmen, den Geschäfts45 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, Nr. 35 (Mangelnde Steuerung der elektronischen Archivierung); ders., Bemerkungen 2011, Nr. 40 (Höhe der Beitragsrückstände in der Sozialversicherung erstmals transparent); ders., Bemerkungen 2010, Nr. 21 (Rentenversicherungsträger scheuen Leistungsvergleiche); ders., Bemerkungen 2009, Nr. 10 (Teure IT-Parallelstrukturen bei der Deutschen Rentenversicherung) und Nr. 11 (DRV Bund muss IuK der deutschen Rentenversicherung besser koordinieren) und Nr. 14 (DRV Saarland betätigt sich in nicht zulässigen Geschäftsfeldern) und Nr. 15 (Unnötige Meldungen führen zu Aufwand in zweistelliger Millionenhöhe); ders., Bemerkungen 2009 – Weitere Prüfungsergebnisse, Nr. 5 (BMAS und Rentenversicherung nehmen seit Jahren falsche Rentenberechnungen in Kauf) und Nr. 7 (Auskunfts- und Beratungsangebot der Rentenversicherungsträger ist nicht wirtschaftlich); ders., Bemerkungen 2008, Nr. 9 (Zu große Büros kosten DRV Bund jährlich Millionenbeträge); ders., Bemerkungen 2007, Nr. 17 (DRV Bund plant ihre neuen Verwaltungsgebäude unwirtschaftlich). 46 Das Problem nicht hinreichender Qualifikation für solche Aufgaben thematisiert auch der seinerzeitige Leiter des Berliner Büros des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen Robert Paquet, Ansatzpunkte für eine Reform der GKV-Selbstverwaltung, Soziale Sicherheit 2006, S. 61 (65).

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führungen der Träger zugeordnet, organisatorisch, fachlich weisungsbezogen und dienstrechtlich. Der zu Kontrollierende kontrolliert mithin den Kontrolleur. Und der Selbstverwaltung, die das als Inhaberin der Organisationsgewalt über den Versicherungsträger schon seit geraumer Zeit hinnimmt, verbleibt kein eigenes Kontrollinstrument. 2. Prüfungserfahrungen mit der Aufsicht Die Aufsicht über die Rentenversicherungsträger verteilt sich – je nachdem ob es sich um Bundesträger oder Regionalträger handelt – auf den Bund und die Länder. An den Verhandlungen über die Haushaltsentwürfe der Bundesträger mit der Aufsicht, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesversicherungsamt, ist der Bundesrechnungshof beteiligt. Bei den Länderaufsichten ist das anders. Sie haben es, obwohl gemäß Artikel 120 Absatz 1 Satz 4 Grundgesetz die letzte Finanzverantwortung für die Sozialversicherung beim Bund liegt, bislang stets abgelehnt, den Bundesrechnungshof überhaupt an den Verhandlungen über die Haushaltsentwürfe der Regionalträger zu beteiligen. So bleibt eine gute Gelegenheit ungenutzt, von den insoweit einzigartigen Erfahrungen des Bundesrechnungshofes als der einzigen Kontrollinstanz zu profitieren, welche die Strukturen sämtlicher Träger – Bundes- wie Regionalträger – aus dem neutralen, externen Blickwinkel kennt und einzuschätzen vermag. Ein Recht auf Teilnahme an diesen Verhandlungen hat der Bundesrechnungshof de lege lata nicht. Mit der Beanstandung von Entscheidungen der Selbstverwaltung tut sich nach unseren Prüfungserfahren die Aufsicht schwer; ich habe einen solchen Fall während meiner siebenjährigen Leitung des Prüfungsgebiets Rentenversicherung nicht ein einziges Mal erlebt, obwohl die oben erwähnten Bemerkungen und Berichte des Bundesrechnungshofes, welche größtenteils ihre Ursachen in Verstößen gegen das Haushaltsrecht der Versicherungsträger haben, Anlass zu solchen Beanstandungen hätten sein können. Aufsichtsbehörden, die sich Spannungen mit den Trägern tunlichst ersparen wollen, machen sich das ihnen insoweit zur Seite stehende Opportunitätsprinzip dienlich. Über das Ergebnis jeder seiner Prüfungen unterrichtet der Bundesrechnungshof die jeweilige Aufsicht. Seitens der Länderaufsichten erfährt der Bundesrechnungshof so gut wie keine wahrnehmbare Reaktion auf seine Prüfungsmitteilungen. Schwächen in der Wahrnehmung der Aufsicht über die Rentenversicherungsträger gaben in den vergangenen Jahren allerdings immer wieder Anlass zu parlamentarischer Berichterstattung.47 Und das wird, wenn alles so bleibt, auch zukünftig so sein. 47 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, Nr. 34 (Öffentlichkeitsarbeit der DRV) und Nr. 36 (Verzicht auf überflüssige Rentenanpassungen spart Ausgaben von

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3. Schlussfolgerungen Finanzkontrolle und die Aufsicht über selbstverwaltete Sozialversicherungsträger unterscheiden sich, wie wir erfahren haben, sehr deutlich voneinander: Während Finanzkontrolle primär an den finanziellen Auswirkungen einer Verwaltungsentscheidung ansetzt und von dort aus einen am Gebot wirtschaftlichen Handelns orientierten, umfassenden Prüfungsansatz, einschließlich der Überprüfung sämtlicher diesbezüglichen Zweckmäßigkeitserwägungen der Verwaltung, entwickeln kann,48 geht die Aufsicht vorrangig der Überprüfung der Rechtskonformität des Verwaltungshandelns im Allgemeinen nach. Die Stellung von staatlicher Aufsicht als Teil der Exekutive bringt es mit sich, dass von ihr keine Finanzkontrolle der unter ihrer Aufsicht stehenden Träger erwartet werden kann. Zu dieser bedeutenden Aufgabe sind nach geltender Rechtslage nur die Selbstverwaltung der Versicherungsträger und der Bundesrechnungshof berufen. Hinsichtlich der Selbstverwaltung ist es so, dass sie derzeit dieser Aufgabe nicht gewachsen ist. Rufen wir uns in Erinnerung, für welches finanzielle Volumen öffentlicher Gelder die soziale Selbstverwaltung die Verantwortung trägt, ist das ein unhaltbarer Zustand.

10 Mio. Euro); ders., Bemerkungen 2011, Nr. 40 (Höhe der Beitragsrückstände in der Sozialversicherung erstmals transparent); ders., Bemerkungen 2010, Nr. 21 (Rentenversicherungsträger scheuen Leistungsvergleiche); ders., Bemerkungen 2009, Nr. 13 (Rentenversicherungsträger beschaffen medizinische Rehabilitationsmaßnahmen von jährlich rund 1,5 Mrd. Euro ohne Wettbewerb); ders., Bemerkungen 2009 – Weitere Prüfungsergebnisse, Nr. 6 (Bundessozialministerium und Rentenversicherung nehmen seit Jahren falsche Rentenberechnungen in Kauf). 48 Nicht hinreichend deutlich demgegenüber Heinz-Dietrich Steinmeyer, Haushaltskontrolle und Selbstverwaltung (Fn. 3), S. 367, wenn er es für plausibel hält, dass es Fälle (mit finanziellen Auswirkungen) geben könne, in denen der Sozialversicherungsträger sich mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot in § 69 Abs. 2 SGB IV zulässigerweise im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes bewege und demgegenüber der „Bundesrechnungshof eine andere Vorgehensweise für wirtschaftlich und sparsam hält.“ Da der Bundesrechnungshof grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit von Verwaltungshandeln aufgrund konkreter Anhaltspunkte bezweifelt, stellt sich insoweit allenfalls die Frage nach der am Wirtschaftlichkeitsgebot des § 69 Abs. 2 SGB IV auszurichtenden Stimmigkeit des von der Selbstverwaltung des Trägers insoweit reklamierten Beurteilungsspielraumes.

Prüfungen bei großen Bundesbeteiligungen Jochen Wenz I. Einführung Der Bund hält einen umfangreichen Bestand an Unternehmensbeteiligungen. Im Jahr 2012 waren dies mehr als 100 Unternehmen privaten und öffentlichen Rechts.1 Sie sind nach wie vor in verschiedensten Branchen angesiedelt. So hält der Bund das Alleineigentum an Deutscher Bahn AG, Deutscher Flugsicherung GmbH, Asse-GmbH und Bundesdruckerei GmbH. Allein die Unternehmen, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist, beschäftigen rund 300.000 Menschen. Hinzu kommen zahlreiche Minderheitsbeteiligungen, unter anderem an der Deutschen Telekom, an den drei Flughafengesellschaften – Berlin-Brandenburg, Köln / Bonn und München –, an der Duisburger Hafengesellschaft und weiteren mehr. Einige Bundesbeteiligungen halten ihrerseits noch eine große Zahl von Beteiligungen. Mit der Beteiligung an einem Unternehmen muss der Bund ein besonderes Interesse verfolgen. Die Verwirklichung des Bundesinteresses muss er überwachen, während er die Beteiligung führt. Ist ein Interesse des Bundes an der Beteiligung nicht mehr vorhanden, hat er die Beteiligung aufzugeben. Das Handeln des Bundes wird bezeichnet als Betätigung bei privatwirtschaftlichen Unternehmen. Sie unterliegt der Prüfung durch den Bundesrechnungshof, entsprechend bezeichnet als Betätigungsprüfung. Dieser Beitrag befasst sich mit Besonderheiten der Betätigungsprüfung. Sie betreffen das Eingehen einer Beteiligung, die laufende Führung der Beteiligung und deren spätere Veräußerung. Die dargestellten Fälle stammen zum größten Teil aus der Betätigungsprüfung bei großen Bundesbeteiligungen.2 1 Die Beteiligungen halten der Bund und seine Sondervermögen, vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Die Beteiligungen des Bundes – Beteiligungsbericht 2012, Berlin 2013, S. 11 und S. 131 ff., www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Themen“, „Bundesvermögen“, „Privatisierungs- und Beteiligungspolitik“, „Beteiligungen des Bundes“). 2 Die Beispiele betreffen große Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 HGB. Indes gliedert das Haushaltsrecht des Bundes die Bundesbeteiligungen nicht in Größenklassen.

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Voranzustellen sind die gesetzlichen Grundlagen für die Betätigung des Bundes und die Betätigungsprüfung durch den Bundesrechnungshof. II. Gesetzliche Grundlagen Die gesetzlichen Grundlagen für die Betätigung des Bundes bei privatwirtschaftlichen Unternehmen finden sich im Wesentlichen im Haushaltsrecht des Bundes, und zwar im Haushaltsgrundsätzegesetz und in der Bundeshaushaltsordnung. Zentrale Vorschrift ist § 65 Bundeshaushaltsordnung, der die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Bundes an privatrechtlichen Unternehmen regelt. Die Betätigungsprüfung durch den Bundesrechnungshof ist allgemein geregelt in § 92 Bundeshaushaltsordnung. Der Bundesrechnungshof prüft nach dieser Vorschrift die Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unternehmen unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze. Geprüfte Stelle ist der Bund in Gestalt des für die Beteiligung zuständigen Ministeriums, genauer gesagt die Beteiligungsverwaltung in diesem Ministerium (auch Beteiligungsführung genannt). Das Unternehmen selbst ist hingegen nicht geprüfte Stelle, wenngleich der Bundesrechnungshof sich unter bestimmten Voraussetzungen auch dort unterrichten kann.3 Der Gesetzgeber betont, dass der Bundesrechnungshof die Betätigung des Bundes unter „Beachtung kaufmännischer Grundsätze“ prüft.4 Dies umfasst die Analyse eines Jahresabschlusses, für den der Gesetzgeber die Regelungen für große Kapitalgesellschaften als Regelfall vorgibt.5 Kaufmännische Grundsätze sind weiter die vielfältigen Handlungsempfehlungen in den „Grundsätzen guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“ (nachfolgend: „Grundsätze“).6 Die „Grundsätze“ wurden im Jahr 2009 von der Bundesregierung verabschiedet. Sie bilden das für die Beteiligungsverwaltung einschlägige Regelwerk. Die „Grundsätze“ haben keinen Gesetzescharakter, verpflichten aber mit der Verabschiedung durch das Bundeskabinett die Beteiligungsverwaltung des Bundes. Erster Bestandteil der „Grundsätze“ ist der Public Corporate Governance Kodex des Bundes. Er enthält Empfehlungen und Anregun3

§ 54 HGrG, s. den folgenden Abschnitt. Zur Definition des Begriffs „kaufmännische Grundsätze“ vgl. Manfred Eibelshäuser / Ulrike Breidert, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: März 2013, § 92 BHO Rn. 16. 5 § 65 Abs. 1 Nr. 4 BHO. 6 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensund Beteiligungsführung im Bereich des Bundes, Berlin 2009, www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Themen“, „Bundesvermögen“, „Privatisierungs- und Beteiligungspolitik“, „Grundsätze guter Unternehmensführung“). 4

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gen für Vorstand und Geschäftsführung (nachfolgend: Geschäftsleitung) und Aufsichtsrat oder ein anderes Überwachungsorgan (nachfolgend: Aufsichtsrat). Aufgabe der Beteiligungsverwaltung ist es, den Public Corporate Governance Kodex des Bundes im Regelwerk des Unternehmens wirksam zu verankern. Jährlich sollen Geschäftsleitung und Aufsichtsrat eine „Entsprechenserklärung“ zum Public Corporate Governance Kodex des Bundes abgeben.7 Zweiter Bestandteil der „Grundsätze“ sind die Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, die sich an die Beteiligungsverwaltungen des Bundes richten. Gleiches gilt für die Berufungsrichtlinien als dritten Teil der „Grundsätze“. Sie regeln verschiedene Fragen, die mit der Wahl oder Entsendung von Personen in den Aufsichtsrat einer Bundesbeteiligung verbunden sind.8 Seit dem Jahre 2010 informiert die Bundesregierung nach § 69a Bundeshaushaltsordnung den Deutschen Bundestag über die Bundesbeteiligungen: Mehrmals im Jahr erhält das Bundesfinanzierungsgremium eine Unterrichtung über alle grundsätzlichen und wesentlichen Fragen der Bundesbeteiligungen sowie der Beteiligungsverwaltung.9 III. Betätigungsprüfung bei Gründung / Erwerb einer Beteiligung Der Bund soll sich an Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts nur beteiligen, wenn ein wichtiges Interesse des Bundes vorliegt und sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Außerdem muss die Einzahlungsverpflichtung des Bundes betragsmäßig begrenzt sein. Der Bund muss einen angemessenen 7 Der Public Corporate Governance Kodex des Bundes gibt Empfehlungen, Anregungen und rein erläuternde Anmerkungen. Die Empfehlungen haben den Anspruch, Rechtsverhältnisse von Kapitalgesellschaften soweit möglich auf Unternehmen anderer Rechtsform zu übertragen. Von den Empfehlungen können die Unternehmensorgane abweichen. Sie sind aber verpflichtet, dies zu erläutern (Grundsatz: „comply or explain“). Von den sog. Anregungen („sollte“, „kann“) können die Unternehmensorgane ohne Erläuterung abweichen. Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil A – Public Corporate Governance Kodex des Bundes, Nrn. 1.2, 1.4 und 6.1. 8 Neu eingeführt wurde mit den „Grundsätzen“ der Public Corporate Governance Kodex des Bundes. Die Hinweise für gute Beteiligungsführung traten an die Stelle der vorherigen Hinweise für die Verwaltung von Bundesbeteiligungen, die Berufungsrichtlinien wurden aktualisiert. 9 Bundesfinanzierungsgremium ist der Praxisbegriff für das in der Vorschrift genannte Gremium nach § 3 des Gesetzes zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes. Mit der von der Bundesregierung geschuldeten Unterrichtung kann das Gremium den Haushaltsausschuss befassen.

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Einfluss insbesondere im Überwachungsorgan – in der Regel dem Aufsichtsrat – erhalten. Der Jahresabschluss ist grundsätzlich nach den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften aufzustellen. Auf diese Voraussetzungen aus § 65 Bundeshaushaltsordnung muss das zuständige Bundesministerium eingehen, wenn es pflichtgemäß die Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen einholt und das für das Bundesvermögen zuständige Bundesministerium beteiligt.10 Der Bundesrechnungshof ist von dem Beteiligungsvorhaben zu unterrichten.11 Er kann sich zu dem Vorhaben äußern, etwa wenn nach seiner Auffassung nicht sämtliche Beteiligungsvoraussetzungen erfüllt sind. Die Äußerung geschieht häufig auf dem Wege der Nachfrage oder Beratung, gegebenenfalls aber auch durch Kritik an dem Vorhaben insgesamt.12 Eine Äußerung des Bundesrechnungshofes zu einem Beteiligungsvorhaben setzt voraus, dass er informiert wird, bevor der Bund rechtlich bindende Verpflichtungen eingegangen ist. Außerdem muss der zeitliche Vorlauf für die Würdigung des Vorhabens ausreichen. In der Praxis sendet das handelnde Ressort dem Bundesrechnungshof ein Exemplar seines Antrags an das Bundesministerium der Finanzen.13 Der Bundesrechnungshof prüft die Darstellung des Vorhabens durch das Ressort, den Entwurf von Satzung / Gesellschaftsvertrag (nachfolgend: Satzung) und den Entwurf der Unternehmensplanung. Zunächst stellt der Bundesrechnungshof die Frage, ob ein wichtiges Bundesinteresse an der Beteiligung belastbar nachgewiesen ist. Bundesbeteiligungen sind zwar durch die Verfassung nicht ausgeschlossen und können beispielsweise in Fällen von Marktversagen auch notwendig sein.14 Gleichwohl hat der Bund vor Gründung oder Erwerb einer neuen Beteiligung sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich eine Aufgabe des Bundes – und nicht einer anderen Gebietskörperschaft – gegeben ist. Handelt es sich bei dem Beteiligungsvorhaben um eine Initiative der Verwaltung, würdigt der Bundesrechnungshof besonders, ob die Verwaltung andere Vorgehensweisen überzeugend und auf der Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung 10 § 65 Abs. 2 BHO; die Funktion des BMF wird durch ein Referat der Haushaltsabteilung ausgeübt; ein Referat der Abteilung VIII (Privatisierungen, Beteiligungen, Bundesimmobilien) nimmt die Aufgabe des Bundesvermögensministeriums wahr. 11 § 102 Abs. 1 Nr. 3 BHO; Gleiches gilt, wenn sich die Beteiligungshöhe wesentlich verändert oder die Beteiligung veräußert wird. 12 Ein Recht des Bundesrechnungshofes zur Äußerung besteht gegenüber Bundesregierung und Parlament (§§ 88 und 99 BHO). 13 § 102 Abs. 1 Nr. 3 BHO. 14 Vgl. im Einzelnen Manfred Eibelshäuser / Karsten Nowak, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 4), § 65 BHO Rn. 7–12 (11).

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geprüft und im Ergebnis abgelehnt hat.15 Wird das Bundesinteresse von der Verwaltung politisch begründet und wird es von einem breiten politischen Konsens getragen, so respektiert der Bundesrechnungshof dies.16 Er konzentriert in diesem Fall seine Prüfung darauf, ob die politische Entscheidung rechtmäßig und wirtschaftlich umgesetzt wird. Weiter prüft der Bundesrechnungshof die Fassung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung. Der Unternehmensgegenstand muss dem vom Bund mit der Beteiligung angestrebten Zweck möglichst konkret entsprechen. Der Bund darf nur Beteiligungen eingehen, wenn seine Einzahlungsverpflichtung begrenzt ist.17 Dies führt bei der Rechtsformwahl regelmäßig zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder – seltener – zur Aktiengesellschaft. Hingegen bleiben dem Bund die Personengesellschaften wegen der gegebenenfalls unbegrenzten Haftungsrisiken verwehrt. Indes ist auch bei den für den Bund zulässigen Rechtsformen vereinzelt von einer faktischen Nachschusspflicht des Bundes auszugehen.18 Dies gilt etwa dann, wenn im Krisenfall eine Insolvenz mit Blick auf Daseinsvorsorge oder Öffentlichkeitswirkung abgewendet werden muss.19 15 Andere Vorgehensweisen sind z. B.: Wahrnehmung durch Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts; Gewährung von Darlehen; Zuwendungen; Kooperationen in Form von schuldrechtlichen Verträgen (vgl. Bundesministerium der Finanzen [Hrsg.], Grundsätze guter Unternehmensführung [Fn. 6], Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 9). Zu der möglichen Unterscheidung von Privatisierungen nach Organisationsprivatisierung, Vermögensprivatisierung, materieller und funktionaler Privatisierung vgl. Claus Helm, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stuttgart Loseblatt Stand: Juli 2012, § 7 BHO Rn. 16. 16 Ein politisch begründetes Bundesinteresse kann beispielsweise in einem Kabinettsbeschluss zu sehen sein oder darin, dass das Vorhaben in der Koalitionsvereinbarung enthalten ist. Der Bund hat sein Beteiligungsinteresse auch in der jüngeren Vergangenheit nicht selten mit dem Argument der Daseinsvorsorge begründet, z. B. im Zusammenhang mit öffentlicher Infrastruktur. 17 Im Übrigen gilt für die Einzahlung des Bundesanteils: Das zuständige Bundesministerium muss die für das Eingehen einer Beteiligung erforderlichen Mittel besonders zur Verfügung stellen – es muss bereits bei Aufstellung des Haushaltsplans, also weit vor der Zahlung, prüfen, ob die Voraussetzungen von § 65 BHO erfüllt sind, und den Beauftragten für den Haushalt beteiligen. Denn die Veranschlagung kann eine Vorentscheidung zugunsten der (späteren) einwilligungsbedürftigen Kapitalzuführung darstellen (vgl. Bundesministerium der Finanzen [Hrsg.], Grundsätze guter Unternehmensführung [Fn. 6], Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 31–33). 18 Vgl. Karl-Heinz Nöhrbaß, in: Piduch (Fn. 15), § 65 BHO Rn. 9. 19 Besondere Öffentlichkeitswirksamkeit wird auch bei Rückverstaatlichungen wie im Falle der Bundesdruckerei anzunehmen sein.

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Der Bund muss einen angemessenen Einfluss in den Unternehmensorganen erhalten. Dies betont der Gesetzgeber für den Aufsichtsrat.20 Dort muss die Anzahl an Sitzen, die der Bund erhält, grundsätzlich seiner Anteilsquote entsprechen. Als Gesellschafter hat der Bund regelmäßig die Möglichkeit, in die Satzung für sich ein Recht zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern aufzunehmen. Die Beteiligungsverwaltungen sollen in geeigneten Fällen davon Gebrauch machen. Mit der Entsendung kann der Bund unabhängig von Aufsichtsrats-Wahlen die von ihm gewünschten Personen (nachfolgend: Bundesvertreter) im Aufsichtsrat positionieren. Die Bundesvertreter können der Bundesverwaltung angehören, es können aber auch externe Persönlichkeiten sein, etwa aus der Privatwirtschaft.21 In Einzelfällen waren Zugeständnisse des Bundes gegenüber künftigen privaten Miteigentümern zu erkennen, indem etwa für den Miteigentümer ein „zusätzlicher“ Sitz im Aufsichtsrat vorgesehen wurde. Zugeständnisse bei der Verteilung der Gesellschaftsanteile sind anzunehmen, wenn der Mitgesellschafter die knappe Mehrheit erhält oder eine knappe Sperrminorität, mit der er Satzungsänderungen verhindern kann. Solche Zugeständnisse können im Einzelfall als Verhandlungsergebnis nachvollziehbar sein. Sie sind jedoch später nur noch schwer zu korrigieren und deshalb im Entstehen kritisch zu hinterfragen. Ebenso prüft der Bundesrechnungshof, ob ein sachgerechter Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte besteht. Der „Zustimmungskatalog“ muss sicherstellen, dass der Aufsichtsrat in Entscheidungen von grundlegender Bedeutung eingebunden wird.22 So gab der Bundesrechnungshof Empfehlungen zur Wertgrenze, ab der Geschäfte einer Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Beteiligungsunternehmen des Bundes sind grundsätzlich darauf zu verpflichten, dass ihr Jahresabschluss und Lagebericht nach den Vorschriften für große Kapitalgesellschaften erstellt und geprüft werden.23 Dies beinhal20 § 65 Abs. 1 Nr. 3 BHO; in den einschlägigen Regelwerken findet sich häufig der Begriff Überwachungsorgan; davon sind dem Aufsichtsrat vergleichbare Organe umfasst (beispielsweise bei der GmbH ohne Aufsichtsrat die Gesellschafterversammlung). 21 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 13 und 66. Als geeignete Fälle sind in jedem Falle große Bundesbeteiligungen anzusehen (§ 267 HGB). Aber auch bei kleinen und mittelgroßen Bundesbeteiligungen kann es geboten sein, dass der Bund Personen in den Aufsichtsrat entsendet, etwa mit Blick auf die Öffentlichkeitswirkung der Unternehmung. 22 Für einen Muster-Zustimmungskatalog vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Anlage 2 (s. dort § 7 Muster des Gesellschaftsvertrages für Gesellschaften mit beschränkter Haftung). 23 Ergibt sich dies nicht bereits aus den handelsrechtlichen Vorschriften, so ist es in der Satzung zu verankern, vgl. Karl-Heinz Nöhrbaß, in: Piduch (Fn. 15), § 65 BHO Rn. 11.

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tet weiter gehende Aufgliederungs- und Erläuterungspflichten als sie für die Rechnungslegung kleiner und mittelgroßer Kapitalgesellschaften bestehen. An dem entsprechend hohen Aufwand entzündet sich nicht selten Kritik des zuständigen Bundesministeriums. Häufig sind (geplante) Unternehmen zunächst von so geringer Größe, dass nach den Größenklassen laut Handelsgesetzbuch keine große Kapitalgesellschaft vorliegt. Dann trägt das zuständige Ministerium mitunter vor, dass der Aufwand für Rechnungslegung, Berichterstattung und Prüfung bei einer solchen Gesellschaft unverhältnismäßig hoch sei. Dem hält der Bundesrechnungshof nicht nur das Ziel der Gesetzesvorgabe entgegen, für die Beteiligungsverwaltung des Bundes eine hohe und einheitliche Qualität in der Rechnungslegung sicherzustellen.24 Er betont auch, dass bei jeder Bundesbeteiligung öffentliche Gelder, die der Bund dem Unternehmen zur Verfügung stellt, „staatsfern“ gebunden werden: Eingriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand werden nur insoweit bestehen, wie Haushaltsrecht des Bundes, Gesellschaftsrecht und Unternehmensstatuten dies zulassen. Weiter kann der Bundesrechnungshof auf Beteiligungen verweisen, deren Wachstum über das ursprünglich vorgesehene Maß weit hinausging.25 Daher können verringerte Anforderungen an den Jahresabschluss nur im Einzelfall aus Zweckmäßigkeitserwägungen akzeptiert werden. Auch muss die Beteiligungsverwaltung über diese Zweckmäßigkeitserwägungen jährlich erneut entscheiden und die Gründe dokumentieren.26 Das zuständige Bundesministerium hat darauf hinzuwirken, dass ihm die Bundesbeteiligung das Eingehen von (mittelbaren Bundes-)Beteiligungen vorab zur Zustimmung vorlegt (§ 65 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung).27 Indes schreibt die Bundeshaushaltsordnung nicht ausdrücklich vor, dass auch an jeder mittelbaren Bundesbeteiligung ein wichtiges Bundesinteresse nachgewiesen werden muss; und auch die Begrenzung der Einzahlungsverpflichtung ist bei mittelbaren Beteiligungen nicht vorgeschrieben28 (Gefahr des Durchschlagens einer Nachschusspflicht der Muttergesellschaft auf den 24 Vgl. Manfred Eibelshäuser / Karsten Nowak, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 4), § 65 BHO Rn. 56. 25 Dies kann sich in Umsatz, Bilanzsumme und Personalbestand der Unternehmen niederschlagen, aber auch in dem Eingehen von Unterbeteiligungen. 26 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil A – Public Corporate Governance Kodex des Bundes, Nr. 7.1.1 mit Anmerkung. Weiterer Ausnahmegrund können entgegenstehende gesetzliche Vorschriften sein, etwa aus dem Zuwendungsrecht. 27 Vgl. hierzu Manfred Eibelshäuser / Karsten Nowak, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 4), § 65 BHO Rn. 69. 28 § 65 Abs. 3 Satz 3 BHO enthält nicht den Verweis auf Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Vorschrift.

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Bund29). Zwar hat die Beteiligungsverwaltung nach den „Grundsätzen“ auf die Wahrung des Bundesinteresses soweit möglich auch im mittelbaren Bereich hinzuwirken.30 Gleichwohl werden die Formulierung des Unternehmensgegenstands und die dazugehörigen Formulierungen in der Satzung lange nachwirken. Gibt die Satzung dem Unternehmen für die Gründung oder den Erwerb von Beteiligungen weiten Freiraum, schmälert dies künftig die Möglichkeiten des Bundes, ein riskantes Konzernwachstum wirksam abzulehnen. Der Bundesrechnungshof verwendet die „Grundsätze“ als Prüfungsmaßstab. Er unterstützt das Bundesministerium der Finanzen bei seinem Anliegen, dass die zuständigen Bundesressorts den Public Corporate Governance Kodex des Bundes im Regelwerk der Unternehmen wirksam verankern.31 Auch haben Bundesrechnungshof und Bundesministerium der Finanzen nicht selten ähnliche kritische Fragen zu den ihnen vorgelegten Beteiligungsvorhaben. Von besonderer Bedeutung für die Tätigkeit des Bundesrechnungshofes ist die Verankerung seiner Prüfungsrechte. Nach § 92 Bundeshaushaltsordnung prüft er die Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unternehmen. Dies umfasst sein Recht zu Erhebungen im Ministerium.32 Im Unternehmen selbst kann der Bundesrechnungshof sich unterrichten, wenn dies erforderlich33 und in den Unternehmensstatuten verankert ist. Die Verankerung ist unproblematisch bei Mehrheitsbeteiligungen des Bundes (§ 54 Haushaltsgrundsätzegesetz). Aber auch bei Minderheitsbeteiligungen des Bundes soll das Ministerium in bestimmten Fällen auf entsprechende Unterrichtungsrechte für den Bundesrechnungshof hinwirken.34 Stellt der Bundesrechnungshof fest, dass seine vom Gesetzgeber gewollten Unterrichtungsrechte im Satzungsentwurf nicht vorgesehen sind, hält er das zuständige Bundesministerium an, tätig zu werden.35 29

Vgl. Karl-Heinz Nöhrbaß, in: Piduch (Fn. 15), § 65 BHO Rn. 13. Vgl. Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes, Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 19; vgl. auch Manfred Eibelshäuser / Karsten Nowak, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 4), § 65 BHO Rn. 72. 31 Der überwiegende Teil der Mehrheitsbeteiligungen des Bundes wendet den Corporate Governance Kodex des Bundes inzwischen an, vgl. Werner Gatzer, Drei Jahre Public Corporate Governance Kodex des Bundes – ein erstes Resümee, in: Public Governance, Winter 2012, S. 4 (5). 32 §§ 92, 95 BHO. 33 Im Unternehmen selbst kann der Bundesrechnungshof solchen Fragen nachgehen, die er bei der Beteiligungsverwaltung nicht klären kann. 34 So § 67 Abs. 1 BHO für Minderheitsbeteiligungen beispielsweise in der Rechtsform der GmbH, nicht jedoch für die Aktiengesellschaft. 35 Handlungspflicht des zuständigen Bundesministeriums (§ 66 BHO). 30

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Für jede Bundesbeteiligung muss das zuständige Ressort jährlich einen Bericht nach § 69 Bundeshaushaltsordnung erstellen. Darin muss es zu einer Reihe von Fragen Stellung nehmen, unter anderem dazu, wie es bedeutsame Vorgänge bei der Beteiligung im abgelaufenen Geschäftsjahr beurteilt und ob es Bedenken zur Vermögens- und Finanzlage hat.36 Auch muss das Ressort die Frage beantworten, ob das wichtige Bundesinteresse noch besteht und ob der angestrebte Zweck sich besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt.37 Hierzu stellt der Bundesrechnungshof in seiner Betätigungsprüfung mitunter fest, dass Beteiligungsverwaltungen zwar auf das Fortbestehen des Bundesinteresses eingehen, die geforderte Aussage zur Erreichung des Zwecks hingegen nicht vorlegen.38 Zu fordern ist, dass die Beteiligungsverwaltung bereits mit Gründung bzw. Erwerb einer Beteiligung Zielgrößen festlegt, mit denen sie die Zweckerreichung später kontrollieren kann.39 Bei Festlegung der Zielgrößen wie auch bei der späteren Kontrolle kann die Beteiligungsverwaltung erforderlichenfalls externe Unterstützung hinzuziehen.40 IV. Beteiligungsführung und Betätigungsprüfung Die längste Phase im „Lebenslauf“ einer Bundesbeteiligung ist regelmäßig die Zugehörigkeit zum Beteiligungsbestand des Bundes. Auf die „laufende“ Beteiligungsverwaltung entfällt der größte Teil der Betätigungsprüfung durch den Bundesrechnungshof. Ihm gehen über die Informationen aus seinen Prüfungen hinaus jährlich die Unterlagen zu, die dem Bund als Anteilseigner zugänglich sind (§ 69 Satz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung).41 36 Vgl. im Einzelnen Verwaltungsvorschrift zur Bundeshaushaltsordnung (VV) zu § 69 BHO. 37 VV Nr. 2.9 zu § 69 BHO. 38 Die Diskussion wird von Beteiligungsverwaltungen gelegentlich dahin verengt, eine zahlenmäßige Kontrolle der Zweck-Erreichung sei bei dem betreffenden Unternehmensgegenstand nicht möglich. Dem ist entgegenzuhalten, dass verschiedenste Kontrollen der Anforderung „Messbarkeit“ genügen können (Bsp.: „erfüllt / nicht erfüllt“). Darüber hinaus können im Normalfall unternehmens-, branchen- oder zeitbezogene Kennzahlen als weiterer Bestandteil der Kontrolle erarbeitet werden. 39 Bei erst nachträglicher Festlegung von Zielgrößen ist nicht auszuschließen, dass aus allen verfügbaren Unternehmensinformationen „positive“ Teile ausgewählt und überbetont werden. 40 So sind Schwerpunktsetzungen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung übliche Praxis des Aufsichtsrats und könnten auch hier für den Bund ein gangbarer Weg sein (z. B. Fragenkreis Nr. 3 „Planungswesen, Rechnungswesen, Informationssystem und Controlling“ sowie Nr. 10 „Berichterstattung an das Überwachungsorgan“). 41 Zu den zu übersendenden Unterlagen vgl. im Einzelnen: Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 90.

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Weiter erhält der Bundesrechnungshof auch die Berichte der Bundesvertreter im Aufsichtsrat mitsamt den ihnen vorliegenden Unternehmensunterlagen.42 Der Gesetzgeber entbindet die Bundesvertreter für die Weitergabe dieser Unterlagen an die Beteiligungsverwaltung von ihrer gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht (§ 394 Aktiengesetz). Zugleich unterwirft er die handelnden Personen in der Beteiligungsverwaltung und im Bundesrechnungshof der Verschwiegenheitspflicht (§ 395 Aktiengesetz). Er trägt so dem Schutzbedürfnis der Bundesbeteiligung Rechnung.43 Auf den geschilderten Informationswegen erhält der Bundesrechnungshof ein ausreichendes Maß an Information, um seine Aufgaben erfüllen zu können. Die Beteiligungsverwaltung des Bundes ist dezentral organisiert.44 Allerdings kommt dem Bundesministerium der Finanzen über die haushaltsrechtlichen Genehmigungserfordernisse bei Gründung bzw. Erwerb einer Beteiligung hinaus auch bei der Beteiligungsführung eine Schlüsselrolle zu. So erarbeitete und pflegte es die „Grundsätze“. Außerdem richtet es jährlich einen Erfahrungsaustausch der Beteiligungsverwaltungen von Bund und Ländern aus. Und nicht zuletzt ist das Bundesministerium der Finanzen neben dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine der beiden nach Zahl und Bilanzsumme der Beteiligungen größten Beteiligungsverwaltungen des Bundes. Daneben werden Beteiligungen von einer Reihe weiterer Ressorts geführt.45 42

§ 69 S. 1 Nr. 2 BHO. Auch bei der GmbH ist nach hiesiger Meinung die Weitergabe der Unterlagen des Unternehmens in analoger Anwendung von §§ 394 f. AktG zulässig, vgl. Jan Schürnbrand, in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Auflage, München 2011, § 394 AktG Rn. 8 m. w. N. Davon abgesehen hat der Bund – wie jeder andere GmbH-Gesellschafter auch – ein weitgehendes Recht zur Information über die Angelegenheiten der Gesellschaft und zur Einsicht in deren Unterlagen (§ 51a GmbHG). 44 Nach der Haushaltsrechtsreform 1969 hatte der Bund erwogen, die Verwaltung seiner großen Industriebeteiligungen auf eine Bundes-Holding zu übertragen, dies jedoch aus wettbewerbspolitischen Gründen nicht weiterverfolgt, vgl. Karl-Heinz Nöhrbaß, in: Piduch (Fn. 15), § 65 BHO Rn. 2. Der Wettbewerbsaspekt dürfte auch für den heutigen Beteiligungsbestand des Bundes gelten. Zudem würde mit dezentraler Beteiligungsverwaltung die fachliche Nähe der Beteiligung zum zuständigen Ressort aufgegeben. 45 Neben dem Bundesministerium der Finanzen und Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sind dies: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie; Bundesministerium der Verteidigung; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; Bundesministerium für Bildung und Forschung; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien; Auswärtiges Amt; Bundesministerium der Justiz; Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Bundesministerium des Innern; Bundesministerium für Familie, Senio43

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Wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Beteiligungsverwaltung ist deren angemessene Personalausstattung. Sie muss nach Zahl, Qualifikation und Fortbildung der Handelnden gewährleisten, dass die Bundesanteile sowohl nach den haushaltsrechtlichen, handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben wie auch den „Grundsätzen“ sachgemäß betreut werden. Dies ist von allen beteiligungsverwaltenden Ressorts sicherzustellen. Im Rahmen der Betätigungsprüfung gelangt der Bundesrechnungshof auch zu Empfehlungen hinsichtlich der Personalausstattung. Er hat sich vereinzelt bereits für personelle Verstärkungen von Beteiligungsverwaltungen ausgesprochen und auf das Erfordernis einer laufenden Fort- und Weiterbildung hingewiesen. Dazu gehört auch der jährliche Erfahrungsaustausch von Beteiligungsverwaltungen, in den der Bundesrechnungshof Beiträge einbringt. Zu den Daueraufgaben der Beteiligungsverwaltung zählt die Zusammenarbeit mit den Bundesvertretern im Aufsichtsrat. Dies umfasst insbesondere die Sitzungsvorbereitung und -nachbereitung. Hier prüft der Bundesrechnungshof, ob die Beteiligungsverwaltung die Behandlung wichtiger Themen im Aufsichtsrat hinreichend vorbereitet. Aus der Privatwirtschaft bekannte Probleme lassen sich dabei auch bei Bundesbeteiligungen feststellen. Das betrifft zum Beispiel dem Aufsichtsrat vorgelegte Zahlenwerke, die einen Mangel an Kontinuität (Vergleichbarkeit) aufweisen. Mitunter sind zu seltene Sitzungen des Aufsichtsrats festzustellen.46 Kritisieren musste der Bundesrechnungshof den Fall eines Aufsichtsrats, der von der Geschäftsleitung einen Bericht verlangte, ohne dessen Eingang zu überwachen. Der Aufsichtsrat hielt auch nicht den Änderungsbedarf zum Berichtssystem nach, obwohl er ihn mit der Geschäftsleitung erörtert und im Protokoll festgehalten hatte. Der Bundesrechnungshof hielt der Beteiligungsverwaltung vor, dass sie diese Mängel nicht in der Sitzungsvorbereitung für den Bundesvertreter aufgegriffen hatte. Er sah in den Mängeln eine „Bringschuld“ der Geschäftsleitung und zugleich eine „Holschuld“ des Aufsichtsrats. Designierte Vertreter des Bundes sollen mit der Mandatsübernahme eine schriftliche Erklärung zu ihrer Zusammenarbeit mit der Beteiligungsverwalren, Frauen und Jugend (vgl. Bundesministerium der Finanzen [Hrsg.], Die Beteiligungen des Bundes [Fn. 1], S. 131–135). 46 In Beispielsfällen unterschritt die Sitzungsfrequenz den laut Satzung vorgeschriebenen Turnus; je nach Unternehmenssituation empfahl der Bundesrechnungshof auch Sitzungen in kürzeren als den vorgeschriebenen Zeitabständen. Generell erwartet der Bund bei Beteiligungen – auch an Unternehmen, die nicht als Aktiengesellschaft geführt werden –, dass sich Inhalt und Turnus der Berichte an den Aufsichtsrat an § 90 AktG orientieren; vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil A – Public Corporate Governance Kodex des Bundes, Nr. 3.1.3.

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tung des Bundes abgeben.47 In dieser Erklärung sagen sie zu, bei der Mandatsausübung ihr Stimmverhalten im Aufsichtsrat mit der Beteiligungsverwaltung zu beraten, neben den Gesellschaftsinteressen auch die besonderen Bundesinteressen zu berücksichtigen und die Beteiligungsverwaltung frühzeitig über die Sitzung zu unterrichten. Weiter erklären sie, dass sie die Beteiligungsverwaltung über mögliche Interessenkonflikte informieren und einer etwaigen Abberufung durch das zuständige Bundesministerium sofort Folge leisten. Die Erklärung als solche stellt eine Routineangelegenheit dar,48 doch bedarf das Stimmverhalten der Bundesvertreter ständiger Begleitung durch die Beteiligungsverwaltung. So stimmten bei einer politisch herausgehobenen Bundesbeteiligung die Bundesvertreter aus verschiedenen Ressorts nicht einheitlich über den Wirtschaftsplan ab. Sie hatten sich jeweils nur mit „ihrem“ Ressort verständigt, nicht jedoch untereinander.49 Der Bundesrechnungshof bat die Beteiligungsverwaltung, künftig auf eine einheitliche Haltung des Bundes im Aufsichtsrat zu achten. Die Bundesvertreter sollen neben den Gesellschaftsinteressen das besondere Bundesinteresse berücksichtigen (vgl. § 65 Abs. 6 BHO). Mit ihrer Einverständniserklärung geben die Bundesvertreter nicht ihre eigenverantwortliche und freie Mandatsausübung auf.50 Zumindest trifft der Bund mit der Einverständniserklärung die mögliche Vorsorge für den Fall, dass Bundesinteresse und Interesse der Unternehmensleitung auseinanderfallen. Ein solcher Fall ist zumindest dann wahrscheinlich, wenn das Bundesinteresse 47 Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil C – Berufungsrichtlinien, Anlage 1: Muster einer Erklärung für Mitglieder von Überwachungsorganen, die dem öffentlichen Dienst angehören, und Anlage 2: Muster einer Erklärung für Mitglieder von Überwachungsorganen, die nicht dem öffentlichen Dienst angehören. 48 Nur vereinzelt musste der Bundesrechnungshof die Beteiligungsverwaltung anhalten, die Erklärung noch einzuholen. In der Regel erledigen die Beteiligungsverwaltungen dies von sich aus routinemäßig, beispielsweise wenn das Mandat bereits in der Vergangenheit mit Ministeriumspersonal besetzt wurde. 49 Eine einheitliche Haltung des Bundes herbeizuführen ist ihre Vorgabe aus VV Nr. 3 zu § 65 BHO. Vgl. auch Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 62. 50 Zu den Grundsätzen vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 76). Vertritt i. Ü. der Bundesvertreter weisungsgemäß im Aufsichtsrat eine Haltung, die dem Wohl des Unternehmens zuwiderläuft, kann er ggf. vom Unternehmen haftbar gemacht werden. Unter den Voraussetzungen der §§ 63 Abs. 2 und 102 BBG kann er von diesen Ansprüchen durch seinen Dienstherrn freigestellt werden.

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an der Beteiligung nicht mehr besteht und die Beteiligung risikobehaftete Geschäfte betreibt. Verfolgt die Unternehmensleitung beispielsweise ein riskantes Konzernwachstum, muss der Bund sich über das Einwilligungsverfahren hinaus auch darauf stützen können, dass die Bundesvertreter im Aufsichtsrat seine Interessenlage berücksichtigen. Der Bund sollte nicht über seine mittelbaren Beteiligungen in Geschäftsfelder gebracht werden, an denen kein wichtiges Bundesinteresse besteht. Wesentliche Grundlage einer effektiven Zusammenarbeit der Bundesvertreter mit der Beteiligungsverwaltung sind die Sitzungsberichte.51 Sie können das spätere Protokoll in den Bereichen erweitern, die für die Beteiligungsverwaltung des Bundes wichtig sind. Auch dienen sie als eine Rückkopplung zu den Vorschlägen und Empfehlungen, die die Beteiligungsverwaltung dem Bundesvertreter im Vorfeld der Sitzung gegeben hat. Die Sitzungsberichte sind daher keine Formalie, sondern wichtiger Bestandteil einer wirksamen Beteiligungsführung. Sie gehören zu den Unterlagen, die der Bundesrechnungshof im Rahmen der Betätigungsprüfung würdigt.52 Bundesvertreter im Aufsichtsrat haben – wie dessen weitere Mitglieder – die Geschäftsführung zu überwachen und zu beraten. Dies setzt die regelmäßige Teilnahme der Bundesvertreter an den Sitzungen des Aufsichtsrats voraus. Fehlt ein Bundesvertreter wiederholt in der Sitzung, fordert der Bundesrechnungshof die Beteiligungsverwaltung auf, für Abhilfe zu sorgen. Dabei weist er auf die Risiken aus ungenügender Mandatserfüllung hin.53 Zugleich kann die Pflicht des / der Aufsichtsratsvorsitzenden angesprochen sein, für die inhaltliche Arbeitsfähigkeit des Aufsichtsrats Sorge zu tragen. Mangelt es dem Bundesvertreter an der eigentlich selbstverständlichen Voraussetzung, dass er für das Mandat genügend Zeit haben muss, wird bisweilen eine Vertretung vorgeschlagen. Jedoch sind Mandate im Aufsichtsrat personengebunden; eine Vertretungsmöglichkeit besteht nicht.54 Ist keine Besserung zu erwarten, etwa weil auch eine Kritik des Bundesrechnungsho51 Die Berichte sollen schriftlich sein, vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil B – Hinweise für gute Beteiligungsführung bei Bundesunternehmen, Nr. 49. 52 Der Bundesrechnungshof konnte feststellen, dass bezüglich der großen Bundesbeteiligungen frühzeitige, vor dem Protokollentwurf eintreffende Sitzungsberichte üblich geworden sind. 53 Regressrisiko aus Verletzung der Überwachungspflicht (§§ 111, 116 AktG). 54 Angesichts dessen hat sich die Stimmbotschaft ebenso eingebürgert wie die Sitzungsteilnahme per Telefon. Beides ist kritisch zu sehen. Bei der Stimmbotschaft nimmt der Bundesvertreter weder zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt noch zu den weiteren an der Diskussion teil; der Bund erhält von ihm keinen Sitzungsbericht. Die telefonische Sitzungsteilnahme beschränkt sich in der Praxis mitunter auf einen Teil der Sitzung.

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fes keine Verhaltensänderung bewirkt hat, drängt der Bundesrechnungshof die Beteiligungsverwaltung, das Mandat neu zu besetzen. Er macht dabei unter anderem geltend, dass mit der Bindung öffentlicher Mittel im Unternehmen eine pflichtgemäße und sogar vorbildliche Mandatsausübung durch die Bundesvertreter im Aufsichtsrat einhergehen muss. Weiter hält der Bundesrechnungshof nach, ob die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Zeitablauf noch den rechtlichen Vorgaben entspricht. So hat er eine Beteiligungsverwaltung angehalten, bei gesunkener Arbeitnehmerzahl einer Bundesbeteiligung darauf hinzuwirken, dass das vorgeschriebene Verhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sichergestellt wird.55 Bei seinen Mehrheitsbeteiligungen kann der Bund verlangen, dass das Unternehmen die Prüfung des Jahresabschlusses um einen Bericht zur Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft erweitern lässt (§ 53 Haushaltsgrundsätzegesetz). Dies umfasst einen Fragenkatalog, dessen Beantwortung eine wichtige Informationsquelle für den Bundesrechnungshof wie auch für die Beteiligungsverwaltung ist.56 Der Bundesrechnungshof ist an der Auswahl des Prüfers zu beteiligen: Die Beteiligungsverwaltung legt ihm Auswahlverfahren und eingegangene Angebote anhand von Unterlagen dar, die sie vom Unternehmen erhalten hat. Sie bittet den Bundesrechnungshof, das Einvernehmen über den vorgeschlagenen Abschlussprüfer herzustellen (Verfahren nach § 68 Bundeshaushaltsordnung).57 Rechtswirksame Verpflichtungen dürfen bis dahin noch nicht eingegangen sein. Der Bundesrechnungshof stellt das Einvernehmen her, wenn er von dem vorgeschlagenen Abschlussprüfer einen sachgemäßen erweiterten Abschlussprüfungsbericht erwarten kann. Weist später der Bericht nach § 53 Haushaltsgrundsätzegesetz Mängel auf, etwa weil der Abschlussprüfer anstelle geforderter Angemessenheitsurteile58 beschreibende Ausführungen gibt, kann der Bundesrechnungshof dies unmittelbar oder in einem späteren Verfahren nach § 68 Bundeshaushaltsordnung ansprechen. 55 Der Aufsichtsrat war in einem Fall noch paritätisch besetzt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG). Geboten war hier ein Statusverfahren (§§ 97–99 AktG) mit dem absehbaren Ergebnis, dass der Aufsichtsrat nur noch zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen musste (§ 4 Abs. 1 DrittelbG). 56 Zu § 53 HGrG hat das Institut der Wirtschaftsprüfer gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesrechnungshof und den Rechnungshöfen der Länder den Fragenkatalog IDW PS 720 erarbeitet. 57 Eigene Einwendungen gegen den Vorschlag hat die Beteiligungsverwaltung zu diesem Zeitpunkt erfahrungsgemäß nicht mehr. 58 So verlangt der Fragenkatalog IDW PS 720 zu § 53 HGrG Aussagen zu der Angemessenheit von Risikomanagement und interner Revision.

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Am Rande des Verfahrens zur Herstellung des Einvernehmens nach § 68 Bundeshaushaltsordnung stellen sich häufig vergaberechtliche Fragen, z. B. hinsichtlich des Vertragszeitraums oder des Wechsels des Abschlussprüfers:59 Wünscht das Unternehmen eine Mandatierung desselben Abschlussprüfers über mehrere Jahre hinweg, achtet der Bundesrechnungshof darauf, ob angesichts des Gesamtauftragswerts das richtige Vergabeverfahren gewählt wurde.60 Außerdem stellt er in geeigneten Fällen das Einvernehmen nicht nur für das Folgejahr, sondern widerruflich für bis zu (höchstens) drei weitere Jahre her.61 Der Bundesrechnungshof empfiehlt darüber hinaus dem Bund, bei vorgesehener Bestellung desselben Abschlussprüfers über mehr als vier Jahre die verantwortlichen Prüfer62 einem internen Wechsel unterziehen zu lassen. Diese Anregung verbindet er mit der EinvernehmensHerstellung zum vorgeschlagenen Abschlussprüfer. Üblicherweise bestellt oder wählt anschließend die Anteilseignerversammlung den Abschlussprüfer und der Aufsichtsrat erteilt diesem den Auftrag.63 Auch Vergütungsfragen können Gegenstand der Betätigungsprüfung sein. Zur Beurteilung beispielsweise der Vergütung von Geschäftsleitungen zieht der Bundesrechnungshof Vergütungsstudien aus der Privatwirtschaft heran.64 Der Bundesrechnungshof prüft, ob solche oder gleichwertige Informationen in die (Anstellungs-)Entscheidung des Aufsichtsrats, aber auch in die jährliche Beurteilung durch die Beteiligungsverwaltung65 eingegangen sind. 59 Das Vergabeverfahren ist grundsätzlich nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 68 BHO. Es kann jedoch Gegenstand der Betätigungsprüfung sein (§ 92 BHO). 60 Europaweite Ausschreibungspflicht, wenn öffentlicher Auftraggeber (z. B. Bundesbeteiligung) mit dem Gesamtwert der vorgesehenen Beauftragungen eines Abschlussprüfers – den in § 2 Vergabeverordnung genannten Schwellenwert überschreitet (ab 22. März 2012: 200.000 Euro) oder – den in § 1 Abs. 2 Sektorenverordnung mit dynamischem Verweis angegebenen Schwellenwert als Sektorenauftraggeber überschreitet (ab 22. März 2012: 400.000 Euro). 61 Dies gilt beispielsweise, wenn es vertretbar ist, auf ein jährliches Verfahren nach § 68 BHO mit Blick auf den damit einhergehenden Verwaltungsaufwand zu verzichten. 62 Gemeint sind die Hierarchieebenen unterhalb des verantwortlichen Abschlussprüfers, z. B. der / die Prüfungsleiter / -in. 63 Bestellung / Wahl: § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG bzw. für die GmbH § 318 HGB; Auftragserteilung: § 111 Abs. 2 S. 3 AktG und für die GmbH § 52 Abs. 1 GmbHG bzw. § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, jeweils i. V. m. § 111 Abs. 2 S. 3 AktG. 64 Die Studien werden von Personalberatungsunternehmen auf breiter Datenbasis erstellt und am Markt angeboten. 65 Die Beteiligungsverwaltung hat jährlich zu beurteilen, ob die Bezüge der Mitglieder der Geschäftsleitung als angemessen anzusehen sind, vgl. VV Nr. 2.4 zu § 69 BHO.

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Weiterer Prüfungsgegenstand sind die Regelungen zur variablen Vergütung. Mehrfach hat der Bundesrechnungshof beanstandet, dass vergütungsbezogene Zielvereinbarungen erst zustande gekommen waren, als der Bezugszeitraum bereits vorangeschritten war. In anderen Fällen waren Erfolgsgrößen, von denen die variable Vergütung abhing, nicht oder nicht hinreichend messbar. Insgesamt ist die Beurteilung der variablen Vergütung bei großen Bundesbeteiligungen anspruchsvoller geworden: Die gesetzliche Vorgabe mehrjähriger Bemessungsgrundlagen gilt auch bei großen Bundesbeteiligungen oder strahlt auf sie aus.66 Unabhängig von der Vergütungshöhe stellen die komplexer gewordenen Vergütungsvereinbarungen inzwischen eine Herausforderung für Unternehmensorgane und Beteiligungsverwaltungen des Bundes dar. V. Veräußerung von Beteiligungen als Herausforderung der Betätigungsprüfung Der Bund prüft regelmäßig, ob das Bundesinteresse an einer Beteiligung noch vorliegt. Die beteiligungsverwaltenden Ressorts sind gehalten, hierauf in ihren jährlichen Berichten an den Bundesrechnungshof nach § 69 Bundeshaushaltsordnung einzugehen.67 Außerdem erstellt das Bundesministerium der Finanzen regelmäßig im Zusammenwirken mit den zuständigen Ressorts einen Bericht über die „Verringerung von Beteiligungen des Bundes“.68 Darin trifft das Bundesministerium der Finanzen für Bundesbeteiligungen Aussagen zu Stand und Perspektive des Anteilsverkaufs. Über diesen Bericht, den man als „Privatisierungsprogramm“ der Bundesregierung verstehen kann, beschließt sodann das Bundeskabinett. Der Bundesrechnungshof hält nach, ob die ihm vorliegenden Aussagen zum Interesse des Bundes an seinen Beteiligungen alle einschlägigen Tatsachen enthalten. Wenn das Bundesinteresse verneint worden ist, achtet er darauf, ob die Beteiligungsverwaltung die Privatisierung einleitet oder vorantreibt. Dabei stellte er in einem Fall fest, dass eine Privatisierung immer noch nicht begonnen worden war, obwohl der Bund sein Interesse an der Beteiligung bereits deutlich zuvor verneint hatte. Der Bundesrechnungshof 66 Die gesetzlichen Vorgaben für börsennotierte Unternehmen (§ 87 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG) kommen über den „Public Corporate Governance Kodex des Bundes“ auch für die nicht-börsennotierten Bundesbeteiligungen zur Anwendung, vgl. Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.), Grundsätze guter Unternehmensführung (Fn. 6), Teil A – Public Corporate Governance Kodex des Bundes, Nr. 4.3.2. 67 § 69 BHO und VV Nr. 2.9 zu § 69 BHO. 68 In zweijährigem Turnus erstellter Bericht des Bundesministeriums der Finanzen (Hrsg.), Verringerung von Beteiligungen des Bundes – Fortschreibung 2012, www.bundesfinanzministerium.de (Navigation: „Themen“, „Bundesvermögen“, „Privatisierungs- und Beteiligungspolitik“, „Privatisierungspolitik“).

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riet in diesem Fall dem Bund, die Beteiligungsverwaltung vom Fachressort auf das Bundesministerium der Finanzen zu verlagern. Damit sollte sowohl der Tatsache Rechnung getragen werden, dass kein fachliches Ressortinteresse mehr bestand, als auch nach außen betont werden, dass das Bundesinteresse auf den Veräußerungserlös gerichtet war. Nachfolgend betrieb das Bundesministerium der Finanzen die Beteiligungsverwaltung und die Privatisierung. Die Privatisierung von Bundesbeteiligungen ist unverändert eine Herausforderung für den Bund. In den letzten Jahren hat der Bund mehrfach die in den Bundeshaushaltsplan eingestellten Privatisierungserlöse nicht erreicht.69 Aber auch der Zeitbedarf für eine Privatisierung kann nicht genau geplant werden. Mit Bekanntwerden der Veräußerungsabsicht wird das (Fort-)Bestehen eines Bundesinteresses politisch diskutiert. Dies gilt nicht nur für die großen Bundesbeteiligungen.70 Überdies kann die Bundesbeteiligung selbst ein Interesse daran haben, sich den Bund als solventen und „vorzeigbaren“ Anteilseigner zu erhalten. Langwierige und schwierige Entscheidungsprozesse laufen, wenn der Bund sich in einer Gemeinschaft mit anderen öffentlichen Anteilseignern befindet: Häufig ist er in einer solchen Konstellation nach der Satzung auf die Einigung mit seinen Miteigentümern angewiesen, wenn er Gesellschaftsanteile veräußern will. Und selbst bei formal „ungehinderten“ Veräußerungsmöglichkeiten kann die Aufnahmefähigkeit des Marktes, z. B. in Form des Börsenkurses, nur einen schrittweisen Abverkauf erlauben.71 Im Ergebnis liegt zwischen dem Zeitpunkt, in dem das Bundesinteresse an einer Beteiligung verneint wird, bis zu ihrer Veräußerung ein Zeitraum von mehreren Jahren. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes ergeben sich daraus die folgenden Konsequenzen. Erstens ist ein Privatisierungszeitplan geboten, der den Veräußerungsprozess strukturiert und der in gebotenen Abständen selber aktualisiert wird. Und zweitens ist darauf zu achten, dass auch nach der „Verneinung des Bundesinteresses“ die Beteiligungsverwal69 Vgl. Bundesrechnungshof (Hrsg.), Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes 2011, S. 309, Nr. 82.3.2, www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Bemerkungen [Jahresberichte]“). 70 Ein Beispiel für politische Diskussion auch bei kleinen Beteiligungen war der Versuch, die wirtschaftlich wenig bedeutende Gästehaus Petersberg GmbH zu privatisieren. Mit dem Hinweis, aufgrund eines verschlechterten Marktumfelds für Hoteltransaktionen hätten die zuletzt interessierten Bieter keine für den Bund akzeptable Finanzierung zustande bringen können, stoppte im Jahr 2012 das Bundesfinanzministerium das Vorhaben. 71 Der Bund hat seine Anteile an der Deutschen Post AG und Teile seiner Anteile an der Deutschen Telekom AG an die Kreditanstalt für Wiederaufbau verkauft. Dort sind die Anteile mit Platzhalterverträgen „geparkt“ und werden schrittweise an der Börse abverkauft.

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tung professionell aufgestellt bleibt. Denn in der gegebenen Konstellation besteht das erhöhte Risiko eines Auseinanderdriftens von Interessen des Bundes und Unternehmensinteresse. Betreibt das Unternehmen etwa eine räumliche oder branchenbezogene Expansionsstrategie, bleibt der Bund an deren Chancen und Risiken beteiligt. Dies legte der Bundesrechnungshof jüngst einer Beteiligungsverwaltung des Bundes dar, die seine Argumentation bestätigen musste. Beteiligungen sind zu ihrem vollen Wert zu veräußern; dies ist der Wert, der im normalen Geschäftsverkehr – unter privaten Wirtschaftsteilnehmern – erzielt würde.72 Eine Veräußerung wie im normalen Geschäftsverkehr durchläuft zusammengefasst folgende Teilschritte: Zunächst verschafft sich der Bund eine eigene Vorstellung vom Unternehmenswert, häufig durch das Einholen von Gutachten. Anschließend ermittelt er mögliche Kaufinteressenten, die er mit Unterlagen über das Unternehmen ausstattet (Verkaufsmemorandum). Sie können nach eigener Prüfung (Due-Diligence-Prüfung) ihre Angebote abgeben. Dem unter Abwägung aller Umstände „besten Angebot“ erteilt der Bund den Zuschlag.73 Während der Veräußerung kommen auf Seiten des Bundes verschiedene Berater zum Einsatz.74 Die Inanspruchnahme von Beratern entspricht dem üblichen Vorgehen bei Unternehmensverkäufen. Der Beratereinsatz durch den Bund ist der Prüfung durch den Bundesrechnungshof ebenso zugänglich, wie es die übrigen Maßnahmen des Bundes im Rahmen der Veräußerung sind. Einzelne Beteiligungsverwaltungen haben in der Vergangenheit vorgebracht, der Bundesrechnungshof habe bezüglich laufender Privatisierungsverfahren kein Prüfungsrecht. Denn es handele sich typischerweise um noch nicht abgeschlossene Vorgänge, die zudem einer besonderen Vertraulichkeit unterlägen. Der Bundesrechnungshof vertritt hierzu die Auffassung, dass die abgeschlossenen Teilschritte der Veräußerung seiner Prüfung unterliegen. Gleichwohl trägt der Bundesrechnungshof in der Praxis den aufgetretenen Bedenken nach Möglichkeit Rechnung. So trifft er besondere Schutzvorkehrungen im Umgang mit vertraulichen Unternehmensdaten. Auch bemüht er sich um das gebotene „Fingerspitzengefühl“ bei seinen 72 Beteiligungen („Kapitalanteile“) gelten als Vermögensgegenstand im Sinne des § 63 Abs. 3 BHO (vgl. Nr. 2.1.6 VV zu § 65 BHO i. V. m. Nr. 2 VV zu § 63 BHO). Wie bei Gründung / Erwerb benötigt das zuständige Ministerium auch für die Veräußerung die Einwilligung des BMF und muss zudem das BMF als Vermögensministerium beteiligen (§ 65 Abs. 2 BHO). 73 Vgl. Christine Rabenschlag, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 4), § 63 BHO Rn. 16. Für Anteils-Veräußerungen an der Börse verwendet der Bund zur Preisfindung in der Regel das Bookbuilding-Verfahren (vgl. ebenda). 74 Unternehmensbewertung durch Wirtschaftsprüfer; Rechtsberater; Begleitung und technische Durchführung des Verfahrens durch Transaktionsberater.

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Erhebungen in der Beteiligungsverwaltung und bei dem Unternehmen selbst und vermeidet, dass bereits die Tatsache, dass er prüft, öffentlich bekannt wird. VI. Fazit und Ausblick Das Eingehen einer Beteiligung ist an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft, insbesondere an das Bestehen eines wichtigen Bundesinteresses. Für das Handeln des Bundes als Anteilseigner ist eine professionelle Beteiligungsführung erforderlich. Sie hat das Erreichen des Bundesinteresses jederzeit im Blick zu behalten und mit den Bundesvertretern im Aufsichtsrat effektiv zusammenzuarbeiten. Trennt sich der Bund von einer Beteiligung, muss er im Veräußerungsprozess alles dafür tun, deren vollen Wert zu erzielen. Umfangreiche gesetzliche Vorgaben muss seine Beteiligungsführung ebenso befolgen wie die „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“. In allen „Lebensphasen“ einer Bundesbeteiligung unterliegt das Handeln des Bundes der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Verstärkt informiert sich über die Bundesbeteiligungen der Deutsche Bundestag: An den seit dem Jahre 2010 stattfindenden Unterrichtungen des Bundesfinanzierungsgremiums (§ 69a Bundeshaushaltsordnung) nimmt auch der Bundesrechnungshof teil. Dabei kann er sowohl Erkenntnisse aus der Betätigungsprüfung an das Parlament herantragen als auch selbst neue Prüfungsansätze gewinnen. Noch auf lange Sicht dürfte der Beteiligungsbestand des Bundes umfangreich und auch heterogen bleiben. Gelungenen Privatisierungen oder schrittweisen Anteilsverkäufen stehen sich hinziehende Verkäufe und sogar neue Beteiligungen gegenüber.75 Damit stellen sich den Beteiligungsverwaltungen des Bundes anspruchsvolle Aufgaben. Ebenso vielgestaltig ist die Aufgabe des Bundesrechnungshofes, die Betätigung des Bundes bei privatwirtschaftlichen Unternehmen zu prüfen.

75 Ausgewählte Beteiligungen, die der Bund seit dem Jahr 2008 einging: Bundesdruckerei GmbH; Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS); ÖPP Deutschland AG; DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH; NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie; Bayreuther Festspiele GmbH. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau beteiligte der Bund sich an der European Aeronautic Defence and Space Company (EADS).

Prüfung der Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung Dieter Hugo* Die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie die Euro- und Staatsschuldenkrise haben den Aspekt solider Staatsfinanzierung verstärkt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion gerückt. Angesichts der steigenden politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen den europäischen Staaten sind eine nachhaltige Haushaltspolitik und tragfähige Staatsfinanzen mehr denn je unabdingbar. Vor allem für das Funktionieren der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bilden sie eine wichtige Voraussetzung. Im Zusammenhang mit der Staatsverschuldung spielen zudem die konjunkturellen Wirkungen finanzpolitischer Entscheidungen, das Verhältnis zwischen Finanzpolitik und Geldpolitik sowie die Herausforderungen des demografischen Wandels eine zunehmend wichtige Rolle. Im Rahmen seiner Prüfungsund Beratungsaufgaben beschäftigt sich der Bundesrechnungshof seit Jahren mit dem Thema der steigenden öffentlichen Verschuldung und ihrer Folgen insbesondere für den Bundeshaushalt. I. Schuldenanstieg als finanzwirtschaftliches Problem Als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sind die öffentlichen Schuldenstände vor allem in den Jahren seit 2007 deutlich gestiegen. Der Schuldenanstieg ist allerdings kein aktuelles Phänomen. Bereits im Jahr 1820 verfügte der damalige preußische König Friedrich Wilhelm III.: „Wir erklären diesen Staatsschulden-Etat auf immer für geschlossen. Ueber die darin angegebene Summe hinaus darf kein Staatsschuldschein oder irgend ein anderes Staatsschulden-Dokument ausgestellt werden. Sollte der Staat künftighin zu seiner Erhaltung oder zur Förderung des allgemeinen Besten in die Nothwendigkeit kommen, zur Aufnahme eines neuen Darlehns zu schreiten, so kann solches nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versammlung geschehen.“1 * Der Autor befasst sich als Prüfungsgebietsleiter im Bundesrechnungshof u. a. mit der Bestandsaufnahme und Analyse der finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes. Der Aufsatz wurde im Juli 2013 abgeschlossen. 1 Verordnung wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens vom 17. Januar 1820; Quelle: Preußische Gesetz-Sammlung 1820, S. 9.

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Bekanntlich haben die dem Preußischen König nachfolgenden Regenten, Regierungen und Parlamente in der Regel die Notwendigkeit gesehen, zur Finanzierung öffentlicher Auf- und Ausgaben auf Kredite zurückzugreifen. Im 20. Jahrhundert führten zudem zwei Weltkriege zu einem dramatischen Anstieg der Staatsverschuldung mit jeweils nachfolgenden Währungsreformen. Hierbei handelt es sich beileibe nicht nur um ein deutsches, sondern ein internationales Phänomen. Nachdem in den ersten Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkriegs in vielen Ländern ein Abbau der Schuldenstandsquoten2 zu verzeichnen war, steigen die Schulden seit den Siebzigerjahren vor allem in Staaten mit entwickelten Volkswirtschaften wieder verstärkt an (siehe Abschnitt V.1. Tabelle 1).3 Dieser Befund ist nicht überraschend, denn Kreditaufnahmen ermöglichen es Regierungen und Parlamenten, in einem Maß politisch gestaltend tätig zu werden, das die laufenden Einnahmen – also insbesondere die Steuereinnahmen – nicht erlauben würden. Allerdings gilt diese Feststellung nur für einen begrenzten Zeitraum. Auf längere Sicht werden durch eine fortwährende Neuverschuldung keine zusätzlichen Haushaltsspielräume eröffnet. Vielmehr zehren die kumulierten Zinsausgaben einen immer größer werdenden Anteil der durch Kreditaufnahmen gewonnenen Spielräume auf. Für den Bundeshaushalt zeigt dies exemplarisch ein Vergleich zwischen den Einnahmen aus der Nettokreditaufnahme einerseits und den aufzuwendenden Zinsausgaben andererseits.4 In den Jahren von 1980 bis 1990 und 1980 bis 2000 lagen die kumulierten Zinsausgaben noch knapp unter den in den beiden jeweiligen Zeiträumen insgesamt aufgenommenen neuen Krediten. Demgegenüber überstieg der Zinsaufwand für den Zeitraum von 1980 bis 2012 den Gesamtbetrag der in dieser Zeitspanne zur Haushaltsfinanzierung aufgenommenen Kredite mit 81 Milliarden Euro bereits deutlich (siehe Abbildung 1). Mit anderen Worten – alle seit 1980 neu aufgenommenen Kredite sind mittlerweile für 2 Die Schuldenstandsquote bildet den Anteil der öffentlichen Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ab. 3 Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht November 2012, Berichtsteil „Konsolidierung und Reformen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum“, Abbildung 1 (S. 7). 4 Dazu: Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2008, BT-Drs. 16 / 11000, Nr. 2.4.2 – soweit in den folgenden Fußnoten auf Bemerkungen des Bundesrechnungshofes verwiesen wird, handelt es sich um den Bemerkungsbeitrag „Feststellungen zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes“; dieser findet sich jährlich unter Abschnitt 2 des Teiles I („Allgemeiner Teil“) der Bemerkungen; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie 2007, S. 21 f. – zu finden unter: Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Kommissionsdrucksache 002 neu; vgl. dazu auch Paul Kirchhof, Die Staatsverschuldung als Ausnahmeinstrument, in: Festschrift für Reinhard Mußgnug, Heidelberg 2005, S. 131, 133.

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1000 900 800

Mrd. Euro

700

871 Kumulierte Zinsausgaben (ohne Zinserstattungen an Sondervermögen) Kumulierte Nettokreditaufnahme

790

600 500

435

454

400 300 200

152

172

100 0

1980–1990

1980–2000

1980–2012

Jahre

Abbildung 1: Kumulierte Nettokreditaufnahme und Zinsausgaben (Addition der in den jeweiligen Haushalten vereinnahmten bzw. verausgabten Mittel [ohne Abzinsung])

Zinszahlungen aufgebraucht worden. Damit kehrt sich das Ziel einer jeden Nettokreditaufnahme, zusätzliche finanzwirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, ins Gegenteil um. Der Haushalt gerät in eine Verschuldungsspirale, in der sich die aufgenommenen Schulden und die daraus folgenden Zinsbelastungen einerseits sowie die Nettokreditaufnahmen andererseits gegenseitig hochtreiben. Mit wachsender Gesamtverschuldung vergrößern sich damit auch die Konsolidierungserfordernisse an den Haushalt. Die stetige Aufnahme neuer Schulden erscheint damit als finanzwirtschaftliche Strategie nicht geeignet, Haushaltsprobleme dauerhaft zu lösen.5 Abgesehen von diesen negativen finanzwirtschaftlichen Auswirkungen der Nettokreditaufnahme ist weitgehend unbestritten, dass ungehemmtes Schuldenwachstum nachteilige Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben kann. Solide Staatsfinanzen hingegen unterstützen eine positive wirtschaftliche Entwicklung.6 Gesamtwirtschaftlich sind die Auswirkungen übermäßi5

Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2008, BT-Drs. 16 / 11000, Nr. 2.4.2. Zu den Theorien der Staatsverschuldung im Überblick: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie 2007, S. 31 ff.; auch die Europäische Zentralbank betont die negativen Auswirkungen hoher öffentlicher Schuldenstände auf die Wachstumsaussichten eines Lan6

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ger Staatsverschuldung beträchtlich.7 Hohe staatliche Kreditnachfrage lässt die Zinsen auf dem Kapitalmarkt tendenziell steigen. Als Folge sinkt der Anreiz, in privatwirtschaftliche Projekte zu investieren, da deren Rentabilität unterhalb der Rendite für öffentliche Anleihen liegt. Private Investitionen werden durch staatliche Schuldenaufnahme verdrängt. Hierdurch leidet die Wirtschaftsaktivität. Erreicht die Staatsverschuldung ein kritisches Niveau8 – gekennzeichnet durch starke Zinssteigerungen auf den Kapitalmärkten und den Rückzug privater Investoren –, hat der Staat nur noch drei Möglichkeiten: Entweder er erhöht seine Einnahmen, senkt seine Ausgaben oder betreibt Schuldenabbau über die Entwertung des Geldes, also über Inflation. Alle Maßnahmen gehen letztlich zulasten der Bürgerinnen und Bürger. II. Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland Blickt man auf die Verschuldungsentwicklung in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs, kann man im Wesentlichen drei Phasen ausmachen: In den Fünfziger- und Sechzigerjahren erlebte die junge Bundesrepublik einen enormen Wirtschaftsaufschwung mit hohen Wachstumsraten9 und vergleichsweise maßvollen Kreditaufnahmen. Die Bundeshaushalte 1953 bis 1956, 1961, 1969 und 1970 wiesen sogar Finanzierungsüberschüsse auf.10 Als Folge dieser durch eine weitgehend ungebrochene Hochkonjunktur gekennzeichneten Phase verharrte die Schuldenstandsquote auf einem niedrides, Monatsbericht März 2013, Berichtsteil „Entwicklung der Öffentlichen Finanzen“, S. 91–94. 7 Dritter Bericht des Bundesministeriums der Finanzen zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen 2011, der unter Hinweis auf die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise darauf verweist, dass neben dem demografischen Wandel auch der erreichte Schuldenstand und die Haushaltssituation am aktuellen Rand die langfristige Solidität der Staatsfinanzen gefährden können (S. 11). 8 In einer vom „National Bureau of Economic Research“ veröffentlichten Studie „Debt Overhangs: Past and Present“ (Working Paper Nr. 18015, April 2012) der amerikanischen Ökonomen Carmen und Vincent Reinhart sowie Kenneth Rogoff wurde festgestellt, dass Länder ab einer Schuldenstandsquote von 90 % des BIP zu schwächerem Wirtschaftswachstum tendieren als Länder unterhalb dieser Schwelle. Allerdings wurde diese Quote von anderen Ökonomen unter Hinweis auf unzulängliche Datengrundlagen infrage gestellt. Zudem dürfte für die Frage, ab wann eine Verschuldung für ein Land bedrohlich wird, neben der Schuldenquotenhöhe auch dessen spezielle ökonomische und finanzwirtschaftliche Situation eine nicht unerhebliche Rolle spielen. 9 Das jahresdurchschnittliche Wirtschaftswachstum betrug 8,2 % im Zeitraum 1950 bis 1960 und immerhin noch 4,4 % im Zeitraum 1960 bis 1970; demgegenüber lag die Wachstumsrate zwischen 2000 und 2010 nur noch bei 1,0 %. 10 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2013, Nr. 7: Tabelle 1 (S. 204–213).

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2.200 2.100

2.025 Mrd. Euro = 78 % des BIP

Gemeinden einschl. Zweckverbände

2.000

130

1.900

Länder einschl. Extrahaushalte

1.800

Bund einschl. Extrahaushalte

1.700 1.600

615

1.500 1.400 1.211 Mrd. Euro = 59 % des BIP

Mrd. Euro

1.300 1.200

98

1.100 1.000 338

900 800 700

538 Mrd. Euro = 38 % des BIP

600 500 400 300 200 100

1.280

64 239 Mrd. Euro = 28 % des BIP 49 70

168

775

306

120

0 1980

1990

Jahr

2000

2011

Abbildung 2: Entwicklung der öffentlichen Verschuldung (Wertpapierschulden und Kredite einschließlich Kassenkredite beim nicht-öffentlichen Bereich) in Deutschland

gen Niveau von unter 20 % des Bruttoinlandsprodukts. Im Zuge zweier Ölpreiskrisen (1973, 1980) mit nachfolgenden Rezessionen stiegen die Schulden in den Siebziger- und Achtzigerjahren merklich an und überschritten im Jahr 1990 die Grenze von einer halben Billion Euro. In den zwei folgenden Jahrzehnten beschleunigte sich der Schuldenanstieg deutlich: Innerhalb dieser letzten zwei Dekaden haben die Gebietskörperschaften ihre Verschuldung fast vervierfacht (siehe Abbildung 2).11 Die Schuldenlast ist nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch im Verhältnis zur volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit signifikant gestiegen. Lag die Schuldenstandsquote zum Jahresende 1980 noch bei 28 % des Bruttoinlandsprodukts, so hat sie sich bis zum Jahresende 2011 mit 78 % des Bruttoinlandsprodukts fast verdreifacht (siehe Abbildung 2). Nach der für den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union12 (siehe Abschnitt V.2.) sowie für den europäischen Stabilitäts- und Wachstums11 Zur detaillierten Schuldenentwicklung des öffentlichen Gesamthaushalts seit 1950: Schuldenstatistik des Statistischen Bundesamtes, Schulden der öffentlichen Haushalte 2012, Fachserie 14, Reihe 5, S. 20 ff. 12 Auch als „Maastricht-Vertrag“ bezeichnet, in der Folge mehrfach (durch die Verträge von „Amsterdam“, „Nizza“ und zuletzt „Lissabon“) geändert.

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pakt maßgeblichen Berechnung13 liegt der Schuldenstand Deutschlands in den einzelnen Jahren sogar noch um bis zu drei Bruttoinlandsprodukt-Punkte höher. Für das Jahr 2011 ergibt sich danach ein Schuldenstand von 2085 Milliarden Euro bzw. 80,4 % des Bruttoinlandsprodukts.14 Die Abweichung beruht darauf, dass zu den in der Schuldenstatistik ausgewiesenen Schulden außer dem Münzumlauf sogenannte „unterstellte Kreditaufnahmen“ hinzugerechnet werden. Dazu zählen insbesondere Verbriefungsaktionen des Staates, bei denen er das wirtschaftliche Eigentum nicht vollständig abgibt (sogenannte Platzhaltergeschäfte wie der Verkauf von Post- und Telekom-Aktien des Bundes an die Kreditanstalt für Wiederaufbau), Korrekturen aufgrund von Stützungsmaßnahmen für Banken im Zuge der Finanzkrise sowie Maßnahmen zur Abwehr der europäischen Staatsschuldenkrise.15 Unter Letztere fallen insbesondere die Garantien Deutschlands zur Absicherung der Kredite der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität an Griechenland, Irland und Portugal sowie die deutschen Kapitaleinlagen beim Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Europäischen Investitionsbank. Im Kontext mit dem Schuldenanstieg seit Anfang der Neunzigerjahre stehen vor allem zwei Ereignisse: (1) Die finanziellen Folgen der Wiedervereinigung wurden zu einem nicht unerheblichen Maße durch höhere Nettokreditaufnahmen in den öffentlichen Haushalten aufgefangen. Zudem wurden die finanzielle Hinterlassenschaft der ehemaligen DDR sowie der Aufbau Ost durch Schuldenaufnahmen über Sondervermögen wie den Erblastentilgungsfonds und den Fonds Deutsche Einheit abgedeckt.16 (2) Seit dem Jahr 2008 ist ein deutlicher Schuldenanstieg vor allem auf die Stützungsmaßnahmen von Bund und Ländern zur Bekämpfung der Finanzmarktkrise zurückzuführen.17 Auf Bundesebene wurden im 13 Grundlage für die Berechnung des Schuldenstandskriteriums auf europäischer Ebene ist das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG). 14 Nach dem Deutschen Stabilitätsprogramm – Aktualisierung April 2013 (S. 32) – ist die Schuldenstandsquote im Jahr 2012 um 1,5 Prozentpunkte auf 81,9 % des BIP gestiegen, insbesondere aufgrund von (weiteren) Maßnahmen zur Abwehr der europäischen Staatsschuldenkrise. 15 Überblick in: Schuldenstatistik des Statistischen Bundesamtes, Schulden der öffentlichen Haushalte 2012 (Fn. 11), Methodische Erläuterungen Nr. 14 (S. 17–18); Deutsche Bundesbank, Erläuterungen zum „Maastricht-Defizit und Schuldenstand“ auf www.bundesbank.de. 16 Die Schulden beider Sondervermögen von rund 195 Mrd. Euro wurden in den Jahren 1999 (Erblastentilgungsfonds) und 2005 (Fonds Deutsche Einheit) in die Bundesschuld eingegliedert. 17 Der Schuldenstandseffekt für die öffentlichen Haushalte aufgrund der Maßnahmen im Rahmen der Finanzmarktkrise lag zum Jahresende 2012 bei einer Größen-

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Jahr 2010 Risikopapiere der Hypo Real Estate in eine neu gegründete Abwicklungsanstalt, die FMS Wertmanagement, übertragen.18 Einige Länder sind auf ähnliche Weise bei der Stabilisierung und Restrukturierung von Landesbanken verfahren.19 Im Hinblick auf die durch die Finanzkrise aufgelaufenen Schulden ist allerdings zu berücksichtigen, dass den Schulden auch Forderungen aus den übernommenen Risikopapieren gegenüberstehen, die bei Verkauf und Fälligkeit zu einem Rückgang der Verschuldung beitragen können.20 Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf den öffentlichen Schuldenstand werden erst nach Rückzahlung der Rekapitalisierungen und der Abwicklung der Portfolien in den Abwicklungsanstalten endgültig feststehen.21 Der Anteil des Bundes an der Staatsverschuldung ist in den letzten Jahrzehnten angestiegen. Lag er zu Anfang der Achtzigerjahre noch bei 50 %, so bewegt er sich mittlerweile bei 63 % (2011). Insbesondere in den Jahren 2010 und 2011 war ein Anstieg des Bundesanteils zu verzeichnen. Grund hierfür ist, dass der Schuldenaufwuchs aus der o. a. Finanzkrise überwiegend zulasten des Bundes gegangen ist. Die Verschuldung von Ländern und Gemeinden ist vergleichsweise geringer gestiegen. Ihr Anteil an der öffentlichen Gesamtverschuldung ist daher entsprechend zurückgegangen und beträgt noch 37 % (2011). Der gegenüber den anderen Gebietskörperordnung von 293 Mrd. Euro – vgl. Schriftliche Antwort des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Juli 2013, BT-Drs. 17 / 14359, S. 31 f., und vom 18. Juli 2013, BTDrs. 17 / 14397, S. 20; nach den Aussagen der Bundesregierung im Deutschen Stabilitätsprogramm (Fn. 14) ist der Gesamteffekt der Finanzmarktkrise auf die Schuldenstandsquote 2012 und damit auf 11,1 % des BIP gesunken (S. 32), im Jahre 2013 soll der Effekt der Finazmarktkrise auf die Schuldenquote durch die unterstellte Abwicklung des Portfolios der sog. Bad Banks um rund 1,5 Prozentpunkte auf 9,5 % des BIP sinken. 18 Der Schuldenstandseffekt der FMS Wertmanagement lag Ende 2012 bei 162,9 Mrd. Euro, vgl. BT-Drs. 17 / 14359 (Fn. 17), S. 32. 19 Maßnahmen zur Abwehr der Folgen der Finanzkrise im Bereich der Landesbanken gab es zugunsten der Hamburgischen Landesbank, Landesbank SchleswigHolstein (Fusion zur HSH Nordbank AG), Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), BayernLB, SachsenLB und WestLB. 20 Nach Angaben des Bundesministeriums der Finanzen standen den staatlichen Verbindlichkeiten zum Jahresende 2012 Forderungen von schätzungsweise rund 264 Mrd. Euro gegenüber, vgl. BT-Drs. 17 / 12440, S. 20; die Bundesbank weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass hinsichtlich der Werthaltigkeit dieser Aktivposten nicht unerhebliche Unsicherheiten bestehen – vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Februar 2013, Berichtsteil „Öffentliche Finanzen“, S. 62. 21 Ein hoher Anteil der im Portfolio der FMS Wertmanagement befindlichen Forderungen wird erst im Jahr 2030 oder später fällig.

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schaften gestiegene Schuldenstand des Bundes liegt nicht zuletzt darin begründet, dass der Bund in den letzten 20 Jahren eine Reihe haushaltswirksamer Zugeständnisse gegenüber Ländern und Gemeinden gemacht hat. Hierzu gehören wichtige Reformvorhaben wie die Solidarpakte I (1995) und II (2001), die Neuregelung des Familienleistungsausgleichs (1996), die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (1996), die Arbeitsmarktreform mit der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige (2004) sowie der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur für Kinder (2009).22 Die Folgen dieser finanziellen Zugeständnisse belasten den Bundeshaushalt in erheblichem Umfang, wie die gegenüber dem Durchschnitt der Länder und Gemeinden niedrigeren Deckungsquoten23 des Bundes zeigen.24 III. Implizite Staatsverschuldung Der ausgewiesene Schuldenstand umfasst die Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte. Neben dieser offenen (expliziten) Verschuldung schränkt auch die sogenannte verdeckte (implizite) Staatsverschuldung die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte zunehmend ein. Die Leistungsverpflichtungen der öffentlichen Hand im Bereich der sozialen Sicherungssysteme und der Beamtenversorgung einschließlich der Beihilfe liegen fast um das Doppelte über der expliziten Staatsverschuldung.25 Die nachteiligen Auswirkungen der Kreditmarktverschuldung auf den Haushalt werden 22 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2008, BT-Drs. 16 / 11000, Nr. 2.3.2; ders. Bemerkungen 2010, BT-Drs. 17 / 3650, Nr. 2.9.4. 23 Anteil der Ausgaben, die durch laufende, d. h. nicht kreditfinanzierte Einnahmen, gedeckt werden. 24 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2010, BT-Drs. 17 / 3650, Nr. 2.9.4 (Fn. 154). 25 Vgl. Stiftung Marktwirtschaft – Generationenbilanz update 2013 (Juli 2013): Die Nachhaltigkeitslücke in den öffentlichen Haushalten beläuft sich danach für das Basisjahr 2011 auf 227 % des BIP oder 5,9 Billionen Euro, wovon 147 % auf die implizite und 80 % auf die explizite Staatsschuld entfallen. Die Nachhaltigkeitslücke hat sich damit gegenüber dem Vorjahr 2010 (230 % des BIP) leicht verringert. Zu ähnlichen Aussagen für die Nachhaltigkeitslücke in Deutschland (221,6 % des BIP) kommt eine Studie des französischen EDHEC-Risk Institute (École des hautes études commerciales du nord) vom Januar 2013, die sich mit den Pensionsverbindlichkeiten in der EU befasst (S. 34). Zu den unterschiedlichen Methodenansätzen bei Tragfähigkeitsanalysen bzw. Generationenbilanzen auf nationaler und internationaler Ebene: Eva Gerhards, Caroline-Antonia Goerl, Michael Thöne (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln), Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, Eine Bestandsaufnahme national und international praktizierter Methoden der langfristigen Budgetanalyse, FiFo-Berichte Nr. 14 (April 2012), S. 23 ff.

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durch diese langfristigen Verpflichtungen verschärft.26 So stellen die Leistungen des Bundes an die Rentenversicherung seit Jahren den mit Abstand größten Ausgabeposten im Bundeshaushalt dar. Im Jahr 2012 umfassten die Ausgaben hierfür mit 81,4 Milliarden Euro mehr als ein Viertel der Gesamtausgaben des Bundeshaushalts von 306,8 Milliarden Euro. Nach dem Finanzplan wird dieser Ausgabeposten weiter steigen. Eine weitere Hypothek für kommende Haushalte bilden die Verpflichtungen gegenüber den Versorgungsempfängerinnen und -empfängern des Bundes sowie der ehemaligen Sondervermögen Bundespost und Bahn. In der Vermögensrechnung des Bundes 2012 belaufen sich die ausgewiesenen Rückstellungen für künftige Pensionsleistungen des Bundes auf 365,6 Milliarden Euro; hinzu treten Beihilfeverpflichtungen von 99,8 Milliarden Euro.27 Diesen Rückstellungen von insgesamt 465,4 Milliarden Euro stehen Vermögenswerte von insgesamt 6,7 Milliarden Euro28 in den Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“ (6,0 Milliarden Euro) und „Versorgungsfonds des Bundes“29 (0,7 Milliarden Euro) gegenüber, die der Bund in den Jahren 1999 und 2007 errichtet hat. Angesichts der noch bestehenden Lücke zwischen „Passiva“ und „Aktiva“ wird es noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis das Ziel realisiert wird, künftige Haushalte zu entlasten und die Finanzierung der Versorgungslasten nicht mehr in die Zukunft zu verlagern.30

26 Vgl. dritter Bericht des Bundesministeriums der Finanzen zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen 2011, wonach Handlungsbedarf mit Blick auf die öffentlichen Haushalte und das Wachstumspotenzial besteht und aufgrund der „Demografie-Anfälligkeit“ insbesondere im Bereich der sozialen Sicherung weitere Anstrengungen notwendig sind (S. 59). 27 Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2012, Nr. 4.4.1–4.4.2. 28 Vermögensrechnung 2012, (Fn. 27), Nr. 4.4.3. 29 Die aus verminderten allgemeinen Bezügeanpassungen finanzierte Versorgungsrücklage des Bundes soll voraussichtlich ab dem Jahr 2018 über einen Zeitraum von 15 Jahren zur schrittweisen Entlastung von Versorgungsaufwendungen eingesetzt werden. In den Versorgungsfonds zahlen die Ressorts für alle ab dem Jahr 2007 neu eingestellten Beamten einen prozentualen Anteil der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge ein. Die Versorgungsausgaben für den in den Versorgungsfonds einbezogenen Personenkreis sollen ab dem Jahr 2020 vollständig aus diesem Sondervermögen getragen werden. 30 Nach Prognosen der Bundesregierung sollen die Versorgungsausgaben für den in den Versorgungsfonds einbezogenen Personenkreis ab dem Jahr 2020 vollständig aus diesem Sondervermögen getragen werden, vgl. Fünfter Versorgungsbericht der Bundesregierung, BT-Drs. 17 / 13590, S. 26, 51 f.

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IV. Nationale Schuldenbegrenzungsregel auf Bundesebene Die verfassungsrechtliche Kreditbegrenzungsregel des Artikels 115 Grundgesetz wurde seit Inkrafttreten des Grundgesetzes zweimal umfassend geändert. (1) Im Rahmen der Haushaltsreform der Jahre 1967 und 1969 wurde die bis dahin bestehende Kreditermächtigung bei „außerordentlichem Bedarf“ und „zu werbenden Zwecken“ (objektbezogener Deckungsgrundsatz) durch eine situationsbezogene, makroökonomisch orientierte Kreditregel ersetzt.31 (2) Als Ergebnis der Föderalismusreform II wurde im Jahr 2009 die investitionsbezogene Kreditgrenze mit dem Ziel umgestaltet, die Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes32 zu erfüllen, wonach die Mitgliedstaaten ihre Haushalte annähernd ausgleichen oder einen Überschuss erzielen sollen. 1. Regelungslage bis Bundeshaushalt 2010: Investitionsbezogene Schuldenregel Die bis zum Haushaltsjahr 2010 geltende sogenannte Goldene Regel war das Ergebnis der großen Finanzreform der Jahre 1967 und 1969. Das Kreditbegrenzungsreglement des Grundgesetzes sollte dahingehend ausgerichtet werden, eine „konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft“ und eine „moderne situationsbezogene Betrachtungsweise“ zu fördern.33 Die Staatsverschuldung sollte dabei vor allem durch zwei Bestimmungen in Schach gehalten werden: (1) Nach Artikel 115 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz a. F. bildete die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen die Regelkreditgrenze für die Nettoneuverschuldung. Als Ausnahme war eine Überschreitung nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zulässig. 31 Norbert Hauser, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Mai 2011, Art. 115 GG Rn. 2; Elmar Dönnebrink / Martin Erhardt / Florian Höppner / Margaretha Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts, in: Christian Kastrop / Gisela Meister-Scheufelen / Margaretha Sudhof (Hrsg.), Die neuen Schuldenregeln im Grundgesetz, S. 23–25. 32 Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt am 17. Juni 1997 – Amtsblatt Nr. C 236 vom 2. August 1997, S. 1. 33 BT-Drs. V / 3040, Tz. 56, 59, 61; dazu Herman Pünder, § 123 Staatsverschuldung Rn. 8 f., in: Josef Isensee / Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V.

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(2) Daneben sollte das Gebot in Artikel 109 Absatz 2 Grundgesetz, bei der Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen, auch für die Kreditaufnahmen nach Artikel 115 Grundgesetz gelten.34 Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus die Forderung aufgestellt, dass in konjunkturellen Normallagen auf eine Nettokreditaufnahme zu verzichten, zumindest die Nettoneuverschuldung deutlich unterhalb der Regelkreditgrenze zu halten ist.35 Leider haben sich die guten Absichten des damaligen Verfassungsgesetzgebers in der Haushaltspraxis nicht bewährt. Wie bereits ausgeführt, ist seit dem Jahr 1970 der Schuldenstand des Bundes und auch der meisten Länder von Jahr zu Jahr gestiegen (siehe Abbildung 2). Es ist vielleicht kein Zufall, dass der Bundeshaushalt 1969 der letzte Haushalt war, der ohne Nettokreditaufnahme auskam. Mit der Einführung der investitionsbezogenen Schuldenregel war die Hoffnung verbunden, dass die Kreditermächtigungen dazu genutzt würden, verstärkt zukunftsrelevante Ausgaben im investiven Bereich zu finanzieren. In den folgenden Jahren war allerdings eher das Gegenteil zu beobachten. Die Haushaltsstruktur verschlechterte sich fortwährend und der Anteil der Investitionen an den Ausgaben ging in den Neunzigerjahren deutlich zurück.36 Im Haushaltsjahr 2010 als dem letzten Jahr der Geltung der bisherigen Schuldenregel erreichte die Investitionsquote mit 8,6 % der Gesamtausgaben ihren bis dahin niedrigsten Stand. Die von vielen Finanzexperten konstatierte weitgehende Unwirksamkeit der alten Schuldenregel beruhte im Wesentlichen auf folgenden Gründen:37 34

Vgl. dazu BT-Drs. V / 3040, Tz. 60. Urteil des BVerfG vom 18. April 1989, BVerfGE 79, 311 (334); so auch VerfGH NRW, DÖV 2004, S. 121; VerfGH Berlin, DVBl. 2004, S. 308 (310); vgl. dazu auch Beschluss der Präsidentenkonferenz der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder vom 9. Mai 2001 zu TOP 7.2 Nr. 1. 36 Dieter Engels / Dieter Hugo, Verschuldung des Bundes und rechtliche Schuldengrenzen, DÖV 2007, S. 445 (447 f.). 37 Zur kritischen Würdigung der „Golden Rule“: Elmar Dönnebrink / Martin Erhardt / Florian Höppner / Margaretha Sudhof: Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts (Fn. 31), S. 26–36; Herman Pünder, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V (Fn. 33), Rn. 33 ff., 80 ff.; Dieter Engels / Dieter Hugo, DÖV 2007 (Fn. 36), S. 445 (448 ff.) m. w. N.; Rainer Aprill / Dieter Hugo, Staatsverschuldung und verfassungsrechtliche Kreditobergrenze, Finanzwirtschaft 2000, S. 115 ff.; Bundesrechnungshof, Bemerkungen 1999, BT-Drs. 14 / 1667, Nr. 2.6; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Staatsverschuldung wirksam begrenzen, Expertise im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Technologie 2007, S. 57–71 (Kommissionsdrucksache 002 neu). 35

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(1) Der für die Kreditobergrenze maßgebliche haushaltsrechtliche Investitionsbegriff war zu weit gefasst. Dies gilt vor allem für die Nichtberücksichtigung des Werteverzehrs an hergestellten oder beschafften Investitionen der laufenden Periode (Abschreibungen) sowie der Vermögensminderung durch die Veräußerung von Kapitalvermögen. (2) Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, in konjunkturellen Normallagen auf eine Nettokreditaufnahme zu verzichten oder diese zumindest deutlich unterhalb der Regelkreditgrenze zu halten,38 ist in der Staatspraxis nicht befolgt worden. Vielmehr handelte die Finanzpolitik oftmals asymmetrisch, d. h., bei schwacher Konjunktur wurde die Nettokreditaufnahme erhöht, allerdings in günstigeren konjunkturellen Phasen nicht wieder entsprechend verringert.39 (3) Die Ausnahmeregelung des Artikels 115 Absatz 1 Satz 2 2. Halbsatz Grundgesetz wurde oft in Anspruch genommen – für den Bundeshaushalt allein im Zeitraum 1995 bis 2010 neunmal. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte erhöhte Begründungs- und Darlegungslast bei Überschreiten der Regelkreditobergrenze bildete in der Haushaltspraxis kein Hindernis für eine höhere Neuverschuldung. Zudem war eine Verpflichtung zu einer echten Schuldentilgung finanzverfassungsrechtlich nicht vorgesehen, d. h., einmal aufgenommene Schulden können durch eine Anschlussfinanzierung umgeschuldet werden. (4) Die Regelung, dass für Sondervermögen Ausnahmen von der Regelkreditgrenze zugelassen werden können (Artikel 115 Absatz 2 Grundgesetz), ermöglichte es, durch Bildung derartiger Extrahaushalte zusätzliche Schulden außerhalb der Kreditbeschränkungen für den Bundeshaushalt aufzubauen.40 Hinzu kam eine Haushaltspraxis, die die erteilten Kreditermächtigungen des Parlaments in einer eher extensiven Weise nutzte und damit zentrale Verfassungsgrundsätze wie das parlamentarische Budgetrecht und das Jährlichkeitsprinzip beeinträchtigte: 38

BVerfGE 79, 311 (333 f.). So weist der Bundeshaushalt für die Jahre 1991 bis 2010 eine kumulierte Nettokreditaufnahme von insgesamt 578,5 Mrd. Euro auf, die um rund 20 Mrd. Euro über den im gleichen Zeitraum abgeflossenen Ausgaben für Investitionen (558,6 Mrd. Euro) liegen; vgl. dazu auch Herman Pünder, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V (Fn. 33), Rn. 11 f. m. w. N. 40 Zu den Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung gehörten bzw. gehören insbesondere der Erblastentilgungsfonds, der Fonds Deutsche Einheit, das Bundeseisenbahnvermögen, der Finanzmarktstabilisierungsfonds sowie der Investitionsund Tilgungsfonds. 39

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(1) So stellte der Bundesrechnungshof im Rahmen der Prüfung der Haushaltsrechnung 2003 fest,41 dass die Bundesregierung Vorgriffskreditermächtigungen42 von 8 Milliarden Euro überwiegend für Ausgaben in Anspruch genommen hatte, die dem Haushaltsjahr 2003 zuzurechnen waren. Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes entsprach diese Inanspruchnahme nicht dem Gesetzeszweck. Könnten Vorgriffsermächtigungen uneingeschränkt als Kreditermächtigung für Ausgaben des laufenden Jahres genutzt werden, würden sie zu dem vom Gesetzgeber festgelegten Kreditermächtigungsrahmen hinzutreten. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages schloss sich dieser haushaltsrechtlichen Einschätzung an und gab seiner Erwartung Ausdruck, dass das Bundesministerium der Finanzen künftig Vorgriffsermächtigungen grundsätzlich nur für Ausgaben nutzt, die dem folgenden Haushaltsjahr zuzurechnen sind, und den Haushaltsausschuss über eine darüber hinausgehende Inanspruchnahme unverzüglich unterrichtet.43 (2) Bis zum Ende des Haushaltsjahres 2007 nahm das Bundesministerium der Finanzen bei der Bewirtschaftung der Kreditermächtigungen regelmäßig zuerst die nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen des Vorjahres in Anspruch (sogenannte FiFo-Methode44). Es konnte so die für das laufende Haushaltsjahr vom Parlament erteilte Kreditermächtigung zunächst schonen. Im nächsten Haushaltsjahr standen dann regelmäßig die nicht ausgeschöpften Ermächtigungen als Restkreditermächtigungen zur Verfügung. Die Gesamtkreditermächtigung überstieg dadurch die für den laufenden Haushalt veranschlagte Nettokreditaufnahme erheblich.45 (3) Der Bundesrechnungshof kritisierte das FiFo-Verfahren wiederholt in seinen Bemerkungen mit dem Ziel, das parlamentarische Budgetrecht 41 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2004, BT-Drs. 15 / 4200, Nr. 1.4.2.2.; ders., Ergebnisbericht 2006, S. 70; Dieter Hugo, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Stand: April 2007, Vorbem. zu Teil III BHO (Anhang 1) zu § 2 Abs. 3 HG 2007. 42 Derartige Vorgriffskreditermächtigungen dienen dazu, Ausgaben zu decken, die kassenmäßig am Ende eines Haushaltsjahres anfallen, haushaltsmäßig jedoch dem Folgejahr zuzurechnen sind. Ein typisches Beispiel hierfür sind die im Dezember auszuzahlenden Januargehälter der Bundesbediensteten. 43 Beschluss des Haushaltsausschusses in der Sitzung vom 16. Februar 2005 – vgl. Bundesrechnungshof, Ergebnisbericht 2006, S. 70. 44 „First in, First out“: Aus dem Bereich der Warenwirtschaft stammende Bezeichnung für ein Verfahren, bei dem diejenigen Vermögensgegenstände, die zuerst angeschafft oder hergestellt worden sind, auch zuerst wieder veräußert oder verbraucht werden. 45 Vgl. im Einzelnen Dieter Hugo, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Stand: April 2007, Vorbem. zu Teil III BHO (Anhang 1) zu § 2 Abs. 9 HG 2007.

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zu stärken.46 Auch das Bundesverfassungsgericht äußerte Zweifel an der Vereinbarkeit der Haushaltspraxis mit dem Normzweck des § 18 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung.47 Diesen Bedenken trug der Haushaltsgesetzgeber Rechnung. Ab dem Bundeshaushalt 2008 änderte er die haushaltsgesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen. Nunmehr muss das Bundesministerium der Finanzen zuerst die Kreditermächtigungen des laufenden Jahres in Anspruch nehmen, bevor es auf die Restkreditermächtigungen des Vorjahres zurückgreifen kann (sogenannte LiFo-Methode48). Ungenutzte Restkreditermächtigungen verfallen im Regelfall nach einem Jahr (§ 18 Absatz 3 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung). Diese Umstellung stärkt das parlamentarische Budgetrecht. Sie folgt dem Normzweck des § 18 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung, der in einer zeitlichen Begrenzung der Kreditermächtigungen liegt. Zudem wird die Berechnung des Ermächtigungsrahmens für die Nettokreditaufnahme vereinfacht. Ungeachtet der partiellen Verbesserungen bei der Anwendung der investitionsbezogenen Schuldenregel in der Haushaltspraxis sprachen sich die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder bereits im Jahr 2004 angesichts einer unvermindert steigenden öffentlichen Verschuldung für eine Schuldenregel „mit mehr Biss“ aus.49 Auch das Bundesverfassungsgericht sah einen Handlungsbedarf dafür, normative Grundlagen für wirksamere Instrumente zum Schutz gegen eine Erosion der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates zu schaffen.50 Grundlegende Revisionen des Regelungskonzepts der Artikel 115 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 109 Absatz 2 Grundgesetz seien danach jedoch dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorbehalten und aufgegeben.51 46 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2009, BT-Drs. 17 / 77, Nr. 1.4.1.; ders., Bemerkungen 2007, BT-Drs. 16 / 7100, Nr. 1.4.1. 47 BVerfGE 119, 96 (144, 153); Herman Pünder, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V (Fn. 33), Rn. 17 f. 48 „Last in, First out“: Aus dem Bereich der Warenwirtschaft stammende Bezeichnung für ein Verfahren, bei dem diejenigen Vermögensgegenstände, die zuletzt angeschafft oder hergestellt worden sind, zuerst wieder veräußert oder verbraucht werden. 49 Beschluss der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder zur ausufernden Staatsverschuldung vom 5. Mai 2004 in Hildesheim, Beschluss- und Beratungspapier, Quelle: Niedersächsischer Landtag, Landtagsdrucksache 17 / 1050, S. 14–29. 50 BVerfGE 119, 96 (142), Urteil vom 9. Juli 2007 im Normenkontrollverfahren gegen das Haushaltsgesetz 2004, in dem u. a. der Präsident des Bundesrechnungshofes als Sachverständiger geladen war. 51 BVerfGE 119, 96 (143); in den Minderheitsvoten der Richter Udo Di Fabio und Rudolf Mellinghoff wurde demgegenüber von Verfassungs wegen ein Regelungsauf-

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2. Neue Schuldenregel ab Bundeshaushalt 2011 Der Verfassungsgesetzgeber hat diese Appelle aufgegriffen: Am Ende der 16. Wahlperiode im Jahr 2009 wurde das Gesetz zur Änderung von Artikel 109 und 115 Grundgesetz (sowie weiterer Grundgesetz-Artikel)52 verabschiedet, das durch das Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform53 konkretisiert wird. Im Zentrum der Verfassungsänderung steht eine neue Schuldenregel – auch Schuldenbremse genannt. Das Regelwerk folgt dabei ganz überwiegend den Vorschlägen der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (Föderalismuskommission II),54 die wiederum auf einem Modell des Bundesministeriums der Finanzen basieren.55 Seine wesentlichen Elemente sind: (1) In einer konjunkturellen Normallage sollen die öffentlichen Haushalte – entsprechend den Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes – nahezu ausgeglichen sein. Für den Bund ist als neue „Regelgrenze“ eine strukturelle Verschuldungskomponente von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts56 zulässig.57 (2) Zur Ermittlung der Kreditgrenze werden die Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen bereinigt.58 Auch hierdurch wird die Schuldenbremse dem Regelwerk des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes angenähert.59 Zu den finanziellen Transaktionen zählen insbesondere Einnahmen aus Beteiligungsveräußerungen und aus Darlehensrückflüssen sowie Ausgaben für Darlehensvergaben und für den Erwerb von Beteiligungen. Solche Einnahmen und Ausgaben führen im Haushalt zu vermögensneutralen Umschichtungen. Finanzielle Transaktionen sind schuldenregelneutral, d. h. Ausgaben dürfen (unbetrag an den Gesetzgeber abgeleitet, den Investitionsbegriff zu konkretisieren und ein Konzept zum Abbau des Schuldensockels vorzulegen (BVerfGE 119, 96 [156]). 52 BGBl. I 2009 S. 2248 (2249). 53 Vgl. insbesondere Art. 2 des Gesetzes zur Ausführung von Artikel 115 Grundgesetz (Artikel 115-Gesetz), BGBl. I 2009 S. 2702 (2704 f.). 54 Dazu im Einzelnen: Abschlussbericht 2010 der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, Teil II Nrn. 1.1–1.3 (S. 50–151) m. w. N. 55 Kommissionsdrucksache 096, „Notwendigkeit und Inhalt einer neuen Schuldenregelung im Grundgesetz“. 56 Nach § 4 S. 2 Artikel 115-Gesetz ist für die zulässige strukturelle Verschuldungskomponente das nominale BIP des der Aufstellung des Haushalts vorangegangenen Jahres zugrunde zu legen. 57 Art. 109 Abs. 3 S. 4, Art. 115 Abs. 2 S. 2 GG, § 2 Abs. 1 Artikel 115-Gesetz. 58 Art. 115 Abs. 2 S. 5 GG, § 3 Artikel 115-Gesetz. 59 Norbert Hauser, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Art. 115 GG Rn. 24.

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grenzt) über Kredite finanziert werden, während Einnahmen nicht zur Einhaltung der Grenze für die zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme beitragen können. So dürfen z. B. Einnahmen aus der Verwertung von Kapitalvermögen zwar weiterhin zur Haushaltsfinanzierung eingesetzt werden; für die Berechnung der zulässigen Neuverschuldung werden sie aber wie Kreditaufnahmen behandelt. (3) Durch eine konjunkturelle Verschuldungskomponente sollen konjunkturbedingte Veränderungen berücksichtigt werden.60 Die Verschuldungsspielräume werden also in konjunkturell schlechten Zeiten erweitert, in guten Zeiten dagegen verengt bzw. in eine Verpflichtung zur Bildung von Überschüssen umgekehrt. Die Höhe dieser Komponente wird in einem spezifischen Konjunkturbereinigungsverfahren61 ermittelt. (4) Über ein Kontrollkonto wird sichergestellt, dass die Verschuldungsregeln auch im Haushaltsvollzug eingehalten werden.62 Auf diesem als „Verschuldungsgedächtnis“ konzipierten Konto werden Über- oder Unterschreitungen der zulässigen strukturellen Verschuldungsspielräume in den einzelnen Haushaltsjahren saldiert. Ein negativer Kontostand von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts63 soll nicht überschritten werden. Deshalb ist auf einen Ausgleich des Kontrollkontos hinzuwirken. Bereits bei einer Überschreitung von 1 % des Bruttoinlandsprodukts sind Maßnahmen zum Abbau der aufgelaufenen Neuverschuldung zu ergreifen.64 (5) Bei Nachtragshaushalten dürfen zusätzliche Kredite von bis zu 3 % der veranschlagten Steuereinnahmen65 aufgenommen werden, wenn sich die Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsverlauf ungünstiger als vorgesehen entwickeln und die zulässige Kreditaufnahme deshalb nicht ausreichen wird. Diese zusätzliche Kreditaufnahme belastet das Kont60

setz.

Art. 109 Abs. 3 S. 2, Art. 115 Abs. 2 S. 3 GG, § 2 Abs. 2 und 5 Artikel 115-Ge-

61 Das Verfahren soll sich an dem von der EU-Kommission verwendeten Verfahren orientieren; es soll regelmäßig überprüft und fortentwickelt werden (§ 5 Abs. 4 Artikel 115-Gesetz); eine kritische Analyse zu den Konjunkturbereinigungsverfahren findet sich bei: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 2011, Berichtsteil „Anforderungen an die Konjunkturbereinigung im Rahmen der neuen Schuldenregel“, S. 59–64; dies., Monatsbericht November 2011, Berichtsteil „Öffentliche Finanzen“, S. 73. 62 Art. 115 Abs. 2 S. 4 GG, § 7 Artikel 115-Gesetz. 63 1,5 % des BIP würden bei einem für 2013 geschätzten BIP von rund 2700 Mrd. Euro einem negativen Kontostand von 40,5 Mrd. Euro entsprechen. 64 § 7 Abs. 3 Artikel 115-Gesetz. 65 § 8 Artikel 115-Gesetz; auf Basis der im Bundeshaushalt 2013 veranschlagten Steuereinnahmen würde dies 7,8 Mrd. Euro entsprechen.

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rollkonto, wenn und soweit sie die strukturelle Verschuldungskomponente überschreitet.66 Neue Maßnahmen dürfen in einem solchen Nachtragshaushalt nicht veranschlagt werden. (6) In Ausnahmesituationen, wie bei Naturkatastrophen oder sonstigen außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, darf ein besonderer Finanzbedarf mit zusätzlichen Krediten gedeckt werden.67 Der Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung muss die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zustimmen. Mit dem Beschluss ist ein verbindlicher Tilgungsplan zur Rückführung dieser Schulden in einem angemessenen Zeitraum aufzustellen.68 (7) Die bisherige Kreditermächtigung für Sondervermögen in Artikel 115 Absatz 2 Grundgesetz ist ersatzlos gestrichen worden. Die Verschuldungsgrenzen können daher nicht mehr durch die Einrichtung von Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung überschritten werden. (8) Die Länder müssen ihre Regelungen so ausgestalten, dass sie zu einem strukturellen Haushaltsausgleich führen. Für die Länderhaushalte ist eine strukturelle Verschuldungskomponente nicht vorgesehen.69 (9) In einem Übergangszeitraum von 2011 bis 2015 ist dem Bund ein Abweichen von der strukturellen Verschuldungskomponente möglich. Dazu wird das strukturelle Defizit des Haushaltsjahres 2010 ab dem Jahr 2011 in gleichmäßigen Schritten zurückgeführt (Abbaupfad). Die Vorgaben zur strukturellen Neuverschuldung von 0,35 % bzw. 0 % des Bruttoinlandsprodukts müssen vom Bund spätestens ab dem Jahr 2016 und von den Ländern spätestens ab dem Jahr 2020 eingehalten werden.70 Zur Unterstützung dieser Vorgaben erhalten die Länder Berlin, Bremen, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein für den Zeitraum 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen von zusammen 800 Millionen Euro jährlich, an denen sich der Bund zur Hälfte beteiligt.71 66 Kritisch zu dieser Kreditermächtigung: Norbert Hauser, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Art. 115 GG Rn. 40–43. 67 Art. 109 Abs. 3 S. 2 GG, Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG, § 6 Artikel 115-Gesetz. 68 Art. 115 Abs. 2 S. 7 und 8 GG, § 6 Artikel 115-Gesetz. 69 Art. 109 Abs. 3 S. 5 GG. 70 Art. 143d Abs. 1 GG; zur Umsetzung der Schuldenbremse in den Ländern: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2012, Berichtsteil „Zur Entwicklung der Länderfinanzen in Deutschland seit dem Jahr 2005“, S. 37–51; dies., Monatsbericht Oktober 2011, Berichtsteil „Die Schuldenbremse in Deutschland – Wesentliche Inhalte und deren Umsetzung“, S. 33–40. 71 Art. 143d Abs. 2 und 3 GG, §§ 1 bis 3 Konsolidierungshilfengesetz.

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Neben der Reform der Schuldenregel wurde mit dem ebenfalls in Artikel 109a Grundgesetz verankerten Stabilitätsrat eine institutionelle Grundlage für die Sicherung der Tragfähigkeit der Haushalte geschaffen. Der aus den Finanzministerinnen und Finanzministern des Bundes und der Länder sowie der Bundeswirtschaftsministerin oder dem Bundeswirtschaftsminister bestehende Stabilitätsrat hat die Aufgabe, die Einhaltung der sich aus den nationalen und europäischen Regelungen ergebenden Stabilitätsverpflichtungen durch den Bund und die einzelnen Länder zu überwachen. Hierbei wird er durch einen aus unabhängigen Sachverständigen bestehenden neunköpfigen Beirat unterstützt. Bei einer drohenden Haushaltsnotlage vereinbart der Stabilitätsrat ein Sanierungsprogramm mit der betroffenen Gebietskörperschaft.72 3. Vorteile der neuen Schuldenregel Der Bundesrechnungshof sieht in der neuen Schuldenregel einen wichtigen Schritt hin zu einer nachhaltigen Begrenzung der Neuverschuldung und in der Folge davon zu einer dauerhaften Verringerung der Schuldenstandsquote. Hierfür bildet das Regelwerk einige gute Ansätze:73 (1) Die strukturelle Verschuldungskomponente für den Bund ist mit 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts deutlich niedriger angesetzt als die bisherige Regelgrenze der veranschlagten Bruttoinvestitionen.74 Diese wurde – wie dargelegt (siehe Abschnitt IV.1.(2)) – in der Haushaltspraxis fast regelmäßig in Anspruch genommen und oftmals überschritten. Der „Gesetzgebungsappell“ des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 198975 zur Begrenzung der Staatsverschuldung ist damit endlich aufgegriffen worden. (2) Durch Ausrichtung der Nettokreditaufnahme am Bruttoinlandsprodukt weist die neue Schuldenregel eine höhere Kompatibilität zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt und zum Fiskalvertrag (siehe Abschnitt V.2.) auf. Mit dem Verzicht auf Brutto- oder Nettoinvestitionen als Maßstab für die zulässige Nettokreditaufnahme werden zudem schwierige Abgrenzungs- und Bewertungsfragen überflüssig.76 72

Dazu im Einzelnen: §§ 1 bis 7 Stabilitätsratsgesetz. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2010, BT-Drs. 17 / 3650, Nr. 2.6.3. 74 Die im Haushaltsplan 2013 veranschlagten Investitionsausgaben (= alte Regelgrenze) betragen 34,8 Mrd. Euro gegenüber einer strukturellen Verschuldungsgrenze von rund 9 Mrd. Euro (= 0,35 % des BIP). 75 BVerfGE 79, 311 (354 f.). 76 So auch in Entgegnung auf einen Vorschlag des Sachverständigenrates (Fn. 4) für eine nettoinvestitionsbezogene Schuldengrenze: Elmar Dönnebrink / Martin Er73

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(3) Die Bereinigung der zulässigen Kreditgrenze um die finanziellen Transaktionen orientiert sich ebenfalls am europäischen Regelwerk. (4) Der Haushaltsvollzug wird erstmals einer nachträglichen Kontrolle im Hinblick auf die Einhaltung der Kreditermächtigung unterworfen. Diesem Ziel dienen das Kontrollkonto und die damit verbundene Pflicht zur Tilgung nicht eingeplanter Kredite. Vor allem enthält die Schuldenbremse erstmals eine echte verpflichtende Tilgungskomponente. Damit wird der Anreiz gedämpft, bei der Haushaltsaufstellung zu optimistisch zu planen.77 (5) Auch die Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen enthält gegenüber der bisherigen Ausnahmebestimmung eine Tilgungsverpflichtung. Durch die verbindliche Vorgabe eines Tilgungsplans für derartige „Sonderschulden“ dürfte der Anreiz, auf diesen Ausnahmetatbestand zu schnell zurückzugreifen, zumindest eingedämmt werden. (6) Der Ausschluss für die Errichtung von Sondervermögen mit eigenen – der Schuldenbremse nicht unterliegenden – Kreditermächtigungen erhöht deren Wirksamkeit. Zudem werden dadurch die Einheit und Vollständigkeit des Bundeshaushalts im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 Grundgesetz gestärkt. 4. Auswirkungen der neuen Schuldenregel auf das Haushaltsverfahren Abgesehen von diesen inhaltlichen Auswirkungen auf die Höhe der Neuverschuldung zwingt die Schuldenbremse auch dazu, das Verfahren der Haushaltsaufstellung neu auszurichten.78 Um den Zielwert für die zulässige Nettokreditaufnahme effektiv ansteuern zu können, muss die Vorgabe dieses Zielwertes am Anfang des Aufstellungsverfahrens stehen. Die Bundesregierung hat deshalb beschlossen, das Bottom-up-Verfahren aufzugeben und ab dem Haushaltsjahr 2012 den Haushaltsentwurf und den Finanzplan im Tophardt / Florian Höppner / Margaretha Sudhof, Entstehungsgeschichte und Entwicklung des BMF-Konzepts (Fn. 31), S. 50–53. 77 Der Bundesrechnungshof hat mehrfach auf die negativen Folgen zu optimistischer Finanzplanungen hingewiesen, vgl. Bemerkungen 2004, BT-Drs. 15 / 4200, Nrn. 2.3.2 und 2.4.1; ders., Bemerkungen 2005, BT-Drs. 16 / 160, Nr. 2.3.1; ders., Bemerkungen 2008, BT-Drs. 16 / 11000, Nr. 2.1.2. 78 Elke Baumann / Jürgen Schneider, Die neue Regel des Bundes (Rn. 32), S. 117 f.; für eine Umstellung des Haushaltsaufstellungsverfahrens bereits unter dem Regime der „alten“ Schuldengrenze: Herman Pünder, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V (Fn. 33), Rn. 85–88 m. w. N.; Dieter Engels / Dieter Hugo, DÖV 2007 (Fn. 36), S. 445 (451).

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Dieter Hugo

down-Verfahren aufzustellen.79 Ausgangspunkt sind nicht mehr die Haushaltsanmeldungen der Ressorts, sondern finanzpolitisch angemessene und mit den Vorgaben der Schuldenbremse kompatible Budgetvorschläge des Bundesministeriums der Finanzen. Auf dieser Grundlage beschließt das Bundeskabinett bis Mitte März Eckwerte für die Einnahmen und Ausgaben aller Einzelpläne, die für das weitere regierungsinterne Haushaltsaufstellungsverfahren80 verbindlich sind. Soweit erforderlich, werden die Haushaltseckwerte bis zur Beschlussfassung über den Haushaltsentwurf und den Finanzplan an die aktuellen gesamtwirtschaftlichen Vorausschätzungen (zur Entwicklung von Steuern, Arbeitsmarkt, Renten) angepasst. In den Einzelplänen müssen grundsätzlich alle nach Eckwertebeschluss vorgenommenen Veränderungen der Haushaltsansätze durch Umschichtungen innerhalb der beschlossen Plafonds aufgefangen werden. Der Bundesrechnungshof sieht in der Veränderung des Haushaltsaufstellungsprozesses hin zu einem Top-down-Verfahren einen geeigneten Ansatz, strategische Budgetziele unter Beachtung der Schuldenbremse frühzeitig festzulegen und gegebenenfalls mit den für die Zielerreichung erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen zu verbinden.81 Zudem kann das Verfahren dazu beitragen, die Haushaltsaufstellung zu straffen. Es wird sich zeigen müssen, ob der Top-down-Prozess auch bei ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Aufstellungsprozess beschleunigt und dabei hilft, die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen. Das Top-down-Verfahren macht es auch für den Bundesrechnungshof notwendig, seine Rolle im Haushaltsaufstellungsverfahren neu zu justieren, um die ihm durch § 27 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung eingeräumten Möglichkeiten, an der Aufstellung des Haushaltsentwurfs aktiv mitzuwirken, weiterhin effektiv zu nutzen.82 So dürften Einsparvorschläge des Bundesrechnungshofes nach Vorliegen des Eckwertebeschlusses keine Auswirkung mehr auf die Höhe der festgelegten Einzelplanplafonds haben. Es ist daher sinnvoll, dass der Bundesrechnungshof seine haushaltsrelevanten Prüfungserkenntnisse dem Bundesministerium der Finanzen spätestens vor Abschluss der regierungsinternen Abstimmung für den Eckwertebeschluss übermittelt, damit sie im Vorfeld der Festlegung der Einzelplanplafonds gegebenenfalls noch berücksichtigt werden können. 79 Dazu im Einzelnen: Caroline Nägerl, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Stand: November 2011, § 1 BHO Rn. 24–32. 80 Die Umstellung des Haushaltsaufstellungsverfahrens hat keine unmittelbare Auswirkung auf die parlamentarischen Haushaltsberatungen. 81 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nr. 2.3.; ders., Bemerkungen 2008, BT-Drs. 16 / 11000, Nr. 2.1.2.3. 82 Vgl. dazu den Aufsatz von Horst Erb in dieser Festschrift.

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5. Die neue Schuldenregel in der Haushaltspraxis Die bisherige Anwendung der Schuldenbremse in der Haushaltsaufstellung und im Haushaltsvollzug hat gezeigt, dass es zu einigen Punkten Klärungs- und Nachregelungsbedarf gab. So hat sich auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mehrfach im Rahmen seiner Haushaltsberatungen und öffentlicher Anhörungen83 mit Fragen zur Umsetzung der Schuldenbremse befasst. Beispielhaft für die Diskussion um Auslegungsfragen und mögliche „Nachbesserungen“ der Schuldenbremse seien nachfolgende vier Themenfelder angeführt: (1) Als Ausgangswert für den Abbaupfad für die strukturelle Nettokreditaufnahme (siehe Abschnitt IV.2.(1)) legte die Bundesregierung die Mitte 2010 für den Haushaltsabschluss 2010 prognostizierte Nettokreditaufnahme von 65,2 Milliarden Euro zugrunde. Stellt man zur Berechnung des Abbaupfades auf die tatsächliche Nettokreditaufnahme des Jahres 2010 von 44,0 Milliarden Euro ab, so ergeben sich für den Übergangszeitraum bis zum Jahr 2016 deutlich niedrigere Grenzen für die zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme (sogenannter Sprungschanzeneffekt).84 Eine Neuberechnung auf dieser Basis hätte dem Wortlaut und Ziel der Schuldenbremse nach Auffassung des Bundesrechnungshofes eher entsprochen.85 Er hat sich daher für eine solche Neuberechnung des Abbaupfades ausgesprochen. Diesem Vorschlag ist die Bundesregierung zwar nicht nachgekommen. Die im Finanzplan bis zum Jahr 2017 vorgesehenen Eckwerte86 sehen aber ab dem Jahr 2015 sogar strukturelle Überschüsse vor. Sie unterschreiten damit auch die Grenzwerte, die sich aus der Alternativberechnung des Bundesrechnungshofes für den Abbaupfad beim strukturellen Defizit ergeben.87 Die

83 Öffentliche Anhörung am 21. März 2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikel 115-Gesetzes; Öffentliche Anhörung am 23. Januar 2012 zum Entwurf des Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes; Öffentliche Anhörung am 6. Juni 2012 zum Entwurf eines Nachtragshaushaltsgesetzes 2012. 84 Dazu im Einzelnen: Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nrn. 2.2.1 und 2.2.2. 85 Stellungnahme des Bundesrechnungshofes vom 16. März 2011 für die Öffentliche Anhörung am 21. März 2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikel 115-Gesetzes, Haushaltsausschussdrucksache 17 / 2946; Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2011, BT-Drs. 17 / 7600, Nr. 2.2.2; gleicher Auffassung Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2011 (Fn. 70), S. 28 f.; anderer Auffassung Andreas Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 143d GG Rn. 2. 86 Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017. 87 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nr. 2.2.2 Tabelle 2.3.

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Dieter Hugo

Finanzplanung der Bundesregierung trägt somit im Ergebnis der Empfehlung des Bundesrechnungshofes Rechnung. (2) Soweit Ausgaben als finanzielle Transaktionen bewertet werden, können sie ohne Anrechnung auf die strukturelle Verschuldungskomponente kreditfinanziert werden (siehe Abschnitt IV.2.(2)). Diese potenzielle Ausweitung des Neuverschuldungsspielraums ist nach dem für die Berechnung des Staatsdefizits maßgeblichen Regelwerk des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes88 nur dann gerechtfertigt, wenn die im Gegenzug erworbenen Forderungen werthaltig sind.89 Dies kann bei Forderungen gegen den Schuldner, die z. B. im Rahmen der Inanspruchnahme aus Gewährleistungen auf den Bund übergehen, durchaus zweifelhaft sein. Seit dem Bundeshaushalt 2012 werden daher alle im Zusammenhang mit Gewährleistungen veranschlagten Ausgaben und Einnahmen nicht mehr in die finanziellen Transaktionen einbezogen, während im Bundeshaushalt 2011 auslandsbezogene Gewährleistungen noch als finanzielle Transaktionen galten.90 Diese Herausnahme stärkt die Wirksamkeit der Schuldenbremse. Der Bundesrechnungshof hat bereits im Zusammenhang mit der Veranschlagung eines im Bundeshaushalt 2011 veranschlagten Darlehens an die Bundesagentur für Arbeit die Auffassung vertreten, dass Ausgaben nicht als finanzielle Transaktionen bewertet werden dürften, wenn mit einem Rückfluss des Darlehens nicht sicher zu rechnen ist.91 (3) Ungeachtet des Wegfalls des Artikels 115 Absatz 2 Grundgesetz a. F. (siehe Abschnitt IV.2.(7)) enthält das Zweite Finanzmarktstabilisierungsgesetz (2. FMStG) vom 24. Februar 201292 eine eigene Kreditermächtigung zugunsten des Sondervermögens „Finanzmarktstabilisierungsfonds“. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Entwurf des 2. FMStG93 hat der Bundesrechnungshof darauf hingewiesen, dass Sondervermögen sich in das Regelwerk der Schuldenbremse einfügen müssen, sofern nicht die Bestandsschutzregelung des Artikels 143d 88 Maßgebend für die Berechnung von Finanzierungssaldo und Schuldenstand auf europäischer Ebene ist das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG). 89 Norbert Hauser, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Art. 115 GG Rn. 24; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2011 (Fn. 70), S. 15, 30 f. 90 Schriftliche Antwort des Bundesministeriums der Finanzen vom 6. September 2011, BT-Drs. 17 / 6954, S. 54–58. 91 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2010, BT-Drs. 17 / 3650, Nr. 2.2.1.2. 92 BGBl. I 2012 S. 206; mittlerweile ist das Dritte Finanzmarktstabilisierungsgesetz (BGBl. I 2012 S. 2777) am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. 93 Öffentliche Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 23. Januar 2012.

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Absatz 1 Satz 2 2. Halbsatz Grundgesetz gilt. Danach darf die Regelkreditgrenze der Schuldenbremse nicht durch die kumulierte Kreditaufnahme des „Kernhaushalts“ und eines Sondervermögens überschritten werden.94 Lediglich zum Jahresende 2010 bestehende Kreditermächtigungen für bereits bestehende Sondervermögen sind hiervon ausgenommen. Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes werden daher künftige Hilfsmaßnahmen des Sondervermögens „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ so ausgewiesen, dass eine transparente und nachvollziehbare Zuordnung der hierfür erforderlich werdenden Kreditaufnahmen zur alten Rechtslage oder zur neuen Schuldenregel möglich ist. Eine entsprechende Übersicht zur Haushaltsrechnung gewährleistet die Überprüfbarkeit der Einhaltung der Schuldenbremse.95 (4) Aufgrund der günstigen Haushaltsentwicklung 2011 und 2012 weist das Kontrollkonto (siehe Abschnitt IV.2.(4)) einen hohen Positivsaldo aus.96 Dieser beruht im Wesentlichen darauf, dass die strukturellen Verschuldungsspielräume des Übergangszeitraums 2011 bis 2015 deutlich unterschritten wurden. Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sind derartige Gutschriften mit der Funktion des Kontrollkontos nicht vereinbar. Danach sind Positivsalden nur bei Unterschreitung der strukturellen Kreditgrenze von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts vorzusehen, um über den Konjunkturzyklus hinweg auf einen symmetrischen Haushaltsausgleich hinzuwirken.97 So ist zumindest nicht auszuschließen, dass im Abbauzeitraum (2011 bis 2015) aufgrund des o. a. Sprungschanzeneffekts (siehe Abschnitt IV.5.(1)) aufgelaufene hohe Positivsalden ab dem Haushaltsjahr 2016 eingesetzt werden, um negative Abweichungen im Haushaltsvollzug – z. B. aufgrund zu optimistischer Haushaltsplanungen – zu kompensieren.98 Der Gesetzgeber hat diese Bedenken aufgegriffen und in Artikel 4 des Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags (siehe Abschnitt V.2.) die Regelung des 94 Stellungnahme des Bundesrechnungshofes vom 20. Januar 2012 zum Entwurf eines Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, Haushaltsausschussdrucksache 17 / 4272; vgl. dazu auch Andreas Nebel, in: Piduch (Fn. 85), Art. 115 GG Rn. 1. 95 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nr. 1.12.1. 96 Nach dem Haushaltsabschluss 2012 hat sich der Positivsaldo auf dem Kontrollkonto auf 56,9 Mrd. Euro erhöht (2011: 25,2 Mrd. Euro). 97 Dieter Hugo, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Stand: Juni 2012, § 13 BHO Rn. 25; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2011 (Fn. 70) S. 15, 29; vgl. dazu auch Protokoll Nr. 17 / 70 der Öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am 21. März 2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikel 115-Gesetzes, S. 18, 24–25. 98 Strukturell bedingte Fehlbeträge könnten im Rahmen von Nachtragshaushalten mit den auf dem Kontrollkonto verbuchten Guthaben aus dem Abbauzeitraum gedeckt werden.

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§ 9 Artikel 115-Gesetz dahingehend ergänzt, dass der kumulierte Saldo des Kontrollkontos am Ende des Übergangszeitraums – also zum 31. Dezember 2015 – gelöscht wird. Damit wird verhindert, das auf dem Kontrollkonto angehäufte Positivbuchungen aus dem Übergangszeitraum in den „Regelbetrieb“ der Schuldenbremse ab dem Jahr 2016 übertragen werden. Letztlich wird auch hierdurch den Bedenken des Bundesrechnungshofes zur Berechnung des Abbaupfades (siehe Abschnitt IV.5.(1)) Rechnung getragen. Die vier Beispiele zeigen, dass die Schuldenbremse ihren Praxistest ungeachtet der damit verbundenen zum Teil komplexen Detailprobleme bislang durchaus zufriedenstellend bewältigt hat. Allerdings sind nicht alle offenen Fragen und möglichen Problemfelder ausgeräumt. Dies betrifft z. B. den Komplex möglicher Kreditfinanzierungen außerhalb des Bundeshaushalts, etwa bei Bundesbeteiligungen und Einrichtungen der mittelbaren Bundesverwaltung oder im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Zu ÖPP-Projekten vertritt der Bundesrechnungshof die Auffassung, dass diese nur als Beschaffungsvariante, nicht aber als Finanzierungsvariante zur Umgehung der Schuldenbremse eingesetzt werden dürfen.99 Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben bereits im Jahr 2006 darauf hingewiesen, dass sich die öffentliche Hand jene Projekte, die sie sich konventionell finanziert nicht leisten kann, ebenso wenig alternativ finanziert leisten darf.100 Auch die Frage, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Ausnahmeregelung des Artikels 115 Absatz 2 Sätze 6 bis 8 Grundgesetz (Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen) für Sonderkredite in Anspruch genommen werden darf, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein anderer Diskussionspunkt betrifft das Verfahren zur Ermittlung der konjunkturellen Verschuldungskomponente (siehe Abschnitt IV.2.(3)).101 Hier wäre zumindest sicherzustellen, dass das gewählte Konjunkturbereinigungsverfahren nicht durchgehend zu negativen Konjunkturkomponenten über den 99 Bundesrechnungshof, Stellungnahme vom 19. Oktober 2012 für die Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages zum Thema Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) im Verkehrswesen am 24. Oktober 2012, Haushaltsausschussdrucksache 17(15) 446-E, S. 16 f. m. w. N. 100 Beschluss der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder am 3. und 4. Mai 2006 in München zu ÖffentlichPrivaten Partnerschaften – Quelle: Bundesrechnungshof, Stellungnahme zu ÖPP (Fn. 99), S. 17. 101 Vgl. zu grundsätzlichen Problemen bei der Anwendung von Konjunkturbereinigungsverfahren: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 2011, Berichtsteil „Öffentliche Finanzen, S. 73; Monatsbericht August 2012, Berichtsteil „Öffentliche Finanzen“, S. 66–67 und S. 70–73.

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Konjunkturzyklus hinweg führt. Denn dies würde im Ergebnis zu zusätzlichen Neuverschuldungsspielräumen über die strukturelle Verschuldungskomponente von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts hinaus führen. Ein solcher zusätzlicher Neuverschuldungskorridor wäre mit dem Ziel der Schuldenbremse, einen strukturell weitgehend ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, nicht vereinbar.102 Angesichts dieser und möglicher weiterer Fragen, die bei der Anwendung der Schuldenbremse in der Haushaltspraxis auftreten können, wird der Bundesrechnungshof ihre schuldenregelkonforme Anwendung auch in den kommenden Haushaltsjahren aufmerksam beobachten. V. Europäische Schuldenbegrenzungsregeln 1. Verschuldungsentwicklung im internationalen Raum Der Anstieg der Staatsverschuldung stellt nicht nur Deutschland, sondern die Mehrheit der europäischen Staaten sowie viele Länder außerhalb Europas vor ernste finanzwirtschaftliche Schwierigkeiten. Bei einem Vergleich der Schuldenstandsquoten seit Beginn der Achtzigerjahre zeigt sich, dass die öffentliche Verschuldung Deutschlands bis zum Jahr 2010 nur wenig niedriger ausfiel als der Durchschnitt der Länder des Euroraums und sogar leicht über dem EU-Durchschnitt lag (siehe Tabelle 1). Aufgrund der günstigen Defizitentwicklung wird die Schuldenstandsquote Deutschlands wieder sinken, während für den Euroraum und den EU-Raum ein weiterer Anstieg prognostiziert wird. Allerdings werden einige EU-Länder wie z. B. die skandinavischen Länder sowie die Niederlande und Österreich nach wie vor zum Teil deutlich niedrigere Schuldenstandsquoten als Deutschland aufweisen.103 Demgegenüber haben die USA und vor allem Japan ein im Vergleich zu Europa rasantes Schuldenwachstum zu verzeichnen. Der auf globaler Ebene zu beobachtende Schuldenanstieg war Anlass dafür, dass sich die Rechnungshöfe auch auf internationaler Ebene intensiv 102 Dieter Hugo, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 31), Stand: Juni 2012, § 13 BHO Rn. 21; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2011 (Fn. 70), S. 15, 30; dazu auch: Hessischer Rechnungshof, Stellungnahme vom 27. Mai 2013 zu dem Entwurf für ein Gesetz zur Ausführung von Artikel 141 der Verfassung des Landes Hessen (LT-Drs. 18 / 7253), der die regelmäßige Überprüfung der Konjunkturkomponente hinsichtlich ihrer Symmetrieeigenschaft durch Einrichtung eines Konjunkturausgleichskontos (§ 6 Artikel 141-Gesetz-E) positiv beurteilt. 103 Prognosen (Frühjahr 2013) der EU-Kommission für Schuldenstandsquoten 2014: Dänemark 46,4 %, Finnland 57,7 %, Schweden 39,0 %, Niederlande 75,8 % und Österreich 73,7 % des jeweiligen BIP.

350

Dieter Hugo Tabelle 1 Schuldenstandsquoten im internationalen Vergleich

Jahr

Deutschland

Euroraum

EU

USA

Japan

in % des BIP 1980

30,3





42,6

50,7

1990

41,3





64,4

67,0

2000

60,2

69,2

61,9

55,1

140,1

2005

68,5

70,3

62,9

67,7

186,4

2010

82,4

85,6

80,2

98,7

215,0

2014

78,6

96,0

90,6

111,3

242,9

Quelle: Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen Juli 2013, Anhang: Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung, Tabelle 16 (unter Verwendung von Daten und Prognosen der EU-Kommission).

mit dem Thema Staatsverschuldung befasst haben. Im November 2007 – zu Beginn der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise – fand in Mexiko der 19. Kongress der Obersten Rechnungskontrollbehörden (19. INCOSAI) mit 142 teilnehmenden Delegationen zum Thema „Staatsschulden, deren Verwaltung, Rechenschaftspflicht und Prüfung“ (Thema I)104 statt. Das umfangreiche Beschlussdokument enthält u. a. die Empfehlung an die Rechnungshöfe, im Interesse von Transparenz eine „proaktive Rolle“ bei der Prüfung der Staatsverschuldung und des Schuldenmanagements einzunehmen.105 Es ist zu hoffen, dass diese Empfehlung dazu beiträgt, die in vielen Ländern gerade im Bereich der Finanzpolitik noch ausbaufähigen Prüfungs- und Beratungsmöglichkeiten der externen Finanzkontrolle gegenüber Exekutive und Legislative zu stärken. 2. Europäisches Regelwerk Die Einhaltung der Wirtschafts- und Haushaltsdisziplin und eine nachhaltige Begrenzung der Staatsverschuldung bildeten bereits bei der Gründung 104 Dieses Thema als eines von zwei Beratungsgegenständen wurde vom Bundesrechnungshof federführend vorbereitet und unter seinem Vorsitz beraten. 105 Zusammenfassung und Empfehlungen des XIX. INCOSAI zum Thema I unter: www.INTOSAI.org (Navigation: „Veranstaltungen“, „Kongresse“, „Kongressthemen“, „Schlussdokumente“).

Prüfung der Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung

351

der Wirtschafts- und Währungsunion zentrale Aspekte, die Eingang in die europäischen Regelwerke fanden.106 So konkretisierte und schärfte der im Jahr 1997 beschlossene europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt107 die in Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)108 enthaltene Grundsatzbestimmung zur Haushaltsdisziplin. In Ergänzung zu den in Artikel 126 AEUV in Verbindung mit Artikel 1 Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit enthaltenen finanzpolitischen Referenzwerten (Defizitquote bis zu 3 % des Bruttoinlandsprodukts; Schuldenstandsquote bis zu 60 % des Bruttoinlandsprodukts) haben die Mitgliedstaaten vereinbart, mittelfristig nahezu ausgeglichene oder Überschüsse ausweisende Haushalte anzustreben.109 Die Finanz- und Wirtschaftskrise sowie sich daran anschließende Staatsschuldenkrise haben offengelegt, dass die finanzielle Solidität mancher Mitgliedstaaten der EU bzw. des Euroraums durch die Regelungen, die in den Neunzigerjahren vereinbart wurden, nicht in ausreichendem Maß gewährleistet ist. Als Antwort hierauf wurde auf europäischer Ebene ein Maßnahmenbündel110 beschlossen, mit dem (1) einerseits Instrumente zur Verstärkung der wirtschafts- und fiskalpolitischen Integration in Europa geschaffen wurden und (2) andererseits finanzielle Hilfeleistungen für die in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Mitgliedstaaten des Euroraums auf den Weg gebracht 106 Vgl. dazu im Einzelnen: EU-Report deutscher Rechnungshöfe 2012, Teil I: Europäische Reformen und Euro-Rettungsschirm; Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nrn. 2.9.1 und 2.9.2. 107 Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt am 17. Juni 1997 – Amtsblatt der EU Nr. C 236 vom 2. August 1997, S. 1. 108 Art. 126 AEUV entspricht Art. 104 des im Jahr 1992 vom Europäischen Rat verabschiedeten Vertrags über die Europäische Union (sog. Maastricht-Vertrag). 109 Dieses Ziel findet sich auch in der Erklärung zu Artikel 126 AEUV im Rahmen der Schlussakte der Regierungskonferenz über den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon: „Die haushalts- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen, vor denen die Mitgliedstaaten stehen, unterstreichen die Bedeutung einer soliden Haushaltspolitik während des gesamten Konjunkturzyklus. Die Konferenz kommt überein, dass die Mitgliedstaaten Phasen der wirtschaftlichen Erholung aktiv nutzen sollten, um die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren und ihre Haushaltslage zu verbessern. Das Ziel ist dabei, in Zeiten günstiger Konjunktur schrittweise einen Haushaltsüberschuss zu erreichen, um in Zeiten der konjunkturellen Abschwächung über den nötigen Spielraum zu verfügen und so zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beizutragen.“ – vgl. Amtsblatt der EU Nr. C 83 / 01 vom 30. März 2010, S. 347 f. 110 Ein detaillierter Überblick über die europäischen Reformmaßnahmen findet sich im Jahresgutachten 2012 / 13 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drs. 17 / 11440, Anhang zum zweiten Kapitel Tz. 196–250.

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Dieter Hugo

wurden. Hier ist vor allem der Europäische Stabilitätsmechanismus als ständiger Krisenmechanismus zu nennen. Er übernimmt dauerhaft die Finanzierungsaufgaben der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität.111 Der Bundesrechnungshof hat sich – zusammen mit anderen Rechnungshöfen des Euroraums – erfolgreich für eine Stärkung der externen Finanzkontrolle beim Europäischen Stabilitätsmechanismus eingesetzt.112 Der zum Jahresende 2011 in Kraft getretene reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht zur wirksamen Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung unter anderem auch Sanktionen im Rahmen des präventiven Arms des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie bei der Manipulation von Statistiken vor. Mit der Einführung des „Europäischen Semesters“ im Jahre 2011 wurde zudem die wirtschafts- und haushaltspolitische Koordinierung innerhalb der Europäischen Union effizienter gestaltet. Darüber hinaus haben sich 25 der 27 EU-Mitgliedstaaten durch den Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalvertrag)113 zur Umsetzung bestimmter Vorgaben für nationale Fiskalregeln verpflichtet. Der Fiskalvertrag gibt insbesondere vor, dass die Einhaltung der länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele im Sinne des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes durch nationale Fiskalregeln verbindlicher und dauerhafter Art garantiert werden muss. (1) Als Grenze für das jährliche strukturelle Defizit gilt künftig grundsätzlich 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts. Falls die Schuldenstandsquote erheblich unter 60 % des Bruttoinlandsprodukts liegt und die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gering sind, darf das strukturelle Defizit maximal 1 % des Bruttoinlandsprodukts betragen. Erhebliche Abweichungen von diesem mittelfristigen Haushaltsziel bzw. dem dorthin führenden Anpassungspfad sollen automatisch einen Korrekturmechanismus auslösen. Dieser Mechanismus ist auf nationaler Ebene einzurichten. (2) Beim Schuldenstand übernimmt der Fiskalvertrag eine Vorgabe, die bereits im reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt enthalten ist: 111 Im Einzelnen: EU-Report deutscher Rechnungshöfe 2012, Teil I, Nr. 3: „Maßnahmen gegen die Staatsschuldenkrise im Euroraum“; Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nr. 2.8.3. 112 Vgl. dazu den Beitrag von Ulrich Graf in dieser Festschrift. 113 Die erforderliche Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat erfolgte durch das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion vom 13. September 2012 – BGBl. I 2012 S. 1006–1019.

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Die Mitgliedstaaten müssen die Differenz zwischen ihrer tatsächlichen Schuldenstandsquote und dem Referenzwert von 60 % des Bruttoinlandsprodukts um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich abbauen. (3) Außerdem soll die Einhaltung der Fiskalregeln, die das Erreichen und Einhalten der Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts gewährleisten sollen, auf nationaler Ebene durch eine unabhängige Institution überwacht werden. Die Schuldenbremse des Grundgesetzes entspricht überwiegend den Vorgaben des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Ergänzende Regelungen wurden auf einfachgesetzlicher Ebene durch das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags vom 15. Juli 2013 geschaffen.114 Danach wird die im Fiskalvertrag festgesetzte Obergrenze für das gesamtstaatliche strukturelle Defizit von maximal 0,5 % des Bruttoinlandsprodukts im Haushaltsgrundsätzegesetz115 verankert. Einbezogen werden dabei neben den Haushalten des Bundes und der Länder auch ausdrücklich die der Gemeinden und Sozialversicherungen. Die Entwicklung der Sozialversicherungen liegt dabei in der Verantwortung des Bundes, während die Länder im Rahmen des Fiskalvertrags die Verantwortung für ihre Kommunen tragen.116 Der bereits gemäß Artikel 109a Grundgesetz eingerichtete Stabilitätsrat erhält die Aufgabe, die Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitobergrenze zu kontrollieren. Hierzu wird das bereits bestehende Überwachungsverfahren um die Überprüfung der Defizitvorgabe des Fiskalvertrags erweitert.117 Zudem soll der Stabilitätsrat bei seiner Überwachungsaufgabe durch einen unabhängigen Beirat von neun Finanzexperten unterstützt werden, dem u. a. Vertreter der Deutschen Bundesbank, des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute angehören.118 Mit der Aufnahme der strukturellen Defizitgrenze in das Haushaltsgrundsätzegesetz und dem Ausbau des Frühwarnsystems sind die erhöhten Anforderungen durch das europäische Regelwerk in nationales Recht transponiert worden. Allerdings zeigt die föderale Struktur Deutschlands auch Grenzen für die Umsetzung auf. So fehlt es weiterhin an Sanktionsmöglichkeiten des Stabilitätsrates, der trotz seiner erweiterten Kontrollrechte damit Gefahr 114

BGBl. I 2013 S. 2398. § 51 Abs. 2 HGrG. 116 Vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags, BT-Drs. 17 / 12058, S. 10. 117 § 6 Stabilitätsratsgesetz. 118 § 7 Stabilitätsratsgesetz. 115

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läuft, als „Ritter ohne Schwert“ zu agieren. Auch ist noch offen, wie Bund und Länder die Einhaltung der Vorgaben des Fiskalvertrags für die Rückführung der Schuldenstandsquote sicherstellen werden. Es bleibt daher abzuwarten, ob das implementierte Kontrollverfahren zur Defizitentwicklung ausreicht, die Einhaltung der verschärften europäischen Stabilitätskriterien durch Bund und Länder auf Dauer zu gewährleisten. VI. Ausblick Mit seiner Haushalts- und Finanzplanung ist der Bund auf gutem Weg, die nationalen und europäischen Stabilitätsverpflichtungen einzuhalten. Er erfüllt damit die Vorgaben der Schuldenbremse des Artikels 115 Grundgesetz und leistet seinen Beitrag dazu, dass die Staatsverschuldung in Deutschland nicht weiter steigt, sondern sich mittel- und langfristig – entsprechend den Vorgaben des Fiskalvertrags – wieder dem Referenzwert von 60 % des Bruttoinlandsprodukts nähert.119 Allerdings ist eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung kein Selbstläufer. So war in der Vergangenheit nicht selten ein Auseinanderfallen von Konsolidierungszielen und -wirklichkeit zu beobachten.120 Dies lag im Wesentlichen daran, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ungünstiger entwickelten als prognostiziert, dass Steuereinnahmen geringer ausfielen als erwartet und dass in Aussicht genommene Konsolidierungsmaßnahmen verspätet, nicht vollständig oder gar nicht umgesetzt wurden. Hiervon abgesehen ist der Bundeshaushalt nach wie vor erheblichen finanzwirtschaftlichen Herausforderungen und Risiken ausgesetzt:121 (1) Rund die Hälfte der Gesamtausgaben im Bundeshaushalt entfällt auf den Sozialbereich. Einen wesentlichen Faktor bilden hierbei die Bundesleistungen zugunsten der Rentenversicherung, des Arbeitsmarktes und der Gesetzlichen Krankenversicherung.122 Nimmt man die Zinsausgaben hinzu, binden Sozial- und Zinsausgaben zusammen über zwei Drittel der Steuereinnahmen.123 119 Die Bundesregierung erwartet einen Rückgang der Schuldenstandsquote von 81,9 % des BIP im Jahr 2012 auf rund 69 % des BIP im Jahr 2017; Deutsches Stabilitätsprogramm (Fn. 14), S. 33 Tabelle 7. 120 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2010, BT-Drs. 17 / 3650, Nr. 2.2.4. 121 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nrn. 2.4–2.8. 122 Allein im Bundeshaushalt 2013 mit einem Ausgabensoll von 302,0 Mrd. Euro lagen die veranschlagten Ausgaben hierfür bei rund 125 Mrd. Euro. 123 Im Bundeshaushalt 2010 lag dieser Anteil als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise noch bei 87 %; seitdem hat sich die Zins- / Sozialsteuerquote deutlich verringert.

Prüfung der Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung

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(2) Infolge der Zinsbewegungen auf den Geld- und Kapitalmärkten ist der Bundeshaushalt erheblichen Zinsänderungsrisiken ausgesetzt. Dies ist die Konsequenz des Anwachsens der Bundesschuld (siehe Abbildung 2) mit jährlichen Bruttokreditaufnahmen124 von rund 250 Milliarden Euro. Zwar hat der Bund vor allem seit dem Jahr 2009 von äußerst günstigen Refinanzierungsbedingungen profitiert.125 Würde aber die Rendite für die Bruttokreditaufnahme z. B. wieder den Stand vor der Finanz- und Wirtschaftskrise erreichen (4,1 % im Jahr 2007), bedeutete dies gegenüber den Zinskonditionen des Jahres 2012 zusätzliche Zinsbelastungen von jährlich mehr als 8 Milliarden Euro. (3) Hinzu kommen die Risiken für den Bundeshaushalt aus der Staatsschulden- und Eurokrise. Deutschland hat sich bei den europäischen Rettungsschirmen in hohem Maße engagiert und damit Solidarität für die europäischen Partnerländer gezeigt. Noch ist offen, wie sich die aus den übernommenen Gewährleistungen und Kapitaleinzahlungen in den Europäischen Stabilitätsmechanismus resultierenden Ausfallrisiken in dreistelliger Milliardenhöhe126 auf den Bundeshaushalt auswirken werden. Auf mittel- und langfristige Sicht können haushaltsrelevante Belastungen für den Bund jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Sicher ist, dass das Thema der Staatsverschuldung auch nach einem eventuellen Abklingen der Staatsschuldenkrise und der damit einhergehenden Währungsturbulenzen nicht ad acta gelegt werden kann. Die Krise hat offengelegt, dass sich die großen Haushaltsungleichgewichte einiger Mitgliedstaaten negativ auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in ihrer Gesamtheit auswirken. In dieser Hinsicht besteht eine der bedeutsamen finanzpolitischen Lehren darin, dass jedes Land solide Staatsfinanzen gewährleisten muss, um so die europäische Stabilität insgesamt zu fördern. Eine auf Dauer verantwortbare Staatsverschuldung wird also auch künftig von großer Bedeutung für ein stabiles Europa sein. Entsprechend seiner verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung wird der Bundesrechnungshof die Verschuldungsentwicklung mit besonderem Blick auf den Bundeshaushalt weiterhin aufmerksam und – wenn es sein muss – kritisch begleiten.

124 Die Bruttokreditaufnahme setzt sich im Wesentlichen aus der Nettokreditaufnahme sowie der Anschlussfinanzierung für die Umschuldung fällig werdender Kredite früherer Jahre zusammen. 125 Zur Entwicklung der Rendite für die Bruttokreditaufnahme des Bundes vgl. Schriftliche Antwort des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. November 2012, BT-Drs. 17 / 11426, S. 21. 126 Dazu: Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Nrn. 2.8.2– 2.8.4.

Neue Wege – Prüfungen bei Banken und von Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung Ulrich Graf I. Die Finanzmarktkrise: Neue Anforderungen an das staatliche Handeln Mit der Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 hatte die Finanzmarktkrise auch Europa voll erreicht. In Deutschland drohten einige Banken zu kollabieren, da Teile ihrer Forderungen schlagartig nicht mehr werthaltig waren, sie hohe Verluste hinnehmen mussten und zudem Liquiditätsprobleme auftraten. Weltweit brach das Vertrauen der Banken untereinander zusammen. Der Geldmarkt trocknete aus, liquide Mittel unter den Finanzinstituten, insbesondere bei den global tätigen Instituten und im unbesicherten Geldmarkt, flossen nicht mehr. Die Banken und Sparkassen horteten ihre überschüssige Liquidität oder gaben sie an ihre Notenbank ab. In dieser Lage griffen die europäischen Zentralbanken ein, um die Liquiditätsversorgung sicherzustellen. Nach und nach blickten die Kapitalanleger auch kritisch auf die Marktentwicklung der Schuldverschreibungen von Staaten mit hohen Schuldenquoten innerhalb der Europäischen Währungsunion. Diese Staaten mussten plötzlich hohe Risikoprämien an die Anleger zahlen; ihre Schuldverschreibungen galten zuvor noch als weitgehend ausfallsicher. Einigen Staaten war es kaum noch möglich, über die Kapitalmärkte Schulden zur Haushaltsfinanzierung aufnehmen zu können. Ihre Bonität wurde schlecht beurteilt. Es drohte die Insolvenz einiger Staaten im Euro-Währungsraum. In dieser Situation kaufte die Europäische Zentralbank in großem Umfang Anleihen dieser Staaten auf und versorgte die Finanzmärkte weiterhin mit Liquidität. Dies wirkte sich auf den Finanzmärkten stabilisierend aus. Die Europäische Zentralbank verließ jedoch damit ihren geldpolitischen Pfad und unterstützte mit diesen Maßnahmen zugleich fiskalpolitische Interessen der begünstigten Staaten, insbesondere die Schuldenaufnahmen zur Haushaltsfinanzierung. Diese mit „Euro-Krise“ umschriebene Entwicklung führte zu einer schweren Vertrauenskrise zum Fortbestand der Euro-Währungsunion, die von der Bankenkrise, den Problemen bei der Schuldenfinanzierung einiger

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Staaten und makroökonomischen Ungleichgewichten im Euro-Raum gekennzeichnet ist.1 Neben den nationalen Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank waren die Regierungen und Parlamente im Euro-Währungsraum besonders gefordert. Es galt, das Vertrauen der Bevölkerung zu stützen, die Einlagen privater Haushalte bei Finanzinstituten zu sichern und die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte wiederherzustellen. Insoweit entwickelte sich dabei auch in Deutschland eine neue öffentliche Aufgabe; es gab ein starkes öffentliches Interesse für das Tätigwerden der Politik.2 Die Politik reagierte bereits im Oktober 2008 gesetzgeberisch und durch konkrete Maßnahmen auf die Finanzmarktkrise. Auch der Bundesrechnungshof handelte schnell und prüft seit Herbst 2008 diese Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung und die neu geschaffenen Institutionen. Im Euro-Währungsraum wurden im Jahre 2010 die European Financial Stability Facility (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität – EFSF) als temporäre Einrichtung und im Oktober 2012 der European Stability Mechanism (Europäischer Stabilitätsmechanismus – ESM) als dauerhafte Institution geschaffen. Der Bundesrechnungshof ist seit Errichtung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus in dessen Prüfungsausschuss (Board of Auditors) vertreten. II. Rechtsrahmen, Instrumente und Institutionen zur Finanzmarktstabilisierung in Deutschland Unter dem Eindruck der Entwicklungen seit der Insolvenz von Lehman Brothers brachte der Deutsche Bundestag innerhalb kürzester Zeit ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Finanzmarktes auf den Weg. Die Bundesregierung beschloss am 13. Oktober 2008 einen vom Bundesministerium der Finanzen vorgelegten Entwurf zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz, der nach einer Plenarsitzung und Beratungen in den parlamentarischen Ausschüssen bereits am 17. Oktober 2008 durch den Bundestag verabschiedet wurde; auch der Bundesrat stimmte an diesem Tag diesem Gesetzentwurf zu. Das Artikelgesetz trat bereits am 18. Oktober 2008 unter großer Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in Kraft. Eine Rechtsverordnung (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung – FMStFV), die Einzelheiten zur Umsetzung und zur Ausgestaltung einzelner Stabilisierungsinstrumente enthielt, war ab 20. Oktober 2008 wirksam. 1 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Hrsg.), Jahresgutachten 2012 / 13, BT-Drs. 17 / 11440, S. 64 ff. 2 Vgl. hierzu grundsätzlich Josef Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts Bd. 8, 3. Aufl., Heidelberg 2010, § 73 Rn. 5 ff.

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Das Maßnahmenpaket zielte darauf ab, das Vertrauen in das Finanzsystem wieder herzustellen und den Geschäftsverkehr zwischen den Finanzinstitutionen in geordnete Bahnen zu lenken. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz wurde später mehrfach ergänzt. 1. Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Den Kern des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes bildet in Artikel 1 das Gesetz zur Errichtung eines Finanzmarktstabilisierungsfonds (Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz – FMStFG). Dieser Fonds, Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, ist als sogenanntes Sondervermögen des Bundes nicht Bestandteil des Bundeshaushalts. Er wird durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, eine bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts, in Frankfurt am Main verwaltet, die Ende Oktober 2008 ihre Arbeit aufnahm. Ein Leitungsausschuss aus drei Mitgliedern führt die Anstalt. Die Entscheidungen über Grundsatzfragen oder Angelegenheiten von besonderer Bedeutung trifft ein interministerieller Lenkungsausschuss. Er besteht aus je einem Vertreter des Bundeskanzleramtes, der Bundesministerien der Finanzen, der Justiz und für Wirtschaft und Technologie sowie einem von den Ländern benannten Vertreter. Dem Ausschuss gehört außerdem beratend ein Vertreter der Deutschen Bundesbank an. Der Lenkungsausschuss kann weitere Mitglieder beratend anhören. Die Regelung hinsichtlich der Beteiligung eines Ländervertreters mag zunächst überraschen. Sie lässt sich jedoch mit der endgültigen Lastenverteilung des Fonds erklären. Nach Abwicklung des Fonds sind die Länder am verbleibenden Schlussergebnis beteiligt. Die Belastungen werden dann zwischen Bund und Ländern im Verhältnis 65 zu 35 aufgeteilt; der belastende Höchstbetrag ist für die Länder auf insgesamt 7,7 Milliarden Euro begrenzt.3 Ziel ist es, die Liquiditätsbeschaffung für Kreditinstitute zu erleichtern, das Eigenkapital von Unternehmen zu stärken oder die Geschäfte bei begünstigten Unternehmen durch Auslagerung von Risikopositionen und strategisch nicht notwendiger Geschäftsfelder neu zu organisieren. Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung kann folgende Instrumente zur Stabilisierung des Finanzmarktes einsetzen: – zeitlich begrenzte Übernahme staatlicher Garantien für neue Schuldtitel von begünstigten Instituten bis zu 400 Milliarden Euro; für eventuelle Garantieausfälle kann der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung 20 Milliarden Euro Kredit aufnehmen, 3

§ 13 Abs. 2 FMStFG.

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– Beteiligung an Unternehmen des Finanzsektors (Rekapitalisierungen), – Erwerb von Unternehmensteilen und Tochtergesellschaften, – Übernahme von Risikopositionen, – Gründung von Abwicklungsanstalten für Wertpapiere und nicht strategisch notwendige Geschäftsbereiche von Unternehmen des Finanzsektors sowie – Garantien an Zweckgesellschaften. Für Rekapitalisierungen, den Anteilserwerb an Unternehmen, die Übernahme von Risikopositionen sowie für den Kapitaleinsatz bei Abwicklungsanstalten stehen bis zu 80 Milliarden Euro zur Verfügung. Der finanzielle Rahmen wurde bisher nicht ausgeschöpft. Für Garantien lag die Auslastung in Spitzenzeiten bei rund 168 Milliarden Euro, für Kapitalmaßnahmen bei rund 29 Milliarden Euro. Im Frühjahr 2013 umfasste das Garantievolumen nur noch 3,3 Milliarden Euro, der Kapitaleinsatz 18,8 Milliarden Euro, der nach Rückzahlung der stillen Einlage durch die Commerzbank AG noch bei 17,2 Milliarden Euro lag (Juni 2013). Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung ist aus den gewährten Garantien bisher nicht in Anspruch genommen worden. Die für die Rekapitalisierungen erforderlichen Mittel nimmt die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH im Rahmen des Schuldenmanagements des Bundes auf. Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung gewährt seine Hilfe auf freiwilliger Basis, die Unternehmen müssen einen Antrag auf Unterstützung stellen und sich, abhängig von der Maßnahme, im Gegenzug Auflagen unterwerfen. Seit Beginn der Finanzmarktkrise beteiligte sich der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung an vier Banken, um deren Eigenkapital zu stärken. Bei zwei Banken erwarb er Aktien und wurde dadurch Anteilseigner. Daneben hielt er stille Beteiligungen. Die staatliche Unterstützung ist nicht kostenlos. Die stillen Einlagen sind jährlich zwischen 9 und 10 % zu verzinsen, wenn das Unternehmen einen nach Handelsgesetzbuch ermittelten Bilanzgewinn erzielt. Bei Garantien ist für die Antragsbearbeitung, die Gewährung und die Überwachung jeweils eine Vergütung an den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung zu zahlen. Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung hat zwei Abwicklungsanstalten geschaffen.4 Sie sind innerhalb der Bundesanstalt wirtschaftlich und organisatorisch selbstständige und teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts. Ein Kreditinstitut kann dort seine künftig nicht mehr notwendigen Geschäftsbereiche und nicht voll werthaltigen Forderungspositionen, bei4

Vgl. § 8a FMStFG (i. d. F. v. 23. Juli 2009, BGBl. I 2009 S. 1980).

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spielsweise ausfallgefährdete Kredite, auslagern. Die Abwicklungsanstalten wickeln diese Geschäfte entsprechend ihrer Satzungen langfristig ab. In den Medien werden diese Einrichtungen als „Bad Banks“ bezeichnet. Dieser Begriff ist nicht zutreffend, da die Abwicklungsanstalten keine Banken sind. Mit der Abwicklung der übernommenen Aktiva und der Refinanzierung dieser Geschäfte betreiben diese Einrichtungen keine umfänglichen Bankgeschäfte und unterliegen in wesentlichen Teilen auch nicht den für Banken geltenden aufsichtsrechtlichen Regelungen. Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung gründete im Dezember 2009 die „Erste Abwicklungsanstalt“ (EAA), in der die inzwischen aufgelöste Westdeutsche Landesbank Geschäftsfelder und Risikopositionen einbrachte: In den Jahren 2009 und 2010 in einer Größenordnung von 77,5 Milliarden Euro, im Jahr 2012 zusätzlich rund 100 Milliarden Euro, sodass die Gesamtübertragung 177 Milliarden Euro erreichte. Im Juli 2010 richtete die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung die „FMS Wertmanagement“ als Abwicklungsanstalt für Risikopositionen und nicht strategienotwendige Geschäftsbereiche der Hypo Real Estate Group ein. Die übertragenen Positionen umfassten 175,7 Milliarden Euro. 2. Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz Im April 2009 trat das Gesetz zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz) in Kraft. Dieses Artikelgesetz regelt in Artikel 3 mit dem Gesetz zur Rettung von Unternehmen zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Rettungsübernahmegesetz) die erleichterte Übernahme von Kapitalgesellschaften durch den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung. Hierdurch ist eine Enteignung von Kapitalanteilen an Kreditinstituten möglich und wurde im Fall der Hypo Real Estate auch angewendet. Es handelte sich um eine Lex Hypo Real Estate mit einem massiven und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht da gewesenen Eingriff in die Eigentumsrechte von Investoren.5 3. Restrukturierungsfondsgesetz Mit dem Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz, RStruktFG) vom 9. Dezember 2010 und der Verordnung über die Erhebung der Beiträge zum Restrukturierungs5 Christoph Kaserer, Ökonomische Überlegungen zum FMStErgG, in: Kaserer / Köndgen / Möllers, Stellungnahmen zum Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz, ZBB-Report 2009, S. 143.

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fonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfonds-Verordnung) vom 20. Juli 2011 wurde das Maßnahmenpaket zur Finanzmarktstabilisierung erweitert. Der Restrukturierungsfonds ist bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung eingerichtet und als sogenanntes Sondervermögen, ebenso wie der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, nicht Bestandteil des Bundeshaushaltes. Der Restrukturierungsfonds kann zur Stabilisierung des Finanzmarktes und zur Vermeidung von Bestandsgefährdungen von Kreditinstituten „Brückeninstitute“ gründen, in die – nach einer Übertragungsanordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – von notleidenden Kreditinstituten übernommene Vermögenspositionen einfließen. Der Restrukturierungsfonds kann sich kapitalmäßig an den Brückeninstituten beteiligen und ihnen Garantien gewähren. Anders als bei den oben aufgeführten Stabilisierungsmaßnahmen kommen die erforderlichen Mittel für den Restrukturierungsfonds seit dem Jahr 2011 von den Kreditinstituten selbst, aus der sogenannten Bankenabgabe. Die Höhe der jährlichen Beitragszahlung jedes Instituts hängt insbesondere von dessen Bilanzsumme (Passiva ohne Eigen- und Genussrechtskapital, Derivateverbindlichkeiten) ab. Durch diese Abgabe sollen langfristig 70 Milliarden Euro zusammenkommen. Derzeit liegt das Mittelaufkommen erst bei wenigen Milliarden Euro. Die „Bankenabgabe“ wird demnach kurzfristig und vielleicht auch mittelfristig nicht ausreichen, größere Restrukturierungen zu finanzieren. Deshalb ist der Restrukturierungsfonds ermächtigt, bis zu 20 Milliarden Euro Kredit für Rekapitalisierungen aufzunehmen und bis zu 100 Milliarden Euro an Garantien zu gewähren. 4. Finanzmarktgremium des Deutschen Bundestages Das Parlament wird entsprechend § 10a Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz und § 16 Restrukturierungsfondsgesetz in einem geheim tagenden Gremium, dem Finanzmarktgremium, vom Bundesfinanzministerium und von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung zu grundsätzlichen Fragen und aktuellen Entwicklungen informiert. Das Gremium besteht aus neun Mitgliedern des Haushaltsausschusses und tritt fast ausnahmslos in jeder Sitzungswoche des Deutschen Bundestages einmal zusammen. Zum Informationsaustausch lädt das Gremium u. a. auch Vertreter von begünstigten Unternehmen und von Abwicklungsanstalten ein. Ein Vertreter des Bundesrechnungshofes nimmt an allen Sitzungen des Finanzmarktgremiums teil.

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III. Institutionen in der Europäischen Währungsunion 1. Europäische Finanzstabilisierungsfazilität Die als temporäre Einrichtung nach luxemburgischem Privatrecht im Jahr 2010 geschaffene Einrichtung zur Sicherung der finanziellen Stabilität im Euro-Raum nimmt an den Kapitalmärkten Kredite in Form von Schuldverschreibungen auf und reicht diese Gelder unter Auflagen an begünstigte Staaten weiter. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion garantieren die Verbindlichkeiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität. Die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität unterliegt keiner parlamentarischen Kontrolle. Außerdem wird sie durch keinen Prüfungsausschuss oder durch Rechnungshöfe geprüft. 2. Europäischer Stabilisierungsmechanismus Diese im Oktober 2012 gegründete Einrichtung hat begonnen, die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität abzulösen und die Stabilisierungsmaßnahmen fortzusetzen. Sie hat ihren Sitz ebenfalls in Luxemburg, ist aber keine privatrechtliche Institution, sondern eine supranationale Einrichtung der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion. Der Europäische Stabilisierungsmechanismus ist keine Einrichtung der Europäischen Union. Er arbeitet auf Grundlage des von den Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion ratifizierten Vertrages, der Satzung (By Laws) und einer Vielzahl von Richtlinien. Dieses Regelwerk wurde auch vom Deutschen Bundestag gebilligt, ebenso wie der finanzielle Rahmen für Unterstützungsmaßnahmen. Der Europäische Stabilisierungsmechanismus verfügt über ein gezeichnetes Kapital von 700 Milliarden Euro, wovon 80 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten entsprechend ihres Anteils an der Europäischen Zentralbank bar einzuzahlen sind. Für Deutschland ergibt sich damit – auf Grundlage seines Anteils an der Europäischen Zentralbank von rund 27 % – ein einzuzahlender Betrag von 21,7 Milliarden Euro und eine Summe von weiteren 168 Milliarden Euro an Haftungskapital. Der Beitrag Deutschlands ist auf maximal 190 Milliarden Euro begrenzt. Der Europäische Stabilisierungsmechanismus unterliegt, wie auch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, keiner parlamentarischen Kontrolle. Der Europäische Stabilisierungsmechanismus wird entsprechend Artikel 30 seines Vertrages von einem fünfköpfigen Prüfungsausschuss kontrolliert, in dem derzeit auch der Bundesrechnungshof vertreten ist. Die Satzung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus regelt in Artikel 24 Näheres zur Zusammensetzung dieses Kontrollgremiums und zu seinen Aufgaben.

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IV. Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes 1. Prüfungsrechte bei privatrechtlichen Kreditinstituten Erwirbt der Bund Beteiligungen, richten sich der Erwerb, die Verwaltung und die Einbindung des Bundesrechnungshofes grundsätzlich nach den §§ 65 bis 69 Bundeshaushaltsordnung. Davon hat der Gesetzgeber bei den im Rahmen der Finanzmarktstabilisierung eingegangenen Beteiligungen abgesehen. Um die staatlichen Stützungsmaßnahmen bei juristischen Personen des privaten Rechts des Finanzsektors dennoch prüfen zu können, mussten sich die begünstigten Unternehmen einem vertraglich vereinbarten Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes unterwerfen.6 Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung nahm in die Rahmenverträge für Stabilisierungsmaßnahmen für Finanzinstitute ein solches – vom Bundesrechnungshof entworfenes – Prüfungsrecht auf:7 „Der Bundesrechnungshof ist berechtigt, bei dem begünstigten Unternehmen alle Maßnahmen zu prüfen, die mit den vom Bund gewährten Stabilisierungsmaßnahmen in Zusammenhang stehen oder sich darauf auswirken können. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen dem Bundesrechnungshof oder seinen Beauftragten alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er für erforderlich hält; insbesondere ist ihm Zugang zu allen relevanten Dokumenten, Datenträgern und Systemen einschließlich des Zugangs zu den Geschäftsräumen des Unternehmens zu gewähren. Ferner sind dem Bundesrechnungshof oder seinen Beauftragten die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Der Bundesrechnungshof kann Sachverständige hinzuziehen.“ Diese Prüfungsrechte sind für den Bundesrechnungshof umfassender als die in den §§ 65 bis 69 Bundeshaushaltsordnung enthaltenen Regelungen. Da die Prüfungsrechte in den Rahmenverträgen verankert wurden, musste er nicht in jedem Einzelfall ein vertragliches Prüfungsrecht mit den Instituten vereinbaren. Auch der Restrukturierungsfonds hat sich bei Unternehmen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen, ein vertraglich vereinbartes Prüfungsrecht zugunsten des Bundesrechnungshofes einräumen zu lassen. Ebenso ist ein Erhebungsrecht zu vereinbaren, wenn Aufgaben im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen von anderen juristischen oder natürlichen Personen wahrgenommen werden.8 6

§ 104 Abs. 1 Ziff. 3 BHO. § 5 Abs. 6 S. 1 letzter Hs. Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung i. V. m. § 6a Abs. 6 S. 1 u. § 8a Abs. 4 Ziff. 8 S. 1 FMStFG. 8 § 13 Abs. 4 RStruktFG. 7

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2. Prüfungsrechte bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Sondervermögen Bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung und den Abwicklungsanstalten richten sich die Prüfungsrechte nach § 111 Bundeshaushaltsordnung, bei den Sondervermögen nach § 113 Bundeshaushaltsordnung. Wenn Abwicklungsanstalten und in diesem Zusammenhang die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Aufgaben von anderen juristischen oder natürlichen Personen wahrnehmen lassen (Outsourcing), ist ein Erhebungsrecht vertraglich zu vereinbaren.9 V. Prüfungen des Bundesrechnungshofes 1. Aufbau einer Task Force Um die Prüfungsrechte zeitnah ausüben zu können, musste der Bundesrechnungshof auch personell schnell reagieren. Als sich ab Mitte Oktober 2008 die Inhalte des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und der ergänzenden Rechtsverordnung abzuzeichnen begannen, wurde eine „Task Force“ zur Prüfung der Stabilisierungsmaßnahmen ins Leben gerufen. Ein solches Prüfungsteam konnte organisatorisch nur dort angesiedelt werden, wo bereits umfangreiches finanzmarktspezifisches Wissen vorhanden war. Es bot sich an, das für die Prüfung der Staatsverschuldung und finanzwirtschaftlicher Fragestellungen zuständige Prüfungsgebiet mit dieser neuen Herausforderung zu betrauen. Im Geschäftsverteilungsplan wurde folgendes „Prüfungsmandat“ festgelegt: – Prüfung des Finanzmarktstabilisierungsfonds und der Finanzmarktstabilisierungsanstalt, – Prüfung der Aufgaben des Bundesfinanzministeriums und der Deutschen Bundesbank im Hinblick auf das Maßnahmenpaket zur Finanzmarktstabilisierung, – Prüfung der Tätigkeit der Bundesvertreter im Lenkungsausschuss, – Prüfung der Unternehmen des Finanzsektors, die Stabilisierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Das Prüfungsgebiet wurde personell deutlich aufgestockt, um die neuen Prüfungsfelder abdecken zu können. Es umfasst auch heute noch sechs Prüferinnen und Prüfer, den Teamleiter sowie den Prüfungsgebietsleiter. Bei der Personalauswahl war es wichtig, ein interdisziplinäres Team aus Fach9

§ 8 a Abs. 1 FMStFG.

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leuten für die unterschiedlichen Fragestellungen zusammenzustellen. Dies war insbesondere auch deshalb von großer Bedeutung, weil nicht nur bei staatlichen Stellen, sondern auch bei Unternehmen des Finanzsektors geprüft werden sollte. Das Prüfungsteam besteht aus Volkswirten, Betriebswirten und Juristen. Es verfügt insbesondere über Fachwissen in den Bereichen Bank- und Börsenwesen, Versicherungswirtschaft, Rechnungswesen von Unternehmen, Banken- und Wertpapieraufsicht und Beteiligungen des Bundes. Dieses Wissen haben die Prüferinnen und Prüfer neben ihrer Ausbildung in der Regel auch durch Berufserfahrung in privatwirtschaftlichen Unternehmen gewonnen. Das Team sammelte zudem umfassende Erfahrungen im Bundesfinanzministerium, bei der Deutschen Bundesbank und der Finanzmarktaufsicht. 2. Herausforderungen an die externe Finanzkontrolle Der Bundesrechnungshof musste bei seinen Prüfungsansätzen neue Wege gehen. Ziel war es von Anfang an, auf „Augenhöhe“ prüfen zu können. Dieses Ziel weist mehrere Facetten auf. Die Prüfungen sollten schnell nach Genehmigung der Stabilisierungsmaßnahmen begonnen werden, um aktuelle Ergebnisse zu liefern. Dies auch deshalb, um bei der Begleitung aktueller Gesetzgebungsverfahren auf mögliche notwendige Rechtsänderungen hinweisen zu können. Darüber hinaus gilt es, die Umsetzung der Stabilisierungsmaßnahmen und der damit verbundenen Auflagen angemessen prüfen zu können. Hierzu ist es bei den Unternehmen vor Ort notwendig, teilweise tief in die Materie einzudringen und bankenspezifisches Wissen anzuwenden. Auf der anderen Seite war es auch für das Bundesfinanzministerium und die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung eine große Herausforderung, in einem neuen Aufgabenfeld schnell und möglichst wirksam tätig werden zu müssen. Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung startete mit einem kleinen Personalkörper, aber mit einer Fülle zu erbringender Leistungen. Der Bundesrechnungshof hat dies bei seinen Prüfungen zu Beginn der Stabilisierungsmaßnahmen berücksichtigt. Für alle Beteiligten ist die Arbeit an der Schnittstelle zwischen öffentlicher Verwaltung und Finanzmärkten herausfordernd. Eine besondere Bedeutung hat der Umgang mit dem Thema „Risiko“. Allein schon die Volumina der Maßnahmen und die gesamte Komplexität der Finanzgeschäfte erfordern ein umfassendes Risikomanagement der Beteiligten einschließlich der Überwachung durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung.

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Die sensiblen Unternehmens- und Finanzmarktdaten beanspruchen besonderes Augenmerk. Die Wahrung der Vertraulichkeit dieser Daten ist auch durch die Berichterstattung an das geheim tagende Finanzmarktgremium des Deutschen Bundestages gesichert. 3. Prüfungsziele Neben den neuen Wegen bewegt sich der Bundesrechnungshof auch auf vertrautem Terrain. Die Prüfungen zur Ordnungsmäßigkeit und Einhaltung des Rechtsrahmens folgen dem üblichen Prüfungsschema, jedoch mit den Besonderheiten der Finanzwelt. Viele Entscheidungen sind nicht wie gewohnt umfassend nachvollziehbar dokumentiert. Auch ist der Aufwand für die Überprüfung wegen der enormen Datenvolumina sehr hoch. Schwierig gestalten sich Prüfungen unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten. Alternativen zu den meisten Stabilisierungsmaßnahmen wurden im politischen Raum kaum diskutiert und nicht näher in Erwägung gezogen. Unter dem Gesichtspunkt der Transparenz ist es für den Bundesrechnungshof wichtig, das Parlament über seine Prüfungserkenntnisse zu unterrichten. Diese Erkenntnisse basieren überwiegend auf Erhebungen vor Ort. Gestützt auf seine Prüfungserkenntnisse hat der Bundesrechnungshof auch Rechtsänderungen angeregt. Die Prüfungen dienen auch dazu, aktuelle und künftige Haushaltsrisiken zu erkennen. Nach Auslaufen der Stabilisierungsmaßnahmen werden die mit diesen Maßnahmen verbundenen Verluste von den Steuerzahlern zu tragen sein. 4. Prüfungen im Einzelnen Mit seinen Prüfungen deckt das Prüfungsteam ein breites Spektrum ab. Es prüft die einzelnen Stabilisierungsmaßnahmen: Garantien und Rekapitalisierungen sowie die Abwicklungsanstalten, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, die Aufgabenwahrnehmung des Bundesfinanzministeriums mit den Vorgaben des interministeriellen Lenkungsausschusses, die Finanzierung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung sowie die „Bankenabgabe“ nach der Restrukturierungsfonds-Verordnung. a) Anfangsphase Noch im Dezember 2008 hat der Bundesrechnungshof die Aufbauphase der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung begleitet und sich dabei einen ersten Überblick über die Tätigkeit, die Geschäftsprozesse sowie die

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aktuellen Problemfelder verschafft. Ebenso war das Zusammenwirken von Lenkungsausschuss, dem Bundesfinanzministerium und der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Gegenstand der Prüfung. Dabei waren auch die Entscheidungsprozesse bei der Gewährung von Maßnahmen von Interesse. Es folgten Prüfungen von einzelnen Maßnahmen zur Rekapitalisierung von Kreditinstituten mit Berichten an das Parlament. Diese Berichte enthielten auch Empfehlungen, die von der Bundesregierung und dem Parlament aufgegriffen wurden. Damit hat der Bundesrechnungshof bereits nach kurzer Zeit erste Prüfungsergebnisse präsentiert. b) Fortlaufende Prüfungen In seine Arbeitsplanung für das jeweilige Jahr nimmt der Bundesrechnungshof Prüfungsthemen auf, die noch nicht behandelt wurden. Damit will er auch beim Thema „Finanzmarktstabilisierung“ prüfungsfreie Räume vermeiden. Daneben sieht er für aktuelle Prüfungsthemen und Berichtsbitten aus dem Parlament Zeitfenster vor. Er hat auch begonnen, die Umsetzung der von den geprüften Stellen zugesicherten Maßnahmen in sogenannten Kontrollprüfungen aufzugreifen. aa) Prüfungen bei Banken und Abwicklungsanstalten Die Garantiegewährungen und Eigenkapitalhilfen basieren auf Rahmenverträgen und Verträgen zwischen dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung, vertreten durch die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, und den begünstigten Kreditinstituten. Darin sind neben den Einzelheiten zu den Stützungsmaßnahmen auch verschiedene Auflagen verankert, die das jeweils gestützte Institut einhalten muss. Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung ließ sich dabei umfangreiche Berichtspflichten einräumen. Die Auflagen umfassen u. a. bankgeschäftliche Vorgaben, beispielsweise eine solide und umsichtige Geschäftspolitik sowie bei der Kreditvergabe kleinere und mittlere Unternehmen zu berücksichtigen.10 Zugleich ist die Vergütung von Organmitgliedern und Geschäftsleitung auf ein angemessenes Maß begrenzt. Als Grenze gilt eine monetäre Vergütung von 500.000 Euro pro Jahr. Außerdem sollen keine Bonifikationen und andere in das freie Ermessen des Unternehmens gestellte Vergütungsbestandteile gezahlt werden, solange das Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen des Fonds in Anspruch nimmt. Während der Dauer der Stabilisierungsmaßnahmen ist nicht vorgese10

Vgl. § 5 Abs. 1 u. 2 FMStFV.

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hen, Dividenden oder sonstige Gewinnausschüttungen an andere Gesellschafter als den Fonds zu leisten.11 Bei den durch die staatliche Unterstützung befürchteten Wettbewerbsverzerrungen soll der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung dem begünstigten Unternehmen Bedingungen für die Geschäftstätigkeit auferlegen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.12 Die Geschäftstätigkeit von Abwicklungsanstalten ist in Satzungen geregelt. Die Rückführung der übernommenen und zumeist nicht mehr voll werthaltigen Forderungen ist in Abwicklungsplänen verankert. Diese Pläne werden entsprechend der Marktentwicklung und neuerer Erkenntnisse zu den einzelnen Bilanzpositionen von Zeit zu Zeit angepasst. Der Bundesrechnungshof erhebt auf Grundlage seiner Prüfungsrechte bei Banken und Abwicklungsanstalten auch vor Ort. Dabei hat er sich bei gestützten Banken ein Bild zu ihrer Positionierung im Markt, der Vorgeschichte und den unternehmenspolitischen Entscheidungen des Vorstands verschafft, die zur Inanspruchnahme der staatlichen Hilfen führten. Auch die künftige Unternehmenspolitik und die anvisierten Ziele des Instituts wurden erfragt. Vor diesem Hintergrund war es für den Bundesrechnungshof eigenständig möglich zu beurteilen, ob die Eigenkapitalhilfen über stille Einlagen und Aktienbeteiligungen notwendig und angemessen waren. Die Erhebungen bei den Unternehmen stoßen auf keinerlei Vorbehalte, die Banken unterstützen seine Arbeit bisher umfassend. Der Bundesrechnungshof hat gegenüber der Regierung und dem Parlament frühzeitig darauf hingewiesen, eine Ausstiegsstrategie des Bundes für diese Beteiligungen (Exitstrategie) zu entwickeln. Der Bund sollte bei diesen Eigenkapitalhilfen kein dauerhafter Geldgeber sein, sondern lediglich zur zeitlich begrenzten Stabilisierung der Finanzmärkte beitragen. Diesem Ziel trägt auch Rechnung, dass die bei der Finanzmarktstabilisierung eingegangenen Beteiligungen von den Regelungen der Vorschriften §§ 65 bis 69 Bundeshaushaltsordnung ausgenommen sind. Die Bundesregierung hat daraufhin im Sommer 2010 einen Expertenrat berufen, der im Januar 2011 ein Gutachten über „Strategien für den Ausstieg des Bundes aus krisenbedingten Beteiligungen an Banken“ vorlegte. Die Überprüfung der mit den Hilfen verbundenen Auflagen wurde durch das reichlich vorhandene Zahlenmaterial bei den Banken und die teilweise umfassenden Berichte der Institute an den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung erleichtert. Das galt auch für die Prüfung von Vergütungen und Bonifikationen. Schwieriger war die Überprüfung von abstrakt formulierten Auflagen, beispielsweise „solide und umsichtige Geschäftspolitik“. 11 12

§ 5 Abs. 2 Ziff. 5 FMStFV. § 5 Abs. 5 FMStFV.

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Bei den Abwicklungsanstalten richtet sich das Augenmerk des Prüfungsteams insbesondere auf das Portfolio mit den übernommenen Positionen, aber auch auf den Einsatz von Beratern und bilanzielle Fragen. Bei der Prüfung der Portfolien ist wieder vertiefter banktechnischer Sachverstand gefragt. Die einzelnen Positionen im Abwicklungsplan sind teilweise sehr komplex und die Datenlage schwierig. Der Bundesrechnungshof hinterfragt u. a. auch den vorgesehenen Abbau des Portfolios mit den zugrunde gelegten Annahmen. Er widmet sich auch den Fragen von Risiken und Verlustrealisierung; angesichts der Größenordnung der abzuwickelnden Positionen von mehreren hundert Milliarden Euro ein wichtiges Thema. Der Beratereinsatz bei den Abwicklungsanstalten wird auf seine Notwendigkeit hin hinterfragt; zudem wird die Einhaltung des Vergaberechts bei Ausschreibungen von Beraterleistungen geprüft. Das Prüfungsteam beschäftigt sich darüber hinaus auch mit der Auslagerung von Dienstleistungen an Dritte. bb) Prüfungen bei den staatlichen Einrichtungen der Finanzmarktstabilisierung Die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung verwaltet den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung. Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesanstalt. Hierzu gehören auch die Rechnungslegung und der Jahresabschluss. Daneben wird geprüft, wie die Provisionen bei den Garantiegewährungen berechnet und abgewickelt werden. Das Prüfungsteam beleuchtet auch organisatorische Fragen bei der Bundesanstalt und deren Geschäftsprozesse. Ein weiteres Prüfungsthema ist auch, wie das Bundesfinanzministerium und die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung die Beteiligungsverwaltung an gestützten Instituten wahrnehmen. Das Bundesfinanzministerium zog bei Gesetzgebungsvorhaben, insbesondere ab Herbst 2008, in starkem Maße externe Berater heran, die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung in ihrer Anfangsphase ebenso. Sie lässt sich auch in Einzelfragen immer wieder von Externen beraten. Diese Thematik prüft der Bundesrechnungshof nicht nur nach vergaberechtlichen Gesichtspunkten, sondern teilweise auch im Hinblick darauf, ob und inwieweit die Einschaltung Dritter erforderlich und angemessen ist. Der Bundesrechnungshof hat darüber hinaus die Finanzierung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung untersucht. Die Provisionen aus den Garantiegewährungen erbrachten jährlich hohe Erträge von teilweise über 400 Millionen Euro. Insbesondere wegen der Verpflichtung zum Verlustausgleich gegenüber der Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement weisen die Jahresabschlüsse des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung jedoch Verluste

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bis zu 13,1 Milliarden Euro aus. Da die Garantien von vornherein zeitlich nur begrenzt waren und keine neuen Garantien gewährt wurden, schrumpften die Provisionserträge drastisch. Die für die Eigenkapitalzuführung gestützter Banken erforderlichen Mittel nahm die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH auf, die im Namen und für Rechnung des Bundes das Schuldenmanagement betreibt. Die Finanzagentur reichte diese Mittel an den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung weiter und berechnet hierfür die Zinskosten, die dem Bund für seine haushaltsmäßigen Kreditaufnahmen tatsächlich entstehen („Proportionalfinanzierung“). Durch die vorhandenen vertieften Kenntnisse im Schuldenmanagement des Bundes fällt es dem Prüfungsteam nicht schwer, diese Materie zu prüfen. cc) Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen Der Bundesrechnungshof hatte seine Stellungnahmen in einer Reihe von Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Dies betraf das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz, das Restrukturierungsfondsgesetz und das Zweite Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung. In seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung beteiligte sich auch der Präsident des Bundesrechnungshofes daran. Zu Beginn der Finanzmarktgesetzgebung im Oktober 2008 nahm er als Sachverständiger an einer Anhörung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages teil und Vertreter des Bundesrechnungshofes traten bei einer öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss zum Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetz im Januar 2012 auf.13 VI. Berichterstattung und Beratung Bei der Berichterstattung und den Beratungen folgt der Bundesrechnungshof dem üblichen Verfahren. Nach § 96 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung teilt er seine Prüfungsergebnisse im kontradiktorischen Verfahren den geprüften Stellen mit einer Frist zur Äußerung mit. Auch Banken erhalten als Stellen, bei denen erhoben wurde, Kenntnis von den Prüfungsergebnissen. Der Bundesrechnungshof formuliert auch Berichte nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung zum gesamten Themenspektrum der Finanzmarktstabilisierung. Über grundlegende Prüfungen berichtet der Bundesrechnungshof dem geheim tagenden Finanzmarktgremium nach § 10a Finanzmarktstabilisie13

Vgl. dazu den Beitrag von Dieter Hugo in dieser Festschrift.

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rungsfondsgesetz und § 16 Restrukturierungsfondsgesetz. Dadurch kann er, vor dem Hintergrund seiner Prüfungserkenntnisse, zu Sachfragen beitragen. Der Kontakt zum Parlament ist eng und er ist für Berichtsbitten aus dem parlamentarischen Raum offen. VII. Prüfungen des Europäischen Stabilisierungsmechanismus Ursprünglich sah der Entwurf des Vertrages zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus keinen Prüfungsausschuss vor. Dieser Ausschuss wurde dann auf Initiative der Rechnungshöfe im Euro-Währungsraum in den Vertrag und die Satzung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus aufgenommen. Die Einrichtung dieses Ausschusses geht maßgeblich auch auf die Bestrebungen des Bundesrechnungshofes zurück, eine Einrichtung mit einem Kapital von 700 Milliarden Euro, mit Bareinzahlungen aus dem Bundeshaushalt von rund 22 Milliarden Euro und einem Haftungskapital Deutschlands von rund 168 Milliarden Euro von der externen Finanzkontrolle nicht ungeprüft zu lassen. Auch der Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages unterstützte die Initiative für eine Kontrolleinrichtung beim Europäischen Stabilisierungsmechanismus. Von den insgesamt fünf Mitgliedern des Prüfungsausschusses werden zwei Mitglieder von nationalen Rechnungshöfen und ein Mitglied vom Europäischen Rechnungshof entsandt; zwei weitere Mitglieder gehören dem Prüfungsausschuss auf Vorschlag des Gouverneursrats des Europäischen Stabilisierungsmechanismus an. Eines der Mitglieder kommt vom Bundesrechnungshof. Die Mitglieder üben ihre Tätigkeit drei Jahre lang aus, sind unabhängig und erstellen jährliche Prüfungsberichte, die dem Gouverneursrat, den nationalen Parlamenten, dem Europäischen und den nationalen Rechnungshöfen zugehen. Der Prüfungsausschuss befasst sich nicht nur mit dem Rechnungslegungssystem und dem Jahresabschluss des Europäischen Stabilisierungsmechanismus sowie der Tätigkeit des externen Abschlussprüfers, sondern auch mit Fragen der Ordnungsmäßigkeit, mit Risikoaspekten und Wirtschaftlichkeitsfragen, mit der Organisation dieser Institution sowie der Arbeit der Internen Revision. Damit geht der Prüfungsausschuss auch den beim Bundesrechnungshof verfolgten Prüfungsansätzen nach. Der Prüfungsausschuss trat noch im Monat der Gründung des Europäischen Stabilisierungsmechanismus im Oktober 2012 zu einer ersten Sitzung zusammen. Er wird nach und nach ein breites Prüfungsfeld zu bearbeiten haben. Hierbei wird er auch durch Experten von den Rechnungshöfen unterstützt.

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VIII. Resümee Der Bundesrechnungshof hat bei der Prüfung der Finanzmarktstabilisierung erfolgreich Neuland betreten. Es ist ihm bereits kurz nach Ausbruch der Finanzmarktkrise gelungen, im Oktober 2008 ein kompetentes Prüfungsteam zusammenzustellen sowie Prüfungen zeitnah und schnell zu beginnen. Hervorzuheben ist, dass die Erhebungen bei Banken vor Ort auf keinerlei Vorbehalte stoßen. Hilfreich hierfür sind insbesondere die beruflichen Erfahrungen und das Fachwissen der Beschäftigten des Bundesrechnungshofes. Seine Prüfungen und Berichte tragen dazu bei, die teilweise komplexen Konstruktionen zur Finanzmarktstabilisierung, ihre finanziellen Risiken und die Arbeit der Beteiligten bei der Finanzmarktstabilisierung für das Parlament transparent zu machen. Zudem erhält die Bundesregierung zusätzlich nähere Einblicke in die Tätigkeit der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung und der Abwicklungsanstalten. Der Prüfungsausschuss beim Europäischen Stabilisierungsmechanismus ist ein wesentlicher Baustein, die Arbeit dieser parlamentarisch nicht kontrollierten Einrichtung, die politische Entscheidungen mit hohen finanziellen Auswirkungen in der Euro-Währungsunion umsetzt, prüferisch zu begleiten und hierüber zu berichten. Dass es überhaupt zu der Einrichtung eines Prüfungsausschusses kam, ist ein Beleg für die gute internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe.

Eurostat und nationale Statistikämter – eine neue Konkurrenz für die externe Finanzkontrolle? Christian Ahrendt I. Einleitung Die Staatsschuldenkrise hat den Integrationsprozess innerhalb der Europäischen Union beschleunigt. Ausdruck dieser Entwicklung ist die Übertragung zahlreicher nationalstaatlicher Kompetenzen. Im Mittelpunkt steht dabei die Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Hierdurch soll verlorenes Vertrauen in die Finanz- und Wirtschaftspolitik vor allem innerhalb der Eurozone zurückgewonnen werden. Von diesem Prozess sind auch die Rechnungshöfe betroffen. Für sie zeichnen sich Veränderungen ab, die jüngst den Kontaktausschuss der Obersten Rechnungskontrollbehörden der Europäischen Union (Kontaktausschuss) veranlassten, eine Task Force einzusetzen und sich mit der künftigen Rolle der Rechnungshöfe in der Europäischen Union zu befassen.1 Der Beitrag geht der Frage nach, welchen gegenwärtigen und künftigen Entwicklungen sich die Rechnungshöfe stellen müssen, und prüft die These, ob der externen Finanzkontrolle mit dem statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) und den nationalen Statistikämtern eine (weitere) Konkurrenz erwächst. II. Transparenz und Überwachung Die Europäische Kommission (Kommission) hat die Ursachen der Staatsschuldenkrise untersucht. Vier zentrale Gründe macht sie für die Krise verantwortlich. Erstens ist dies die fortdauernde Missachtung des Stabilitätsund Wachstumspaktes durch die Mitgliedstaaten. Mangels entsprechender 1 Vgl. Der Kontaktausschuss der Obersten Rechnungskontrollbehörden der Europäischen Union, Entschließung zu den Aufgaben und zur Rolle der externen öffentlichen Finanzkontrolle im Lichte der jüngsten Entwicklung bei der wirtschaftspolitischen Steuerung der Europäischen Union, KA-E-2012-06 vom 19. Oktober 2012, www.eca.europa.eu (Navigation: „Internationale Beziehungen“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen und Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „CC-R-2012-06“).

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Instrumente konnte die Kommission auf die Vertragsverletzungen nicht unabhängig und robust reagieren. Als zweiter Grund für die Krise wird die fehlende Koordination der nationalen Wirtschaftspolitiken genannt. Das wirtschaftliche Wachstum verlief unterschiedlich, es entstanden in mehreren Mitgliedstaaten Wachstumsrückstände. Auch hier fehlten der Kommission ausreichende Instrumente, um gegenzusteuern. Der dritte Grund wird in einem über Jahre gleichbleibenden niedrigen Zinsniveau innerhalb der Eurozone gesehen. Die Höhe des Zinses korrespondierte nicht mit der tatsächlichen Leistungskraft der nationalen Volkswirtschaften, insbesondere blieben Haushaltsrisiken unberücksichtigt.2 Diese Entwicklung untergrub die Haushaltsdisziplin. Sie führte zu einem Fremdfinanzierungsniveau in Mitgliedstaaten, das die Stabilitätskriterien des Vertrages von Maastricht verletzte und die Schuldentragfähigkeit einiger Mitgliedstaaten überbeanspruchte. Der vierte Grund wird in dem schnellen Zusammenwachsen der Finanzmärkte erkannt. Diese Vernetzung zog nach sich, dass sich Systemschocks schnell über nationale Grenzen ausbreiten konnten, ohne das ein Instrumentarium für Gegenmaßnahmen zur Verfügung stand.3 Seit 2009 haben der Rat der Europäischen Union, die Kommission und das Europäische Parlament mit zahlreichen Gesetzespaketen versucht, der Krise zu begegnen und erkannte Fehler zu beheben. In diesen Kontext gehören die als Six-Pack4 und Two-Pack5 bezeichneten Gesetzespakete. Sie 2 In der breiten Diskussion über die Ursachen der Staatsschuldenkrise wird auch die These vertreten, dass die Investoren auf den Finanzmärkten gezielt gegen die Bail-out-Klausel des Artikel 126 AEUV spekuliert haben. 3 Ausführlich hierzu Europäische Kommission, Ein Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion: Auftakt für eine europäische Diskussion, KOM (2012) 777 endgültig 2 vom 30. November 2012, S. 3 ff., www.eur-lex.europa. eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: COM final“, „Jahr: 2012“, „Nummer: 777“). 4 Zum sog. Six-Pack gehören die Richtlinie 2011 / 85 / EU des Rates über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten vom 8. November 2011 sowie Verordnung (EU) 1173 / 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet vom 16. November 2011; Verordnung (EU) 1174 / 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet vom 16. November 2011; Verordnung (EU) 1175 / 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) 1466 / 97 des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken vom 16. November 2011; Verordnung (EU) 1176 / 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte vom 16. November 2011; Verordnung (EU) 1177 / 2011 des Rates über die Änderung der Verordnung (EG) 1467 / 97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit vom 8. November 2011; jeweils abrufbar unter: www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach

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sind in erster Linie darauf ausgerichtet, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu schärfen und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dazu werden der Kommission neue Instrumente an die Hand gegeben. Hierdurch soll die Möglichkeit geschaffen werden, früher, koordinierter und robuster auf negative Haushaltslagen zu reagieren. 5

Die neuen Instrumente der Kommission lösen Rechtsfolgen aus, zu denen beispielsweise eine präventive und eine korrektive Komponente gehören. Die erstere zielt auf die multilaterale Überwachung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme6 ab, die zweite betrifft geregelte Verfahren zur Vermeidung übermäßiger Defizite in Mitgliedstaaten.7 Wichtig für die Frage nach den Auswirkungen auf die Rechnungshöfe ist die Tatbestandsseite. Dort finden sich die Voraussetzungen, die der Kommission ein Tätigwerden erlauben. Da Basis jeder präventiven oder korrektiven Maßnahme die vorgelagerten Finanzdaten sind, richtet sich das Kommissionsinteresse darauf, diese Daten einer umfassenden Transparenz und Überwachung zu unterwerfen. Transparenz und Überwachung prägen deshalb als Leitprinzipien zahlreiche europäische Gesetzesakte. Dementsprechend führte die Kommission im Entwurf für die Richtlinie 2011 / 85 / EU und die sich anschließenden fünf Verordnungsentwürfe aus, dass die Primärfaktoren der nationalen Haushalte, d. h. Fragen von Rechnungslegung und Statistik sowie Prognosepraktiken, den europäischen Mindestnormen genügen müssen, damit Transparenz und Überwachung der finanzpolitischen Entwicklungen erleichtert werden.8 In Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: „Richtlinie bzw. Verordnung“, „Jahr: 2011“, „Nummer: 85, 1173, 1174, 1175, 1176 und 1177“). 5 Zum sog. Two-Pack gehören die Verordnung (EU) 472 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind, vom 21. Mai 2013 sowie die Verordnung (EU) 473 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet vom 21. Mai 2013; jeweils abrufbar unter: www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: „Verordnung“, „Jahr: 2013“, „Nummer: 472 und 473“). 6 Vgl. Verordnung (EU) 1173 / 2011 (Fn. 4), Art. 2 Nr. 1 i. V. m. Verordnung (EG) 1466 / 1997, geändert durch Verordnung (EU) 1175 / 2011 (Fn. 4). 7 Vgl. Verordnung (EU) 1173 / 2011 (Fn. 4), Art. 2 Nr. 2 i. V. m. Verordnung (EG) 1467 / 1997 geändert durch Verordnung (EU) 1177 / 2011 (Fn. 4). 8 KOM (2010) 523 endgültig, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten vom 29. September 2010, S. 7, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: COM final“, „Jahr: 2010“, „Nummer: 523“).

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den die Richtlinie einleitenden Erwägungsgründen wird die Agenda der Kommission zur Sicherung der vorgelagerten Finanzdaten deutlich: „(3) Vollständige und zuverlässige Systeme des öffentlichen Rechnungswesens für alle Teilsektoren des Staates sind Voraussetzung für die Erstellung von Statistiken von hoher Qualität, die die Vergleichbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten gewährleisten. Durch die interne Kontrolle sollte sichergestellt werden, dass die bestehenden Regelungen durchweg in den gesamtstaatlichen Teilsektoren durchgesetzt werden. Eine unabhängige Prüfung, die durch öffentliche Institutionen, wie etwa Rechnungshöfe oder private Prüfungseinrichtungen durchgeführt wird, sollte bewährte internationale Verfahren fördern. (4) Die Verfügbarkeit von Finanzdaten ist für das ordnungsgemäße Funktionieren der haushaltspolitischen Überwachung auf Unionsebene von entscheidender Bedeutung. Die regelmäßige Vorlage zeitnaher, verlässlicher Finanzdaten ist der Schlüssel für eine ordnungsgemäße, zeitgerechte Überwachung, die ihrerseits bei unerwarteten Haushaltsentwicklungen ein sofortiges Handeln ermöglicht. Ein für die Qualität der Finanzdaten wesentlicher Faktor ist Transparenz; Transparenz erfordert, dass regelmäßig entsprechende Daten öffentlich verfügbar gemacht werden.“

Die Bedeutung der vorgelagerten Finanzdaten für die Kommission kann kaum klarer beschrieben werden. Ohne Zugriff auf diese Daten fehlt es an den Voraussetzungen, die neuen Steuerungs- und Sanktionierungsinstrumente nutzen zu können. Das übergeordnete Ziel, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu schärfen und hierdurch neue Glaubwürdigkeit zu schaffen, würde gefährdet. Dem übergeordneten Ziel fügen sich folglich die politischen Konzepte und gesetzlichen Initiativen der Kommission in Bezug auf die vorgelagerten Finanzdaten. Die Richtlinie 2011 / 85 / EU hält daher für die Vergleichbarkeit von Finanzdaten das Vorliegen periodengerechter Daten im Hinblick auf den Statistikstandard ESVG-95 für erforderlich. Um hier zu einer Rechtsvereinheitlichung in der Eurozone zu kommen, wird in Artikel 16 Absatz 3 Richtlinie 2011 / 85 / EU der Kommission ein Prüfauftrag erteilt. Gegenstand ist die Frage, ob die internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor (IPSAS) auf die Mitgliedstaaten übertragen werden können. Ein solcher Auftrag hat den Charakter einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Denn die Kommission kommt ihrem Ziel vergleichbarer Datensätze bei einheitlicher europaweiter Rechnungslegung schneller näher. Vergleichbarkeit heißt insoweit nichts anderes als eine einheitliche Kontenführung auf der Basis eines einheitlichen Kontenplans.9 Der Hinweis, dass die Richtlinie in ihren Gründen für dieses Ziel auch die öffentlichen Institutio9 Vgl. hierzu den Vortrag von Walter Radermacher, Studie zur Eignung der IPSAS für die europäischen Mitgliedstaaten, WPg-Sonderheft 2 / 2012, S. 85 (87).

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nen der externen Rechnungskontrolle in die Verantwortung einbezieht, unterstreicht zusätzlich, mit welcher Nachhaltigkeit der sichere Zugriff auf einheitliche Finanzdaten verfolgt wird. Insofern darf bei allem Streit über die Frage, welches Buchhaltungssystem für die öffentliche Hand das geeignetste ist, der die Kommission leitende Aspekt nicht übersehen und unterschätzt werden. Der Kommission geht es nicht um akademische Debatten über Rechnungslegungssysteme. Sie will sich auch nicht in den deutschen Streit zwischen Doppik-Anhängern, IPSAS-Befürwortern und Kameralisten einmischen. Ihr Anliegen ist schlichterer Natur. Die Kommission will transparente und überwachte Primärdaten. Sie bilden die Grundlage jeder Statistik, damit auch für die künftigen Defizitverfahren und die politische Steuerung der Wirtschafts- und Finanzpolitik innerhalb der Währungsgemeinschaft. Die Auswirkungen auf die Rechnungshöfe folgen weniger aus der Anwendung bestimmter Rechnungslegungsstandards. Sie betreffen vielmehr die Frage, wie die Kommission die Kontrolle der vorgelagerten Finanzdaten organisiert, um Manipulationen vorzubeugen und auf sichere Datenstämme zugreifen zu können. Neben dem Indiz in der Richtlinie 2011 / 85 / EU, wonach für diese Aufgabe auch private Prüfungseinrichtungen in Frage kommen, liefert die Verordnung (EU) 1173 / 2011 erste Hinweise. In Artikel 8 der Verordnung sind Sanktionen für die Manipulation von Statistiken vorgesehen. Zu ihrer Feststellung werden der Kommission Untersuchungsrechte eingeräumt. Diese Untersuchungen können beschlossen werden, wenn ernsthafte Hinweise auf das Vorhandensein von Umständen vorliegen, dass Daten manipuliert wurden. Indes regelt die Verordnung nicht näher, wer diese Untersuchungen durchführt und nach welchen Regeln sie erfolgen. Vielmehr wird die Ausgestaltung der Regeln für eine solche Untersuchung auf die Kommission delegiert. Dazu bildet Artikel 11 i. V. m. Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung (EU) 1173 / 2011 die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage. Von dem Gestaltungsrecht hat die Kommission im Rahmen des delegierten Rechtsaktes durch Beschluss vom 29. Juni 201210 Gebrauch gemacht. Wächter der Leitprinzipien Transparenz und Überwachung ist Eurostat. In Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses heißt es: 10 C (2012) 4361 final, Delegierter Beschluss der Kommission über Untersuchungen und Geldbußen in Zusammenhang mit der Manipulation von Statistiken gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1173 / 2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im EuroWährungsgebiet vom 29. Juni 2012, www.ec.europa.eu (Navigation: „Die Europäische Kommission“, „Gesetzgebung und politische Entscheidungsfindung“, „Die Europäische Kommission bei der Arbeit“, „Beschlussfassung“, „EU-Recht – Informationsquellen und Zusammenfassungen“, „Beschlüsse auf Kommissionsebene“, „Register von Kommissionsdokumenten“, „Dokumentensuche“, „Referenznummer der Kommission“, „Art: C-Dokumente“, „Jahr: 2012“, „Nummer: 4361“).

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„Im Einklang mit den in den Artikeln 3 bis 5 festgelegten Verfahren kann die Kommission (Eurostat) während einer Untersuchung Informationen anfordern, Personen befragen, Überprüfungen vor Ort durchführen und die Konten aller staatlichen Einheiten auf der Ebene des Zentralstaats, der Länder, der Gemeinden und der Sozialversicherung einsehen. Diese Untersuchungsmaßnahmen kann die Kommission (Eurostat) einzeln oder in Kombination einsetzen. Der Rechnungshof oder andere höchste Kontrollorgane des betreffenden Mitgliedstaates können, sofern relevant und unter voller Berücksichtigung der für diese Stellen geltenden nationalen Vorschriften, zur Unterstützung und Mitwirkung gebeten werden.“

Auch wenn die Rechnungshöfe unter Beachtung ihrer Unabhängigkeit um Mitwirkung gebeten werden können, wird zugleich deutlich, dass die maßgebliche Kontrollinstanz für die Kommission Eurostat ist. Damit entstehen im Bereich der Prüfung von Finanzdaten neue externe Prüfungsrechte bei anderen öffentlichen Institutionen. Mit Eurostat und den nachgeordneten nationalen Statistikämtern entsteht neben den Rechnungshöfen eine weitere Kontrollinstitution. Diese greift aus anderen Gründen auf dieselben Finanzdaten zu und kontrolliert sie. Dort, wo zwei Institutionen für die Kontrolle derselben Daten zuständig sind, entstehen mindestens Wechselwirkungen. III. Kompetenzerweiterung bei Eurostat und nationalen Statistikämtern Die Kommission hat im Zuge verschiedener weiterer Gesetzesinitiativen die Kompetenzen von Eurostat und der nachgeordneten nationalen Statistikämter ausgeweitet sowie letztere in ihrer Unabhängigkeit gestärkt; so zum Beispiel mit der Änderung der Verordnung (EG) 479 / 2009. Die Verordnung überträgt Eurostat Aufgaben im Zusammenhang mit Defizitverfahren gegenüber Mitgliedstaaten. Artikel 11 der Verordnung (EG) 479 / 2009 sah zunächst nur vor, dass Eurostat methodenbezogene Besuche bei den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten beschränkt auf statistische Fragestellungen durchführen kann. Die Vorschrift wurde neu gefasst. Obgleich in den Gründen der Verordnung (EU) 679 / 2010 festgestellt wird, dass die Mitgliedstaaten die Fähigkeit zur Übermittlung von Finanzdaten hoher Qualität unter Beweis gestellt hätten, habe die jüngste Entwicklung gezeigt, dass der Governance-Rahmen das Risiko der Meldung unrichtiger Daten an die Kommission nicht ausreichend eindämme. Folglich räumt die Neufassung Eurostat nunmehr neben methodenbezogenen Besuchen regelmäßige Gesprächsbesuche ein. Diese dienen der Überprüfung gemeldeter Daten. Der Prüfungsrahmen für Methodenbesuche wird gleichfalls neu gesteckt. Beschränkte die Verordnung (EG) 479 / 2009 derartige Besuche auf statistische Fragestellungen, gewährt die geänderte Fassung der Verordnung jetzt ausdrücklich Eurostat das Recht, die den gemeldeten Daten zugrunde liegenden

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Verfahren und Haushaltsdaten zu überprüfen und eine detaillierte Bewertung vorzunehmen (Artikel 11b Absatz 1 neu). Es ist zu ergänzen, dass dieses weitgehende Prüfungsrecht nicht vorbehaltlos Eurostat zur Verfügung steht. Es wird durch den neugefassten Artikel 11b Absatz 3 lit. a) bis e) eingegrenzt. Werden zum Beispiel die Daten zum Schuldenstand oder Defizit in einem Land ohne Rechtfertigung geändert, stehen Eurostat die umfassenden Prüfungsrechte zu. Die Unabhängigkeit vor allem der nationalen Statistikämter soll durch die Änderung der Verordnung (EG) 223 / 2009 erreicht werden. Die Änderungen werden in der Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat unter dem Titel „Ein robustes Qualitätsmanagement für die europäischen Statistiken“11 vorgeschlagen. Da die nationalen Statistikbehörden dafür zuständig seien, dass die mitgeteilten Daten die rechtlichen Auflagen erfüllen, bedürfe es einer Stärkung ihrer Unabhängigkeit.12 Mit dem Entwurf zur Änderung der Verordnung (EG) 223 / 2009,13 der sich in der parlamentarischen Beratung befindet, soll die Unabhängigkeit der nationalen Statistikämter weiter gefestigt und ausgebaut werden. Artikel 2 Absatz 1 definiert diese wie folgt: „(a) ‚Fachliche Unabhängigkeit‘ bedeutet, dass die Statistiken auf unabhängige Weise entwickelt, erstellt und verbreitet werden müssen, insbesondere was die Wahl der zu verwendenden Verfahren, Definitionen, Methoden und Quellen sowie den Zeitpunkt und den Inhalt aller Verbreitungsformen anbelangt, ohne dass politische Gruppen, Interessengruppen, Stellen der Union oder einzelstaatliche Stellen Druck ausüben können.“

Ergänzt wird die Definition durch folgende Änderung der Verordnung (EG) 223 / 2009. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 „Die koordinierende verantwortliche Rolle der nationalen Statistikämter schließt sämtliche anderen nationalen Stellen ein, die für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken zuständig sind. Das nationale Statistikamt ist auf nationaler Ebene insbesondere dafür zuständig, die statistische Planung und 11 KOM (2011) 211 endgültig, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 15. April 2011, Ein robustes Qualitätsmanagement für die europäischen Statistiken, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: COM final“, „Jahr: 2011“, „Nummer: 211“). 12 KOM (2011) 211 endgültig (Fn. 11), S. 4, 5. 13 KOM (2012) 167 endgültig, Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 223 / 2009 über europäische Statistiken vom 17. April 2012, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: COM final“, „Jahr: 2012“, „Nummer: 167“).

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Berichterstattung, die Qualitätskontrolle, die Methodik, die Datenübermittlung und die Kommunikation zu den statistischen Tätigkeiten im ESS zu koordinieren.“ Artikel 5a „1. (…) Bei der Ausführung dieser Aufgaben handeln die Leiter / innen der nationalen Statistikämter unabhängig; sie fordern weder Weisungen von einer Regierung oder einer anderen Institution, Einrichtung, einem anderen Organ oder Amt an, noch nehmen sie solche Weisungen an; sie haben jede Handlung zu unterlassen, die mit der Ausführung dieser Aufgaben unvereinbar ist.“ Artikel 17a „1. Damit der Aufwand für die Auskunftgebenden möglichst gering gehalten wird, haben die nationalen Statistikämter, andere nationale Stellen gemäß Artikel 4 und die Kommission (Eurostat) unverzüglichen und kostenfreien Zugang zu sämtlichen Verwaltungsunterlagen und dürfen diese Unterlagen verwenden und in die Statistiken soweit integrieren, wie es für die Entwicklung, Erstellung und Verbreitung europäischer Statistiken erforderlich ist. 2. Die nationalen Statistikämter und die Kommission (Eurostat) werden bei der Planung, der Weiterentwicklung und dem Wegfall von Verwaltungsunterlagen, die von anderen Organen angelegt und geführt werden, konsultiert und daran beteiligt, sodass die weitere Verwendung dieser Unterlagen für statistische Zwecke erleichtert wird. Sie haben das Recht, Normungstätigkeiten im Hinblick auf für die Erstellung statistischer Daten relevante Verwaltungsunterlagen zu koordinieren.“

Das Europäische Parlament unterstützt diesen Weg der Kommission und strebt weiter gehende Schärfungen der Verordnung an. So schlug der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlamentes vor, die Zusammenarbeit von Rechnungshöfen und den nationalen Statistikbehörden in einen gesonderten Artikel 7a aufzunehmen. Unter der Überschrift „Zusammenarbeit mit den Rechnungshöfen“ heißt es: „1. Damit die Daten aus dem öffentlichen Sektor genau sind und die Lage der öffentlichen Haushalte richtig widerspiegeln, arbeitet das ESS eng mit den Rechnungshöfen zusammen, wobei deren Unabhängigkeit nicht berührt wird.“14

Für den Vorschlag spricht eine Schwäche im Kontrollkonzept der Kommission. Denn anders als Eurostat und die nationalen Statistikämter verfügen die Rechnungshöfe über die personelle und fachliche Qualifikation, vorgelagerte Finanzdaten zu prüfen. Insofern erscheint die vom Parlament vorgeschlagene Verzahnung richtig. Sie dient auch dem angestrebten Ziel, eine nachhaltige Kontrolle der vorgelagerten Finanzdaten zu erreichen. Indes bestehen rechtliche Einwände gegen den Vorschlag. Ein internes Gut14 Vgl. Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) 223 / 2009 über europäische Statistiken, COM(2012)0167 – C7-0101 / 2012 – 2012 / 0084(COD) vom 21. Dezember 2012; Ausschuss für Wirtschaft und Währung.

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achten des Rates der Europäischen Kommission nennt begründete Zweifel, ob der Änderungsvorschlag mit Artikel 338 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union als maßgebliche Rechtsgrundlage vereinbar ist. Die Rechnungshöfe selbst sind ebenfalls zurückhaltend. Sie fürchten, in ein Auftragsverhältnis zu geraten. Die Rechnungsprüfung auf Weisung ist mit der Unabhängigkeit der Rechnungshöfe nicht vereinbar.15 Es kann dahinstehen, ob der Änderungsantrag die Unabhängigkeit der Rechnungshöfe tangiert. Eine rechtliche Fixierung der Zusammenarbeit von Statistikern und Rechnungsprüfern hätte angesichts der faktischen Wirkung, die mit der Kompetenzausweitung zugunsten von Eurostat und der Unabhängigkeit der nationalen Statistikbehörden einhergeht, fast nur noch deklaratorischen Charakter. Mittels Schaffung der neuen Kontrollrechte zugunsten von Eurostat sind die Rechnungshöfe aufgrund der daraus resultierenden Wechselwirkungen bereits in das angestrebte Qualitätsmanagement einbezogen. Denn ihre originäre Aufgabe ist die Rechnungsprüfung und damit die Prüfung vorgelagerter Finanzdaten. Würden nationale Statistikbehörden auf bedeutsame Fehler in Finanzdatensätzen bei Kontrollen stoßen, müsste sich der zuständige Rechnungshof die Frage gefallen lassen, warum er den Fehler nicht festgestellt hat. Ein Verweis auf die eigene Unabhängigkeit und das Recht, sich die Prüfungsgegenstände selbst auswählen zu können, würden keine befriedigende Antwort darstellen. Die Wechselwirkungen zwischen den neuen Kontrollrechten von Eurostat und der daraus resultierenden Kontrollkonkurrenz werden deswegen unmittelbar auf die Arbeit der Rechnungshöfe einwirken. In den Fokus rückt damit als Schwerpunkt die Prüfung der staatlichen Finanzen. Die Tiefe dieser Prüfung gilt es, neu auszuloten. Defizit und Schuldenstand sind rückwärtsgewandte Daten. In die Zukunft gerichtet ist die Frage nach der Schuldentragfähigkeit. Die Finanzkrise hat die Eurozone gelehrt, dass dieser Frage gerade bei anziehenden Zinsen eine zentrale Bedeutung für die Refinanzierungsfähigkeit eines Gemeinwesens zukommt. Insofern sei an die Dimensionen erinnert, die die künftige Rechnungsprüfung prägen werden. Die Staatsschuldenkrise hat die Schwächen des Stabilitäts- und Wachstumspak15 Der Kontaktausschuss der Obersten Rechnungskontrollbehörden reagiert vorsichtig. In der Erklärung zur „Bedeutung angemessener Regelungen für die Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU“ vom 8. Mai 2013 heißt es: „Die Zuweisung von Aufgaben an die EU-ORKB sollte in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt bleiben“, Fundstelle: www.eca.europa.eu (Navigation: „Internationale Beziehungen“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen und Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „Erklärung 2013 des Kontaktausschusses“).

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tes offengelegt. Sie zu beheben, ist der Grund für zahlreiche neue Vorschriften. Ohne verlässliche Finanzdaten und damit ohne nachhaltige Statistiken bleiben die neuen Instrumente des verbesserten Stabilitäts- und Wachstumspaktes stumpf. Deswegen gilt es, mittels Transparenz und Überprüfung eine hohe Sicherheit für die Richtigkeit der Finanzdaten herzustellen. Die Aufgabe der Rechnungshöfe war immer die Prüfung dieser Daten. Sie werden nicht deswegen zu Vorprüfungsstellen nationaler Statistikbehörden, wenn sie dieser ureigenen Aufgabe nachkommen. IV. EPSAS als System zur Datenvereinheitlichung Zum Konzept der Kommission gehört als Ausfluss des Transparenzprinzips und des Willens, verlässliche Finanzdaten zu erhalten, das Ziel eines vereinheitlichten Buchhaltungssystems. Soll Vergleichbarkeit hergestellt werden, wird dies nicht ohne einen einheitlichen Standard für die Kontenführung gehen.16 Angelegt wurde der Weg zu einer Systemvereinheitlichung in der Richtlinie 2011 / 85 / EU. Bereits Erwägungsgrund 3 der Richtlinie verlangt von den öffentlichen Stellen unabhängige Prüfungen, die internationale Verfahren fördern. Zugleich sollte gemäß Artikel 16 Absatz 3 Richtlinie 2011 / 85 / EU bis Ende 2012 die Frage bewertet werden, ob die internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor geeignet sind. Der Bericht der Kommission zur angestrebten Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze liegt vor.17 Unter Verweis auf Transparenz-, Vertrauens- und Vergleichbarkeitsgesichtspunkte wird die Notwendigkeit einer europäischen Harmonisierung festgestellt. Die IPSAS werden als Basissystem anerkannt, sollen aber in einem eigenen europäischen Standard münden. Die politische Planung der Kommission sieht drei Phasen vor: 16 Vgl. KOM (2013) 114 endgültig, Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 6. März 2013, Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten, Die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten, S. 6, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: COM final“, „Jahr: 2013“, „Nummer: 114“); Walter Rademacher, Studie zur Eignung der IPSAS für die europäischen Mitgliedstaaten (Fn. 9), S. 85 (88). 17 Vgl. European Commission – Eurostat, Public consultation – Assessment of the suitability of the International Public Sector Accounting Standards for the Member States, 18. Dezember 2012, www.epp.eurostat.ec.europa.eu (Navigation: „Über Eurostat“, „Gelegenheiten“, „Öffentliche Konsultationen“, „Abgeschlossene Konsultationen“, „Bewertung der Eignung der internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor [International Public Sector Accounting Standards] für die Mitgliedstaaten“, „Ergebnisse der Konsultation und folgende Schritte“); zusammenfassend: KOM (2013) 114 endgültig vom 6. März 2013 (Fn. 16).

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1. Eine Vorbereitungsphase zur Gewinnung weiterer Informationen und Ansichten zu einem eigenen europäischen Standard. Diese Phase hat 2013 begonnen. 2. Eine zweite Phase sieht die Entwicklung und Schaffung der praktischen Voraussetzungen vor, in der Fragen wie Finanzen, Steuerung, Synergien und Bedenken behandelt werden sollen. 3. Schließlich soll in der dritten Phase die Umsetzung erfolgen.18

Die Kommission bewegt sich zügig auf die Phase 2 zu. Die gefertigten Studien zeigen, dass bereits 15 Mitgliedstaaten in ihren nationalen Haushaltsregeln auf IPSAS zurückgreifen. In neun Ländern ist das Haushaltsrecht auf diesen Rechnungslegungsstandard gegründet. Auch wenn konstatiert werden muss, dass kein Mitgliedsstaat die IPSAS vollständig umgesetzt hat, wird man dies der politischen Zielsetzung der Kommission nicht entgegenhalten können. Vielmehr stärkt ein solcher Einwand die Kommission in ihrer Absicht, mit dem European Public Sector Accounting Standard (EPSAS) einen eigenen Rechnungslegungsstandard zu schaffen. Die Notwendigkeit hierfür wird in der Herkunft der IPSAS gesehen. Basis dieses Standards sind die IAS / IFRS. Hierbei handelt es sich um Rechnungslegungsstandards für den kaufmännischen Bereich. Dieser ist stark vergangenheitsbezogen. Diese Ex-post-Ausrichtung prägt auch die IPSAS. Hieraus erwächst nach Ansicht der Kommission das Risiko, dass eine Reform der Rechnungslegung nur halb gelingt. Denn für den öffentlichen Sektor spielt das Haushaltswesen eine zentrale Rolle. Es ist kameralistisch orientiert und prägt das Handeln der Entscheidungsträger. Wird dieser Entscheidungshorizont in einer auf einer Periodenabgrenzung beruhenden Rechnungslegung nicht abgebildet, droht die Reform nach Einschätzung der Kommission ihr Ziel zu verfehlen.19 Denn bei einem Nebenher von doppischem und kameralem System ist zu erwarten, dass die Entscheidungen von Politik und Verwaltung nicht verbessert werden. Deswegen soll EPSAS die Verzahnung leisten, die IPSAS bisher nicht leistet, um zu verbesserten Entscheidungen beizutragen. Erst dann tritt aus Sicht der Kommission auch eine Rechtfertigung für die hohen Umstellungskosten ein, die mit 0,02 % bis 0,1 % des jeweiligen Bruttosozialproduktes eines Mitgliedstaates taxiert werden.20 Es wäre also einseitig zu behaupten, die Kommission strebe einen neuen Rechnungslegungsstandard an, um einen einheitlichen Kontenrahmen zur Sicherung vorgelagerter Daten zu schaffen. Sie verknüpft aber beide Effekte gezielt miteinander. Denn ein einheitlicher Rechnungslegungsstandard schafft neben einheitlichen und schnell zugreifbaren Datensätzen eine ver18

Vgl. KOM (2013) 114 endgültig, S. 14 (Fn. 16). Vgl. Was muss getan werden?, In Betracht zu ziehende Punkte und zu beantwortende Fragen, www.epsas.eu (Navigation: „Was muss getan werden“). 20 Siehe Fn. 19. 19

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besserte Entscheidungsgrundlage für Politik und Verwaltung. Entscheidungen sind dann ihrerseits auf der Grundlage gleicher Rechnungslegungsstandards im Hinblick auf wirtschafts- und finanzpolitische Fragestellungen vergleichbarer und besser zu beurteilen. Hieraus wiederum resultiert dann insgesamt eine bessere Steuerung der nationalen Politiken. Insofern schafft die Kommission, erreicht sie ihr Ziel, ein durchgreifendes Gesamtkompendium. Deutschland selbst gibt bei der Frage nach den angewendeten Rechnungslegungsstandards kein einheitliches Bild ab. Einige Bundesländer haben auf periodenbezogene Rechnungslegungssysteme umgestellt, zahlreiche Kommunen auch. Der Bundeshaushalt wird weiter nach dem kameralistischen System aufgestellt. Gleichwohl wird sich auch die Bundesrepublik nicht einer Konvergenz der Rechnungslegungssysteme verschließen können. Dem Argument einer hohen Vergleichbarkeit, Transparenz und Überprüfung der Rechnungslegung auf der Basis gemeinsamer Standards in der Eurozone ist vor dem Hintergrund der an den europäischen Fundamenten rüttelnden Staatsschuldenkrise wenig entgegenzusetzen. Eine gemeinsamen Standards folgende Rechnungslegung stützt maßgeblich den oben skizzierten Unterbau für den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Hieran knüpfen Steuerungs- und Sanktionsregeln an. Ihr Fehlen galt als eine Ursache der Krise, ebenso wie die fehlende Datentransparenz und Datensicherheit. Derjenige, der wie die Bundesrepublik zur Tugend gemahnt hat, wird sich der neuen Tugend zugunsten EPSAS kaum verschließen können. Da die Bundesrepublik als wirtschaftlich stärkstes Mitglied der Eurozone zudem die höchsten Haftungsrisiken trägt, hat sie selbst ein unmittelbares Interesse an gleichen Standards und der daraus erwachsenden Sicherheit maßgeblicher Daten wie der tatsächlichen Staatsschulden eines Mitgliedstaates, seiner Leistungs- und Schuldentragfähigkeit. V. Fazit Den Obersten Rechnungskontrollbehörden (ORKB) erwächst keine neue Konkurrenz. Eurostat und die nationalen Statistikämter verfügen zwar nicht über die erforderliche fachliche und personelle Ausstattung, um Rechnungsprüfungen vorzunehmen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass sich diese Kompetenzlücke einfach schließen lässt, indem diese Leistungen bei privaten Prüfeinrichtungen eingekauft werden.21 Ungeachtet dessen schaffen 21 So lässt beispielsweise die Europäische Kommission die Internationale Atomenergiebehörde durch eine private Prüfeinrichtung kontrollieren, um die ordnungsgemäße Verwendung der an diese Organisation geleisteten Beiträge nachzuvollziehen.

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die neuen Kontrollrechte und die Unabhängigkeit der nationalen Statistikämter eine Interdependenz, die die künftige Arbeit der ORKB beeinflussen wird. Bereits Gesprächsbesuche von Eurostat bei einem Rechnungshof erzeugen diese Wechselwirkung, weil Auskünfte zur Zuverlässigkeit der Primärdaten den jeweiligen Rechnungshof in den Verantwortungsbereich für die Qualität dieser Daten hineinziehen. Hierzu reicht die faktische Wirkung der Befragung. Eine konkrete gesetzliche Fixierung einer Zusammenarbeit erscheint kaum mehr nötig. Jede ORKB gerät in einen Rechtfertigungszwang, wenn sich Defizitdaten nach einem Gesprächsbesuch von Eurostat als unzutreffend herausstellen und korrigiert werden müssen. Wie sich die Diskussion um einen neuen Rechnungslegungsstandard in das politische Konzept der Kommission einfügt, ist beschrieben worden. Die Qualitätssicherung vorgelagerter Primärdaten, die Nachweisführung bei Defizitverfahren und eine verbesserte Koordinierung der nationalen Finanz-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik sind die tragenden Motive, die sich hinter dem Transparenz- und Überwachungsgebot der Kommission als Konsequenz aus der Staatsschuldenkrise feststellen lassen. Ein einheitlicher Rechnungslegungsstandard trägt hierzu bei und ist von der Kommission als notwendig anerkannt worden. Die EPSAS sind noch nicht entwickelt. Es ist an den ORKB, ihre Entwicklung und inhaltliche Gestaltung maßgeblich mitzugestalten. Sie verfügen über die notwendige Expertise, um an einem ausgewogenen Konzept mitzuwirken. Die IPSAS sind von dem IAS / IFRS-Standard abgeleitet worden. Diese Arbeit haben Wirtschaftsprüfer geleistet. Bei den EPSAS sollte rechtzeitig sichergestellt werden, dass ihre Entwicklung im öffentlichen Sektor verankert ist.

Die externe Finanzkontrolle des Bundes im Kontext föderativer Staatsverfassung und Staatspraxis Matthias Mähring I. Ausgangspunkt Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.1 Das Bundesstaatsprinzip, also die Staatlichkeit von Bund und Ländern, gibt das Grundgesetz damit ebenso knapp wie lapidar als grundlegende Bestimmung und elementares Ordnungsprinzip deutscher Staatsstruktur vor.2 Das Grundgesetz formt die Grundzüge bundesstaatlicher Ordnung in vielen weiteren Bestimmungen im Einzelnen aus.3 Zugleich stellt Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz das Bundesstaatsprinzip unter den besonderen Schutz der so genannten Ewigkeitsklausel. Bundesstaatlichkeit und dieser folgend die staatliche Zwei-Ebenen-Struktur von Bund und Ländern4 ist damit der verfassungsrechtliche Rahmen, innerhalb dessen die staatlich-institutionellen Akteure des Bundes einerseits sowie der Länder andererseits ihrer jeweils bundes- bzw. landesrechtlich vorgegebenen Aufgabe und Rolle nachzukommen haben. Hinzu tritt die europäische Ebene. Das Recht der Europäischen Union (EU) bildet eine Hülle, die die gesamte mitgliedstaatliche KompetenzArchitektur umschließt und aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts5 Praxis 1

Art. 20 Abs. 1 GG. Umfassend zur Dogmatik des Bundesstaatsprinzips Edin Sarcevic, Das Bundesstaatsprinzip, Tübingen 2000. 3 Insbesondere über die dem Subsidiaritätsprinzip entsprechende allgemeine Verteilungsregel in Art. 30 GG, die eine grundsätzliche Kompetenzzuweisung zugunsten der Länder über ein Regel-Ausnahme-Prinzip postuliert. Dieses Grundmuster findet sind in den Art. 70 ff. GG (Gesetzgebung), Art. 83 ff. GG (Ausführung der Gesetze) und Art. 92 ff. GG (Rechtsprechung) wieder. 4 Die duale Grundstruktur wird unterwölbt von der kommunalen Ebene der Kreise und Gemeinden, die staatsorganisationsrechtlich allerdings außer Betracht bleibt und die bundesstaatliche Dichotomie nicht um eine dritte staatliche Ebene ergänzt. Zum „Tertium non datur“ als Verfassungsnorm vgl. Josef Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VI, Bundesstaat, 3. Aufl., Heidelberg 2008, § 126 Rn. 170 ff. 5 Auch wenn der Vertrag von Lissabon – anders als noch im Entwurf eines Verfassungsvertrags vorgesehen – den vom EuGH in ständiger Rechtsprechung entwickelten, ungeschriebenen primärrechtlichen Grundsatz des Vorrangs des Gemein2

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und Alltag aller staatlichen Akteure der jeweiligen bundesstaatlichen Ebene maßgeblich beeinflusst. Insoweit kann und muss bei jeder Betrachtung der Rolle und des Handelns eines staatlich-institutionellen Akteurs die im nationalen Verfassungsrecht begründete Zwei-Ebenen-Struktur um eine dritte Ebene, die der EU, erweitert werden. Dieser Befund gilt gleichermaßen für die drei klassischen Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) wie für die Akteure der externen Finanzkontrolle, in Deutschland den Bundesrechnungshof6 und die 16 Landesrechnungshöfe. II. Haushaltsautonomie als Grundprinzip Entsprechend der verfassungsrechtlich vorgegebenen Zwei-Ebenen-Struktur sind der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der Länder jeweils autonome, staatsrechtlich unverbundene, nebeneinander und unabhängig voneinander bestehende Institutionen. Zwischen ihnen besteht keinerlei Rangordnung, weder im Verhältnis von Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfen noch zwischen den Landesrechnungshöfen. Aufsichts- und Weisungsrechte zwischen der Bundes- und der Landesebene sind – anders als im exekutiven Bereich7 – auf dem Feld der externen Finanzkontrolle nicht vorgesehen.8 Die Rechnungshöfe im deutschen Bundesstaat „arbeiten prinzipiell immer nur in dem Rechtskreis, für den sie geschaffen worden sind.“9 Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, die Landesrechnungshöfe prüfen die Haushalts- und Wirtschaftsführung ihres jeweiligen Landes. Sie betreiben also denselben Sport, haben es aber mit unterschiedlichen Klubeignern und Spielgegnern zu tun. Der Bundesrechnungshof prüft die Verwaltung des Bundes, ist den Finanzschaftsrechts (grundlegend Rs. 6 / 64, „Costa / ENEL“, Slg. 1964 / 1251) nicht in das geschriebene Primärrecht des EUV oder AEUV übernommen hat, gilt dieser als Vorrang des Unionsrechts unverändert fort. Davon erfasst wird grundsätzlich auch das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten. 6 Richtigerweise kann der Bundesrechnungshof keiner der drei klassischen Gewalten zugerechnet werden, er ist vielmehr eine „eigenständige Einrichtung sui generis“; vgl. Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 311 mit weiteren Nachweisen und umfassender Darstellung zum Meinungsstand (Rn. 308 ff.). 7 Vgl. Art. 84 Abs. 3 und 5 sowie Art. 85 Abs. 3 und 4 GG. 8 So bereits Hans Schäfer, Finanzkontrolle im Bundesstaat, in: Wilke / Weber (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, München 1977, S. 450. 9 Klaus Stern, Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes und seine Bedeutung im System der Finanzkontrolle, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 22.

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interessen des Bundes verpflichtet und berichtet und berät hierzu das Parlament des Bundes, insbesondere in dessen Funktion als Haushaltsgesetzgeber und Kontrolleur der Bundesregierung im Haushaltsvollzug. Vice versa prüft ein Landesrechnungshof die Verwaltung des Landes, ist den Finanzinteressen des Landes verpflichtet und berichtet und berät hierzu das Landesparlament. Die dargelegte, grundsätzliche Trennung der Akteure der externen Finanzkontrolle in Deutschland entlang der Linie der sie jeweils tragenden Gebietskörperschaft ist in der Systematik des Grundgesetzes selbst angelegt. Denn die Finanzverfassung postuliert in Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz die Trennung der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern. Das bundesstaatliche Prinzip wird über Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz auf den gesamten Bereich der Haushaltswirtschaft10 übertragen. Die haushaltsrechtliche Autonomie von Bund und Ländern – die im Übrigen nicht allein vertikal zwischen Bund und Ländern, sondern ebenso horizontal zwischen den Ländern gilt – ist damit seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 unverändert gebliebener verfassungsrechtlicher Grundsatz.11 Ihr Zweck ist für die Lebensfähigkeit jeder bundesstaatlich organisierten Struktur grundlegend, soll sie doch dem Bund wie den Gliedstaaten ihre jeweilige staatliche Selbstständigkeit erst ermöglichen und sichern.12 Staatlichkeit ohne jeweils eigene, unabhängige Entscheidungsund Handlungsautonomie über den Haushalt ist nicht denkbar. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Autonomie über die jeweils eigene Haushaltswirtschaft die Herausbildung und Sicherung eigener Staatlichkeit erst ermöglicht. Die Haushaltsautonomie gehört deshalb zum „Kernbereich der Staatlichkeit“ von Bund und Ländern.13 Sie soll Einflussnahme und Abhängigkeiten zwischen Bund und Ländern vermeiden und deren jeweilige politische Autonomie sichern.14 Daraus folgt zunächst, dass Bund und Länder über10 Zur Begriffsbestimmung ausführlich Michael Rodi, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: November 2004, Art. 109 GG Rn. 79 ff. 11 Verfassungsgeschichtlich reicht der Trennungsgrundsatz allerdings weiter zurück. Bereits im Deutschen Reich von 1871 wie auch in der Weimarer Republik war er – ohne kodifiziert zu sein – in der Verfassungspraxis verankert, indem die Verfassungen die Trennung der Haushaltssphären als selbstverständlich voraussetzten; vgl. Werner Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl., Tübingen 2008, Art. 109 GG Rn. 1. 12 Art. 109 GG wird insoweit auch als „Magna Charta“ der Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern bezeichnet; vgl. Hanno Kube, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, München Loseblatt Stand: Mai 2011, Art. 109 GG Rn. 1. 13 Werner Heun, in: Dreier (Fn. 11), Art. 109 GG Rn. 15; Michael Rodi, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: November 2004, Art. 109 GG Rn. 66. 14 Vgl. Norbert Hauser, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: April 2010, Art. 109 GG Rn. 5; ebenso: Hans-

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haupt über jeweils eigene Haushalte verfügen, diese getrennt aufstellen, beschließen und ausführen und dass jede Gebietskörperschaft dem entsprechend über ein eigenes Kassen- und Rechnungswesen verfügt (formelle Haushaltsautonomie). Kontrollseitig schließt dies ein, dass Bund und Länder durch jeweils eigene Einrichtungen ihre externe Finanzkontrolle organisieren, einrichten und betreiben können.15 Weiter gehend zielt der Grundsatz der Haushaltsautonomie darauf ab, den Gebietskörperschaften zu gewährleisten, haushaltswirtschaftliche Entscheidungen materiell eigenverantwortlich zu treffen, d. h., insbesondere über ihre Finanzmittel selbst bestimmen zu können (materielle Haushaltsautonomie).16 Dies ist folgerichtig, da der Grundsatz der Haushaltsautonomie letztendlich im Bundesstaatsprinzip zu verorten ist und sich deshalb nicht in einem reinen „Formprinzip eigener Kassenführung“17 erschöpfen kann. III. Verflechtungslinien zwischen autonomer Haushalts- und übergreifender Finanzwirtschaft Der Trennungsgrundsatz gilt indes nicht uneingeschränkt und voraussetzungslos. Zunächst gewährleistet er allein rechtliche Autonomie. Vor politischen und ökonomischen Abhängigkeiten kann und soll er nicht schützen.18 Zudem hat der Verfassungsgesetzgeber Artikel 109 Grundgesetz, der in Günter Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl., Köln 2011, Art. 109 GG Rn. 25. 15 Gem. § 42 Abs. 1 HGrG sind Bund und Länder verpflichtet, ihre gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung einschließlich ihrer Sondervermögen und Betriebe von (eigenen) Rechnungshöfen prüfen zu lassen. Der Bund hat diese Verpflichtung durch entsprechende Bestimmungen in der Bundeshaushaltsordnung umgesetzt, die Länder durch nahezu wortgleiche Regelungen in den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen. Darüber hinaus sind alle Rechnungshöfe in den jeweiligen Verfassungen verankert; vgl. Art. 114 Abs. 2 GG; Art. 83 Abs. 2 Verf-BW; Art. 80 Abs. 1 S. 1 Verf-BY; Art. 95 Verf-BE; Art. 107 Verf-BB; Art. 133a Verf-HB; Art. 71 VerfHH; Art. 68 Verf-MV; Art. 70 Verf-NI; Art. 87 Verf-NW; Art. 120 Abs. 2 Verf-RP; Art. 106 Abs. 3 Verf-SL; Art. 100 Verf-SN; Art. 98 Verf-ST; Art. 57 Verf-SH; Art. 103 Verf-TH. 16 Dies allerdings wiederum nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen, der der autonomen Haushaltswirtschaft vorgelagert ist bzw., wie Kube es formuliert, von einer in der Gesamtstruktur des Grundgesetzes angelegten „Einheitlichkeit der Staatsfinanzwirtschaft überwölbt“ wird; vgl. Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Mai 2011, Art. 109 GG Rn. 2. 17 Michael Rodi, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: November 2004, Art. 109 GG Rn. 65. 18 Helmut Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl., München 2011, Art. 109 Rn. 7; Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Mai 2011, Art. 109 GG Rn. 38; Werner Heun, in: Dreier (Fn. 11), Art. 109 GG Rn. 15.

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seiner ursprünglichen Fassung ausschließlich die im Wortlaut mit dem heutigen Absatz 1 übereinstimmende Regelung zur Trennung und Autonomie der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern enthielt, seit dem Jahre 1967 mehrfach ergänzt.19 Dies hatte zur Folge, dass der Autonomie und Eigenständigkeit in der Haushaltswirtschaft verbürgende Trennungsgrundsatz in Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz über die hinzugefügten Absätze 2 bis 5 diverse Einschränkungen erfahren hat, zuletzt etwa durch die im Jahre 200920 etablierte neue Schuldenregel in Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz.21 Folge dieser jüngsten Ergänzung ist eine Einschränkung der Haushaltsautonomie dahingehend, dass Bund und Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen haben.22 Weitere Einschränkungen ergeben sich aus den Absätzen 2, 4 und 5 im Hinblick auf die Einhaltung europarechtlicher Verpflichtungen sowie bundesgesetzlicher Vereinheitlichungen und Vorgaben zum Haushaltsrecht, eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und die mehrjährige Finanzplanung.23 Einengende Effekte im Hinblick auf eine von äußeren Einflüssen (rechtlich) vollständig unbeeinflusste und freie Haushaltswirtschaft der staatlichen Gebietskörperschaften resultieren darüber hinaus aus dem ebenfalls im Zuge der Föderalismusreform II eingeführten24 Artikel 109a Grundgesetz, der mit dem Stabilitätsrat und der Etablierung eines Haushaltsüberwachungsverfahrens zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen im Bund und den Ländern „den prinzipiellen Grundsatz der Haushaltsautonomie von Bund und Ländern gemäß Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz durchbricht“.25 Die bedeutsamste 19 Zur Fortentwicklung seit 1949 im Einzelnen vgl. Werner Heun, in: Dreier (Fn. 11), Art. 109 GG Rn. 2 ff. 20 57. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. Juli 2009 BGBl. I 2009 S. 2248. 21 Der vollständig neue Absatz 3 enthält die neue Schuldenregelung für Bund und Länder. Für den Bund wird sie in wesentlichen Teilen in Art. 115 Abs. 2 GG wiederholt und durch das Gesetz zur Ausführung von Artikel 115 des Grundgesetzes (G 115) vom 10. August 2009 (BGBl. I 2009 S. 2702) ergänzt. 22 So die explizite Grundregel in Art. 109 Abs. 3 S. 1 GG. Eine Mindermeinung hält das prinzipielle Verschuldungsverbot für die Länder als Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG für verfassungswidrig. Zu Recht anderer Auffassung etwa Werner Heun, in: Dreier (Fn. 11), Art. 109 GG Rn. 22 mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand. 23 Der Bund hat von der Ermächtigung in Art. 109 Abs. 4 GG durch Verabschiedung des Haushaltsgrundsätzegesetzes, der Bundeshaushaltsordnung und des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes Gebrauch gemacht. 24 57. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 29. Juli 2009 (BGBl. I 2009 S. 2248). 25 Werner Heun, in: Dreier (Fn. 11), Art. 109a GG Rn. 6. Der Bundesgesetzgeber ist seinem Gesetzgebungsauftrag aus Art. 109a GG mit dem als Art. 1 des Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform v. 10. August 2009 (BGBl. I 2009 S. 2702)

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Relativierung der Haushaltsautonomie liegt jedoch darin begründet, dass der haushaltswirtschaftliche Trennungsgrundsatz der Einnahmenverfassung „strukturell nachgelagert“26 ist. Dies bedeutet, dass im Grundsatz nur die Einnahmen für eine unabhängige Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern zur Verfügung stehen, die ihnen durch die Finanzverfassung jeweils zugewiesen sind. Oder anders ausgedrückt: Nur über dasjenige Geld, das die Finanzverfassung ihnen zuweist, können Bund und Länder frei und unabhängig im Rahmen ihrer autonomen Haushaltswirtschaft verfügen.27 Allerdings gilt auch dies nur, als ausgabenseitig über Artikel 104a Grundgesetz nicht bereits Lasten determiniert sind, die der Bund bzw. die Länder zu tragen haben.28 Das heißt, nicht nur die Einnahmenverfassung (Artikel 105 bis 108 Grundgesetz), sondern auch die Ausgabenverfassung ist dem Trennungsgrundsatz vorgelagert. Dies gilt nicht nur für die bereits genannten, sondern auch für alle weiteren grundgesetzlichen Regelungen über die Lastentragung und Mittelzuordnung, die der selbstständigen Haushaltswirtschaft allesamt vorgelagert sind, insoweit vielfältige Verflechtungslinien zwischen beiden Bereichen ausbilden und die Finanz- und Haushaltswirtschaft auf diese Weise eng miteinander verweben. Im vorliegenden Kontext von besonderem Interesse sind insoweit die nach wie vor bestehenden Tatbestände der Mischfinanzierung29 über die Instrumente der Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen in Artikel 91a, 91b, 91c, 91e und 104b Grund-

erlassenen Gesetz zur Errichtung eines Stabilitätsrates und zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen (Stabilitätsratsgesetz – StabiRatG) nachgekommen. 26 Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Mai 2011, Art. 109 GG Rn. 5. 27 Und auch dies nur insoweit, als die finanzverfassungsrechtliche Zuweisung nicht mit vorgegebenen Zwecken einhergeht, die es einzuhalten gilt, wie etwa im Bereich der Finanzhilfen nach Art. 104b Abs. 1 GG. 28 Bundesgesetzlich festgelegte Pflichtleistungen der Länder, die diese als Ausgaben über ihre Haushalte zu bedienen haben, schränken die materielle Entscheidungsfreiheit im Haushaltsverfahren ein, da sie als Vorbelastung auf der Aufgabenseite der autonomen Disposition des Haushaltsgesetzgebers entzogen sind. 29 Der Abbau der Mischfinanzierungen war ein erklärtes Reformziel der Bemühungen um eine Reform der bundesstaatlichen Kompetenzordnung des vergangenen Jahrzehnts. Für die insbesondere auch vom Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung auf der Grundlage vielfältiger Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes vertretene Auffassung, die Mischfinanzierung vollständig abzuschaffen, fand sich im Rahmen der Verhandlungen zur ersten Stufe der Föderalismusreform indes keine verfassungsändernde Mehrheit. Der Einstieg in eine Entflechtung in diesem Bereich ist mit der Föderalismusreform I im Jahre 2006 durch eine zumindest teilweise Abschaffung und Verschlankung der Mischfinanzierungsinstrumente jedoch gelungen; vgl. hierzu Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern, Stuttgart 2007, S. 33 ff.

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gesetz.30 Damit ist als Ausgangsbasis für die weiteren Betrachtungen festzuhalten, dass die Gebietskörperschaften (Bund und Länder) ihre über Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz vermittelte Haushaltsautonomie prinzipiell nur in dem Rahmen und Umfang verwirklichen können, den das verfassungsrechtlich vorgegebene, finanzwirtschaftliche Gesamtgefüge31 ihnen zur Verfügung stellt.32 „Die finanzwirtschaftlichen Entscheidungen der Verfassung liegen der Haushaltsautonomie insoweit voraus.“33 Bund und Länder sind folglich zwar in ihrer Haushaltswirtschaft, nicht aber in ihrer Finanzwirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig.34 Beide Bereiche sind bereits verfassungsrechtlich so eng und vielfältig verwoben,35 dass dies auch auf den Wirkungsbereich der Akteure der externen Finanzkontrolle in Bund und Ländern und ihre operative Aufgabenerfüllung einwirkt und überlappende Prüfungsfelder und Wirkungskreise36 hat entstehen lassen. 30

Hierzu im Weiteren Abschnitt IV. Den Begriff des bundesstaatlichen Finanzwesens als ein „Gesamtgefüge“ hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung geprägt; vgl. BVerfGE 4, 115 (140); 72, 330 (386 f.); 86, 148 (214). 32 Dabei ist jedoch in jedem Fall ein nicht zur Disposition stehender Kernbereich auch materiell-autonomer Haushaltswirtschaft zu gewährleisten; vgl. hierzu Michael Rodi, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: November 2004, Art. 109 GG Rn. 66; Gregor Kirchhof, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl., München 2010, Art. 109 GG Rn. 23, der Art. 109 Abs. 1 GG insoweit die Funktion eines finanzverfassungsrechtlichen Untermaß- und Übermaßverbots zuschreibt. 33 Michael Rodi, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: November 2004, Art. 109 GG Rn. 84 mit ausführlicher zutreffender Begründung in Rn. 67 ff. 34 Das Bundesverfassungsgericht hat auf diese elementare Unterscheidung in seinem Urteil zum Länderfinanzausgleich im Jahre 1999 ausdrücklich hingewiesen, BVerfGE 101, 158 (220); unter Rekurs auf eine sehr frühe Entscheidung zur finanziellen Einstandspflicht der stärkeren für die schwächeren Länder aus dem Jahre 1952, vgl. BVerfGE 1, 116 (131). 35 Oeter spricht im Hinblick auf die Finanzverfassung gar von einer „Extremform der Politikverflechtung“, vgl. Stefan Oeter, Integration und Subsidiarität im deutschen Bundesstaat, Tübingen 1998, S. 507 ff. Trotz der zwischenzeitlich erreichten ersten Reformschritte zur Entflechtung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern im Rahmen der Föderalismusreform 2006 dürfte dieser Befund nach wie vor Bestand haben, da die hierfür ursächlichen, grundgesetzlichen Verwebungsmechanismen bis heute unangetastet geblieben sind. 36 Vgl. hierzu bereits den Hinweis bei Josef Hausner, Zusammenarbeit der Obersten Finanzkontrollbehörden des Bundes und der Länder, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Wiesbaden 1964, S. 186: „Die bei den Einnahmen und Ausgaben aufgezeigten Übergänge und Überschneidungen zwischen der Finanzwirtschaft des Bundes und der Länder sind also in der Praxis sehr umfangreich; dabei treten natürlich auch Prüfungskompetenzfragen zwischen Bundesrechnungshof einerseits und Landesrechnungshöfen andererseits auf.“ 31

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IV. Schnittstellen bei der Aufgabenwahrnehmung externer Finanzkontrolle von Bund und Ländern 1. Grundlinien Die Schnittstellen in der Aufgabenwahrnehmung der Akteure der externen Finanzkontrolle in Bund und Ländern, die nachfolgend37 im Einzelnen darzustellen sein werden, sind notwendige Folge der skizzierten Verflechtung der im Grundsatz autonomen Haushaltswirtschaft der einzelnen Gebietskörperschaften mit dem diese mannigfach einschränkenden und beeinflussenden Gesamtgefüge der Finanzwirtschaft. Überall dort, wo der klare Trennungsgrundsatz der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern aufgehoben und durch Bestimmungen der vorgelagert übergreifenden finanzverfassungsrechtlichen Regelungen zugunsten des unitarischen Elements als notwendigem Wesensmerkmal der Bundesstaatsidee aufgeweicht ist, ergeben sich als notwendige Folge auch für die externe Finanzkontrolle Schnittstellen und Überschneidungen. Entlang der finanzwirtschaftlichen Verflechtungslinien, die von der Ebene des Bundes in die Haushalte der Länder hineinwirken, haben sich vier Bereiche herausgebildet, bei denen sich im Hinblick auf die Gewährleistung einer wirksamen Finanzkontrolle die Frage der Akteurszuständigkeit und ihres jeweiligen Kontrollinstrumentariums38 in verfassungsrechtlicher wie staatspraktischer Sicht in besonderer Weise stellt: bei der Verwaltung der Länder im Auftrag des Bundes, den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, der Ausführung von Geldleistungsgesetzen des Bundes durch die Länder sowie bei den Finanzhilfen des Bundes an die Länder. In jüngerer Zeit ist zu diesen „klassischen“ Schnittstellen ein weiterer Bereich hinzugetreten, der nicht bereits in den haushalts- und finanzwirtschaftlichen Bestimmungen des Grundgesetzes angelegt ist, sondern sich aus der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union und dem durch diese etablierten Zahlungsstromsystem zwischen dem EU-Haushalt und den Haushalten der Mitgliedstaaten ergibt: die Prüfung der Verwendung von EU-Mitteln, die von deutschen Stellen verwaltet und verausgabt werden.39 Für alle diese Bereiche ist dabei für die weitere Betrachtung von folgenden grundlegenden Rahmenbedingungen auszugehen: 37

Dazu Abschnitt IV.2. ff. Kann der Bundesrechnungshof und / oder der jeweilige Landesrechnungshof prüfen und wie weit kann der Bundesrechnungshof dabei, seine Prüfungskompetenz vorausgesetzt, in die Sphäre der Länder (evtl. auch der Kommunen) zur Faktensammlung vordringen? Wer ist geprüfte Stelle, wer „nur“ Erhebungsstelle? Wem ist zu berichten? 39 Das Schnittstellenfeld „Prüfung von EU-Mitteln in Deutschland“ kann im Rahmen dieses Beitrags allerdings nicht weiter ausgeführt werden; dies würde den 38

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Die Dualität der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern geht prinzipiell einher mit einer Dualität der externen Finanzkontrolle,40 die sich institutionell in der parallelen Existenz der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder manifestiert. Die Verfassung des Grundgesetzes (Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz) versagt dem Bundesrechnungshof folgerichtig ein Prüfungsrecht gegenüber den Ländern.41 Umgekehrt hat ein Landesrechnungshof nur Prüfungsrechte gegenüber seinem jeweiligen Land, nicht gegenüber dem Bund (oder anderen Ländern). Da die Dualität und der Grundsatz der getrennten Sphären der externen Finanzkontrolle von Bund und Ländern den finanzwirtschaftlichen Verflechtungslinien folgend aber nicht uneingeschränkt aufrechtzuhalten ist, ohne die Gewährleistung einer wirksamen Finanzkontrolle zu gefährden,42 hat der Bundesgesetzgeber dem Bundesrechnungshof den Weg eröffnet, auch bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu „prüfen“, wenn sie Teile des Bundeshaushaltsplans ausführen oder vom Bund Ersatz von Aufwendungen erhalten (§ 91 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung) bzw. Bundesmittel oder Vermögensgegenstände des Bundes verwalten (§ 91 Absatz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung).43 Eine Stelle außerhalb der Bundesverwaltung kann dabei grundsätzlich auch eine Länder- oder Kommunalverwaltung sein. Die Ermächtigung in Artikel 114 Absatz 2 Satz 3 Grundgesetz erlaubt es dem Bundesgesetzgeber, ein solches Übergreifen des Bundesrechnungshofes in

Rahmen sprengen; vgl. hierzu Christoph Thäsler, Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem, Osnabrück 2012, S. 109 ff.; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 337 u. 353 ff.; Francisca Schmitz, Finanzkontrolle durch den Europäischen Rechnungshof, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: September 2009, VII / 2 ERH, Rn. 75 ff.; Matthias Mähring, Externe Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem, DÖV 2006, S. 195. Zur Kooperation der Rechnungshöfe in einem zusammenwachsenden Europa siehe auch den Beitrag von Saskia Stuiveling in diesem Band. 40 Zum dualen Modell der Finanzkontrolle im Bundesstaat in Abgrenzung zum Einheitsmodell s. Josef Isensee, Finanzkontrolle im Bundesstaat – Zur Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Rechnungsprüfung nach österreichischem und deutschem Recht, ZÖR 2008, S. 36 ff. 41 Anders das österreichische Modell. Dort weist die Verfassung dem Rechnungshof des Bundes auch die Zuständigkeit für die Prüfung der Länder zu, ermöglicht es allerdings zugleich, dass diese aus eigener Verfassungsautonomie und Organisationsgewalt zusätzlich zur Finanzkontrolle des Bundes eigene Kontrollbehörden (Rechnungshöfe) errichten; vgl. weiterführend Josef Isensee, Finanzkontrolle im Bundesstaat (Fn. 40), S. 41 ff. 42 Vgl. Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Oktober 2011, Art. 114 GG Rn. 85; siehe auch BVerwGE 116, 92 (98), das aus Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG einen „Generalauftrag für eine effektive Finanzkontrolle“ abgeleitet hat. 43 Weitere zugriffseröffnende Tatbestände auf Stellen außerhalb der Bundesverwaltung eröffnen § 91 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BHO.

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die Sphäre der Länder44 und Kommunen einfachgesetzlich zu etablieren und auszugestalten. Dies gilt unbeschadet dessen, dass § 91 Bundeshaushaltsordnung Länder und Kommunen als „Stellen außerhalb der Bundesverwaltung“ nicht ausdrücklich benennt.45 Dieser Befund ist heute prinzipiell anerkannt.46 Umstritten ist indes nach wie vor die Frage der über § 91 Bundeshaushaltsordnung47 eröffneten Eindringtiefe des Bundesrechnungshofes hinein in den Verwaltungsbereich von Ländern und Kommunen. Die im Schrifttum überwiegende, traditionelle Auffassung geht insoweit von einem verwaltungsakzessorischen Ansatz aus.48 Nach diesem werden die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes im Bereich der Länder (und Kommunen) eng an die Ingerenzrechte der Bundesexekutive im jeweiligen Sachbereich gekoppelt.

44 Vgl. insoweit ausdrücklich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 6. März 2002, BVerwGE 116, 92 (97 f.). 45 Bis zur Haushaltsreform 1969 gab es mit § 4 Abs. 5 BRHG eine bundesgesetzliche Regelung, aus der sich ausdrücklich ergab, dass Stellen außerhalb der Bundesverwaltung auch Länder- und Gemeindebehörden sein können; vgl. Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950, BGBl. 1950 S. 765. 46 Vgl. aus dem älteren Schrifttum Susanne Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, Berlin 1974, S. 257 ff.; Ulrich Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, Kiel 1986, S. 82 ff.; Ernst Heuer, Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen, Berlin, 1989, S. 181 (184 ff.); Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes, DVBl. 1990, S. 55; Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juni 1999, § 91 BHO Rn. 7; aus jüngerer Zeit Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Art. 114 GG Rn. 84; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 210 f.; Andreas Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stuttgart Loseblatt Stand: Januar 2011, § 91 BHO Rn. 1; Andreas Nebel, in: Piduch (Fn. 46), Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 23; Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung, Heidelberg Loseblatt Stand: April 2011, § 91 Rn. 4; Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Fn. 14), Art. 114 GG Rn. 12. 47 In jüngster Zeit sind weitere „Türöffner“ hinzugetreten, wie etwa § 6a ZuInvG oder § 6b SGB II; hierzu im Einzelnen Abschnitt IV.3.b.cc) und IV.4.c). 48 Vgl. etwa Hans Blasius, Prüfungs- und Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich, DÖV 1992, S. 18 ff.; Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Fn. 14), Art. 114 GG Rn. 12; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 32), Art. 114 GG Rn. 57; Kyrill-A. Schwarz, Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Länder und Kommunen?, NdsVBl. 2010, S. 7 (8); Kyrill-A. Schwarz, Finanzkontrolle im föderalen Mehrebenensystem, DVBl. 2011, S. 135 (138); Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Oktober 2011, Art. 114 GG Rn. 88; Hans-Günter Henneke, Finanzkontrolle im föderativen Staat, DÖV 2011, S. 417 (420 f.); Stefan Korioth, Der Bundesrechnungshof, die Länder und die Gemeinden, ein verfassungsrechtliches Lehrstück zum deutschen Bundesstaat, Szenen 1 bis 3, in: Jahrbuch für öffentliche Finanzen 2010, Berlin 2010, S. 283 (302).

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Die Gegenmeinung49 sieht dagegen die Informations- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes bei Stellen der Länder und Kommunen an die Finanzierungskompetenz geknüpft. Das berechtigte Informationsinteresse des Bundesrechnungshofes soll soweit in die Länder (und gegebenenfalls Kommunen) hineinreichen, wie die Finanzierungskompetenz des Bundes geht. Oder anders ausgedrückt: Überall dort, wo Geld des Bundes hinfließt und ausgegeben oder Geld des Bundes eingenommen wird, soll sich der Bundesrechnungshof durch eigene Erhebungen ein Bild darüber machen können, ob dies in Einklang mit den bundesgesetzlich festgelegten Zwecken und Regeln geschieht. Unbeschadet der Bewertung des hiermit angedeuteten Grundsatzstreits über die richtige Herleitung, Anknüpfung und Reichweite der Einblicksrechte des Bundesrechnungshofes in die fremden Räume der Länder (und Kommunen) und seiner damit einhergehenden Informationsrechte im Einzelnen, der durch die Finanzhilfen-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 201050 neuen Schwung erhalten hat, ist unstreitig davon auszugehen, dass durch die Erweiterung der Zugriffsrechte des Bundesrechnungshofes über die allgemeine Regelung des § 91 Bundeshaushaltsordnung oder mittels ähnlich ausgerichteter, spezialgesetzlicher Vorschriften51 weder Länder noch Kommunen zu geprüften Stellen des Bundesrechnungshofes werden. Prüfen bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung bedeutet nicht Prüfen der Stellen. Es geht also allein darum, dem Bundesrechnungshof die Möglichkeit zu eröffnen, bei diesen, nicht dem Rechtsträger Bund zugehörigen Stellen Erhebungen durchzuführen, um notwendige Informationen für die Beurteilung zu gewinnen, ob die Bundesexekutive ordnungsgemäß handelt.52 Weder wird hierdurch in die Haushaltsautonomie der Länder eingegriffen noch die grundsätzliche Aufgabentrennung zwischen dem Bundesrechnungshof und den Rechnungshöfen der Länder aufgehoben. Das Ausleuchten fremder Räume durch die externe Finanzkontrolle des Bundes zur eigenen Aufgabenerfüllung, ausgerichtet an der Prüfungsaufgabe Haushalts49 Ernst Heuer, Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten, in: Zavelberg (Fn. 46), S. 181 (187); Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes, DVBl. 1990, S. 555 (557 ff.); Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juni 1999, § 91 BHO Rn. 5 ff.; Matthias Mähring, Externe Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem, DÖV 2006, S. 195 (203); Jens Porzucek, Die Kontrolle der Finanzhilfen des Bundes, DÖV 2010, S. 838 (843 ff.); Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 216 ff. 50 Beschluss des zweiten Senats vom 7. September 2010, 2 BvF 1 / 09. 51 Wie z. B. § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz (ZuInvG) oder § 6b Abs. 3 SGB II. 52 Allg. Meinung; vgl. statt vieler: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 210.

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und Wirtschaftsführung des Bundes und ausgerichtet auf den Prüfungsadressat Bund und dessen Interessen, hat in der Vergangenheit gleichwohl immer wieder zu heftigen, auch gerichtlich ausgetragenen Abwehrreaktionen der Länder und Kommunen geführt. Hervorzuheben sind insbesondere zwei höchstgerichtliche Entscheidungen der letzten Dekade, einmal aus dem Bereich der Bundesauftragsverwaltung,53 zum anderen aus dem Bereich der Finanzhilfen.54 Beide Entscheidungen werden nachfolgend in die eingehendere Darstellung und Bewertung der einzelnen Schnittstellenfelder einzubeziehen sein. 2. Bundesauftragsverwaltung Ein bedeutsames Feld für Überschneidungen der externen Finanzkontrolle des Bundes mit derjenigen der Länder bildet der gesamte Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Artikel 85 Grundgesetz. Hier führen die Länder die Bundesgesetze entgegen dem Regelfall gemäß Artikel 83 Grundgesetz nicht als eigene Angelegenheit, sondern im Auftrag des Bundes durch. Die Länder handeln bei der Bundesauftragsverwaltung gleichwohl nicht in fremdem Namen, das heißt für den Bund, sondern sie üben Staatsgewalt der Länder durch ihre jeweils zuständigen Landesorgane aus.55 Die Bundesauftragsverwaltung ist also wie der Regelmodus „Ausführung als eigene Angelegenheit“ Länderverwaltung,56 nicht Bundesverwaltung. Allerdings besitzt der Bund hier gegenüber den Ländern weiter gehende Rechte, um den Vollzug seiner Gesetze durch die Länder zu überwachen und sicherzustellen.57 Folgerichtig besteht für den Bund keine freie Formenwahl. Der Vollzugstyp der Bundesauftragsverwaltung ist vielmehr nur dort zulässig, wo das Grundgesetz selbst die Auftragsverwaltung obligatorisch vorgibt58 oder fakultativ59 zulässt. 53 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 116, 92) v. 6. März 2002 zum Bereich der Steuerauftragsverwaltung durch die Länder. 54 Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvF 1 / 09) v. 7. September 2010. 55 BVerfGE 81, 310 (331). 56 BVerfGE 63, 1 (42). 57 Insoweit umschreibt der Begriff Bundesauftragsverwaltung einen „Landesvollzug geminderter Eigenständigkeit“; so Armin Dittmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 85 GG Rn. 1 unter Rekurs auf BVerfGE 81, 310 (331 f.). Umgekehrt, aus Sicht des Bundes, stellt die Bundesauftragsverwaltung ein Instrument gesamtstaatlicher Steuerung dar; vgl. Karl-Peter Sommermann, Grundfragen der Bundesauftragsverwaltung, DVBl. 2001, S. 1549 (1552 f.). 58 Vgl. Art. 90 Abs. 2 GG; Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG und Art. 108 Abs. 3 GG. 59 Vgl. Art. 87b Abs. 2 GG; Art. 87c GG; Art. 87d Abs. 2 GG; Art. 89 Abs. 2 S. 3 u. 4 GG sowie Art. 120a GG.

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a) Externe Finanzkontrolle im Bereich der Steuerauftragsverwaltung Einen ganz wesentlichen und aufgrund seiner finanziellen Dimension für die Staatspraxis besonders bedeutsamen Teilausschnitt der Bundesauftragsverwaltung bildet die Steuerverwaltung. Nach Artikel 108 Absatz 2 Grundgesetz verwalten die Landesfinanzbehörden die Steuern, soweit sie nicht wie in den in Artikel 108 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz abschließend aufgezählten Fällen von den Bundesfinanzbehörden verwaltet werden.60 Eine wesentliche Besonderheit gilt für den Bereich der Gemeinschaftsteuern.61 Soweit die Landesfinanzbehörden Steuern verwalten, die ganz oder – wie die Gemeinschaftsteuern – teilweise dem Bund zufließen, werden sie gemäß Artikel 108 Absatz 3 Grundgesetz im Auftrag des Bundes tätig. Damit stehen die mit Abstand ertragsstärksten, bundesrechtlich geregelten Steuern zwar – dem o. g. Regelprinzip entsprechend – im Steuervollzug der Landesfinanzbehörden; diese sind aber dem verschärften Aufsichtsregime der Bundesauftragsverwaltung unterworfen. Dies bedeutet, dass der Bundesregierung neben der Rechts- auch die Fachaufsicht zukommt. Sie ist gegenüber den Ländern weisungsbefugt. Organisation, Einrichtung und Ausstattung ihrer Behörden bleibt allerdings grundsätzlich Sache der Länder.62 Für die Arbeit der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder ergeben sich daraus folgende Prüfungs- und Erhebungsoptionen: Die Landesrechnungshöfe können in vollem Umfang die Arbeit der Landesfinanzbehörden wie auch der übergeordneten Landesbehörden, z. B. des Landesfinanzministeriums, prüfen. Hierzu können sie von allen ihnen nach dem jeweiligen Landesrecht zustehenden Erhebungsinstrumenten Gebrauch machen. Den Prüfungsgegenstand können sie frei wählen: Zum einen können sie prüfen, ob die Steuern im Einklang mit den bundesgesetzlichen Vorgaben des materiellen und prozeduralen Steuerrechts rechtzeitig, vollständig und einheitlich erhoben werden. Zum anderen können sie prüfen, ob die Art und Weise, wie das Land dies organisiert, rechtmäßig und wirtschaftlich ist.63 Dabei endet der Prüfungs- und Erhebungsraum des Landes60 Z. B. Zölle, Finanzmonopole und Abgaben der Europäischen Union. Das allgemeine Regel-Ausnahme-Prinzip (Art. 30 und 83 GG) der Zuständigkeitsverteilung auf die Länder (Regel) und den Bund (Ausnahme) findet sich damit auch im Bereich der Steuerverwaltung wieder. 61 Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht gem. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern). 62 Armin Dittmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 85 GG Rn. 8. 63 Z. B. Zuschnitt, Größe und Verteilung der Finanzämter, Aufbau- und Ablauforganisation in den Landesfinanzbehörden, Einstellung, Aus- und Fortbildung des eingesetzten Personals in der Finanzverwaltung etc.

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rechnungshofes naturgemäß an den jeweiligen Landesgrenzen. Ein prüferischer oder auch nur informatorisch-erhebender Einblick in die Vollzugsoder Organisationspraxis eines anderen Landes oder in die Aufsichtsstrukturen des Bundes ist ihm verwehrt. Der Bundesrechnungshof wiederum kann prüfen, ob die Bundesexekutive in Gestalt des Bundesfinanzministeriums64 sicherstellt, dass die ganz oder teilweise dem Bund zustehenden Steuern durch die Landesfinanzbehörden vollständig, gleichmäßig, rechtzeitig und einheitlich erhoben werden und – soweit notwendig – hierzu von ihren Aufsichtsrechten nach Artikel 85 Absatz 3 und 4 Grundgesetz in angemessener Weise Gebrauch macht. Hierzu kann der Bundesrechnungshof gemäß § 91 Absatz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung auf allen Ebenen der Landesfinanzverwaltungen informatorisch Einblick nehmen, ohne dass diese zu geprüften Stellen des Bundesrechnungshofes werden. Der Bundesrechnungshof ist also befugt, sich in allen Ländern bei allen Landesfinanzbehörden (insbesondere Finanzämtern) im Rahmen seiner Tatsachenerhebung vor Ort Steuerakten und ihre Bearbeitung anzusehen. Denn nur so kann er beurteilen, ob der Bundesfinanzminister seiner übergreifenden Aufgabe nachkommt, gegebenenfalls durch seine Aufsichtsrechte für einen wirksamen, ordnungsgemäßen und einheitlichen Steuervollzug durch die Länder zu sorgen. Dass ein „Hinschauen vor Ort“ notwendig ist und regelmäßig Diskrepanzen und Verwerfungen im Vergleich der Länderpraxis zutage fördert, haben die Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes der vergangenen Jahre immer wieder gezeigt.65 Dass ein „Hinschauen vor Ort“ dem Bundesrechnungshof erlaubt ist und kein verfassungsrechtlich unzulässiges Eindringen in den geschützten Bereich der Länder bedeutet, ergibt sich im Übrigen nicht nur aus den beiden oben skizzierten Grundauffassungen66 eines verwaltungs- bzw. finanzakzessorischen Ansatzes, sondern ist seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 200267 auch höchstrichterlich anerkannt. In dem streitgegenständlichen Verfahren hatte sich der Freistaat Bayern Erhebungen des Bundesrechnungshofes bei 64 Gem. Art. 108 Abs. 3 S. 2 GG übt das Bundesfinanzministerium die Aufsichtsrechte der Bundesregierung gem. Art. 85 Abs. 3 und 4 GG aus. 65 Vgl. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, Stuttgart 2006, S. 18 ff. mit zahlreichen Beispielen; Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 29), S. 48 ff. sowie Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO v. 17. Januar 2012 über den Vollzug der Steuergesetze, insbesondere im Arbeitnehmerbereich; zur Prüfung der Einnahmen durch den Bundesrechnungshof vgl. auch den Beitrag von Rolf Flöer in dieser Festschrift. 66 Siehe oben Abschnitt IV.1. 67 BVerwGE 116, 92.

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seinen Finanzbehörden verweigert.68 Das Bundesverwaltungsgericht erkannte dem Bundesrechnungshof ausdrücklich das Recht zu, bei der bayerischen Finanzverwaltung auch unterhalb der Ministerialebene zu erheben. Der Freistaat habe Erhebungen durch Beauftragte des Bundesrechnungshofes zu dulden und die Erhebungsbehörden69 seien verpflichtet, die vom Bundesrechnungshof erbetenen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes aus § 91 Absatz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung für die Steuerauftragsverwaltung bis in den nachgeordneten Landesbereich hinein bestätigt.70 Bemerkenswert ist hierbei, dass das Gericht seine Position nicht etwa mit dem im Schrifttum vorherrschenden verwaltungsakzessorischen Ansatz71 begründet, sondern aus dem „Generalauftrag“ des Bundesrechnungshofes für eine effektive Finanzkontrolle72 und aus dem Grundsatz der vollständigen Finanzkontrolle73 herleitet. „Nur eine Erhebungskompetenz, die nicht an den Grenzen der Landesverwaltung halt macht, kann nämlich finanzwirksame Vollzugsungleichheiten erfassen, die sich unvermeidlich einstellen, wenn die Steuerverwaltungshoheit auf 16 Bundesländer aufgeteilt ist.“74 Grundsätzlich nicht vom Erhebungsscheinwerfer des Bundesrechnungshofes erfasst sind dagegen alle Organisationsfragen im Hinblick auf Einrichtung, Betrieb und Ausstattung der Landesfinanzverwaltungen.75 Denn die Organisationsgewalt verbleibt auch in der Auftragsverwaltung – da Landesverwaltung – grundsätzlich76 bei den Ländern. Es ist ihre Aufgabe, die Behörden zu errichten, personell und sachlich auszustatten und den Vollzug 68 Zur Genese und zu den Einzelheiten des Rechtsstreits vgl. Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung, in: Magiera / Sommermann / Ziller (Hrsg.), Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis in nationaler und transnationaler Perspektive, Festschrift für Heinrich Siedentopf, Berlin 2008, S. 241 (248 ff.). 69 Im vorliegenden Fall die Finanzämter und Oberfinanzdirektionen. 70 BVerwGE 116, 92 (93 ff.). 71 Siehe Fn. 48. 72 BVerwGE 116, 92 (98). 73 Vgl. BVerwGE 116, 92 (94) mit seinem Hinweis darauf, es dürfe „keine der Prüfung unzugänglichen Räume“ geben. 74 BVerwGE 116, 92 (96). 75 Vgl. Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Oktober 2011, Art. 114 GG Rn. 88; Andreas Nebel, in: Piduch (Fn. 46), Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 23. 76 Vgl. das Regel-Ausnahme-Prinzip in Art. 85 Abs. 1 S. 1 GG, nach dem die Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder bleibt, der Bund allerdings durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates auf die Einrichtung der Behörden Einfluss nehmen kann.

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der Bundesgesetze verwaltungsmäßig zu regeln.77 Die Dienstaufsicht und damit die Verantwortung für die personelle, innerorganisatorische und geschäftsordnungsmäßige Gestaltung ist Sache der Länder.78 Die Aufsicht des Bundes ist insoweit beschränkt. Nur soweit organisatorische Maßnahmen selbst als unmittelbare Ausführungsschritte eines Bundesgesetzes anzusehen sind, können sie ausnahmsweise von der Ausführungsaufsicht erfasst sein.79 Zudem haben die Länder nach dem Grundsatz der Konnexität von Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz gemäß Artikel 104a Absatz 5 Satz 1 Grundgesetz die Kosten für die Auftragsverwaltung im Steuerbereich selbst zu tragen.80 Die Prüfung der Organisation der Steuerverwaltung der Länder verbleibt nach alledem grundsätzlich die alleinige Domäne der Landesrechnungshöfe.81 Allerdings haben die beiden Begleitgesetze zur Föderalismusreform I und II82 in dem neu eingefügten § 21a Finanzverwaltungsgesetz83 die Einwirkungsrechte des Bundes auf die Steuerverwaltungen der Länder zur Verbesserung und Erleichterung des Vollzugs der Steuergesetze und im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gestärkt. Die dem Bund an die Hand gegebenen neuen, über die bisherigen Möglichkeiten der Aufsicht und Steuerung hinausgehenden Instrumente zur generellen Sicherung eines einheitlichen Steuervollzugs im Bundesgebiet84 führen im Ergebnis zu einer weiteren Verflechtung der Verwaltungssphären von Bund und Ländern, die 77

Armin Dittmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 85 GG Rn. 8. Johannes Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte des Bundes bei der Verwaltung der Steuern durch die Länder, Frankfurt am Main u. a. 1995, S. 161 (163). 79 Roman Seer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: April 2011, Art. 108 GG Rn. 99 und 126; Johannes Bonsels, Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte des Bundes (Fn. 78), S. 161 f. 80 Die ursprünglich im Finanzverwaltungsgesetz (FVG) geregelte Verwaltungskostenpauschale von 4 % des für die jeweilige Gebietskörperschaft vereinnahmten Steueraufkommens wurde bereits mit § 1 des 4. Überleitungsgesetzes v. 27. April 1955, BGBl. I 1955 S. 189, wieder abgeschafft. 81 So auch Andreas Nebel, in: Piduch (Fn. 46), Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 23b unter Hinweis auf Art. 104a Abs. 5 S. 1 GG. 82 Siehe Gesetz vom 5. September 2006, BGBl. I 2006 S. 2098 (2102) und Gesetz vom 10. August 2009, BGBl. I 2009 S. 2702 (2709). 83 Finanzverwaltungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 2006 (BGBl. I 2006 S. 846, 1202), das zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (BGBl. I 2010 S. 1768) geändert worden ist. 84 Das Bundesfinanzministerium kann gem. § 21a Abs. 1 S. 1 FVG einheitliche Verwaltungsgrundsätze und Zusammenarbeitsregeln bestimmen sowie allgemeine fachliche Weisungen erteilen; die hierfür notwendige Zustimmung der Länder gilt als erteilt, wenn eine Mehrheit der Länder nicht widerspricht, § 21a Abs. 1 S. 2 FVG. Außerdem sind Bund und Länder gem. § 21a Abs. 2 FVG verpflichtet, bilaterale Vollzugsziele auf der Grundlage eines gemeinsam bestimmten Rahmenkatalogs von Kennzahlen zu vereinbaren. 78

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nicht ohne Reflexe auf die prozedural-organisatorische Freiheit der Landessteuerverwaltungen bleiben dürfte. Soweit sich diese in zulässigen bundesrechtlichen Vorgaben niederschlagen, können diese dann auch vom Erhebungszugriff des Bundesrechnungshofes erfasst sein. b) Weitere Bereiche der Bundesauftragsverwaltung Aus Sicht der Finanzkontrolle des Bundes sind naturgemäß all jene Sektoren von Interesse, in denen die Länder im Auftrag des Bundes Aufgaben erfüllen und hierfür Aufwendungsersatz oder Geldleistungen erhalten. Denn in all jenen Fällen wirkt sich das Handeln der Länder (und / oder Kommunen) direkt oder indirekt auf die Ausgabenseite des Bundeshaushalts aus. Zu nennen sind hier insbesondere die Verwaltung der Bundesfernstraßen durch die Länder nach Artikel 90 Absatz 2 Grundgesetz und diejenigen Bereiche der Sozialverwaltungen der Länder,85 bei denen der Bund gemäß Artikel 104a Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz und dem hierzu jeweils erlassenen Geldleistungsgesetz mindestens die Hälfte der gewährten Geldleistungen trägt. Zu den „Klassikern“86 in diesem Bereich neu hinzugetreten sind in jüngerer Zeit das Bundeselterngeld87 und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.88 85 Oder Kommunen, wenn und soweit die Länder nach ihrem jeweiligen Landesrecht die Aufgaben auf diese übertragen haben. 86 Z. B. Wohngeld mit einem Bundesanteil von 50 % nach § 32 WoGG i. d. F. vom 24. September 2008, BGBl. I 2008 S. 1856; Bundesausbildungsförderung mit einem Finanzierungsanteil des Bundes von 65 % nach § 56 Abs. 1 BAföG in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010, BGBl. I 2010 S. 1952, BGBl. I 2012 S. 197. 87 Mit einem „Anteil“ des Bundes von 100 % nach § 12 Abs. 2 BEEG vom 5. Dezember 2006, BGBl. I 2006 S. 2748, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 23. Oktober 2012, BGBl. I 2012 S. 2246. 88 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) – Sozialhilfe, Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I 2003 S. 3022), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I 2012 S. 2789) geändert worden ist; gem. § 46a Abs. 1 SGB XII erstattet der Bund den Ländern im Jahr 2013 einen Anteil von 75 % und ab dem Jahr 2014 einen Anteil von 100 % der Nettoausgaben für Geldleistungen im Rahmen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Bundesrechnungshof kann auf der Grundlage der allgemeinen haushaltsrechtlichen Vorschriften örtliche Erhebungen bei allen mittelverwaltenden Stellen, insbesondere auch bei den nach dem jeweiligen Landesrecht für die Ausführung des Vierten Kapitels SGB XII zuständigen Trägern selbst, durchführen; vgl. hierzu auch die amtliche Begründung, BT-Drs. 17 / 10748, S. 12. Auf eine deklaratorische Nennung des Prüfungsrechts des Bundesrechnungshofes im Gesetz hat der Gesetzgeber hier – anders als im SGB II – verzichtet; zum SGB II s. u. Abschnitt IV.3.b).

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Der Bundesrechnungshof hat in Ausübung seines Mandats und in Anwendung seiner Erhebungsrechte aus § 91 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung bei Stellen der Länder und Kommunen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder erhebliche Schwachstellen bei der Ausführung der Gesetze durch die Länder feststellen können.89 Was das Prüfungs- und Erhebungsregime in diesen Bereichen der Bundesauftragsverwaltung im Einzelnen anbetrifft, gilt das oben Angeführte entsprechend: Der Bundesrechnungshof prüft, ob die Bundesregierung ihren Aufsichtspflichten nach Artikel 85 Absatz 3 Grundgesetz genügt; hierzu erhebt er bei den zuständigen Stellen der Länder und Kommunen gemäß § 91 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung. Geprüfte Stelle bleibt die Bundesregierung. Die Landesrechnungshöfe prüfen die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Haushaltsführung der Länderverwaltungen und – je nach landesrechtlicher Ausgestaltung90 – der Kommunen. 3. Geldleistungsgesetze außerhalb der Auftragsverwaltung Neben den Geldleistungsgesetzen, die aufgrund der mindestens hälftigen finanziellen Beteiligung des Bundes über Artikel 104a Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz von den Ländern im Auftrag des Bundes verwaltet werden und infolgedessen mit dem oben dargestellten, informatorischen Faktenzugriffsrecht des Bundesrechnungshofes belegt sind,91 bleiben zwei weitere Gruppen von Geldleistungsgesetzen des Bundes zu nennen, die außerhalb der Verbandsgrenzen des Bundes bzw. unter Beteiligung fremder Gebietskörperschaften bei gleichzeitiger finanzieller Beteiligung des Bundes verwaltet werden: Zum einen sind dies alle Geldleistungsgesetze, die die Länder als eigene Angelegenheit ausführen, da sich der Bund mit weniger als der Hälfte an den Ausgaben beteiligt. Zum anderen ist dies der aufgrund seines 89 Vgl. für den Bereich der Bundesfernstraßen Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 29), S. 66 ff., sowie die jährlichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes mit weiteren Beispielen, z. B. Bemerkungen 2012, Tz. 50, 51, 52 und 56 (BT-Drs. 17 / 11330 sowie www.bundesrechnungshof.de); für den Sozialbereich vgl. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 29), S. 100 ff., sowie die Übersicht in Anhang V des Gutachtens. 90 Die Rechtslage variiert von Land zu Land; die Landesrechnungshöfe sind nicht in allen Ländern für die sogenannte überörtliche Prüfung der Kommunen zuständig; vgl. hierzu Andreas Glöckner / Holger Mühlenkamp, Die Kommunale Finanzkontrolle, Eine Darstellung und Analyse des Systems zur finanziellen Kontrolle von Kommunen, ZP 2009, 397. 91 Vgl. Abschnitt IV.2.b).

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Ausgabenvolumens besonders ins Gewicht fallende Schlüsselbereich des Sozialgesetzbuchs, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches.92 a) Ausführung von Geldleistungsgesetzen des Bundes durch die Länder als eigene Angelegenheit Diejenigen Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und bei denen der Bund weniger als die Hälfte der Ausgaben trägt (Artikel 104b Absatz 3 Grundgesetz), werden von den Ländern im Regelmodus von Artikel 83 Grundgesetz als eigene Angelegenheit ausgeführt.93 Dem Bund obliegt in diesen Fällen nur die Rechts-, nicht die Fachaufsicht.94 Sein Aufsichtsinstrumentarium95 ist dementsprechend eingeschränkter als bei der Auftragsverwaltung. Aus diesem Grund ist ein Teil der Literatur der Ansicht, dem Bundesrechnungshof stehe überhaupt kein Erhebungsrecht aus § 91 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung bei den Ländern zu96 oder es erstrecke sich allenfalls auf die Ebene der obersten Landesbehörden.97 Begründet wird dies mit der oben skizzierten,98 verwaltungsakzessorischen Argumentationslinie. Die Gegenauffassung sieht hingegen keine Beschränkung und keinen Ausschluss der Erhebungsstellen außerhalb der Bundesverwaltung.99 Unstreitig ist davon auszuge92 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende, Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2003 S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I 2012 S. 2781) geändert worden ist. 93 Beispielsweise das Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinerziehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz – UVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juli 2007 (BGBl. I 2007 S. 1446), das durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I 2007 S. 3194) geändert worden ist; das UVG gilt seit dem 1. Januar 1980; der Bund trägt gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UVG ein Drittel der Ausgaben. 94 Art. 84 Abs. 3 S. 1 GG. 95 Art. 84 Abs. 3–5 GG. 96 So Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung (Fn. 46), Stand: April 2011, § 91 BHO Rn. 5. 97 So Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Fn. 14), Art. 114 GG Rn. 12b; Andreas Nebel, in: Piduch (Fn. 46), Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 23e; Ulrich Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, Kiel 1986, S. 89. 98 Vgl. Abschnitt IV.1. 99 Ernst Heuer, Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten, in: Zavelberg (Fn. 46), S. 181 (187); Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes, DVBl. 1990, S. 555; Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juni 1999, § 91 BHO Rn. 5 ff.; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 217;

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hen, dass der Fokus des Ausleuchtens fremder Räume durch den Bundesrechnungshof in den Ländern100 bei dieser Fallgruppe immer nur auf die Frage gerichtet sein kann, ob die Bundesregierung ihre Rechtsaufsicht nach Artikel 84 Absatz 3 Grundgesetz sachgerecht wahrnimmt.101 Mit der Rechtsaufsicht aus Artikel 84 Grundgesetz, die zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Verwaltungskompetenz der Länder vermittelt, soll der Bund die Möglichkeit haben, auf eine einheitliche Geltung der Rechtsvorschriften hinzuwirken; der Gesichtspunkt der Wirksamkeit des Gesetzesvollzugs tritt hinzu.102 Wenn die bundesweite Einheitlichkeit und Wirksamkeit des Gesetzesvollzugs Gegenstand und Zweck der Rechtsaufsicht durch die Bundesexekutive sind und damit deren vom Bundesrechnungshof zu kontrollierenden Pflichtenkreis bilden, verwundert allerdings, warum es dem Bundesrechnungshof nicht möglich sein sollte, sich über die Rechtsanwendung „vor Ort“ bei den Vollzugsbehörden ein eigenes Bild zu machen. Denn ohne diese Informationen kann der Bundesrechnungshof die entscheidende Frage, ob die Länder und Kommunen ein Leistungsgesetz des Bundes unterschiedlich oder falsch anwenden und demzufolge Anlass für eine Maßnahme der Rechtsaufsicht seitens der Bundesregierung als geprüfter Stelle besteht, gar nicht beurteilen.103 Und den übergreifenden Blick über die Landesgrenzen hinaus kann auch hier – wie bei der Auftragsverwaltung – nur der Bundesrechnungshof haben; aus etwaigen Einzelerkenntnissen der Landesrechnungshöfe jedenfalls kann ein übergreifendes Urteil nicht abgeleitet werden. Eine Beschränkung des Informationszugangs des Bundesrechnungshofes auf eine Faktenermittlung aus zweiter Hand, vermittelt über die obersten Landesbehörden, die bestrebt sein werden, den Vollzug von Bundesgesetzen in ihrem Verantwortungsbereich als rechtmäßig darzustellen, oder über die Bundesexekutive selbst, für die als geprüfte Stelle und damit als Prüfungsvgl. auch Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Oktober 2011, Art. 114 GG Rn. 89, der mit seinem Hinweis, der Bundesrechnungshof könne entsprechend der Rechtsaufsicht des Bundes lediglich prüfen, „ob sich die Landesbehörden bei der Verwaltung der Bundesmittel im Rahmen der Gesetze halten“, den Erhebungszugriff wohl ebenso auf alle Landesbehörden erstreckt wissen will. 100 Und im Falle landesrechtlicher Aufgabendelegation bei den Kommunen; so haben z. B. im Bereich des UVG die Länder die Durchführung des Gesetzes in der Regel auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen. 101 Vgl. statt vieler: Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 32), Art. 114 GG Rn. 58. 102 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010, Absatz-Nr. 107 unter Verweis auf BVerfGE 11, 6 (18) u. 22, 180 (210). 103 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 217.

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adressat das Gleiche gilt, bedeutet deshalb eine wesentliche Einschränkung der unabhängig ermittelten Tatsachenseite als Conditio sine qua non für die Prüftätigkeit der externen Finanzkontrolle. Im Ergebnis würde dann, wenn die operativen Schichten des Verwaltungsvollzugs nicht durch die externe Finanzkontrolle selbst – hier in Gestalt des Bundesrechnungshofes – freigelegt werden könnten, ein faktisch prüfungsfreier Raum entstehen. Die alleinige Auskunft übergeordneter Stellen vermag diese, von der externen Finanzkontrolle selbst bestimmte und ausgeführte Grundlagenarbeit nämlich nicht zu ersetzen. Zudem werden den übergeordneten Stellen der Länder selbst nicht immer alle Erkenntnisse vorliegen, die eine valide und genaue Beurteilung der Vollzugslage in ihrem Land zulassen. Dies gilt zumal dann, wenn die eigentliche Vollzugsarbeit auf die kommunale Ebene delegiert wurde, wie bei der Ausführung des Unterhaltsvorschussgesetzes.104 Hier droht neben einer uneinheitlichen Geltung des Bundesgesetzes in der Praxis zudem ein finanzieller Schaden für den Bund, wenn die Länder (Kommunen) beim Unterhaltsschuldner keinen Rückgriff nehmen und den Anteil hieraus, der dem Bund zusteht, nicht abführen.105 Erheben als Teil der Prüfungstätigkeit erfordert deshalb immer die eigene Sachverhaltsfeststellung durch das Ermitteln einzelner Tatsachen. Es kann sich nicht darin erschöpfen zu hören, was Dritte – ihren jeweils eigenen Zielen und Interessen folgend – darüber berichten. Vor diesem Hintergrund kann es auch nicht überzeugen, den informatorischen Zugang für den Bundesrechnungshof bei den obersten Landesbehörden enden zu lassen, wenn diese Geldleistungsgesetze des Bundes in eigener Angelegenheit ausführen. Denn im Ergebnis könnte der Bundesrechnungshof dann auch nicht mehr prüfen und beurteilen, ob die Bundesregierung ihrer Aufgabe nach Artikel 84 Grundgesetz angemessen nachkommt. Dass hier jedoch wegen der Neigung des Bundes, seine Aufsichtspflichten nur verhalten oder gar nicht wahrzunehmen, Prüfungsbedarf besteht, hat die Prüfungspraxis immer wieder gezeigt.106 104 Die Unterhaltsvorschussstellen, die das UVG ausführen, sind in den Ländern überwiegend auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte angesiedelt. 105 Vgl. §§ 7 Abs. 3 S. 1 i. V. m. 8 Abs. 2 UVG; der jährliche Einnahmenausfall des Bundes liegt auf der Grundlage von prüfungsbasierten Schätzungen des Bundesrechnungshofes allein im UVG-Bereich bei bis zu 35 Mio. Euro. Als Beispiel aus der Prüfungspraxis vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2007, BT-Drs. 16 / 7100, Tz. 42. 106 Vgl. beispielhaft für die Ausführung von Geldleistungsgesetzen in der Auftragsverwaltung Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, BT-Drs. 17 / 11330, Tz. 3; für den Bereich der landeseigenen Verwaltung siehe Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 29), S. 101 f. (zum OEG) und S. 106 ff. (zum UVG), sowie Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2007, BT-Drs. 16 / 7100, Tz. 42.

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Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. September 2010107 zu Erhebungsrechten des Bundesrechnungshofes bei Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit Finanzhilfen des Bundes nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz eine grundsätzlich restriktive Linie gezogen, was die Möglichkeit der direkten und authentischen Informationsbeschaffung des Bundesrechnungshofes bei Stellen der Länder unterhalb der Ministerialebene und bei den Kommunen anbetrifft. Eine aktive und unmittelbare Informationsbeschaffung soll dem Bundesrechnungshof dort im Regelfall verwehrt sein.108 Im Hinblick auf Finanzhilfen, so das Bundesverfassungsgericht, schaffe die Verwaltungsakzessorietät der Bundesrechnungshofkompetenz einen angemessenen Ausgleich mit der Haushaltsautonomie der Länder.109 Allerdings kann diese Entscheidung nicht auf den Bereich der Vollzugsprüfung von Leistungsgesetzen des Bundes und die diesbezüglichen Erhebungsmöglichkeiten des Bundesrechnungshofes bei Ländern und Kommunen übertragen werden. Zunächst steht dem entgegen, dass die Entscheidung ausdrücklich nur die Grenzen der Informationsbeschaffung des Bundes bei der Gewährung von Finanzhilfen gemäß Artikel 104b Grundgesetz nach § 6a des Zukunftsinvestitionsgesetzes zum Gegenstand hatte und nicht die Ausführung von Leistungsgesetzen des Bundes durch die Länder.110 Auch die Gründe des Beschlusses verweisen insoweit explizit auf den streitgegenständlichen Bereich der Finanzhilfen, wenn das Bundesverfassungsgericht etwa ausführt, Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz rechtfertige Erhebungsbefugnisse des Bundesrechnungshofes bei Ländern und Kommunen „im Falle der Gewährung von Finanzhilfen“ nur in dem Umfang, in dem dem Bund Verwaltungskompetenzen zukommen.111 Und weiter formuliert es: „Jedenfalls für die Finanzkontrolle hinsichtlich der Gewährung von Finanzhilfen ist die Befugnis des Bundesrechnungshofes zu Erhebungen im Länderbereich akzessorisch zur Kompetenz der Bundesverwaltung zu bestimmen.“112 Das Gericht hat damit klargestellt, dass aus dem Beschluss kein verallgemeinernder Schluss für alle Erscheinungsformen der finanziellen Bund-Länder-Verflechtung und die damit einhergehenden Möglichkeiten und Grenzen der Informationsbeschaffung der Bundesexekutive bzw. der externen Finanzkontrolle des Bundes zu ziehen ist. Zudem ist eine Parallelität der Bewertung nicht nur nicht beabsichtigt; sie muss auch deshalb ausscheiden, weil die Unter107

BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. 109 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. 110 Vgl. hierzu den Leitsatz des tember 2010. 111 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. 112 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. 108

September 2010. September 2010, Absatz-Nr. 123, 94 ff. September 2010, Absatz-Nr. 138. Beschlusses, BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. SepSeptember 2010, Absatz-Nr. 128. September 2010, Absatz-Nr. 131.

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schiedlichkeit der Betrachtungsgegenstände eine solche verbietet. Die Ausführung der Geldleistungsgesetze des Bundes, deren Ausgaben der Bund ganz oder teilweise mitträgt, fließt auf der Ausgabenseite in Höhe des jeweiligen Bundesanteils in die Haushaltsrechnung des Bundes ein, die der Bundesrechnungshof als verfassungsrechtliche Pflichtaufgabe gemäß Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz zu prüfen hat. Soweit relevante Prüfungsergebnisse aus diesem Bereich vorliegen, sind diese Bestandteil des jährlich zu erstellenden Berichts des Bundesrechnungshofes gemäß Artikel 114 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz; dieser wiederum bildet die wesentliche Grundlage für das Entlastungsverfahren der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat. Damit bewegt sich der Bundesrechnungshof mit seinen Prüfungen und den durch die Erhebungen bei Ländern und Kommunen ermöglichten Erkenntnissen im Kernbereich der entlastungsrelevanten Rechnungsprüfung und nicht primär im Bereich der rechnungsunabhängigen Prüfung, die die Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung (des Bundes) am Maßstab der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einschließlich der der Mittelbewirtschaftung vorausgehenden Verwaltungsentscheidungen umfasst. Denn im Vordergrund seiner Erhebungen steht hier allein die Frage, ob das Geldleistungsgesetz des Bundes von der vollziehenden Stelle (des Landes oder der Kommune) formell und materiell ordnungsgemäß vollzogen wurde, die Bundesaufsicht dies durch angemessene Aufsichtsmaßnahmen sichergestellt hat und damit im Ergebnis die hierfür in der Haushaltsrechnung ausgewiesenen Ausgaben nach den gesetzlichen Bestimmungen auch vom Bund gegenüber den Ländern zu tragen sind. Sowohl der Prüfungs- wie auch der Erhebungsansatz sind damit nachträglich, ordnungsmäßigkeitsbezogen und unmittelbar rechnungsprüfungsrelevant. Bei dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalt standen dagegen die begleitende, auf die zeitnahe Beratung des Gesetzgebers zielende Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Finanzhilfen und die frühe Entdeckung von gesetzesimmanenten Vollzugsproblemen im Vordergrund. Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, für den Bereich der Ausführung von Geldleistungsgesetzen des Bundes durch die Länder in eigener Angelegenheit unbeschadet des Beschlusses zu den Finanzhilfen daran festzuhalten, die Erhebungsrechte des Bundes entsprechend der bisherigen Praxis auf alle Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu erstrecken, die die Leistungsgesetze jeweils operativ vollziehen.

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b) Grundsicherung für Arbeitsuchende aa) Leistungsvollzug Ein weiteres Leistungsgesetz des Bundes außerhalb der Auftragsverwaltung bildet das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches (Sozialgesetzbuch II),113 das den gesamten Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende114 regelt. Es stellt verwaltungsmäßig einen Sonderfall dar, da die Ausführung des Gesetzes sich nicht in einer der drei Standard-Formen der Verwaltung von Bundesgesetzen115 vollzieht, sondern in einer gemäß Artikel 91e Grundgesetz nunmehr verfassungsrechtlich ausdrücklich zugelassenen Form der Mischverwaltung. Diese Regelung hat der Verfassungsgesetzgeber im Jahre 2010 ins Grundgesetz eingefügt,116 nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2007 die Arbeitsgemeinschaften zur Erbringung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 44b Sozialgesetzbuch II a. F. für verfassungswidrig erklärt hatte.117 Der Verfassungsgesetzgeber hat mit Artikel 91e Grundgesetz das seit 2005 bestehende, zunächst nur einfachgesetzlich eingeführte System gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung der Bundesagentur für Arbeit und der Kommunen beibehalten und verfassungsrechtlich abgesichert.118 Er hat so die Zusammenführung der beiden grundlegenden sozialen Transfersysteme für Erwerbsfähige – die Arbeitslosenhilfe des Bundes und die Sozialhilfe der Kommunen – in einem integrierten Instrument der Grundsicherung festgeschrieben und zugleich die gemeinsame Aufgabenerledigung durch eine neue Form der Mischverwaltung nicht nur 113 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende, Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2003 S. 2954) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I 2011 S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 (BGBl. I 2012 S. 2781) geändert worden ist. 114 Gemeinhin als „Hartz IV“ bezeichnet. 115 Vollzug durch den Bund bzw. durch die Länder als eigene Angelegenheit oder im Auftrag des Bundes. 116 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 91e) vom 21. Juli 2010, BGBl. I 2010 S. 944. 117 BVerfGE 119, 331; das Gericht hatte dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, bis zum 31. Dezember 2010 einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen, BVerfGE 119, 331 (383). 118 Sieht man einmal von der in der Literatur aufgeworfenen Frage ab, ob Art. 91e GG nicht selbst verfassungswidrig sei; hierzu Georg Hermes, in: Dreier (Fn. 11), Art. 91e GG Rn. 20, 42; zu verfassungspolitischen Bedenken gegen die Neuregelung vgl. Helmut Siekmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 91e GG Rn. 27 ff., der von einem „schludrigen Umgang“ mit der Verfassung spricht und die nunmehr gefundene verfassungsrechtliche Lösung zur Erreichung des eigentlichen Reformziels („Leistungen aus einer Hand“) auch nicht für geboten hält.

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verfassungsrechtlich ermöglicht, sondern als Regelfall angeordnet (obligatorische Mischverwaltung).119 Zugleich hat der Verfassungsgesetzgeber mit Artikel 91e Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz die bislang schon seit 2005 einfachgesetzlich bestehende Möglichkeit legitimiert, einer begrenzten Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden die alleinige Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu übertragen. Der einfache Gesetzgeber hat seinen Gesetzgebungsauftrag aus Artikel 91e Absatz 3 Grundgesetz mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010120 umgesetzt und das Sozialgesetzbuch II entsprechend angepasst. Die früheren Arbeitsgemeinschaften, die nunmehr als „Gemeinsame Einrichtung“ (§ 44b Sozialgesetzbuch II) bezeichnet werden und wie bislang unter dem Titel „Jobcenter“121 firmieren, vollziehen die Leistungen zur Grundsicherung der Regelvorgabe des Artikels 91e Absatz 1 Grundgesetz entsprechend „aus einer Hand“, sind dabei weder Verwaltung des Bundes noch Verwaltung der Länder (oder Kommunen), sondern „gemeinsame Einrichtungen“ und als solche Mischverwaltung. Sie setzen sich zusammen aus den beiden Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Bundesagentur für Arbeit und den kreisfreien Städten und Kreisen.122 Zudem ist es einer „begrenzten Anzahl“123 kommunaler Gebietskörperschaften auf Antrag gestattet, die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende alleine, also ohne die Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit wahrzunehmen. Die Gesamtzahl dieser auch als Optionskommunen bezeichneten „zugelassenen kommunalen Träger“ (§ 6a Sozialgesetzbuch II) ist auf maximal ein Viertel der Grundsicherungsstellen begrenzt.124 Damit ergibt sich bei der Ausführung des Sozialgesetzbuch II als Leistungsgesetz des Bundes folgende Zweiteilung: Überwiegend führen die Gemeinsamen Einrichtungen (§ 44b Sozialgesetzbuch II) das Gesetz in der Form der Mischverwaltung durch. Soweit die Durchführung der Grundsicherung bei einem zugelassenen kommunalen Träger liegt, führt dieser das Gesetz in alleiniger (kommunaler) Verwaltung aus. Nach außen tritt die Grundsicherungsstelle unabhängig von ihrer jeweils inneren Struktur einheitlich als „Jobcenter“ auf.125 Während damit die „Leistungsgewährung aus einer Hand“ als wesentliches Reformziel organisatorisch – jedenfalls von 119 Helmut Siekmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 91e GG Rn. 12; Georg Hermes, in: Dreier (Fn. 11), Art. 91e GG Rn. 7 ff. 120 BGBl. I 2010 S. 1112. 121 Vgl. § 6d SGB II. 122 §§ 6 Abs. 1 i. V. m. 44b Abs. 1 SGB II. 123 So die Formulierung in Art. 91e Abs. 2 S. 1 GG. 124 Gemäß § 6a Abs. 2 S. 4 SGB II; Referenzwert ist die Gesamtzahl der zum 31. Dezember 2010 bestehenden Aufgabenträger. 125 Vgl. § 6d SGB II.

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außen betrachtet – vollzogen ist, bleibt ihre Finanzierung im Grundsatz zweigeteilt, mit einem ganz wesentlichen Schwerpunkt der Lastentragung beim Bund und partieller Mischfinanzierung einzelner kommunaler Leistungspositionen. bb) Finanzierung Die grundlegende Finanzierungsvorschrift bildet § 46 Sozialgesetzbuch II. In seinen Absätzen 1 bis 3 regelt er die Finanzierungszuständigkeit des Bundes für die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten,126 soweit die gemeinsamen Einrichtungen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Sozialgesetzbuch II wahrnehmen.127 Damit umfasst die Bundesfinanzierung grundsätzlich alle Leistungen, soweit nicht die Kreise und kreisfreien Städte gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 Sozialgesetzbuch II in den dort enumerativ aufgeführten Feldern ausnahmsweise Träger der Leistung sind.128 Soweit die Kommunen nach dieser Vorschrift Träger der Leistung sind, bedeutet dies andererseits nicht, dass sie in diesen Bereichen die Leistungen auch immer vollständig selbst tragen. So beteiligt sich der Bund z. B. an den Leistungen für Unterkunft und Heizung mittels einer teilweisen129 oder bei den Leistungen für Bildung und Teilhabe mit einer vollständigen130 Erstattung der von den kommunalen Trägern getätigten Ausgaben. Damit trägt der Bund die Finanzverantwortung nicht nur für die wesentli126 Der Anteil des Bundes an den Gesamtverwaltungskosten der gemeinsamen Einrichtungen beträgt nach § 46 Abs. 3 S. 1 SGB II 84,8 %; zu den Einzelheiten vgl. Robert Knapp, in: Schlegel / Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB II, 3. Aufl., Saarbrücken 2012, § 46 SGB II Rn. 41 ff. 127 Den gemeinsamen Einrichtungen kommt lediglich die Wahrnehmungskompetenz zu, d. h., sie führen die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit und des jeweiligen kommunalen Trägers für diese aus, ohne selbst Träger dieser Leistungen zu werden (vgl. § 44b Abs. 1 S. 2 SGB II); die Verantwortung für die Leistungserbringung verbleibt beim jeweiligen Träger (§ 44b Abs. 3 S. 1 SGB II). 128 Zu den kommunalen Leistungen zählen z. B. die kommunalen Eingliederungshilfen nach § 16a SGB II (z. B. Suchtberatung, psychosoziale Betreuung etc.), der Bedarf für Unterkunft und Heizung oder Erstausstattung für die Wohnung sowie bei Schwangerschaft und Geburt (§ 27 Abs. 3 SGB II) oder die Leistungen für Bildung und Teilhabe (§ 28 SGB II). 129 § 46 Abs. 8 S. 1 i. V. m. Abs. 1 SGB II; der Beteiligungssatz liegt gem. § 46 Abs. 5 S. 1 SGB II in Baden-Württemberg bei 34,4 % (ab 2014 bei 31,6 %), in Rheinland-Pfalz bei 40,4 % (ab 2014 bei 37,6 %) und in den übrigen Ländern bei 30,4 % (ab 2014 bei 27,6 %) der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II. 130 § 46 Abs. 6 S. 2 i. V. m. Abs. 8 SGB II.

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chen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit,131 sondern insbesondere auch für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts im Rahmen des Arbeitslosengelds II und des Sozialgelds sowie einen nennenswerten Anteil der kommunalen Leistungen in den genannten Bereichen. Die Finanzierungsverantwortung des Bundes gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die Aufgaben von den gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b Sozialgesetzbuch II oder einem zugelassenen kommunalen Träger132 wahrgenommen werden.133 Für die externe Finanzkontrolle des Bundes und der Länder ergibt sich hieraus im Bereich des Sozialgesetzbuchs II folgende Prüfungsund Erhebungsarchitektur. cc) Externe Finanzkontrolle Der Bundesrechnungshof prüft gemäß § 46 Absatz 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch II die Leistungsgewährung. Dies gilt, soweit die Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit bzw. ihren Arbeitsagenturen erbracht werden, als auch dann, wenn die Aufgaben von gemeinsamen Einrichtungen wahrgenommen werden (§ 46 Absatz 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch II). Diese Regelungen dienen der „Klarstellung und Sicherung des Prüfungsrechts“ des Bundesrechnungshofs.134 Denn unabhängig von der in ihrem Kern deklaratorischen, spezifischen Regelung in § 46 Absatz 1 Satz 2 und 3 Sozialgesetzbuch II besteht das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes bereits aufgrund der allgemeinen haushaltsrechtlichen Vorschriften.135 Bezüglich der Bundesagentur und ihrer Einrichtungen ergibt sich dies unmittelbar aus § 111 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung in Verbindung mit §§ 89 ff. Bundeshaushaltsordnung. Im Übrigen kann der Bundesrechnungshof die Aufgabenerfüllung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales prüfen (Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz i. V. m. §§ 88 ff. Bundeshaushaltsordnung) und hierzu gemäß § 91 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung bei 131 Gemäß Kapitel 3, Abschnitt 1 des SGB II (§§ 14–18e) mit Ausnahme von § 16a SGB II (Kommunale Eingliederungsleistungen). 132 Vgl. § 6b Abs. 2 SGB II, der die allg. Finanzierungsregelung (§ 46 SGB II) auf den Bereich der zugelassenen kommunalen Träger überträgt mit der Folge, dass der Bund auch hier die Finanzierung der Leistungen der Grundsicherung einschließlich der Verwaltungskosten zum überwiegenden Teil übernimmt. 133 Zum vielschichtigen und verwobenen Bild der Leistungs- und Finanzierungszuständigkeiten und der Aufsicht in Abhängigkeit von der Organisationsform und dem Aufgabenkreis vgl. Übersicht bei Robert Knapp, in: jurisPK-SGB II (Fn. 126), § 44b SGB II Rn. 119. 134 So die Begründung zum Gesetzentwurf, vgl. BT-Drs. 15 / 2816, S. 13. 135 Vgl. Stephan Thie, in: Münder (Hrsg.), Sozialgesetzbuch II, 4. Aufl., BadenBaden 2011, § 46 SGB II Rn. 15.

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der Bundesagentur und ihren Arbeitsagenturen in den gemeinsamen Einrichtungen erheben. Damit bestehen für den Bundesrechnungshof uneingeschränkte Prüfungs- bzw. Erhebungsrechte, soweit die gemeinsamen Einrichtungen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Sozialgesetzbuch II wahrnehmen.136 Zum Prüfungs- bzw. Erhebungsumfang gehört die Leistungsgewährung als solche, insbesondere auch der Gesetzesvollzug in der einzelnen Fallbearbeitung. Dies beinhaltet die Überprüfung der sparsamen, wirtschaftlichen sowie materiell und formell ordnungsgemäßen Verwendung der Bundesmittel; Prüfungsmaßstäbe sind die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung. Die Befugnisse des Bundesrechnungshofes schließen dabei die mit der originären Aufgabenerfüllung einhergehenden Verwaltungstätigkeiten mit ein, da sich diese in den gemeinsamen Einrichtungen aufgrund der personellen und sachlichen Verflechtung zum einen – mischverwaltungstypisch – nicht klar den jeweiligen Trägern zuordnen lassen und der Bund zudem den Großteil der Gesamtverwaltungskosten zu tragen hat.137 Soweit die kreisfreien Städte und Kreise Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Sozialgesetzbuch II sind und diese unter dem Dach der gemeinsamen Einrichtung wahrnehmen, sieht § 46 Absatz 1 Sozialgesetzbuch II kein spezifisches Prüfungs- bzw. Erhebungsrecht für den Bundesrechnungshof vor. Allerdings gelten auch hier die allgemeinen Vorschriften zu den Prüfungs- und Erhebungsrechten weiter, da der Gesetzgeber mit seinen Regelungen zur externen Finanzkontrolle des Bundes in § 46 Absatz 1 Satz 2, 3 Sozialgesetzbuch II keine die allgemeinen Regelungen exkludierende Spezialvorschrift geschaffen hat.138 Daraus folgt, dass jedenfalls bei denjenigen Leistungen in kommunaler Trägerschaft, die nicht in alleiniger Finanzverantwortung derselben stehen, sondern vom Bund finanziell (mit)getragen werden, ein erhebender Zugriff des Bundesrechnungshofes möglich ist, und zwar unabhängig davon, ob die Aufgaben des kommunalen Trägers von der gemeinsamen Einrichtung wahrgenommen werden oder ausnahmsweise in zugelassener kommunaler Trägerschaft als Optionskommune gemäß § 6b Sozialgesetzbuch II. Von diesem erhebenden Zugriff der externen Finanzkontrolle des Bundes erfasst sind insbesondere die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 Sozialgesetzbuch II, da diese der Bund – obgleich die Kreise und kreisfreien Städte gemäß § 6 Absatz 1 136 Zutreffend Robert Knapp, in: jurisPK-SGB II (Fn. 126), § 46 SGB II Rn. 57; ebenso Thomas Voelzke, in: Hauck / Noftz / Voelzke (Hrsg.), Sozialgesetzbuch II, Berlin Loseblatt Stand: Juni 2011, § 46 SGB II Rn. 19; Dagmar Oppermann, in: Eicher / Spellbrink, Sozialgesetzbuch II, 2. Aufl., München 2008, § 46 SGB II Rn. 11. 137 Vgl. Robert Knapp, in: jurisPK-SGB II (Fn. 126), § 46 SGB II Rn. 57. 138 Die Regelungen sollen der Klarstellung und Sicherung des Prüfungsrechts dienen; vgl. BT-Drs. 15 / 2816, S. 13.

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Satz 1 Nummer 2 Sozialgesetzbuch II Träger dieser Leistungen sind – zu einem nicht unerheblichen Teil mitfinanziert (§ 46 Absatz 5 bis 8 Sozialgesetzbuch II).139 Unbehelligt vom Zugriff der externen Finanzkontrolle des Bundes bleiben demnach nur diejenigen Leistungen in Ausführung des Sozialgesetzbuch II, die der kommunale Träger vollständig selbst finanziert und ausführt, z. B. die kommunalen Eingliederungsleistungen nach § 16a Sozialgesetzbuch II. Hier sind allerdings – je nach landesrechtlicher Regelung140 – Prüfungen durch die Landesrechnungshöfe möglich. Die dargelegte Grundsystematik der Prüfungs- und Erhebungsrechte erstreckt sich auch auf den Bereich der zugelassenen kommunalen Träger. Die Optionskommunen nehmen – neben den eigenen kommunalen Aufgaben – gemäß § 6b Absatz 1 Sozialgesetzbuch II auch die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit wahr. Die Finanzierungsverantwortung des Bundes bleibt hiervon jedoch unberührt; der Bund trägt auch im Falle der Aufgabenerfüllung durch die Optionskommunen die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten (§ 6b Absatz 2 Sozialgesetzbuch II). Soweit die Optionskommune kommunale Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Sozialgesetzbuch II erbringt, bleibt die finanzielle Beteiligung des Bundes ebenfalls in dem Umfang erhalten, wie sie im Falle der Aufgabenerledigung durch die gemeinsamen Einrichtungen besteht. Daraus folgt, dass der Bundesrechnungshof auch hier entsprechend dem oben Gesagten Erhebungen durchführen kann. Der Gesetzgeber hat dies mit § 6b Absatz 3 Sozialgesetzbuch II ausdrücklich bestätigt.141 Die hiergegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken,142 die unter an139

Zu den länderbezogenen Beteiligungssätzen siehe Fn. 129. In fünf Ländern (Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) obliegt den Rechnungshöfen die sogenannte überörtliche Kommunalprüfung als externe Finanzkontrolle der Gemeinden (Prüfung der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit); in drei Ländern (Hessen, Niedersachsen und Thüringen) ist die Aufgabe dem Präsidenten des Rechnungshofes übertragen. In fünf Ländern (Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, NordrheinWestfalen und Saarland) werden die Kommunen überörtlich von spezifisch hierfür geschaffenen Einrichtungen geprüft (unter der Bezeichnung Gemeindeprüfungsanstalt, kommunaler Prüfungsverband o. Ä.); für die Stadtstaaten gelten naturgemäß jeweils spezifische Besonderheiten. 141 Die Vorschrift wurde bereits mit dem Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl. I 2004 S. 2014) eingeführt; sie wurde durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I 2010 S. 1112) nicht geändert. Die Regelung ist damit seit dem 6. August 2004 unverändert in Kraft. 142 Vgl. Hans-Günter Hennecke, Prüfbefugnisse des Bundes in §§ 6a ZuInvG und 6b SGB II sind nicht verfassungskonform, Der Landkreis 2011, S. 55 ff.; das Prüfungsrecht ausdrücklich bejahend hingegen Katja Meyerhoff, in: jurisPK-SGB II 140

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derem in eine kommunale Verfassungsbeschwerde gegen das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes gemäß § 6b Absatz 3 Sozialgesetzbuch II mündeten,143 überzeugen im Ergebnis nicht. Sie verkennen, dass eine Übertragung des Finanzhilfenbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts144 auf § 6b Absatz 3 Sozialgesetzbuch II nicht möglich ist. Zum einen deshalb, weil der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich nur die Grenzen der Informationsbeschaffung des Bundes gemäß § 6a des Zukunftsinvestitionsgesetzes bei der Gewährung von Finanzhilfen nach Artikel 104b Grundgesetz zum Gegenstand hatte.145 Zum anderen liegt ein wesentlicher Unterschied zur Sachlage bei den Finanzhilfen darin begründet, dass die Bundesmittel, die die Optionskommunen anstelle der Bundesagentur für Arbeit als eigentlichem Aufgabenträger an die Leistungsberechtigten auskehren, nicht in ihre (kommunale) Haushaltswirtschaft eingehen, also anders als bei den Finanzhilfen nicht an diese „hingegeben“146 werden. Vielmehr nehmen die zugelassenen kommunalen Träger (wie auch der Beschwerdeführer) am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassenund Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) teil; sie verfügen damit über einen direkten Zugriff auf Haushaltsmittel des Bundes, die sie gemäß den haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes bewirtschaften, soweit in Rechtsvorschriften des Bundes147 oder in Vereinbarungen des Bundes mit den zugelassenen kommunalen Trägern nicht etwas anderes bestimmt ist (§ 6b Absatz 2a Sozialgesetzbuch II). Ein die verfassungsrechtlichen Autonomiegrenzen der Kommunen sprengender Eingriff in deren eigenständige Haushaltswirtschaft ist durch die über § 6b Absatz 3 Sozialgesetzbuch II (deklaratorisch) vermittelte Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes, die sich im Hinblick auf die zugelassenen kommunalen Träger im Übrigen nur als informatorische Erhebungshandlung vollzieht, von daher nicht zu (Fn. 126), § 6b SGB II Rn. 22; Ernst-Wilhelm Luthe, in: Hauck / Noftz / Voelzke (Fn. 136), Stand: November 2011, § 6b SGB II Rn. 8; Johannes Münder, in: Münder (Hrsg.), Sozialgesetzbuch II, 4. Aufl., Baden-Baden 2011, § 6b SGB II Rn. 7. 143 Von den insgesamt 16 Kreisen, die gegen ausgewählte Bestimmungen in §§ 6a und 6b SBG II vor dem Bundesverfassungsgericht am 1. August 2011 Verfassungsbeschwerde erhoben haben, hat sich nur ein Beschwerdeführer gegen die in § 6b Abs. 3 SGB II geregelte Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes gewandt. Das Verfahren wird beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 2 BvR 1641 / 11 geführt; eine Entscheidung lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor. 144 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010. 145 Vgl. hierzu bereits oben Abschnitt IV.3.a). 146 Vgl. BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010, Absatz-Nr. 153. 147 So hat die Bundesregierung z. B. mit der Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift (KoA-VV) vom 25. April 2008 auf der Grundlage von Art. 84 Abs. 2 GG einheitliche Maßstäbe für die Mittelbewirtschaftung im HKR-Verfahren und die Rechnungslegung durch die zugelassenen kommunalen Träger festgelegt.

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gewärtigen. Vielmehr wird mit § 6b Absatz 3 Sozialgesetzbuch II in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise sichergestellt, dass die externe Prüfung der Leistungsgewährung unabhängig von der Durchführungsform, sei es durch kommunale Träger oder (originär) durch die Bundesagentur (unter dem Dach der gemeinsamen Einrichtung), nach einheitlichen Maßstäben und Kriterien erfolgen kann.148 Inwieweit darüber hinaus die Landesrechnungshöfe die Aufgabenwahrnehmung durch die Optionskommunen prüfen können, hängt – wie bei der kommunalen Aufgabenerfüllung unter dem Dach der gemeinsamen Einrichtungen – vom jeweiligen Landesrecht ab.149 Auf der Grundlage der skizzierten Prüfungs- und Erhebungsrechte hat der Bundesrechnungshof seit Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zahlreiche Prüfungen durchgeführt und hierüber neben den geprüften Stellen in besonderen und übergreifend bedeutsamen Fällen auch den Deutschen Bundestag, den Bundesrat und die Bundesregierung unterrichtet.150

148 Ohne verfassungsrechtliche Problematisierung das „Prüfungsrecht“ des Bundesrechnungshofes mit dieser Zielrichtung bejahend Katja Meyerhoff, in: jurisPKSGB II (Fn. 126), § 6b SGB II Rn. 22; Ernst-Wilhelm Luthe, in: Hauck / Noftz / Voelzke (Fn. 136), Stand: November 2011, § 6b SGB II Rn. 8; Johannes Münder, in: Münder (Fn. 142), § 6b SGB II Rn. 7. 149 Vgl. hierzu Fn. 140. Unbeschadet der Frage der rechtlichen Zugriffsmöglichkeit auf die Kommunen dürfte das Prüfungsinteresse der Landesrechnungshöfe im Bereich des SGB II generell nicht stark ausgeprägt sein, da die Finanzierung der Leistungen zum Großteil vom Bund und im Übrigen von den Kommunen übernommen wird. Diese Annahme ergibt sich jedenfalls aus der Analyse der veröffentlichten Prüfungsergebnisse der Landesrechnungshöfe in ihren jeweiligen Jahresberichten. 150 Siehe hierzu Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2006, BT-Drs. 16 / 3200, Nr. 3 („Schwachstellen bei Hartz IV beseitigen und Vollzug verbessern“); ders., Bemerkungen 2007, BT-Drs. 16 / 7100, Nr. 18 („Grundsicherungsstellen gewährten Einstiegsgeld nach unterschiedlichen Maßstäben und zahlten es vielfach ohne Anspruch der Empfänger aus“); ders., Bericht nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. Dezember 2007 über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende – Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, BT-Drs. 16 / 7570; ders., Bemerkungen 2009 – weitere Prüfungsergebnisse, BT-Drs. 17 / 1300, Nr. 5 („Land Berlin gewährt gesetzeswidrig Leistungen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende“); ders., Bemerkungen 2010, BT-Drs. 17 / 3650, Nr. 46 („Bundesagentur für Arbeit regelt das Verfahren ihrer Grundsicherungsstellen gegen Leistungsmissbrauch“); ders., Bericht nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung vom 17. Juli 2012 über den Vollzugsaufwand bei der Gewährung von Unterhaltsvorschuss und Wohngeld an Kinder mit Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, BT-Drs. 17 / 10322.

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4. Finanzhilfen a) Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz a. F. Einen seit jeher umkämpften Prüfungsbereich bilden die Finanzhilfen des Bundes an die Länder. Von ihrem Wesen her sind sie eine Form der Mischfinanzierung, bei der es dem Bund kraft grundgesetzlicher Ermächtigung gestattet ist, unter bestimmten Voraussetzungen und für bestimmte Zwecke ausnahmsweise Aufgaben der Länder mitzufinanzieren. Die ursprüngliche, mit der Reform der Finanzverfassung im Jahre 1969 in das Grundgesetz eingefügte Vorgängerregelung zu den Finanzhilfen, Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz a. F., sah vor, dass der Bund den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewähren kann, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind.151 Von seiner Ermächtigung, das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, zu regeln, machte der Bundesgesetzgeber in der Folge mit diversen Fördergesetzen Gebrauch. So kofinanzierte der Bund über einen langen Zeitraum die Städte- und Wohnungsbauförderung der Länder.152 Weitere Investitionsbereiche traten hinzu, wie z. B. die Förderung der Verkehrsinfrastruktur,153 Investitionshilfen für den Aufbau Ost154 oder 151 Mit der Einführung von Art. 104a Abs. 4 GG a. F. sollte die zuvor ungeregelte und deshalb umstrittene Praxis des Bundes, genuine Aufgabenbereiche der Länder durch direkte finanzielle Hilfen zu fördern und damit über eine Politik des goldenen Zügels mitzuregieren, auf klare rechtliche Grundlagen gestellt werden; vgl. hierzu Hans-Günter Henneke, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juli 2010, Art. 104b GG Rn. 1. 152 Zur Förderpraxis in diesen Bereichen vgl. Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern: Mischfinanzierungen nach Art. 91a, 91b und 104a Abs. 4 Grundgesetz, Stuttgart 2002, S. 79 ff. 153 Mit dem auf Art. 104a Abs. 4 S. 2 GG a. F. basierenden Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (GVFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 (BGBl. I 1988 S. 100), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 5. April 2011 (BGBl. I 2011 S. 554), fördert der Bund über die Länder den kommunalen Straßenbau und den öffentlichen Personennahverkehr mit bis zu 1,67 Mrd. Euro jährlich. 154 Mit dem Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums in den neuen Ländern (Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost) vom 23. Juni 1993 (BGBl. I 1993 S. 944, 982), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001 S. 3955), gewährte der Bund den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für die Dauer von 4 Jahren Finanzhilfen in Höhe von jährlich insgesamt 6,6 Mrd. DM für Investitionen zur Ver-

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die Förderung der Bildungsinfrastruktur (Ganztagsschulen).155 Im Hinblick auf die Prüfungs- und Erhebungsrechte der externen Finanzkontrolle hat das Bundesverfassungsgericht in einem frühen Urteil156 zu Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz a. F. entschieden, die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes aus Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz a. F. berechtige den Bundesrechnungshof nicht, Erhebungen bei den Ländern zur Verwendung der Finanzhilfen durchzuführen. Das Prüfungsrecht reiche nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen an die Länder.157 Daher, so die dem Bundesverfassungsgericht folgende herrschende Lehre,158 greife die Erhebungskompetenz allenfalls bis auf die Ebene der obersten Landesbehörden durch. Die externe Finanzkontrolle des administrativen Vollzugs der Bundesfinanzhilfen durch die jeweils zuständigen Landesbehörden (unterhalb der Ministerialebene) obliege dagegen allein dem jeweiligen Landesrechnungshof.159 Trotz dieser den Erhebungszugriff einschränkenden Lesart des Bundesverfassungsgerichts gelang es dem Bundesrechnungshof, bedeutsame Prüfungserkenntnisse zu den verschiedenen Bereichen der Finanzhilfen zu gewinnen und diese nicht nur gegenüber den jeweils geprüften exekutiven Stellen des Bundes,160 sondern besserung der wirtschaftlichen Infrastruktur (z. B. Umweltschutz, Energie- und Trinkwasserversorgung, Fremdenverkehr), zur Förderung des Wohnungs- und Städtebaus, zur Aus- und Weiterbildung sowie zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung. 155 Über das Investitionsprogramm Zukunft, Bildung und Betreuung (IZBB) stellte der Bund den Ländern für die Jahre 2003 bis 2007 Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 4 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Finanzhilfen wurden gem. Art. 104a Abs. 4 S. 2 Alt. 2 GG a. F. durch Bundeshaushaltsgesetz und dazu geschlossener Verwaltungsvereinbarung zur Verfügung gestellt. Ziel war es, im Nachhall zu den schlechten Ergebnissen der PISA-Studie mindestens 10.000 zusätzliche Ganztagsschulen in den Ländern zu schaffen. 156 Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. März 1975, BVerfGE 39, 96. Gegenstand der Entscheidung waren Regelungen des Städtebauförderungsgesetzes (§§ 71, 72), die das Gericht dahingehend verfassungskonform auslegte, als es dem Bund eine aus diesen Regelungen abgeleitete „Programmkompetenz“ bzw. eine „Negativ-Entscheidungskompetenz“ verwehrte, BVerfGE 39, 96 (126). 157 BVerfGE 39, 96 (127). 158 Siehe etwa Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Fn. 14), Art. 114 GG Rn. 12d; Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Oktober 2008, Art. 114 GG Rn. 92; Andreas Nebel, in: Piduch (Fn. 46), Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 23 f.; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 32), Art. 114 GG Rn. 58; Kyrill-A. Schwarz, Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Länder und Kommunen, NdsVBl. 2010, S. 7 f. 159 BVerfGE 39, 96 (127). 160 Etwa Bundesrechnungshof, Bericht an das Bundesministerium für Bildung und Forschung nach § 88 Abs. 2 BHO vom 6. April 2006 über die Ausgaben des BMBF für das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ – Ganz-

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auch gegenüber dem Parlament als Entscheidungs- und Beschlussorgan zu kommunizieren.161 Dabei stützte sich der Bundesrechnungshof zum Teil in erheblichem Umfang auf Prüfungserkenntnisse der Landesrechnungshöfe, deren Prüfungs- und Erhebungsmandat im Bereich der Finanzhilfen zwar einerseits naturgemäß räumlich beschränkt war (jeder Landesrechnungshof prüft „nur“ in seinem Land), andererseits gegenständlich (alle Landesbehörden und gegebenenfalls Kommunen) und inhaltlich (Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einschließlich Auswahl der konkreten Fördermaßnahmen) aber breiter angelegt sein konnte.162 Im Ergebnis kam der Bundesrechnungshof auf der Grundlage seiner vielfältigen Prüfungserkenntnisse zusammenfassend zu dem Schluss, dass sich die Finanzhilfen des Bundes – wie auch die Gemeinschaftsaufgaben als weitere Form der Mischfinanzierung – in der Praxis nicht bewährt haben. Die starke Verflechtung der Aufgabenund Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern habe in diesen Bereichen mit ihren komplexen Verfahren, ihren widerstreitenden Interessen bei gleichzeitiger gegenseitiger Abhängigkeit und ihren im Ergebnis nicht klar zurechenbaren Verantwortlichkeiten zu unwirtschaftlichem staatlichen Handeln geführt.163 Diese Position hat der Bundesrechnungshof im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur Föderalismusreform I und II aufrechterhalten.164 tagsschulen und für die Begleitung des Investitionsprogramms; hierzu auch Rechnungshof Baden Württemberg, Denkschrift 2005, Bemerkung Nr. 8 („Die Verteilung der vom Bund finanzierten Mittel für Ganztagsschulen war weder problemorientiert noch sachgerecht“) sowie Hessischer Rechnungshof, Bemerkungen 2008 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Hessen, LT-Drs. 18 / 337, Nr. 10, S. 153 ff., mit kritischen Anmerkungen zur unklaren Zielsetzung des Programms und den damit einhergehenden Steuerungsdefiziten; mit der Thematik „Ganztagsschule“ befassen sich – meist und im Wesentlichen aus Sicht des Landeshaushalts und seiner spezifischen landesrechtlichen Förderprogramme – auch zahlreiche weitere Prüfungsbemerkungen der Landesrechnungshöfe. 161 Z. B. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2002, BT-Drs. 15 / 60, Tz. 118 zur Durchführung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost; ders., Bericht nach § 99 BHO vom 2. November 2004 zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) als Instrument der Mischfinanzierung von Bund und Ländern nach Artikel 104a Abs. 4 Grundgesetz. 162 Siehe den in Fn. 161 zitierten GVFG-Bericht vom 2. November 2004. 163 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2005, BT-Drs. 16 / 160, Tz. 3 („Föderale Aufgaben und Finanzverteilung neu gestalten“); zuvor bereits Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern: Mischfinanzierungen nach Art. 91a, 91b und 104a Abs. 4 Grundgesetz, Stuttgart 2002. 164 Vgl. Dieter Engels, Schriftliche Stellungnahme des Präsidenten des Bundesrechnungshofes vom 8. Mai 2006 zur Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und des Bundesrates zur Föderalismusreform, Themenkomplex „Finanzen, Haushalt und Wirtschaft“ sowie Der Präsident des Bundesrech-

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b) Föderalismusreform I Der Verfassungsgesetzgeber hat im Jahre 2006 als ein Ergebnis der Föderalismusreform I die bisherige grundgesetzliche Regelung zu den Finanzhilfen (Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz a. F.) gestrichen und durch den neuen Artikel 104b Grundgesetz ersetzt.165 Er hat damit am Instrument der Finanzhilfen grundsätzlich festgehalten, allerdings unter im Vergleich zur Vorläuferregelung restriktiveren Voraussetzungen.166 Die zwingende Koppelung, nach der Finanzhilfen nur noch zulässig sein sollten, soweit dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse zustehen, korrigierte der Verfassungsgesetzgeber im Rahmen der Föderalismusreform II jedoch bereits drei Jahre später dahingehend, dass der Bund im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, Finanzhilfen an die Länder auch ohne eigene Gesetzgebungsbefugnisse gewähren kann.167 Den Hintergrund hierfür bildete die im Herbst 2008 beginnende, weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die den Bund veranlasst hatte, mit umfassenden Maßnahmen und diversen Konjunkturpaketen zu reagieren.168 c) Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz aa) Erhebungsrecht nach § 6a Satz 4 Zukunftsinvestitionsgesetz Der erste bedeutsame Anwendungsfall der neuen Finanzhilfenregel kam mit der Finanz- und Wirtschaftskrise. Denn einen wesentlichen Baustein nungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 29), S. 33 ff. zur Föderalismusreform II. 165 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c GG) vom 28. August 2006 (BGBl. I 2006 S. 2034); zum Inhalt der Neuregelung und zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens Hermann Butzer, in: Kluth (Hrsg.), Föderalismusreformgesetz, Baden-Baden 2007, Art. 104b GG Rn. 1 ff. 166 Für die nach altem Verfassungsrecht geschaffenen und noch laufenden Finanzhilfen hat der Reformgesetzgeber mit Art. 125c Abs. 2 GG Übergangsregelungen geschaffen; vgl. hierzu Hans D. Jarass, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, 12. Aufl., München 2012, Art. 125c GG Rn. 2 ff.; zu den Folgen der Neuregelung für die Städtebauförderung siehe Ulrich Battis / Benjamin Klein / Benjamin Rusteberg, Die Auswirkungen des neuen Art. 104b GG auf die Städtebauförderung, DVBl. 2009, S. 682. 167 Art. 104b GG Abs. 1 S. 2 GG, eingefügt mit Wirkung vom 1. August 2009 durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d GG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I 2009 S. 2248). 168 Zur diesbezüglichen Motivationslage vgl. Helmut Siekmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 104b GG Rn. 3 f.; Werner Heun, in: Dreier (Fn. 11), Art. 104b GG Rn. 8a.

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des sogenannten Konjunkturpakets II169 bildete das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (Zukunftsinvestitionsgesetz),170 mit dem der Bund gemäß Artikel 104b Grundgesetz Finanzhilfen in Höhe von 10 Mrd. Euro für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden gewährte.171 Hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber mit § 6a Satz 3 Zukunftsinvestitionsgesetz dem Bundesrechnungshof ausdrücklich das Recht zuerkannte, gemeinsam im Sinne von § 93 Bundeshaushaltsordnung mit dem jeweiligen Rechnungshof zu prüfen, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet werden. Dazu, so § 6a Satz 4 Zukunftsinvestitionsgesetz weiter, könne der Bundesrechnungshof auch Erhebungen bei Ländern und Kommunen durchführen. Vor diesem neuen gesetzlichen Hintergrund kamen die Rechnungshöfe von Bund und Ländern bereits in ihrer Frühjahrskonferenz im Mai 2009 überein, die Maßnahmen der Konjunkturpakete zeitnah begleiten und prüfen zu wollen und sich über die Prüfungsplanungen und die Ergebnisse ihrer Prüfungen eng auszutauschen. Die Einzelheiten hierzu vereinbarten sie im Juni 2009 in einer gemeinsamen Sitzung. Das diesbezüglich in einem Protokoll niedergelegte und einvernehmlich beschlossene Verfahren legte – basierend auf dem Grundsatz der operativen Entkoppelung – insbesondere die Grundsätze zum Informationsaustausch fest,172 um dem Grundgedanken von § 93 Bundeshaushaltsordnung zu genügen und Doppelprüfungen zu vermeiden.173 Der Bundesrechnungshof begann seine Prüfung mit einem auf die kommunale Investorenebene bezogenen Flächenansatz, der zum Ziel hatte, mög169 Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009 (BGBl. I 2009 S. 416); mit dem Artikelgesetz wurden neben den über den Investitions- und Tilgungsfonds (ITF) finanzierten Investitionen zur Konjunkturbelebung auch steuerliche sowie sozial- und arbeitsrechtliche Maßnahmen beschlossen. 170 Als Art. 7 des Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2. März 2009 beschlossen (BGBl. I 2009 S. 416, 428), am 6. März 2009 in Kraft getreten und zuletzt geändert durch Artikel 3b des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I 2010 S. 671). 171 Gemäß § 3 ZuInvG konnten Investitionen mit Schwerpunkt Bildungsinfrastruktur (u. a. energetische Sanierung von Schulen und Hochschulen, Forschung etc.) und Vorhaben der allgemeinen Infrastruktur (Krankenhäuser, Städtebau, ländliche Infrastruktur, Informationstechnologie etc.) gefördert werden. Außerdem mussten die geförderten Vorhaben zusätzlich sein (§ 3 Abs. 3 ZuInvG). Die sogenannte summenbezogene Zusätzlichkeit in § 3a Abs. 2 ZuInvG hat der Gesetzgeber später durch Artikel 3b des Gesetzes vom 27. Mai 2010 (BGBl. I 2010 S. 671) wieder aus dem Gesetz gestrichen. 172 Wer unterrichtet wen, wann und worüber? Wie werden gemeinsame Erhebungen abgestimmt? 173 Hierzu Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Dezember 1999, § 93 BHO Rn. 2.

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lichst breite Erkenntnisse über die zweckentsprechende Verwendung der Finanzhilfen174 des Bundes zu gewinnen und diese begleitend zum laufenden Wirkbetrieb des Investitionsprogramms an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zu berichten, um diesem die Möglichkeit zu geben, kurzfristig über einen eventuell notwendigen Nachsteuerungsbedarf zu entscheiden.175 Geprüfte Stelle blieb dabei allein das Bundesministerium der Finanzen als das für die Finanzhilfen verantwortliche Bundesressort. Die Kommunen waren lediglich Erhebungsstellen nach § 6a Satz 4 Zukunftsinvestitionsgesetz; die zuständigen obersten Landesbehörden wurden über die geplanten Erhebungen jeweils gesondert unterrichtet. Einen ersten Bericht zum Stand der Umsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes durch die Länder übersandte der Bundesrechnungshof bereits im August 2009 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.176 Allerdings regte sich seitens der Länder von Beginn an erheblicher Widerstand gegen § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz und die damit verbundenen (neuen) Möglichkeiten für die externe Finanzkontrolle des Bundes, ihren Blick auf den Vollzug der Finanzhilfen vor Ort zu werfen. So fasste der Bundesrat bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Konjunkturpaket II eine Entschließung, in der er das in § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz verankerte Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Finanzhilfen aus dem Jahre 1975177 als verfassungswidrig bezeichnete und eine Korrektur des Gesetzes „bei nächster Gelegenheit“ forderte.178 Dem Gesetz insgesamt, und damit auch § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz, stimmte er gleichwohl in derselben Sitzung zu.179 Im Weiteren beantragten sechs Länder im Wege der abstrak174 Neben der Zulässigkeit der Förderbereiche gem. § 3 ZuInvG waren insbesondere die gesetzlichen Vorgaben zur Zusätzlichkeit und Nachhaltigkeit, zum Verbot der Doppelförderung und zur Schnelligkeit (§ 1 Abs. 2 ZuInvG) relevante Prüfkriterien. 175 Dieser Ansatz wurde insbesondere deshalb gewählt, weil das in § 6a ZuInvG verankerte Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes ein zentrales Anliegen des Haushaltsausschusses im Gesetzgebungsverfahren zum Konjunkturpaket II gewesen und u. a. mit dem Hinweis darauf gefordert worden war, dass nur der Bundesrechnungshof bundesweit nach einheitlichen Kriterien die zweckentsprechende Verwendung der den Ländern (und über die Ländern deren Kommunen) gewährten Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz prüfen und den Deutschen Bundestag entsprechend unterrichten könne. 176 Bericht vom 20. August 2009 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über den Stand der Umsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes (Erster Statusbericht), HHA-Drs. 16 (8) 6098. 177 Vgl. oben Abschnitt IV.4.a). 178 Entschließung des Bundesrats vom 20. Februar 2009, BR-Drs. 120 / 09 (Beschluss), Teil B, Nr. 1b. 179 Vgl. BR-Drs. 120 / 09 (Beschluss), Teil A.

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ten Normenkontrolle die Überprüfung von § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht.180 Bis zu der hierzu durch Beschluss ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2010181 führte der Bundesrechnungshof seine Erhebungen auf der kommunalen Investorenebene fort und unterrichtete den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mehrfach über seine Erhebungserkenntnisse.182 Dem Bundesministerium der Finanzen als geprüfter Stelle teilte er seine Prüfungsergebnisse ebenfalls zeitnah mit.183 Zudem unterrichtete er unabhängig von den Ergebnissen der querschnittlich durchgeführten örtlichen Erhebungen bei den Kommunen das Parlament über Hemmnisse für die konjunkturelle Wirksamkeit kommunaler Investitionen bei den Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz und weiterer über den Investitions- und Tilgungsfonds finanzierter Investitionen zur Konjunkturbelebung.184 bb) Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz Als Folge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2010185 richtete der Bundesrechnungshof seine Prüfung der Finanzhilfen neu aus. Seine repräsentative Querschnittsprüfung auf kommunaler 180 Den Normenkontrollantrag vom 3. November 2009 stellten die Länder BadenWürttemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen. Er war darauf gerichtet festzustellen, dass § 6a Satz 1, Satz 3 und Satz 4 ZuInvG mit Art. 114 Abs. 2, Art. 109 Abs. 1, Art. 104b Abs. 2 S. 3, Abs. 3 und Art. 83, 84 GG unvereinbar und nichtig seien. 181 BVerfG, 2 BvF 1 / 09, Beschluss vom 7. September 2010, veröffentlicht am 24. September 2010. 182 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 88 Abs. 2 BHO vom 25. Februar 2010 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages über die Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz (Zweiter Statusbericht), HHA-Drs. 17 / 1012; ders., Ergänzende Unterrichtung vom 19. März 2010 zum Zweiten Statusbericht an die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages; Unterrichtung an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom 7. April 2010 über den Erhebungsstand des Bundesrechnungshofes bei Kommunen nach § 6a ZuInvG, HHA-Drs. 17 / 1355; mündliche Unterrichtung des Rechnungsprüfungsausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages über den Sachstand der Prüfungen zum Konjunkturpaket II, 6. Sitzung RPA am 19. Mai 2010, TOP 3. 183 Mitteilung an das Bundesministerium der Finanzen vom 7. April 2010 über die Prüfung der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz (Erhebungsergebnisse aus dem Jahr 2009). 184 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2010 – weitere Prüfungsergebnisse, BTDrs. 17 / 5350, Nr. 1. 185 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010, Absatz Nr. 1-160.

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Ebene setzte er nicht fort.186 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte dies notwendig werden lassen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht, anders als von den klageführenden Ländern beantragt, das Erhebungsrecht des Bundesrechnungshofs nach § 6a Satz 4 Zukunftsinvestitionsgesetz nicht gänzlich für mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig erklärt. Es hat aber für die Informationsbeschaffung des Bundesrechnungshofes durch eigene Erhebungen bei den Ländern und Kommunen klare Grenzen gezogen und damit das Auswahlermessen des Bundesrechnungshofes bezüglich seiner Erhebungsstellen auf der Ebene der Länder und Kommunen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Drei Erhebungsoptionen hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, die dem Bundesrechnungshof nach wie vor verfassungskonforme Erhebungen gemäß § 6a Satz 4 ZuInG im Bereich der Länder und Kommunen ermöglichen. Zunächst, so das Gericht, könne der Bundesrechnungshof „zum Zwecke der Feststellung von Rechtsverletzungen seitens der Landesbehörden bei den obersten Landesbehörden“ Erhebungen durchführen (Erhebungsoption 1).187 Erhebungszweck müsse dabei die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes oder die Beratung des Bundesgesetzgebers sein. Bei nachgeordneten Landesbehörden sei der Bundesrechnungshof befugt zu erheben, wenn entweder die obersten Landesbehörden oder der Bundesrat zustimmten (Erhebungsoption 2). Zur Begründung seiner Auffassung verwies das Bundesverfassungsgericht auf den verwaltungsakzessorischen Ansatz.188 Und schließlich, so die dritte Erhebungsoption, sei der Bundesrechnungshof berechtigt, zum Zwecke der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Haftungsanspruchs unmittelbar bei nachgeordneten Landesbehörden und Kommunalverwaltungen örtliche Erhebungen durchzuführen, wenn aufgrund von Tatsachen ein solcher Anspruch möglich erscheine.189 Damit hat das Bundesverfassungsgericht die informatorischen „Einflugschneisen“ der externen Finanzkontrolle des Bundes in die Hoheitsräume der Länder und Kommunen hinein neu 186 Bis August 2010 hatte der Bundesrechnungshof bei 139 Kommunen zu insgesamt 1.070 Einzelmaßnahmen Erhebungen durchgeführt; dies entsprach einem Gesamt-Fördervolumen (Bundesanteil) von rd. 526 Mio. Euro. Das mit den Rechnungshöfen der Länder vereinbarte Verfahren zum Informationsaustausch und zur Abstimmung der Prüfungsverfahren wurde auch nach Umstellung des Prüfungsansatzes unverändert beibehalten und fortgeführt. 187 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010, Absatz-Nr. 150. 188 Vgl. BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010, Absatz-Nr. 131, 149, 150; diesem folgend hat es im Wortlaut seiner Entscheidung das „Zustimmungsmodell“ aus Art. 84 Abs. 3 S. 2 GG übernommen, nach dem auch die Bundesregierung im Wege der Aufsicht zu nachgeordneten Landesbehörden nur dann vordringen kann, wenn entweder das Land selbst über seine oberste Landesbehörde dem zustimmt oder diese Zustimmung durch einen entsprechenden Beschluss des Bundesrates ersetzt wird. 189 BVerfG, 2 BvF 1 / 09 vom 7. September 2010, Absatz-Nr. 152, 157.

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definiert und im Vergleich zu seiner Entscheidung aus dem Jahre 1975 für den Bereich der Finanzhilfen weiterentwickelt.190 Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ein freies Erhebungsermessen des Bundesrechnungshofes nicht zugelassen. Es hat mit seiner Entscheidung aber neue Korridore für Erhebungen eröffnet, die über die „Hingabe der Finanzmittel der Länder“191 hinausgehen und bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen den Erhebungsradius des Bundesrechnungshofes in der Praxis erheblich erweitern. Der Bundesrechnungshof hat in der Folge des Beschlusses vom 7. September 2010 von allen drei Erhebungsoptionen Gebrauch gemacht. Zunächst führte er zum einen seine Prüfung beim Bundesministerium der Finanzen fort.192 Zum anderen begann er mit Erhebungen bei obersten Landesbehörden. Bis zum Abschluss seiner Prüfung der Finanzhilfen erhob der Bundesrechnungshof auf diese Weise in insgesamt neun Ländern193 bei obersten Landesbehörden, mit deren Zustimmung teilweise auch bei deren nachgeordneten Landesbehörden. Zudem verfolgte der Bundesrechnungshof drei Verdachtsfälle im Hinblick auf mögliche Haftungsansprüche des Bundes und erhob hierzu örtlich bei zwei Kommunen.194 Seine Erhebungsergebnisse übermittelte er in diversen „Länderberichten“ dem Bundesministerium der Finanzen mit der Aufforderung, diese im Rahmen seiner exekutiven Aufsichts- und Verantwortungskompetenz gegenüber den Ländern weiter zu verfolgen. Ebenso verfuhr der Bundesrechnungshof mit den beiden Kommunalfällen.195 Dem Bundesrechnungshof ist es damit gelungen, auch nach 190 Nicht gefolgt werden kann deshalb der teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung, die dem Bundesrechnungshof über § 6a ZuInvG eingeräumten Kontrollbefugnisse seien durch den ZuInvG-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt worden; so aber Kyrill-A. Schwarz, Finanzkontrolle im föderalen Mehrebenensystem, DVBl. 2011, S. 135 (136); zutreffend dagegen Hans-Günter Henneke, Finanzkontrolle im föderativen Staat, DÖV 2011, S. 417 (422), der allerdings im Weiteren (S. 422 ff.) den unzutreffenden Schluss zieht, der Beschluss zu § 6a ZuInvG sei auf § 6b Abs. 2 S. 1 SGB II übertragbar; vgl. hierzu oben Abschnitt IV.3.b.cc). 191 So die Grenze, die das Bundesverfassungsgericht in seiner „alten“ Entscheidung zu den Finanzhilfen aus dem Jahre 1975 gezogen hatte; vgl. BVerfGE 39, 96 (127). 192 Prüfungsgegenstand war die Aufgabenerfüllung durch das Bundesfinanzministerium bei der Abwicklung der Finanzhilfen nach dem ZuInvG; dabei wurden z. B. Aspekte der Rechtsaufsicht, der Informationslage, der operativen Begleitung der Umsetzung, der Verwendungsnachweisprüfung und allgemein die Eignung der Finanzhilfen als Instrument zur Konjunkturbelebung behandelt. 193 Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen. 194 Ein dritter Verdachtsfall konnte bereits im Vorfeld mit der betroffenen Kommune geklärt werden. 195 Beide Kommunen zogen, nachdem sie vom Bundesfinanzministerium um Stellungnahme gebeten worden waren, ihre beiden Vorhaben aus der beantragten Bundesförderung zurück.

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dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unter Berücksichtigung der darin vorgegebenen Bedingungen noch zu insgesamt 254 Maßnahmen mit einem Investitionsvolumen von rd. 413 Mio. Euro (Bundesanteil) Erhebungen durchzuführen. Die Landesrechnungshöfe ihrerseits prüften im Rahmen ihrer jeweiligen landesrechtlichen Kompetenzen und Unabhängigkeit sowie auf der Basis der mit dem Bundesrechnungshof vereinbarten Grundsätze der operativen Entkoppelung und des gegenseitigen Informationsaustausches ebenfalls zahlreiche Vorhaben der über das Zukunftsinvestitionsgesetz geförderten Maßnahmen. Über ihre Prüfungsergebnisse unterrichteten sie die zuständigen Landesstellen und Länderparlamente.196 Trotz der diversen rechtlichen Auseinandersetzungen um die Möglichkeiten und Grenzen der dem Bundesrechnungshof mit § 6a Zukunftsinvestitionsgesetz vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten neuen Einblicksrechte in die Sphäre der Länder ist es den Rechnungshöfen des Bundes und der Länder entsprechend dem von ihnen vereinbarten Grundsatz, der Vielfalt der prüferischen Ansätze und Herangehensweisen einen möglichst breiten Raum zu geben, insgesamt gelungen, einen facettenreichen prüferischen Einblick in die Umsetzung der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz durch die beteiligten Akteure (Bund, Länder und Kommunen) zu erarbeiten und über ihre Prüfungserkenntnisse und Empfehlungen ihre jeweiligen „Stakeholder“ aktuell zu unterrichten. 5. Gemeinschaftsaufgaben Ähnlich wie bei den Finanzhilfen bestehen auch für die Gemeinschaftsaufgaben unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit die Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes in diesem Bereich reichen. Und hier wie dort hat der Bundesrechnungshof sich seit Langem dafür ausgesprochen, das Instrument der Gemeinschaftsaufgabe aufgrund seiner vielzähligen dysfunktionalen Effekte aufzugeben und durch eine adäquate Finanzausstattung des eigentlichen Aufgabenträgers zu ersetzen (Zusammenführung von Fach- und Finanzverantwortung).197 Eine durchgängige Ent196 Beispielhaft seien genannt: Rechnungshof Baden-Württemberg, Bericht nach § 99 LHO zur Umsetzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes: Bildungs- und Infrastrukturpauschalen, Februar 2011; Landesrechnungshof Brandenburg, Zweiter Bericht an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Landtages Brandenburg gem. § 88 Abs. 2 LHO über die Prüfung der Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz v. 11. Mai 2011; Hessischer Rechnungshof, Bemerkungen 2011 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes Hessen, LT-Drs. 18 / 5496, Nr. 32; Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern, Jahresbericht 2011, Teil 2 – Landesfinanzbericht 2011, Nr. 6 und Nr. 23; Thüringer Rechnungshof, Überörtliche Kommunalprüfung, Jahresbericht 2011, A.IV.2. 197 Vgl. hierzu oben Abschnitt IV.4.a) und Fn. 161 und 163.

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flechtung ist jedoch bis heute nicht gelungen.198 Auch nach den im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahre 2006 beschlossenen Änderungen bestehen Gemeinschaftsaufgaben mit Artikel 91a und 91b Grundgesetz als Instrument der Mischfinanzierung – wenn auch in reduzierter199 und verschlankter Form – fort.200 Der Bundesrechnungshof geht seit jeher davon aus, „dass sich seine Erhebungsrechte bezogen auf die jeweils in Betracht kommende Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Bundesseite auch auf nachgeordnete Landesbehörden erstrecken können.“201 Die herrschende Meinung sieht dagegen in § 91 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung kein einfachgesetzliches Erhebungsrecht für den Bundesrechnungshof bei den Ländern begründet. Entweder sei dies gänzlich ausgeschlossen202 oder der informatorische Zugriff sei auf die obersten Landesbehörden beschränkt.203 Notwendig ist eine differenzierte Betrachtung. Zunächst ist festzuhalten, dass die Rechnungshöfe der Länder auf der Grundlage ihres jeweiligen Landesrechts den vollen Prüfungs- und Erhebungszugriff auf „ihre“ Behörden und sonstigen Einrichtungen haben. Dies gilt sogar dann, falls bei einer hundertprozentigen Förderung durch den Bund, wie im Bereich von Artikel 91b 198 Vgl. hierzu Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen (Fn. 29), S. 34 f. 199 Entfallen sind die Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau und Bildungsplanung in Art. 91a GG a. F.; sowohl die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur als auch der Agrarstruktur und des Küstenschutzes bestehen fort (Art. 91a GG n. F.); ebenso ist nunmehr die Förderung von außeruniversitären Einrichtungen und wissenschaftlichen Forschungsvorhaben an und außerhalb von Hochschulen sowie von Forschungsbauten an Hochschulen über Art. 91b GG n. F. möglich. 200 Obgleich der Abbau der Mischfinanzierungen eines der ausdrücklichen Reformziele war, ging der Verfassungsgesetzgeber davon aus, dass die Gemeinschaftsaufgaben weiterhin erforderlich seien, um die erheblichen strukturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern auszugleichen; vgl. BT-Drs. 16 / 813. 201 Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juni 1999, § 91 BHO Rn. 7. Bereits in der Gemeinsamen Erklärung der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder aus dem Jahre 1976 (Reichenhaller Erklärung) hatte der Bundesrechnungshof ausdrücklich an seiner Rechtsauffassung festgehalten, bei der Prüfung der Gemeinschaftsaufgaben Erhebungen unterhalb der Ebene der Ministerien der Länder und bei Dritten durchführen zu können. 202 Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 12), Stand: Oktober 2010, Art. 114 GG Rn. 90 f.; Ulrich Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, Kiel 1986, S. 93 ff.; Hans Blasius, Prüfungs- und Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich, DÖV 1992, S. 18 (22). 203 Hans Bernhard Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Fn. 14), Art. 114 GG Rn. 12c; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck (Fn. 32), Art. 114 GG Rn. 58; Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung (Fn. 46), Stand: April 2011, § 91 BHO Rn. 5, wobei dieser für Fördermaßnahmen nach Art. 91b GG weiter gehende Prüfmöglichkeiten für den Bundesrechnungshof sieht.

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Grundgesetz möglich, keine Mittel aus dem jeweiligen Landeshaushalt betroffen sind.204 Für den Bundesrechnungshof ergibt sich bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91a Grundgesetz unstreitig das Recht zu prüfen, ob die Bundesregierung sich von den Ländern sachgerecht unterrichten lässt und gegebenenfalls Rückforderungsansprüche gegen diese bestehen. Denn zum einen sind beide Gemeinschaftsaufgaben vom Bund zur Hälfte (regionale Wirtschaftsstruktur)205 oder mehr als zur Hälfte (Agrarstruktur und Küstenschutz)206 mitfinanziert. Zum anderen bestehen für beide Gemeinschaftsaufgaben gesetzliche Rückforderungstatbestände. Nach diesen kann der Bund zugewiesene Bundesmittel von einem Land zurückfordern, wenn die festgelegten Bedingungen ganz oder teilweise nicht erfüllt wurden.207 Mit Blick hierauf muss es aus den bereits oben genannten Gründen208 dem Bundesrechnungshof möglich sein, zur Prüfung der bundesseitigen Aufgabenerfüllung durch das jeweils zuständige Bundesministerium sich „vor Ort“ ein eigenes Bild zu machen. Erhebungen im Länderbereich sind ihm deshalb nach § 91 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung209 auch hier gestattet.210 Kann weder das verantwortliche Bundesressort noch die zuständige oberste Landesbehörde die notwendigen und erforderlichen 204 So könnte beispielsweise im Rahmen einer Ordnungsmäßigkeitsprüfung geprüft werden, ob die jeweilige Verwaltung die geltenden Bestimmungen des Bundesrechts einhält; ebenso könnten Wirtschaftlichkeitsfragen im Hinblick auf Personal, Organisation etc. Prüfungsgegenstand sein. 205 Art. 91a Abs. 3 S. 1 GG i. V. m. § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRWG). 206 Art. 91a Abs. 3 S. 2 GG i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAKG); hier beträgt die Finanzierungsquote des Bundes zwischen 60 und 80 %. 207 Vgl. § 11 Abs. 2 GAKG und § 8 Abs. 2 GRWG; der Bund hat dabei einen Anspruch auf Verzinsung des Rückzahlungsbetrags vom Zeitpunkt der Auszahlung an. 208 Siehe oben Abschnitt IV.3.a). 209 Siehe hierzu Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juni 1999, § 91 BHO Rn. 9: „Bei den finanziellen Anteilen des Bundes an den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG handelt es sich zwar materiell um Erstattungen, haushaltstechnisch bewirtschaften die Länder die zur Verfügung stehenden Bundesmittel aber selbst, sodass die Fallgruppe ‚Ausführung von Teilen des Bundeshaushaltsplans‘ erfüllt ist.“ 210 Gleichfalls ein Erhebungsrecht bejahend Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 6), Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 218; Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 14), Stand: Juni 1999, § 91 BHO Rn. 5; ebenfalls zustimmend Helmut Siekmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 91a GG Rn. 30, Art. 114 GG Rn. 29, der – unbeschadet seines Hinweises auf die uneinheitliche Meinungslage bezüglich des informatorischen Durchgriffs auf nachgeordnete Landesbehörden – darauf hinweist, der Bundesrechnungshof dürfe jedenfalls soweit prüfen, wie die Ausgabenverantwortung des Bundes reiche.

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Informationen zur Verfügung stellen, dürfen der Informationsgehalt und die Vollständigkeit der erforderlichen Informationen nicht durch organisatorische Gegebenheiten (außerhalb der Einflusssphäre des Bundes)211 faktisch eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Der Bund ist nämlich nicht gehalten, die Entscheidungen der Länder über die jeweilige Förderung „als unabänderliche Tatsache ungeprüft hinzunehmen“.212 Deshalb müssen im Falle der „informationellen Nichterfüllung“ seitens der obersten Landesbehörde dem Bundesrechnungshof auch Erhebungen bei Stellen der nachgeordneten Verwaltungsstufen möglich sein, entweder mit Zustimmung der obersten Landesbehörde oder wenn diese versagt wird zumindest anlassbezogen auch ohne diese, soweit Haftungsfragen im Raume stehen. Denn auch wenn der vormals in Artikel 91a Absatz 5 Grundgesetz a. F. statuierte Unterrichtungsanspruch des Bundes gegenüber den Ländern213 bei der Neufassung im Jahre 2006 gestrichen wurde, ergibt sich daraus nicht, dass damit jegliche Form der Aufsicht und Kontrolle entfallen wäre. Unbeschadet der hier nicht zu beantwortenden Frage, ob nach der neuen Rechtslage die reguläre Bundesaufsicht damit wieder auflebt,214 sind ausreichende Informationen schon deshalb notwendig und legitim, um die Verantwortung der Regierung zu wahren und dem Parlament eine effektive Kontrolle über die eingesetzten Haushaltsmittel zu gewährleisten.215 „Die Gemeinschaftsaufgaben stehen nicht außerhalb des demokratischen Systems der Kontrolle.“216 Sowohl das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRWG) wie auch das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAKG) sehen deshalb einfachgesetzliche Informationsmechanismen vor,217 in deren Folge auch dem Bundesrechnungshof der unmittelbare informationelle Zugriff in den Länderbereich hinein unter den genannten 211 Z. B. wenn aufgrund der autonomen Organisationshoheit der Länder die Aufgabenerledigung abgeschichtet ist und / oder Unterlagen und Dokumente ausgelagert sind, sodass nicht alle notwendigen Informationen bei den obersten Landesbehörden verfügbar sind. 212 BVerfGE 41, 291 (313). 213 Art. 91a Abs. 5 GG a. F. lautete: „Bundesregierung und Bundesrat sind auf Verlangen über die Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben zu unterrichten.“ Dieses besondere Informationsrecht gegenüber den Ländern schloss für den Bund die Ausübung der allgemeinen Aufsichts- und Weisungsrechte nach Art. 83 Abs. 3–5 GG aus, wie sich aus der Gesetzesbegründung in BT-Drs. 5 / 2861, Tz. 284 ergibt. 214 Dies verneinend Helmut Siekmann, in: Sachs (Fn. 57), Art. 91a GG Rn. 30. 215 So zutreffend Reimund Schmidt-De Caluwe, in: Kluth (Hrsg.), Föderalismusreformgesetz (Fn. 165), Art. 91a GG Rn. 13. 216 Reimund Schmidt-De Caluwe, in: Kluth (Hrsg.), Föderalismusreformgesetz (Fn. 165), Art. 91a GG Rn. 13. 217 Vgl. §§ 4 Abs. 3 Nr. 6, 6 Abs. 2 und 3 GWRG sowie § 9 Abs. 2 GAKG.

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Voraussetzungen eröffnet ist. Entsprechendes gilt für die Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91b Grundgesetz, wenn Bund und Länder bei der Förderung von Wissenschaft und Forschung zusammenwirken und der Bund aufgrund der nach Artikel 91b Absatz 3 Grundgesetz geschlossenen Vereinbarung ganz oder teilweise die Kosten trägt.218 Hier tritt neben § 91 Absatz 1 Nummer 1 Bundeshaushaltsordnung die Erhebungsvariante des § 91 Absatz 1 Nummer 3 Bundeshaushaltsordnung hinzu, soweit die Fördermaßnahmen des Bundes über Zuwendungen vollzogen werden.219 In diesen Fällen unterliegen die Zuwendungsempfänger dem vollem Prüfregime des Zuwendungsrechts220 mit der Folge, dass der Bundesrechnungshof nicht nur beim Zuwendungsempfänger selbst, sondern im Falle der Weiterleitung an Dritte auch bei diesen erheben kann.221 Erhält der Zuwendungsempfänger außer vom Bund auch Zuwendungen vom Land, so kann auch der zuständige Landesrechnungshof entsprechend § 91 der jeweiligen Landeshaushaltsordnung dort erheben.222 V. Fazit und Ausblick Der Einblick in Recht und Praxis der externen Finanzkontrolle des Bundes im Hinblick auf ihre Verwobenheit mit der zweiten staatlichen Ebene der Länder im föderativen Bundesstaat hat gezeigt, dass diese in ihrer Komplexität und Ausdifferenziertheit derjenigen des Kontrollgegenstands selbst in nichts nachsteht. Ebenso wie die Verflechtungslinien zwischen der verfassungsrechtlich zunächst autonomen Haushaltswirtschaft des Bundes und der Länder sich mit der vorausgehenden, übergreifenden Finanzwirtschaft rechtlich und faktisch zu einem kaum mehr durchschaubaren Gesamtkon218 Siehe z. B. Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Hochschulpakt 2020 (zweite Programmphase) vom 24. Juni 2009, BAnz Nr. 103 v. 16. Juli 2009, S. 2419, nach der der Bund 3,2 Mrd. Euro zur Deckung eines bedarfsgerechten Studienangebots bis zum Jahre 2020 bereitstellt. 219 Wie beispielsweise bei der „Exzellenzinitiative II“, deren Gesamtfinanzierung in Höhe von 2,7 Mrd. Euro gemäß § 2 Abs. 1 der hierzu auf der Grundlage von Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG geschlossenen Verwaltungsvereinbarung vom 24. Juni 2009 (BAnz. Nr. 103 vom 16. Juli 2009, S. 2416) vom Bund zu 75 % getragen wird. Den Bundesanteil erhält die Deutsche Forschungsgemeinschaft, deren Geschäftsstelle das Förderverfahren organisatorisch abwickelt und die Mittel an die Hochschulen weiterleitet, vom Bundesforschungsministerium als Zuwendung. 220 Vgl. Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung (Fn. 46), Stand: Januar 2013, § 91 BHO Rn. 4 und § 23 BHO Rn. 3.10. 221 Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. S. 2 BHO; allerdings muss es sich bei der „Weiterleitung“ um eine Zuwendung handeln; s. Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung (Fn. 46), Stand: Februar 2006, § 91 BHO Rn. 6.4. 222 Von den beteiligten Rechnungshöfen ist dann § 93 BHO zu beachten.

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glomerat verschmolzen haben, hat sich die externe Finanzkontrolle des Bundes in den Bereich der Länder (und Kommunen) hinein verwoben. Dies ist jedoch nicht, wie die Kritiker dieser Entwicklung meinen, der Idee einer unzulässigen Landnahme geschuldet, die sich vorgeblich von langer Hand vorbereitet in der externen Bundesfinanzkontrolle breitgemacht habe. Im Gegenteil: Sie ist zwangsläufig der Tatsache geschuldet, dass letztendlich alle Bemühungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die durch eine überbordende Verflechtung entstandenen dysfunktionalen, unwirtschaftlichen und intransparenten Effekte in den Finanz-, Haushalts- und Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern (einschließlich ihrer Kommunen) zu beseitigen oder zumindest wirksam einzudämmen, gescheitert sind. Stattdessen ist festzustellen, dass die Neigung, auf Herausforderungen in den verschiedenen Politik- und Handlungsfeldern mit der Einführung immer neuer, hochkomplexer Verflechtungsinstrumente zu reagieren, im vergangenen Jahrzehnt wieder deutlich zugenommen hat, wie einige der oben genannten Beispiele zeigen.223 Umso bedauerlicher erscheint es, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss zu den Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz224 die Chance hat verstreichen lassen, diese Komplexität zumindest für die externe Finanzkontrolle aufzulösen und die Fesseln des verwaltungsakzessorischen Dogmas zu lösen. An Vorbildern, wie die informatorischen Rechte der externen Finanzkontrolle ausgestaltet werden könnten, mangelt es nicht, wie etwa das Recht der Europäischen Union und die dort verankerten Einblicksrechte des Europäischen Rechnungshofs im europäischen Mehrebenensystem zeigen.225 Ob die geltende grundgesetzliche Ordnung, wovon das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss offensichtlich ausgeht, eine solche Lösung tatsächlich ausschließt, kann bezweifelt werden. Die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene Abwägung, die der Haushaltsautonomie der Länder letztendlich den Vorrang vor dem autonomen, nicht über die Ingerenzrechte der Bundesexekutive vermittelten Informationsinteresse der externen Finanzkontrolle des Bundes eingeräumt hat, erscheint zumindest nicht zwingend. Zum einen geht sie von der – rechtlich zwar herleitbaren – Fiktion einer steten, vollumfängli223 So z. B. die Finanzhilfen nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz als komplexes Mehr-Ebenen-Krisenreaktionsinstrument (Abschnitt IV.4.c), die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Abschnitt IV.3.b) oder die verflochtene Förderung von Wissenschaft und Forschung über Art. 91b GG (Abschnitt IV.5.). 224 Siehe hierzu oben Abschnitt IV.4.c.bb) und IV.3.a). 225 Gem. Art. 287 Abs. 3 S. 1 AEUV kann der Europäische Rechnungshof seine Prüfungen nicht nur bei den Organen der Union, sondern erforderlichenfalls auch an Ort und Stelle „in den Räumlichkeiten der Einrichtungen oder sonstigen Stellen, die Einnahmen oder Ausgaben für Rechnung der Union verwalten, sowie der natürlichen und juristischen Personen, die Zahlungen aus dem Haushalt erhalten, und in den Mitgliedstaaten“ durchführen.

Externe Finanzkontrolle im Kontext föderativer Staatsverfassung

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chen und freiwilligen Mitteilung der Empfänger fremden Geldes an die Geber im Hinblick auf alle Fakten aus, die zur Beurteilung einer ordnungsgemäßen und zweckentsprechenden Mittelverwendung notwendig sind, ohne dabei auch nur in Erwägung zu ziehen, dass realiter durchaus Abweichungen von dieser Fiktion möglich sind. Zum anderen lässt die vorgenommene Abwägung eine Ankoppelung an die eigene Rechtsprechung insoweit vermissen, als das Gericht an anderer Stelle die Haushaltsautonomie (der Länder) gerade nicht als Solitär in den Weiten der Verfassung betrachtet, sondern sie in das finanzwirtschaftliche „Gesamtgefüge“226 gestellt hat. Gleichwohl gilt es nun, diese Entscheidung zu respektieren. Und alles in allem gibt sie dem Bundesrechnungshof mehr und klarere Handlungsoptionen an die Hand, als dies vor dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts der Fall war. De lege ferenda wäre aber eine ähnlich klare und einfache Regelung zu wünschen, wie sie beispielsweise dem Europäischen Rechnungshof zur Verfügung steht, wenn und soweit dieser die Ebene der europäischen Organe und Einrichtungen verlässt und zur Prüfung der Ausgaben und Einnahmen der Europäischen Union Informationen vor Ort erheben kann, sei es in Verwaltungen der Mitgliedstaaten oder beim Letztempfänger europäischer Mittel. Der deutsche wie der europäische Steuerzahler haben ein Interesse daran, dass öffentliche Mittel ordnungsgemäß, zweckentsprechend und wirtschaftlich verwendet und alle Einnahmen vollständig und gleichmäßig erhoben werden. Dass das bundesdeutsche Modell der externen Finanzkontrolle, das Isensee einmal als ein „vertracktes Mischmodell“ mit teil-identischem Objekt der Kontrolle, unterschiedlichen Adressaten und unterschiedlichen Zielobjekten bezeichnet hat,227 insoweit nicht immer optimal aufgestellt war und ist, kann dabei nicht den Akteuren der externen Finanzkontrolle selbst angelastet werden. Sie haben im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgabenerfüllung den Handlungsspielraum zu respektieren und auszuschöpfen, der ihnen von der durch die Politik gesetzten föderativen Rechtsordnung vorgegeben wird.

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Siehe oben Abschnitt III. sowie Fn. 31 und Fn. 34. Josef Isensee, Finanzkontrolle im Bundesstaat – Zur Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Rechnungsprüfung nach österreichischem und deutschem Recht, ZÖR 2008, 39 (63). 227

Die Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe Manfred Eibelshäuser1 I. Einleitung Diese Festschrift feiert 300 Jahre Finanzkontrolle in Deutschland. Rund 65 Jahre entfallen davon auf die bundesrepublikanische Zeit. Seit rund 150 Jahren gibt es in Deutschland unterschiedliche durch Verfassung geregelte föderale Modelle mit einer Länder- und einer Bundes- bzw. Reichsebene. Jedes dieser Modelle erfordert eine auf die jeweiligen Besonderheiten angepasste Finanzkontrolle. Im Föderalismus des Grundgesetzes sind Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig, Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz. Dies wirkt sich auch auf die Finanzkontrolle aus: Neben und – wie Dieter Engels zu Recht betont2 – nicht unter dem Bundesrechnungshof stehen die Rechnungshöfe der Länder. Kein Rechnungshof kann einem anderen Weisungen erteilen.3 Konsequenterweise müsste aus einer strikten Trennung der Haushalte von Bund und Ländern folgen, dass sich keine Berührungspunkte der Finanzkontrollen beider staatlichen Ebenen ergeben. Der Grundsatz der Trennung hat jedoch im Grundgesetz selbst Durchbrechungen erfahren, z. B. durch die Gemeinschaftsteuern auf der Einnahmenseite und die Finanzhilfen oder die Gemeinschaftsaufgaben auf der Ausgabenseite. Insgesamt sind die Verflechtungen zwischen Bund- und Ländern – nicht nur in Finanzangelegenheiten – kompliziert. Durch die Verdoppelung der Staatsorganisation bei Bund und Ländern sind Unübersichtlichkeit und da1 Herrn Regierungsdirektor Tilo Weiße danke ich für die tatkräftige Unterstützung. 2 Vgl. Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 327. 3 Vgl. auch Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus – Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.), Dem Staat in die Kasse geschaut, Festschrift 175 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, München 1987, S. 115; Klaus Stern, Der verfassungsrechtliche Status der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, in: Böning / von Mutius (Hrsg.), Finanzkontrolle im repräsentativ-demokratischen System, Kiel 1989, S. 11 (19).

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mit Reibungen und Kompetenzkonflikte gleichsam systemimmanent.4 Schnittstellen und Kompetenzgerangel zwischen Behörden von Bund und Ländern – beziehungsweise der Länder untereinander – wurden zuletzt z. B. bei der Seuchenbekämpfung5 oder der Aufklärung rassistisch motivierter Kriminalität6 in der Öffentlichkeit diskutiert. Auch im Bereich der staatlichen Finanzkontrolle zeigten sich unterschiedliche Auffassungen über die Kompetenzen von Bundes- und Länderebene. Mit dem „Konjunkturpaket II“ hatte der Bund ab dem Jahr 2009 über die Länder an die Kommunen Gelder gezahlt. In diesem Zusammenhang kam es zu einem Rechtsstreit über die Frage, inwieweit durch Bundesgesetz dem Bundesrechnungshof Prüfungsbefugnisse bei Ländern und Kommunen eingeräumt werden können.7 Der Streit machte sichtbar, dass auch die Schnittstellen zwischen den Finanzkontrollen beider Ebenen mitunter als problematisch bewertet werden. Klar ist, Föderalismus kann nur funktionieren, wenn Bund und Länder sich bundestreu verhalten und ihre Tätigkeit nicht an Einzel- oder Partikularinteressen ausrichten. Für die Finanzkontrolle folgt daraus, dass sie keine prüfungsfreien Räume dulden darf. Dies gilt besonders, wenn durchlaufende Posten den Haushalt eines Landes nicht originär belasten und der Rechnungshof dieses Landes wenig Interesse an der Prüfung der Mittelverwendung zeigt. Gleichzeitig bietet der Föderalismus auch die Möglichkeit, voneinander zu lernen, und gemeinsam nach den besten Lösungen zu suchen – gerade dann, wenn Aufgabenstellungen vergleichbar sind. Der folgende Beitrag beleuchtet das Miteinander der Finanzkontrolle der zwei staatlichen Ebenen im deutschen Föderalismus. Um den Umfang eines Festschriftbeitrages nicht zu sprengen, beschränke ich mich im Folgenden auf drei Aspekte: – Die historische Entwicklung des Nebeneinanders von staatlicher Finanzkontrolle auf Bundes- und auf Länderebene seit der Gründung des Norddeutschen Bundes. 4 Vgl. Josef Isensee, Finanzkontrolle im Bundesstaat – Zur Vollständigkeit und Einheitlichkeit der Rechnungsprüfung nach österreichischem und deutschem Recht, ZöR 63 (2008), S. 29. 5 Z. B. bei der Aufspürung des Ehec-Erregers, vgl. Zeit-Online vom 10. Juni 2011: „Ehec – Warum der Föderalismus schadet – In der Theorie ist er ein attraktives System, doch die Praxis sieht anders aus. Bildungspolitik, Landesbanken oder Ehec belegen das.“ 6 Zur Zusammenarbeit der Landeskriminalämter untereinander sowie mit dem Bundeskriminalamt im Zusammenhang mit den Morden der sog. NSU, vgl. FROnline vom 9. Februar 2012: „Kommission zum Neonazi-Terror – Die Aufklärer ringen mit dem Föderalismus.“ 7 Vgl. BVerfG vom 7. September 2010, AZ 2 BvF 1 / 09 (s. u. Abschnitt IV.2.).

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– Die Präsidentenkonferenz und deren Arbeitskreise als Orte des Erfahrungsaustausches und der gemeinsamen Positionierung. – Die Abgrenzung der Prüfungsrechte im föderalen System unter dem Gesichtspunkt der Lückenlosigkeit der Prüfung. II. Das Nebeneinander von staatlicher Finanzkontrolle auf Bundes- und Länderebene – historische Entwicklung 1. Norddeutscher Bund Ein durch eine Verfassung geregeltes Nebeneinander von Bund und Ländern tritt in Deutschland mit der Gründung des Norddeutschen Bundes im Jahr 1867 zum ersten Mal auf.8 Zuvor beruhten die (Finanz-)Beziehungen der Deutschen Länder auf völkerrechtlichen Verträgen.9 Der Norddeutsche Bund, eine kurze Etappe von vier Jahren auf dem Weg zu einer „Reichsgründung“, wurde unter Führung Preußens mit den deutschen Klein- und Mittelstaaten10 nördlich der Mainlinie gebildet. Vorausgegangen war der Preußisch-Österreichische Krieg von 1866, in dem insbesondere süddeutsche Staaten und Sachsen Verbündete Österreichs gewesen waren. Die von Bismarck beeinflusste Verfassung des Norddeutschen Bundes war vor allem vom Ziel geprägt, den Gliedstaaten und ihren Monarchien – insbesondere der preußischen – möglichst viel Souveränität zu erhalten.11 Dem Bund waren nur wenige Aufgaben übertragen. Nach außen waren es insbesondere das Militär,12 das Konsulatswesen13 und das Zollwesen,14 nach 8 Die Verfassung des Norddeutschen Bundes trat am 1. Juli 1867 förmlich in Kraft. 9 Z. B. Zollvereinigungsvertrag vom 22. März 1833; vgl. auch Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung der Rechnungsprüfung, Berlin 1972, S. 58. 10 Sachsen, Hessen-Darmstadt (für die Gebiete nördlich des Mains), Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar-Eisenach, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig und Lüneburg, Sachsen-Meiningen und Hildburghausen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck und Pyrmont, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Freie und Hansestadt Lübeck, Freie und Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg. 11 Vgl. Sebastian Haffner, Preußen ohne Legende, Gütersloh 1979, S. 348 ff. 12 Vgl. Art. 53 und Art. 57 ff. Verfassung des Norddeutschen Bundes zur Bundeskriegsmarine und zum Bundeskriegswesen. 13 Art. 56 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 14 Art. 33 Abs. 1 S. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes: „Der Bund bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze.“

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innen war es im Wesentlichen das Post- und Telegrafen-15 sowie Teile des Eisenbahnwesens.16 Entsprechend war die Finanzausstattung des Bundes relativ gering. Ausgabenträchtige Bereiche wie die allgemeine Verwaltung, Bildung und innere Sicherheit waren nicht in der Bundesverfassung erwähnt und blieben somit Sache der Länder. Für die Militärausgaben unterschied die Verfassung: Die Marine war aus der Bundeskasse17 zu finanzieren, während für das Heer die Bundesstaaten gleichmäßig nach einem festen Kopfschlüssel aufzukommen hatten.18 Einen Finanzausgleich unter den Gliedstaaten des Bundes gab es nicht. Zur Erfüllung seiner Aufgaben standen dem Bund im Wesentlichen die Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchsteuern sowie die Überschüsse aus dem Post- und Telegrafenwesen zu.19 Soweit diese nicht ausreichten, waren die notwendigen Mittel „durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrages durch das Präsidium ausgeschrieben“ wurden.20 Diese sogenannten Matrikularbeiträge wurden nicht nach der Finanzkraft der Gliedstaaten, sondern nach ihrer Einwohnerzahl berechnet. Sie hatten somit den Charakter einer Kopfsteuer und benachteiligten vor allem die armen Länder.21 Die Möglichkeit von Bundessteuern war zwar in der Verfassung nicht ausgeschlossen22, wurde jedoch nicht verwirklicht. Einkommensteuern wurden uneinheitlich von den Ländern erhoben. Der Bund hatte über seine Einnahmen und Ausgaben einen Haushaltsplan aufzustellen, der durch Gesetz festgestellt werden musste.23 Damit musste der Haushaltsplan von der Mehrheit des Bundesrates und des durch allgemeine und direkte Wahlen gewählten Reichstages verabschiedet werden.24 15

Art. 48 Verfassung des Norddeutschen Bundes. Art. 41 ff. Verfassung des Norddeutschen Bundes. 17 Art. 53 Abs. 3 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 18 Art. 58 und Art. 62 Abs. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes: „Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesamte Bundesheer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31. Dezember 1871 dem Bundesfeldherrn jährlich sovielmal 225 Thaler, in Worten zweihundert fünf und zwanzig Thaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Artikel 60 beträgt, zur Verfügung zu stellen.“ 19 Art. 38 Abs. 1, Art. 70 S. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 20 Art. 70 S. 2 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 21 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Der unitarische Bundesstaat in Deutschland: Pfadunabhängigkeit und Wandel, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Discussion Paper 02 / 2, S. 49. 22 Art. 70 S. 2 Verfassung des Norddeutschen Bundes: „(…) so lange Bundessteuern nicht eingeführt sind“. 23 Art. 69 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 24 Art. 5 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 16

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Die Ausführung des Haushaltsplanes und die Verwaltung der Bundesfinanzen lagen faktisch beim König von Preußen, dem das Präsidium nach der Verfassung übertragen war.25 Dieser musste zur Entlastung über die Verwendung aller Einnahmen des Bundes jährlich dem Bundesrat und dem Reichstag Rechnung legen.26 Eine Finanzkontrolle des Bundes war in der Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht vorgesehen. Statt eine eigene Kontrollbehörde zu schaffen, übertrug der Reichstag des Norddeutschen Bundes der Preußischen Oberrechnungskammer die Prüfung der Rechnung des Bundes. Eine Abteilung der Oberrechnungskammer übernahm unter der Bezeichnung „Rechnungshof des Norddeutschen Bundes“ die Prüfung der Rechnung des Bundes.27 Organisation und Arbeitsweise richteten sich dementsprechend an den Gepflogenheiten der Oberrechnungskammer aus. Allerding waren die Prüfer Bundesbeamte.28 In der Verfassung des Norddeutschen Bundes waren in Finanzangelegenheiten nur wenige Schnittstellen zwischen Bund und Ländern angelegt. Die dem Bund zustehenden Zölle und Verbrauchsteuern zu erheben und zu verwalten, war Sache der Gliedstaaten, soweit sie sie auch vorher ausgeübt hatten.29 Das Bundespräsidium überwachte dies durch Bundesbeamte, welche den Zoll- oder Steuerämtern der einzelnen Staaten beigeordnet wurden.30 Ein Ausschuss des Bundesrates für das Rechnungswesen hatte die Aufgabe, anhand der Abrechnungen der Länderbehörden den Betrag vorläufig festzulegen, den das jeweilige Land der Bundeskasse schuldete, und dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorzulegen.31 Ausgaben des Bundes für Angelegenheiten der Länder waren in der Verfassung nicht vorgesehen. 25 Art. 11 Abs. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes: „Das Präsidium des Bundes steht der Krone Preußens zu, welche in Ausübung desselben den Bund völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Bundes Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen berechtigt ist.“ 26 Art. 72 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 27 Vgl. Zeittafel von Hermann Dommach, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 501. 28 Art. 18 Verfassung des Norddeutschen Bundes. Vgl. aber auch Norbert Berthold Wagner, 50 Jahre Bundesrechnungshof – Zugleich ein Beitrag zu den organisatorischen Entwicklungslinien im preußisch-deutschen Rechnungskontrollwesen, AöR, Band 126 (2001), S. 93 (104): „Der Chefpräsident der Preußischen Oberrechnungskammer war kein Reichsbeamter, weshalb er sich nicht zugleich in einem Beamtenverhältnis zu Preußen und dem Deutschen Reich befand.“ 29 Art. 36 Abs. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 30 Art. 36 Abs. 2 Verfassung des Norddeutschen Bundes. 31 Art. 39 Abs. 2 Verfassung des Norddeutschen Bundes.

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Die Kontrollfunktion an den wenigen Schnittstellen der Finanzbeziehungen wurde in erster Linie nicht durch eine Finanzkontrollinstitution, sondern durch die Exekutive des Bundes bzw. vom Bundesrat ausgeübt. Wäre die Kontrolle der Einnahmen des Bundes Aufgabe der für die Bundessachen zuständigen Abteilung der Oberrechnungskammer gewesen, wäre dies möglicherweise auf Widerstand der anderen Gliedstaaten des Norddeutschen Bundes gestoßen. Diese hätten dies möglicherweise als Kontrolle der Hegemonialmacht Preußen missverstanden und nicht als Kontrolle einer Bundeseinrichtung. 2. Kaiserreich Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 brachte gegenüber der Verfassung des Norddeutschen Bundes kaum Veränderungen. Die süddeutschen Länder Baden, Bayern, Hessen-Darmstadt (südlich der Mainlinie) sowie Württemberg wurden Mitglieder des Bundes und der König von Preußen, dem weiterhin „das Präsidium des Bundes“ zustand, erhielt den Titel „Deutscher Kaiser“.32 In der in weiten Teilen mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes wortgleichen Verfassung blieb die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern unverändert. Dies galt auch für die Bestimmungen über die Finanzbeziehungen von Reich und Ländern.33 Auch wenn das Reich in den Jahrzehnten nach seiner Gründung starke Veränderungen erlebte und durch Industrialisierung und Bevölkerungswachstum zunehmend stärkeres außenpolitisches Gewicht erhielt, blieb nach innen das Reichsgefüge mit einer starken Bedeutung der eigenständigen Gliedstaaten weitestgehend erhalten. Wie in der Zeit vor Gründung des Bundes bzw. des Reiches beschlossen und erhoben die Gliedstaaten die Steuern auf Einkommen und Vermögen. Dabei kamen Wahlsysteme wie das preußische Dreiklassenwahlrecht34 den Besitzenden zugute, während die breite Masse der Bevölkerung in den Län32 Mit dem Titel „Deutscher Kaiser“ kam Bismarck nationalen Strömungen in der Bevölkerung entgegen. Eigentliches Motiv soll es jedoch gewesen sein, mit der Reichsgründung als konstitutionelle Monarchie zu verhindern, dass die Länder, insbesondere Preußen, in einem deutschen Nationalstaat aufgingen. Vgl. dazu Sebastian Haffner, Preußen ohne Legende (Fn. 11), S. 348 ff. 33 Vgl. z. B. Kap. XII „Reichsfinanzen“ (Art. 69–73 Reichsverfassung). 34 Das Dreiklassenwahlrecht in Preußen wurde 1849 von König Friedrich Wilhelm IV. eingeführt und teilte die Wähler nach ihrem direkten Steueraufkommen in drei Klassen ein. So umfasste 1908 die erste Klasse der am höchsten Besteuerten nur vier Prozent der Wähler. Diese durfte aber ebenso viele Wahlmänner stellen wie die dritte Klasse mit rund 82 Prozent der Wahlberechtigten. Zudem begünstigte die Wahlkreiseinteilung die dünn besiedelten Agrargebiete im Osten. Siehe dazu: www. dhm.de (Navigation: „LeMo“, „Lebendiges Museum Online“, „Kaiserreich“, „Das Reich“, „Dreiklassenwahlrecht“).

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dern wenig politisches Gewicht hatte. Gleichzeitig reichten dem Reich seine originären Einnahmen nicht aus, sodass es zunehmend auf Matrikularbeiträge der Gliedstaaten angewiesen war. Es bildete sich das geflügelte Wort vom Reich als „Kostgänger der Gliedstaaten“ heraus. Das Reich verschuldete sich vor allem wegen steigender Rüstungsausgaben zunehmend.35 Mit der Einführung einer dem Reich zustehenden Erbschaft- und Schenkungsteuer im Jahr 1906, an deren Aufkommen die Gliedstaaten mit einem Drittel beteiligt waren, entstand erstmals ein Steuerverbund zwischen Reich und Gliedstaaten36 und damit eine – auch aus Sicht der Finanzkontrolle – komplexe Schnittstelle zwischen beiden staatlichen Ebenen. Auf der Ausgabenseite gab es nur vereinzelte Berührungspunkte zwischen Reich und Ländern. Es bildete sich schon im Kaiserreich die Praxis heraus, dass das Reich einzelne „Länderaufgaben“ mitfinanzierte. Diese sogenannte „Fondswirtschaft“ entwickelte erst in der Weimarer Republik größere Bedeutung.37 Auch für die Finanzkontrolle des Reiches gab es gegenüber den Regelungen des Norddeutschen Bundes durch die Reichsgründung keine Veränderungen. Sie fand auch in der Reichsverfassung keine Erwähnung. Anstatt eine einfachgesetzliche Regelung über die Einrichtung einer Reichsinstitution zu schaffen, übertrug der Reichstag die Kontrolle des gesamten Haushalts zunächst nur für das Jahr 1871 der Oberrechnungskammer.38 Dies wurde in der Folge durch jährliche Verlängerungsgesetze in Verbindung mit den Haushaltsgesetzen bis 1910 fortgesetzt. Ab 1910 verlängerten Kontrollgesetze jeweils für die Dauer von fünf Jahren diese Praxis. Die für Reichssachen zuständige Abteilung der Oberrechnungskammer nannte sich nun „Rechnungshof des Deutschen Reichs“. Durch Reichsgesetz wurde 1875 für die Prüfungen des Reichshaushaltes die Anwendung der für Preußen geltenden Grundsätze angeordnet.39 Verschiedene Bestrebungen, für einen Rechnungshof des Reiches eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, sind in der Folge wiederholt gescheitert. Gesetzentwürfe der Reichsregierung der ersten 35 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Der unitarische Bundesstaat in Deutschland (Fn. 21), S. 50. 36 Vgl. www.historisches-lexikon-bayerns.de (Navigation: „Artikel A–Z“, „Buchstabe L“ „Länderfinanzausgleich“, „Finanzausgleich im Bismarckreich“). 37 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Der unitarische Bundesstaat in Deutschland (Fn. 21), S. 5. 38 Vgl. Zeittafel von Hermann Dommach, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen (Fn. 27), S. 501. 39 Vgl. Zeittafel von Hermann Dommach, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen (Fn. 27), S. 502. Zur Struktur der Einschaltung der Preußischen Oberrechenkammer vgl. Norbert Berthold Wagner, 50 Jahre Bundesrechnungshof (Fn. 28), S. 105 f.

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Jahre nach der Reichsgründung scheiterten an den unterschiedlichen Auffassungen von Reichstag und Bundesrat.40 Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges blieb der Rechnungshof des Deutschen Reiches rechtlich eine Abteilung der Oberrechnungskammer. Tatsächlich war diese Abteilung eine eigenständige Behörde mit eigenem Etat im Reichshaushalt, mit Reichsbeamten und mit Mitgliedern, die vom Bundesrat gewählt und vom Kaiser ernannt wurden. Ihre Räumlichkeiten und seine Sitzungen waren von denen der Oberrechnungskammer getrennt. Dennoch bekleidete der Präsident der Oberrechnungskammer in Personalunion auch das Amt des Präsidenten des Rechnungshofes des Deutschen Reiches. Diese Praxis gab es auch bei anderen Behörden des Norddeutschen Bundes und des späteren Reiches, die aus den Behörden Preußens hervorgegangen sind. Dies war darin begründet, dass der König von Preußen das Präsidium innehatte. Prominentestes Beispiel für eine Personenidentität einer Funktion im Reich und im Gliedstaat Preußen ist Otto von Bismarck, der sowohl das Amt des Reichskanzlers als auch das des preußischen Ministerpräsidenten innehatte. Trotz der in der Verfassung klar angelegten Trennung von Reichs- und Länderebene gab es im Umfeld des Bundesrates informelle Koordinierungen zwischen Reich und Ländern und natürlich auch zwischen den Ländern. So wurden von der Reichsleitung beispielsweise informelle Ministerkonferenzen nach Berlin einberufen. Auch im Bildungsbereich fanden Abstimmungen statt. Änderungen des Steuerrechts und der Finanzverfassung wurden häufig vorweg mit den Finanzministern der Gliedstaaten abgeklärt.41 Der Bundesrat diente damit – über seine in der Verfassung vorgesehene Aufgabe hinaus – nicht nur der Reichsgesetzgebung.42 Insgesamt gab es in der Kaiserzeit zahlreiche Vereinheitlichungen, von denen das Bürgerliche Gesetzbuch zu den prominentesten gehörte. Demgegenüber gab es im Bereich der Steuergesetzgebung und -verwaltung sowie im Haushaltsrecht der Länder keine Einheitlichkeit zwischen den Ländern.43 40 Vgl. Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland (Fn. 9), S. 61. 41 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Der unitarische Bundesstaat in Deutschland (Fn. 21), S. 45. 42 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Der unitarische Bundesstaat in Deutschland (Fn. 21), S. 46. 43 Vgl. für Bayern: Karl Bosl, Der Bayerische Oberste Rechnungshof im ersten Jahrhundert seines Wirkens, in: Dem Staat in die Kasse geschaut (Fn. 3), S. 23 (34): „Ein eigenes Kompatibilitätsgesetz (Haushaltsordnung) gab es in Bayern nicht. Aufstellung und Vollzug des Staatshaushaltes wurden nach Herkommen und Verfassung sowie aufgrund von Verordnungen und Ministerialbekanntmachungen gehandhabt. Die wichtigsten Grundsätze fasste die Ministerialbekanntmachung 1907 zusammen.“

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Im Bereich der Finanzkontrolle gibt es vereinzelte Beispiele einer Orientierung der Länder auf freiwilliger Basis am preußischen Modell. So reformierte das Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1879 seine Finanzkontrollinstitution, die noch auf der Rechtsgrundlage aus ihrem Gründungsjahr 1821 stand. Hierdurch wurden ihre Kompetenzen stark aufgewertet.44 Aus den „Motiven zu dem Gesetzentwurf, die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-Rechenkammer betreffend“, ist zu entnehmen, dass man das Gesetz unter Berücksichtigung von bereits beschlossenen Gesetzen aus Preußen (1872) und Baden (1876) sowie eines Gesetzentwurfs, der dem Reichstag vorgelegt wurde, ausgearbeitet hat. Wesentliche Änderungen für Hessen waren die Stellung der Oberrechnungskammer unmittelbar unter den Landesherrn, um ihre Unabhängigkeit von der Verwaltung zu gewährleisten, sowie eine „collegialische Verfassung“, um „auch thunlichste Sicherheit gegen die Einseitigkeit der Auffassung und Entscheidung“ zu haben. Außerdem wurden die Revisionsbefugnisse erweitert: Diese sollten neben der klassischen Rechnungsprüfung „in der eigentlichen Verwaltungscontrole bestehen, die ihr Augenmerk, zur Beförderung der Staatszwecke, auch auf Vorschläge zu Verbesserungen im Staatshaushalte zu richten hat.“ Durch diese Reformen wurde die Finanzkontrolle in Hessen schon vor 135 Jahren hinsichtlich ihrer Organisation und ihrer Aufgabenstellung sehr nahe an die heutige herangebracht. Schon damals sollte sie „die Stände bei der Prüfung der Rechenschaftsablage über die Staatsverwaltung unterstützen.“ Solche Angleichungen fanden nur auf Eigeninitiative einzelner Länder statt. Gemeinsame Initiativen der Länder und des Reiches zu einer Vereinheitlichung gab es nicht. Daher unterschieden sich die Kontrollinstitutionen der Gliedstaaten in ihrer Stellung im Staat, ihren Aufgaben,45 ihrer Unabhängigkeit46, aber auch in ihrem Aufbau und ihrer Arbeitsweise. Für die 44 Vgl. Karl-Heinz Steingässer, Der Aufbau des Hessischen Rechnungshofs nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, in: Wallmann / Nowak / Mühlhausen / Steingässer (Hrsg.), Moderne Finanzkontrolle und öffentliche Rechnungslegung, Denkschrift anlässlich der Verabschiedung von Prof. Dr. Manfred Eibelshäuser aus dem Amt des Präsidenten des Hessischen Rechnungshofs, Köln 2013, S. 483. 45 In Hessen-Darmstadt war es beispielsweise auch Aufgabe der Oberrechnungskammer, die ihr ausdrücklich überwiesenen Gemeinde-, Kirchen- und Stiftungsrechnungen zu prüfen, vgl. Wilhelm van Calker, Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen, Tübingen 1913, S. 203. In Sachsen dagegen hatte die Oberrechnungskammer nur die von den Ministerien nicht selbst geprüften Rechnungen zu prüfen. Vgl. Friedrich von Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung – Zur zweihundertfünzigjährigen Wiederkehr der Errichtung der Preußischen Generalrechenkammer, Frankfurt am Main 1964, S. 7 (69). 46 Vgl. z. B. für Bayern: Karl Bosl, Der Bayerische Oberste Rechnungshof (Fn. 43), S. 34: „Von 1893 bis 1904 war sogar seine [Anm. des Verfassers: gemeint

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Finanzkontrolle sind institutionalisierte Treffen zwischen Kontrolleinrichtungen der Länder und des Reiches oder sonstige Berührungen bei der Kontrolltätigkeit nicht überliefert. Die größte Nähe zwischen den Institutionen der Länder und des Reichs gab es bei der Preußischen Oberrechnungskammer. Es handelte sich allerdings nur um eine räumliche und eine personelle Nähe. Sachliche Berührungspunkte sind ebenfalls nicht überliefert. 3. Weimarer Republik Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchien in Deutschland musste ein Neuanfang gemacht werden. Dass die Finanzverfassung des wilhelminischen Reiches sich nicht bewährt hatte, war deutlich zu erkennen. Zusätzlich zu den Kriegsschulden hatte das Reich durch den Friedensvertrag von Versailles einen enormen Finanzbedarf aus den Reparationsverpflichtungen. Gleichzeitig wurde die Gefahr einer Zerschlagung des Reiches gesehen. Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, die auch Weimarer Reichsverfassung genannt wird, brachte nicht nur ein republikanisches Staatsgefüge, sondern verschob auch Aufgaben und Finanzausstattung zwischen den Ländern und dem Reich. Vor allem die öffentlichen Finanzen wurden von einem Zentralisierungsschub erfasst.47 Die Verfassung schuf die Basis für die umfassende Finanzreform, die eng mit dem Namen des Reichsfinanzministers Matthias Erzberger verbunden ist.48 Gemäß Artikel 8 Weimarer Reichsverfassung hatte nun das Reich ausdrücklich die Gesetzgebungskompetenz für die Abgaben und sonstigen Einnahmen, die es für seine Zwecke in Anspruch nehmen wollte. Nahm es Abgaben oder sonstige Einnahmen in Anspruch, die bisher den Ländern zustanden, hatte es auf die Erhaltung der Lebensfähigkeit der Länder Rückwar der Oberste Rechnungshof] völlige Abhängigkeit vom Finanzministerium erreicht; dann aber forderte endlich auch die Regierung selber, die unabhängige und selbständige Prüfung des Rechnungswesens durch den Rechnungshof, die bindende Kraft seiner Beschlüsse, ungefährdet durch irgendeine Ministerialentschließung sowie die Kompetenz, die Einhaltung des Staatsbudgets zu kontrollieren.“ Für HessenDarmstadt vgl. dagegen: Wilhelm van Calker, Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen (Fn. 45), S. 203: „Die Oberrechnungskammer ist eine dem Landesherrn unmittelbar untergeordnete, der Staatsverwaltung gegenüber selbstständige Behörde, welche die Kontrolle des gesamten Staatshaushaltes (…) zu führen hat. Sie besteht (…) nach preußischem Vorbild (…).“ 47 Vgl. Gerhard Lehmbruch, Der unitarische Bundesstaat in Deutschland (Fn. 21), S. 54. 48 Vgl. Max Munding, Matthias Erzberger – ein Vergessener, in: Wallmann / Nowak / Mühlhausen / Steingässer (Hrsg.), Moderne Finanzkontrolle und öffentliche Rechnungslegung (Fn. 44), S. 325 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

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sicht zu nehmen. Auch konnte das Reich unter bestimmten Umständen49 grundsätzliche Regelungen über die Zulässigkeit und Erhebungsart von Landesabgaben aufstellen. Abgesehen von den Realsteuern und einigen örtlichen Aufwandsteuern hatten die Länder ihre Steuerquellen verloren. Mit dem Landessteuergesetz vom 30. März 192050 erhielten die Länder als Ersatz prozentuale Zuweisungen aus dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer, Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer, die nach dem Prinzip des örtlichen Aufkommens auf die Länder verteilt wurden.51 Mit der Vereinheitlichung des Steuerrechts ging auch eine Vereinheitlichung der Steuerverwaltung einher, die nun Reichsangelegenheit war. Zugleich wurde der Reichsfinanzhof in München gegründet, um die Gleichmäßigkeit der Steuerrechtsprechung zu sichern. Da die Länder nun am Ertrag der Reichssteuern beteiligt wurden, ergab sich hier eine Schnittstelle zwischen Reich und Ländern. Verflechtungen gab es aber auch bei den Ausgaben, z. B. bei Gemeinschaftsaufgaben52 und der zunehmenden „Fondsverwaltung“, bei der das Reich Länderaufgaben mitfinanzierte. Mit Artikel 86 Weimarer Reichsverfassung53 wurde erstmals die Rechnungsprüfung in einer Reichsverfassung erwähnt, ohne dabei allerdings die Prüfungseinrichtung konkret zu benennen.54 Der Reichsrechnungshof erhielt erstmals eine dauerhafte Rechtsgrundlage in der Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 1922.55 Die Personalunion des Präsidenten des Reichs49 Art. 11 WRV: „Soweit sie erforderlich sind, um 1. Schädigung der Einnahmen oder der Handelsbeziehungen des Reichs, 2. Doppelbesteuerungen, 3. übermäßige oder verkehrshindernde Belastung der Benutzung öffentlicher Verkehrswege und Einrichtungen mit Gebühren, 4. steuerliche Benachteiligungen eingeführter Waren gegenüber den eigenen Erzeugnissen im Verkehre zwischen den einzelnen Ländern und Landesteilen oder 5. Ausfuhrprämien auszuschließen oder wichtige Gesellschaftsinteressen zu wahren.“ 50 RGBl. 1920 S. 402. 51 www.historisches-lexikon-bayerns.de (Navigation: „Artikel A–Z“, „Buchstabe L“ „Länderfinanzausgleich“, „Finanzausgleich in der Weimarer Republik“). 52 Gemeinschaftsaufgaben im Bildungsbereich, vgl. z. B. Art. 143 WRV: „Für die Bildung der Jugend ist durch öffentliche Anstalten zu sorgen. Bei ihrer Einrichtung wirken Reich, Länder und Gemeinden zusammen.“ 53 Artikel 86 WRV: „Über die Verwendung aller Reichseinnahmen legt der Reichsfinanzminister in dem folgenden Rechnungsjahre zur Entlastung der Reichsregierung dem Reichsrat und dem Reichstag Rechnung. Die Rechnungsprüfung wird durch Reichsgesetz geregelt.“ 54 Vgl. Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland (Fn. 9), S. 65. 55 RGBl. II 1923 S. 17 ff.; vgl. § 87 RHO („Die Überwachung der gesamten Reichshaushaltsführung sowie die Prüfung der im § 88 Ziffer 4 aufgeführten besonderen Rechnungen liegt dem Rechnungshofe des Deutschen Reichs nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen ob“) sowie § 118 RHO („Der Rechnungshof ist eine

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rechnungshofes und der Preußischen Oberrechnungskammer blieb erhalten, allerdings war nun das Amt des Präsidenten des Reichsrechnungshofes das Hauptamt und das des Präsidenten der Preußischen Oberrechnungskammer das Nebenamt.56 Noch immer waren die Institutionen der Finanzkontrolle im Reich und in den Ländern sehr heterogen. Oftmals galten in den Ländern – trotz des Wandels der Staatsform von der konstitutionellen Monarchie zur Republik – die gesetzlichen Regelungen zur Finanzkontrolle57 aus der Vorkriegszeit58 weiter. Hinsichtlich der Stellung, Funktion und Organisation der Prüfbehörden gab es zahlreiche Unterschiede in den Ländern, die in der Weimarer Zeit nicht bereinigt wurden. Das Prinzip der Unabhängigkeit war nicht bei allen Kontrollinstanzen der Länder verwirklicht.59 Auch unterschieden sich die Aufgabenstellungen der Kontrollinstanzen. Beispielsweise war die Vorprüfung durch die Verwaltung sehr unterschiedlich ausgeprägt. Auch bestanden teilweise Weisungsbefugnisse gegenüber den geprüften Verwaltungen.60 Der Präsident des Reichsrechnungshofes Friedrich Saemisch hat sich noch der Reichsregierung gegenüber selbständige, nur dem Gesetz unterworfene oberste Reichsbehörde“). 56 Vgl. Klaus Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland (Fn. 9), S. 68; vgl. außerdem Norbert Berthold Wagner, 50 Jahre Bundesrechnungshof (Fn. 28), S. 109 f., der von „freiwilliger Organwalterleihe“ spricht. 57 Vgl. z. B. für Hessen: „Gesetz, die Abänderung des Gesetzes über die Einrichtung und Befugnisse der Oberrechenkammer betreffend vom 4. Dezember 1923“. Hierin wird in Abänderung des „Gesetzes, die Einrichtung und Befugnisse der Oberrechenkammer betreffend vom 14. Juni 1879“, die Regierung ermächtigt, „in den Aufgaben und der Organisation der Oberrechnungskammer die Änderung eintreten zu lassen, die sie für geeignet hält, um Arbeiten, deren Bedeutung in keinem Verhältnis zu dem für ihre Ausführung erforderlichen Verwaltungsaufwand steht, in Wegfall zu bringen.“ Eine durchgreifende Änderung der Rechtsgrundlagen war damit nicht verbunden. 58 In Württemberg und Bayern stammten die Rechtsgrundlagen beispielsweise sogar aus vorparlamentarischen Zeiten Anfang des 19. Jahrhunderts, vgl. Franz-O. Gilles, Der Reichsrechnungshof zwischen obrigkeitsstaatlicher Tradition und geforderter Demokratisierung, in: Theo Pirker (Hrsg.), Rechnungshöfe als Gegenstand zeitgeschichtlicher Forschung – Entwicklung und Bedeutung der Rechnungshöfe im 20. Jahrhundert, Berlin 1987, S. 19 (32). 59 Vgl. Franz-O. Gilles, Der Reichsrechnungshof zwischen obrigkeitsstaatlicher Tradition und geforderter Demokratisierung (Fn. 58), S. 31: In Anhalt, SchaumburgLippe, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Württemberg waren die obersten Kontrollinstanzen dem Staatsministerium oder dem Finanzministerium unterstellt, in Thüringen und Braunschweig gehörten zum Kammervorstand Landtagsabgeordnete, in Hamburg und Lübeck unterstand das Rechnungsamt unmittelbar dem Senat, in Bremen war es ein Organ der Finanzdeputation. 60 Vgl. Franz-O. Gilles, Der Reichsrechnungshof zwischen obrigkeitsstaatlicher Tradition und geforderter Demokratisierung (Fn. 58), S. 32.

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1931 für eine Rechtsangleichung der Länder auf dem Gebiet des Prüfungswesens ausgesprochen. Seine Anregung, die Rechnungskontrolle auf vertraglicher Basis auf die Prüfungsinstanzen des Reiches oder Preußens zu übertragen,61 lässt eine große Distanz zwischen der Spitze des Reichsrechnungshofes und der Preußischen Oberrechnungskammer und den Kontrollinstanzen der anderen Länder erkennen. Auch war die Arbeit der Finanzkontrolle durch die politischen Rahmenbedingungen der Weimarer Zeit stark geprägt. So blieb beispielsweise in Bayern eine Novelle zum Rechnungshofgesetz aus dem Jahr 1921 jahrelang im Parlament unbehandelt und wurde 1929 sogar zurückgezogen. In den politischen Wirren der Zeit sah es die Politik nicht als vordringlich an, sich mit Fragen der Organisation der staatlichen Finanzkontrolle zu befassen.62 Außerdem war die Beamtenschaft überwiegend traditionell monarchistisch und innerlich gegen die neuen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen eingestellt. Teilweise hielten die Siegermächte die in den öffentlichen Bemerkungen des Reichsrechnungshofes beschriebenen Haushaltsverstöße der Reichsregierung vor.63 Auch für die Weimarer Republik sind institutionalisierte Treffen der Finanzkontrollbehörden von Reich und Ländern nicht überliefert. Bilaterale Kontakte zum Erfahrungsaustausch, wie z. B. zwischen den Finanzkontrolleinrichtungen von Bayern und Sachsen64, stellten wohl eher die Ausnahme dar. 4. Nationalsozialismus und die Anfänge in der Nachkriegszeit Die Nationalsozialisten unterbrachen mit der Gleichschaltung der Länder vorübergehend die föderale Tradition in Deutschland. Durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches65 gingen die Hoheitsrechte der Länder auf 61 Vgl. Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, Der Reichsrechnungshof im NS-Staat und die Neuordnung der staatlichen Finanzkontrolle im demokratischen Nachkriegsdeutschland, Berlin 1988, S. 69. 62 Vgl. Theo Pirker, Finanzkontrolle zwischen Föderalismus und Zentralismus, Der Bayerische Oberste Rechnungshof von 1919–1952, in: Dem Staat in die Kasse geschaut (Fn. 3), S. 39 (40). 63 Vgl. Franz-O. Gilles, Der Reichsrechnungshof zwischen obrigkeitsstaatlicher Tradition und geforderter Demokratisierung (Fn. 58), S. 26, und Friedrich von Pfuhlstein, Der Weg von der Preussischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof (Fn. 45), S. 77. 64 Vgl. Alois Igelspacher, Die Staatliche Finanzkontrolle in Bayern – Geschichte und Gegenwart, 200 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, München 2012, S. 52: „Einen Erfahrungsaustausch mit der königlich Sächsischen Oberrechenkammer wagte er erst aufzunehmen, nachdem das StMF ihm dies genehmigt hatte.“ 65 RGBl. I 1934 S. 75.

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das Reich über, und die Landesregierungen wurden der Reichsregierung unterstellt. Durch die zum 1. April 1936 in Kraft tretende vierte Novelle der Reichshaushaltsordnung wurde diese für alle Länder verpflichtend und damit erstmals ein einheitliches Haushaltsrecht in Deutschland geschaffen. Gleichzeitig ging die Rechnungsprüfung in den weiterhin bestehenden Ländern auf den Reichsrechnungshof über. Das war das (vorläufige) Ende einer selbstständigen staatlichen Finanzkontrolle in den Ländern. Die Entlastung in den Ländern konnte fakultativ von der Landes- oder der Reichsregierung beschlossen werden.66 Seit 1937 gehörten zum Rechnungshof des Deutschen Reiches in Potsdam die Außenabteilungen in München, Dresden, Karlsruhe und Hamburg. Später kamen Wien, Posen und Metz hinzu.67 Das Prüfungspersonal wurde überwiegend von den bisherigen Prüfungseinrichtungen der Länder übernommen, während der Leiter der Außenabteilung sowie der büroleitende Beamte in der Regel von der Potsdamer Zentrale entsandt wurden, um eine einheitliche Verfahrensweise sicherzustellen. Dabei wird von Spannungen zwischen der Zentrale und den Außenstellen berichtet.68 Mit der Besetzung des Reichsrechnungshofes im April 1945 durch sowjetische Truppen und durch Zerstörung der Außenstellen endete dessen Arbeit69 und damit auch das Intermezzo einer zentralistischen Finanzkontrolle in Deutschland. Unmittelbar nach Kriegsende gab es für die Zukunft der Finanzkontrolle Überlegungen einer sogenannten „Großen Lösung“. Damit war die Wiederherstellung der bisherigen Organisationsstruktur des Reichsrechnungshofes mit einer Zentrale in Potsdam und mit Außenabteilungen gemeint.70 Entsprechende Vorschläge des Chefs der ehemaligen Außenabteilung des Reichsrechnungshofes in Hamburg, Franz Haaser, wurden wegen der unterschiedlichen politischen Entwicklungen in den Zonen der Besatzungsmächte nicht verwirklicht. Stattdessen waren mit dem Zusammenschluss der Westdeutschen Besatzungszonen zur Bizone und dann zur Trizone eine Finanzkontrolle für deren Einrichtungen erforderlich. Als Vorläufereinrichtung des Bundesrechnungshofes wurde am 3. November 1948 für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet ein Rechnungshof per Gesetz eingerichtet.71 66

Vgl. Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 61), S. 70. Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes und die Versuche eines Neubeginns, DÖV 1986, S. 329 (330). 68 Vgl. Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 61), S. 70. 69 22 Angehörige des Reichsrechnungshofes, darunter auch sein letzter Präsident Heinrich Müller, verübten Selbstmord, vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 330. 70 Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 331. 71 Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 332. 67

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Auf Länderebene kam es in Süddeutschland schnell zur Wiedererrichtung von Institutionen der Finanzkontrolle. Für die französische Zone wurden bis 1946 die Rechenkammern in Speyer (Hessen-Pfalz), Tübingen (Süd-Württemberg) und Freiburg (Süd-Baden) gegründet, die auch zur Beratung der Militärregierung dienen sollten. Zeitgleich wurden in der amerikanischen Zone der Bayerische Oberste Rechnungshof in München, der Hessische Rechnungshof in Darmstadt72 und der Rechnungshof für Württemberg-Baden in Karlsruhe gegründet.73 Demgegenüber verlief die Entwicklung in der Britischen Besatzungszone anders, da dort – ohne Rücksicht auf die ehemaligen Bundesländer in Norddeutschland – Zentralämter geschaffen wurden und somit eine entsprechende Institution der Finanzkontrolle für die gesamte Besatzungszone notwendig war. Diese wurde aus der ehemaligen Außenstelle des Reichsrechnungshofes in Hamburg unter deren ehemaligem Chef Franz Haaser gebildet.74 Die neugebildeten Rechnungshöfe kamen schnell in Kontakt, zumal sie – wie z. B. in München und Hamburg – auch personell aus den früheren Außenstellen des Reichsrechnungshofes herauswuchsen (vgl. weiterhin dazu Abschnitt III.1.). III. Erfahrungsaustausch und gemeinsame Positionierung: die Präsidentenkonferenz und ihre Arbeitskreise 1. Die Präsidentenkonferenz und ihr Wirken Vorläufer der heutigen Präsidentenkonferenz sind erst ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg überliefert. Der Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofes Friedrich Cammerer75 griff eine Anregung der Präsidenten Wilhelm Boll (Hessen) und Franz Haaser (Britische Besatzungszone, vgl. Abschnitt II.4.) auf und richtete im September 1947 ein erstes Treffen der Präsidenten der Rechnungshöfe76 im unterfränkischen Klingenberg aus.77 Wesentliche Anliegen waren, in den Zonen Nachkriegsdeutschlands ein 72 Zu den Einzelheiten der Wiedererrichtung des Hessischen Rechnungshofes vgl. Karl-Heinz Steingässer, Der Aufbau des Hessischen Rechnungshofs (Fn. 44), S. 483 ff. 73 Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 332. 74 Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 332. 75 Zuvor Chef der Außenabteilung des Reichsrechnungshofes in München. 76 Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 61), S. 152, spricht von der „Geburtsstunde“ der Arbeitsgemeinschaft der obersten Rechnungsprüfungsbehörden, die seit der Gründung der Bundesrepublik als Präsidentenkonferenz regelmäßig zusammentritt. 77 Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 334; Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 3), S. 116.

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einheitliches Haushaltsrecht zu erhalten und für die neu geschaffenen Finanzkontrolleinrichtungen in den Ländern Rechtsgrundlagen zu schaffen.78 Auf der Konferenz wurde auch die Idee eines „Großen Senates“ bestehend aus den Präsidenten der Rechnungshöfe der Zonen und der Länder vorgestellt.79 Er sollte als eine oberste Entscheidungsinstanz die Einheitlichkeit der Rechtsauslegung auf dem Gebiet des Haushalts- und Rechnungsprüfungsrechts sichern. Weitere Vorschläge gab es zu gemeinsamen Prüfungen sowie zur Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft zum Austausch und zur Vereinheitlichung der Arbeitsweise.80 Der Vorschlag, einen „Großen Senat“ einzurichten, wurde für die Bizone81 aufgegriffen. Er war letztendlich beim Rechnungshof für die Britische Besatzungszone in Hamburg angesiedelt und ihm gehörten die Präsidenten der übrigen Rechnungshöfe an. Auch nach Gründung der Trizone82 war ein „Vereinigter Senat“ vorgesehen, der aber nie zusammengetreten ist.83 Auch das erste Bundesrechnungshofgesetz aus dem Jahr 195084 sah in § 10 einen „Vereinigten Senat“ aus Mitgliedern des Bundesrechnungshofes und der Rechnungsprüfungsbehörden der Länder vor. Dieser sollte grundsätzliche Fragen, die bei gemeinsamen Prüfungen oder bei der Übertragung von Prüfungsaufgaben auftreten, entscheiden sowie gutachtliche Stellungnahmen zu Fragen von besonderer Bedeutung abgeben. Insgesamt tagte der „Vereinigte Senat“ nur zweimal. Bedenken, ob er mit der grundsätzlichen Trennung der Haushalte von Bund und Ländern gemäß Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz vereinbar sei, waren schon bei seiner ersten Zusammenkunft geäußert worden.85 Der Gedanke eines „Vereinigten Senates“ wurde aufgegeben und ist im Bundesrechnungshofgesetz des Jahres 198586 nicht mehr enthalten. 78

Vgl. Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 61), S. 151. Teilnehmer kamen vom „Zonenrechnungshof“, vom Bayerischen Obersten Rechnungshof, vom Hessischen Rechnungshof und vom Rechnungshof von Württemberg-Baden, vgl. Hermann Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt (Fn. 61), S. 151. 80 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 3), S. 116. 81 Bizone oder Vereinigtes Wirtschaftsgebiet ist die Bezeichnung für den Teil Deutschlands, der nach dem Zweiten Weltkrieg der US-amerikanischen und der britischen Besatzungsmacht unterstellt war. Die beiden ursprünglich getrennten Besatzungszonen wurden am 1. Januar 1947 zur Bizone zusammengeschlossen. 82 Die Trizone wurde zum 3. November 1948 errichtet. Im März 1948 einigten sich die drei Westmächte in London darauf, ihre Besatzungszonen in Deutschland, die amerikanische, die britische sowie die französische Besatzungszone, zur so genannten Trizone zusammenzuschließen. 83 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 3), S. 117. 84 BGBl. I 1950 S. 765 f. 85 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 3), S. 117. 86 BGBl. I 1985 S. 1445 ff. 79

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Trotzdem etablierte sich ein Gedanken- und Erfahrungsaustausch der Rechnungshöfe in der jungen Bundesrepublik. Bereits 1964 notierte Josef Hausner, Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofes von 1961 bis 1967, in einem Beitrag zur Festschrift anlässlich des 250-jährigen Bestehens der Finanzkontrolle in Deutschland, die verschiedenartigen Formen des Austausches zwischen den Rechnungshöfen hätten „im Laufe der Jahre zu einem ständigen, engen Kontakt geführt, der überaus erfreuliche Arbeitsergebnisse erzielt hat und als Beispiel für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von obersten Bundes- und Landesbehörden dienen kann“.87 Hans Schäfer, Präsident des Bundesrechnungshofes von 1971 bis 1978, schrieb 1977 über die Präsidentenkonferenz, dass diese Gelegenheit biete, „Präsidialangelegenheiten, Fragen verbesserter Zusammenarbeit, Fachprobleme und deren weitere Behandlung auf höchster Ebene zu erläutern“.88 Karl Wittrock, Präsident des Bundesrechnungshofes von 1978 bis 1985, bezeichnete 1986 die Präsidentenkonferenz als „Organ der inneren Konsolidierung und Harmonisierung der Tätigkeit der Rechnungshöfe“.89 Auch Heinz Günter Zavelberg, Präsident des Bundesrechnungshofes von 1985 bis 1993 beschreibt 1988 die Konferenz als das „bedeutendste Organ der institutionalisierten Kooperation, das sich in der Praxis gut bewährt hat“.90 Bis heute gibt es für die Präsidentenkonferenz keine gesetzliche Grundlage. Für sie besteht allerdings eine sich aus Einzelbeschlüssen ergebende „ungeschriebene Geschäftsordnung“.91 Regelmäßig sind die Konferenzen zweitägig angesetzt und werden zweimal jährlich, jeweils im Frühjahr und im Herbst, von ihrem jeweiligen Vorsitzenden ausgerichtet. Der Vorsitz wechselt zum Juli eines jeden Jahres in einer gewachsenen Reihenfolge. Es nehmen regelmäßig auch der Präsident des Österreichischen Rechnungshofes, der Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle sowie das deutsche Mitglied des Europäischen Rechnungshofes teil. Einiges an der Konferenz erinnert an die Ideen, die schon in Klingenberg diskutiert wurden. Sie soll die wechselseitige Information und den Aus87 Josef Hausner, Zusammenarbeit der Obersten Finanzkontrollbehörden des Bundes und der Länder, in: Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt am Main, 1964, S. 183 (184). 88 Hans Schäfer, Finanzkontrolle im Bundesstaat, in: Wilke / Weber (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, München 1977, S. 450 (454). 89 Vgl. Karl Wittrock, Das Ende des Reichsrechnungshofes (Fn. 67), S. 334. 90 Heinz Günter Zavelberg, Finanzkontrolle im Bundesstaat, in: Rechnungshof des Saarlandes (Hrsg.), Finanzkontrolle im Saarland, 25 Jahre Rechnungshof des Saarlandes, Saarbrücken 1988, S. 93, abgedruckt in: Eibelshäuser / Erb / Kaltenbach / Teichmann-Schulz (Hrsg.), Mut zur Veränderung, Festschrift zum 65. Geburtstag von Heinz Günter Zavelberg, Frankfurt 1993, S. 66. 91 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 3), S. 119.

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tausch von Prüfungserfahrungen und Prüfungsmethoden sicherstellen, in übergreifenden Fragen der Finanzkontrolle möglichst zur einheitlichen Meinungsbildung und Rechtsauslegung beitragen. Außerdem soll sie mehrere Rechnungshöfe berührende Prüfungsvorhaben von gemeinsamem Interesse abstimmen, Prüfungsvereinbarungen vorbereiten, eine gemeinsame Fortbildung entwickeln und die Außendarstellung der Rechnungshöfe fördern.92 Weiterhin soll sie zur Überprüfung, der Bestätigung oder der Korrektur des eigenen Standpunktes beitragen.93 Die Tagesordnung ergibt sich aus den Anregungen und Vorschlägen aller Teilnehmer sowie aus den Berichten der Arbeitskreise. Der von Wittrock geäußerten Kritik,94 nicht immer werde dabei die grundsätzliche Bedeutung erkannt, vermag sich der Autor dieses Beitrags aus seiner zwölfjährigen Praxis in der Präsidentenkonferenz (2001 bis 2013) nicht anzuschließen. 2. Die Arbeitskreise der Präsidentenkonferenz Die Präsidentenkonferenz hat verschiedene Arbeitskreise gebildet. Diese bereiten die Beschlüsse in fachlicher Hinsicht vor. Sie sollen als Instrument der Förderung einer einheitlichen Meinungsbildung und zum Erfahrungsaustausch dienen. Die Präsidentenkonferenz hat dazu Richtlinien erlassen, die in größeren Zeitabständen – zuletzt am 28. September 1999 – aktualisiert werden.95 Wittrock,96 der die Richtlinie mit Stand vom 27. Oktober 1971 beschreibt, hebt hervor, dass die Beratungsthemen damals noch den Arbeitskreisen durch Beschluss der Präsidentenkonferenz zugewiesen wurden. Den Arbeitskreisen blieb es aber unbenommen, unabhängig von der festgelegten Tagesordnung einen Erfahrungs- und Informationsaustausch vorzunehmen. Demgegenüber stellen nach der aktuellen Richtlinie die Arbeitskreise ihre Tagesordnung in eigener Verantwortung auf und bekommen lediglich darüber hinaus Themen von der Präsidentenkonferenz – bei Dringlichkeit auch vom 92 Vgl. Europäische Organisation regionaler externer Institutionen zur Kontrolle des öffentlichen Finanzwesens (EURORAI) (Hrsg.), Regionale externe Finanzkontrolle in Europa, 3. Aufl., Valencia 2009, S. 10. 93 Vgl. Karl Wittrock, Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik – Mittel und Zweck überregionaler Kooperation, Die Verwaltung Bd. 19 (1986), S. 363 (366). 94 Vgl. Karl Wittrock, Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik (Fn. 93), S. 363 ff. 95 Richtlinien für Arbeitskreise der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder vom 28. September 1999, beschlossen in der Konferenz der Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder in Schwerin. Diese Richtlinien aktualisieren die Richtlinien vom 5. Mai 1993. 96 Vgl. Karl Wittrock, Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik (Fn. 93), S. 366.

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Vorsitzenden der Präsidentenkonferenz – zugewiesen. Den Arbeitskreisen gehört grundsätzlich ein Vertreter jedes Rechnungshofes an, der vom Präsidenten benannt wird. In der Regel ist dies der fachlich zuständige Prüfungsabteilungs- bzw. Prüfungsgebietsleiter, soweit nicht die Präsidentin oder der Präsident selbst die Vertretung im Arbeitskreis übernimmt. Es ist jedoch üblich, dass zu den Treffen der Arbeitskreise auch weitere Mitarbeiter der Rechnungshöfe hinzugezogen werden. Sie tagen in der Regel einmal jährlich. Aus der Niederschrift über die Beratungsergebnisse sollen auch abweichende Auffassungen einzelner Mitglieder ersichtlich sein. Sie ist zu unterteilen nach Themen, die von der Präsidentenkonferenz zugewiesen wurden, und solchen, die die Mitglieder in eigener Zuständigkeit erörtert haben. Erstere sollen in Leitsätzen zusammengefasst werden.97 – – – – – – – – – –

Folgende Arbeitskreise sind derzeit eingerichtet: Arbeitskreis „Haushaltsrecht und Grundsatzfragen“ Arbeitskreis „Steuer“ Arbeitskreis „Wirtschaft und Beteiligungen“ Arbeitskreis „Rundfunk“ Arbeitskreis „Hochschulen und Forschungseinrichtungen und Kultur“ Arbeitskreis „Bau“ Arbeitskreis „Organisation und Informationstechnik“ Arbeitskreis „Soziales“ Arbeitskreis „Personal“ Arbeitskreis „Schulen“

Die Arbeitskreise können jederzeit durch Beschluss der Präsidentenkonferenz verändert werden. So wurde z. B. im Mai 2007 dem Arbeitskreis Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Bereich Kultur zugeordnet.98 3. Beschlüsse der Präsidentenkonferenz Die Beschlüsse der Präsidentenkonferenz in Sachfragen können, so hat es die Konferenz selbst beschlossen,99 von den Anwesenden nur einstimmig gefasst werden. Ein einzelnes Mitglied kann einen Beschluss durch eine Nein-Stimme verhindern. Enthält es sich, kommt der Beschluss zustande, ohne dass seine Enthaltung nach außen dokumentiert wird. 97 Nr. 4 der Richtlinien für Arbeitskreise der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder vom 28. September 1999 (Fn. 95). 98 Beschluss der Präsidentenkonferenz vom 2. bis 4. Mai 2007 in Mettlach. 99 So zuletzt ausdrücklich bestätigt in der Konferenz vom 7. bis 9. Oktober 1996 in Schwäbisch Gmünd.

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Die Beschlüsse der Präsidentenkonferenz entfalten keine rechtliche Bindung auf Entscheidungen der Senate bzw. Kollegien der einzelnen Rechnungshöfe.100 Diese allein bleiben zuständig, die sich aus der Arbeit in ihrem Verantwortungsbereich ergebenden Sachverhalte zu bewerten. Die Präsidentinnen und Präsidenten haben zwar die Aufgabe, ihre Häuser nach außen zu vertreten.101 In materiellen Fragen sind aber die Senate und Kollegien der Rechnungshöfe unabhängig102 und damit auch nicht an Abstimmungsergebnisse bzw. Konferenzbeschlüsse gebunden, bei denen ihr Präsident mitgestimmt hat. Damit können den Senaten weder ihre Präsidentin oder ihr Präsident noch die Präsidentenkonferenz Vorgaben bei fachlichen Bewertungen machen. Dies gilt auch dann, wenn vor einer Entscheidung der Präsidentenkonferenz ein Arbeitskreis Leitsätze erarbeitet und einstimmig verabschiedet hat. Zu Recht wird allerdings darauf hingewiesen, dass ungeachtet dieser formalen Betrachtung solche Beschlüsse in der Praxis mindestens eine Ausstrahlungswirkung auf Entscheidungen der Beschlussorgane von Rechnungshöfen haben.103 Denn die Beschlüsse sind Ergebnis eines auf breiter Basis stehenden Meinungsbildungsprozesses und genießen damit hohen fachlichen Respekt.104 Eine Auswahl von 17 wesentlichen Beschlüssen der Präsidentenkonferenzen ab 1987 ist in Teil VIII des Haushaltsrechtskommentars von Dieter Engels und Manfred Eibelshäuser abgedruckt. Die Beschlüsse betreffen unterschiedlichste Fragestellungen der Finanzkontrolle. Einige Beschlüsse lassen sich zu Fallgruppen zusammenfassen. Eine wichtige Gruppe von Beschlüssen stellt eine Art Rahmenvereinbarung für die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe untereinander dar.105 Eine weitere betrifft Fragen der Zusammenarbeit deutscher Rechnungshöfe mit dem Europäischen Rechnungshof.106 Weitere Beschlüsse formulieren Standards aus der Sicht der 100

Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 2), Art. 114 GG Rn. 330. Vgl. z. B. § 6 Abs. 1 BRHG und § 6 Abs. 1 Gesetz über den Hessischen Rechnungshof. 102 Vgl. §§ 8 ff. i. V. m. 6 Abs. 3 S. 2 Gesetz über den Hessischen Rechnungshof. 103 Zavelberg spricht sogar von einer „Selbstbindung der Entscheidungsgremien“, da diese regelmäßig an der Vorbereitung der Beschlüsse beteiligt werden, siehe Heinz Günter Zavelberg, Gelebter Föderalismus (Fn. 3), S. 49. 104 So auch Karl Wittrock, Die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe in der Bundesrepublik (Fn. 93), S. 367; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 2), Art. 114 GG Rn. 330. 105 Die Reichenhaller Erklärung vom 18. / 19. Oktober 1976 zur Prüfung von Gemeinschaftsaufgaben, die Kölner Vereinbarung vom 28. bis 30. April 1988 und die Trierer Empfehlung vom 6. bis 8. Mai 1996 (VIII / 1.1–3). 106 Beschlüsse der Konferenzen vom 22. bis 24. September 1987 in Potsdam (VIII / 2.1), vom 4. bis 6. Mai 1998 in Chorin (VIII / 2.2), vom 3. August 2005 in München (zum Integrierten Internen Kontrollrahmen in den Mitgliedsstaaten der EU 101

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Finanzkontrolle für die Verwaltungsorganisation107 oder für das Verwaltungshandeln in ausgewählten Bereichen108 oder sie geben Empfehlungen zur Vorgehensweise bei der Prüfung bestimmter Verwaltungsprozesse.109 Eine weitere Fallgruppe betrifft die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe.110 Es gibt außerdem Beschlüsse mit haushaltspolitischem Inhalt. Dazu gehört z. B. die Aufforderung zu einer verantwortungsvollen Begrenzung der Staatsverschuldung111 oder zu konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen, um den Belastungen der Länderhaushalte durch das Betreuungsrecht entgegenzuwirken.112 Eine Aufforderung an die Politik, die sich in einem konkreten Einzelfall an die politischen Entscheidungsträger eines Bundeslandes richtet, enthält der Beschluss der Konferenz vom 12. bis 14. September 2013 in Wiesbaden.113 Dieser wurde vor dem Hintergrund einer geplanten Sitzverlegung des Sächsischen Rechnungshofes von Leipzig nach Döbeln gefasst. Der und zur Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rechnungshof, VIII / 2.14) und vom 26. bis 28. September 2005 in Bamberg (VIII / 2.15). 107 Z. B. Beschluss der Konferenz vom 4. bis 6. Mai in Chorin zu Grundsätzen für die Organisation der Ministerien (VIII / 2.3). 108 Beschluss der Konferenz vom 28. bis 30. September 1998 in Mainz zum Einsatz derivativer Finanzierungsinstrumente (VIII / 2.4) sowie zum selben Thema der Beschluss der Konferenz vom 4. bis 6. Mai 2011 in Wernigerode (VIII / 2.17), Beschluss der Konferenz vom 3. / 4. Mai 2006 in München zu Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) (VIII / 2.16), Beschluss der Konferenz vom 29. September bis 1. Oktober 2003 in Wienhausen / Celle zum Cross Border Leasing (VIII / 2.12). 109 Beschluss der Konferenzen vom 23. bis 26. September 2001 in Jena zur Prüfung von IuK-Mindestanforderungen (VIII / 2.8) und zur Prüfung von IuK-Outsourcing (VIII / 2.9). 110 Beschluss der Konferenz vom 30. September bis 2. Oktober 2002 in Bonn zu Prüfungsrechten bei Fraktionen (VIII / 2.10) und Beschluss der Konferenz vom 27. bis 29. September 1999 in Schwerin zur Beteiligungsprüfung bei öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten (VIII / 2.6). 111 Beschluss der Konferenz vom 3. bis 5. Mai 2004 in Hildesheim (VIII / 2.13) und Beschluss der Konferenz vom 7. bis 9. Mai 2001 in Neuss zum Investitionsbegriff in Art. 115 GG und vergleichbaren Vorschriften der Landesverfassungen (VIII / 2.7). 112 Beschluss der Konferenz vom 5. bis 7. Mai 2003 in Potsdam (VIII / 2.11). 113 „Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben sich in ihrer Konferenz in Wiesbaden mit der geplanten Verlagerung des Sächsischen Rechnungshofes befasst. Sie halten es für bedenklich, dass eine eventuelle Sitzverlagerung nicht vorab mit dem Sächsischen Rechnungshof erörtert wurde und dass dessen eigene Organisationsüberlegungen bisher keine Beachtung gefunden haben. Die Präsidentinnen und Präsidenten erwarten, dass die in der Stellungnahme des Sächsischen Rechnungshofs vorgebrachten Argumente zum Gesetzentwurf im weiteren parlamentarischen Verfahren sachlich geprüft und bewertet werden.“

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Beschluss ist zum einen als Solidaritätsbekundung der Konferenz für die davon betroffenen Beschäftigten, zum anderen als Aufforderung an die Politik zu verstehen, auch nur den Anschein zu vermeiden, die Sitzverlegung eines Rechnungshofes könne als Mittel zur Maßregelung eines Rechnungshofes verstanden werden. Soweit Beschlüsse der Präsidentenkonferenz Themen wie z. B. ihre Zusammenarbeit untereinander, Wege des Erfahrungsaustausches oder klassische Präsidialangelegenheiten wie Organisation und Personalentwicklung in den Rechnungshöfen betreffen, berühren sie den originären Zuständigkeitsbereich der Präsidentinnen und Präsidenten innerhalb ihrer Häuser. Durch derartige Beschlüsse profitieren die Finanzkontrollinstitutionen insgesamt. Auch durch Beschlüsse, die Empfehlungen zur Vorgehensweise bei der Prüfung bestimmter Verwaltungsbereiche oder zu Standards der Verwaltungsorganisation enthalten, profitiert die Finanzkontrolle. Es handelt sich hierbei um eine besondere Form des Erfahrungsaustausches. Diese Beschlüsse dienen den Rechnungshöfen als Argumentationshilfen bei ihrer Prüfungstätigkeit. Gerade in Fragen der Prüfungsmethodik besteht nicht das Problem der mangelnden Vergleichbarkeit zwischen den Rechnungshöfen, da unterschiedliche rechtliche oder organisatorische Rahmenbedingungen keinen oder nur wenig Einfluss auf die Prüfungsmethodik haben. Im Übrigen tangieren Empfehlungen zur Prüfungsmethodik auch nicht die Unabhängigkeit der Beschlusskörper der Rechnungshöfe. Bei den Beschlüssen zur Prüfungsmethodik gibt es Parallelen zu den Prüfungsstandards des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer. Beschlüsse mit materiell-rechtlichem Inhalt unterliegen natürlichen Grenzen. So haben die Rechnungshöfe von Bund und Ländern schon wegen der unterschiedlichen Aufgaben der zu prüfenden Verwaltungen nur wenige Schnittmengen bei ihren Prüfungsobjekten. Aber auch innerhalb der Länder ist der rechtliche und organisatorische Rahmen in vielen Bereichen heterogen. Häufig divergieren Gesetze, aber auch der Zuschnitt der Verwaltung in den einzelnen Ländern zumindest in Nuancen. So kann es auch bei vergleichbaren Fragestellungen unterschiedliche Ausgangslagen und Bewertungsmaßstäbe geben. Dies ist Konsequenz der strikten Trennung der einzelnen Haushalte in Artikel 109 Grundgesetz. Natürlich hat das Haushaltsgrundsätzegesetz zu einer Vereinheitlichung der Haushaltsordnungen geführt. Trotzdem sind in den Ländern und beim Bund zahlreiche Gesetze, die bei der Würdigung eines Sachverhaltes durch die Rechnungshöfe anzuwenden sind, verschieden. In der Öffentlichkeit werden heute – auch von der Politik – Beschlüsse der Präsidentenkonferenz zur Staatsverschuldung akzeptiert. Längst ist es gängige Praxis, dass Rechnungshöfe als Mahner gegen ausufernde Staats-

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verschuldung auftreten. Dies gilt sowohl in den einzelnen Jahresberichten als auch in anderen (Sonder-)Veröffentlichungen. Zum Teil werden die Veröffentlichungen als „Anregungen“ für die Politik gewertet.114 Beschlüsse der Präsidentenkonferenz zu materiell-rechtlichen Fragen können sich als problembehaftet erweisen, wenn sich auch nur ein Rechnungshof bereits zu dem Beschlussgegenstand positioniert hat und die Präsidentenkonferenz in ihrem Beschluss auch nur teilweise von der bereits eingeschlagenen Linie dieses Rechnungshofes abweichen möchte. Ein inhaltlicher Widerspruch könnte zur Belastung im betreffenden Rechnungshof führen. Andererseits sind auch Beschlüsse zu Themen problematisch, bei denen nur einige der Teilnehmer Erkenntnisse aus konkreten Prüfungen haben, andere aber nicht. Hier ist fraglich, ob es den Gepflogenheiten der Finanzkontrolle förderlich ist, ein Votum in der Präsidentenkonferenz zu einer Frage abzugeben, ohne zuvor den Sachverhalt im eigenen Verantwortungsbereich ermittelt zu haben. Grundsätzlich kann ein solcher Beschluss nur sehr allgemein gefasst sein. Besitzt er aber dann noch die erhoffte Wirkung? Die Beschlüsse der Präsidentenkonferenzen gerade in der letzten Dekade unterstreichen das Bestreben der Rechnungshöfe, zu bedeutsamen Fragen des Finanzgebarens der öffentlichen Hand mit einer Stimme zu sprechen. Dies dient der Autorität der Finanzkontrolle. Ihre Grenze findet diese Harmonisierung aber in den Vorgaben des Grundgesetzes zum föderalen Staatsaufbau. Die Präsidentenkonferenz ist kein „Vereinigter Senat“, der Vorgaben für unabhängige Finanzkontrollinstitutionen formulieren kann. 4. Die Auskunftspflichten gegenüber Journalisten als aktuelles Thema Dass es immer wieder neue Herausforderungen für die Rechnungshöfe und ihre Präsidentinnen und Präsidenten gibt, die eine enge Abstimmung erfordern, belegt exemplarisch ein Themenbeispiel, das im Jahr 2013 diskutiert wurde: die Auskunftspflicht gegenüber Journalisten. Inwieweit Rechnungshöfe Journalisten zu Prüfungen Auskunft geben, kann Auswirkungen auf das Verhältnis zu den geprüften Stellen haben. Grundsätzlich erhöht es die Bereitschaft von geprüften Stellen zur Kooperation bei der Prüfung, wenn gewährleistet ist, dass die Öffentlichkeit Ergebnisse zunächst nicht mitgeteilt bekommt, zumindest nicht, bevor eine Abstimmung über die festgestellten Sachverhalte stattgefunden hat. Bei den 114 Vgl. Florian Rentsch, Die Schuldenbremse in Hessen – Ein Paradigmenwechsel: eine politische Retrospektive, in: Wallmann / Nowak / Mühlhausen / Steingässer (Hrsg.), Denkschrift für Manfred Eibelshäuser (Fn. 44), S. 395 (400).

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Rechnungshöfen hatte sich die Praxis herausgebildet, dass die Jahresberichte, die „Bemerkungen“, im Rahmen einer Pressekonferenz öffentlich gemacht wurden. Demgegenüber wurden auf Anfragen zu laufenden Prüfungsverfahren keine materiellen Prüfungsergebnisse mitgeteilt. Diese Sichtweise wurde auch in der Literatur gestützt. Weder Prüfungsmitteilungen gemäß § 96 Landeshaushaltsordnung / Bundeshaushaltsordnung noch beratende Äußerungen nach § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung / Landeshaushaltsordnung dürfen demnach an Journalisten gegeben werden.115 In jüngster Zeit wurde in zwei Gerichtsentscheidungen116 dem Anspruch von Journalisten auf Auskunft über Tatsachen, die in Prüfungsmitteilungen niedergelegt waren, stattgegeben. Im Urteil des OVG Münster wurde der Anspruch auf § 4 Pressegesetz NRW gestützt. Diese Vorschrift verpflichtet Behörden, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Demgegenüber wurde im Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes der Informationsanspruch des Journalisten gegenüber dem Bundesrechnungshof auf § 1 Absatz 1 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) gestützt. Demnach hat jeder Bürger – also nicht nur der Journalist – nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes117 gegenüber den Bundesbehörden einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Ursache dafür, dass der gleiche Sachverhalt auf Bundesund auf Landesebene auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen gestützt wird, liegt an den jeweils geltenden unterschiedlichen Gesetzen. In vielen – aber nicht in allen118 – Bundesländern existieren ebenfalls Informationsfreiheitsgesetze. Dagegen gibt es in allen Bundesländern Pressegesetze, nicht aber im Bund. Die Urteile erfordern eine Neupositionierung der Rechnungshöfe. Für die Praxis ihrer Pressearbeit ist eine einheitliche Verfahrensweise gegenüber Journalisten – schon im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit diesen gegenüber – wünschenswert. Dies wird jedoch durch Unterschiede der rechtlichen Rahmenbedingungen erschwert. Zu den bereits genannten Unterschieden ist nun ein Unterschied bei den Haushaltsordnungen getreten. Denn der Bundesgesetzgeber hat im Jahr 2013 in der Bundeshaushaltsordnung Ergänzungen 115

Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 2), Art. 114 GG Rn. 304. Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen vom 4. Januar 2013 AZ 5 B 1493 / 12 (Landesrechnungshof NRW) und BVerwG vom 15. November 2012, AZ 7 C 1 / 12 (Bundesrechnungshof). 117 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722). 118 Für ein Informationsfreiheitsgesetz in Hessen spricht sich Marius Weiß aus, vgl. ders., Der Rechnungshof als „Behörde“ im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), in: Wallmann / Nowak / Mühlhausen / Steingässer (Hrsg.), Denkschrift für Manfred Eibelshäuser (Fn. 44), S. 535. 116

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zur Zulässigkeit der Veröffentlichung von Prüfungsmitteilungen und von Berichten an das Parlament vorgenommen.119 Demnach dürfen abschließend festgestellte Prüfungsergebnisse bzw. abschließend vom Parlament beratene Berichte Dritten zugänglich gemacht werden. Durch die Ergänzungen hat der Bundesgesetzgeber zum einen die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit von Veröffentlichungen von Prüfungsergebnissen des Bundesrechnungshofes geregelt. Zum anderen schützt er explizit das Prüfungs- und Beratungsverfahren des Bundesrechnungshofes. Ebenso schützt er auch das Interesse des Bundestages, indem Berichte des Bundesrechnungshofes an ihn erst dann in die Öffentlichkeit gegeben werden dürfen, wenn sie im Parlament abschließend beraten wurden. Entsprechende Regeln wurden in den Landeshaushaltsordnungen noch nicht übernommen. Derzeit wird über eine Unterarbeitsgruppe des Arbeitskreises „Haushaltsrecht und Grundsatzfragen“ der Meinungsstand für ein weiteres Vorgehen der Rechnungshöfe ausgelotet. Danach soll die Angelegenheit in der Präsidentenkonferenz weiterbehandelt werden. Zum Zeitpunkt der Abgabe dieses Beitrages (August 2013) war der Abstimmungsprozess noch nicht abgeschlossen. IV. Die Abgrenzung der Prüfungsrechte im föderalen System 1. Finanzbeziehungen und Kontrolle im Föderalismus des Grundgesetzes Die Finanzverfassung des Grundgesetzes schlägt einen Mittelweg zwischen der strikt föderalistischen Finanzverfassung des Kaiserreiches und der unitarischen Finanzverfassung der Weimarer Reichsverfassung ein.120 Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz trennt grundsätzlich die Haushalte von Bund und Ländern. Dem entspricht Artikel 104a Absatz 1 Grundgesetz, nach dem Bund und Länder gesondert die Ausgaben zu tragen haben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Insbesondere durch diese beiden die 119 Durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Bundeshaushaltsordnung vom 15. Juli 2013, BGBl. I S. 2395, wurde insbesondere § 96 Abs. 4 BHO ergänzt: „Der Bundesrechnungshof kann Dritten durch Auskunft, Akteneinsicht oder in sonstiger Weise Zugang zu dem Prüfungsergebnis gewähren, wenn dieses abschließend festgestellt wurde. Gleiches gilt für Berichte, wenn diese abschließend vom Parlament beraten wurden. Zum Schutz des Prüfungs- und Beratungsverfahrens wird Zugang zu den zur Prüfungs- und Beratungstätigkeit geführten Akten nicht gewährt. Satz 3 gilt auch für die entsprechenden Akten bei den geprüften Stellen.“ 120 Vgl. Hans-Günter Henneke, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Juni 1999, Art. 114 GG Rn. 10.

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Finanzen betreffenden Vorschriften wird die Eigenstaatlichkeit von Bund und Ländern abgesichert. Das Trennungsprinzip ist jedoch nicht konsequent durchgehalten. Auf der Einnahmenseite werden durch Finanzbehörden der Länder nach Artikel 106 Absatz 3 Grundgesetz Gemeinschaftsteuern erhoben, die zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Auf der Ausgabenseite kann der Bund den Ländern unter bestimmten Voraussetzungen Finanzhilfen nach Artikel 104b Grundgesetz gewähren, Geldleistungen nach Artikel 104a Grundgesetz tragen oder im Rahmen von Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91a und 91b Grundgesetz zusammen mit ihnen Aufgaben erfüllen bzw. bei der Förderung zusammenwirken. Verflechtungen gibt es auch bei der Ausführung der Bundesgesetze durch die Verwaltung. Diese werden nach Artikel 83 Grundgesetz grundsätzlich von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Das Grundgesetz kann aber auch bestimmen, dass die Länder sie im Auftrag des Bundes ausführen, sodass ein Weisungsrecht des Bundes besteht.121 Im Zusammenspiel von Bund und Ländern hat sich seit Inkrafttreten des Grundgesetzes das ungeschriebene Element des bundesfreundlichen Verhaltens eingebürgert. Hierbei handelt es sich um eine wechselseitige Pflicht, bei der nicht nur die Länder gegenüber dem Bund verpflichtet sind, sondern auch der Bund gegenüber den Ländern. Der Grundsatz fordert, dem Wesen des Bündnisses entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung der Belange des Bundes und seiner Glieder beizutragen.122 Der Grundsatz soll dort eingreifen, wo die Interessen von Bund und Ländern auseinanderfallen. Er hat stets das übergreifende Gemeinwohl, die gegenseitige Ergänzung der staatlichen Tätigkeit von Bund und Ländern zu einem stimmigen Ganzen, das Funktionieren als Gesamtheit im Auge. Weist das Grundgesetz dem Bund und den Ländern Kompetenzen und Zuständigkeiten zu, so sind diese im Interesse des Gemeinwohls wahrzunehmen.123 Im Bereich der Finanzkontrolle erwähnt das Grundgesetz in Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz – im Unterschied zur Verwaltung – mit dem Bundesrechnungshof nur die Finanzkontrolleinrichtung des Bundes. Die Landesrechnungshöfe als Kontrollinstanzen der Länder sind nur in den Landesver121 Obligatorische Auftragsverwaltung: Art. 90 Abs. 2 GG: Verwaltung der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs; Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG: Ausführung von Geldleistungsgesetzen des Bundes; Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG: Steuerverwaltung; fakultative Auftragsverwaltung: Art. 87b Abs. 2 GG: Bundeswehrverwaltung und Zivilschutz. 122 Vgl. Siegfried Broß / Karl-Georg Meyer, in: von Münch / Kunig, Grundgesetzkommentar, 6. Aufl., München 2012, Vorb. zu Art. 83–87 GG Rn. 3. 123 Vgl. Siegfried Broß / Karl-Georg Meyer, in: von Münch / Kunig (Fn. 122), Vorb. zu Art. 83–87 GG Rn. 9.

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fassungen genannt. Trotzdem geht das Grundgesetz auch im Bereich der Finanzkontrolle davon aus, dass sich die Finanzkontrolleinrichtungen des Bundes und der Länder bundestreu verhalten. Der Verfassungsstaat duldet keine prüfungsfreien Räume, die Rechnungsprüfung ist auf Vollständigkeit angelegt.124 Da es aufgrund der Verflechtungen in der Verwaltungs- und Finanzverfassung des Grundgesetzes nicht immer eine eindeutige kompetenzrechtliche Abgrenzung gibt, sehen die §§ 93 Absatz 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung / Landeshaushaltsordnung, 43 Absatz 3 Haushaltsgrundsätzegesetz die Möglichkeit einer gemeinsamen Prüfung vor. Sie soll vor allem Doppelprüfungen vermeiden. Die gemeinsame Prüfung zwischen dem Bundesrechnungshof und einem Landesrechnungshof hat in der Praxis geringe Bedeutung.125 Es gibt jedoch mit den „Trierer Empfehlungen“ für den Bereich der Steuererhebungen, der „Reichenhaller Erklärung“ für die Gemeinschaftsaufgaben und mit der „Kölner Vereinbarung“ für die Zuwendungen Absprachen des Bundesrechnungshofes mit den Landesrechnungshöfen, in denen Rahmenbedingungen zur Prüfung bei Kompetenzüberlappungen festgelegt sind (vgl. Abschnitt III.3., Fußnote 105). Hinzu kommen bilaterale Vereinbarungen zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen im Bereich der sozialen Leistungsgesetze.126 Auch zwischen den Landesrechnungshöfen gibt es Prüfungsvereinbarungen, meist mit dem Inhalt, dass bei Kompetenzüberschneidungen die Prüfungen durch den ortsnahen Rechnungshof (Sitzlandprinzip) vorzunehmen sind und dieser die anderen Rechnungshöfe von seinen Prüfungserkenntnissen unterrichtet. Trotz dieser Vereinbarungen ist die Reichweite der Prüfungskompetenzen gerade zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen gelegentlich umstritten und manchmal sogar Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. 2. Abgrenzungsprobleme bei der Kontrolle vertikaler Finanzbeziehungen a) Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofes bei der Steuerverwaltung Auf die Probleme im Bereich der Steuern, die aus dem Zusammenspiel von Bund und Ländern rühren, wurde insbesondere vom Bundesrechnungs124

Vgl. Josef Isensee, Finanzkontrolle im Bundesstaat (Fn. 4), S. 32 f. Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 2), Art. 114 GG Rn. 331; Rolf-Dietrich Kammer, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Dezember 1999, § 93 BHO Rn. 2. 126 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 2), Art. 114 GG Rn. 335. 125

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hof und von dessen Präsidenten als Bundesbeauftragtem für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hingewiesen.127 Die Länder, die das Personal der Finanzbehörden stellen, hätten oftmals kein eigenes Interesse daran, Personal aufzustocken, um das Steueraufkommen zu optimieren.128 Es fehle der ökonomische Anreiz dazu, die Steuerquellen möglichst vollständig auszuschöpfen, da – gerade in wirtschaftlich starken Ländern – Mehreinnahmen durch den Länderfinanzausgleich nicht dem eigenen Land zugutekommen. Da die dem Bund und den Ländern zustehenden Gemeinschaftsteuern von Landesfinanzbehörden erhoben werden, ist für die Finanzkontrolle hier grundsätzlich ein Nebeneinander in der Zuständigkeit der Rechnungshöfe von Bund und Ländern angelegt. Die Präsidentenkonferenz hat eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Bundes- und Landesrechnungshöfen im Bereich der Steuern getroffen. In der sogenannten „Trierer Empfehlung“129 wurde u. a. verabredet, dass sich Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfe gegenseitig so früh wie möglich über ihre Arbeitsplanung und über den Beginn ihrer örtlichen Erhebungen unterrichten. Ebenso unterrichten sie sich über wesentliche Prüfungserkenntnisse. Dies soll auch für Erkenntnisse gelten, die die Rechnungshöfe im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit gewonnen haben. Weiterhin betrifft die Vereinbarung die Verwertung der einander mitgeteilten Prüfungserkenntnisse und die Vertretung von Prüfungserkenntnissen eines Landesrechnungshofes gegenüber dem Bund durch den Bundesrechnungshof. In Abänderung dieser Vereinbarung wurde auf der Präsidentenkonferenz in Dresden 1996 beschlossen, dass – abgesehen von aufgezählten Ausnahmen – grundsätzlich den Landesrechnungshöfen die Prüfungsrechte hinsichtlich der Organisation und der Geschäftsführung der Finanzämter zustehen. Im Änderungsbeschluss wird ausdrücklich betont, dass Einvernehmen bestehe, „dass die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder durch diese Empfehlung nicht berührt werden.“ 127 Vgl. hierzu: Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Hrsg.), Probleme beim Vollzug der Steuergesetze, Bonn 2006, S. 13. 128 Zur Problematik siehe auch: Heinz Günter Zavelberg, Die Kontrolle der Steuer- und Abgabenerhebung durch den Bundesrechnungshof, in: Kirchhof / Offerhaus / Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Finanzpolitik – Festschrift für Franz Klein, Köln 1994, S. 1141, sowie Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung, in: Magiera / Sommermann / Ziller (Hrsg.), Verwaltungswissenschaft und Verwaltungspraxis in nationaler und transnationaler Perspektive – Festschrift für Heinrich Siedentopf zum 70. Geburtstag, Berlin 2008, S. 241. 129 Abgedruckt bei: Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Dezember 2004, Teil VIII / 1.3 zusammen mit dem ändernden Beschluss der Konferenz vom 6. bis 8. Mai 1996 in Dresden.

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Im Jahr 2002 hatte das Bundesverwaltungsgericht einen Rechtsstreit zwischen dem Bundesrechnungshof und dem Freistaat Bayern zu entscheiden.130 Der Bundesrechnungshof hatte dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen örtliche Erhebungen bei der Oberfinanzdirektion München und weiteren Münchener Finanzämtern angekündigt. Inhaltlich ging es ihm um die umsatzsteuerliche Behandlung des Erwerbs bestimmter neuer Fahrzeuge. Der Freistaat Bayern hatte eine Prüfung abgelehnt und die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes in Zweifel gezogen. Neben dem Weisungs- und Aufsichtsrecht des Bundesfinanzministeriums sehe das Grundgesetz kein Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes gegenüber den Ländern vor. Die Prüfung durch den Bundesrechnungshof stelle einen unzulässigen Eingriff in die Eigenstaatlichkeit der Länder (Artikel 20 Absatz 1, Artikel 30 Grundgesetz), eine Verletzung des Prinzips der getrennten Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz) sowie des bundesfreundlichen Verhaltens dar. Falls überhaupt örtliche Erhebungen des Bundesrechnungshofes bei Landesfinanzbehörden in Betracht kämen, sei dies allenfalls im Rahmen einer gemeinsamen Prüfung nach § 93 Absatz 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung zulässig. Demgegenüber hatte sich der Bundesrechnungshof darauf berufen, dass es keine „prüfungsfreien Räume“ geben dürfe. § 91 Bundeshaushaltsordnung gewähre ihm ein Recht, bei Landesbehörden zu prüfen. § 93 Bundeshaushaltsordnung stehe dem nicht entgegen, da der Landesrechnungshof auf seine Mitprüfung verzichten könne. Nur durch Prüfungen bei den Landesbehörden könnten Vollzugsungleichheiten in der Steuerauftragsverwaltung aufgedeckt und durch Weisungen des Bundesfinanzministers abgestellt werden. Anderenfalls seien u. a. Belastungsungleichheiten der Bürger sowie Verzerrungen des Finanzaufkommens der Länder die Folgen.131 Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage des Bundesrechnungshofes stattgegeben und ist seiner Argumentation gefolgt. Das Recht, örtliche Erhebungen durchzuführen, ergebe sich aus § 91 Absatz 1 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung. Darin habe der Bundesgesetzgeber seinen Willen bekundet, die Finanzkontrolle nicht an den Verbandsgrenzen enden zu lassen, um keine „prüfungsfreien Räume“ zu schaffen. Gerade die Existenz von § 93 Bundeshaushaltsordnung sei ein systematisches Argument im Gesetz dafür, dass auch der Bundesrechnungshof bei Landesbehörden prüfen dürfe. Denn ohne ein entsprechendes Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes 130

Vgl. BVerwG vom 6. März 2002, AZ 9 A 16 / 01. Zur Position des Bundesrechnungshofes im Rechtsstreit sowie zu grundlegenden Problemen im Bereich der Steuerverwaltung und zu weiter gehenden Reformvorschlägen siehe Dieter Engels, Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Steuerverwaltung (Fn. 128), S. 241 ff. 131

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könne es gar nicht zu einer Konkurrenzsituation mit einem Landesrechnungshof kommen.132 Auch stünden dem keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber. Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz sei ein Generalauftrag für eine effektive Finanzkontrolle zu entnehmen. Demgegenüber müsse zwar auf die Eigenstaatlichkeit der Länder und ihre eigenverantwortliche Haushaltswirtschaft Rücksicht genommen werden. Diese Verfassungsprinzipien träten aber hier in ein Spannungsverhältnis zu dem Grundsatz der vollständigen Finanzkontrolle, der ebenfalls im Verfassungsrecht wurzele. Der Ausgleich dieses Gegensatzes sei in der gemeinsamen Prüfung nach § 93 Bundeshaushaltsordnung vorgesehen. Dass sich die Landesrechnungshöfe in der Praxis nicht an möglichen gemeinsamen Prüfungen beteiligten, sei nicht vom Bundesrechnungshof zu verantworten.133 Auch könne der Beklagte nicht von einem „Numerus clausus“ der Eingriffsbefugnisse des Bundes in den Länderbereich ausgehen. Eine solche Beschränkung der Eingriffsbefugnisse des Bundes auf die in der Verfassung beschriebenen, also im Fall der Steuerverwaltung die Aufsichts- und Weisungsrechte, könne das Gericht dem Gesetzeszusammenhang nicht entnehmen. Der Artikel 114 Absatz 2 Grundgesetz zu entnehmende Grundsatz einer vollständigen Finanzkontrolle würde ansonsten in einem wesentlichen Bereich ohne sachliche Rechtfertigung durchbrochen.134 b) Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofes bei den Landesverwaltungen bei Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen Auch auf der Ausgabenseite wurde die Frage, wie weit der Bundesrechnungshof Prüfungen bei Landeseinrichtungen durchführen darf, kontrovers diskutiert. Dass nicht erst in neuerer Zeit eine Konkurrenzsituation hinsichtlich des Prüfungsrechtes zwischen Bund und Land bzw. Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfen gesehen wird, belegt z. B. ein Beschluss des Landesrechnungshofes Nordrhein-Westfalen vom 14. Januar 1975.135 Der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes hatte an den Landesrechnungshof die Frage gerichtet, ob, und gegebenenfalls in welchem Umfang, dem Bundesrechnungshof im Bereich der Gemeinschaftsaufgaben ein Prüfungsrecht zustehe. Der Landesrechnungshof hatte dazu ausgeführt, dass zwar der Bundesrechnungshof grundsätzlich zu einer Prüfung bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung nach § 91 Absatz 1 132 133 134 135

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerwG vom 6. März 2002, AZ 9 A 16 / 01, BVerwG vom 6. März 2002, AZ 9 A 16 / 01, BVerwG vom 6. März 2002, AZ 9 A 16 / 01, DÖV 1977, S. 521 ff. mit Anmerkungen von

Rn. 15–17. Rn. 28. Rn. 31. Ulrich Ruge.

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Nr. 1 und 3 Bundeshaushaltsordnung berechtigt sein könne. Es gelte jedoch der Trennungsgrundsatz gemäß Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz. Demzufolge seien der Bundesrechnungshof ausschließlich für die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und die Landesrechnungshöfe für die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Länder zuständig. Der Bund wirke zwar bei den Gemeinschaftsaufgaben gemäß Artikel 91a Grundgesetz in einem gesetzlich bestimmten Rahmen bei der Festlegung und Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben mit. Die Durchführung sei jedoch ausschließlich Sache der Länder. Durch die gemeinsame Planung werde weder eine Mischverwaltung geschaffen, noch könnten Bundesbehörden den Landesbehörden Weisungen erteilen oder an den Entscheidungen der Landesbehörden mitwirken. Folglich seien die Landesregierungen allein ihren Parlamenten für ihr Handeln in dem Aufgabenbereich der Gemeinschaftsaufgaben haushaltsrechtlich verantwortlich. Für die Landesrechnungshöfe ergebe sich daher eine alleinige Prüfungszuständigkeit für die Zweckausgaben für Gemeinschaftsaufgaben einschließlich der Zuwendung an Begünstigte. Demgegenüber könne der Bundesrechnungshof bei den obersten Landesbehörden die „bestimmungsmäßige und wirtschaftliche Verwaltung und Verwendung der Mittel prüfen“. Es handele sich dabei aber nicht um eine „unmittelbare“ Prüfung des Landes selbst, sondern um eine – eingeschränkte – mittelbare Prüfung, die eine Kontrolle der eigenständigen Finanzgebarung des Landes ausschließe. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich 1975 im Zusammenhang mit einer Entscheidung zu Finanzhilfen im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes zu den Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich geäußert. Dem Bund sei es nicht mehr möglich, in die Abwicklung des Bundesprogrammes einzugreifen und die Mittelvergabe durch die Länder zu lenken. Die zuständigen Landesbehörden erledigten den administrativen Vollzug der Bundesförderung in eigener Verantwortung. Sie unterlägen dabei der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle des Rechnungshofes des Landes, während die parlamentarische Kontrolle des Bundestages und die des Bundesrechnungshofes nur bis zur Hingabe der Finanzhilfen der Länder reichten.136 Die Frage der Prüfungskompetenzen wurde auch auf der Präsidentenkonferenz vom 18. bis 19. Oktober 1976 in Saarbrücken erörtert. In einem Beschluss wurde vereinbart, dass der Bundesrechnungshof lediglich berechtigt ist, bei den zuständigen Landesministerien Erhebungen durchzuführen. Er könne dort die Abrechnungsunterlagen des Landes prüfen, soweit der Bund den gesetzlich bestimmten Anteil an den Ausgaben des Landes für Gemeinschaftsaufgaben erstatte. Der Bundesrechnungshof konnte sich nicht 136

Vgl. BVerfG vom 4. März 1975, AZ 2 BvF 1 / 72, Rn. 66.

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mit seiner Forderung durchsetzen, auch unterhalb der Ministerialebene und bei Dritten Erhebungen durchzuführen.137 Angestoßen von einem Beitrag von Heuer138 wurde in der Literatur – insbesondere von Autoren, die beim Bundesrechnungshof beschäftigt waren – kritisiert, dass der Bundesrechnungshof bei Gemeinschaftsaufgaben (Artikel 91a Grundgesetz) und Finanzhilfen (Artikel 104a Absatz 4 Grundgesetz) das Postulat, die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes umfassend zu prüfen, bisher nur unvollkommen verwirklichen könne.139 Insbesondere sei dem Bundesrechnungshof keine Erfolgskontrolle möglich, ob die Bundesmittel von den Ländern wirtschaftlich eingesetzt und die mit ihnen verfolgten politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder sonstigen Zwecke tatsächlich erreicht würden.140 Eine Erfolgskontrolle sei aber im Hinblick auf die Volumina der eingesetzten Bundesmittel erforderlich. Zwar verantworteten die Länder die verwaltungsmäßige Durchführung der geförderten Maßnahmen. Die Länder hätten dabei aber nur geringe eigene finanzielle Verantwortung. Die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen könne diese Problematik nicht zufriedenstellend lösen. Denn von den Landesrechnungshöfen könne nicht erwartet werden, dass sie ihr knappes Potenzial in größerem Umfang außerhalb der finanziellen Interessensphäre des eigenen Landes einsetzten.141 137 Vgl. Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes – Die Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes im Bereich der Länder bei Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen, DVBl. 1990, S. 555 (556). 138 Vgl. Ernst Heuer, Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten – Die Anwendung des § 91 BHO im Länderbereich und in der Sozialversicherung, Erhebungsrechte bei Rüstungsfirmen, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen (Fn. 27), S. 181. 139 Vgl. Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes (Fn. 137), S. 555. 140 Vgl. Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes (Fn. 137), S. 556. 141 Vgl. Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes (Fn. 137), S. 557; vgl. auch Ernst Heuer, Grenzen von Prüfungs- und Erhebungsrechten (Fn. 138), S. 188: „Würde eine Erhebungszuständigkeit verneint, so wäre in manchen Fällen mangels finanzieller Betroffenheit der Länder überhaupt kein Rechnungshof für die Kontrolle fachlicher Entscheidungen oder Verhaltensweisen staatlicher Stellen zuständig, obwohl der Bundesstaat die finanziellen Folgen letztlich tragen muss.“ Vgl. außerdem: Hans Schäfer, Finanzkontrolle im Bundesstaat (Fn. 88), S. 459: „Es kommt hinzu, dass sich die Landesrechnungshöfe bei der Bildung von Prüfungsschwerpunkten in der Regel Bereichen zuwenden, die ausschließlich oder überwiegend von den Ländern finanziert werden. Sollte hier ein Konflikt entstehen, kann nicht erwartet werden, dass die oberste Finanzkontrollbehörde eines Landes Prüfungsschwerpunkte unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Interessen des Bundes setzt.“

Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe 469

Um ein weiter in die Ländersphäre reichendes Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes herzuleiten, wurde an Stelle der Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz des Bundes auf die systematische Stellung des Artikel 114 Grundgesetz im X. Abschnitt des Grundgesetzes „Das Finanzwesen“ verwiesen. Diese zeige, dass die Prüfungsbefugnisse des Bundesrechnungshofes im Bundesstaat verfassungsrechtlich nicht von der Verwaltungskompetenzordnung her, sondern von der Finanz- oder der Finanzierungskompetenz des Bundes her definiert werden müssten.142 Nur wenn die Finanzkontrolle des Bundesrechnungshofes funktional zur Finanzierungskompetenz des Bundes verstanden werde, würden prüfungsfreie Räume vermieden.143 Die Finanzverantwortung des Bundes ende nicht mit der Weitergabe der Bundeshilfe an die Länder. Deren staatliche Organe seien Treuhänder der Haushaltsmittel und zur Rechenschaft gegenüber dem Bundesrechnungshof verpflichtet.144 Dieser Rechtsansicht wurde u. a. von Hans Blasius, zuletzt Vizepräsident des Landesrechnungshofes Nordrhein-Westfalen, widersprochen.145 Zwar äußerte er Verständnis für das Anliegen der Verfechter weitgehender Prüfungsund Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich bei Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen. Denn es bestünde „mitunter ein proportionaler Zusammenhang zwischen Prüfungsintensität und Finanzinteresse.“ Trotzdem sei eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundesrechnungshofes verfassungswidrig und daher nicht der richtige Weg. Als Lösungsvorschlag bietet er an, die Finanzausstattung der Länder so zu verbessern, dass auf Bundesfinanzierung via Sondermittel verzichtet werden könne.146 Auch in jüngerer Zeit hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, wie weit die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes in der Sphäre der Länder und Kommunen reichen kann. In Folge der sogenannten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 / 2009 hatte der Bund zur Abwehr 142 Vgl. Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes (Fn. 137), S. 558; vgl. auch Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 2), Art. 114 GG Rn. 217, der von einer Finanzierungskompetenz des Bundes zur Begründung von Prüfungsrechten des Bundesrechnungshofes ausgeht; dieser dürfe bei allen zuständigen Landesbehörden und Kommunen Erhebungen durchführen. 143 Vgl. Rolf-Dietrich Kammer, Finanzkontrolle und Finanzierungskompetenz des Bundes (Fn. 137), S. 559; Matthias Mähring, Externe Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem – Betrachtungen zu den föderativen Rahmenbedingungen im EU-Mitgliedstaat Deutschland, DÖV 2006, S. 195 (203). 144 Vgl. Jens Porzucek, Die Kontrolle der Finanzhilfen des Bundes – Zur Verfassungsmäßigkeit der Prüfungsrechte des Bundes bei Ländern und Kommunen bei Finanzhilfen aus dem Konjunkturpaket II, DÖV 2010, S. 838 (845). 145 Vgl. Hans Blasius, Prüfungs- und Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofs im Länderbereich?, DÖV 1992, S. 18. 146 Vgl. Hans Blasius, Prüfungs- und Erhebungskompetenzen (Fn. 145), S. 23 f.

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einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Finanzhilfen nach Artikel 104b Grundgesetz gewährt. Mit dem sogenannten „Konjunkturpaket II“ wurden insgesamt 10 Milliarden Euro vom Bund für Investitionen in die Bereiche Bildungsinfrastruktur und sonstige Infrastruktur den Ländern zur eigenen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt. Die Länder sollten die Finanzhilfen an die Letztempfänger – insbesondere an die Kommunen – weiterleiten.147 Das Zukunftsinvestitionsgesetz (ZuInvG)148 sah in seinem § 6a („Prüfung durch den Bundesrechnungshof“) eine gemeinsame Prüfung von Bundes- und Landesrechnungshöfen im Sinne von § 93 Bundeshaushaltsordnung vor, um festzustellen, ob die Finanzhilfen zweckentsprechend verwendet wurden (§ 6a Satz 3 ZuInvG). Dazu räumte § 6a Satz 4 ZuInvG dem Bundesrechnungshof das Recht ein, örtliche Erhebungen bei Ländern und Kommunen durchzuführen. Dieses Recht war – zusammen mit einem Recht der Bundesexekutiven, bei Ländern und Kommunen Bücher, Belege und sonstige Unterlagen einzusehen (§ 6a Satz 1 ZuInvG) – auf Anregung des Haushaltsausschusses des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren mit aufgenommen worden. Dabei hatte der Haushaltsausschuss seinerseits eine entsprechende Feststellung des Bundesrechnungshofes aufgegriffen. Dieser hatte mit Schreiben vom 6. Februar 2009 an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses ausgeführt, er betrachte „eine mögliche Überprüfung durch die Rechnungshöfe der Länder als nicht ausreichend.“149 Auch der damalige Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück äußerte bei den Beratungen im Bundesrat zu den Prüfungsrechten des Bundesrechnungshofes, sie erschienen ihm nicht „per se unsittlich, wenn der Bund so viel Geld gibt. Da wird man sich einigen müssen.“150 Die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe hat dazu auf ihrer Konferenz vom 13. bis 15. Mai 2009 in Lübeck folgenden Beschluss gefasst: „Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe sehen in § 6a des Zukunftsinvestitionsgesetzes einen Ausnahmetatbestand. Er erklärt sich aus der aktuellen Situation. Sie streben an, die Maßnahmen der Konjunkturpakete zeitnah zu begleiten und zu prüfen. Sie 147 Vgl. § 6a Abs. 2 ZuInvG; zu Einzelheiten des Konjunkturpaketes II vgl. Hubert Meyer / Herbert Freese, Konjunkturpaket II: Art. 104b GG als Ärgernis und Garant des Föderalismus, NVwZ 2009, S. 609. 148 Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder vom 2. März 2009, BGBl. I S. 671. 149 Stefan Korioth, Der Bundesrechnungshof, die Länder und die Gemeinden – ein verfassungsrechtliches Lehrstück zum deutschen Bundesstaat, in: Junkernheinrich / Korioth / Lenk / Scheller / Woisin, Jahrbuch öffentliche Finanzen 2010, Berlin 2010, S. 283. 150 Stefan Korioth, Der Bundesrechnungshof, die Länder und die Gemeinden (Fn. 149), S. 292.

Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe 471

werden sich über die Prüfungsplanungen und die Ergebnisse ihrer Prüfung eng austauschen. Dazu werden die Präsidentinnen und Präsidenten Ansprechpartner in den Rechnungshöfen benennen. Der Bundesrechnungshof wird kurzfristig die Landesrechnungshöfe zu einem Gespräch über das gemeinsame Vorgehen einladen.“ Gegen § 6a Satz 1, 3 und 4 ZuInvG sind einige Landesregierungen151 im Wege der abstrakten Normenkontrolle vorgegangen und haben beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Nichtigkeit beantragt. Die Regelungen in § 6a Satz 3 und 4 ZuInvG, die Prüfungen durch den Bundesrechnungshof ermöglichen, seien unvereinbar mit Artikel 114 Absatz 2 Satz 1, Artikel 104b und Artikel 109 Absatz 1 Grundgesetz. Der Vertreter verschiedener Landesregierungen im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, Stefan Korioth, hat die genannten Rechte des Bundesrechnungshofes mit den Worten kommentiert: „Hier wird normiert, was der Bundesrechnungshof seit Langem erstrebt hat: der Einmarsch in die Zuständigkeit der Länder“.152 Dies sei jedoch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Prüfungs- und Erhebungskompetenzen des Bundesrechnungshofes seien mit den Exekutivkompetenzen des Bundes verknüpft, die Grund und Grenze der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes bildeten. Zwar könne es in Fällen, in denen es um Bundesgelder geht, ausnahmsweise Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofes bei den Ländern geben. Diese müssten sich jedoch in jedem Fall auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes beziehen. Ein kontrollierendes Einwirken in den Bereich der Länder sei dem Bundesrechnungshof versagt. Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Landes sei ausschließlich Sache der Landesrechnungshöfe. Diese gewährleisteten, dass die bundesstaatliche Kompetenzverteilung nicht zu prüfungsfreien Räumen führe.153 Auch Kyrill Alexander Schwarz hat im Vorfeld der Entscheidung zwar anerkannt, dass der nicht unerhebliche Einsatz von Bundesmitteln im Rahmen des Konjunkturpaketes für eine weitreichende Interpretation der Befugnisse des Bundesrechnungshofes spreche. Finanzverfassungsrechtlich seien aber dem Bund gerade bei den Finanzhilfen nach Artikel 104b Grundgesetz enge Grenzen gesetzt. Die Befugnisse des Bundesrechnungshofes seien limitiert und fänden ihre Grenze in den finanzverfassungsrechtlich getrennten Räumen von Bund und Ländern.154 151 Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen. 152 Vgl. Stefan Korioth, Der Bundesrechnungshof, die Länder und die Gemeinden (Fn. 149), S. 289. 153 Vgl. Stefan Korioth, Der Bundesrechnungshof, die Länder und die Gemeinden (Fn. 149), S. 301. 154 Vgl. Kyrill-Alexander Schwarz, Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Bereich der Länder und Kommunen?, NdsVBl. 2010, S. 7 (10).

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Manfred Eibelshäuser

In seinem Beschluss vom 7. September 2010 ist das Bundesverfassungsgericht den Argumenten der Landesregierungen teilweise gefolgt und hat dabei Grundsätzliches zur Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofes bei Ländern und Kommunen entschieden. So schließe Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz Erhebungen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich nicht grundsätzlich aus. Angesichts der Verflechtung von Bundes- und Länderfinanzen in verschiedenen Teilbereichen der Finanzverfassung, namentlich bei Gemeinschaftsaufgaben und den Finanzhilfen, bedürfe der Bundesrechnungshof eines Instrumentariums der Informationsbeschaffung, um seine Aufgabe der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu erfüllen. Mit diesem Interesse des Bundes müsse jedoch die Haushaltsautonomie der Länder in Ausgleich gebracht werden. Die Grenzen der Befugnis des Bundesrechnungshofes im Verhältnis zu den Ländern sei der Verfassung zu entnehmen und daher Gegenstand der Auslegung des Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz.155 Hinsichtlich der Gewährung von Finanzhilfen sei die Befugnis des Bundesrechnungshofes zu Erhebungen im Länderbereich akzessorisch zur Kompetenz der Bundesverwaltung zu bestimmen.156 Das Gericht zieht bei seiner Entscheidung explizit in Betracht, dass die Bedeutung der Rechnungsprüfung weitreichende Einschränkungen der Haushaltsautonomie der Länder rechtfertigen könnte. Dies sei aber im zu entscheidenden Fall gerade nicht so zu bewerten. Weder bei der klassischen Rechnungsprüfung, bei der es allein um die Fehlerfreiheit der Rechnungslegung gehe, noch bei der rechnungsunabhängigen Prüfung könne im zu entscheidenden Fall dem Interesse des Bundesrechnungshofes erhebliche Bedeutung beigemessen werden. Zur Begründung weist das Gericht darauf hin, dass eine Erfolgskontrolle der zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts dienenden Finanzhilfen nach Artikel 104b Grundgesetz nur mit Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung und der angewandten Ökonometrie geleistet werden könne. Eine Erfolgskontrolle könne daher ohnehin nicht durch den Bundesrechnungshof vorgenommen werden. Der Ausgleich des Finanzkontrollinteresses des Bundes mit der Haushaltsautonomie der Länder rechtfertige im Ergebnis für den Bundesrechnungshof nur verwaltungsakzessorische Prüfungsrechte.157 Gleichzeitig erteilte das Bundesverfassungsgericht der Theorie eine Absage, nach der die Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes in der Ländersphäre nicht von der Verwaltungskompetenz des Bundes, sondern von dessen Finanzierungskompetenz her definiert werden müssten.158 Für 155 156 157 158

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG

vom vom vom vom

7. 7. 7. 7.

September September September September

2010, 2010, 2010, 2010,

AZ AZ AZ AZ

2 2 2 2

BvF BvF BvF BvF

1 / 09, 1 / 09, 1 / 09, 1 / 09,

Rn. 129. Rn. 131. Rn. 135. Rn. 135.

Zusammenarbeit des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe 473

die Bestimmung der Reichweite der Befugnisse des Bundesrechnungshofes gebe die Annahme einer Finanzgewalt nichts her. Insbesondere ergebe sich nichts daraus, dass der Bund Erhebungsbefugnisse im Hinblick auf die Gesamtheit der föderalen Finanzströme haben müsste. Die Annahme einer eigenständigen Finanzgewalt im Grundgesetz sei erkennbar von dem Anliegen getragen, die Kompetenzen des Bundesrechnungshofes möglichst effektiv zu gestalten. Deren Grenze müsse aber mit der Länderautonomie sachangemessen und ausgewogen gezogen werden.159 Im Ergebnis hat das Bundesverfassungsgericht keine starre Beurteilung der Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes im Länderbereich vorgenommen. Es kommt ihm bei der Frage der Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofes nicht ausschließlich auf das Vorliegen einer Verwaltungszuständigkeit des Bundes an, obwohl diese mithilfe des Zukunftsinvestitionsgesetzes und der nach § 8 ZuInvG geschlossenen Verwaltungsvereinbarung160 zwischen Bund und Ländern eindeutig bestimmbar gewesen wäre. Stattdessen versucht das Gericht, die Interessen des Bundes an einer den eingesetzten Bundesmitteln angemessenen Prüfung mit der Länderautonomie in Einklang zu bringen. Aufgrund dieser Interessenabwägung entscheidet es sich im konkreten Fall zugunsten der Länderautonomie, da es dem Bundesrechnungshof die Möglichkeit abspricht, eine Erfolgskontrolle des Konjunkturpaketes durchzuführen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass der Interessenausgleich in einem anders gelagerten Fall auch zugunsten von weiter reichenden Prüfungskompetenzen des Bundesrechnungshofes ausfallen kann.161 V. Fazit (1) Deutschland blickt auf beinahe 150 Jahre zurück, in denen Finanzkontrolleinrichtungen auf Bundes- und auf Landesebene bestehen. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg und in der Weimarer Republik gab es – mit Ausnahme der Preußischen Oberrechnungskammer – wenig Berührungspunkte zwischen den Kontrolleinrichtungen von Reich und Ländern. Erst seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der der Gedanke eines Großen bzw. Vereinigten Senates aufkam, sind regelmäßige Treffen der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe beider staatlichen Ebenen bekannt. 159

Vgl. BVerfG vom 7. September 2010, AZ 2 BvF 1 / 09, Rn. 148. Verwaltungsvereinbarung vom 2. April 2009. 161 So auch Hans-Günter Henneke, Finanzkontrolle im föderativen Staat – Im Spannungsverhältnis zwischen Effektivitätsmaximierung und Wahrung von Selbstverwaltung und Haushaltsautonomie, DÖV 2011, S. 417 (421). 160

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(2) Der regelmäßige Austausch zwischen den Rechnungshöfen in der Präsidentenkonferenz und in den Arbeitskreisen hat sich insgesamt bewährt, da bei aller Unterschiedlichkeit zahlreiche Parallelen bestehen. Die Rechnungshöfe lernen voneinander und sind gemeinsam von dem Ziel geleitet, im gesamten Bund-Länder-Bereich keine prüfungsfreien Räume zu dulden. Bei der Zusammenarbeit ist jedoch stets zu berücksichtigen, dass sowohl Grenzen durch die Finanzverfassung des Grundgesetzes als auch durch die Kollegialverfassungen der Rechnungshöfe gesetzt sind. (3) Trotz des großen Willens zur Zusammenarbeit ist gelegentlich auch der Wunsch erkennbar, die Zuständigkeiten gerichtlich abgrenzen zu lassen. Abstimmung und gemeinsame Prüfungen auf der einen Seite sowie juristische Klärungen von Zuständigkeiten auf der anderen Seite (wenn es denn nicht anders geht) sind unterschiedliche Herangehensweisen. Sie sollen letztlich aber zum gleichen Ziel führen, nämlich einer lückenlosen und effizienten Kontrolle der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben. (4) Die perspektivisch größer werdenden Herausforderungen und die wachsende öffentliche Wahrnehmung der Tätigkeit der Rechnungshöfe macht weiterhin ein intensives Miteinander erforderlich. Hierbei können auch neue Wege des Austausches und der Zusammenarbeit ausprobiert werden. Bei allem müssen aber Rechnungshöfe und die handelnden Akteure die rechtlichen Grenzen möglicher Zusammenarbeit akzeptieren, wie sie sich aus dem föderalen Verfassungsrahmen ergeben.

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa; neue Zeiten, neue Rollen Saskia J. Stuiveling und Kees Vendrik I. Einleitung In der Europäischen Union (EU) leben mehr als 500 Millionen Menschen in 28 Mitgliedstaaten, die zusammen öffentliche Ausgaben von jährlich rund 6,4 Billionen (= 6.400 Milliarden) Euro tätigen. Etwa 130 Milliarden Euro davon erhält die EU für ihren jährlichen Haushalt. Es handelt sich dabei also um ganz erhebliche Beträge, deren Verwendung im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger kontrolliert und geprüft werden muss. Und genau da kommen die Rechnungshöfe ins Spiel. Gerne leistet der niederländische Rechnungshof einen Beitrag zu dieser Festschrift, um auf diesem Wege dem Bundesrechnungshof zu seinem traditionsreichen Werdegang und zu seiner erfolgreichen Arbeit gratulieren zu können. Gleichzeitig bietet dies Gelegenheit, näher auf die Kontrolle von EU-Mitteln durch die Rechnungshöfe einzugehen. Ziel der Rechnungshöfe ist eine wirksame Haushaltskontrolle und externe Prüfung der öffentlichen Mittel. Sie liefern unabhängige Informationen über die Verwendung dieser Mittel und tragen dadurch dazu bei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatlichen Institutionen zu stärken. Aufgrund der zunehmenden politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Verflechtungen in den letzten Jahrzehnten erstreckt sich dies nicht nur auf die nationale, sondern auch auf die europäische und internationale Ebene. So gesehen trägt die staatliche Finanzkontrolle zur Stabilisierung und Stärkung der EU und zur Erreichung ihrer Ziele bei. Wie eine von Pew Research durchgeführte Umfrage1 zeigt, ist die Unterstützung für das Europäische 1 „The New Sick Man of Europe; the European Union“ („Der neue kranke Mann Europas; die EU“), Pew Research Center 2013, www.pewglobal.org (Navigation: „Global“, „Topics“, „Buchstabe E“, „Europe“, „May 13, 2013 – The Sick Man of Europe; the European Union“). Etwas günstiger fällt das Ergebnis einer Umfrage aus: „Standard Eurobarometer 78“, Die Öffentliche Meinung in der EU, Herbst 2012, www.ec.europa.eu (Navigation: „Von A–Z“, „Buchstabe: O“, „Öffentliche Meinung“,

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Projekt derzeit keineswegs eine Selbstverständlichkeit. In vielen EU-Ländern hat die Wertschätzung der EU einen Tiefpunkt erreicht. In Deutschland hingegen genießt die EU bemerkenswert viel Zuspruch. Dieser Beitrag ist gleichermaßen Rückblick wie Vorausschau. Es wird beschrieben, wie durch die Zusammenarbeit der Organe der staatlichen Finanzkontrolle in Europa die Transparenz der Geldströme in der EU verbessert und damit ein Beitrag zu deren Zielerreichung geleistet wird.2 Nach einem kurzen Ausflug in die Vergangenheit werden die Schwierigkeiten und Möglichkeiten skizziert, denen sich die nationale Finanzkontrolle in der heutigen, zunehmend turbulenten Zeit gegenübersieht. II. Die EU auf einen Blick 1. Der Werdegang der EU Statt einer ausführlichen Darstellung der Entwicklung der EU bis hin zu ihrer heutigen Gestalt, die diesen Rahmen sprengen würde, werden im Folgenden als Einstieg in die nachstehenden Überlegungen einige wesentliche Fakten und Anmerkungen aufgeführt. Die Nachkriegsgeschichte Europas war ein langsam fortschreitender Prozess. Die ursprüngliche Initiative zur Verringerung der Kriegsgefahr führte schließlich zur Schaffung einer zusätzlichen Verwaltungsebene. Was mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) als eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, Italien, Belgien, der Niederlande und Luxemburg begann, hat sich zu einer Union aus derzeit 28 Mitgliedstaaten entwickelt. Mit der Unterzeichnung des EGKS-Vertrags 1951 in Paris durch Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Beneluxstaaten wurde der Grundstein für den strukturellen Rahmen der heutigen Zusammenarbeit gelegt. „Standard EB“, „Year 2012, Autumn Wave, 78“, „Public Opinion in the European Union“). 2 Laut den Verträgen besteht das Hauptziel der Union darin, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern. Ziele im Einzelnen sind unter anderem die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Die Union errichtet eine Wirtschafts- und Währungsunion (WWU), deren Währung der Euro ist (vgl. Art. 3 EUV, www.eurlex.europa.eu, Navigation: „Verträge“, „Derzeit geltende Verträge“, „Vertrag über die EU [konsolidierte Fassung 2012]“).

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa

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Im Laufe der Jahre wurde die Kooperation innerhalb der EU sowohl ausgeweitet als auch vertieft. Nach der Gründung der EGKS war der nächste bedeutende Schritt die Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahr 1957. Damals errichteten die sechs EGKS-Gründerstaaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Ziel, die wirtschaftliche Integration der sechs Gründungsmitglieder einschließlich der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes zu erreichen. Für die Finanzkontrolle von großer Bedeutung ist der Brüsseler Vertrag, der rund 20 Jahre später, nämlich 1975, unterzeichnet wurde. Damals erhielt das Europäische Parlament die Befugnis, die Jahresrechnung der EU am Ende eines jeden Jahres zu überprüfen, um festzustellen, ob die Kommission korrekt und verantwortungsvoll über den EU-Haushalt verfügt hat. Außerdem sah der Vertrag die Errichtung eines Europäischen Rechnungshofes vor, der das Parlament durch externe Prüfungen bei der Wahrnehmung der Haushaltskontrolle unterstützen sollte. Weiter vertieft und ausgeweitet wurde das europäische Projekt durch den Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft trat. Neben den sechs EGKSMitgliedstaaten unterzeichneten diesen auch Dänemark, Irland, das Vereinigte Königreich, Griechenland, Spanien und Portugal. Die EU besaß fortan eine eigene Rechtspersönlichkeit und der Weg zur Schaffung des Euro war geebnet. Darüber hinaus eröffnete der Vertrag neue Felder der Zusammenarbeit innerhalb der EU, etwa in den Bereichen Justiz und Inneres sowie Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als separate Säulen der EU. Nach weiteren Änderungen der Verträge in Amsterdam (1997) und Nizza (2000) führten 2002 zwölf der damals 15 EU-Mitgliedstaaten den Euro als amtliche Währung ein. Dänemark, Schweden und das Vereinigte Königreich verblieben außerhalb der Eurozone. Über die Jahre wuchs die EU stetig, insbesondere durch den denkwürdigen zeitgleichen Beitritt Estlands, Lettlands, Litauens, Maltas, Polens, der Slowakei, Sloweniens, der Tschechischen Republik, Ungarns und Zyperns am 1. Mai 2004 sowie die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens 2007. Mit dem Beitritt Kroatiens am 1. Juli 2013 umfasst die EU nunmehr 28 Mitgliedstaaten. In den letzten 60 Jahren wurden EU-Verträge und institutioneller Rahmen mehrmals geändert. Hauptziel hierbei war stets der Ausbau der EU und die Einführung notwendiger Anpassungen, damit in einer Zeit des ständigen Wandels neue Herausforderungen bewältigt und Entscheidungsprozesse sowie Steuerungsmechanismen verbessert werden konnten. Der jüngste bedeutende Schritt war der Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat. Bei dieser Novellierung hatte man insbesondere die Beschleunigung der EU-internen Entscheidungsprozesse, die Abgrenzung der Zuständigkeiten von EU und Mitgliedstaaten sowie die Stärkung der Rolle des Europäischen Parlamentes und der nationalen Parlamente im Blick.

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Die EU-weite Zusammenarbeit und die Anpassung der internen Verwaltungsstrukturen entwickeln sich ständig weiter. In der jüngsten Zeit galt es, die Folgen einer globalen Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen. Die EU war gezwungen, den Mitgliedstaaten zur Seite zu stehen, die infolge der 1952

1957

1967

1972

1993

2003

Gründung der Europäischen Union (Vertrag von Maastricht) Einrichtung der gemeinsamen Organe der Gemeinschaften und erster allgemeiner Haushalt

Gründung der Europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft (EGKS) Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom)

Einrichtung der politischen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene

2009 Letzte Novellierung der EU (Vertrag von Lissabon)

Die EG (EGVertrag): erste Säule der EU

Volle Integration in die EG; Auslauf des EGKSVertrages

Abschaffung der Säulenstruktur

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik: zweite Säule der EU

Einführung des Euro als gesetzliche Währung

Klärung der Zuständigkeiten der Union gegenüber den Mitgliedstaaten

Zusammenarbeit in Rechts- und Innenpolitik: dritte Säule der EU

Stärkere Rolle des Europäischen Parlamentes Stärkere Rolle der nationalen Parlamente

1952 Belgien Frankreich Italien Luxemburg Niederlande Westdeutschland

1973 1981 1986 Dänemark Griechen- Portugal Irland land Spanien Vereinigtes Königreich

10 20

00 20

90 19

80 19

70 19

19

60

Beitritt der Mitgliedstaaten

1995 Finnland Österreich Schweden

2004 2007 2013 Estland Kroatien Lettland Litauen Bulgarien Malta Rumänien Polen Slowakische Republik Slowenien Tschechische Republik Ungarn Zypern

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer (unter Verwendung von Daten aus EU Trend Report 2003–2013, abrufbar unter www.rekenkamer.nl, Navigation: „English“, „Publications“, „Audits“).

Abbildung 1: Die Entwicklung der EU

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa

479

Krise in eine extreme wirtschaftliche und finanzielle Schieflage geraten waren. Ein im Oktober 2012 durch die Europäische Kommission vorgelegtes „Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion“ hat erneut eine lebhafte Debatte über die Rolle der Union in Währungsangelegenheiten sowie bei der Überwachung der Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten ausgelöst. 2. Die Organe und Einrichtungen der EU Über die Politik und den Haushalt der EU wird in einem komplexen Zusammenspiel zwischen den EU-Organen und den Mitgliedstaaten entschieden. Mit dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten verpflichten sich diese freiwillig, einen Teil ihrer Souveränität an die EU abzutreten. Wichtigste EU-Beschlussfassungsorgane sind die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der EU. Zu den Zuständigkeiten der Kommission als (hauptsächliches) Exekutivorgan der EU zählen die Einbringung von Gesetzesvorhaben, die Umsetzung von Entscheidungen, die Überwachung der Einhaltung der Verträge sowie die Führung der laufenden Geschäfte der EU. Die Kommission ist somit zugleich Vertreterin der gemeinschaftlichen Anliegen und aktive Förderin der gemeinsamen Interessen. Die 751 unmittelbar gewählten Mitglieder des Europäischen Parlaments vertreten die Bürgerinnen und Bürger aller Mitgliedstaaten und überwachen den Politikvollzug. Parlament und Rat der EU sind gemeinsam Inhaber der gesetzgebenden Gewalt und politische Entscheidungsträger. Wenngleich die Rolle des Parlamentes je nach Politikbereich sehr unterschiedlich ist, haben die wiederholten Novellierungen der Verträge seine Befugnisse dahingehend erweitert, dass es heute als EUGesetzgebungsorgan mit dem Rat in Konkurrenz steht. In den meisten Politikbereichen ist nun für Gesetzgebungsakte die Zustimmung beider Organe notwendig. Der Rat der EU besteht aus Vertretern der nationalen Regierungen und vertritt die Interessen der Mitgliedstaaten. Dieses „institutionelle Dreieck“ der EU wird durch vier weitere Institutionen ergänzt: den Europäischen Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Gerichtshof und den bereits erwähnten Europäischen Rechnungshof.3 Der Europäische Rat setzt sich aus den Staats- bzw. Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammen und kann als höchstes politisches Organ angesehen werden. Für die Währungspolitik der EU ist die Europäische Zentralbank zuständig. Sie wirkt bei den Unterstützungsmaßnahmen für Mit3 Die EU verfügt über weitere Einrichtungen und Behörden für die Wahrnehmung besonderer Aufgaben. Auf diese wird hier nicht eingegangen.

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gliedstaaten mit, die schwerwiegende finanzielle bzw. wirtschaftliche Probleme haben. Die Judikative der EU bildet der Europäische Gerichtshof, der für die Auslegung des EU-Rechtes und der Verträge zuständig ist. Der Europäische Rechnungshof schließlich nimmt die externe Finanzkontrolle der EU wahr. Auf seine Rolle wird in einem späteren Abschnitt eingegangen. 3. Die Größe der Volkswirtschaften und ihre Beiträge zum EU-Haushalt Durch die zunehmende wirtschaftliche Integration in den letzten 60 Jahren hat sich die EU zu einer bedeutenden wirtschaftlichen und politischen Macht mit weltweiter Tragweite entwickelt. 2012 erwirtschafteten die Volkswirtschaften der damals 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen ein Bruttosozialprodukt von ungefähr 12,9 Billionen Euro. Davon werden rund 6,38 Billionen Euro als öffentliche Mittel genutzt (siehe Abbildung 2). Gemessen am gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt war das wirtschaftliche Gewicht der EU mit dem der USA (12,2 Billionen Euro) vergleichbar und entsprach nahezu dem Dreifachen des japanischen Bruttoinlandproduktes (4,64 Billionen Euro). Etwa die Hälfte dieses Betrages (6,38 Billionen Euro) fließt in der EU in die öffentlichen Haushalte. Nur ein Bruchteil davon (2 %) entfällt auf die EU selbst und fließt in den EU-Haushalt. Dennoch belaufen sich die Gesamtausgaben der EU auf etwa 120 bis 130 Milliarden Euro. Dieser Betrag ist mit dem Haushaltsvolumen eines kleineren Mitgliedstaates vergleichbar. Gegenüber 1960, als die Ausgaben der noch jungen Europäischen Gemeinschaften lediglich 58,6 Millionen Euro4 betrugen, sind die Ausgaben der EU bedeutend gewachsen. Größe und Struktur der Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich stark. Aktuell ist Malta der Mitgliedstaat mit den wenigsten Einwohnern. Dementsprechend ist seine Volkswirtschaft mit einem Bruttoinlandsprodukt von 6,8 Milliarden Euro die kleinste in der EU. Den Kontrast bildet Deutschland mit mehr als 81 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von 2.644,2 Milliarden Euro. Da sich die Höhe der Beiträge jedes Mitgliedstaates hauptsächlich nach dem Nationaleinkommen bemisst, leistet Deutschland auch den höchsten Beitrag (siehe Tabelle 1).

4 Niederländischer Rechnungshof, EU Trend Report 2003, Den Haag 2003, S. 32, www.rekenkamer.nl (Navigation: „English“, „Publications“, „Audits“, „2005 and former years“, „EU Trend Report 2003 18. February 2003“).

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa 0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

Deutschland Frankreich Vereinigtes Königreich Italien Spanien BIP Gesamte Staatsausgaben

Niederlande Schweden Polen Belgien Österreich Dänemark Finnland Griechenland Portugal Irland Tschechische Republik Rumänien Ungarn Slowakische Republik

Eurozone (17)

Luxemburg

BIP: 9.488,9 Bulgarien

gesamte Staatsausgaben: 4.736,4

Slowenien Litauen

Total (EU27)

Lettland

BIP: 12.901,4

Zypern

gesamte Staatsausgaben: 6.375,5

Estland Malta 0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer (unter Verwendung von Daten von Eurostat, Tabellen zum Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen und zu den allgemeinen staatlichen Gesamtausgaben, Stand: Mai 2013, www.epp.eurostat.ec.europa.eu, Navigation: „Statistics database“, „Tables by themes“, „Economy and Finance“, „National Accounts“.

Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt und gesamte Staatsausgaben in den EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2012 (in Milliarden Euro)

481

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Saskia J. Stuiveling und Kees Vendrik

Tabelle 1 Beiträge der Mitgliedstaaten an die EU und Zuwendungen der EU an die Mitgliedstaaten im Jahr 2011 (Istzahlen in Millionen Euro) Beiträge an die EU

Zuwendungen der EU

4.927

6.797

Bulgarien

395

1.107

Dänemark

2.448

1.473

23.127

12.133

159

505

Belgien

Deutschland Estland Finnland Frankreich Griechenland

1.955

1.293

19.617

13.162

1.903

6.537

Irland

1.339

1.639

Italien

16.078

9.586

Lettland

182

911

Litauen

302

1.653

Luxemburg

293

1.549

Malta

66

135

Niederlande

5.869

2.064

Österreich

2.689

1.876

Polen

3.580

14.441

Portugal

1.734

4.715

Rumänien

1.226

2.659

Schweden

3.334

1.757

694

1.785

Slowakei Slowenien Spanien Tschechische Republik Ungarn Vereinigtes Königreich Zypern Gesamtsumme

401

847

11.046

13.599

1.683

3.029

937

5.331

13.825

6.570

185

184

119.995

117.337

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer (unter Verwendung von Daten der Europäischen Kommission [2012], EU-Haushalt 2011, Finanzbericht, S. 99, www. ec.europa.eu, Navigation: „Budget“, „Financial Report 2011“).

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa

483

III. Haushaltswirtschaft und Rechenschaftslegung in der EU Jedes Jahr gibt die EU Hunderte von Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Leitlinien, Mitteilungen und Empfehlungen heraus. Diese Steuerungsinstrumente decken mehr oder weniger alle vorstellbaren Politikbereiche ab, darunter Agrar- und Regionalpolitik, Energiewirtschaft, Klimawandel, Bildung, Forschung, Telekommunikation und Migration, um nur einige zu nennen. Die Eröffnung neuer Politikbereiche – aber ebenso die Fortführung bestehender politischer Vorgaben – ist kostspielig. Die nötigen Mittel erhält die EU von ihren Mitgliedstaaten (siehe oben). Seit dem Jahr 2000 sind die jährlichen Einnahmen und Ausgaben der EU von etwa 80 Milliarden Euro auf rund 130 Milliarden Euro im Haushaltsjahr 2011 gestiegen (siehe Abbildung 3).

Einnahmen

Ausgaben

130.000

120.000

110.000

100.000

90.000

80.000 0

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer (unter Verwendung von Daten der Europäischen Kommission [2012], www.ec.europa.eu, Navigation: „Budget“, „Financial Report 2011“).

Abbildung 3: Einnahmen und Ausgaben der EU im Zeitraum 2002 bis 2011 (in Milliarden Euro)

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Saskia J. Stuiveling und Kees Vendrik

1. Haushaltsführung in der EU Rund 80 % der jährlichen EU-Haushaltsmittel sind für Maßnahmen bestimmt, die von der Kommission und den Mitgliedstaaten gemeinsam umgesetzt werden. Sie werden daher im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung von den Mitgliedstaaten verausgabt. Die Ordnungsmäßigkeit der Ausgaben haben Kommission und Mitgliedstaaten dabei zwar gemeinsam sicherzustellen, doch die letztendliche Verantwortung für den korrekten Haushaltsvollzug liegt bei der Kommission. Die zentralstaatlichen, regionalen und kommunalen Verwaltungsbehörden in den Mitgliedstaaten haben die ihnen zugeteilten Haushaltsmittel im Einklang mit geltendem EU-Recht zu bewirtschaften. Der Großteil davon fließt in die Landwirtschaft, regionale Förderprogramme sowie die Arbeitsmarktpolitik. Die restlichen 20 % des EU-Haushalts werden im Rahmen der direkten Mittelverwaltung von der Kommission selbst bewirtschaftet. Dies gilt zum Beispiel für EU-Subventionen an internationale Konsortien im Technologiebereich. Wenngleich diese Mittel in den Mitgliedstaaten verausgabt werden, haben die nationalen Behörden keinen direkten Einfluss auf deren Zuteilung und wirken bei Verwaltung, Kontrolle und Berichterstattung über die Mittelverwendung auch nicht mit. 2. Rechenschaftslegung in der EU Nach einer Reihe von Korruptions- und Betrugsfällen in den späten 1990er-Jahren beschloss die Kommission eine Neuausrichtung ihres Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesens gemäß den Grundsätzen verantwortungsbewussten Verwaltungshandelns. Mit der neuen Struktur liegt die Hauptverantwortung für die Mittelverwaltung vollständig bei der für die ordnungsgemäße Durchführung einer Maßnahme zuständigen Stelle (u. a. dem jeweiligen nationalen Fachministerium oder einer nachgeordneten Behörde). Damit die von der jeweiligen Stelle bewirtschafteten öffentlichen Mittel demokratisch kontrolliert werden können, sollte deren Verwaltungshandeln transparent sein. Sie sollte dem Parlament regelmäßig Bericht erstatten, sodass sie für ihre Handlungen und Leistungen öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden kann. Innerhalb der Kommission hat dies zu einigen bedeutenden Änderungen geführt. Zunächst wurde die Hauptverantwortung für den Haushaltsvollzug der EU den Generaldirektionen zugewiesen, gefolgt von der Einführung des maßnahmenbezogenen Managements und der Doppik. Im Rahmen eines strategischen Planungszyklus erstellen nun alle Generaldirektionen und Dienststellen jährliche Managementpläne, ausgehend von vergleichbaren

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa

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Angaben zu den Prioritäten umzusetzender Maßnahmen sowie damit verbundenen Mitteln, Zielen und Indikatoren. Diese Managementpläne fließen in die jährliche strategische Gesamtplanung der EU ein, die wiederum als Grundlage für den Entwurf des Haushaltsplanes der EU und des Jahresgesetzgebungsprogrammes der Kommission dient. Am Ende jedes Planungszyklus erstatten die Generaldirektionen und Dienststellenleitungen Bericht über die Maßnahmenumsetzung (jährliche Tätigkeitsberichte) und geben Zuverlässigkeitserklärungen ab, die dann von der Kommission zu einem Synthesebericht zusammengefasst werden. Auf diese Rechenschaftslegung der Generaldirektionen, Dienststellenleitungen sowie der Kommission als Kollegialorgan stützt sich das Europäische Parlament bei der Entscheidung über die Entlastung der Kommission im Hinblick auf den Vollzug des EUHaushaltsplanes. Es wurde bereits deutlich gemacht, dass das Finanzmanagement der EU kein einfacher Prozess ist, der sich nur bei den EU-Institutionen in Brüssel abspielt. Da ein großer Teil der EU-Mittel der geteilten Mittelverwaltung unterliegt, lässt sich das Finanzmanagement am besten als ein System mit mehreren Ebenen beschreiben, bei dem sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit tragen. Da die EU-Verträge bis vor Kurzem stets die „Eigenverantwortlichkeit“ der Kommission für den Vollzug des Haushaltsplanes betonten, haben sich die Mitgliedstaaten bei der Entwicklung eines eigenen Berichtswesens für die Rechenschaftslegung über die Verwendung von EU-Mitteln reichlich Zeit gelassen – und dies, obwohl 80 % der Mittel nach dem System der geteilten Mittelverwaltung bewirtschaftet werden.5 Wie die bisherige Entwicklung gezeigt hat, entstehen die meisten Fehler beim Vollzug des EU-Haushaltsplans auf der mitgliedstaatlichen Ebene. 2005 bewog dies das Europäische Parlament – die wichtigste Instanz für das Entlastungsverfahren –, die Kommission zur Entwicklung von Instrumenten aufzufordern, mithilfe derer die Verwaltung von EU-Mitteln in den Mitgliedstaaten verbessert und der Kommission ein besserer Einblick in die entsprechenden Vorgänge ermöglicht werden kann. Daraufhin erstellte die Kommission einen Fahrplan zur Schaffung eines integrierten internen Kontrollrahmens,6 in dem sie unter anderem vorschlug, eine jährliche Erklärung einzuführen, mit der jeder 5 Mit dem Vertrag von Lissabon wurde diese Gewichtung erstmals, wenn auch geringfügig, verschoben und die Rolle der Mitgliedstaaten stärker betont. Jetzt heißt es in Art. 317 AEUV, dass „die Kommission den Haushaltsplan zusammen mit den Mitgliedstaaten (…) ausführt“; www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Verträge“, „Derzeit geltende Verträge“, „Vertrag über die Arbeitsweise der EU [konsolidierte Fassung 2012]“). 6 KOM (2005) 252 endgültig, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Com final“, „Jahr: 2005“, „Nummer: 252“).

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Kooperation

Europäisches Parlament

Rechenschaftsbericht

EU - EK

Nationales Parlament

Rechenschaftsbericht

Managementbericht Regeln/ Bestimmungen

Prüfungsbericht

Prüfung

Europäischer Rechnungshof

Mitgliedstaat Ministerien Dezentralisierte Institutionen

Prüfung

Kooperation

Prüfungsbericht

Nationaler Rechnungshof

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer.

Abbildung 4: Wünschenswerte Struktur der Finanzkontrolle in der EU

Mitgliedstaat auf der politischen Ebene Rechenschaft über die Ausgaben aus EU-Mitteln ablegt (sogenannte nationale Erklärung). Im Ecofin-Rat konnte über diesen Vorschlag jedoch kein Einvernehmen erzielt werden, da die Mehrheit der Mitgliedstaaten ihn ablehnte. Nach Ansicht des Rates ist die auf der operativen Ebene bereits vorgesehene Berichterstattung über die Mittelbewirtschaftung im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung ausreichend. Diese erfolgt in Form der sogenannten jährlichen Zusammenfassungen.7 Schließlich wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Abgabe einer freiwilligen nationalen Erklärung eingeräumt, wovon jedoch bislang nur vier Mitgliedstaaten (Dänemark, Niederlande, Schweden, Vereinigtes 7 Die jährliche Zusammenfassung ist ein Dokument, zu dessen Vorlage alle EUMitgliedstaaten seit 2008 verpflichtet sind. Zusammengefasst darzustellen sind dabei die im vergangenen Jahr durchgeführten Prüfungen (und Prüfungsergebnisse) der im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung in den Mitgliedstaaten getätigten Ausgaben.

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa

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Königreich) Gebrauch gemacht haben. Als Ergebnis wurde in diesen Ländern die nationale parlamentarische Kontrolle der Ausgaben aus EU-Mitteln verstärkt. Allgemein ist festzustellen, dass seit Ende der 1990er-Jahre beachtliche Fortschritte bei der Rechenschaftslegung über die Bewirtschaftung von EUMitteln gemacht wurden. Insbesondere wurden wichtige Verfahrensregelungen eingeführt, gemäß denen die Generaldirektionen und Dienststellen verpflichtet sind, zu festen Terminen öffentlich über ihre Ziele, Tätigkeiten und Maßnahmen zu berichten. Zusammen mit dem Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofes zum abgelaufenen Haushaltsjahr bilden diese Rechenschaftsberichte die Grundlage des öffentlichen Entlastungsverfahrens, das die EU-Institutionen durchlaufen. Dennoch kommt es bei der nationalen Verwendung von EU-Mitteln nach wie vor zu weitreichenden Ordnungsverstößen. Die Kontrolle solcher Vorgänge und notwendige Abhilfe wird insbesondere durch die Zuständigkeitszersplitterung und Intransparenz bei der Rechenschaftslegung erschwert. Genau in diesem Bereich kann die Prüfungstätigkeit der EU-Rechnungshöfe zusätzlichen Nutzen bringen. 3. Rolle der Rechnungshöfe Für das Finanzmanagement und die Rechenschaftslegung spielen die Rechnungshöfe als Organe der staatlichen externen Finanzkontrolle eine wesentliche Rolle. Durch ihre Prüfungen liefern sie der Volksvertretung, der gegenüber Rechenschaft über die Bewirtschaftung der öffentlichen Mittel abzulegen ist, unabhängige Informationen zur Qualität und Zuverlässigkeit dieser Rechenschaftslegung. Dies macht ihre Prüfungsergebnisse zu einer wichtigen Grundlage für die haushaltspolitischen Entscheidungen der nationalen und internationalen Volksvertretungen. a) Die nationalen Rechnungshöfe Der Regelungsrahmen für die von den EU-Rechnungshöfen ausgeübte Finanzkontrolle ist je nach Mitgliedstaat unterschiedlich und hängt weitgehend von der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung auf die einzelnen staatlichen Ebenen sowie von dem nationalen Ansatz für das Haushaltswesen und die Rechenschaftslegung ab. In der Praxis liegt bei vielen EURechnungshöfen der Schwerpunkt des Mandats auf der Prüfung öffentlicher Mittel auf sämtlichen staatlichen Ebenen, bis hin zu Erhebungen bei den Endbegünstigten, d. h. Unternehmen, landwirtschaftlichen Betrieben oder natürlichen Personen, die Zuwendungen erhalten haben. Andere Rechnungshöfe haben ein engeres Mandat nur für die Prüfung des Finanzgebarens des

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Zentralstaates oder Bundes. Dies gilt insbesondere für die nordwesteuropäischen Rechnungshöfe einschließlich des deutschen und niederländischen. Gemäß Mandat können die EU-Rechnungshöfe im Allgemeinen mindestens folgende Prüfungsarten durchführen: Prüfungen der Rechnungsführung, der Ordnungsmäßigkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Wirksamkeit. Bei ihrer Prüfungstätigkeit stützen sich fast alle Rechnungshöfe (eine der wenigen Ausnahmen ist der Bundesrechnungshof) auf die Arbeit anderer Prüfer, z. B. der Innenrevision, externer Sachverständiger oder Wirtschaftsprüfer, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Geringere nationale Unterschiede bestehen bei der Prüfung von EU-Mitteln. Dies ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass in manchen Mitgliedstaaten die Prüfungsmandate in Bezug auf EU-Mittel dahingehend erweitert wurden, dass sie jetzt mit den Prüfungsbefugnissen des Europäischen Rechnungshofes in den Mitgliedstaaten vergleichbar sind und fast alle Rechnungshöfe befugt sind, EU-Mittel bis zum Endbegünstigten nachzuverfolgen. Die Prüfung der Bewirtschaftung von EU-Mitteln und Vorgängen mit EU-Bezug ist nur eine von vielen Aufgaben der staatlichen Finanzkontrolle. Da das finanzielle Gewicht der EU gemessen am Umfang der nationalen Staatshaushalte begrenzt ist, ist der Anteil EU-bezogener Prüfungen sehr unterschiedlich. In Deutschland spielt darüber hinaus die Aufteilung der Prüfungszuständigkeiten zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen eine bedeutende Rolle. Mit Ausnahme des luxemburgischen prüfen alle Rechnungshöfe auch Vorgänge mit EU-Bezug. 250 bis 300 solcher Prüfungen wurden 2012 durchgeführt (siehe Abbildung 5). Dabei bestehen große Unterschiede im Prüfungsumfang: Die Spanne reicht von reinen Projektprüfungen über die Prüfung der nationalen Rechnungen mit EU-Bezug bis hin zur Zusammenstellung von EU-Gesamtberichten und der Einrichtung und Pflege entsprechender Internetseiten. Außerdem haben Rechnungshöfe, die in großem Umfang EU-Mittel geprüft haben, wie unter anderem Rumänien und Litauen, dabei als interne Prüfer im Auftrag der Kommission gehandelt (zum Beispiel als Prüfbehörde für Struktur- bzw. Kohäsionsfondsmittel oder als Bescheinigungsbehörde bei den Agrarausgaben). Als nationale externe Prüfungsorgane führten die Rechnungshöfe 2012 zwischen 175 und 200 Prüfungen durch. Etwa zwei Drittel davon befassten sich mit der Bewirtschaftung von EU-Mitteln, der Rest mit den Ergebnissen und Folgen der Politiken (d. h. der Programme und Maßnahmen in bestimmten Politikbereichen). Etwa die Hälfte der Rechnungshöfe erteilen im Zuge der Prüfung von EUMitteln gelegentlich Bestätigungsvermerke. Um die Rechenschaftspflicht in EU-Angelegenheiten gegenüber der Öffentlichkeit zu verbessern, haben die EU-Rechnungshöfe einige besondere

Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im zusammenwachsenden Europa

Prüfung der Rechnungsführung

Ordnungsmäßigkeitsprüfung

Prüfung der Wirksamkeit

Wirtschaftlichkeitsprüfung

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EU-Gesamt- Andere bericht Art der Prüfung

Belgien Bulgarien Dänemark Deutschland* Estland Finnland Frankreich Griechenland Irland Italien Lettland Litauen Luxemburg Malta Niederlande Österreich Polen Portugal Rumänien Schweden Slowakei Slowenien Spanien Tschechische Republik Ungarn Vereinigtes Königreich Zypern * All diese Prüfungen betreffen zwar EU-Angelegenheiten, haben aber nicht alle einen direkten Bezug zu EU-Mitteln.

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer (unter Verwendung von Daten aus EU Trend Report 2013, www.rekenkamer.nl, Navigation: „English“, „Publications“, „Audits“).

Abbildung 5: EU-bezogene Prüfungsaktivitäten der Rechnungshöfe im Jahr 2012

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Berichtsarten entwickelt. Hervorzuheben sind vor allem die EU-Gesamtberichte, die von verschiedenen nationalen Rechnungshöfen in den letzten zehn Jahren bzw. schon davor veröffentlicht wurden. Sie sollen die nationalen Parlamente über Entwicklungen in der EU-Haushaltsführung unterrichten und darüber hinaus das Bewusstsein für und die Kenntnisse über die im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung wahrzunehmenden Aufgaben sowie die Verwendung der EU-Mittel fördern. Fast die Hälfte der EU-Rechnungshöfe hat einen solchen Bericht veröffentlicht,8 wiederum etwa die Hälfte davon tut dies jährlich. Neben allgemeinen Beschreibungen der Mittelarten, ihrer Bewirtschaftung im betreffenden Mitgliedstaat sowie der einschlägigen Systeme und der nationalen Mittelverwendung enthielten die Berichte in den letzten Jahren verstärkt eigene Prüfungsergebnisse der Rechnungshöfe. Derzeit prüft eine Gruppe von Rechnungshöfen die mögliche Vereinheitlichung der Berichtsgestaltung, um durch größere Vergleichbarkeit einen besseren Überblick über die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Abschließend ist die Berichterstattung im Rahmen der in einigen Mitgliedstaaten eingeführten freiwilligen nationalen Erklärungen zu nennen. Nationale Erklärungen sind jährliche Berichte, mit denen der Mitgliedstaat Rechenschaft über die Verwaltung und Verwendung der aus Brüssel erhaltenen Mittel im vergangenen Haushaltsjahr ablegt. Bislang haben nur Dänemark, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich solche freiwilligen Rechenschaftsberichte veröffentlicht. Infolge der unterschiedlichen nationalen Regelungen und fehlender einheitlicher Standards weichen diese Erklärungen voneinander ab. In den Niederlanden hat der Finanzminister den Rechnungshof dazu aufgefordert, jeweils eine Stellungnahme zur jährlichen nationalen Erklärung der Niederlande abzugeben, um dem Parlament die Gewissheit zu vermitteln, dass die Erklärung und die darin getroffenen Aussagen den Grundsätzen der Wahrheit und Klarheit entsprechen. Der Schwerpunkt des niederländischen Berichtes und Testates liegt sowohl auf der Qualität der Verwaltungs- und Kontrollsysteme als auch auf der Ordnungsmäßigkeit der in geteilter Mittelverwaltung mit EU-Mitteln finanzierten Vorgänge. In Dänemark ist der Rechnungshof selbst für die Erstellung dieses Rechenschaftsberichtes zuständig. Allerdings laufen derzeit Gespräche mit der Regierung über die Erstellung einer konsolidierten Rechnung für die Verwendung der EU-Mittel. Der dänische Bericht geht außerdem ausdrücklich auf die nationalen Zahlungen an die EU ein. 8 Folgende 13 Rechnungshöfe haben seit 2002 solche Berichte veröffentlicht: Dänemark, Deutschland, Estland, Italien, Litauen, Niederlande, Österreich, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich und Zypern.

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In Schweden konzentriert sich die nationale Erklärung auf die Qualität der Verwaltungs- und Kontrollsysteme, während im Vereinigten Königreich aktuell darüber diskutiert wird, wie durch die Rechenschaftsberichte die Transparenz der Finanzbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verbessert werden kann. Sowohl in Schweden als auch im Vereinigten Königreich erteilen die Rechnungshöfe ein Testat für die von der Regierung vorgelegte Erklärung. Der niederländische Rechnungshof betrachtet die nationale Erklärung als wesentliche Form der Rechenschaftslegung in der EU. Nur durch Veröffentlichung eines solchen Dokumentes und dessen Vorlage beim nationalen Parlament findet eine echte Rechenschaftslegung über die Mittelverwendung auf Mitgliedstaatsebene statt. Gleichzeitig liefert die Erklärung die notwendigen Informationen, um eine abschließende Aussage über die Ordnungsmäßigkeit der EU-Ausgaben insgesamt zu treffen. Diese Aufgabe obliegt dem Europäischen Rechnungshof, der sie jedoch, wie im Folgenden erörtert wird, nicht allein erfüllen kann. b) Der Europäische Rechnungshof Der Europäische Rechnungshof wurde 1975 errichtet und kann als externer Prüfer der EU und ihrer Einrichtungen angesehen werden. Sein Mandat besteht darin, die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben zu prüfen und sich von der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung zu überzeugen.9 Jede Stelle, jedes Amt und jede Einrichtung, die im Namen der EU oder in den Mitgliedstaaten Einnahmen oder Ausgaben verwaltet, sowie jede natürliche oder juristische Person, die EU-Mittel erhält, kann geprüft werden. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Feststellung, ob Vorschriften, Organisation und Verwaltungsabläufe geeignet sind, Fehler und Unregelmäßigkeiten zu vermeiden, sowie ob die Mittelverwendung wirtschaftlich ist. Seit dem Vertrag von Maastricht (1993 in Kraft getreten) hat der Europäische Rechnungshof die Aufgabe, als Teil des Entlastungsverfahrens für den EU-Haushalt eine jährliche Zuverlässigkeitserklärung abzugeben, bezogen auf die Zuverlässigkeit der Rechnungen der EU sowie die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge. Außerdem kann der Europäische Rechnungshof jederzeit Stellungnahmen, insbesondere in Form von Sonderberichten zu konkreten Einzelfragen, abgeben – auch auf Ersuchen eines der anderen EU-Organe. 9 Siehe Art. 287 AEUV; www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Verträge“, „Derzeit geltende Verträge“, „Vertrag über die Arbeitsweise der EU“ [konsolidierte Fassung 2012]“).

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Die vom Europäischen Rechnungshof abgegebene Zuverlässigkeitserklärung bezieht sich nur auf die Einnahmen und Ausgaben der EU als Ganzes. Wegen der großen Anzahl von Mitgliedstaaten und der Unterschiede in deren Verwaltungs- und Kontrollsystemen geschieht dies anhand einer relativ begrenzten Stichprobe pro Förderbereich. Seit der Einführung der Zuverlässigkeitserklärung (erstmalig für das Haushaltsjahr 1994) konnte kein einziges Mal ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk hinsichtlich der Recht- und Ordnungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Vorgänge erteilt werden. Bislang ist dies größtenteils auf eine unannehmbar hohe Fehlerzahl in den Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Strukturfonds, zurückzuführen. Mögliche Fehler reichen von der Nichtbeachtung einer mehr oder weniger wichtigen formalen Anforderung, zum Beispiel dem Fehlen eines Abdruckes oder Dokumentes in der Akte der Verwaltungsbehörde, bis hin zu schwerwiegenderen Verstößen wie der Geltendmachung nicht förderfähiger Kosten durch den Zuwendungsempfänger. Für das Haushaltsjahr 201110 wird die wahrscheinliche Fehlerquote für den EU-Gesamthaushalt auf 3,9 % geschätzt (d. h. bedeutend höher als der Schwellenwert von 2 %, der laut Europäischem Rechnungshof als annehmbar gilt). Dementsprechend wiesen 5 Milliarden Euro aus der Summe der Gesamtausgaben von 129,4 Milliarden Euro im Haushaltsjahr 2011 Fehler auf (d. h., sie wurden nicht vollständig vorschriftsgemäß verwaltet oder verausgabt11). Erstmals seit mehreren Jahren ist die Fehlerquote bei den Strukturfonds gesunken. Mit 5,1 % bei der Haushaltslinie Kohäsion, Energie und Verkehr war sie aber nach wie vor deutlich zu hoch. Im Gegensatz dazu kam es im Bereich der Agrarpolitik zu einem starken Anstieg der Fehlerquote von 2,3 auf 4 %, der weitgehend auf Probleme bei der Politik der Entwicklung des ländlichen Raumes zurückzuführen ist. Auch im Bereich der Forschungspolitik stieg die Fehlerquote deutlich von 1,3 auf 3 %. Es ist zu beachten, dass die vom Europäischen Rechnungshof abgegebene Zuverlässigkeitserklärung keine Informationen über Umfang und Art der grundlegenden Probleme in den Mitgliedstaaten liefert. Um dies zu erreichen, müsste in allen EU-Mitgliedstaaten eine entsprechende Analyse im Zuge nationaler Erklärungen vorgenommen und die Ergebnisse in das Entlastungsverfahren der EU eingebracht werden. Zurzeit nutzen die Generaldirektionen und Dienststellen der Kommission die Verwaltungsinformatio10 Europäischer Rechnungshof, Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofes über die Ausführung des Haushaltsplans zum Haushaltsjahr 2011, Amtsblatt C 344 vom 12. November 2012, Luxemburg 2012, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Amtsblatt“, „Jahr: 2012“, „ABl-Reihe: 2012“, „Nummer: 344“). 11 Dies ist ausdrücklich nicht gleichzusetzen mit einem betrügerischen Ausgabeverhalten, von dem häufig – unzutreffenderweise – ausgegangen wird.

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nen und die Feststellungen der Innenrevision, die sie aus den Mitgliedstaaten erhalten, zur Bewertung der Situation in den Mitgliedstaaten und bringen diese in ihre jährlichen Tätigkeitsberichte und Erklärungen ein. Die genaue Herleitung der Schlussfolgerungen ist aber nicht völlig klar. Deshalb kann diese Vorgehensweise aus Sicht des niederländischen Rechnungshofes nicht als ausreichende und transparente öffentliche Rechenschaftslegung auf EUEbene betrachtet werden. Es besteht daher Raum für Verbesserungen. c) Der Kontaktausschuss der Präsidenten der Rechnungshöfe der EU Der Kontaktausschuss ist eine Versammlung der Präsidenten der Rechnungshöfe der EU-Mitgliedstaaten und des Europäischen Rechnungshofes.12 Er ist autonom, unabhängig und politisch neutral und tritt seit 1960 jährlich zusammen. Als Forum für die Diskussion über Fragen von gemeinsamem Interesse hat er im Laufe der Zeit mehrere Arbeitsgruppen und fachbezogene Netzwerke eingerichtet. Eine wichtige Rolle spielte er bei der Errichtung des Europäischen Rechnungshofes und der Regelung von dessen Befugnissen im Vertrag von Brüssel 1975. Nach dessen förmlicher Errichtung im Jahr 1977 wurde das externe Prüfungsorgan der EU 1978 Mitglied des Kontaktausschusses. In jüngster Zeit hat der Kontaktausschuss in seinem Leitbild ausdrücklich den Wunsch formuliert, zur Verbesserung der Haushaltswirtschaft und des verantwortungsbewussten Verwaltungshandelns in der EU beizutragen. Dazu fördert er den fachlichen Dialog und Erfahrungsaustausch in Bezug auf die Prüfung von EU-Mitteln und andere EU-Angelegenheiten. Er sorgt für gegenseitige Unterstützung, organisiert Fortbildungen sowie Seminare und initiiert und koordiniert gemeinsame Aktivitäten. Im Mittelpunkt steht zudem die aktive Zusammenarbeit mit Rechnungshöfen von EU-Kandidatenund Bewerberländern. In den letzten Jahren hat sich der Kontaktausschuss schwerpunktmäßig mit den Folgen der jüngsten Entwicklungen in der EU-Wirtschaftspolitik für die nationale Finanzkontrolle befasst (siehe Abschnitt 5). Ergebnis dieser Diskussionen war eine Reihe von Erklärungen und Entschließungen, die auf die Bedeutung der Einführung angemessener Regelungen für die Finanzkontrolle und Rechenschaftsplicht in den neuen EU-Politikbereichen hinweisen.13 12 Für weitere Informationen zum Kontaktausschuss und seine Tätigkeit vgl. www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EUORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“). 13 Erklärungen des Kontaktausschusses thematisierten beispielsweise: Auswirkungen des Europäischen Semesters und anderer jüngster Entwicklungen in der wirt-

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Derzeit entwickelt der Kontaktausschuss ein ständiges Überwachungssystem, mit dessen Hilfe die zahlreichen rasanten Veränderungen im EU-Bereich systematischer verfolgt werden können. IV. Wirksamkeit in Europa 1. Entwicklungsstufen der Finanzkontrolle In Zeiten knapper öffentlicher Kassen ist es von größter Bedeutung, die Wirtschaftlichkeit der Verwendung der EU-Mittel sicherzustellen. Allerdings ist die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vergleich zur herkömmlichen Prüfung der Rechnungsführung für die Rechnungshöfe ein recht neues Tätigkeitsfeld. Der Werdegang der staatlichen Finanzkontrolle zeigt, dass ihr ursprünglicher Zweck die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungsführung war. Dies ist das Kerngeschäft und bis heute liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der meisten EU-Rechnungshöfe in der jährlichen Abgabe von (vorzugsweise positiven) Testaten zur Haushalts- und Vermögensrechnung der jeweiligen Regierung. Ebenso wichtig ist jedoch die Prüfung der Wirksamkeit der aus Steuermitteln getätigten Ausgaben. Dass die Rechnungshöfe sich zunehmend für diese Frage interessieren, ist eine logische Folge des aufgrund der Professionalisierung der Verwaltung und der Finanzwirtschaft zunehmend hohen Niveaus der Ordnungsmäßigkeit.14 So lag in den Niederlanden die Fehler- und Mängelquote bei der staatlichen Rechnung in zehn aufeinanderfolgenden Jahren weit unter 5 %. Ob die Steuerzahler einen adäquaten Gegenwert für ihr Geld erhalten, scheint eine einfache Frage zu sein, die jedoch in der Praxis nicht leicht zu beantworten ist. In einer idealen Welt wird Politik auf der Grundlage von Tatsachenbeobachtungen gestaltet und die Mittel fließen dorthin, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Diese Herausforderung gilt es, für schaftspolitischen Steuerung der EU auf die ORKB der Mitgliedstaaten der EU und den ERH (14. Oktober 2011); Bedeutung angemessener Regelungen für die Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU (8. Mai 2013); vgl. auch Resolution des Kontaktausschusses (KA-E-2011-1) zur Erklärung der ORKB des Euro-Währungsgebiets über die externe Finanzkontrolle des ESM (14. Oktober 2011). Siehe im Einzelnen Internet-Auftritt des Kontaktausschusses unter www.eca. europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen & Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“). 14 Eine Abhandlung über die Zunahme von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und zur entsprechenden Ausweitung der Mandate von Rechnungshöfen enthält: Jeremy Lonsdale, Peter Wilkins, Tom Ling (Hrsg.), Performance Auditing: Contributing to Accountability in Democratic Government, Cheltenham u. a. 2011.

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die EU-Rechnungshöfe zu meistern, wenn sie ihre Bedeutung behalten wollen. Öffentliche Mittel sind per se kostbar und in Zeiten der Haushaltskonsolidierung knapp. Letztlich sind Rechnungshöfe Akteure in der politischen Arena, in der sie Entscheidungen über die Mittelverwendung beeinflussen. Im Zuge ihrer Prüfungen stellen sie zum Beispiel den politisch Verantwortlichen unbequeme Fragen, können aufzeigen, dass bestimmte politische Vorgaben veraltet sind, oder die Wirtschaftlichkeit von Programmen betrachten. Die meisten Rechnungshöfe tun dies im eigenen Land. Jetzt ist es an der Zeit, die Tätigkeit der staatlichen Finanzkontrolle auszuweiten, um ein genaueres Bild von der Wirksamkeit der EU-Politik zu erlangen. Dies gilt auch für die in jüngster Zeit aufgelegten Hilfsprogramme für Mitgliedstaaten in einer finanziellen Notlage, bei denen es um sehr hohe Summen geht. Natürlich kann die Wirksamkeit von EU-Maßnahmen und -Ausgaben auf verschiedenen Ebenen untersucht werden: auf der Ebene der EU und der für die Politikbereiche zuständigen Generaldirektionen sowie auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Denn von Letzteren werden im Rahmen der geteilten Mittelverwaltung mehr als 80 % der EU-Haushaltsmittel verteilt und bewirtschaftet. 2. Einblick in die Wirksamkeit: die Kommission und die Generaldirektionen Zunächst sollte die Kommission auf EU-Ebene selbst für einen Einblick in die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen sorgen. Die für die einzelnen Politikbereiche zuständigen Generaldirektionen und die Kommission veröffentlichen selbst Gutachten und Berichte zu den Ergebnissen und der Wirksamkeit des Einsatzes von EU-Mitteln. Im letzten Jahrzehnt ist die Anzahl der Evaluierungen politischer Maßnahmen stark angestiegen und die sogenannten Jährlichen Tätigkeitsberichte der Generaldirektionen informieren über die Wirkung der EU-Mittel. Die Angaben sind jedoch schwer vergleichbar, da sie nicht nach Mitgliedstaaten aufgeschlüsselt werden und die Evaluierungen sich auf wenige Politikbereiche beschränken. Im Februar 2012 hat die Kommission dem Parlament und dem Rat der EU einen neuartigen Gesamtevaluierungsbericht mit einer ergebnisbezogenen15 Evaluierung der Haushaltsführung vorgelegt. Aus Sicht der externen 15 Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Evaluierung der Finanzen der Union auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse, Brüssel 2012, KOM (2012) 40 endgültig, www.eur-lex.europa. eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Com final“, „Jahr: 2012“, „Nummer: 40“).

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Finanzkontrolle war dieser leider unzureichend, da die Maßnahmen nicht wirklich kritisch betrachtet wurden. Der Europäische Rechnungshof kam zu dem Schluss, der Bericht sei vage und inhaltsarm. Erfolgsindikatoren und Meilensteine werden nicht systematisch festgelegt und die Berichterstattung über die wirtschaftlichen Folgen und die Wirksamkeit der Ausgaben ist wenig aussagekräftig. Noch gravierender ist die fehlende Evaluierung der großen Haushaltsbereiche Landwirtschaft und Kohäsion. Obwohl in diesen Bereichen etwa 110 Milliarden Euro (rund 85 % des EU-Haushaltes) an die Mitgliedstaaten verteilt werden, liegen keine sinnvollen Evaluierungen seitens der Kommission vor. Daher ist dieser Bereich von großem journalistischem Interesse. Kürzlich hat ein niederländischer Reporter in einer Reihe einschlägiger Berichte u. a. den Fall eines großen französischen Geflügelzüchters beleuchtet, der in hohem Maß von der Gemeinsamen Agrarpolitik profitiert, und dabei die Gründe für dessen Subventionierung hinterfragt.16 Wie in anderen Ländern wird auch in den Niederlanden die Gemeinsame Agrarpolitik heftig diskutiert. Eine sachgerechte Diskussion erfordert jedoch mehr Fakten und Zahlen, unabhängige Evaluierungen und ernsthafte Prüfungen. 3. Einblick in die Wirksamkeit: der Europäische Rechnungshof In seinem Jahresbericht beurteilt der Europäische Rechnungshof zwar nicht die Ordnungsmäßigkeit und Wirksamkeit der EU-Politik in einzelnen Mitgliedstaaten, er führt jedoch regelmäßig Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch. Deren Ergebnisse werden in Sonderberichten veröffentlicht, die sich häufig mit der Wirksamkeit der Politik und mit Fragen der Effizienz befassen. Die Themen der Sonderberichte reichen von der Wirksamkeit von Schulmilch- und Schulobst-Programmen bis zur Handhabung der Betriebsprämienregelung für die Landwirtschaft. Die Berichte des Europäischen Rechnungshofes sind sehr wertvoll, aufgrund seines Mandates und seiner begrenzten Kapazitäten jedoch gering in der Zahl und im Umfang sowie auf die bedeutendsten Mitgliedstaaten beschränkt. Kurz gesagt: Die Aktivitäten der Kommission, ihrer Generaldirektionen und die des Europäischen Rechnungshofes liefern kein vollständiges Gesamtbild der Ergebnisse und Auswirkungen des Einsatzes von EU-Mitteln in einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Politikbereichen. Daher ist die Präsenz der nationalen Rechnungshöfe auf diesem Gebiet notwendig. Dennoch sind die kritische Meinung des Europäischen Rech16 Nieuwsuur vom 2. Januar 2013: „Onnavolgbare EU-subsidies“, www.nieuwsuur. nl (Navigation: „archief“, „2. januari 2013“).

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nungshofes und seine aktive Mitwirkung in der EU für alle Beteiligten von wesentlicher Bedeutung. Er kann Prüfungserkenntnisse aus den Mitgliedstaaten in Brüssel einbringen und damit die Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes erhöhen. Dies ist unverzichtbar, da Betrachtungen des Programmplanungszeitraums 2014 bis 2020 erst kürzlich ergaben, dass die Notwendigkeit des Einsatzes von Fördermitteln und der Zusatznutzen der EU-Maßnahmen oft nicht ausreichend belegbar waren.17 4. Einblick in die Wirksamkeit: die nationalen Rechnungshöfe Von Jahr zu Jahr führen die Rechnungshöfe mehr Wirtschaftlichkeitsprüfungen zu EU-Themen durch. Außerdem arbeiten sie zunehmend zusammen und prüfen häufiger gemeinsam – aus eigener Initiative oder auf Anregung des Kontaktausschusses. Die Prüfungsbefugnisse in der EU-Politik sind in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Praktisch alle Rechnungshöfe können EU-Mittel bis zur Ebene der Endbegünstigten prüfen. Pro Jahr werden durchschnittlich drei bis vier Berichte mit EU-Bezug veröffentlicht. Diese liefern jeweils nur kleine Teilstücke eines großen Puzzles, denn bisher gibt es keine umfassende und leicht zugängliche Datenbank mit Prüfungsergebnissen aller Rechnungshöfe. In den Niederlanden wurden in den letzten Jahren unter anderem die Wirksamkeit der europäischen Verbrauchsteuerpolitik, der Gemeinsamen Fischereipolitik, die Durchsetzung der Europäischen Abfallverbringungsverordnung sowie die Bekämpfung von innergemeinschaftlichem Umsatzsteuerbetrug untersucht. Die meisten Berichte wurden gemeinsam mit anderen Rechnungshöfen erstellt. Sie erweisen sich für nationale Regierungs- und Parlamentsmitglieder als wertvolle Munition bei Diskussionen untereinander sowie mit der Kommission und den europäischen Amtskolleginnen und -kollegen. Dies gilt gleichermaßen für die Mitglieder des Europäischen Parlamentes. Die Berichte befassen sich oft mit Hindernissen für die Wirtschaftlichkeit, wie zum Beispiel Komplexität von Vorschriften oder unerwünschte Nebeneffekte. Leider können keine eindeutigen Bewertungen zur Wirksamkeit und damit Wirtschaftlichkeit von Programmen oder Einzelmaßnahmen abgegeben werden, weil entweder die Kommission oder die Mitgliedstaaten keine klaren Ziele und Indikatoren festgelegt haben. Dementsprechend sollte die staatliche Finanzkontrolle Wege zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit finden, die auch ohne solche Ziele und 17 Niederländischer Rechnungshof, EU Trend Report 2013 – Developments in the financial management of the European Union, S. 56, Den Haag 2013, www.reken kamer.nl (Navigation: „English“, „Publications“, „Audits“, „2013 und February“, „EU Trend Report 2013 7. February 2013“).

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Indikatoren anwendbar sind. Leicht ist das nicht, denn es erfordert andere Untersuchungs- und Arbeitsmethoden. In den Niederlanden werden derzeit solche Ansätze getestet, in der Hoffnung, diese auch auf EU-Mittel anwenden zu können. V. Neue Herausforderungen: die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise Die europäische Integration ist noch nie so stark auf den Prüfstand gestellt worden wie jetzt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise – die letztlich eine Staatsschuldenkrise ist – hat drastische Folgen. Bürger und Staat müssen sich einschränken und bedeutende Ausgabenkürzungen hinnehmen. Und dies wird auf absehbare Zeit so bleiben. Verschiedene Rechte, Vergünstigungen und Ansprüche sind nicht so sicher wie versprochen; das Vertrauen in den Euro ist beschädigt und die Arbeitslosigkeit steigt EU-weit stark an. Alles in allem erleben Bürger und Staaten größere Unsicherheit und Ungewissheit in ihrem täglichen Leben, als dies in neuerer Zeit der Fall war. Vor diesem Hintergrund sieht sich die staatliche Finanzkontrolle besonders verpflichtet, zu sachgerechten EU-Maßnahmen und einem verantwortungsbewussten staatlichen Ausgabeverhalten beizutragen – zumal immer umfangreichere öffentliche Mittel auf dem Spiel stehen. Im Hinblick auf öffentliche Mittel hat der Kontaktausschuss kürzlich ausreichende Transparenz (ihrer tatsächlichen oder beabsichtigten Verwendung sowie der damit verbundenen Risiken), angemessene Rechenschaftslegung (öffentliche Kontrolle und das Einfordern von Verantwortung bei den zuständigen Amtsträgern) sowie eine angemessene staatliche Finanzkontrolle (die verlässliche Aussagen und Informationen zur Mittelverwendung und den damit zusammenhängenden Risiken liefert) gefordert.18 2012 wurde die Einrichtung einer Task Force zur Bestandsaufnahme der zahlreichen aktuellen Entwicklungen sowie die Einrichtung eines ständigen Überwachungssystems beschlossen. So soll eine zeitnahe Reaktion auf bedeutende Entwicklungen ermöglicht und sichergestellt werden, dass bei diesbezüglichen Entscheidungen die Belange einer angemessenen staatlichen Finanzkontrolle und Rechenschaftslegung stärker berücksichtigt werden. Auf einige wesentliche Entwicklungen wird im folgenden Abschnitt kurz eingegangen. 18 Siehe die Erklärung des Kontaktausschusses vom 14. Oktober 2011 zu den Auswirkungen des Europäischen Semesters und anderer jüngerer Entwicklungen in der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU auf die ORKB der Mitgliedstaaten und den ERH, www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen und Berichte“, „Jahr: 2011“).

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1. Unterstützung durch die EU und ihre Mitgliedstaaten (Finanzstabilisierungsinstrumente) In der EU werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um Mitgliedstaaten zu unterstützen, die infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise in eine Schieflage geraten sind. Der Großteil dieser Finanzhilfen wird mittels sogenannter Finanzstabilisierungsinstrumente gewährt. Diese werden teilweise mit von der Kommission gewährten und von allen Mitgliedstaaten gemeinsam garantierten Krediten aus dem EU-Haushalt finanziert. Ein größerer Teil wird jedoch außerhalb des EU-Haushalts auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen der Euro-Mitgliedstaaten gewährt – unter anderem durch die befristete Europäische Finanzstabilisierungsfazilität und den seit Oktober 2012 bestehenden dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) –, aber auch auf Basis bilateraler Vereinbarungen zwischen dem betroffenen Staat und anderen Mitgliedstaaten, wie etwa beim Hilfspaket für Griechenland. Bei vielen dieser Vereinbarungen spielt auch der Internationale Währungsfonds (IWF) eine bedeutende Rolle. Bei diesen Finanzstabilisierungsinstrumenten und anderen Maßnahmen der Krisenhilfe, die von den Mitgliedstaaten unmittelbar finanziert oder garantiert werden, stehen öffentliche Mittel von über einer Billion Euro auf dem Spiel. Sie zu prüfen gehört daher zur Kernaufgabe der Rechnungshöfe. Da die Staaten gemeinsam haften, sind die möglichen Auswirkungen dieser Instrumente auf die nationalen Haushalte nicht zu unterschätzen. Für die Rechnungshöfe sind die unsystematischen Regelungen hinsichtlich der externen Finanzkontrolle dieser Instrumente und Maßnahmen ein Grund zur Besorgnis. Im Interesse einer zuverlässigen öffentlichen Rechenschaftslegung sollten die Regelungen harmonisiert werden, um für eine konsequentere externe Prüfung und damit für eine stärkere Transparenz der Auswirkungen der Finanzhilfen zu sorgen. Ein bedeutender Schritt war die Einrichtung eines unabhängigen Prüfungsausschusses beim ESM, der jedoch erst auf gemeinsames Drängen des Kontaktausschusses und insbesondere des Bundesrechnungshofes erreicht wurde. Die Stellung des Ausschusses ist in der ESM-Satzung geregelt. Laut Ausschussmitglied Jules Muis sollen Prüfungen der Ordnungsmäßigkeit, aber auch der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durchgeführt werden. Zwar stecke die Prüfung in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen, doch sei er zuversichtlich, dass der Ausschuss zu einer gesunden Finanzstruktur in der Eurozone beitragen werde.19 Im ersten Ausschussbericht wird 19 Interview mit Jules Muis vom 4. Juni 2013, www.passievoorpubliekeverant woording.nl (Navigation: „Artikelen“, „Governance EU: de verkoop is begonnen tijdens de bouw“).

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die Ausweitung der Prüfungstätigkeit auf Fragen des Verwaltungshandelns, des Risikomanagements, des Inhaltes und der Umsetzung der Finanzpolitik sowie der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit angekündigt. Es ist zu hoffen, dass der Ausschuss in der Praxis bei der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Prüfung der möglicherweise beim ESM eingesetzten öffentlichen

Bilaterale Hilfe für Länder und andere Darlehen

Internationaler Währungsfond (IWF)

Europäische Zentralbank (EZB)

89,9 Milliarden Euro

269,2 Milliarden Euro

Beschaffung

EU-Haushalt

Empfängerländer

Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) 41,3 Milliarden Euro

Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM)

Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF)

43,8 Milliarden Euro

144 Milliarden Euro

Zahlungsbilanzhilfe (Zbh)

Darlehen an Griechenland

13,4 Milliarden Euro

52,9 Milliarden Euro

schlägt Strategie vor

Europäische Kommission

beschließt/weist an

EU-27 (Rat, EP, ERH)

Euro-17

entscheidet, schlägt Strategie vor

* Ursprünglich betrug das Darlehen an Griechenland 80 Milliarden Euro. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde ein Teil dieses Darlehens in die EFSF überführt.

Quelle: Eigene Darstellung Algemene Rekenkamer (unter Verwendung von weiterführenden Daten, abrufbar unter www.rekenkamer.nl, Navigation: „English“, „Publications“, „Topics“, „EU governance to combat the economy and financial crisis“, „Financial Stability“).

Abbildung 6: Finanzstabilisierungsinstrumente der EU: bis zum 1. April 2013 ausgezahlte Beträge

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Mittel in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Euro sowie bei der diesbezüglichen Rechenschaftslegung eine bedeutende Rolle spielen wird. Leider umfasst das Prüfungsmandat nur den ESM. Für die externe Finanzkontrolle der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und des Griechenland-Hilfspaketes im Gesamtvolumen von rund 240 Milliarden Euro sind keine Regelungen getroffen worden. 2. Stärkung der wirtschafts- und finanzpolitischen Überwachung In den letzten Jahrzehnten hat in der EU eine allmähliche Europäisierung der Finanzpolitik stattgefunden – ein Trend, der sich in jüngster Zeit durch die Finanz- und Wirtschaftskrise noch beschleunigt hat. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der 1997 geschlossene Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Förderung und Durchsetzung der Haushaltsdisziplin. Er setzt eine Höchstgrenze für das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit und den Schuldenstand der Mitgliedstaaten (3 % bzw. 60 % des Bruttoninlandproduktes) und legt präventive und korrektive Durchsetzungsmaßnahmen fest. In der Vergangenheit wurden die Stabilitätsregeln von einigen Mitgliedstaaten bestenfalls halbherzig eingehalten, doch die Wirtschafts- und Finanzkrise brachte mehrere Initiativen zur Stärkung der Einhaltung hervor. Zum einen wurde 2010 das Europäische Semester – das erste Halbjahr jedes Kalenderjahres – eingeführt, um die Berichterstattung und Überwachung hinsichtlich der Beachtung der wirtschaftspolitischen EU-Leitlinien in den Mitgliedstaaten sowie deren Haushaltslage und gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu koordinieren. Darüber hinaus wurde eine Reihe neuer Bestimmungen zur Stärkung der Haushaltsdisziplin und Überwachung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beschlossen (sogenanntes Six-Pack und Two-Pack), ebenso wie ein fiskalpolitischer Pakt20 zwischen 25 Mitgliedstaaten (ausgenommen Tschechische Republik und Vereinigtes Königreich) zur Umsetzung der einschlägigen Regeln in nationales Recht. Diese Veränderungen der wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerung in EU und Eurozone werden zweifellos bedeutende Auswirkungen auf die staatliche Finanzkontrolle haben. Verschiedene Bestimmungen des Six-Pack und Two-Pack geben Rechnungshöfen die Möglichkeit, unabhängig Prüfungen durchzuführen, Untersuchungen zu unterstützen oder bei diesen mitzuwirken, um die Belastbarkeit zugrunde liegender Informationen bewerten zu 20 Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion, in Kraft getreten am 1. Januar 2013, www.european-council.europa. eu (Navigation: „Der Präsident“, „Steuerung des Euro-Währungsgebiets“, „Wichtige Dokumente“, „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion [März 2012]“).

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können.21 Außerdem hat das Europäische Parlament mehrfach den Wunsch geäußert, die Rolle der Rechnungshöfe bei der Verbesserung der Zuverlässigkeit statistischer Informationen zu stärken, was gegebenenfalls zu einer „privilegierten Partnerschaft“ zwischen Eurostat und der nationalen Finanzkontrolle führen könnte. All diese Entwicklungen sind Beispiele dafür, wie innerhalb kurzer Zeit ein neuer institutioneller Rahmen geschaffen wird, innerhalb dessen jeder Mitgliedstaat über seine Haushaltsentwicklung Rechenschaft abzulegen hat. In diesem Rahmen gilt es, die Rolle der staatlichen Finanzkontrolle zu finden und zu definieren. Mit Blick auf die Haushaltsdisziplin könnte ein Schwerpunkt auf der objektiven Beantwortung folgender Fragen liegen: Ist die Berichterstattung des Mitgliedstaates korrekt und sind seine Daten zuverlässig? Wie sehen im Mitgliedstaat die Ist-Haushaltszahlen aus? Sind Haushaltseinschnitte und Reformen realistisch sowie umsetzbar und besteht ein seriöses System zur Offenlegung der Daten zum Haushaltsvollzug? Allerdings schenken die Entscheidungsträger auf EU- und nationaler Ebene derzeit der externen staatlichen Finanzkontrolle im Bereich der Haushaltsdisziplin wenig Aufmerksamkeit, wie der kürzlich verabschiedete Fahrplan für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion zeigt.22 In seiner Stellungnahme von 2013 weist der Kontaktausschuss genau auf diese mangelnde Beachtung hin. Es bleibt zu hoffen, dass die externe Finanzkontrolle bei der weiteren Umsetzung des Fahrplans die ihr gebührende systematische Berücksichtigung findet und ihre Rolle auf diesem Gebiet abstecken kann. 21 In den meisten Fällen ist die Wahrnehmung solcher Aufgaben durch die Rechnungshöfe an Bedingungen geknüpft, z. B. „soweit relevant und unter voller Beachtung der nationalen Vorschriften für diese Einrichtungen“. In Art. 10 Abs. 6 Buchst. a der „Verordnung (EU) Nr. 473 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet“ (sog. Twopack-Verordnung) ist die Rolle der ORKB deutlicher ausgeführt: Ein Mitgliedstaat, der Gegenstand eines Defizitverfahrens ist und aufgefordert wird, eine unabhängige Kontrolle der Haushaltsdaten aller Teilsektoren des Sektors Staat durchzuführen, hat dies „vorzugsweise in Abstimmung mit den nationalen Obersten Rechnungskontrollbehörden“ zu tun; vgl. www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Verordnung“, „Jahr: 2013“, „Nummer: 473“). 22 In ihrem Bericht vom 5. Dezember 2012 haben die Präsidenten des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank sowie der Vorsitzende der Eurogruppe „einen spezifischen Fahrplan mit Terminvorgaben für die Verwirklichung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ ausgearbeitet. In diesem Bericht wird ein dreistufiger Prozess vorgeschlagen, wobei Fragen der Rechenschaftspflicht und der externen Finanzkontrolle keine besondere Beachtung geschenkt wird; www.european-council.europa.eu (Navigation: „Der Präsident“, „Steuerung des Euro-Währungsgebiets“, „Wichtige Dokumente“, „Towards a Genuin Economic and Monetary Union“).

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3. Bankenaufsicht in der EU Die Finanzkrise hat gravierende Schwächen in Struktur und Wahrnehmung der Aufsicht über die Finanzinstitutionen und das Finanzsystem insgesamt offengelegt. Zur Sicherstellung der Finanzstabilität und Stärkung des Vertrauens in das Finanzsystem hat die Kommission im Mai 2009 eine Reihe von Reformen für die Neuordnung der Finanzaufsicht vorgeschlagen – das Europäische System der Finanzaufsicht (im Januar 2011 in Kraft getreten). In dessen Rahmen überwacht ein Europäischer Ausschuss für Systemrisiken die Stabilität des Finanzsystems und gibt Frühwarnungen bei Finanzmarktschwächen heraus. Dies wird als makroprudenzielle Aufsicht bezeichnet. Die drei Europäischen Aufsichtsbehörden23 für die Banken, das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung sowie für Wertpapierhandel und -börsen üben zusammen mit den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden die mikroprudenzielle Aufsicht über die einzelnen Finanzinstitutionen aus. Außerdem besteht ein Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden zur Analyse von Querschnittsrisiken. Als Reaktion auf die Staatsschuldenkrise und die Probleme mit kaum noch solventen Banken hat die Europäische Kommission im Laufe des Jahres 2012 vorgeschlagen, die Verantwortung für die mikroprudenzielle Aufsicht der Banken von nationalen Aufsichtsbehörden auf die Europäische Zentralbank zu übertragen. Dies kann als erster Schritt für die Entstehung einer Bankenunion betrachtet werden. Im Dezember 2012 einigte sich der ECOFIN-Rat auf den Vorschlag für einen Einheitlichen Aufsichtsmechanismus.24 Als Ergebnis der aktuellen Verhandlungen soll die Zentralbank die unmittelbare Aufsicht über die Banken der Eurozone ausüben, allerdings auf differenzierte Weise und in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden. Dabei soll sie die Aufsicht über Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme über 30 Milliarden Euro bzw. in Höhe von mindestens 20 % des Bruttoinlandsproduktes übernehmen. Für die (mehr als 5.000) kleineren Kreditinstitute sind weiterhin die nationalen Aufsichtsbehörden zuständig. Mit Sicherheit wird diese Zentralisierung der mikroprudenziellen Bankenaufsicht eine wichtige Entwicklung für den europäischen Bankensektor sein. Die umfangreichen Finanzhilfen aus öffentlichen Mitteln haben gezeigt, dass 23 Dies sind die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung sowie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde. 24 Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank vom 12. September 2012, KOM (2012) 511 final, www.eur-lex.europa. eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Com final“, „Jahr: 2012“, „Nummer: 511“).

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der Bankensektor einen großen öffentlichen Risikobereich darstellt. Für die externe Finanzkontrolle ist daher der Einblick in die Bankenaufsicht von zentraler Bedeutung. Da die nationalen Rechnungshöfe kein Prüfungsmandat auf EU-Ebene haben, kann die Rolle des Europäischen Rechnungshofes bei der Prüfung der Aufsichtstätigkeit der Europäischen Zentralbank entscheidend sein. Schwerpunkt von dessen Mandat ist laut ECOFIN-Beschluss die operative Wirksamkeit der Tätigkeit der Zentralbank. Daraufhin hat der Rechnungshof kürzlich erklärt, er werde seine Befugnisse genauso ausüben wie bei allen anderen EU-Einrichtungen. Derzeit ist unklar, in welchem Umfang er die Aufsicht durch die Zentralbank wird prüfen können. Aufgrund der wesentlichen Rolle der Zentralbank beim Einheitlichen Europäischen Bankenaufsichtsmechanismus steht hier viel auf dem Spiel.25 Die Schaffung einer angemessenen staatlichen Finanzkontrolle der Bankenaufsicht (mit uneingeschränktem Zugang zu den Akten der Aufsichtsbehörde) ist daher von wesentlicher Bedeutung. Der Europäische Rechnungshof und die nationalen Rechnungshöfe müssen diese nachdrücklich vertreten, damit bereits bei Inkrafttreten einer Bankenunion angemessene Regelungen bestehen. In der Zwischenzeit – und unabhängig von der möglichen Rolle des Europäischen Rechnungshofes – können die nationalen Organe der Finanzkontrolle Informationen zur Struktur und zum Risikoprofil des Finanzsektors im jeweiligen Mitgliedstaat sammeln und austauschen. Dies ist wichtig, weil eine künftige Bankenunion einen internationalen Abwicklungsfonds sowie ein Einlagensicherungssystem beinhalten wird und dabei letztlich auch der Einsatz von Steuermitteln erforderlich sein kann. 25 Neben diesem Anliegen haben aufgrund jüngster Entwicklungen einige nationale Rechnungshöfe umfassenderen Zugang zu Informationen aus der Bankenaufsicht erhalten. In der „Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 2002 / 87 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats“ (sog. Eigenkapitalrichtlinie IV [CRD4]), Richtlinie 2013 / 36 / EU, www.eur-lex.europa.eu, Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Com final“, „Jahr: 2013“, „Nummer: 36“) ist den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt worden, bestimmte Informationen über die Bankenaufsicht gegenüber ihren nationalen Rechnungshöfen offenzulegen. Dies setzt jedoch voraus, dass die betreffenden Rechnungshöfe kraft nationaler Gesetzgebung ein konkretes Mandat für diesen Bereich haben. In vielen Mitgliedstaaten ist dies nicht der Fall. Für deren Rechnungshöfe löst die Eigenkapitalrichtlinie IV somit nicht das Problem des fehlenden Zugangs. Eine weitere bedeutende Einschränkung ist eine Bestimmung in dieser Richtlinie, der zufolge Informationen, die in einem anderen Mitgliedstaat ihren Ursprung haben, nur mit der ausdrücklichen Zustimmung der in dem anderen Mitgliedstaat zuständigen Behörden offengelegt werden dürfen. Um eine bessere staatliche Finanzkontrolle auf diesem Gebiet zu gewährleisten, gilt es, eine Lösung für dieses Problem zu finden.

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VI. Neue Prüfungsfelder mit EU-Bezug und Innovation 1. Neue Zeiten, neue Prüfungsfelder Durch die Wirtschafts- und Finanzkrise erlebt die EU eine neue Ära, geprägt von einer immer stärkeren wirtschaftspolitischen Abstimmung und verstärkten Kontrolle der Haushalte von EU und Mitgliedstaaten. Traditionelle Institutionen wie die Rechnungshöfe sollten offen für Veränderungen sein, wenn sie ihre Aufgaben weiterhin wirksam erfüllen wollen. Mehr als je zuvor sollten Kräfte gebündelt, Zusammenarbeit gestärkt, Meinungen und Wissen ausgetauscht und Wert auf Innovation sowie sorgfältige Themenauswahl gelegt werden. Abschließend werden wichtige EU-bezogene Aufgabenbereiche für die nationale Finanzkontrolle angeführt. 2. Prüfung der Steuern in Europa In der EU als traditioneller „Hochsteuerzone“26 ist die Prüfung der Steuern eine zunehmend wichtige Aufgabe. Infolge der Eurokrise müssen die Mitgliedstaaten ihre Haushaltsdisziplin stärken. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit in den letzten Jahren immer stärker auf die Einnahmenseite, weil in Zeiten knapper Kassen die Steuern vollständig, wirksam und wirtschaftlich zu erheben sind. Außerdem wird das Steuersystem vermehrt zur Erreichung politischer Ziele genutzt. So werden in den Niederlanden zum Beispiel immer mehr steuerliche Subventionen und Vergünstigungen für Haushalte und Unternehmen in Bereichen wie Kinderbetreuung, Gesundheitswesen, Innovation und Umweltschutz gewährt. Da das Thema Besteuerung alle Mitgliedstaaten betrifft, können sich die Rechnungshöfe über einschlägige Erfahrungen und Kenntnisse austauschen. Beim EUROSAI-Kongress in Bonn im Jahr 2005 wurde festgestellt, dass die nationale Finanzkontrolle von verstärkter Zusammenarbeit und einer Verbesserung der Prüfungsstrategie im Steuerbereich profitieren könnte. Auch wenn seither viel geschehen ist, ist dieses Anliegen aus europäischer Sicht noch immer aktuell. Unternehmen betätigen sich weiterhin zunehmend international und wählen bestimmte Länder als bevorzugten Standort. Über 26 Eurostat, Steuertrends in der Europäischen Union, Luxemburg 2013; www. ec.europa.eu (Navigation: „Strategien und Rechtsvorschriften“, „Politikbereiche“, „Wirtschaft, Finanzen und Steuern“, „Betrugsbekämpfung“, „Steuern“, „Allgemeine Informationen“, „Wirtschaftliche Analysen der Besteuerung“, „Steuertrends in der Europäischen Union“). 2011 betrug die Steuerquote, d. h. die Summe der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in der EU-27, gemessen an deren Bruttoinlandsprodukt 38,8 % und war damit um mehr als 40 % höher als die entsprechenden Quoten in den Vereinigten Staaten und Japan.

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steuerrechtliche Regelungen und Steuerpolitik wird zumeist in Brüssel entschieden und das Thema Steueroasen wird kontrovers diskutiert. Durch ihren Zugang zu den Finanzämtern und zum Parlament sind Rechnungshöfe möglicherweise in einer guten Ausgangsposition, um Systemmängel aufzuzeigen und entsprechende Feststellungen sowie international vergleichbare Daten in die Debatte einzubringen. Außerdem betreffen einige Steuern potenziell grenzüberschreitende Handelsströme und können deshalb nur in einem europäischen oder internationalen Kontext erfolgreich geprüft werden. Das derzeitige Mehrwertsteuersystem in der EU schafft Betrugsmöglichkeiten bei innergemeinschaftlichen Geschäften. Betroffen sind alle Mitgliedstaaten, was die gemeinsame Bekämpfung dieser Betrugsform nötig macht. Schätzungen zufolge entstehen durch Mehrwertsteuerbetrug in der EU jährlich rund 100 Milliarden Euro Steuerausfälle.27 Da die EU-Eigenmittel teilweise aus einem festen Prozentsatz der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer in den Mitgliedstaaten gespeist werden, wirkt sich jeder Ausfall von Mehrwertsteuereinnahmen auf die Transferzahlungen der Mitgliedstaaten aus. Diese anhand der Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage berechneten Zahlungen an die EU beliefen sich 2011 auf über 14 Milliarden Euro und entsprachen damit etwas mehr als 10 % der gesamten Zahlungen der Mitgliedstaaten. 2009 und 2012 führten die Rechnungshöfe Belgiens, Deutschlands und der Niederlande gemeinsame Prüfungen der Bekämpfung des innergemeinschaftlichen Mehrwertsteuerbetrugs durch.28 Mittlerweile ist ein gewisser Fortschritt bei der Betrugsbekämpfung sowie beim Informationsaustausch erkennbar. Ein Beispiel ist die bessere Nutzung des Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystems im Rahmen der EU-Gesetzgebung. Damit können Anzeichen für Betrug früher erkannt und Einnahmeausfälle vermieden werden. Doch wenngleich einige EU-Bestimmungen angepasst wurden, sind andere einschränkende Vorschriften weiterhin in Kraft. Durch gemeinsame 27 Reckon LLP, Studie zur Analyse und Quantifizierung der Mehrwertsteuerlücke in den EU-25-Mitgliedstaaten, Auftragsstudie für die Europäische Kommission, London 2009, www.ec.europa.eu (Navigation: „Strategien und Rechtsvorschriften“, „Politikbereiche“, „Wirtschaft, Finanzen und Steuern“, „Betrugsbekämpfung“, „Steuern“, „Allgemeine Informationen“, „Wirtschaftliche Analysen der Besteuerung“, „Wirtschaftliche Studien“, „Jahr 2009“, „Studie zur Schätzung und Untersuchung der Mehrwertsteuerlücke in 25 EU-Mitgliedstaaten“). 28 Algemene Rekenkamer, Bundesrechnungshof, Rekenhof, Gemeinsamer Bericht – Innergemeinschaftlicher Umsatzsteuerbetrug, 2009, und Algemene Rekenkamer, Bundesrechnungshof, Rekenhof, Sonderbericht „Kontrollprüfung zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug“, 2012, www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Sonderberichte“, „2009 Sonderbericht Innergemeinschaftlicher Umsatzsteuerbetrug“ bzw. „2012 Sonderbericht Kontrollprüfung zum innergemeinschaftlichen Umsatzsteuerbetrug“).

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Berichterstattung über solch widrige Umstände, Beseitigung bestehender Hindernisse für die Zusammenarbeit sowie Hinweise auf unzweckmäßige Bestimmungen kann die nationale Finanzkontrolle zur Schließung dieser Steuerlücken im grenzüberschreitenden Handel beitragen. Auch nationale Steuerausfälle können durch die Zusammenarbeit von Rechnungshöfen vermieden werden.29 So haben sich der niederländische und der britische Rechnungshof über Möglichkeiten der Untersuchung, Definition und Quantifizierung von Steuerausfällen ausgetauscht. Im Vereinigten Königreich arbeiten Finanzverwaltung und Rechnungshof seit einigen Jahren daran, Ausfälle zu beziffern und abzubauen.30 Einnahmeausfälle können nach Gründen aufgeschlüsselt werden: Fehler, komplexe Vorschriften, Steuervermeidung oder -hinterziehung usw. Für einen gezielten Einsatz der Mittel der Finanzämter können selbst ungenaue Schätzungen der auf die einzelnen Gründe entfallenden Beträge nützlich sein. Die Niederlande konnte aus den britischen Erfahrungen Nutzen ziehen – im Sinne einer eingehenderen Diskussion sowie umfassenderen Berichterstattung über Fragen der Steuererhebung und eine mögliche Schadensbegrenzung. 3. Datentransparenz und innovative Finanzkontrolle in Europa Zwar gelten Buchhalter und Rechnungsprüfer in der Regel nicht als besonders innovationsfreudig, aber die sogenannte „Open-Data-Bewegung“ ist zu begrüßen und gilt es zu fördern, denn Datentransparenz verändert die Rechenschaftslegung und macht bisher „verschlossene“ Informationen verfügbar. Wenn Verwaltungen bzw. Prüferinnen und Prüfer von den ihnen zugänglichen Daten, unter anderem zu öffentlichen Ausgaben, Gebrauch machen, erhöht dies ihren Nutzen für die Allgemeinheit erheblich – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Belastbare Informationen sind eine unentbehrliche Grundlage für die Prüfungstätigkeit, insbesondere für die Bewertung der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit von Maßnahmen und Programmen. Durch offen zugängliche Daten von Verwaltungen oder sonstigen Stellen 29 Diese Steuereinnahmelücke wird definiert als Differenz zwischen der gesamten Mehrwertsteuer-Ist-Einnahme und dem aufgrund allgemeiner Wirtschaftsdaten geschätzten Einnahmesoll. 30 Siehe unter anderem: NAO, Tax avoidance: tackling marketed avoidance schemes, 2012, www.nao.org.uk (Navigation: „Reports by Sector“, „Economic“, „Tax and Duties“, „Tax avoidance: tackling marketed avoidance schemes“) und HMRC (britische Finanzverwaltung), Measuring the Tax Gaps 2012, 2012, www.hmrc.gov. uk (Navigation: „Library & Official Statistics“, „Official Statistics“, „Cross cutting“, „Tax gaps“, „Measuring tax gaps“, „Measuring tax gaps 2012“).

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nimmt die Bandbreite der Informationsgrundlagen zu. Jedoch können Datenbanken und die nahezu unendlichen Informationsmengen im Internet oft nicht unmittelbar für Prüfungen oder Studien verwendet werden. Wenngleich sie als wertvolles Ausgangsmaterial zu betrachten sind, bedürfen sie in der Regel der Aufbereitung und Klärung. Die EU-Rechnungshöfe (und -Regierungen!) sollten diese neuen Prüfungsansätze nutzen und sich über vorbildhafte Verfahrensweisen austauschen. Im Digitalen Zeitalter gilt es, sich mit der Verknüpfung von Informationen aus verschiedenen Quellen ein neues Informationsparadigma zu eigen zu machen. Ein älteres Beispiel für diesen Ansatz stammt aus der EU selbst: die Nutzung von Geoinformationen in Kombination mit Satellitenbildern. Seit 1988 nutzt die EU Geoinformationssysteme für die Verwaltung und Prüfung der Agrarsubventionen. Mithilfe von Satellitendaten wird zum Beispiel geprüft, ob landwirtschaftliche Flächen, für die Beihilfen beantragt werden, tatsächlich bewirtschaftet werden. Der Europäische Rechnungshof nutzt die Geoinformationssysteme der Mitgliedstaaten für Ordnungsmäßigkeitsprüfungen.31 Ein weiteres anschauliches Beispiel für die breiten Möglichkeiten der Nutzung frei zugänglicher (geografischer und sonstiger) Datenbestände ist die nach dem folgenreichen Tsunami des Jahres 2004 im Indischen Ozean gegründete Task Force von Rechnungshöfen. Mithilfe von Satellitentechnik verfolgte diese die gewährten Hilfszahlungen sowie den Programmerfolg. Eine Auflage war, dass neue Häuser nur in sicherem Abstand von der Küste gebaut werden durften. Daher wurden Satellitenbilder der durch Nichtregierungsorganisationen errichteten Neubauten in den Prüfungsablauf einbezogen. Ähnlich war die Vorgehensweise nach dem Hurrikan Katrina 2004 in New Orleans. Die Offenlegung von Ausgaben ist bedeutender Bestandteil der Datentransparenz. Anhand entsprechender Daten und Internetseiten können sich Steuerzahler über (staatliche) Ausgaben informieren. Gute Beispiele sind die US-amerikanische Website www.recovery.gov sowie die britische www. wheredoesmymoneygo.org mit Statistiken und Darstellungen der geografischen Verteilung geleisteter Zahlungen nach Postleitzahlen. Die Bevölkerung kann sich so darüber informieren, welche Projekte in ihrer unmittelbaren Nähe gefördert werden, und die Angaben dank des offenen Datenformats selbst verknüpfen und grafisch darstellen. Durch Abgleich der online ver31 Weitere Informationen dazu finden sich in: Niederländischer Rechnungshof, EU Trend Report 2008, Background Document, Den Haag 2008, www.rekenkamer.nl (Navigation: „English“, „Publications“, „Audits“, „Year: 2008“, „Months: February“, „EU Trend Report 2008“).

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fügbaren Daten mit eigenen Beobachtungen kann sich die Öffentlichkeit darüber hinaus prüferisch betätigen. Es wird dazu aufgefordert, Fälle von Betrug, Missbrauch oder Verschwendung öffentlicher Mittel zu melden. Durch Offenlegung von Daten und Ausgaben können sozusagen 500 Millionen Prüfer gewonnen werden. Bei EU-Stellen hat dieser Prozess bereits begonnen. Das offene Datenportal der EU32 bietet Zugang zu etwa 6.000 von EU-Organen und -Einrichtungen bereitgestellten Datensätzen. Dabei reichen die Informationen von Geburts- über Armutsstatistiken bis hin zu Angaben über Abfallmengen in verschiedenen Wirtschaftszweigen. Obwohl diese Daten für die Verwendung bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch finanzsowie politikbezogene Daten zu ergänzen sind, bilden sie selbst bereits eine wichtige Grundlage. In vielen europäischen Ländern werden diese Finanzdaten in zunehmendem Maße zugänglich gemacht. So finden sich auf der niederländischen Seite www.europaomdehoek.nl / en detaillierte Angaben über Begünstigte und Umfang von mit EU-Mitteln geförderten Projekten in den einzelnen Landesteilen. Ein weiterer wichtiger Schritt war kürzlich die Annahme eines Vorschlags für neue Regeln zur Datenveröffentlichung durch das Europäische Parlament. Damit dürften weitere große Datenmengen aus dem öffentlichen Sektor zugänglich werden.33 Laut der zuständigen Kommissarin Neelie Kroes geht es dabei „um die Daten, die öffentliche Stellen rechtmäßigerweise offenlegen dürfen – ein reicher Fundus an Informationen über öffentliche Dienstleistungen und die Mittelverwaltung, geografischen und kulturellen Daten usw. Datentransparenz bietet große Vorteile. Stehen die Informationen erst einmal zur Verfügung, können sie auf vielfältige Weise genutzt werden.“34 Adressat ist die breite Öffentlichkeit: Bevölkerung, Unternehmen, Regierungen und sonstige Institutionen. Auch die öffentliche Finanzkontrolle in der EU sollte sich angesprochen fühlen. Die Gemeinschaft der Rechnungshöfe steht vor ganz ähnlichen Herausforderungen – national und europaweit. Wie können Daten und Informationen aus verschiedenen Quellen zusammengeführt werden? Wie kann eine Informationsstruktur zur Abbildung der tatsächlichen Gegebenheiten ge32 Englische Seite: www.open-data.europa.eu / en; deutsche Seite: www.open-data. europa.eu / de. 33 Richtlinie 2013 / 37 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003 / 98 / EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, www.eur-lex.europa.eu (Navigation: „Einfache Suche“, „nach Dokumentennummer“, „Art des Dokuments: Richtlinie“, „Jahr: 2013“, „Nummer: 37“). 34 Vgl. www.blogs.ec.europa.eu (Navigation: „Nelli Kroes“, „EU unlocks a great new source of online innovation, 13. Juni 2013“).

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Saskia J. Stuiveling und Kees Vendrik

schaffen werden? Wie lassen sich die Beiträge aller Beteiligten koordinieren? Kann Prüfungspersonal, statt wie üblich nachgängig zu arbeiten, bei der Gestaltung der Informationsstruktur mitwirken, ohne seiner Unabhängigkeit zu schaden? Wie können offen zugängliche Daten in das Prüfungsverfahren einbezogen werden? Da die Rechnungshöfe bei diesen Fragen noch keine einheitlichen Verfahrensweisen verfolgen, wäre eine zeitnahe Abstimmung wünschenswert. VII. Schlussbemerkung Der vorliegende Beitrag beschreibt die Ansicht des niederländischen Rechnungshofes zur künftigen Aufgabenstellung der Rechnungshöfe im Bereich der EU-Mittel. Angesichts eines jährlichen Gesamtbetrags von 6,4 Billionen Euro sind die Herausforderungen nicht zu unterschätzen. In den Mitgliedstaaten obliegt die Prüfung der Haushalte sowie der wirtschaftlichen und wirksamen Mittelverwendung den nationalen Rechnungshöfen. Doch aufgrund der zunehmenden finanziellen Verflechtungen kann und sollte diese Aufgabe nicht länger im Alleingang erfüllt werden. Die Prüfung und Rechenschaftslegung sollte sich auf neue Gegebenheiten wie grenzüberschreitende Steuertatbestände, die Internationalisierung des Bankensektors sowie die zunehmende Europäisierung der Finanzpolitik einstellen. Prüfungsthemen sollten geeignet sein, in den nationalen Parlamenten sowie im Europäischen Parlament Debatten zu Themen der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns anzustoßen. Die bereits unternommenen Anstrengungen zur Sicherstellung der Ordnungsmäßigkeit der Zahlungen in der EU waren beträchtlich, aber dennoch unzureichend. Aus Sicht des niederländischen Rechnungshofes sind für die Rechenschaftslegung über die Verwendung der EU-Mittel nationale Erklärungen von wesentlicher Bedeutung. Im Idealfall erstellen künftig alle Mitgliedstaaten Erklärungen, die auch Bewertungen der Ausgabenwirksamkeit enthalten. Noch mehr zu begrüßen wäre es, wenn die zugrunde liegenden (offenen) finanziellen und operativen Daten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Ziel könnte letztlich ein Europa mit über 500 Millionen Prüferinnen und Prüfern sein.

Internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe Tätigkeitsfelder und Wirkungen Christine Rabenschlag* I. Externe Finanzkontrolle in einem globalisierten Umfeld Die nationalen Haushalte stehen zunehmend in einem internationalen Kontext. Die aus dem Haushalt der Europäischen Kommission finanzierten Projekte in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), die finanziellen Verpflichtungen der Euro-Staaten im Rahmen der Finanzmarktstabilisierung,1 die Zahlungen der Geberländer als Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit oder die nationalen Beiträge für die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen sind dafür nur einige Beispiele. Die fortschreitende Globalisierung und die damit verbundene weltweite Verflechtung der Staaten durch eine verstärkte Zusammenarbeit auf der Grundlage internationaler Verträge hat vielfältige Auswirkungen auf die sogenannten Obersten Rechnungskontrollbehörden (im Folgenden kurz: Rechnungshöfe), die für die Prüfung der nationalen Haushalte zuständig sind.2 Finanzierungen über die Ländergrenzen hinweg lassen eine länderübergreifende Kontrolle der damit verbundenen Finanzströme sinnvoll erscheinen. Rechnungshöfe sehen die Notwendigkeit, vergleichend voneinander zu lernen, wenn sie mit den raschen Veränderungen in der zu prüfenden öffentlichen Verwaltung und den Erwartungen der Öffentlichkeit an die staatlichen Prüfbehörden Schritt halten wollen. Die Stärkung der öffentlichen Finanzsysteme einschließlich der externen Finanzkontrolle in Entwicklungsländern * Die Verfasserin leitet das Referat für internationale Angelegenheiten beim Bundesrechnungshof. 1 Vgl. dazu den Beitrag von Ulrich Graf in dieser Festschrift. 2 Vgl. zum Begriff der Obersten Rechnungskontrollbehörde Artikel 2 Ziffer 2 der Statuten der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI), Stand: November 2007: „(…) jede öffentliche Institution eines Staates, die (…) kraft (…) formeller Normsetzung (…) die höchste Rechnungsprüfungsfunktion (…) ausübt“; www.intosai.org (Navigation: „Über uns“, „Statuten“, „Artikel 2: Mitarbeit“).

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ist schließlich ein wichtiges Element der strategischen Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit. Für die internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe haben sich zahlreiche formelle und informelle Strukturen herausgebildet, auf die ich im Folgenden mit Blick auf die Prioritäten des Bundesrechnungshofes3 eingehen möchte. Auf überregionaler Ebene agiert die Internationale Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden, die sogenannte INTOSAI, als weltweiter Dachverband (Abschnitt II.). Für Fragestellungen mit EU-Bezug bietet der sogenannte Kontaktausschuss den Rechnungshöfen der Mitgliedstaaten ein Forum (Abschnitt III.). Internationale Organisationen werden aus nationalen Haushalten finanziert und sollten deshalb von Rechnungshöfen ihrer Mitgliedstaaten geprüft werden (Abschnitt IV.). Der Bundesrechnungshof steht mit einzelnen Rechnungshöfen in einem engen Arbeitskontakt (Abschnitt V.). Für jede Form der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene ist zu berücksichtigen: Das System der öffentlichen Finanzkontrolle ist das Spiegelbild der jeweiligen historischen Entwicklung und der rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines Staates. Dementsprechend gibt es kaum zwei Staaten in der Welt, in denen die Organisation, die Arbeitsweise und das Regelwerk der staatlichen externen Finanzkontrolle identisch sind.4 Neben dem im romanisch beeinflussten Rechtskreis verbreiteten kollegial verfassten Rechnungshofmodell mit gerichtlicher Funktion steht das Kollegialmodell ohne Gerichtsfunktion, das insbesondere in Deutschland und den Niederlanden anzutreffen ist, sowie das im angelsächsischen Rechtskreis vorzufindende monokratisch-hierarchische Modell.5 Innerhalb dieser idealtypischen Modelle gibt es wiederum zahlreiche Differenzierungen. Die Modelle unterscheiden sich insbesondere im Grad der Unabhängigkeit der Institution innerhalb des Staatsgefüges, in der Organisationsform, der verfassungsrechtlichen Stellung, dem Mandat, den angewendeten Prüfungsmaßstäben, der Beziehung des Rechnungshofes zu Parlament und Regierung oder hinsichtlich der Praxis, Prüfungsergebnisse zu veröffentlichen. Die organisations- und kulturbedingten Unterschiede erfordern in der Zusam3 Vgl. Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2012, S. 355 ff.; www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Bemerkungen [Jahresberichte]“). 4 Heinz Günter Zavelberg, Die Arbeit der Rechnungshöfe im internationalen Vergleich, DÖV 1993, S. 1000. 5 Vgl. zu den Modellen im Einzelnen: Dieter Engels, in: Kahl / Waldhof / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 360 ff. m. w. N.; Philipp Bergel, Rechnungshöfe als vierte Staatsgewalt?, Göttingen 2010; vgl. auch den Beitrag von Klaus-Henning Busse in dieser Festschrift.

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menarbeit die Bereitschaft, unvoreingenommen aufeinander zuzugehen. Gleichzeitig ermöglichen sie wechselseitige Anregungen bei der Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen in den Regelungen und Zielsetzungen der externen Finanzkontrolle.6 II. INTOSAI – Forum der überregionalen Zusammenarbeit Die Internationale Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden – INTOSAI7 – bietet als autonome, unabhängige und unpolitische Dachorganisation der externen Finanzkontrolle weltweit einen institutionalisierten Rahmen für die Zusammenarbeit. Wie ein Berufsverband ist die INTOSAI für ihre Mitglieder ein Forum, auf dem sie trotz aller nationalen Unterschiede Fragen der externen Finanzkontrolle erörtern und aktuelle Entwicklungen verfolgen können. Entsprechend dem Motto der INTOSAI „Gegenseitige Erfahrung nützt allen“ tragen die aus dem Erfahrungsaustausch gewonnenen Erkenntnisse dazu bei, Fachkompetenz, Ansehen und Einfluss der Rechnungshöfe in den jeweiligen Staaten zu festigen. 1953 fanden sich 34 Rechnungshöfe zum I. Kongress der INTOSAI in Kuba zusammen.8 Mittlerweile hat die INTOSAI 191 Mitglieder. Seit 1963 befindet sich das Generalsekretariat der INTOSAI am Sitz des Österreichischen Rechnungshofes. Das Generalsekretariat tritt für die Interessen der INTOSAI und ihrer Mitglieder ein und wirkt als Impulsgeber für aktuelle Themenschwerpunkte. Die Komitees und Arbeitsgruppen und der alle drei Jahre stattfindende Kongress, der sogenannte INCOSAI,9 setzen Schlüsselthemen und geben den INTOSAI-Mitgliedern ein Forum, sich gemeinsamen Herausforderungen zu stellen und innovative Lösungen zu finden.10 Eine entscheidende Rolle hat dabei die jeweilige Präsidentschaft, also der Rechnungshof, der einen Kongress im eigenen Land ausrichtet und die dort vereinbarten Themen und Projekte verantwortlich bis zum folgenden 6 Vgl. Tassilo Broesigke, Die internationale Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden, in: Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714–1989 – Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, S. 435 (447); Heinz Günter Zavelberg, Die Arbeit der Rechnungshöfe im internationalen Vergleich, DÖV 1993, S. 1000 (1001). 7 Abkürzung für: International Organisation of Supreme Audit Institutions. 8 Zur Geschichte der INTOSAI vgl. den Beitrag von Hubert Weber in dieser Festschrift. 9 Abkürzung für: International Congress of Supreme Audit Institutions. 10 Zur Struktur der INTOSAI: www.intosai.org sowie Axel Nawrath, Die internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe, DÖV 2000, S. 861.

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Kongress vorantreibt. Die Regionalorganisationen der INTOSAI legen den Schwerpunkt auf die spezifischen Bedürfnisse der Rechnungshöfe in der jeweiligen Region. 1. Garantie der Unabhängigkeit Ein zentrales Anliegen der INTOSAI ist die Stärkung der Unabhängigkeit der externen Finanzkontrolle.11 Nur unabhängige Rechnungshöfe können eine ausgewogene, verlässliche und objektive Berichterstattung über die Prüfungsergebnisse gewährleisten, um eine effektive Ausübung der Kontrollfunktion der Parlamente zu ermöglichen und dadurch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatliche Verwaltung zu stärken.12 Die Prinzipien der Unabhängigkeit wurden 1977 in der „Deklaration von Lima“13 festgeschrieben und 2007 in der „Deklaration von Mexiko“ konkretisiert.14 Auf beide Dokumente beruft sich die Resolution A / 66 / 209 zur „Förderung einer effizienten, rechenschaftspflichtigen, wirksamen und transparenten öffentlichen Verwaltung durch Stärkung der Obersten Rechnungskontrollbehörden“ vom 22. Dezember 2011. Darin hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen nicht nur die Rolle der Rechnungshöfe im Staatsgefüge weltweit anerkannt, sondern gleichzeitig betont, dass diese ihre Aufgaben nur dann objektiv und wirkungsvoll erfüllen können, wenn sie vor jeglicher Einflussnahme von außen, einschließlich der geprüften Einrichtung, geschützt sind. Damit ist die Unabhängigkeit nicht nur gegenüber der Exekutive, sondern insbesondere auch gegenüber der Legislative gefordert. Die Resolution A / 66 / 209 hat die von den Rechnungshöfen unter dem Dach der INTOSAI formulierten Grundsätze in den internationalen Rechtsbestand aufgenommen und gibt damit jedem einzelnen Rechnungshof die Möglichkeit, sich bei seinen nationalen Entscheidungsträgern auf von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannte Unabhängigkeitsstandards zu berufen.

11 Zu den Acht Säulen der Unabhängigkeit der ORKB vgl. den Beitrag von Klaus-Henning Busse in dieser Festschrift. 12 Vgl. dazu im Einzelnen Berichte und Studien verschiedener Autoren in: EUROSAI Magazin 15 / 2009, S. 49 ff. 13 Vgl. zur Deklaration von Lima insgesamt ausführlich Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: September 2009, Vorbemerkung VII / 1, Rn. 1 ff. 14 Die Deklaration von Lima über die Leitlinien der Finanzkontrolle (ISSAI 1) und die Deklaration von Mexiko über die Unabhängigkeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden (ISSAI 10) sind abrufbar unter: www.issai.org (Navigation: „ISSAI Executive Summaries“, „1. Grundprinzipien“ bzw. „2. Voraussetzungen für das Funktionieren von ORKB“).

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2. Strategische Ziele der INTOSAI Neben dem Grundsatzthema Unabhängigkeit sind die aktuellen Schwerpunkte der INTOSAI in ihrem Strategischen Plan für die Jahre 2011 bis 2016 formuliert. a) Fachliche Normen – ISSAI In ihrem strategischen Ziel 1 konzentriert sich die INTOSAI darauf, international anerkannte Good-Practice-Standards für die Prüfungstätigkeit auszuarbeiten, zu pflegen und ihre Anwendung innerhalb der INTOSAIGemeinschaft zu fördern. Die Standards werden seit 2010 als Internationale Normen für die staatliche Finanzkontrolle (ISSAI)15 in dem sogenannten ISSAI-Rahmenwerk zusammengefasst, das frei im Internet zugänglich ist (www.issai.org). Es besteht aus vier hierarchischen Ebenen, denen die einzelnen Dokumente nach festgelegten Klassifizierungsregeln zugeordnet werden. Die Standards werden von Ebene zu Ebene konkreter und praxisorientierter. Ausgehend von den Grundvoraussetzungen für das ordnungsgemäße und professionelle Funktionieren von Rechnungshöfen finden sich konkrete Empfehlungen zu wesentlichen Prüfungsgrundsätzen und zu speziellen Prüfungsthemen. Insgesamt enthält das ISSAI-Rahmenwerk derzeit rund 90 Standards. ISSAI werden nach einem festgelegten Verfahren, dem sogenannten Due Process für fachliche Normen der INTOSAI, entwickelt und aktualisiert.16 Danach werden die Standards von den thematisch zuständigen Arbeitsgruppen der INTOSAI entwickelt und allen INTOSAI-Mitgliedern auf www. issai.org zur Kommentierung vorgelegt. Die jeweilige Arbeitsgruppe arbeitet die Kommentierungsbeiträge in das Dokument ein und legt bei substanziellen Änderungen des ursprünglichen Entwurfs das Dokument erneut zur Kommentierung vor. Der neue ISSAI wird dann vom INCOSAI, also allen Mitgliedern der INTOSAI, formal angenommen. Dieses Verfahren soll eine breite Beteiligung und Akzeptanz der INTOSAI-Gemeinschaft für die ISSAI sicherstellen. Da Mandate, Aufgaben und Prüfungsmethodik der Rechnungshöfe Veränderungen unterworfen sind, werden die ISSAI in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Mit der Verabschiedung des ISSAI-Rahmenwerkes verfügt die INTOSAI über einen normativen Rahmen, der es ermöglicht, vielfältige sich aus der Prüfungstätigkeit ergebende Synergien zu nutzen, um die Qualität der exter15 16

International Standards of Supreme Audit Institutions. Vgl. dazu insgesamt: www.issai.org.

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nen Finanzkontrolle zu optimieren. Dafür müssen die ISSAI dort bekannt sein, wo sie genutzt werden sollen: bei der Prüferin und dem Prüfer. Die Mitglieder der INTOSAI haben sich anlässlich des XX. INCOSAI im Jahre 2010 dazu bekannt, das Bewusstsein für die ISSAI auf globaler, regionaler und nationaler Ebene zu fördern, sie in Übereinstimmung mit dem eigenen Mandat sowie den nationalen Gesetzen und Vorschriften anzuwenden und gleichzeitig die nationalen Regelwerke an dem ISSAI-Rahmenwerk zu messen.17 Die Transparenz und die systematische Struktur des ISSAI-Rahmenwerks sind dabei von großem Vorteil. Die issai.org-Website ermöglicht es der Prüferin und dem Prüfer, schnell und unkompliziert auf die gesuchten Standards zuzugreifen. Damit können die ISSAI wie selbstverständlich in die tägliche Arbeit einfließen. Bei den ISSAI handelt es sich gleichwohl nicht um verbindliche Vorgaben, die gleichermaßen automatisch gelten und Wirkung entfalten würden, sondern um ein Angebot, dessen Anwendung den einzelnen Rechnungshöfen überlassen bleibt. Diese entscheiden in voller Unabhängigkeit, ob und in welchem Umfang sie sich aus dem ISSAI-Werkzeugkasten bedienen wollen. Dabei spielen insbesondere der Zuschnitt des jeweiligen Prüfungsmandats und der Prüfungsaufgaben eine entscheidende Rolle. b) Ausbau der Sachkompetenzen – starke Rechnungshöfe Eine weitere Säule der INTOSAI ist die institutionelle Stärkung der Rechnungshöfe. Um den Ansprüchen der staatlichen Finanzkontrolle gerecht zu werden, ist es notwendig, Kenntnisse und Fähigkeiten, Strukturen und Arbeitsweisen, die für die Aufgabenerfüllung von entscheidender Bedeutung sind, zu identifizieren und zu optimieren. Die Umsetzung dieses strategischen Ziels 2 der INTOSAI liegt in der Verantwortung verschiedener Arbeitsgruppen, die insbesondere fachspezifische Leitfäden mit Good Practices für Schlüsselbereiche der externen Finanzkontrolle ausarbeiten und die Zusammenarbeit zwischen Rechnungshöfen und mit fachverwandten externen Partnern, wie Wirtschaftsprüfern oder Innenrevisoren, fördern. Die Leitfäden zum „Ausbau von Sachkompetenzen der Obersten Rechnungskontrollbehörden“ und zur „Einführung von Qualifizierungsmaßnahmen für Prüfungspersonal“ machen Vorschläge für eine kritische Eigenanalyse und die Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der institutionellen Strukturen.18 17 Vgl. „Die Südafrikanische Erklärung über Internationale Normen für Oberste Rechnungskontrollbehörden“, in: Das Johannesburg-Abkommen vom 27. November 2010, Teil C; abrufbar unter: www.intosai.org (Navigation: „Veranstaltungen“, „Kongresse [INCOSAI]“, „Kongressthemen / Schlussdokumente“, „Johannesburg-Abkommen“).

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Um die eigene Aufgabenerledigung zu optimieren und mögliche Schwachstellen in der Organisation zu identifizieren, nutzen Rechnungshöfe zunehmend das Instrument der gegenseitigen fachlichen Begutachtung, den sogenannten Peer Review.19 Mit der Zeit haben sich bewährte Abläufe und Herangehensweisen für die Durchführung eines solchen Peer Reviews herausgebildet. Um das Verfahren und die möglichen Fragestellungen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, hat eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Bundesrechnungshofes20 den Peer-Review-Leitfaden erarbeitet. Auch wenn es sich bei einem Peer Review nicht um eine Prüfung im engeren Sinne handelt und die Peers dem zu begutachtenden Rechnungshof auf Augenhöhe gegenüberstehen, wurde der Leitfaden wegen der grundsätzlichen Vergleichbarkeit mit einem Prüfungsverfahren als ISSAI 5600 in das ISSAI-Rahmenwerk aufgenommen. Ein Schwerpunkt der INTOSAI ist die Förderung von Rechnungshöfen in Entwicklungsländern, die etwa zwei Drittel ihrer Mitglieder ausmachen. In diesem Rahmen unterstützt die INTOSAI-Entwicklungsinitiative (IDI)21 die Aktivitäten der INTOSAI durch Schulungsprogramme in Schlüsselbereichen der öffentlichen Finanzkontrolle. IDI wurde während des XII. INCOSAI 1986 ins Leben gerufen. Bis zum Jahr 2000 hatte das IDI-Sekretariat seinen Sitz beim kanadischen Rechnungshof, seither wird IDI als Stiftung nach norwegischem Recht vom norwegischen Staat finanziert und vom norwegischen Rechnungshof in der INTOSAI vertreten. Aktuell unterstützt IDI die Anwendung der ISSAI in Entwicklungsländern.22 18

c) Austausch von Wissen – starke Instrumente Das strategische Ziel 3 der INTOSAI konzentriert sich unmittelbar auf konkrete Prüfungsfragen für den Bereich der Wirtschaftlichkeit und Ord18 Abrufbar unter: www.intosai.org (Navigation für den Leitfaden „Ausbau von Sachkompetenzen der Obersten Rechnungskontrollbehörden“: „Dokumente“, „Prüfungsbezogene“, „INTOSAI – Ziel 2“, „cbc.courdescomptes.ma“, „Documents and Materials“, „Guides“, „Building Capacity in SAIs: a Guide“, „Building Capacity in SAIs Guide_German Version“; Navigation für den Leitfaden „Einführung von Qualifizierungsmaßnahmen für Prüfungspersonal“: „Dokumente“, „Prüfungsbezogene“, „INTOSAI – Ziel 2“, „cbc.courdescomptes.ma“, „Documents and Materials“, „Guides“, „Introducing Professional Qualifications for Audit Staff“, „Introducing Professional Qualifications in SAIs_German Version“). 19 Vgl. dazu den Beitrag von Oliver Sievers in dieser Festschrift. 20 Der Vorsitz ist im Oktober 2012 auf den slowakischen Rechnungshof übergegangen. 21 INTOSAI Development Initiative. 22 Vgl. dazu: INTOSAI Entwicklungsinitiative (IDI), Das Vorhaben zur Einführung der ISSAI, EUROSAI Magazin 18 / 2012, S. 47 ff.

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nungsmäßigkeit. Die behandelten Prüfungsfelder sind vielfältig und orientieren sich an aktuellen Entwicklungen: Staatsverschuldung, Informationstechnologie, Umwelt – differenziert nach den verschiedenen Umweltmedien –, Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche, Verwendung von Hilfsgeldern für Naturkatastrophen, Globale Finanzkrise. Die themenbezogenen Arbeitsgruppen bieten ein Forum für Erfahrungsaustausch, fördern die regionale und bilaterale Zusammenarbeit und koordinieren Fortbildungsmaßnahmen wie Seminare und Workshops. Die von den Arbeitsgruppen erstellten Leitlinien formulieren Empfehlungen und Prüfungsansätze für den Umgang mit den spezifischen Themen. Dafür werden nationale Prüfungsergebnisse gesammelt und querschnittlich ausgewertet. Die Arbeitsgruppe Umweltprüfung führt zudem abgestimmte Prüfungen mehrerer Rechnungshöfe nach einem gemeinsamen Konzept und Zeitplan durch. Die Arbeitsgruppe zur Finanzkrise hat die Gründe für die Entwicklung auf den Finanzmärkten analysiert, die Gegenmaßnahmen der jeweiligen Regierungen verglichen und die mögliche Rolle der Rechnungshöfe diskutiert. Die Leitlinien zu speziellen Themen auf der vierten Ebene des ISSAIRahmenwerkes (ab ISSAI 5000) sind überwiegend das Ergebnis dieser Aktivitäten. Der Bundesrechnungshof ist unter anderem Mitglied in einer Arbeitsgruppe, die Indikatoren zur objektiven Leistungsbewertung von Rechnungshöfen erarbeitet. Das neu entwickelte Instrument des sogenannten Performance Measurement Framework, kurz: PMF, enthält 22 Indikatoren, die wesentliche Elemente eines funktionierenden Rechnungshofes abbilden. Dazu gehören unter anderem die Ausgestaltung und der Grad der Unabhängigkeit der Institution, die Verfahren der Zusammenarbeit mit dem nationalen Parlament oder interne Verwaltungsstrukturen wie Personal- und Organisationsentwicklung. Das Instrument wird derzeit bei ausgewählten Rechnungshöfen in einer Pilotphase erprobt. 3. Regionalorganisationen: Schwerpunkt EUROSAI Während die INTOSAI auf der Basis eines breiten Wissens- und Erfahrungsaustausches vor allem eine Good Practice für öffentliche Finanzkontrolle entwickelt, legen die Regionalorganisationen der INTOSAI23 den Schwerpunkt auf die Umsetzung dieser Good Practice in der jeweiligen Region. 23 Lateinamerika: OLACEFS (seit 1965), Afrika: AFROSAI (seit 1976), arabische Region: ARABOSAI (seit 1978), Asien: ASOSAI (seit 1978), Südpazifik: PASAI (seit 1987), Karibik: CAROSAI (seit 1988), Europa: EUROSAI (seit 1990), siehe auch: www.intosai.org.

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Die europäische Regionalorganisation EUROSAI24 ist die jüngste der insgesamt sieben Regionalorganisationen.25 Berechtigt zur Mitgliedschaft sind alle Staaten, die Mitglied in europäischen Regionalgruppen der Vereinten Nationen sind. Die geografische Spanne der EUROSAI reicht von Island bis Israel und von Portugal bis Kasachstan. Die EUROSAI ist damit von einer ausgesprochenen Vielfalt geprägt: unterschiedliche historische und politische Hintergründe – von den Mitgliedstaaten der EU über die mittelund osteuropäischen Länder bis zur Gemeinschaft unabhängiger Staaten –, verschiedene Rechnungshofmodelle, Arbeitsweisen und Prüfmethoden und nicht zuletzt unterschiedliche Reifegrade in der institutionellen Entwicklung.26 Der VIII. EUROSAI-Kongress 2011 in Lissabon verabschiedete den Strategischen Plan der EUROSAI für 2011 bis 2017, der zur Umsetzung der INTOSAI-Strategie in Europa beitragen soll. Eine Priorität der EUROSAI ist die Unterstützung ihrer Mitglieder bei der Anwendung der ISSAI.27 Mit der Übernahme des Vorsitzes der dafür verantwortlichen Arbeitsgruppe zeigt der Bundesrechnungshof, welche Bedeutung er dem Thema beimisst. Weitere Ziele der EUROSAI sind die institutionelle Stärkung der Rechnungshöfe, der fachliche Austausch durch Seminare oder abgestimmte Prüfungen, die mehrere Rechnungshöfe zeitgleich zu einem bestimmten Thema durchführen. In diesen Bereichen arbeitet die EUROSAI auch mit anderen Regionalorganisationen der INTOSAI zusammen. 4. Fazit Die gemeinsam erarbeiteten Standards, Leitfäden und sonstigen Instrumente zur Verbesserung der Qualität der externen Finanzkontrolle kommen in erster Linie Rechnungshöfen zugute, die sich im Aufbau befinden. Gleichwohl ist die INTOSAI keine „Einbahnstraße“. Die als Ergebnis vielfältiger Diskussionen entstandenen Produkte der INTOSAI geben allen Rechnungshöfen die Möglichkeit, ihre jeweilige Organisation mit anderen zu vergleichen. Selbstverständlich gewordene Strukturen und Verfahren 24

org.

European Organisation of Supreme Audit Institutions; vgl. dazu www.eurosai.

25 Zur Vorgeschichte im Einzelnen vgl. die Beiträge im EUROSAI-Magazin Nr. 16 / 2010 von Manuel Nunez Perez, S. 55 ff.; Josef Moser, S. 64 ff.; Didier Migaud, S. 81 ff.; Dieter Engels, S. 83 ff.; Ennio Colasanti, S. 99 ff.; vgl. dazu auch den Aufsatz von Hubert Weber in dieser Festschrift. 26 Dieter Engels, EUROSAI Zielteam 2, EUROSAI Magazin 17 / 2011, S. 100 (102 ff.) und 18 / 2012, S. 55 ff. 27 Strategischer Plan der EUROSAI 2011–2017, S. 6; www.eurosai.org (Navigation: „Strategischer Plan“).

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können sich dadurch relativieren und neue Ansätze und Herangehensweisen entwickeln. Zudem ermöglicht eine aktive Mitarbeit in der INTOSAI jedem Rechnungshof, neue Trends mitzugestalten. Dies gilt vor allem für die Weiterentwicklung der ISSAI mit ihrer zukunftsweisenden Orientierung für die Prüfungsmethodik. III. Zusammenarbeit im europäischen Mehrebenensystem Zahlungen aus dem Haushalt der EU werden überwiegend von den Mitgliedstaaten an den Endempfänger überwiesen. Hierfür halten Mitgliedstaaten die Verwaltungsstrukturen vor. Im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise werden die Mitgliedstaaten immer stärker in die neue wirtschafts-, finanz- und fiskalpolitische Architektur eingebunden. Ein Beispiel sind die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten des Euroraumes im Europäischen Stabilitätsmechanismus, dem sogenannten ESM. Die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Umgang mit den damit verbundenen Steuermitteln betrifft deshalb nicht nur die europäischen Institutionen, sondern auch die Mitgliedstaaten und die für die Prüfung der nationalen Haushalte zuständigen Rechnungshöfe. Die föderale Struktur in Deutschland bringt zudem die Bundesländer und die Landesrechnungshöfe als Akteure ins Spiel. Welche Fragestellungen sich im Einzelnen daraus ergeben können, soll im Folgenden beleuchtet werden. 1. Verflechtung der Rechtssysteme Die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Verwendung der europäischen Haushaltsmittel liegt gleichermaßen im Interesse der EU wie ihrer Mitgliedstaaten. Dies gilt insbesondere für Deutschland, das als einer der großen Nettozahler im Zeitraum 2007 bis 2010 zu durchschnittlich 10 % die jährlichen EU-Gesamtausgaben mitfinanzierte.28 Über 80 % der EU-Mittel werden nach dem System der sogenannten geteilten Mittelverwaltung29 bewirtschaftet.30 Dabei überträgt die EU den Haushaltsvollzug auf die Mitglied28 Vgl. im Einzelnen: Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (Hrsg.), EU Report deutscher Rechnungshöfe 2012, S. 66 ff., 75; www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Sonderberichte“). 29 Vgl. dazu im Einzelnen: Christoph Thäsler, Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem, Göttingen 2012, S. 46 ff.; Francisca Schmitz, Finanzkontrolle durch den Europäischen Rechnungshof, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), Loseblatt Stand: Februar 2006, ERH VII / 2, Rn. 72. 30 Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 5), Art. 114 GG Rn. 221 ff.; Christoph Thäsler, Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem (Fn. 29), S. 128 f.;

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staaten. Das bedeutet, dass die EU-Mittel zur Bewirtschaftung, also zur Auszahlung an den Endbegünstigten, buchungstechnisch in die nationalen Haushalte überwiesen werden.31 In den Mitgliedstaaten sind dazu nach spezifischen unionsrechtlichen Vorgaben gestaltete Verwaltungs- und Kontrollsysteme einzurichten, also Strukturen zu schaffen, die eine ordnungsgemäße Mittelverwendung gewährleisten. Nach diesem Prinzip werden die Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik und die Europäische Regionalpolitik32 in gemeinsamer Verantwortung von EU-Kommission und den Verwaltungen der Mitgliedstaaten verausgabt. Diese Ausgestaltung des EU-Haushaltsvollzuges hat unmittelbare Auswirkungen auf die externe Finanzkontrolle sowohl auf EU-Ebene als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Für die Prüfung der EU-Mittel in der geteilten Mittelverwaltung ist grundsätzlich der Europäische Rechnungshof zuständig. Gleichzeitig betrifft die EU-Mittelbewirtschaftung die nationalen Verwaltungen und Haushalte und somit die Zuständigkeit der Rechnungshöfe der Mitgliedstaaten. Die Zuständigkeiten sind zwar rechtlich klar voneinander getrennt: Der Europäische Rechnungshof prüft die Europäische Kommission in ihrer Verantwortung für den EU-Haushalt und berichtet den EU-Organen, insbesondere dem Europäischen Parlament. Die nationalen Rechnungshöfe prüfen die nationalen Haushalte und berichten ihren zuständigen nationalen Stellen.33 Gleichwohl besteht das Risiko, dass sich die unterschiedlichen Kontrollebenen aufeinander verlassen und damit prüfungsfreie Räume entstehen, oder dass nationale Stellen von mehreren Rechnungsprüfungsebenen geprüft werden.34 Dies gilt umso mehr, als die meisten Programme der Strukturfonds als Finanzierungsinstrumente der Europäischen Regionalpolitik voraussetzen, dass die Mitgliedstaaten die Projekte aus den nationalen Haushalten anteilig finanzieren (Prinzip der Kofinanzierung). Das Bedürfnis für eine Zusammenarbeit im europäischen Kontext ergibt sich auch aus den Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts, das dem nationalen Recht grundFrancisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), Loseblatt Stand: Februar 2006, ERH VII / 2, Rn. 76. 31 Christoph Thäsler, Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem (Fn. 29), S. 128. 32 Strukturfonds-Instrumente (Förderperiode 2007–2013): Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Finanzierung regionalpolitischer Strukturbeihilfen; Europäischer Sozialfonds (ESF) zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts; Kohäsionsfonds für Interventionen in den Bereichen Umwelt und transeuropäische Verkehrsnetze. 33 Vgl. dazu: Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 5), Art. 114 GG Rn. 222 ff. 34 Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), ERH VII / 2, Rn. 76, 79.

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sätzlich vorgeht. EU-Recht gilt unmittelbar in einem Mitgliedstaat oder ist innerhalb bestimmter Fristen in nationales Recht umzusetzen. Deshalb ist Gemeinschaftsrecht auch für die nationalen Rechnungshöfe als Prüfungsmaßstab zu berücksichtigen.35 Der engen Verflechtung der europäischen und der mitgliedstaatlichen Haushaltsebene trägt Artikel 287 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Rechnung, wonach der Europäische Rechnungshof und die nationalen Rechnungshöfe „unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit“ vertrauensvoll zusammenarbeiten. Diese Formulierung stellt klar, dass sich die nationalen Rechnungshöfe und der Europäische Rechnungshof auf Augenhöhe begegnen. Insbesondere kann der Europäische Rechnungshof den nationalen Rechnungshöfen keine Weisungen und Aufträge erteilen.36 Diese Position wurde 1996 in einer Stellungnahme des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages37 und im darauffolgenden Jahr von der deutschen Präsidentenkonferenz 199738 ausdrücklich bekräftigt. Auch die Erklärung 18 der Schlussakte zum Vertrag von Nizza39 erwähnt die Zusammenarbeit der Rechnungshöfe im EUKontext. Danach fordert der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs den Europäischen Rechnungshof und die einzelstaatlichen Rechnungshöfe auf, „den Rahmen und die Bedingungen für ihre Zusammenarbeit unter Beibehaltung ihrer jeweiligen Autonomie zu verbessern. Zu diesem Zweck kann der Präsident des Rechnungshofes einen Ausschuss für Kontakte mit den Präsidenten der einzelstaatlichen Rechnungsprüfungsorgane einsetzen“. 2. Kontaktausschuss Nicht erst aufgrund der Erklärung von Nizza und schon vor der Gründung des Europäischen Rechnungshofes arbeiten die Rechnungshöfe im Rahmen der „Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Obersten Rechnungskontrollbehörden der Mitgliedstaaten der EU und des Präsidenten 35 Vgl. Andreas v. Gall / Francisca Schmitz, Rechnungshöfe und die europäische Integration, in: Eibelshäuser (Hrsg.), Finanzpolitik und Finanzkontrolle – Partner für Veränderungen, Baden-Baden 2002, S. 337 (339). 36 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 5), Art. 114 GG Rn. 355. 37 Zitiert bei: Albert v. Mutius / Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), Loseblatt Stand: Juni 1999, Art. 114 GG Rn. 46.3. 38 Vgl. Beschluss der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Potsdam, September 1997, zitiert bei: Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Köln Loseblatt Stand: Juni 1999, Entscheidungen – Rechnungshof VIII / 2.1. 39 ABl. EG Nr. C 80 / 1 vom 10. März 2001.

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des Europäischen Rechnungshofes“ zusammen.40 Dieser sogenannte Kontaktausschuss tritt seit 1960 einmal jährlich zusammen. Der Europäische Rechnungshof wurde nach seiner Gründung im Jahre 1978 Mitglied.41 Entsprechend seinem Leitbild: „autonom, unabhängig und nicht politisch“, das den Status der Unabhängigkeit der ihm angehörenden Rechnungshöfe widerspiegelt, ist der Kontaktausschuss ein informelles, auf Freiwilligkeit beruhendes Gremium ohne Einbindung in die europäische Organarchitektur und ohne Gründungsdokument oder schriftlich fixierte satzungsmäßige Bindungen.42 Faktisch hat sich der Kontaktausschuss gleichwohl auf eingespielte Verfahrensweisen und Strukturen verständigt. Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Arbeitsgruppen und Expertennetzwerke bearbeiten spezifische Themen von gemeinsamem Interesse. Die Gruppe der sogenannten Verbindungsbeamtinnen und -beamten der mitgliedstaatlichen Rechnungshöfe und des Europäischen Rechnungshofes ist auf Arbeitsebene das Bindeglied zwischen dem Kontaktausschuss und seinen operativen Aktivitäten. Die EU-Beitrittskandidatenländer nehmen als Beobachter an den Sitzungen teil. Mit dem Fortschreiten der europäischen Integration hat auch der Kontaktausschuss als Forum für eine auf europäische Fragestellungen zugeschnittene Zusammenarbeit der externen Finanzkontrolle an Bedeutung gewonnen. Die Mitglieder beraten aktuelle Prüfungsfragen und tauschen Erfahrungen bei der Prüfung von EU-Mitteln aus. Regelmäßig finden sich Rechnungshöfe zusammen, um bestimmte Prüfungsthemen nach einem vereinbarten Konzept und Zeitplan zu bearbeiten. Diese abgestimmten Prüfungen sind ein wirkungsvolles Instrument, um bei grenzübergreifenden Prüfungsthemen vergleichbare Lösungsansätze zu finden. Seit dem Jahr 2000 prüft beispielsweise eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Bundesrechnungshofes wechselnde Fragestellungen aus dem Bereich der Strukturfonds, wie die Umsetzung und den Wirkungsgrad der für die Förderperiode 2007 bis 2013 eingeführten Vereinfachungen der Rechtsvorschriften. Mit Blick auf die 40 Vgl. dazu insgesamt: Christoph Thäsler, Finanzkontrolle im europäischen Mehrebenensystem (Fn. 29), S. 170 ff.; Andreas v. Gall / Francisca Schmitz, Rechnungshöfe und die europäische Integration (Fn. 35), S. 337 (343); Website des Kontaktausschusses: www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“); Axel Nawrath, Die internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe, DÖV 2000, S. 861 (864); Heinz Günter Zavelberg, Die Arbeit der Rechnungshöfe im internationalen Vergleich, DÖV 1993, S. 1000 (1001 f.). 41 Vgl. dazu den Beitrag von Saskia J. Stuiveling / Kees Vendrik in dieser Festschrift. 42 Vgl. auch Josef Isensee, Außenvertretung der deutschen Rechnungshöfe in der Europäischen Union, Heidelberg 2001, S. 17 f.

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Ausgestaltung der Förderperiode 2014 bis 2020 hat die EU-Kommission Interesse an den Ergebnissen gezeigt. Ein Schwerpunkt des Kontaktausschusses ist die Erarbeitung von Standpunkten zu aktuellen Themen. Die Tendenz, nationale Rechnungshöfe zur Unterstützung von Kontroll- und Beratungsaufgaben im Rahmen des EURechts einzubinden, hat sich im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise weiter verstärkt. Die verschiedenen Steuerungs- und Überwachungsmaßnahmen sprechen entweder den Rechnungshöfen der Mitgliedstaaten unmittelbar eine Rolle zu, oder sie betreffen Aufgabenfelder, bei denen diese für sich eine Rolle sehen könnten. Für beide Fälle müssen sich die nationalen Rechnungshöfe rechtzeitig positionieren, um aktiv die sie betreffenden Entwicklungen beeinflussen zu können. Im Folgenden ist eine Auswahl der aktuellen Themen umrissen, die die einzelstaatlichen Rechnungshöfe und den Kontaktausschuss beschäftigen. 3. Aktuelle Entwicklungen mit Auswirkungen auf die externe Finanzkontrolle a) Rolle der Rechnungshöfe in der EU-Haushaltskontrolle Die Frage der Prüfung der EU-Mittel in der geteilten Mittelverwaltung ist bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet. Auch soweit der EU-Haushalt von den Mitgliedstaaten verausgabt wird, ist die Europäische Kommission dafür verantwortlich, dass Mitgliedstaaten über Verwaltungs- und Kontrollsysteme verfügen, die eine ordnungsgemäße Mittelverwendung gewährleisten. Der Europäische Rechnungshof prüft in den Mitgliedstaaten, inwieweit die Europäische Kommission dieser Aufgabe gerecht wird. Seit dem Vertrag von Maastricht und erstmals für das Haushaltsjahr 1994 gibt der Europäische Rechnungshof eine Erklärung über die Zuverlässigkeit der Verwaltungs- und Kontrollsysteme in der geteilten Mittelverwaltung ab. Diese sogenannte Zuverlässigkeitserklärung (ZVE) ist eine wesentliche Grundlage im Verfahren der Entlastung der Europäischen Kommission durch das Europäische Parlament.43 Wegen zu hoher Fehlerquoten in bestimmten Ausgabenbereichen der geteilten Mittelverwaltung sieht sich der Europäische Rechnungshof bisher nicht in der Lage, eine uneingeschränkte Entlastungsempfehlung auszusprechen. Obwohl das Europäische Parlament die Europäische Kommission trotzdem regelmäßig entlastet, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre das Bestreben beider Institutionen, eine insge43 Vgl. dazu: Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), ERH VII / 2, Rn. 68 ff.

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samt uneingeschränkte, also positive ZVE des Europäischen Rechnungshofes zu erreichen. Hierzu wird versucht, die Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Rechnungshöfe für die Kontrolle der EU-Mittel stärker in die Verantwortung zu nehmen.44 Inzwischen müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission in sogenannten Jährlichen Zusammenfassungen eine Übersicht über die endgültigen Prüfberichte und die durchgeführten Kontrollen vorlegen, verbunden mit einer Analyse der Mängel und Abhilfemaßnahmen. In einem weiteren Schritt war vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten in sogenannten Nationalen Erklärungen auf „höchster politischer Ebene“ bescheinigen, dass die nationalen Verwaltungs- und Kontrollsysteme insgesamt eine ordnungsgemäße Mittelverwendung sicherstellen. Diese Forderung, die einem Testat des Mitgliedstaates gleichkommen würde, hat auf EU-Ebene bisher keine Mehrheit gefunden. Als Kompromiss geben die zuständigen Verwaltungsstellen sogenannte Verwaltungserklärungen ab, mit denen sie bestätigen, dass die Verwaltungs- und Kontrollsysteme auf ihrer jeweiligen Ebene funktionieren.45 Nach dem Konzept der Europäischen Kommission sollte eine „unabhängige Prüfstelle“ diese Erklärungen prüfen und mit einem Bestätigungsvermerk versehen. In den Entwurfsverhandlungen drängte insbesondere das Europäische Parlament darauf, dass diese Prüfungsaufgaben von den nationalen Rechnungshöfen wahrgenommen werden.46 Die geprüften Erklärungen der Mitgliedstaaten sollten als zusätzliches Kontrollelement die Gewähr für eine ordnungsgemäße Verausgabung der EU-Mittel stärken und es dem Europäischen Rechnungshof dadurch erleichtern, eine positive ZVE abzugeben. Der Europäische Rechnungshof stellte klar,47 dass er die von nationalen Rechnungshöfen bestätigten Erklärungen nur dann als Grundlage für seine Prüfung verwenden würde, wenn sicher44 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 17. Januar 2006 an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Rechnungshof „Aktionsplan der Kommission für einen Integrierten Internen Kontrollrahmen“, KOM (2006) 9 endgültig, S. 6 (Maßnahme 5) und S. 8 (Maßnahme 8); zur Vorgeschichte: Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), ERH VII / 2, Rn. 83 ff. 45 Vgl. dazu den Beitrag von Saskia J. Stuiveling / Kees Vendrik in dieser Festschrift. 46 Zur Diskussion insgesamt: Österreichischer Rechnungshof (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen der EU-Finanzkontrolle: Reform der EU-Haushaltsordnung, Oktober 2010, in: Positionen 2010 / 1, Rn. 24 ff. m. w. N., www.rechnungshof.gv.at (Navigation: „Positionen“, „15.10.2010 Positionen, Aktuelle Entwicklungen der EU-Finanzkontrolle: Reform der EU-Haushaltsordnung“). 47 Vgl. Stellungnahme des Europäischen Rechnungshofes 6 / 2007 zu den Jährlichen Zusammenfassungen der Mitgliedstaaten, den nationalen Erklärungen der Mitgliedstaaten und zur Prüfungsarbeit nationaler Rechnungsprüfungsorgane in Bezug auf EU Mittel, ABl. C 216 vom 14. September 2007.

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gestellt sei, dass in allen Mitgliedstaaten vergleichbare Prüfungsmaßstäbe zugrunde gelegt werden. Auch würde sich der Europäische Rechnungshof von der Einhaltung dieser vergleichbaren Prüfungsmaßstäbe und der Qualität der Arbeit der nationalen Rechnungshöfe überzeugen. Die nationalen Rechnungshöfe haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass solche Vorgaben zu einer Einbindung der nationalen Rechnungshöfe in die interne Kontrollstruktur der EU führten, was mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit der externen Finanzkontrolle nicht vereinbar wäre.48 Die Unabhängigkeit der Finanzkontrollorgane müsse durch die strikte Trennung von interner und externer Kontrolle gewährleistet werden.49 b) Prüfungsrechte im Europäischen Stabilitätsmechanismus Zur Bewältigung der Finanz- und Staatsschuldenkrise im Euroraum werden durch den sogenannten ESM zahlungsunfähige Mitgliedstaaten der Eurozone unter wirtschaftspolitischen Auflagen mit Krediten der Gemeinschaft der Euro-Staaten unterstützt. Der ESM verfügt über 700 Milliarden Euro Stammkapital. Die Finanzmittel werden in Höhe von 80 Milliarden Euro als Direktzahlungen bereitgestellt und im Übrigen als abrufbares Kapital garantiert. Der deutsche Finanzierungsanteil beträgt rund 27 %, wovon rund 22 Milliarden Euro in bar einzuzahlen und rund 168 Milliarden Euro als Garantie zur Verfügung zu stellen sind. Der Entwurf des ESM-Vertrags sah ursprünglich keine Regelungen für eine externe öffentliche Finanzkontrolle vor. Damit entsprach der Vertrag nicht internationalen Standards, nach denen internationale Institutionen, die aus den Haushalten ihrer Mitgliedstaaten finanziert werden, einer unabhängigen externen Prüfung durch Rechnungshöfe unterliegen sollen (ISSAI 5000).50 Der Bundesrechnungshof hat daraufhin zusammen mit den anderen Rechnungshöfen des Euroraumes und dem Europäischen Rechnungshof die Initiative ergriffen, eine externe Finanzkontrolle beim ESM vorzuschlagen. In der „Erklärung der Euro-Rechnungshöfe zur externen Finanzkontrolle des ESM“ vom September 2011 sind die wesentlichen Elemente für eine angemessene Regelung festgeschrieben. Zusammen mit einem konkreten Formu48 Beschluss des Kontaktausschusses, CC-R-2005-02, www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen & Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „CC-R-2005-02“). 49 Vgl. dazu: Beschlüsse der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder und des Bundesrates bei: Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), ERH VII / 2, Rn. 83 ff. 50 www.issai.org (Navigation: „Allgemeine Anwendungsrichtlinien“, „Richtlinien zu speziellen Themen“).

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lierungsvorschlag zur Ergänzung des ESM-Vertrages haben die Rechnungshöfe des Euroraumes ihre nationalen Parlamente und Regierungen aufgefordert, die Kontrolllücke beim ESM zu schließen. Der Kontaktausschuss hat mit einer Resolution vom Oktober 201151 an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, die Europäische Kommission sowie die Parlamente und Regierungen der EU-Mitgliedstaaten die Initiative unterstützt. Gemeinsam haben die Rechnungshöfe erreicht, dass im ESM-Vertrag ein Prüfungsausschuss, das sogenannte Board of Auditors, verankert wurde, der sich aus fünf unabhängigen Mitgliedern, darunter zwei Vertreter von Rechnungshöfen des Euroraumes und ein Vertreter des Europäischen Rechnungshofes, zusammensetzt. Zeitgleich mit dem ESM nahm der Prüfungsausschuss im Oktober 2012 seine Arbeit auf. Die umfangreichen Prüfungsbefugnisse ermöglichen es, die Ordnungsmäßigkeit, die Regelkonformität und das Risikomanagement des ESM zu bewerten. Der jährliche Bericht ist den nationalen Parlamenten und den Rechnungshöfen der ESM-Mitglieder sowie dem Europäischen Rechnungshof zugänglich zu machen.52 c) IPSAS für die Mitgliedstaaten In der Staatschuldenkrise hat sich deutlich gezeigt, dass für die Sicherung der Wirtschafts- und Währungsunion eine haushaltspolitische Überwachung auf EU-Ebene erforderlich ist. In der Richtlinie 2011 / 85 / EU53 als Teil des Gesetzespaketes zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes werden Regeln für den haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten festgelegt. Ziel ist es, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden. Entscheidend sind vollständige, zuverlässige und zwischen allen Mitgliedstaaten vergleichbare Haushaltsdaten, mit denen die Regierungen die Finanzstabilität ihrer Länder transparent und zweifelsfrei nachweisen.54 Als Voraussetzung für die belastbare Bewertung der Finanzlage in den einzelnen Mitgliedstaaten gilt die Einführung eines harmonisierten öffentlichen Rechnungswesens, um auf Basis der doppelten Buchführung die Vermögenslage in den Mitgliedstaaten für die einzelnen Haushaltsjahre vergleichbar 51 Beschluss des Kontaktausschusses, CC-R-2011-01, www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen & Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „CC-R-2011-01“). 52 Vgl. dazu die Beiträge von Saskia J. Stuiveling / Kees Vendrik und Ulrich Graf in dieser Festschrift. 53 Vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten, ABl. L 306, S. 41. 54 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, Die Arbeit der Rechnungshöfe im internationalen Vergleich, DÖV 1993, S. 1000 (1002).

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darzustellen. Die Richtlinie 2011 / 85 / EU legt der Europäischen Kommission auf zu prüfen, ob ein Buchführungs- und Bilanzierungssystem auf der Grundlage der Internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor, den sogenannten International Public Sector Accounting Standards (IPSAS), geeignet wäre, die Qualität, Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit der nationalen Statistiken zu verbessern. Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Union, befragte dazu die Mitgliedstaaten der EU in einer öffentlichen Konsultation. Im Ergebnis wurde deutlich, dass IPSAS in ihrer gegenwärtigen Form zwar nicht direkt für diesen Zweck herangezogen werden können, die EU aber von ihnen ausgehend eigenständige, auf die speziellen Bedürfnisse der Mitgliedstaaten angepasste Buchführungs- und Bilanzierungsgrundsätze entwickeln könnte.55 Die Europäische Kommission strebt daher die Schaffung eigenständiger europäischer Rechnungslegungsstandards, sogenannter European Public Sector Accounting Standards (EPSAS) an, die für alle staatlichen Ebenen in allen Mitgliedstaaten der EU gelten sollen, und plant, bis zum Jahr 2014 in einer Rahmenverordnung das weitere Verfahren zur Entwicklung von EPSAS zu regeln. Die Einführung und Anwendung von EPSAS und die damit verbundene Haushaltsführung auf der Grundlage einer doppelten Buchführung im öffentlichen Bereich (Doppik) wären insbesondere für die Mitgliedstaaten, die, wie der Bund und der überwiegende Teil der Bundesländer in Deutschland, ein auf Einnahmen- und Ausgabenbuchung basierendes Rechnungswesen (Kameralistik) anwenden, von einschneidender Bedeutung.56 Auch die Mitgliedstaaten, die Doppik bereits auf der Basis nationaler Rechnungslegungsgrundsätze eingeführt haben oder gerade dabei sind, dies zu tun, sind daran interessiert, sich an der Ausgestaltung der EPSAS zu beteiligen. Wegen der erheblichen Auswirkungen auch auf die Prüftätigkeit der externen Finanzkontrolle wird der Kontaktausschuss den Prozess eng begleiten.57 4. Prüfungskooperation mit dem Europäischen Rechnungshof Für die zahlreichen bilateralen Kontakte zwischen dem Europäischen Rechnungshof und den einzelstaatlichen Rechnungshöfen gibt es kein aus55 Vgl. Die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten, Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, KOM (2013) 114 final, Brüssel, 6. März 2013. 56 Siehe auch: BT-Drs. 17 / 14148, S. 1. 57 Beschluss des Kontaktausschusses, CC-R-2012-06, www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen & Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „CC-R-2012-06“).

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drücklich geregeltes Verfahren. Für die Umsetzung der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ nach Artikel 287 Absatz 3 AEUV und der „verbesserten Zusammenarbeit“ im Sinne der Erklärung von Nizza hat sich gleichwohl eine Praxis58 etabliert, wonach der gegenseitige Austausch der Arbeitspläne, die Ankündigungen von Prüfungen des Europäischen Rechnungshofes in den Mitgliedstaaten und der gegenseitige Austausch von Prüfungsergebnissen eine Selbstverständlichkeit sind. Diese Transparenz ermöglicht es den Rechnungshöfen der EU-Mitgliedstaaten, Erhebungen des Europäischen Rechnungshofes im Rahmen von Prüfungsverfahren zu begleiten. Die einzelstaatlichen Rechnungshöfe erhalten dadurch einen praktischen Einblick in die Prüfungsansätze und die Arbeitsweise des Europäischen Rechnungshofes und gewinnen wertvolle Anregungen für eigene Prüfungen. Gleichzeitig profitiert der Europäische Rechnungshof von der fachkundigen Unterstützung, insbesondere beim Verständnis der nationalen Verwaltungsstrukturen. Prüfungsergebnisse der nationalen Rechnungshöfe der EU-Mitgliedstaaten sind für den Europäischen Rechnungshof eine Informationsquelle für die jährlich abzugebende ZVE.59 Die Bereitschaft der Zusammenarbeit bei konkreten Prüfungsverfahren scheint auf den ersten Blick nicht der Interessenlage der Mitgliedstaaten zu entsprechen. Unregelmäßigkeiten, die den Mitgliedstaaten zuzurechnen sind, können dazu führen, dass die Europäische Kommission die Auszahlung von EU-Mitteln verweigert bzw. bereits ausgezahlte Beträge zurückfordert. Um die Prüfungskooperation zwischen den nationalen Rechnungshöfen und dem Europäischen Rechnungshof nicht zu belasten, hat sich die Europäische Kommission deshalb verpflichtet, mitgliedstaatliches Fehlverhalten nicht zu sanktionieren, wenn dieses durch nationale Prüfinstanzen aufgedeckt und der Missstand von den zuständigen Behörden innerhalb einer angemessenen Frist beseitigt wird.60 Gleichwohl bleibt eine systematische Einbindung der nationalen Rechnungshöfe in die Prüfung von EU-Mitteln problematisch. Unsicher ist bereits, ob eine Selbstverpflichtung der EU-Kommission, die letztlich einem Verzicht auf Einnahmen in den EU-Haushalt gleichkäme, vor den übrigen für den EU-Haushalt verantwortlichen europäischen Institutionen, insbeson58 Vgl. dazu Beschluss des Kontaktausschusses, CC-R-1998-06, www.eca.europa. eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen & Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „CC-R-1998-06“) und Beschlüsse der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder (1997–2005), mitgeteilt bei: Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), ERH VII / 2, Rn. 81 und Fn. 80. 59 Francisca Schmitz, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 13), ERH VII / 2, Rn. 73. 60 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 5), Art. 114 GG Rn. 358.

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dere dem Europäischen Rechnungshof und dem Europäischen Parlament, Bestand hätte. Darüber hinaus ist zu beachten: Das Mandat der nationalen Rechnungshöfe bezieht sich auf den Schutz der nationalen Haushalte. Ihre Ressourcen und Prioritäten konzentrieren sich auf diese Aufgabe. Für die Prüfung der EU-Mittel ist der Europäische Rechnungshof verantwortlich. Will er diese Aufgabe verstärkt unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten erfüllen, müsste er dort entweder eigene Außenstellen einrichten oder nationale Stellen mit der Prüfung beauftragen. Bei einem solchen Auftragsverhältnis würde sich der Europäische Rechnungshof die Ergebnisse der ihm zuarbeitenden Einrichtungen zurechnen lassen und hätte deshalb diesen gegenüber ein Weisungs- und Kontrollrecht. In der Diskussion um Nationale Erklärungen haben die nationalen Rechnungshöfe mit Verweis auf die Unabhängigkeit eine solche Rolle für sich ausdrücklich abgelehnt. 5. Abstimmung mit den Landesrechnungshöfen Von den in Deutschland insgesamt verwalteten EU-Mitteln werden wiederum ca. 80 % auf Landesebene verausgabt. Für die Prüfung von EUMitteln sind neben dem Europäischen Rechnungshof deshalb sowohl der Bundesrechnungshof als auch die Landesrechnungshöfe zuständig. Das Interesse der Landesrechnungshöfe an einer ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Verwendung der EU-Haushaltsmittel gilt umso mehr, als die Bundesländer die Programme teilweise kofinanzieren. Aus diesen Gründen haben die Landesrechnungshöfe ein Interesse, in den Abstimmungs- und Kooperationsprozess eingebunden zu werden. Der Bundesrechnungshof, der für Deutschland auf EU-Ebene, also insbesondere im Kontaktausschuss und dessen angeschlossenen Gremien die sogenannte Außenvertretungskompetenz61 wahrnimmt, unterrichtet die Landesrechnungshöfe in Fragen, die ihre Zuständigkeit betreffen, gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme und vertritt ihre Belange nach außen.62 Die Abstimmung mit den Landesrechnungshöfen ist durch verschiedene Instrumente sichergestellt: In der Arbeitsgruppe Europa des Bundes und der Länder, der sogenannten AG Europa, werden regelmäßig aktuelle Fragestellungen erörtert. Die „Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten des 61 Josef Isensee, Außenvertretung der deutschen Rechnungshöfe (Fn. 42), S. 42 f.; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar (Fn. 5), Art. 114 GG Rn. 337, 356; Andreas v. Gall / Francisca Schmitz, Rechnungshöfe und die europäische Integration (Fn. 35), S. 337 (342 f.). 62 Vgl. Beschluss der Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder, Chorin, Mai 1998, zitiert bei Dieter Engels, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 38), Entscheidungen – Rechnungshof, VIII / 2.2.

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Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe“63 bietet ein entsprechendes Forum auf Leitungsebene. Ein Instrument für den Informationsaustausch zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen ist die sogenannte EU-Datenbank. Sie soll es ermöglichen, Prüfungserkenntnisse mit EU-Bezug des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe untereinander verfügbar zu machen und die Prüfungstätigkeiten innerhalb der 17 Rechnungshöfe in Deutschland abzustimmen. Zusätzlich stellt der Bundesrechnungshof die Prüfungen des Europäischen Rechnungshofes in Deutschland in die Datenbank ein, die inzwischen rund 200 Prüfungen der deutschen Rechnungshöfe sowie annähernd 100 Prüfungen und Sonderberichte des Europäischen Rechnungshofes umfasst (Stand: Dezember 2012).64 Eine Sammlung der Prüfungsergebnisse aller einzelstaatlichen Rechnungshöfe gibt es bisher nicht.65 Die EU-Datenbank der deutschen Rechnungshöfe könnte dafür ein Vorbild werden. Mit dem EU-Report deutscher Rechnungshöfe 2012 geben die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder einen Überblick über wesentliche Fakten zu den Finanzbeziehungen der Europäischen Union und dem Mitgliedstaat Deutschland. Der Bericht spiegelt die Intensität wider, mit der sich die Rechnungshöfe in Deutschland mit finanzrelevanten Fragestellungen der EU und der Rolle der Rechnungshöfe, insbesondere im Bereich der geteilten Mittelverwaltung, befassen. In konkreten Prüfungen werden Vorschläge für eine bessere Verwaltung und Kontrolle dieser Mittel unterbreitet, was zu einem wirtschaftlichen Mitteleinsatz beiträgt. Gleichzeitig ist der EU-Report ein Zeugnis für die enge Kooperation zwischen dem Bundesrechnungshof und den Landesrechnungshöfen in diesem Bereich. 6. Fazit Die Beispiele zeigen, wie das partnerschaftliche Zusammenwirken der Rechnungshöfe auf EU-Ebene auch ohne eine spezifische Organisationsstruktur nachhaltig wirksame Erfolge für die externe Finanzkontrolle erreichen und damit einen wertvollen Beitrag zu Transparenz und Rechenschaftspflicht im Umgang mit öffentlichen Mitteln leisten kann. Gerade der Kontaktausschuss wird dabei von der Europäischen Kommission und dem Eu63 Das deutsche Mitglied im Europäischen Rechnungshof sowie die Rechnungshöfe von Österreich und der Schweiz nehmen regelmäßig teil. 64 Vgl. EU-Report deutscher Rechnungshöfe 2012 (Fn. 28), S. 78 f. 65 Vgl. dazu den Beitrag von Saskia J. Stuiveling / Kees Vendrik in dieser Festschrift.

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ropäischem Parlament als Gesprächspartner wahrgenommen. Diese Rolle stellt die Träger der externen Finanzkontrolle in der EU vor neue Herausforderungen. Es gilt, die aktuellen Entwicklungen fachlich eng zu begleiten und rechtzeitig gegenüber den zuständigen Akteuren, insbesondere dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission, mitzugestalten.66 Aktuell diskutiert der Kontaktausschuss Möglichkeiten, seine Funktion als „Sprachrohr der EU-Rechnungshöfe“ zu stärken. Eine formale, im Primärrecht verankerte Beteiligung im EU-Gesetzgebungsverfahren wäre mit dem Grundsatz der Unabhängigkeit nicht vereinbar. Der Kontaktausschuss überlegt deshalb, ergänzend zu der bestehenden Struktur der Arbeitsgruppen und Netzwerke, aus eigener Initiative ein fest definiertes Gremium mit administrativem Unterbau zu etablieren, das als „Frühwarnsystem“ systematisch neue Entwicklungen verfolgt und zeitnahe Reaktionen ermöglicht. IV. Finanzkontrolle internationaler Organisationen Grenzüberschreitende Fragestellungen sind nicht auf rein nationaler Ebene zu lösen. Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit, Umwelt und Klimawandel, nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte haben eine globale Dimension. Eine Folge ist die wachsende Verlagerung von Regierungstätigkeit auf internationale Organisationen, um im Rahmen verlässlicher Strukturen die Abstimmung und Steuerung politischer und wirtschaftlicher Vorgänge zu ermöglichen und Lösungswege zu erarbeiten. Dabei handelt es sich um Zusammenschlüsse von Staaten, die durch völkerrechtliche Verträge gegründet worden und mit eigenen Organen und eigenen Zuständigkeitsbereichen ausgestattet sind. Die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen ist ein wesentliches Element der Außenpolitik eines Landes.67 Internationale Organisationen werden vor allem aus Beiträgen ihrer Mitgliedstaaten und damit aus deren nationalen Haushalten finanziert. Die Verteilung der Finanzierungslasten ist bei den einzelnen Organisationen unterschiedlich geregelt. Für die Bemessung der Beiträge, die aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtung verbindlich zu zahlen sind (Pflichtbeiträge), 66 Vgl. Erklärung des Kontaktausschusses über die Bedeutung angemessener Regelungen für die Finanzkontrolle und Rechenschaftspflicht im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und der wirtschaftspolitischen Steuerung der Europäischen Union vom 8. Mai 2013, www.eca.europa.eu (Navigation: „International“, „Zusammenarbeit mit den EU-ORKB“, „Links zum Thema“, „Kontaktausschuss“, „Erklärungen, Entschließungen & Berichte“, „Erklärungen und Entschließungen“, „Erklärung 2013 des Kontaktausschusses“). 67 Vgl. Felix Kirchmeier, Internationale Organisationen in Zeiten der Globalisierung, Online-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung, S. 3 ff., www.fes.de (Suchbegriff: „Internationale Organisationen in Zeiten der Globalisierung“).

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wird überwiegend der Beitragsschlüssel der Vereinten Nationen zugrunde gelegt, der an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes (capacity to pay) anknüpft.68 Daneben gibt es Berechnungsmodelle mit festen Beiträgen je Mitgliedstaat oder pro Kopf der Bevölkerung.69 Deutschland ist Mitglied in mehr als 200 internationalen Organisationen.70 Dafür werden jährlich Beträge in Höhe von rund 5 Milliarden Euro aufgewendet.71 Die deutschen Anteile bei den Pflichtbeiträgen, aus denen vor allem die Verwaltung der Organisationen finanziert wird, betragen durchschnittlich rund 10 %. Deutschland ist regelmäßig zweit- oder drittgrößter Beitragszahler. Der Haushaltsgesetzgeber hat ein originäres Interesse an einer ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Verwendung dieser nationalen Haushaltsmittel. Dies setzt effiziente Prüfsysteme voraus, die eine wirksame und transparente Kontrolle der Tätigkeit internationaler Organisationen sicherstellen. Hier sind die Rechnungshöfe in ihrer Kernfunktion angesprochen. 1. Kontrollmöglichkeiten im nationalen Kontext Internationale Organisationen sind zwar vom politischen Willen ihrer Mitglieder abhängig, im Umgang mit den ihnen von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Haushalten aber faktisch weitgehend autonom. Das oberste Entscheidungs- und Lenkungsgremium, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind, verabschiedet den Haushalt und entlastet seine geschäftsführende Verwaltung. Diese besteht aus einem Sekretariat, dem ein Generalsekretär bzw. -direktor oder eine Generalsekretärin bzw. -direktorin vorsteht und dem weitere operative, Haushaltsmittel umsetzende Arbeitseinheiten wie Abteilungen und Referate angegliedert sind. Die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, ihre finanzwirksamen Entscheidungen auf eine fundierte Kenntnis der tatsächlichen Verwaltungsabläufe von internationalen Organisationen zu stützen, sind eingeschränkt. Den Handlungsrahmen für den Umgang mit den Mitgliedsbeiträgen bilden die Finanzvorschriften. Diese verabschieden die Mitgliedstaaten als Teil 68

Vgl. BT-Drs. 17 / 10502, S. 60 ff. Vgl. Hinweise für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte des Bundes bei internationalen Organisationen in Finanz- und Haushaltsfragen (Stand: April 2010), Ziffer 4.3, zitiert in: BT-Drs. 17 / 2726, S. 8. 70 Ein aktuelles Verzeichnis aller internationalen Organisationen, in denen Deutschland Mitglied ist, existiert derzeit nicht, www.auswaertiges-amt.de (Navigation: „Infoservice“, „Häufige Fragen“, „FAQ“, „Allgemeine Informationen zu Deutschland“, „In wie vielen Internationalen Organisationen ist Deutschland Mitglied?“). 71 www.bundeshaushalt-info.de; zu den Beiträgen an die Vereinten Nationen: BTDrs. 17 / 10502, S. 60 ff. 69

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des rechtlichen Regelwerkes einer internationalen Organisation. Hier besteht die Möglichkeit, auf die Ausgestaltung von Regelungen über die Haushaltsaufstellung und -durchführung Einfluss zu nehmen. Dafür ist eine inhaltliche Auseinandersetzung der zuständigen nationalen Stellen in einem frühen Verhandlungsstadium entscheidend. Der Bundesrechnungshof hat den Fachministerien eine Arbeitshilfe mit praxisbezogenen Hinweisen zur Gestaltung von Finanzvorschriften zur Verfügung gestellt.72 Zudem sieht § 103 Absatz 3 Bundeshaushaltsordnung vor dem Erlass oder der Änderung von Finanzvorschriften im Einzelfall die vorherige Anhörung des Bundesrechnungshofes vor.73 Nachdem der Bundesrechnungshof in einem Bericht das Parlament über erhebliche Einschränkungen seines Anhörungsrechtes informiert hatte,74 zeigt die Praxis inzwischen, dass die Fachministerien den Sachverstand nutzen, der sich aus der querschnittlichen Befassung mit Finanzvorschriften ergibt. Für die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte durch die Fachministerien hat der Bundesrechnungshof schließlich ein standardisiertes und koordiniertes Vorgehen empfohlen. Diese Empfehlung hat das Bundesministerium der Finanzen mit der Arbeitshilfe „Hinweise für die Ausübung der Mitgliedsrechte des Bundes bei internationalen Organisationen in Finanz- und Haushaltsfragen“ umgesetzt.75 Weder die Mitwirkung bei der Ausgestaltung von Finanzvorschriften noch die ausschließlich auf die jeweilige nationale Verwaltung beschränkte Prüfung der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ersetzen jedoch den unmittelbaren Einblick der Mitgliedstaaten in die Strukturen und das Verwaltungshandeln einer internationalen Organisation, die Prüfung „vor Ort“. 2. Prüfungen „vor Ort“ Das Thema beschäftigte schon früh die internationale Gemeinschaft der Rechnungshöfe. Der II. INCOSAI 1956 regte die Schaffung eines allgemein anwendbaren internationalen Finanzkontrollrechts an. Dem III. INCOSAI 1959 lag ein Entwurf für die Einrichtung eines Internationalen Rechnungshofes vor. Diese für alle internationalen Organisationen zuständige Rechnungsprüfungsorganisation sollte sich ausschließlich aus Vertreterinnen und 72 Arbeitshilfe des Bundesrechnungshofes, Hinweise zu Finanzvorschriften Internationaler Organisationen, Stand: Dezember 2001 (wird aktuell überarbeitet), www. bundesrechnungshof.de. 73 Vgl. Michael Schrenk, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Heidelberg Loseblatt Stand: Februar 2006, § 103 BHO Rn. 3. 74 Bundesrechnungshof, Bemerkungen 2000, BT-Drs. 14 / 4226, Bemerkung Nr. 15. 75 Vgl. dazu Hinweise zu Finanzvorschriften internationaler Organisationen (Fn. 72), Ziffer 4.3.

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Vertretern der nationalen Rechnungshöfe zusammensetzen und die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung sowie die Wirksamkeit der bei der Haushaltsführung angewendeten Methoden prüfen und Veruntreuungen sowie andere schwerwiegende Verstöße ahnden. Dieser stark von dem französischen System der externen Finanzkontrolle geprägte Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit. Der Kongress verabschiedete stattdessen eine Empfehlung, wonach bei jeder internationalen Institution eine unabhängige Prüfeinrichtung vorzusehen ist.76 Diese Empfehlung wurde in den folgenden Jahren innerhalb der INTOSAI weiter verfolgt. Die Deklaration von Lima77 fordert in § 25: „Internationale und übernationale Organisationen, deren Aufwand aus Beiträgen der Mitgliedstaaten getragen wird, bedürfen (…) einer externen und unabhängigen Kontrolle“ (Absatz 1). „Es ist notwendig, zur Wahrung einer unabhängigen Prüfung die Mitglieder einer solchen Kontrolleinrichtung vorwiegend aus dem Kreis der Obersten Rechnungskontrollbehörden zu bestellen“ (Absatz 3). Die „Grundsätze bestmöglicher Prüfungsmodalitäten für internationale Institutionen (ISSAI 5000)“ und die dazugehörigen „Leitlinien für Oberste Rechnungskontrollbehörden (ISSAI 5010)“ enthalten konkrete Empfehlungen für eine transparente Kontrolle internationaler Organisationen.78 Rechnungshöfe sollen ihre Fachkompetenz in Fragen der Haushalts- und Wirtschaftsführung unmittelbar dazu nutzen, die Arbeitsweise einer internationalen Organisation und in der Folge die Verwendung der steuerfinanzierten Mitgliedsbeiträge zu optimieren. 3. Prüfungsmechanismen Es gibt keinen einheitlichen Typus der externen Finanzkontrolle in internationalen Organisationen.79 Die Ausgestaltung ist in den jeweiligen Finanzvorschriften formuliert. Die Mitgliedstaaten können entscheiden, einen Prü76 Vgl. dazu insgesamt: Karl Dressler, Rechnungsprüfung im internationalen Bereich, in: Friedrich Schäfer (Hrsg.), Finanzwissenschaft und Finanzpolitik, Tübingen 1964, S. 31, 45 ff. 77 Vgl. ISSAI 1, www.issai.org (Fundstelle siehe Fn. 14). 78 Vgl. www.issai.org (Navigation: „4. Allgemeine Anwendungsrichtlinien“, „Richtlinien zu speziellen Themen“). 79 Zu den Modellen auch: Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Heidelberg Loseblatt Stand: Dezember 2008, Finanzkontrolle im Ausland VII / 1, Rn. 33; Heinz Günter Zavelberg, Die Arbeit der Rechnungshöfe im internationalen Vergleich, 1993, S. 1000 (1002); Reinhard Rath, Die Prüfung internationaler Organisationen, in: Brauneder, Internationalität der Finanzkontrolle, Frankfurt 1995, S. 83 (90 f.).

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fungsausschuss (Board of Auditors) als permanentes Gremium mit Vertretern aller oder einiger Mitgliedstaaten, also faktisch einen Rechnungshof für die internationale Organisation einzusetzen. Das Rechnungshofmodell findet sich unter anderem bei den Vereinten Nationen. Die drei Mitglieder – jeweils Leiterinnen und Leiter von nationalen Rechnungshöfen – des sogenannten Board of Auditors der Vereinten Nationen (UN Board of Auditors) werden von der Vollversammlung der Vereinten Nationen auf jeweils drei Jahre gewählt, wobei im Rotationsverfahren jedes Jahr ein Mitglied durch ein anderes ersetzt wird. Die Prüfungen selbst werden von Prüferinnen und Prüfern der jeweiligen nationalen Rechnungshöfe durchgeführt. Aktuell teilen sich die Rechnungshofpräsidenten Chinas (bis 2014), des Vereinigten Königreiches (bis 2016) und Tansanias (bis 2018) die Prüfung der unter dem Dach des UN Board of Auditors vereinten Einrichtungen.80 Außerhalb der Vereinten Nationen verfügen die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) und die Europäische Weltraumorganisation (ESA) über permanente Prüfeinrichtungen. Für die den Vereinten Nationen angeschlossenen Sonderorganisationen und bei größeren Einrichtungen außerhalb der Vereinten Nationen wird das externe Prüfungsmandat als External Auditor in einem förmlichen Auswahlverfahren81 auf die Leiterin bzw. den Leiter des Rechnungshofes eines Mitgliedstaates übertragen, wobei bei der Bewerbung um Prüfungsmandate eine wachsende Wettbewerbskultur zu beobachten ist. Auch bei diesem Modell werden die Prüfungen operativ von Prüferinnen und Prüfern der jeweiligen nationalen Rechnungshöfe durchgeführt. Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat im Juni 2012 das Mandat bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien nach acht Jahren an Indien übergeben und nimmt bis Juni 2015 das Mandat bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) in Den Haag wahr. Ab 2013 hat der Bundesrechnungshof für drei Jahre das Mandat bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien und bei der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) in Darmstadt übernommen. Zusammen mit den Rechnungshöfen Spanien und Indien hat der Bundesrechnungshof das Prüfungsmandat bei der UN Welttourismus Organisation (UNWTO) in Madrid für die Haushaltsjahre 2014–2015 übernommen. Bei kleineren Einrichtungen außerhalb der Vereinten Nationen verständigen sich die Mitgliedstaaten regelmäßig formlos auf eine Kandidatur und die Prüferinnen und Prüfer werden über die zuständigen Fachministerien der Mitgliedstaaten bei den Rechnungshöfen unmittelbar angefragt. Die benann80 Der Präsident des Bundesrechnungshofes war von 1989 bis 1992 Mitglied im UN Board of Auditors. 81 Vgl. dazu: ISSAI 5010, Ziffer 3.5; ISSAI 5000, Ziffer 7 (Fundstelle siehe Fn. 78).

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ten Personen handeln auch in diesem Fall im Namen des entsendenden Rechnungshofes, der als Dienstherr somit auch für Pflichtverletzungen seines Personals gegenüber der internationalen Organisation verantwortlich ist.82 Der Bundesrechnungshof prüft den Jahresabschluss bei verschiedenen dieser kleineren Einrichtungen.83 4. Prüfungsmaßstab und Prüfungsgegenstand – ISSAI und IPSAS Die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der externen Rechnungsprüfung, insbesondere der Umfang des Prüfungsmandates ist in den Finanzregeln der internationalen Organisationen formuliert. Prüfungsmaßstab sind allgemein anerkannte Prüfungsstandards, die sich insbesondere in den von der INTOSAI entwickelten Standards der Rechnungsprüfung, den ISSAI widerspiegeln.84 Der Prüfungsbericht des External Auditors dient den Mitgliedstaaten als Grundlage für die Entlastung der geschäftsführenden Verwaltung hinsichtlich ihrer Tätigkeit innerhalb des geprüften Zeitraumes. Dafür wird zwingend eine Aussage über die finanzielle Lage der internationalen Organisation sowie ein Bestätigungsvermerk oder Testat (Audit Opinion) über die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses erwartet.85 Diese Prüfung der Rechnungsführung (Financial Audit) entspricht einer Wirtschaftsprüfertätigkeit im privaten Sektor. Gleichrangig daneben steht der Prüfungsmaßstab der Wirtschaftlichkeit, was bereits in der Lima-Deklaration von 197786 festgeschrieben und ausdrücklich für die Prüfung internationaler Organisationen anerkannt ist.87 Auch die Vereinten Nationen und einige ihrer Sonderorganisationen haben den Aspekt der Management- und Verwaltungskontrolle als Prüfungsmaßstab formuliert.88 Hier liegt die Stärke der Rechnungshöfe: Anders als private Wirtschaftsprüfungsunternehmen, die in erster Linie die ordnungsgemäße Kontenführung bescheinigen, können Rechnungshöfe zusätzlich die Arbeitsweise einer internationalen Organisation beleuchten und konkrete 82

Vgl. ISSAI 5010, Ziffer 3.3.2 f. (Fundstelle siehe Fn. 78). Vgl. www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Zusammenarbeit“, „Internationale Zusammenarbeit“, „Abschlussprüfungsmandate“, „Abschlussprüfung bei mehreren kleineren Organisationen“). 84 Vgl. ISSAI 5010, Ziffern 4 und 7.9 (Fundstelle siehe Fn. 78). 85 Vgl. Reinhard Rath, Die Prüfung internationaler Organisationen (Fn. 79), S. 83 (89); ISSAI 5010, Ziffer 3.2 (Fundstelle siehe Fn. 78). 86 Vgl. ISSAI 1, Ziffer 4 Abs. 2 und 3 (Fundstelle siehe Fn. 14). 87 Vgl. ISSAI 5000, Ziffer 3.3 (Fundstelle siehe Fn. 78). 88 Vgl. Klaus Dicke, Effizienz und Effektivität internationaler Organisationen, Berlin 1994, S. 265; Axel Nawrath, in: Engels / Eibelshäuser (Fn. 79), Rn. 144 f. 83

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Empfehlungen zur Verbesserung der Effizienz und zu möglichen Einsparungen geben. Gerade bei größeren internationalen Organisationen ist eine unabhängige Bewertung der Verwaltungsabläufe nach den Grundsätzen einer zielführenden und dabei sparsamen Verwendung der anvertrauten Haushaltsmittel wichtig. Der Bundesrechnungshof betont in seinen Bewerbungen um internationale Prüfungsmandate regelmäßig die Bedeutung dieses Prüfungsansatzes. Da diese Auffassung sich nicht bei allen internationalen Organisationen und Rechnungshöfen durchgesetzt hat, können der zusätzliche Prüfungsaufwand und in der Folge die damit verbundenen zusätzlichen Kosten für den Bundesrechnungshof allerdings zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Der Prüfungsgegenstand ist nicht einheitlich. Ein allgemein verbindliches internationales Haushaltsrecht gibt es nicht. Die Anforderungen an die Gestaltung und den Vollzug der Haushalte werden vielmehr in den Finanzregeln der internationalen Organisationen festgelegt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat im Juli 2006 beschlossen,89 dass sich die Rechnungslegung innerhalb der Vereinten Nationen künftig einheitlich nach IPSAS richten soll. Die Vereinten Nationen und einige ihrer Sonderorganisationen haben die Umstellung bereits abgeschlossen, die übrigen Sonderorganisationen sind im Prozess der Umstellung. Um den Übergang auf IPSAS reibungslos zu gestalten, empfehlen die Vereinten Nationen die enge Einbindung des External Auditors.90 Dies zeigt, dass der External Auditor auch als Berater und Sachverständiger in dem Umstellungsprozess verstanden wird. So hat der Bundesrechnungshof die Einführung der IPSAS bei der IAEO und der OVCW aktiv begleitet. Außerhalb des Systems der Vereinten Nationen hat u. a. die NATO auf IPSAS umgestellt, die OSZE plant die Umstellung spätestens für den Jahresabschluss 2014. Kleinere Organisationen außerhalb des Systems der Vereinten Nationen verwenden überwiegend noch individuell angepasste Regelwerke. 5. Panel of External Auditors der Vereinten Nationen Das Panel of External Auditors der Vereinten Nationen (UN Panel)91 koordiniert die Prüfungsaktivitäten innerhalb der Vereinten Nationen und ist 89

Resolution 60 / 283 der Vereinten Nationen. Vgl. Gérard Briaud, Preparedness of United Nations System Organizations for the International Public Sector Accounting Standards (IPSAS), in: UN Joint Inspection Unit (Hrsg.), JIU / REP / 2010 / 6, Geneva 2010. www.unjiu.org (Navigation: „Reports & Notes“, „JIU Reports“, „JIU / REP / 2010 / 6“). 91 Vgl. www.un.org (Navigation: „Your United Nations“, „Structure and Organization“, „Subsidiary Bodies“, „Councils and Panel“, „Panel“, „Panel of External 90

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ein Forum für den Informationsaustausch über die Anwendung von Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards mit dem Ziel, eine stärkere Vereinheitlichung zu erreichen.92 Das UN Panel hat damit eine für die Entwicklung der Ausgestaltung der Haushaltssysteme richtungsweisende Rolle. Insbesondere werden in der Arbeitsgruppe des UN Panels, der sogenannten Technical Group, Auslegungsempfehlungen für die Anwendung von IPSAS erarbeitet. Voraussetzung für die Mitgliedschaft im UN Panel ist ein Prüfungsmandat bei einer Organisation unter dem Dach der Vereinten Nationen. Bei der Durchführung der Prüfungsmandate sehen sich Rechnungshöfe allerdings unabhängig von der Zugehörigkeit einer internationalen Organisation zu den Vereinten Nationen mit ähnlichen Fragestellungen, insbesondere bei der Umstellung der Rechnungslegung auf IPSAS, konfrontiert. Auch Rechnungshöfe, die aktuell kein zugangsberechtigendes Prüfungsmandat bekleiden, haben deshalb ein Interesse, an den Diskussionen und Entwicklungen in diesen Bereichen aktiv teilzuhaben.93 6. Rahmenbedingungen Mitgliedsbeiträge sind nationale Haushaltsmittel, weshalb das Engagement eines Rechnungshofes bei der Prüfung internationaler Organisationen unmittelbar zu den Kernaufgaben der externen Finanzkontrolle zählt. Gleichwohl gehört ein externes Prüfungsmandat nicht zu den klassischen Prüfungsfeldern eines Rechnungshofes. Wegen der Besonderheiten dieses Aufgabenfeldes hat die INTOSAI Rahmenbedingungen für eine Betätigung in Prüfungen internationaler Mandate formuliert.94 Danach sollten die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen zur Durchführung der Prüfung bereitstehen. Der zusätzliche Aufwand sollte dabei von der Leitung eines Rechnungshofes und von dem budgetverantwortlichen Parlament eines Landes getragen sein. In finanzieller Hinsicht gilt zwar das international anerkannte Prinzip der vollen Kostendeckung. Das bedeutet, dass die internationale Organisation die Personal- und Sachkosten einschließlich der Reisekosten bei der Durchführung des Mandates erstattet.95 In der Praxis weichen internationale Organisationen zunehmend Auditors of the United Nations, the Specialized Agencies and the International Atomic Energy Agency“). 92 Vgl. Axel Nawrath, Die internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe, DÖV 2000, S. 861 (866); Klaus Dicke, Effizienz und Effektivität internationaler Organisationen (Fn. 88), S. 261. 93 Vgl. ausdrücklich: ISSAI 5010, Ziffer 2.4 (Fundstelle siehe Fn. 78). 94 Vgl. dazu insgesamt: ISSAI 5010 (Fundstelle siehe Fn. 78) und Reinhard Rath, Die Prüfung internationaler Organisationen (Fn. 79), S. 83 (86 f.). 95 Vgl. ISSAI 5000, Ziffer 7; ISSAI 5010 (Fundstelle siehe Fn. 78).

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von diesem Prinzip ab. In der aktuellen Wettbewerbslandschaft ist zudem die Tendenz zu beobachten, dass Rechnungshöfe in ihre Angebote grundsätzlich anrechenbare Kosten nicht einrechnen. Das Prüfungspersonal muss die anzuwendenden Prüfungsstandards und die in der internationalen Organisation geltenden Rechnungslegungsstandards – also zunehmend IPSAS – beherrschen und über ausreichende Fremdsprachenkenntnisse – vorwiegend Englisch – verfügen. Hinzu kommt die Bereitschaft zu teilweise langen Arbeitsphasen in verschiedenen kulturellen Umgebungen. Gleichzeitig erfordert die Prüfung in Mandaten keinen ganzjährigen Einsatz der Prüferinnen und Prüfer, sondern konzentriert sich auf mehrere Wochen im Frühjahr und Herbst. Prüferinnen und Prüfer werden deshalb in den wenigsten Fällen vollständig für Mandate eingesetzt, sondern verbleiben überwiegend bei ihrer nationalen Prüftätigkeit. Dies müssen die Rechnungshöfe bei ihrer jährlichen Prüfungsplanung berücksichtigen.96 7. Fazit Die Ergebnisse der Prüfungstätigkeit eines Rechnungshofes als External Auditor sollten auch unmittelbar den nationalen Parlamenten zugutekommen. Zwar ist eine mit Rechnungshöfen besetzte unabhängige externe Prüfungseinrichtung ausschließlich gegenüber den Mitgliedstaaten, vertreten durch die Fachministerien, berichtspflichtig. Nationale Parlamente sind nicht Adressat des auch insoweit vertraulichen Prüfungsberichtes.97 Gleichwohl kann der betreffende Rechnungshof diese aus erster Hand gewonnenen Prüfungserkenntnisse für eigene nationale Prüfungen verwenden und darüber den jeweiligen nationalen Parlamenten unmittelbar zugänglich machen. Insbesondere sollten die Parlamente von den Rechnungshöfen rechtzeitig über organisatorische und strukturelle Problembereiche internationaler Organisationen, die Auswirkungen auf die Beitragszahlungen haben können, unterrichtet werden. Darüber hinaus können die Rechnungshöfe auf der Grundlage der Einsicht in die Organisations- und Verwaltungsabläufe einer internationalen Organisation die für die einzelnen internationalen Organisationen zuständigen Fachministerien querschnittlich beraten und damit die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte der eigenen Regierung innerhalb internationaler Organisationen insgesamt stärken.

96 Vgl. dazu insgesamt: ISSAI 5010 und Reinhard Rath, Die Prüfung internationaler Organisationen (Fn. 79), S. 83 (86 f.). 97 Axel Nawrath, Die internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe, DÖV 2000, S. 861 (866).

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V. Mehrwert der bilateralen Zusammenarbeit aus nationaler Perspektive Der Bundesrechnungshof unterstützt die außen- und entwicklungspolitischen Schwerpunkte Deutschlands. Er engagiert sich vor allem in Projekten zur Stärkung der externen Finanzkontrolle im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und wirkt an Verwaltungspartnerschaften, sogenannten Twinning-Projekten, zur Unterstützung des institutionellen Aufbaus in den Beitrittskandidatenländern und in den Nachbarländern der EU im Einklang mit europäischer Verwaltungspraxis mit. Als Geberland ist Deutschland daran interessiert, seine Mittel gezielt für eine Reform der staatlichen Institutionen in den Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, damit dort eine stabile, transparente und effiziente Staats- und Regierungsführung, eine Good Governance, gewährleistet wird.98 Eine unabhängige und leistungsfähige externe Finanzkontrolle trägt entscheidend dazu bei, die Transparenz der Haushaltsführung, die Kontrolle des Regierungshandelns und die Stärkung der Rechenschaftspflicht der Regierung gegenüber dem Parlament zu erhöhen. Somit ist sie, im Zusammenspiel mit den nationalen Parlamenten, ein entscheidendes Element von Good Financial Governance. Aus diesem Grund sind der Aufbau und die Unterstützung von Rechnungshöfen ein wichtiges Element der strategischen Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.99 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Instrument der Budgethilfe.100 Bei der Budgethilfe werden dem Partnerland zur Umsetzung der mit dem Geberland vereinbarten Reformprogramme Mittel unmittelbar in den öffentlichen Haushalt übertragen. Diese bewirtschaftet das Partnerland eigenverantwortlich im Rahmen seiner Haushalts- und Wirtschaftsführung. Wenn das Parlament Haushaltsmittel für Budgethilfe zugunsten eines anderen Staates einsetzt, gibt es damit Einfluss- und Kontrollzuständigkeiten preis, die ihm die Finanzverfassung zuweist.101 Um eine zweckmäßige, effiziente und treuhän98 Vgl. dazu: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hrsg.), Förderung von Good Governance in der deutschen Entwicklungspolitik, BMZ Konzepte 172, Stand: Februar 2009. 99 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hrsg.), Externe Finanzkontrolle – Oberste Finanzkontrollbehörden, BMZ Evaluierungsberichte 037, Stand: März 2008. 100 Vgl. dazu: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Hrsg.), Konzept zur Budgetfinanzierung im Rahmen der Programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung (PGF), BMZ Konzepte 146, Stand: Dezember 2008. 101 Josef Isensee, Staatsrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Finanzkontrolle, in: Wiener Erklärung zum internationalen Symposium über die Stärkung der weltweiten öffentlichen Finanzkontrolle, Wien Juni 2006.

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derische Verwaltung der Budgethilfe sicherzustellen, muss das Partnerland daher über einen unabhängigen und funktionsfähigen Rechnungshof sowie über ein Parlament verfügen, das die Haushaltskontrolle effektiv wahrnimmt. Der Bundesrechnungshof unterstützt zahlreiche Beratungs- und Schulungsprojekte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Asien, Afrika und Lateinamerika. Er stellt Experten für die einzelnen Fachthemen für kurzfristige Einsätze oder über einen längeren Zeitraum frei. Neben langfristigen bilateralen Projekten zum Aufbau und zur Stärkung von Rechnungshöfen, wie beispielsweise in Vietnam und Kambodscha, unterstützt der Bundesrechnungshof auch GIZ-Projekte, die über die Regionalorganisationen der INTOSAI länderübergreifend wirken, insbesondere in Lateinamerika (OLACEF) und in Afrika (AFROSAI). Aus dem EU-Haushalt finanzierte Twinning-Projekte waren ursprünglich ein Instrument, die öffentlichen Verwaltungen in den Beitrittskandidatenländern mit Unterstützung von Fachbehörden aus den Mitgliedstaaten an das für die EU geltende Regelwerk, den sogenannten acquis communautaire, heranzuführen. Inzwischen hat sich Twinning von einem Instrument der reinen Vorbeitrittshilfe zu einem Instrument der Stärkung der institutionellen Strukturen in jungen demokratischen Staaten entwickelt und wird in den Nachbarländern der EU, insbesondere in Osteuropa, im Südkaukasus und im Mittelmeerraum, eingesetzt. Seit 1998 hat sich Deutschland an mehr als 20 % der von der EU ausgeschriebenen Projekte beteiligt.102 Das Engagement bei Twinning-Projekten verbessert die wirtschaftliche, soziale und territoriale Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen. Durch Beratungsleistungen entstehen systemähnliche Strukturen, was nicht zuletzt deutschen Unternehmen den Zugang zu diesen Ländern erleichtert. Durch Verwaltungspartnerschaften ergeben sich wichtige Kontakte für die Vertretung deutscher Interessen in EU-Gremien und in internationalen Foren. Als größter EU-Beitragszahler ist Deutschland nicht zuletzt an einer transparenten, wirtschaftlichen und rechtmäßigen Verwendung von EU-Mitteln in funktionsfähigen Verwaltungsstrukturen interessiert. Für den Bereich der externen Finanzkontrolle hat der Bundesrechnungshof zwischen 2002 und 2008 an Projekten in Tschechien, Bulgarien, Rumänien und Jordanien mitgewirkt. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes ist Twinning ein geeignetes Instrument, um die Prüfungsphilosophie des Bundesrechnungshofes zu vermitteln und die externe Finanzkontrolle sowie die damit zusammenhängende Struktur der Good Governance eines Partnerlandes mitzugestalten. 102 Vgl. dazu: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Hrsg.), Merkblatt zu Verwaltungspartnerschaften, Stand: August 2012, www.bmwi.de (Navigation: „Themen“, „Europa“, „Twinning“).

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VI. Bilanz für den Bundesrechnungshof Internationale Zusammenarbeit liefert auch im Bereich der externen Finanzkontrolle keine Patentrezepte. Die vereinbarten Standards spiegeln häufig den kleinsten gemeinsamen Nenner der im Konsens erreichten Ergebnisse wider. Die Abstimmungsprozesse in den Arbeitsgruppen und Gremien sind aufwendig. Abgestimmte länderübergreifende Prüfungen verursachen einen nicht unerheblichen Mehraufwand – nicht zuletzt wegen der Sprachbarrieren. Die begrenzten Personalressourcen zwingen zu einer Prioritätensetzung vor dem Hintergrund der unmittelbaren Kernaufgaben Prüfung und Beratung des Bundesrechnungshofes. Doch gerade für diese Kernaufgaben ergibt sich aus der internationalen Vernetzung des Bundesrechnungshofes ein vielfältiger Mehrwert: Der fachliche Austausch mit anderen Institutionen trägt dazu bei, die eigenen Strukturen und Arbeitsweisen zu hinterfragen und – falls erforderlich – zu überdenken, also im Vergleich zu lernen. Die Betätigung in einem internationalen Umfeld ist ein Instrument der Personalentwicklung nicht nur hinsichtlich der Prüfungstätigkeit, sondern auch, um Führungs- und Managementfähigkeiten zu erwerben und interkulturelle Kompetenz, Teamfähigkeit und Fremdsprachenkenntnisse zu schulen. Zudem kann die internationale Komponente als Anreiz für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber im Rahmen der Personalgewinnung gelten. Schließlich stärken eine aktive Mitarbeit in internationalen Gremien und Kontakte mit anderen Rechnungshöfen das internationale Ansehen des Bundesrechnungshofes und damit auch Deutschlands. Der Erfolg der Rechnungshöfe bei der Einrichtung einer Prüfinstanz im ESM nach internationalen Standards ist ein konkretes Beispiel für den Mehrwert dieses Engagements des Bundesrechnungshofes für Parlament, Regierung und letztlich für die Bürgerinnen und Bürger. Die internationale Zusammenarbeit der Rechnungshöfe hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges systematisch unter aktiver Beteiligung des Bundesrechnungshofes entwickelt und gehört seither zu dessen 300-jähriger Geschichte. Auch für diesen Teil der Geschichte des Bundesrechnungshofes gilt der Ausspruch von Henry Ford (1863–1947): „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ein Erfolg.“

Anmerkungen zur Entstehung der Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden auf weltweiter und europäischer Ebene mit besonderer Berücksichtigung des Bundesrechnungshofes Hubert Weber I. Vorbemerkung Als mich der Präsident des Bundesrechnungshofes, Herr Prof. Dr. Dieter Engels, unter Berufung auf ein früheres Gespräch einlud, zum vorliegenden Werk einen Beitrag zu schreiben, habe ich nicht gezögert, diesem Wunsch zu entsprechen. Dies nicht nur, weil ich den für die Gründung der EUROSAI1 so bedeutsamen Weltkongress der INTOSAI2 Berlin Juni 1989 in sehr angenehmer Erinnerung behalten habe, sondern weil ich mir zuschreiben darf, an der Initiative zur Ausrichtung dieses Kongresses nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein. Angesichts des mit der Veranstaltung von Kongressen verbundenen hohen Aufwandes finanzieller Natur und von Humanressourcen, halten sich die Bewerbungen um die Ausrichtung von Kongressen in Grenzen. Dazu kommt noch, dass es – durch die lange Vorlaufzeit und das Prinzip der Rotation der Kontinente – nicht selten vorkommt, dass die Aufgabe dem Nachfolger in der Behördenleitung zukommt. Dabei lässt es sich von vornherein nicht klar abschätzen, ob die Aufgabe als Chance wahrgenommen oder als Belastung empfunden wird. Als Chance in dem Sinn einer verstärkten Wahrnehmung der Finanzkontrollbehörde bei den Staatsorganen und in der Öffentlichkeit, durch ein stärkeres Gewicht in der INTOSAI mittels der Aufnahme in das Präsidium sowie der in der Regel erfolgenden Verstärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls des Personals. Als Belastung kann empfunden werden der Einsatz wertvoller Humanressourcen für die dem Kongress vorangehenden Vorbereitungsarbeiten, allfällige Schwierigkeiten bei der Erlangung der erforderlichen Finanzmittel, ein Umstand, der – bei Verhandlungen mit dem Finanzminister – bis zur Ge1 2

Europäische Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden. Internationale Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden.

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fährdung der Unabhängigkeit führen kann. All dies kann bewirken, dass die Übernahme einer früheren Verpflichtung zu der Ausrichtung eines Kongresses geradezu als Danaergeschenk empfunden wird. Beim Kongress von Berlin ist alles gut ausgegangen. Nicht nur, dass der Kongress selbst keinen Wunsch offenließ, es gelang der langerwartete Durchbruch für die Gründung der EUROSAI. II. Überblick über diesen Beitrag Im Rahmen einer groben Einteilung können für die internationale Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden (ORKB) drei Phasen unterschieden werden.3 Die erste Phase war weitgehend durch die Darstellung und Erläuterung des eigenen Kontrollsystems gekennzeichnet. Allerdings wurde in Umsetzung des Wahlspruches der INTOSAI – Experientia mutua omnibus prodest – in einigen Bereichen, wie Prüfungsmethodologie und Fortbildungsmaßnahmen, der Erfahrungsaustausch nutzbar gemacht. In der zweiten Phase, einer Übergangsphase, kam es zu einem immer mehr vertieften Erfahrungsaustausch und zu Versuchen, als nützlich empfundene Elemente aus den Kontrollsystemen anderer ORKB zu übernehmen. Nicht alle diese Aktionen sind glücklich verlaufen. In der dritten Phase wurden nicht nur die Themen Unabhängigkeit, Verhältnis von Vorkontrolle und Nachkontrolle, Finanzkontrolle und Wirtschaftlichkeitsprüfung vertieft, sondern auch der Wunsch laut, eine Zusammenfassung der Grundsätze der Finanzkontrolle in einem Dokument vorzunehmen. Dieses Anliegen wurde durch die Deklaration von Lima über die Leitlinien der Finanzkontrolle erfüllt. Der gegenständliche Beitrag soll einen Bogen spannen von den Anfängen der Zusammenarbeit der ORKB auf internationaler Ebene über die Deklaration von Lima bis zu den Schritten, die zur Gründung der EUROSAI geführt haben. III. Die Anfänge der Zusammenarbeit der ORKB auf internationaler Ebene Die faktische Einbettung der Finanzkontrolle in die Verwaltungswissenschaften in den Vierzigerjahren wurde allseits als unbefriedigend empfun3 Die Ausführungen beruhen weitgehend auf Dokumenten der INTOSAI und der EUROSAI, auf von Frau Paloma Muñoz, der Tochter des Gründungspräsidenten der Camara de Cuentas von Madrid, Ramon Muñoz, aus dem Archiv ihres Vaters in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellten Unterlagen sowie auf persönlichen Aufzeichnungen und Erinnerungen.

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den. Folgerichtig hat sich der internationale Kongress für Verwaltungswissenschaften Bern 1949 für die Ausgliederung der ORKB ausgesprochen und angeregt, die Kenntnis der staatlichen Rechnungskontrollbehörden und ihrer Kontrollmethoden durch Abhaltung internationaler Kongresse zu fördern. Gelegenheit dazu wurde im Jahr 1953 geboten, als sich der Geburtstag des kubanischen Nationalhelden José Martí zum einhundertsten Mal jährte. Aus diesem Anlass lud der damalige Präsident des kubanischen Rechnungshofes, Emilio Fernandez Camus, zum I. Kongress der ORKB ein. Durch die Einrichtung eines ständigen Sekretariats beim kubanischen Rechnungshof wurde der erste Schritt zu einer Institutionalisierung der Zusammenarbeit gemacht. Dieses Sekretariat stellte im Jahr 1961 die Tätigkeit ein, worauf der Österreichische Rechnungshof vom IV. Internationalen Kongress Wien 1962 mit der interimistischen Führung beauftragt wurde. Beim V. Internationalen Kongress Jerusalem 1965 wurde der Österreichische Rechnungshof mit der ständigen Sekretariatsführung beauftragt und ein 14-köpfiges Präsidium eingesetzt. Der VI. Internationale Kongress Tokio 1968 brachte durch die Genehmigung einer INTOSAI-Geschäftsordnung die Institutionalisierung der Zusammenarbeit weit voran. Mag die Institutionalisierung auch einen erheblichen Zeitraum in Anspruch genommen haben, konnten dafür doch schwerwiegende Gegensätzlichkeiten im Vorfeld ausgeräumt werden. Hätte sich nämlich beispielsweise die Auffassung durchgesetzt, nur externe Finanzkontrollbehörden zuzulassen, wäre dies bei den in den Sechzigerjahren herrschenden Verhältnissen auf einen Ausschluss einer nicht geringen Anzahl von Finanzkontrollbehörden hinausgelaufen. IV. Die Deklaration von Lima Eine eingehende Darstellung der einzelnen Schritte, wie es zu der Deklaration von Lima gekommen ist, müsste in diesem Zusammenhang als Eulen nach Athen oder – bezogen auf den Standort des Bundesrechnungshofes – als Wasser in den Rhein zu tragen empfunden werden. Eine Würdigung des Beitrages des Bundesrechnungshofes erscheint hingegen als durchaus angebracht. Die Zusammenstellung der Grundsätze der öffentlichen externen Finanzkontrolle wurde zum ersten Mal beim Treffen des Kontaktausschusses der ORKB der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (heute Kontaktausschuss der Präsidenten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Rechnungshofes) im März 1974 in Palermo im Rahmen der Behandlung des Tagesordnungspunktes „Meinungsaustausch über den VIII. Kongress der INTOSAI Madrid 1974“ vorgeschlagen.

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Von italienischer Seite wurde vorgeschlagen, eine Arbeitsgemeinschaft beim Generalsekretariat der INTOSAI zu bilden, deren Aufgabe es sein sollte, eine „Charta“ oder „Erklärung“ der Grundsätze der öffentlichen Finanzkontrolle unter besonderer Berücksichtigung der Empfehlungen und Resolutionen der bisherigen Kongresse der INTOSAI zu erarbeiten. Von deutscher Seite wurde vorgeschlagen, beim VIII. Kongress die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft anzuregen, deren Aufgabe es sein sollte, unter Vertiefung der bisher von INTOSAI behandelten Themen eine organische Zusammenstellung dieser Resolutionen auszuarbeiten und allen der INTOSAI angehörigen ORKB für den IX. Internationalen Kongress 1974 in Lima zu unterbreiten. Diese Vorstöße konnten auf dem Kongress von Madrid – dem im Übrigen 22 nationale Beiträge zu den Grundsatzfragen vorgelegt wurden – erfolgreich fortgesetzt werden, worauf folgender Beschluss gefasst wurde: „Der Kongress ersucht das Generalsekretariat in Wien, nach Maßgabe der personellen und finanziellen Mittel und unter der aktiven Mitarbeit anderer Oberster Rechnungskontrollbehörden die bisherigen Empfehlungen der Kongresse zu klassifizieren und zu analysieren und eine Zusammenstellung der Prinzipien der externen Finanzkontrolle auszuarbeiten, um sie auf dem nächsten Kongress der INTOSAI vorzulegen.“

Hierauf wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, der Sektionspräsident Prof. Dr. Antonino de Stefano in Vertretung des italienischen Rechnungshofes, Ministerialrat Franz Mittag vom Bundesrechnungshof sowie Dr. Peter Beran, Sektionsrat des Österreichischen Rechnungshofes in Vertretung des Generalsekretariats der INTOSAI, angehörten. Im Laufe des Jahres 1975 tagte diese Arbeitsgruppe in drei Sitzungen in den Räumen des italienischen Rechnungshofes in Rom. Eine Abschlusssitzung fand auf Einladung des Generalsekretärs unter Teilnahme des Präsidenten des spanischen Rechnungshofes, Servando Fernandez-Victorio (in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums der INTOSAI), des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Dr. Hans Schäfer, des Präsidenten des italienischen Rechnungshofes, Prof. Guiseppe Cataldi, sowie von Mitarbeitern dieser Behörden im September 1975 in Wien statt. In oft mit Leidenschaft ausgetragenen Debatten schon im Vorfeld des IX. Internationalen Kongresses, sowie beim Kongress von Lima selbst, wurde das Dokument verteidigt, aber auch die Sorge vorgebracht, die Postulate des Dokumentes könnten als überzogene Forderungen von den jeweiligen Regierungen übel genommen werden. Trotz aller Widrigkeiten schaffte das Grundsatzdokument als „Deklaration von Lima über die Leitlinien der Finanzkontrolle“ den Durchbruch. Die Auswirkungen der Deklaration, die in Lima für einen vieljährigen Zeitho-

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rizont erwartet wurden, kamen in einer wesentlich kürzeren Zeitspanne zum Tragen. Gewiss ist dies für die Staaten Mittel- und Osteuropas weitgehend dem durch den Fall der Mauer von Berlin eingeleiteten Prozess zuzuschreiben. Aber auch im übrigen Europa und auf allen anderen Kontinenten haben sich Reformvorhaben auf die Deklaration von Lima berufen. Auch in den kommenden Jahren wird die Deklaration von Lima dazu dienen, Reformvorhaben zu fördern und Rückschläge bei den Kontrollsystemen zu verhindern. V. Die Zusammenarbeit von Obersten Rechnungskontrollbehörden auf regionaler Ebene Verfolgt man die Themen der Kongresse der INTOSAI, angefangen mit dem Kongress von Havanna im Jahr 1953 bis in die neueste Zeit, wird man sich des Umstandes bewusst, dass sich das Thema Unabhängigkeit als ein roter Faden im umfangreichen Wirken des Weltverbandes der ORKB erweist. In der Deklaration von Lima und in der Deklaration von Mexiko wird der Bedeutung der Unabhängigkeit der ORKB als Conditio sine qua non für eine objektive Berichterstattung Rechnung getragen. Mit Fug und Recht wird die Unabhängigkeit auch in den nächsten Jahren ein vorrangiges Thema sein. Es gibt aber auch ein weiteres Thema, das seit der Gründung der INTOSAI ein großes Anliegen darstellt. Dabei handelt es sich um die Zusammenarbeit der ORKB, häufig ausgeprägt in der regionalen Zusammenarbeit, meist verknüpft mit dem Thema Fortbildung des Personals der ORKB, wobei u. a. die Veranstaltung von Seminaren, die Erlangung von akademischen Diplomen für Rechnungsprüfer und die Gründung von Fortbildungszentren zu erwähnen sind. All diese Umstände waren für die Gründung der regionalen Organisationen der INTOSAI von Bedeutung. Beispielsweise kann festgehalten werden, dass der Gründung der Asiatischen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (ASOSAI) eine Fortbildungsveranstaltung voranging, während bei der Gründung der Afrikanischen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (AFROSAI) insbesondere die Fortbildungsanliegen ins Auge gefasst wurden.

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VI. Die ersten Schritte zu einer Institutionalisierung der Zusammenarbeit der europäischen ORKB Mehr als ein Jahr bevor sich die INTOSAI in Tokio eine Geschäftsordnung gab, wurde dem Präsidium der INTOSAI im März 1967 in Wien ein Entwurf einer „Verfahrensordnung für die Tätigkeit der Arbeitsgruppe der europäischen Obersten Rechnungskontrollbehörden“ vorgelegt. Dieses Dokument wurde vom Internationalen Sekretariat (dem Vorläufer des heutigen Generalsekretariats der INTOSAI) auf der Grundlage von Vorschlägen des französischen Rechnungshofes ausgearbeitet. Der Entwurf der Verfahrensordnung sah unter Verzicht auf eine Präambel sechs Artikel vor. Im Rahmen des Gedanken- und Erfahrungsaustausches sollte die Arbeitsgruppe im Einzelnen anstreben: – einen gegenseitigen Austausch von Informationen über personelle Veränderungen in den leitenden Funktionen sowie Änderungen in der Organisationsform der europäischen ORKB, – einen regelmäßigen gegenseitigen Austausch von Tätigkeitsberichten und sonstigen Veröffentlichungen der europäischen ORKB, – einen gegenseitigen Austausch von Erfahrungsberichten über neue Arbeitsmethoden, allgemeine Personal- und Personalschulungsprobleme sowie sonstige Angelegenheiten, die für die Tätigkeit der europäischen ORKB von Wichtigkeit sind, sowie – regelmäßige Zusammenkünfte zum Zweck des Meinungsaustausches und zwecks Erreichens einer möglichst gemeinsamen Haltung der europäischen ORKB zu den Tagesordnungspunkten des jeweils nächsten Kongresses der Organisation sowie zu anderen Angelegenheiten, die für die ORKB von Wichtigkeit sind, abzuhalten. VII. VI. Internationaler Kongress der INTOSAI, Tokio Mai 1968 Dieser Kongress bedeutet insbesondere einen Meilenstein dadurch, dass er der weltweiten Zusammenarbeit der ORKB eine Geschäftsordnung gegeben und mit deren Artikel 9 eine Rechtsgrundlage für die Bildung regionaler Arbeitsgruppen geschaffen hat. Aber auch für die konkrete Zusammenarbeit der ORKB auf europäischer Ebene stellt Tokio eine wichtige Etappe dar. Wurde schon bei früheren Kongressen der INTOSAI und auch bei den Tagungen des Präsidiums der INTOSAI in Wien immer wieder der Wunsch nach der Schaffung einer europäischen Arbeitsgruppe geäußert, hat bei der Sitzung der europäischen

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ORKB am 24. Mai 1968 eine eingehende Debatte zu diesem Gegenstand stattgefunden. Einleitend wurde eine Chronologie der bisherigen Schritte geboten: Im Juni 1965, anlässlich des V. Internationalen Kongresses der ORKB in Jerusalem, ist das Internationale Sekretariat beauftragt worden, bei der Organisation der regionalen Zusammenarbeit unter den ORKB Hilfe zu leisten und ihr Funktionieren zu unterstützen. Im Oktober 1965 hat das Ständige Kontaktkomitee der Rechnungshöfe der sechs Mitgliedsländer der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft das Internationale Sekretariat in Wien ersucht, Erkundigungen über Möglichkeiten zur Errichtung einer Arbeitsgruppe europäischer ORKB anzustellen. Das Internationale Sekretariat hat daraufhin im Februar 1966 eine Umfrage an alle europäischen Staaten gesendet. Die ORKB von 25 Staaten – darunter auch der Bundesrechnungshof – haben ihre prinzipielle Bereitschaft ausgesprochen, eine europäische Arbeitsgruppe zu bilden. Negative Stellungnahmen hat es keine gegeben, vier ORKB haben nicht geantwortet. Bei der ersten Präsidialtagung im Mai 1966 in Wien hat das Internationale Sekretariat das Ergebnis dieser Umfrage den Mitgliedern des Präsidiums vorgelegt. Hierbei wurde der Erste Präsident des französischen Rechnungshofes, Herr Roger Léonard, gebeten, die Führung der Sekretariatsgeschäfte dieser Arbeitsgruppe zu übernehmen. Herr Léonard hat dieser Bitte entsprochen. Die Besprechung vom 24. Mai 1968 sollte für Herrn Léonard einen Hinweis erbringen, ob es zweckmäßig sei, die konstituierende Sitzung dieser Arbeitsgruppe im Frühjahr 1969 nach Paris einzuberufen. Im Laufe der Debatte wurde einhellig die Meinung vertreten, die Schaffung einer europäischen Arbeitsgruppe sei nützlich. Nur ein Mitglied des Präsidiums schränkte ein, indem es erklärte, durch die Verschiedenheit der Nationen, Traditionen und rechtlichen Systeme habe eine Arbeitsgruppe in Europa nur einen sehr geringen praktischen Wert. Dem wurde entgegnet, dass es gerade bei der Verschiedenheit der Systeme nützlich und zweckmäßig sei, Zusammenkünfte zu veranstalten und hierbei zu versuchen, einen Meinungsaustausch zu pflegen und die jeweiligen Standpunkte anzunähern. Die bisherigen Kongresse der ORKB seien ein Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht. Eine uneingeschränkte Zustimmung gab es nur von wenigen Mitgliedern des Präsidiums. Weit mehr äußerten ungeachtet ihrer grundsätzlichen Bereitschaft Bedenken. Das Argument, die Gründung einer europäischen Arbeitsgruppe bedeute die Abschaffung des Kontaktkomitees der ORKB der Euro-

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päischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Nordischen Gruppe, wurde noch im Lauf der Diskussion richtiggestellt. Von zwei Mitgliedern des Präsidiums wurde die Schwierigkeit eingebracht, zu wenig Personal zur Verfügung zu haben. Vier Mitglieder des Präsidiums meinten, trotz aller Nützlichkeit einer europäischen Arbeitsgruppe sei die Zeit dafür noch nicht reif. Ein Mitglied des Präsidiums unternahm einen Rettungsversuch, indem es die Meinung vertrat, es wäre schade, die bereits ergriffene Initiative fallen zu lassen. Er habe den Eindruck, dass alle europäischen ORKB von der Nützlichkeit von Kontakten untereinander überzeugt seien, und wenn auch anfangs noch keine spektakulären Erfolge zu erzielen seien, würde es die Zeit mit sich bringen, um zu brauchbaren Ergebnissen zu gelangen. Hierauf fand eine Abstimmung über folgenden Beschluss statt: „Die Bildung einer Arbeitsgruppe der europäischen ORKB im Rahmen der Internationalen Organisation der ORKB ist grundsätzlich zu begrüßen und anzustreben. In Anbetracht der Verschiedenartigkeit der einzelnen Systeme der ORKB in Europa, und auch, um die verschiedenen bereits bestehenden Zusammenschlüsse von ORKB in Europa im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu konkurrenzieren, erscheint es jedoch zweckmäßig, den Zeitpunkt für die Konstituierung der Arbeitsgruppe erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beschließen.“

Zehn Mitglieder des Präsidiums stimmten für die Vorlage, vier sprachen sich dagegen aus, fünf enthielten sich der Stimme. Der damalige Präsident des Österreichischen Rechnungshofes und Leiter des Internationalen Sekretariates, Dr. Jörg Kandutsch, stellte abschließend fest, dass diese Abstimmung nicht gegen die Idee, einmal eine europäische Arbeitsgruppe zu bilden, gerichtet gewesen sei. Bei allen bisherigen Kongressen habe es sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit unter den ORKB Europas, auch durch die Internationale Organisation, immer stärker geworden sei. Es sei zu hoffen, dass der Zeitpunkt, zu dem mit vollster Überzeugung zur Bildung dieser Arbeitsgruppe geschritten werden könne, bald kommen werde. VIII. 5. Tagung des Präsidiums der INTOSAI, Wien September 1969 Im dazugehörigen Protokoll wird kurz und bündig festgehalten: „Das Präsidium nimmt die Berichte der Vertreter der ORKB von (…) über die Förderung der regionalen Zusammenarbeit unter den ORKB zur Kenntnis und bringt zum Ausdruck, dass diese intensiv gefördert werden sollte.“

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IX. VIII. Internationaler Kongress der INTOSAI, Madrid 1974 In der im Rahmen dieses Kongresses abgehaltenen Schlusssitzung des Kontaktkomitees der ORKB der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wandte sich der Vorsitzende des Präsidiums der INTOSAI und Präsident des spanischen Rechnungshofes, Servando Fernandez-Victorio, an die Teilnehmer der Sitzung. Er bezeichnete hierbei das Kontaktkomitee als lebendes Beispiel dafür, was man durch Austausch von Erfahrungen und den Zusammenschluss von Arbeiten und Studien erreichen kann. Deshalb habe er zeitlich weit zurückliegende Vorschläge aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit einer gemischten Gruppe von Universitätsprofessoren für Völkerrecht und hoch qualifizierten Mitarbeitern des spanischen Rechnungshofes ein Vorhaben in Angriff genommen, dessen Verwirklichung die Krönung seines Mandats darstellen würde, nämlich die Gründung einer europäischen Arbeitsgruppe der ORKB. X. Die Dokumente – „Interdependenz, Kooperation und regionale Organisationen auf internationaler Ebene“, – „Satzungsentwurf des Verbandes der Obersten Rechnungskontrollbehörden Europas“. Diese beiden Dokumente sind das Ergebnis der oben erwähnten Zusammenarbeit zwischen Universitätsprofessoren für Völkerrecht und Mitarbeitern des spanischen Rechnungshofes. Im ersten Dokument wird eingangs unter Berufung auf den spanischen Rechtsgelehrten und Mitbegründer des Völkerrechts, Francisco Suárez, nicht nur die objektive Notwendigkeit, sondern die Verpflichtung zu einer internationalen Zusammenarbeit betont. Des Weiteren wird auf die mit Erklärung 2625 (XXV) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 24. Oktober 1970 festgehaltene Verpflichtung der Staaten zur gegenseitigen Zusammenarbeit gemäß der Satzung der Vereinten Nationen hingewiesen. Kooperation über die Grenzen hinweg dürfe sich aber nicht auf die im Rahmen der Außenministerien abspielende beschränken. Neben der zwischenstaatlichen Kooperation müsse die transnationale erwähnt werden, d. h. die, welche öffentliche oder private Einrichtungen verschiedener Länder im gegenseitigen Interesse betreiben. Hierbei handele es sich um eine von den Informationsmedien oft wenig kommentierte Arbeit, die jedoch für die Weiterentwicklung aller Gebiete der menschlichen Aktivität unabdingbar sei.

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In eben diesem Zusammenhang könne die wahrhafte Bedeutung nicht staatlicher Organisationen wie der INTOSAI am besten eingeschätzt werden. Es sei auffallend, dass die Ausweitung internationaler Beziehungen auf Weltebene nicht zu einer Abschaffung partieller Solidaritätsäußerungen geführt habe, im Gegenteil, diese bereicherten jene. Dieses Phänomen trete in zweifacher Hinsicht klar zutage. Einmal sei die Existenz dezentralisierter Organe, regionaler und sogar subregionaler Gruppen als Mitglieder von weltweiten Organisationen eine Tatsache. Diese Gruppen sähen sich in der Gründungsurkunde und selbst in der Praxis dieser Organisationen anerkannt, sogar ermutigt. An zweiter Stelle sei die einzigartige Verbreitung der Organisationen, die „ab initio“ von einem regionalen Ziel getragen werden, bekannt. Die Verfasser der Statuten der INTOSAI seien klug genug gewesen, die Existenz regionaler Gruppierungen im Schoße der Organisation als rechtmäßig zu erklären. Auf der anderen Seite sei eine hervorragende Zusammenarbeit mit der ILACIF, dem Lateinamerikanischen Institut für Finanzkontrollwissenschaften (heute OLACEFS – Organisation der lateinamerikanischen und karibischen ORKB), in die Wege geleitet worden. All dies bedeute einen hoffnungsvollen Anfang für die Konstituierung regionaler Gruppen. In diesem Zusammenhang sei es ein Paradox, dass Europa auf dem Gebiet der Kontrolle der öffentlichen Ausgaben nicht nur nicht Pionier der regionalen Zusammenarbeit sei, sondern dass es zum Nachzügler auf diesem Weg werde. Es sei überflüssig zu diskutieren, ob die Gründung einer regionalen europäischen Organisation der ORKB angebracht sei oder nicht. Sie werde in jedem Fall von selbst entstehen. Das Einzige, was die ORKB Europas entscheiden müssten, sei, ob sie zu dieser unvermeidlichen Entstehung beitragen wollten oder ob sie sie anderen Organisationen überließen. Wenn sich wegen fehlender historischer Perspektive Vernachlässigung breitmachen sollte und die Initiative von einer zwischenstaatlichen Organisation ergriffen würde, verlöre die INTOSAI einen guten Teil ihres Inhaltes, und – nicht nur das – ihre ganze Existenz geriete in Gefahr. Sollten die ORKB Europas jedoch in diesem Augenblick der Entspannung und Entwicklung die Patenschaft dieses Projektes übernehmen, werde ihre Zukunft vielversprechend sein, denn sie stellten sich damit der unumstößlichen Herausforderung der Gegenwart der Erhaltung des Friedens und dem Fortschritt der Völker. Das zweite Dokument, den Satzungsentwurf des Verbandes der ORKB Europas betreffend, besteht aus einer Präambel mit sechs Absätzen und dem eigentlichen Satzungsentwurf mit 26 Paragrafen. Aus der Präambel sind mit den für alle Absätze geltenden Worten „Die am Kongress teilnehmenden Delegationen der Obersten Rechnungskontrollbehörden Europas“ nachstehende Absätze hervorzuheben:

Entstehung der Zusammenarbeit der Obersten Rechnungskontrollbehörden 555 „(…) erinnern daran, dass die internationale Kooperation der Obersten Rechnungskontrollbehörden sich in den letzten Jahrzehnten durch den Austausch von Ideen und Erfahrungen, sowie durch die Fortbildung der Beamten und die Verbreitung von Fachzeitschriften ständig vertieft hat, in dem Wunsch die Beziehungen zwischen den Staaten auf dem Gebiete der Finanzkontrolle so eng wie möglich zu gestalten.“ „(…) halten es für angebracht (…), dass die internationale Kooperation auf der Ebene von Regionen mit gemeinsamen Merkmalen verstärkt und verfeinert wird.“

Ein Vergleich dieses Entwurfes mit den derzeit geltenden Statuten der EUROSAI ergibt, dass von der seinerzeitigen etwas weitläufigen Präambel abgegangen wurde und sich die geltenden Statuten durch eine straffer formulierte Präambel auszeichnen. Neu ist auch der Gedanke, dass der verstärkte Erfahrungsaustausch zwischen den ORKB zu einer Annäherung der unterschiedlichen Systeme, Verfahren und Methoden der staatlichen Finanzkontrolle beitragen und die eigene Arbeit befruchten soll. Diese Formulierung wurde der Erklärung von Berlin4 zur Gründung einer Europäischen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (EUROSAI) entnommen. Was den weiteren Text der Statuten betrifft, kann nicht übersehen werden, dass dieser auf der Grundlage des seinerzeitigen Entwurfes erstellt wurde, ja man kann jedenfalls für die Ziele und Grundsätze von einer weitgehenden Übereinstimmung sprechen. XI. Abschließende Bemerkungen Das Projekt einer institutionalisierten Zusammenarbeit der ORKB auf europäischer Ebene bewegte sich auf verschlungenen Pfaden. Dem seit dem Kongress der INTOSAI in Havanna 1953 immer wieder geäußerten Wunsche zur Schaffung einer solchen Organisation wurden stets Hindernisse entgegengesetzt. Dies kann besonders an der Haltung zum seinerzeitigen Kontaktausschuss der Präsidenten der ORKB der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (heute Kontaktausschuss der Präsidenten der ORKB der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Rechnungshofes) festgemacht werden. Die Existenz dieses Kontaktausschusses wurde von den einen als Hindernis für das Projekt angesehen – mit dem Kontaktausschuss gäbe es bereits eine Zusammenarbeit von europäischen ORKB –, von den anderen als Vorbild für eine solche Zusammenarbeit. Gerade über diesen Kontaktausschuss haben, wie dies auch der Selbstdarstellung der EUROSAI entspricht, die Rechnungshöfe Italiens und Spaniens 4

Der Grundsatzbeschluss wurde am 20. Juni 1989 gefasst.

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den Weg zur Konstituierung der EUROSAI geebnet. Bemerkenswert ist auch, dass der Europäische Rechnungshof, dessen Existenz auch als Hindernis für die Schaffung einer europäischen Arbeitsgruppe empfunden wurde, Gründungsmitglied der EUROSAI werden sollte. Nach all den Jahren, in denen der Wunsch nach Gründung einer europäischen Arbeitsgruppe immer wieder laut wurde und daraufhin neue Rückschläge erfolgten, war mit der Erklärung von Berlin der Weg für eine Konstituierung der EUROSAI frei. Seit dem Gründungskongress Madrid 1990 zeichnet sich die EUROSAI durch ein besonders erfolgreiches Wirken aus. Hervorzuheben sind die bislang acht Kongresse – unter diesen der VI. Kongress Bonn 2005 – als Meilensteine der Weiterentwicklung der Organisation, die Konferenzen mit anderen regionalen Arbeitsgruppen, insbesondere mit der OLACEFS, die Zusammenarbeit mit dem Kontaktausschuss der Leiter der ORKB der Europäischen Union, der eindrucksvolle Katalog der Fortbildungsveranstaltungen sowie die in Arbeitsgruppen, Task Forces und Ausschüssen geleistete Arbeit. Mit dem anspruchsvollen strategischen Plan (2011 bis 2017) wurde eine vielversprechende Initiative ergriffen. Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen der INTOSAI im Oktober 2003 in Budapest ging der Leiter der ORKB von Mexiko, Dr. Arturo González de Aragón, auf die Rolle der regionalen Arbeitsgruppen ein und bezeichnete diese als unverzichtbare Mittler für die Arbeit der INTOSAI. Durch ihr erfolgreiches Wirken trägt die EUROSAI erheblich zu dieser Wertschätzung bei. Indem die Statuten der EUROSAI auf den Kongress von Berlin Bezug nehmen, wird die Bedeutung dieses Kongresses für die überaus fruchtbare Zusammenarbeit der ORKB Europas auf Dauer gewürdigt. Damit geht Hand in Hand eine Anerkennung der Verdienste, die sich der Bundesrechnungshof u. a. auch für seine weltweit durchgeführten Fortbildungsveranstaltungen, für die Erarbeitung der Europa-Glossare und nicht zuletzt durch die Ausrichtung des fachlich anspruchsvollen und hervorragend organisierten VI. Kongresses der EUROSAI Bonn 2005 erworben hat.

Der Bundesrechnungshof im internationalen Vergleich Klaus-Henning Busse I. Einleitung Der Bundesrechnungshof blickt auf dreihundert Jahre zurück, in denen seine Vorgänger und er selbst den preußischen oder deutschen Staatshaushalt geprüft haben. Zum Anlass der Gründung der preußischen Generalrechenkammer im Jahre 1714 werden Festredner auf die Höhen und Tiefen und auf die einzelnen Stationen der Entwicklung der Rechnungsprüfung in Deutschland zurückschauen. Andere werden den Blick in die Zukunft richten und skeptisch oder optimistisch über die Möglichkeiten der Rechnungsprüfung in den nächsten Jahren nachdenken. Wieder andere werden sich mit der Gegenwart der Rechnungsprüfung auseinandersetzen: Wie meistert der Bundesrechnungshof die in ihn gesetzten Erwartungen, welche Mittel setzt er ein oder wie beeinflusst er das Finanzgebaren des Staates? Wir weichen davon ab und erlauben uns, zum Jubiläum der Rechnungsprüfung in Deutschland einen Blick zur Seite auf die „Rechnungshöfe“ anderer Staaten zu werfen und nachzusehen, wie es dort bei der Prüfung der Haushaltsrechnung zugeht: Wie sehen andere „Oberste Rechnungskontrollbehörden“ (ORKB)1 aus, denen die gleichen Prüfungsaufgaben obliegen wie dem Bundesrechnungshof, wie arbeiten sie, und wie steht der Bundesrechnungshof im Vergleich zu den Schwestereinrichtungen in den anderen Staaten da? Wie jeder Kleintierzüchterverein oder Golfklub eine Einrichtung hat, die die Einnahmen und Ausgaben prüft und darüber den Vereinsmitgliedern berichtet, hat jeder Staat eine Prüfungseinrichtung wie den Bundesrechnungshof. Das folgt aus der Natur des souveränen Staates, so wie notwen1 So die etwas sperrige Übersetzung des englischen Begriffs Supreme Audit Institution, die die INTOSAI für die deutschsprachigen Länder eingeführt hat. INTOSAI ist die Gemeinschaft der obersten staatlichen Prüfungseinrichtungen, die die Bewirtschaftung des Haushalts der souveränen Staaten prüfen. Der Name der ORKB wird im Folgenden mit dem Artikel verbunden, den die Übersetzung des Namens ins Deutsche hat (z. B. office – das Büro). Bei Namen, deren Übersetzung ins Deutsche nicht bekannt ist, wird die weibliche Form verwendet (die ORKB).

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digerweise ein Gebiet, ein Volk und eine Gewalt zum Wesen des Staates gehören.2 Die Gewalt über Volk und Gebiet setzt Mittel, letztlich Geldmittel voraus, die der Souverän bereitstellt und über deren Verwendung er die Vorlage von Rechnungen verlangt, deren Richtigkeit und Angemessenheit er durch eine Institution seines Vertrauens prüfen lassen will. So geschah es vom Jahre 1714 an in Preußen, nachdem König Friedrich Wilhelm I. erkannt hatte, dass er nicht jede aus seinem Vermögen bezahlte Rechnung selbst prüfen konnte, sondern dafür die Generalrechenkammer, die Urahnin des Bundesrechnungshofes, einrichtete.3 Ähnlich ist es in fast allen Staaten zugegangen: Der Souverän installiert irgendwann in seinem Land eine ORKB und schafft damit eine Institution, die ihn mit zuverlässigen Informationen über die Verwaltung und Verwendung der Staatsfinanzen versorgt. Gegenwärtig haben mindestens 191 souveräne Staaten eine ORKB, wie der Aufstellung der Mitglieder der INTOSAI zu entnehmen ist.4 Der UN gehören 193 Staaten an.5 Die Differenz der Zahlen der Mitglieder lässt sich damit erklären, dass einigen Staaten die Mitgliedschaft in der INTOSAI zu aufwendig oder unnötig erscheint, z. B. der Volksrepublik Nordkorea. Auf der anderen Seite ist der Staat Vatikanstadt nicht Mitglied der UN, dessen ORKB aber als „Amt für wirtschaftliche Angelegenheiten des Heiligen Stuhls“ Mitglied der INTOSAI. Trotz der Differenz der Mitgliederzahl der INTOSAI und der UN ist davon auszugehen, dass praktisch jeder Staat auf der Welt eine dem Bundesrechnungshof vergleichbare Prüfungseinrichtung hat. So vielgestaltig die Staaten unserer Erde sind, so verschieden sind auch die ORKB. Trotz gleicher Aufgaben haben die unterschiedlichen Entwicklungen und Rechtsordnungen völlig verschiedenartige Institutionen geschaffen. Als kleinste ORKB ließ sich das Office of the Auditor General der Marshallin2 Vgl. Ignaz Seidl-Hohenveldern / Thorsten Stein, Völkerrecht, 10. Auflage, Köln 2000, Rn. 622. 3 Vgl. Karl Wittrock, Als kontrolliert wurde, was mit dem Taler geschah, Opladen 1997, S. 13 ff. 4 INTOSAI ist die Abkürzung von „International Organisation of Supreme Audit Institutions“. Die Mitglieder der INTOSAI sind auf ihrer Website www.intosai.org (Navigation: „Über uns“, „Organisation“, „Mitgliederverzeichnis“) aufgeführt. Mit Ausnahme des Europäischen Rechnungshofes sind alle Mitglieder ORKB souveräner Staaten. Der Bayerische Oberste Rechnungshof hat trotz seines Namens keinen Zugang zur INTOSAI gefunden, weil er den Haushalt eines nicht souveränen Teilstaates prüft. 5 Vgl. www.un.org (Navigation: „Your United Nations“, „UN at a Glance“, „Member States“).

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seln finden, das 10 Prüfer beschäftigt.6 Die größte ORKB ist sicherlich die Oberrechnungskammer der Volksrepublik China,7 die über 80.000 Mitarbeiter hat. Der Bundesrechnungshof liegt nach der Zahl der Beschäftigten mit fast 1.300 Mitarbeitern8 zwischen den beiden genannten Extremen. Der französische Cour des Comptes und das portugiesische Tribunal de Contas sehen ihre Wurzeln im 13. Jahrhundert,9 also früher als der Bundesrechnungshof. Die serbische State Audit Institution ist im Jahr 2005 geschaffen worden.10 Sie gehört zu den jüngsten ORKB. Solche Unterschiede wirken sich auf die Organisation, die konkrete Aufgabenstellung und die Arbeitsweise der einzelnen ORKB aus und bestimmen die Vielfalt der nationalen Prüfungsszenen. Schauen wir uns den Bundesrechnungshof und die anderen ORKB näher an! II. Organisation Die ORKB folgen in ihrer Organisation weltweit zwei Grundmustern: dem Hof-Modell, wonach die Prüfungseinrichtungen wie Gerichte kollegial entscheiden und ebenso aufgebaut sind, oder dem Westminster-Modell, in welchem die Entscheidungsfindung und der Aufbau der Prüfungseinrichtung hierarchisch geordnet sind.11 6 Die Größe der ORKB in Nauru und Tuvalu im pazifischen Ozean ließ sich nicht ermitteln. 7 Die Chinesen übersetzen den Namen ihrer ORKB mit „Oberrechnungskammer“, im internationalen Sprachgebrauch wird sie „Chinese National Audit Office“ genannt, abgekürzt CNAO. 8 Einschließlich der rund 520 Mitarbeiter in seinen sieben Prüfungsämtern des Bundes. 9 Siehe www.ccomptes.fr (Navigation: „Nous connaître“, „Histoire et patrimoine“ „Histoire de la Cour“) und www.tcontas.pt (Navigation: „A Instituição“, „História“). 10 Trotz ihres Namens, der auf eine hierarchisch organisierte ORKB hindeutet, ist die ORKB Serbiens kollegial organisiert. Ein Senat mit fünf Mitgliedern leitet die Prüfungsbehörde; vgl. www.dri.rs (Navigation: „About us“, „Organization and Composition“). 11 Gelegentlich wird von einer dritten Organisationsweise, dem Board-Modell, gesprochen, z. B. im Peer-Review-Leitfaden der INTOSAI, Nr. 1 (www.intosai.org, Navigation: „ISSAI Executive Summaries“, „4. Anwendungsrichtlinien“, „Richtlinien zu speziellen Themen“, „ISSAI 5600“). Das Board-Modell unterscheidet sich vom Hof-Modell nur dadurch, dass es in der ORKB abgesehen von der kollektiven Leitung keine weiteren kollegialen Entscheidungsgremien gibt. Das Board-Modell entspricht im Übrigen dem Hof-Modell, deshalb wird es hier nicht als ein drittes Modell behandelt. Tony Hagerty und Kennedy Musonda stellen drei Typen der Organisation von ORKB mit anderslautender Definition vor, vgl. OECD (Hrsg.), Good Practices in Supporting Supreme Audit Institutions, Paris 2011, S. 16 f. (www.oecd.org).

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1. Hof-Modell Die meisten Prüfungseinrichtungen, die nach dem Hof-Modell organisiert sind, spiegeln dies auch in ihrem Namen wider. Sie heißen eben Rechnungshof, Cour des Comptes in Frankreich, Corte dei Conti in Italien oder Tribunal de Cuentas in Spanien. Der österreichische Rechnungshof ist jedoch – trotz seines Namens – nach dem Westminster-Modell organisiert. Diese hierarchisch organisierten ORKB heißen überwiegend Audit Office. Fast jedes Land weicht von den beiden Grundmustern ab, sodass man sagen kann, dass es kaum zwei Staaten auf der Welt gibt, deren ORKB völlig gleich organisiert sind. Allerdings haben viele ehemalige Kolonien ihre Prüfungseinrichtungen ähnlich wie ihre früheren Kolonialherren gestaltet. Der Bundesrechnungshof folgt, wie sein Name schon sagt, dem HofModell. Die Entscheidungen werden von Kollegien und Senaten wie in einem Gericht getroffen. In Prüfungsangelegenheiten übt der Präsident des Bundesrechnungshofes keine Fachaufsicht über die Kollegien und deren Mitglieder aus. Bei den Entscheidungen im Sinne des § 13 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes besitzen der Präsident und der Vizepräsident je eine Stimme wie jedes andere der 58 Mitglieder in den Kollegien und Senaten, denen sie zugeordnet sind. Lediglich die Verwaltungsabteilung ist dem Präsidenten hierarchisch unterstellt (§ 6 Absatz 1 Satz 1 Bundesrechnungshofgesetz). Anders als die meisten nach dem Hof-Modell organisierten ORKB besitzt der Bundesrechnungshof keine gerichtlichen Befugnisse. Frankreichs Cour des Comptes, der italienische Corte dei Conti, die griechische Elegktiko Synedrio, die türkische Sayistay Baskanligi und weitere ORKB haben wie ein Gericht Spruchkörper, die Amtsträger für den Ersatz des von ihnen angerichteten Schadens am Staatshaushalt oder öffentlichen Vermögen unmittelbar in Anspruch nehmen können. Beispielsweise haben alle drei Senate (Seccaos) des portugiesischen Tribunal de Contas das Recht, die rechtswidrige Verwendung von Haushaltsmitteln mit Geldbußen zu ahnden.12 Auch in Japan hat das dreiköpfige Board of Audit nicht nur die Aufgabe, die ORKB zu leiten und die Prüfungsentscheidungen zu treffen, sondern auch Amtsträgern, die den Staatshaushalt geschädigt haben, Schadenersatzleistungen aufzuerlegen, die nur 12 Tribunal de Contas (Hrsg.), The Tribunal de Contas (Court of Auditors) Today, Lissabon, Abschnitt 2.2. (www.tcontas.pt, Navigation: „English Version“, „The Court of Auditors Today“).

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das Parlament aufheben oder mindern kann.13 Der belgische Rechnungshof hat ebenfalls das Recht, die Verantwortlichen für Fehlbeträge im Haushalt zu einer Schadenersatzleistung zu verurteilen, die nur vom Kassationshof geändert werden darf.14 Der türkische Sayistay Baskanligi hat acht Senate (Daireler), die die Verantwortlichen für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel entlasten oder bestrafen, und einen gemeinsamen Senat (Daireler Kurulu), der über die Einsprüche gegen solche Entscheidungen der Senate entscheidet.15 Insoweit hat der Bundesrechnungshof – ebenso wie die Algemene Rekenkamer der Niederlande und der Rechnungshof der Russischen Föderation – weniger Aufgaben als andere im Hof-Modell organisierte ORKB. Dem Bundesrechnungshof wäre die Darstellung in deutschen Medien als „Ritter ohne Schwert“ in den Achtzigerjahren erspart geblieben,16 wenn er wie andere ORKB „Steuerverschwender“ bestrafen könnte. Tatsächlich war dies auch innerhalb des Bundesrechnungshofes im Jahre 1985 Thema anlässlich der Vorbereitungen des Bundesrechnungshofgesetzes. Die Idee wurde aber nicht weiter verfolgt. Das Recht zur Verhängung von Strafen hätte erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand nach sich gezogen und die in § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung verankerte Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes gegenüber der Regierung und Administration infrage stellen können. 2. Westminster-Modell Dem Westminster-Modell folgen die meisten ORKB. Nach aktuellen Recherchen17 sind mindestens 100 der 190 in INTOSAI vertretenen nationalen ORKB hierarchisch organisiert. Eine ORKB ist einfacher von einer Person zu leiten als von einem kollegial verfassten Organ. Die meistens Auditor General genannte Person, die eine ORKB inhaltlich und förmlich leitet, genießt mehr Macht als der Präsident einer kollegial organisierten ORKB, der in den Kollegien und Senaten die gleiche Stimme hat wie jedes andere Mitglied und dem in der Regel nur 13 Art. 31–33 Board of Audit Act (www.jbaudit.go.jp, Navigation: „The Board of Audit Act“, „Chapter 2“). 14 Art. 8 ff. des Gesetzes über die Organisation des Belgischen Rechnungshofes. 15 Organisationsplan unter: www.sayistay.gov.tr (Navigation: „About the TCA“, „Organization“). 16 Siehe Christoph Gröpl, Haushaltsrecht und Reform, Tübingen 2011, S. 566. 17 Das waren vor allem die Durchsicht des Mitgliederverzeichnisses der INTOSAI (Fn. 4) und die anschließenden Anfragen bei ORKB, deren Organisation unklar erschien.

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die verwaltungsmäßige Leitung der ORKB hierarchisch zugeordnet ist. So mancher Präsident einer kollegial organisierten ORKB vergleicht seine Stellung mit der eines Auditor General und wünscht sich die gleiche interne Macht wie dieser. Dieses Motiv mag auch die Grundlage für § 3 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrechnungshofes gewesen sein, in dem eine „übergreifende Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben des Bundesrechnungshofes“ dem Präsidenten zugestanden wird. Die lediglich sprachliche Erhöhung des Gewichts der Stimme der Präsidenten hat aber an deren Stellung und Befugnissen nichts geändert. Andererseits kann das Ansehen eines Prüfungsorgans geringer sein oder leichter beschädigt werden, wenn es nur von einer Person abhängt. Die Bewertung des Finanzgebarens der Regierung durch eine ORKB ist weniger dem Einwand der Parteilichkeit ausgesetzt, wenn eine Mehrzahl unabhängiger Mitglieder dafür verantwortlich ist. Insoweit kann die Stimme eines kollegial verfassten Rechnungshofes größeres Gewicht in der politischen Auseinandersetzung haben als die einer hierarchisch organisierten ORKB. Die nach dem Westminster-Modell organisierten Audit Offices sind überwiegend eng an das Parlament angebunden. Das National Audit Office in Großbritannien und die schwedische Riksrevisionen sind Einrichtungen des Parlaments, und in den USA arbeitet das Government Accountability Office nach eigener Darstellung im Auftrag des Kongresses.18 Unabhängig gegenüber ihrem Parlament sind diese ORKB nicht; sie empfangen und erfüllen umfangreiche Prüfungsaufträge, die manchmal kaum mehr in einem erkennbaren Zusammenhang zur Rechnungsprüfung stehen.19 Aber auch andere ORKB, die als selbstständige Institution und nicht als Einrichtung des Parlaments verfasst sind, sind gesetzlich verpflichtet, Prüfungsbitten auszuführen. Der österreichische Rechnungshof muss Prüfungsbitten des Nationalrates sowie unter bestimmten Bedingungen auch Prüfungsbitten der Bundesregierung und der Bundesminister Folge leisten.20 Damit der Auftrag, die Haushaltsrechnung zu prüfen, noch hinreichend erfüllt werden kann, ist in einigen Staaten die Zahl der Prüfungsaufträge an die ORKB gesetzlich beschränkt. Zum Beispiel hat das bulgarische National Audit Office maximal fünf Prüfungsaufträge des Parlaments im Jahr zu erfüllen.21 18

Siehe www.gao.gov (Navigation: „About GAO“). Z. B. hatte das britische NAO einmal die Kriterien für die Rangliste von Bildungsstätten zu überprüfen, die maßgebend für die Höhe staatlicher Zuschüsse war. 20 Vgl. § 1 Abs. 4 des Österreichischen Rechnungshofgesetzes. 21 Nach Art. 7 Abs. 1 des bulgarischen NAO-Gesetzes kann die Nationalversammlung der NAO bis zu fünf Prüfungsaufträge erteilen. 19

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Einer solchen gesetzlichen Pflicht zur Ausführung von Prüfungsaufträgen ist der Bundesrechnungshof nicht unterworfen.22 Allerdings wird er sich Prüfungsbitten des Parlaments meist nicht entziehen, zumal wenn sie finanziell bedeutsame Themen betreffen, die auch der Bundesrechnungshof für wichtig hält. In jedem Fall trifft er die Entscheidung darüber selbstständig. Staaten ohne demokratische Gewaltenteilung wie Saudi-Arabien und China haben ebenfalls eine ORKB, die den Staatshaushalt prüft. Beide ORKB sind nach dem Westminster-Modell organisiert. In Saudi-Arabien ist es das General Auditing Bureau und in China das bereits erwähnte Chinese National Audit Office. Als absoluter Herrscher des Königreiches Saudi-Arabien finanziert der saudische König alle Staatsausgaben. Das saudische Grundgesetz führt in Artikel 73 aus, dass Ausgaben, die im Haushalt nicht vorgesehen sind, durch ein königliches Dekret finanziert werden.23 Das General Auditing Bureau prüft die Haushaltsrechnung, und sein Präsident berichtet dem König unmittelbar. Dieser will wissen, wie die Regierung sein Geld verwendet hat – genauso wie die Generalrechenkammer seit 1714 für den preußischen König Friedrich Wilhelm I. Rechnungen prüfte und laut seinem Dekret „niemand anders als ihm“24 darüber berichtete. Nach Artikel 91 der chinesischen Verfassung führt das Chinese National Audit Office die Rechnungsprüfung „unter der direkten Aufsicht des Ministerpräsidenten“ und „unabhängig“ durch. Der Auditor General ist also wie ein Minister in die Kabinettsdisziplin eingebunden und führt unter der Autorität und Aufsicht des Ministerpräsidenten die Prüfungen durch. Das Attribut unabhängig kann dem Chinese National Audit Office nicht gegeben werden.25

22 Klaus Stern hielt eine solche Inpflichtnahme des Bundesrechnungshofes für verfassungsrechtlich bedenklich, vgl. ders., Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofs und seine Bedeutung im System der Finanzkontrolle, in: Heinz Günter Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, S. 11 (29). 23 Vgl. www.suadinf.com. 24 Siehe Klaus Stern, Bundesrechnungshof und Finanzkontrolle aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Präsident des Bundesrechnungshofes (Hrsg.), Reden anlässlich des Festaktes am 13. Oktober 1989 im Kaisersaal des Römer zu Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1989, S. 9. 25 Vgl. im Einzelnen Abschnitt IV. zur Säule 1 der Unabhängigkeit.

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3. Varianten Viele ORKB weichen von den beiden behandelten Grundmustern des Hof-Modells und des Westminster-Modells ab. Nur wenige Varianten können hier erwähnt werden: Die schwedische Riksrevisionen hat nicht einen, sondern drei Auditors General. Jeder ist für den ihm zugewiesenen Prüfungsbereich allein weisungsbefugt und verantwortlich. Der schwedische Reichstag ernennt die drei Auditors General und bestimmt, welcher von ihnen für die Verwaltung der Riksrevisionen zuständig ist.26 Die norwegische Riksrevisjonen hat sogar fünf Auditors General, die im Board of Auditors General die ORKB leiten. Für Entscheidungen im Board ist die Zustimmung von drei Auditors General erforderlich. Im Übrigen ist die Riksrevisjonen nicht gerichtsähnlich organisiert.27 Dem Auditor General des bulgarischen National Audit Office ist ein fünfköpfiges Beratungsorgan zur Seite gestellt, das zu den Prüfungsaktivitäten intern Stellung nehmen kann. Den Berichten über Prüfungen, die von der Nationalversammlung in Auftrag gegebenen worden sind, müssen die Stellungnahmen des Beratungsorgans stets beigefügt werden.28 In Japan wird das Board of Audit organisatorisch und fachlich von einem Dreier-Kollegium geleitet. Die drei Mitglieder des Japanese Board of Audit werden für sieben Jahre von beiden Häusern des Parlaments, von der Regierung und vom Kaiser bestimmt und können während ihrer Amtszeit nicht entlassen werden. Nach einer Erklärung des Board of Audit sollen die Entscheidungen im Kollegium „die Fairness und Angemessenheit der Bewertung (der Prüfungsergebnisse) sicherstellen“.29 Die niederländische Algemene Rekenkamer entscheidet ebenfalls in einem Dreier-Kollegium. Die Mitglieder des Kollegiums werden auf Lebenszeit ernannt. Bei Bedarf können zwei sogenannte außerordentliche Mitglieder, die sonst andere Aufgaben in der Algemene Rekenkamer wahrnehmen, für begrenzte Aufgaben im Kollegium herangezogen werden. Diese können darin bestehen, dass sie die Durchführung bestimmter Prüfungen beaufsichtigen oder Mitglieder des Kollegiums vertreten.30 26

Vgl. www.riksrevisionen.se (Navigation: „About us“, „The Auditors General“). Vgl. www.riksrevisjonen.no (Navigation: „About Riksrevisjonen“, „The Board of Auditors General“). 28 Art. 22 Abs. 6 bulgarisches NAO-Gesetz. 29 Vgl. www.jbaudit.go.jp (Navigation: „Organization of the Board“, „Audit Commission“). 30 Vgl. www.courtofaudit.nl (Navigation: „Organization“, „Board and Staff“). 27

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4. Nachgeordnete Dienststellen Viele ORKB haben mehrere Dienststellen. Der Bundesrechnungshof hat eine Außenstelle in Potsdam und Prüfungsämter des Bundes in sieben Städten.31 Die Außenstelle markiert den Standort des früheren Rechnungshofes des Deutschen Reiches, der Vorgängerinstitution des Bundesrechnungshofes, und soll die Zusammenarbeit mit dem Bundestag vereinfachen. Sie ist dem Bundesrechnungshof nicht nachgeordnet, sondern Teil des Bundesrechnungshofes. Die Prüfungsämter wurden nach der Auflösung der Vorprüfungsstellen in der Bundesverwaltung im Jahre 1998 als nachgeordnete Dienststellen des Bundesrechnungshofes geschaffen. Sie haben keine eigene regionale oder überregionale Prüfungszuständigkeit. Die in Sachgebieten organisierten Prüfer führen in ganz Deutschland Prüfungen unter der Leitung der Kollegien des Bundesrechnungshofes durch, denen sie zugeordnet sind. Mehrere ORKB, vor allem diejenigen in großen Flächenstaaten, haben nachgeordnete Ämter, wie das chinesische Chinese National Audit Office, der indische Comptroller and Auditor General, das brasilianische Tribunal de Contas da União und das kanadische Office of the Auditor General. Das Chinese National Audit Office hat über 3.000 Prüfungseinrichtungen auf Provinz-, Stadt- und Bezirksebene, in Indien sind es 56 Regional Offices. Die große Zahl der nachgeordneten Prüfungsämter wird mit der in diesen Staaten vorherrschenden Prüfung der Rechnungsführung („financial audit“)32 begründet, da hierbei viele Belege eingesehen werden müssen. Aber auch die ORKB mittelgroßer Staaten haben nachgeordnete Prüfungseinrichtungen, wie das britische National Audit Office mit einem Büro in Newcastle. In den nach dem Westminster-Modell hierarchisch organisierten ORKB kann die Hauptstelle den Außenstellen weitere Prüfungen unter ihrer Aufsicht übertragen. Auch kollegial verfasste ORKB haben nachgeordnete Prüfungseinrichtungen. Beispielsweise hat das brasilianische Tribunal de Contas da União in den 26 Bundesstaaten Prüfungsbüros, die die jeweils dem Bundesland aus Bundesmitteln gewährten Zuschüsse und Zuwendungen prüfen;33 der italienische Corte dei Conti hat Außenstellen in allen Provinzen34 und das portugiesische Tribunal de Contas hat Nebenstellen auf 31 Prüfungsämter des Bundes sind in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Koblenz, München und Stuttgart eingerichtet. 32 Hierzu im Einzelnen Abschnitt VI.1. 33 Vgl. www.tcu.gov.br (Navigation: „Inside TCU“, „The Court“). 34 Vgl. www.corteconti.it (Navigation: „Chi siamo“, „L’Organizzazione“, „Organigramma funzionale“, „Sezioni guirisdizionali regionale“).

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Madeira und auf den Azoren.35 Anders als die Prüfungsämter des Bundes prüfen diese Prüfungseinrichtungen in generell festgelegten Bereichen mit eigenen Beschlussorganen selbstständig von der Zentrale.36 Selbst in Zeiten der elektronischen Kommunikation kann es sinnvoll sein, in Ämtern vor Ort Prüfer bereitzuhalten. Die Einsichtnahme in die Belege vor Ort erleichtert die Prüfung und verringert den Verwaltungsaufwand. Diese Effekte werden mit den Prüfungsämtern des Bundes jedoch nicht erzielt. Die Ortsnähe war weder für ihre Einrichtung entscheidend, noch hat sie sich im Prüfungsgeschäft seit 1998 als ein wesentlicher Vorteil für die Prüfung mit den Prüfungsämtern erwiesen. Denn die Prüfungsämter des Bundes führen Prüfungen nicht nur in ihrer Nähe, sondern im ganzen Bundesgebiet durch. Da den Prüfungsämtern des Bundes als nachgeordneten Prüfungseinrichtungen des Bundesrechnungshofes keine eigenständigen Prüfungsaufgaben übertragen worden sind oder werden – wie vormals den Vorprüfungsstellen formale oder vorbereitende Prüfungen –, werden die Prüfer durch die Prüfungsgebiete des Bundesrechnungshofes eingesetzt, denen sie zugeordnet sind. Deshalb stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, diese „Personalreserve“ dezentral bereitzuhalten. Wenn den Zentralen – in Bonn und Potsdam – das zusätzliche Personal aus den Prüfungsämtern unmittelbar zur Verfügung stünde, würde der Koordinierungsaufwand verringert. III. Status 1. Verfassungsorgan Ob der Bundesrechnungshof ein Verfassungsorgan ist oder nicht, wird in Deutschland eifrig diskutiert.37 In anderen Staaten gibt es eine solche Diskussion nicht. Schon die Übersetzung des Begriffes Verfassungsorgan zeigt, dass viele Staaten mit dem Begriff wenig anfangen können: Im anglikanischen Sprachraum ist nur ein „constitutional body“ verfügbar. Hierfür ist es ausreichend, dass die Institution in der Verfassung verankert ist. Wenn man den Begriff ins 35 Art. 3 Organisation and Procedural Law of the Court of Auditors Act 98 / 97 vom 26. August 1997; vgl. www.tcontas.pt (Navigation: „English Version“, „Organization and Procedural Law“). 36 Art. 3 Abs. 3 Act 98 / 97 (Fn. 35). 37 Vgl. dazu ausführlich Günther Jury, Der Rechnungshof vor Gericht, Schriftenreihe „Finanzkontrolle in Sachsen“, Bd. 4, Leipzig 2002, überarbeitete Fassung 2008, S. 48 f. (www.rechnungshof.sachsen.de, Navigation: „Veröffentlichungen“, „Finanzkontrolle in Sachsen“).

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Französische übersetzen will, wird „organe constitutionnel“ angeboten. Damit wird nicht mehr ausgedrückt, als dass das Organ in der Verfassung steht. In Deutschland erfährt der Begriff Verfassungsorgan eine über die Tatsache, dass die Institution im Grundgesetz steht, hinausgehende inhaltliche Überhöhung. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass eine Institution nur dann ein Verfassungsorgan sein kann, wenn sie „einheitsbegründend und integrierend“ wirkt,38 eine „staatsleitende Tätigkeit hat“39 oder „zur politischen Gestaltung auf oberster staatlicher Ebene berufen“ ist.40 Selbst das Bundesverfassungsgericht verlangt für ein Verfassungsorgan, dass es „den Staat recht eigentlich konstituiert und die Einheit sichert“,41 ohne entschieden zu haben, ob dies auf den Bundesrechnungshof zutrifft oder nicht. Nach diesseitiger Auffassung ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die genannten Merkmale für ein Verfassungsorgan unerlässlich sind. Abgesehen davon erfüllt der Bundesrechnungshof auch einige jener behaupteten Anforderungen an ein Verfassungsorgan, weil für jedes geordnete Staatswesen eine ORKB notwendig ist und damit – auch in Staaten ohne geschriebene Verfassung und ohne Erwähnung in der Verfassungsurkunde – ein unverzichtbares Organ der gelebten Verfassung des Landes darstellt. Für den Bundesrechnungshof löst die Auseinandersetzung um den Status Verfassungsorgan im Übrigen keine Folgen aus, weil er als „oberstes Bundesorgan oder anderer Beteiligter“ (Artikel 93 Absatz 1 Nummer 1 Grundgesetz)42 seine Rechte vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen könnte – z. B. wenn der Bundestag durch Kürzung der Haushaltsmittel des Bundesrechnungshofes dessen Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würde.

38 Hanno Kube, in: Maunz / Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, München Loseblatt Stand: Oktober 2011, Art. 114 GG Rn. 62. 39 Dieter Engels, in: Kahl / Waldhoff / Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg Loseblatt Stand: August 2010, Art. 114 GG Rn. 309. 40 Vgl. Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2, Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, München 1980, S. 450. 41 Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1952, Die Stellung des Bundesverfassungsgerichts – Gerichtet an den Bundespräsidenten, die Präsidenten des Bundestags und Bundesrats sowie die Bundesregierung, veröffentlicht am 19. Januar 1953, JZ 1953, S. 157 f. 42 Zumal seit BVerfGE 4, 27 die Aufzählung der Antragsberechtigten in § 13 BVerfGG nicht abschließend ist; siehe dazu: Ernst Gottfried Mahrenholz, in: Azzola (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland – Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Auflage, Neuwied 1989, Art. 114 GG Rn. 51 und Klaus Stern, Staatsrecht (Fn. 40), Band 2, S. 449 f.

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2. Standort in der Gewaltenteilung Ebenso wird die Frage gestellt, zu welchem Teil der staatlichen Gewalt in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrechnungshof gehört, zur Gesetzgebung, zur vollziehenden Gewalt oder zur rechtsprechenden Gewalt.43 Diese Überlegung stellt sich natürlich nur bei Staaten mit Gewaltenteilung. In Staaten, in denen die gesamte Staatsmacht bei einer Institution liegt, wie in der Volksrepublik China bei der Führung der Kommunistischen Partei Chinas, in der Volksdemokratie Vietnam bei der Führung der Kommunistischen Partei Vietnams oder in Saudi-Arabien beim König, unterstehen die ORKB der Staatsführung. Da der Bundesrechnungshof mit der Haushaltsrechtsreform von 1969 näher an das Parlament herangeführt wurde,44 sehen sich die Vertreter derjenigen Auffassung bestätigt, die den Bundesrechnungshof der gesetzgebenden Gewalt zuordnet.45 Andere halten dies aber wegen der unterschiedlichen Funktionen von Parlament und Finanzkontrolle für abwegig.46 Weil die Finanzkontrolle sich in erster Linie auf die Verwaltungsaufgaben der vollziehenden Gewalt bezieht, meinen einige, der Bundesrechnungshof stehe der vollziehenden Gewalt nahe und könne deshalb als Teil der Exekutive angesehen werden.47 Demgegenüber meinen andere, wegen der im Grundgesetz garantierten Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes könne er nicht in die von ihm zu prüfende Exekutive integriert werden.48 Die Zuordnung des Bundesrechnungshofes zur rechtsprechenden Gewalt wird mit seiner gerichtsähnlichen Organisation und mit dem Aufbau der Prüfungsberichte begründet, die Urteilen vergleichbar sind.49 Dem wird entgegengehalten, dass Rechnungsprüfung keine Rechtsprechung ist, sondern in erster Linie betriebswirtschaftliche Analyse.50 Schließlich gibt es Stimmen, die den Bun43

Art. 20 Abs. 2 GG. Vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des Finanzreformgesetzes, BT-Drs. V / 3605, S. 13. 45 Vgl. Erwin Adolf Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Stuttgart Loseblatt Stand: Januar 2011, Art. 114 GG Rn. 29; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 39), Art. 114 GG Rn. 31. 46 Vgl. Günther Jury, Der Rechnungshof vor Gericht (Fn. 37), S. 33 f. 47 Vgl. Hanno Kube, in: Maunz / Dürig (Fn. 38), Art. 114 GG Rn. 24; Hans J. Wolff / Otto Bachof / Rolf Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3 – Ordnungsrecht, Leistungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Aufl., München 2004, § 163 Rn. 12. 48 Vgl. Susanne Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, Berlin 1974, S. 308. 49 Vgl. Klaus Vogel, Verfassungsrechtliche Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, DVBl 1970, S. 193 (195). 50 Vgl. Roman Herzog, in: Maunz / Dürig (Fn. 38), Stand: Dezember 2007, Art. 92 GG Rn. 23. 44

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desrechnungshof als eine „Vierte Gewalt“ außerhalb der drei Staatsgewalten ansehen,51 eine „institutio sui generis“, die gewaltenübergreifende Aufgaben der Finanzkontrolle bei allen drei Staatsgewalten wahrzunehmen hat.52 Ein Seitenblick auf die ORKB anderer Staaten und deren Zuordnung zu den drei Staatsgewalten kann dazu beitragen, die verwirrende Zahl von Argumenten zu ordnen und letztlich einen Lösungsweg aufzuzeigen. Die ORKB mit Sanktionsbefugnis – wie in Frankreich, Griechenland, Spanien, Italien, der Türkei und Japan – besitzen eine eigene Gewalt, die der Rechtsprechung zuzuordnen ist. Sie können die Verantwortlichen für Handlungen oder Unterlassungen, die den staatlichen Haushalt geschädigt haben, mit Strafen oder Schadenersatzleistungen belegen oder davon entlasten. Die Zuordnung der ORKB mit eigener Sanktionsbefugnis zur rechtsprechenden Gewalt wird von den betroffenen ORKB meist auch so vertreten.53 Die als Einrichtungen des Parlaments geschaffenen ORKB, wie in Großbritannien und in den USA, gehören zur legislativen Gewalt. Das wird weder von ihnen selbst noch von der Literatur infrage gestellt.54 In einigen Staaten hat das Parlament sogar das Recht, die ORKB ausdrücklich mit bestimmten Prüfungen zu beauftragen.55 Abgesehen davon benötigen fast alle ORKB den Rückhalt des Parlaments, um ihre Feststellungen und die damit verbundenen Empfehlungen zur Verbesserung der Staatsverwaltung durchsetzen zu können. Wenn das Parlament sich nicht der Wertung der ORKB anschließt und deren Empfehlungen nicht unterstützt, kann die Mühe der Prüfungen und Berichte vergeblich sein. Diese Auswirkungen und vor allem die formale Inanspruchnahme der ORKB durch das Parlament sind eine logische Folge des Budgetrechts. Nach51 Vgl. Fritz Schaeffer, Zur Einweihung des Dienstgebäudes des Bundesrechnungshofes, DÖH 1954 (1), S. 9. 52 Helmut Karehnke, Zur Neufassung des Art. 114 GG, DÖV 1972, 145 (149); Karl Wittrock, Auf dem Weg zu einem neuen Bundesrechnungshofgesetz, DÖV 1984, 649; Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz (Fn. 39), Art. 114 GG Rn. 311. 53 Für das brasilianische TCU: „a judicial body“, vgl. www.tcu.gov.br (Navigation: „English“, „Inside TCU“, „History“). Der griechische „Elegktiko Synedrio“ ist durch Art. 2 des Organisationsgesetzes der Aufsicht des Justizministers unterstellt und kann auch aus diesem Grund als Teil der Judikative angesehen werden. Eine Ausnahme bildet der belgische CCREK, der sich trotz seiner Sanktionsbefugnis „als Nebenorgan des Parlaments“ bezeichnet, vgl. www.ccrek.be (Navigation: „Darstellung“). 54 Das britische NAO bezeichnet seinen Comptroller and Auditor General als „Officer of the House of Commons“, vgl. www.nao.org.uk (Navigation: „About us“). Die schwedische Riksrevisionen sieht sich ausdrücklich als Teil der Gewalt des Parlaments, vgl. www.riksrevisionen.se (Navigation: „English“, „About us“). 55 Vgl. oben Abschnitt II.2. und unten Abschnitt IV. zur Säule 4 der Unabhängigkeit.

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dem die Legislative zuerst im 17. Jahrhundert mit der Bill of Rights in England und danach in allen parlamentarischen Demokratien durchgesetzt hatte, dass sie über die Finanzierung des Staates entscheidet, wird der Beschluss über den Haushaltsplan in die Form eines Gesetzes gegossen; denn Parlamente können ihren Willen nur in dieser Form zur Geltung bringen. Ein Gesetz, das von vorneherein nur für ein Jahr gilt, ist für die Parlamente eine Ausnahme. Darüber hinaus ist ein Gesetz ungewöhnlich, das nur Ermächtigungen an die Verwaltung ausspricht und keine Handlungsgebote. Wenn es nicht um das „vornehmste Recht eines Parlaments“56 ginge und dieses Recht erst das Gleichgewicht zwischen den drei Staatsgewalten herstellte, hätte man wahrscheinlich schon längst das Budgetrecht und damit die Ermächtigung der Verwaltung zur Ausgabe der Haushaltsmittel an die Exekutive übertragen. In jedem Staat, der als parlamentarische Demokratie verfasst ist, unterstützt die ORKB mit der Rechnungsprüfung das Budgetrecht des Parlaments. Insoweit steht die ORKB an der Seite des Parlaments, ob sie eine Einrichtung des Parlaments ist – wie in Großbritannien, Schweden oder den USA – oder nicht. Die ORKB gehören im Zweifel zur gesetzgebenden Gewalt. Wenn ORKB mit Sanktionsbefugnis ausgestattet sind und diese Aufgabe nach der allgemeinen Auffassung in dem betreffenden Land im Vergleich zur Rechnungsprüfung überwiegt, kann die ORKB der rechtsprechenden Gewalt zugeordnet werden. Für den Bundesrechnungshof bedeutet dies: Trotz der gerichtsähnlichen Organisation und wegen des Fehlens einer unmittelbaren Sanktionsbefugnis ist er nach diesseitiger Auffassung der gesetzgebenden Gewalt zuzurechnen. IV. Unabhängigkeit Laut § 1 Bundesrechnungshofgesetz ist der Bundesrechnungshof als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle nur dem Gesetz unterworfen. Das Grundgesetz garantiert in Artikel 114 mittelbar die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes, indem es festlegt, dass dessen Mitglieder richterliche Unabhängigkeit genießen. So oder ähnlich sehen die Rechtsgrundlagen fast aller ORKB auf der Welt aus. Der Begriff Unabhängigkeit ist jedoch ausfüllungsbedürftig. In Deutschland wird zwischen sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit unterschieden.57 Die sachliche Unabhängigkeit bedeutet Weisungsfrei56 Lorenz von Stein, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 1, 5. Aufl., Leipzig 1885, S. 206; www.landtag.nrw.de (Navigation: „Parlament und Wahlen“, „Erklärung der Parlamentsarbeit“, „Lexikon“, „Begriff: Budgetrecht“). 57 Vgl. Christian Hillgruber, in: Maunz / Dürig (Fn. 38), Stand: Mai 2008, Art. 97 GG Rn. 3.

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heit. Die persönliche Unabhängigkeit bedeutet die förmliche Absicherung des Amtsinhabers gegen Behinderung der Amtsausübung oder gegen Entfernung aus dem Amt; sie dient damit der Absicherung der sachlichen Unabhängigkeit. INTOSAI hat Acht Säulen der Unabhängigkeit der ORKB herausgearbeitet.58 Die Säulen beschreiben Elemente der Unabhängigkeit, die nach den Vorstellungen von INTOSAI bei jeder ORKB vorliegen sollten. Die Säulen beziehen sich auf: – den Rechtsstatus der ORKB, – die Ressourcen der ORKB, – die Leitung der ORKB, – das Prüfen, – das Beschaffen von Informationen, – die Präsentation der Prüfungsergebnisse, – Inhalt und Zeitplanung von Prüfungsberichten, – Follow-up-Mechanismen. Die sachliche Unabhängigkeit wird in den Säulen 4 bis 7 angesprochen und die persönliche Unabhängigkeit in den Säulen 2 und 3. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie unabhängig der Bundesrechnungshof im Vergleich zu anderen ORKB ist, schauen wir uns die 8 Säulen an: Nach der Säule 1 sollen der Bestand und das Bekenntnis zur Unabhängigkeit der ORKB in der Verfassung jedes Staates verankert sein. In Deutschland sind die Anforderungen der Säule 1 an die Unabhängigkeit im Grundgesetz und im Bundesrechnungshofgesetz zusammen mit den Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes zur Versetzung und Amtsenthebung von Richtern verwirklicht. Wenn wir uns in Europa umsehen, ist die Säule 1 bei Weitem nicht in allen Staaten erfüllt. In mehreren Verfassungen ist die ORKB gar nicht erwähnt,59 einige Verfassungen thematisieren zwar die ORKB, äußern sich aber nicht zu deren Unabhängigkeit.60 So ist es auch außerhalb von Europa: Die Unabhängigkeit der ORKB ist in einigen Staaten in der Verfassung 58 Vgl. www.intosai.org (Navigation: „Dokumente“, „INTOSAI“, „Allgemeine“, „Deklarationen von Lima und Mexiko“). 59 Z. B. in den Verfassungen der Schweiz, der Russischen Föderation, von Kroatien und Bulgarien. 60 Z. B. in Art. 43 des ungarischen Grundgesetzes, in Art. 164 der türkischen Verfassung, in § 75 lit. k der norwegischen Verfassung und in Art. 47-2 der französischen Verfassung von 1958.

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garantiert,61 in anderen Staaten wird die ORKB nicht einmal in der Verfassung erwähnt.62 Gerade in politisch instabilen Staaten ist es wichtig, dass die Unabhängigkeit der ORKB in der Verfassung verankert ist und dadurch nicht mit einem einfachen Gesetz beseitigt werden kann. In einigen Staaten erwähnen die Verfassungen die ORKB und ihre Unabhängigkeit, behandeln aber die ORKB tatsächlich nicht als unabhängige Institution. Hierzu gehört an prominenter Stelle die Volksrepublik China, die in Artikel 91 Absatz 2 der Verfassung darlegt, dass das Chinese National Audit Office die Prüfungsaufgaben „in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und unabhängig von den Einmischungen anderer administrativer Organe“ ausführt. Im gleichen Artikel stellt die Verfassung aber das Chinese National Audit Office „unter die Leitung des Ministerpräsidenten des Staatsrates“. Damit ist das Chinese National Audit Office nicht unabhängig; andererseits kann es seine Beanstandungen und Empfehlungen einfacher durchsetzen als viele andere ORKB; es braucht nicht den Umweg über das Parlament zu nehmen, sondern kann dies auf kurzem Dienstweg über eine Meldung an seinen Chef erledigen. Das spiegelt sich auch in den Berichten wider, die die Prüfungsfeststellungen und Empfehlungen nicht im kontradiktorischen Verfahren darstellen, sondern nur das Ergebnis der Prüfungen enthalten. Natürlich liegt dies daran, dass die Staatsgewalt in China nicht nach dem Prinzip der parlamentarischen Demokratie auf drei voneinander unabhängige Organe aufgeteilt ist. In dem autokratischen System kann es keine unabhängige Institution der Rechnungsprüfung geben. Das Chinese National Audit Office ist lediglich von den Stellen, die es prüft, unabhängig, nicht aber von den Weisungen des Ministerpräsidenten und der Kommunistischen Partei Chinas.63 Damit handelt das Chinese National Audit Office nicht wie eine Institution der externen Finanzkontrolle, sondern wie die Innenrevision der Regierung. Die Säule 2 gehört zum persönlichen Bestandteil der Unabhängigkeit, auch wenn es hier nicht um Personen, sondern um die Institution ORKB geht. Im Papier der INTOSAI werden unter der Überschrift „Ressourcen“ 61 Z. B. in Art. 71 und 73 der brasilianischen Verfassung, in Art. 98 der chilenischen Verfassung und in Art. 148 der indischen Verfassung. 62 Z. B. ist das General Accounting Office nicht in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika erwähnt. 63 So war es im Übrigen auch in der DDR, wie die Teilnehmer einer Reise des Bundesrechnungshofes nach Berlin und Potsdam im Sommer 1989 bemerkten. Das Verfahren der Passprüfung bei der Einfahrt in die DDR war so materialsparend, aber langwierig, dass einem Prüfer des Bundesrechnungshofes die Bemerkung herausrutschte: „Hier hat wohl der Rechnungshof das Sagen.“

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zwei Aspekte der Unabhängigkeit der ORKB behandelt: Bei der Entscheidung über ihre Finanzen und ihr Personal darf die ORKB „in keiner Weise abhängig“ von der Regierung sein. Bei den Finanzen des Bundesrechnungshofes spielt das Bundesfinanzministerium eine starke Rolle. Vor Beginn des Haushaltsjahres verständigen sich der Präsident und seine Verwaltung zunächst mit dem Bundesfinanzministerium über den Entwurf des Einzelplans des Bundesrechnungshofes. Wenn zwischen Bundesrechnungshof und Bundesfinanzministerium Einvernehmen über den Entwurf erreicht wurde, legt das Bundesfinanzministerium für die Bundesregierung den Entwurf des Bundeshaushaltsplanes – einschließlich des Einzelplanes des Bundesrechnungshofes – dem Bundestag vor. Daran schließen sich die Beratungen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages an, in denen auch der Einzelplan des Bundesrechnungshofes beraten wird. Wurde zwischen Bundesfinanzministerium und Bundesrechnungshof kein Einvernehmen über die zu veranschlagenden Haushaltsmittel erreicht, werden zusätzlich zu den Entwürfen des Bundesfinanzministeriums die Voranschläge des Bundesrechnungshofes vorgelegt.64 Schließlich entscheidet das Plenum des Bundestages über den Haushaltsplan des Bundes insgesamt. Der Bundesrechnungshof wird also bei der Aufstellung seines Haushaltsplanes – abgesehen von seinem Recht zur Vorlage seines abweichenden Voranschlages – wie ein Ministerium behandelt. In vielen Staaten ist das anders. Die ORKB, die Einrichtungen des Parlaments sind, also vor allem das National Audit Office in Großbritannien, die Riksrevisionen in Schweden und das Government Accountability Office in den USA sowie die ihnen nachgebildeten ORKB, verhandeln ihren Haushaltsplan unmittelbar mit dem Parlament und seinen Ausschüssen und nicht mit dem Finanzministerium. Auch in anderen Staaten, in denen die ORKB nicht eine Einrichtung des Parlaments ist, wird die Sonderrolle der ORKB und deren Unabhängigkeit dadurch betont, dass die ORKB ihren Haushalt nur mit dem Parlament verhandelt und dann das Ergebnis dem jeweiligen Finanzminister zur Berücksichtigung im Gesamthaushalt mitteilt.65 In ärmeren Staaten ist die ORKB dem Finanzminister immer wieder „ausgeliefert“, weil dieser das im Jahreshaushalt eingeplante Geld nicht freigibt mit der Folge, dass die ORKB ihre Prüfungen wegen fehlender Mittel nicht ausführen kann. Dahinter steht meist die finanzielle Schwäche 64

§ 28 Abs. 3 und § 29 Abs. 3 BHO. Z. B. in Schweden, vgl. www.riksrevisionen.se (Navigation: „English“, „The steering of the Swedish National Audit Office“), und in Albanien Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 8270 vom 23. Dezember 1997. 65

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des Staates und nur selten der Versuch der Einflussnahme auf die Prüfungen der ORKB; dennoch beeinträchtigt die fehlende Freigabe der Mittel die Unabhängigkeit der Entscheidungen der ORKB grundlegend. Die Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes ist bisher aufgrund zu geringer finanzieller Ausstattung wahrscheinlich nicht beeinträchtigt worden. Das Verfahren zur Aufstellung des Einzelplanes des Bundesrechnungshofes könnte aber zur Stärkung seiner Unabhängigkeit verbessert werden, indem z. B. der Bundesrechnungshof seinen Einzelplan unmittelbar mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages aushandelt und das Ergebnis dem Bundesfinanzministerium mitteilt. Damit würde die durch die Haushaltsrechtsreform 1969 bewirkte Heranführung des Bundesrechnungshofes an den Bundestag66 verwirklicht. Güte und Zahl des Personals sind die entscheidenden Faktoren für die Leistungsfähigkeit der ORKB. Dabei ist die Auswahl der Prüfer wesentlich, d. h., ob die ORKB in der Lage ist, unter leistungsfähigen Bewerbern auszuwählen. Der Wettbewerb zwischen dem Bundesrechnungshof und den anderen öffentlichen Dienststellen, insbesondere den Ministerien, ist in Deutschland härter als in anderen Staaten, weil der Bundesrechnungshof für seine Wirtschaftlichkeitsprüfung („performance audit“) Prüfer des gehobenen Dienstes mit Verwaltungserfahrung und überdurchschnittlichen Leistungen sucht. Solche bewährten Kräfte will die Verwaltung natürlich nicht an den Bundesrechnungshof abgeben, sondern behalten. Viele ORKB in anderen Staaten haben es in dieser Hinsicht einfacher als der Bundesrechnungshof. Sie wählen ihren Nachwuchs aus den Hochschulabgängern unmittelbar nach den Examen aus, oder sie bilden ihre Prüfer selbst aus.67 Das erleichtert die Rekrutierung des für sie geeigneten Personals. Wie noch darzulegen sein wird, führen die meisten ORKB die Prüfung der Rechnungsführung durch, dessen System erlernt werden muss.68 Wer auf dieser Schiene ausgebildet wurde, kann in der Verwaltung nur im Bereich der Innenrevision oder ähnlicher Prüfungseinheiten Anstellung finden. Damit entsteht in solchen Staaten zwischen der ORKB und der sonstigen öffentlichen Verwaltung kein Konkurrenzverhältnis bei der Personalwerbung. Eine Sonderrolle besitzt der Cour des Comptes in Frankreich, der aufgrund seines hohen Ansehens als Mitglied des Grand Corps de l’Etat die besten Absolventen der Verwaltungshochschule Ecole National d’Administration 66 Siehe Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland – Etappen der Entwicklung, in: Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen (Fn. 22), S. 43 (59). 67 Z. B. bildet das National Audit Office in Großbritannien Bewerber zum Chartered Accountant aus. 68 Siehe unten Abschnitt VI.

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(ENA) anzieht. Die Ersteinstellung beim Cour des Comptes als Inspecteur des Finances ist in Frankreich die beste Voraussetzung für eine Karriere im Öffentlichen Dienst. Weil der Bundesrechnungshof mit seinen Wirtschaftlichkeitsprüfungen („performance audit“) auf Prüfer angewiesen ist, die die von der Verwaltung zu erledigenden Aufgaben beherrschen, kann er nicht auf Hochschulabgänger ohne Erfahrung in der Verwaltungspraxis zurückgreifen. Wenn er gute Prüfer haben will, muss er den Interessierten mehr anbieten können als die abgebende Dienststelle. Da die Bundesverwaltung ihre Mitarbeiter nach den gleichen Regeln vergütet wie der Bundesrechnungshof und der Bundesrechnungshof wie die anderen Obersten Bundesbehörden die gleiche Ministerialzulage zahlt, bleibt nur wenig Raum, für einen finanziellen Anreiz in den Bundesrechnungshof zu wechseln. Es bleibt praktisch nur der günstigere Stellenkegel im Bundesrechnungshof. ORKB anderer Staaten bezahlen ihr Personal anders – und im Ergebnis besser – als die öffentliche Verwaltung in ihrem Land.69 Sie sind nicht an die Vorgaben für die allgemeine Verwaltung gebunden. Hierdurch haben diese ORKB Raum, ihre Attraktivität zu erhöhen. Fremd ist dieser Gedanke auch dem Bundesrechnungshof nicht. Vor der Haushaltsrechtsreform im Jahre 1969 wollte der Bundesrechnungshof eine eigene Laufbahn für Prüfer schaffen. Er ist damit gescheitert. An diesen vergeblichen Versuch erinnern noch die besonderen Amtsbezeichnungen der Prüfer des gehobenen Dienstes Rechnungsrat und Oberrechnungsrat anstelle der in der allgemeinen Bundesverwaltung geltenden Amtsbezeichnungen Amtsrat und Oberamtsrat. Die wichtigste Folge – die finanzielle Besserstellung der Prüfer – entfalten die besonderen Amtsbezeichnungen bis heute nicht. So bleiben dem Bundesrechnungshof gegenwärtig nur die besseren Beförderungsmöglichkeiten, auf die er im Vergleich zur allgemeinen Bundesverwaltung verweisen kann. Ob dies ausreicht, um die Qualität der Prüfer und damit die gebotene Qualität der Rechnungsprüfung des Bundesrechnungshofes zu erhalten, wird die Zukunft zeigen. Vielleicht wird einmal der Bundestag an die Pflicht zur angemessenen Ausstattung des Bundesrechnungshofes mit leistungsfähigem Personal unter Hinweis auf die in der Verfassung übertragenen Aufgaben und die im Grundgesetz garantierte Unabhängigkeit erinnert werden müssen. Die Säule 3 behandelt die Unabhängigkeit der Leitung der ORKB, die ausdrücklich die Mitglieder in kollegial organisierten ORKB einschließt. Danach ist eine fixe und ausreichend lange Amtszeit der Leitung erforder69 Z. B. in Großbritannien das National Audit Office, siehe National Audit Office (Hrsg.), NAO Annual Report 2012, Our Staff, S. 28 (www.nao.org.uk, Navigation: „Publications“, „Publications Search“, Suchbegriff: „NAO Annual Report 2012“).

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lich. Deren Abberufung darf nur im Rahmen eines von Regierung und Verwaltung unabhängigen Verfahrens möglich sein. Die zwölfjährige Amtszeit des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes ohne die Möglichkeit der Wiederwahl entspricht dem Maßstab von INTOSAI. In anderen Staaten schwanken die Amtszeiten der Leiter der ORKB zwischen fünf und fünfzehn Jahren.70 Lange Amtszeiten der Leitung haben im Vergleich zu kürzeren Zeiten einen großen Vorteil für die Unabhängigkeit der Leitung der ORKB, weil schon bei der Wahl der Kandidaten bedacht werden muss, dass die Personen länger als eine Legislaturperiode und damit auch länger als eine Regierung im Amt sein werden. Für die Unabhängigkeit der Leitung ist die Länge der Amtszeit weniger wichtig als die Möglichkeit mehrerer Amtszeiten.71 Die Aussicht auf mehrere Amtszeiten erscheint bedenklich, weil die Amtsträger bei der Erfüllung ihrer Aufgaben versucht sein könnten, die Körperschaft oder Personen, die über die Wiederwahl entscheiden werden, mit für diese vorteilhaften Entscheidungen für sich zu gewinnen. Im Bundesrechnungshof gibt es zwei Gruppen von Mitgliedern, die laut Grundgesetz die richterliche Unabhängigkeit besitzen: Präsident und Vizepräsident, die vom Bundestag und Bundesrat gewählt werden, sowie die von der Leitung des Bundesrechnungshofes ausgewählten Abteilungsleiter und Prüfungsgebietsleiter. Der Präsident bestimmt nach Anhörung des Ständigen Ausschusses des Großen Senats, welche Angehörigen des Bundesrechnungshofes zu Mitgliedern ernannt und welche Mitglieder zu Abteilungsleitern befördert werden. Diese bundesrechnungshofinternen Entscheidungen sind für die Mitglieder auch hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit bedeutsam. Der Ständige Ausschuss des Großen Senats, der dem Präsidialrat nach dem Deutschen Richtergesetz72 ähnelt, soll die Unabhängigkeit der von solchen Entscheidungen potenziell betroffenen Mitglieder sicherstellen. Schließlich ist noch die Regelung für die Mitglieder der Kammern im belgischen Rechnungshof (CCREK) erwähnenswert. Sie werden für sechs Jahre von der Abgeordnetenkammer ernannt, können aber jederzeit von ihr wieder entlassen werden.73 Diese Regelung ist schon deshalb wenig emp70 Fünf Jahre in der National Audit Authority in Kambodscha, sechs Jahre im russischen Accounts Chamber und fünfzehn Jahre im National Audit Office in Großbritannien. 71 Mehrere Amtszeiten sehen die Gesetze für die Auditors General in Kambodscha und Großbritannien sowie für den Präsidenten des russischen Accounts Chamber vor. 72 Vgl. die für Richter an obersten Gerichtshöfen des Bundes geltenden Bestimmungen der §§ 49 ff. des Deutschen Richtergesetzes. 73 Art. 1 des Gesetzes über die Organisation des belgischen Rechnungshofes.

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fehlenswert, weil die Mehrheit der Abgeordnetenkammer, die die Regierung bestimmt, die Besetzung der Kammern des belgischen Rechnungshofes jederzeit verändern und dadurch deren Bewertungen beeinflussen kann. Die Säule 4 befasst sich mit der Auswahl und Durchführung der Prüfungen sowie mit der Organisation der Institution. Nur wenn die ORKB in diesen Bereichen „keiner wie auch immer gearteten Einflussnahme“ des Parlaments oder der Verwaltung unterliegt, kann sie nach Auffassung der INTOSAI unabhängig agieren. Davon, dass die Bundesregierung oder die Bundesverwaltung auf die Auswahl oder Durchführung der Prüfungen des Bundesrechnungshofes Einfluss nimmt oder genommen hat, ist nichts Wesentliches bekannt. Natürlich versuchen Dienststellen, bei denen der Bundesrechnungshof prüft, Einfluss auf die Prüfung zu nehmen, indem sie z. B. von vermuteten Schwachstellen abzulenken versuchen. Aber solchen Versuchen zu widerstehen oder diese nicht zu beachten, gehört zum üblichen Prüfungsgeschäft. Die Einflussnahme beschränkt sich stets auf untaugliche Versuche. Anders ist es bei Versuchen der Einflussnahme des Bundestages auf den Bundesrechnungshof. Wenn Abgeordnete oder sogar Gruppen von Abgeordneten oder ganze Ausschüsse des Bundestages den Bundesrechnungshof drängen, bestimmte Themen oder Vorgänge zu prüfen oder nicht zu prüfen, befindet sich der Bundesrechnungshof in einer schwierigen Lage. Es fällt schwer, Wünsche des Parlaments nicht zu erfüllen, zumal dieses auch über den Haushalt des Bundesrechnungshofes entscheidet.74 In Staaten, in denen die Regierung eine starke Stellung hat, versucht sie, bei Gelegenheit auf für sie „unangenehme“ Prüfungen Einfluss zu nehmen. Hier helfen nur die Berufung auf die Unabhängigkeit der Rechnungsprüfung, die persönliche Autorität der Leitung und die innere Stärke der Angehörigen der ORKB, um dem Druck von außen standzuhalten. Aus weniger entwickelten Staaten ist die Not der ORKB bei der Durchführung geplanter Prüfungen bekannt. Um den ORKB für solche Fälle den Rücken zu stärken, hat INTOSAI nach der Lima-Deklaration von 1977 noch einmal in der Mexiko-Deklaration von 2007 die besondere Bedeutung der Unabhängigkeit der ORKB für das Funktionieren der staatlichen Ordnung hervorgehoben.75 In diesem Zusammenhang erscheint eine Machtprobe um die Unabhängigkeit der türkischen ORKB, Sayistay Baskanligi, erwähnenswert: Die Große Nationalversammlung der Türkei hatte Ende 2010 mit dem Gesetz 74 Vgl. dazu oben unter Abschnitt II.2. die Feststellungen zu den im WestminsterModell organisierten ORKB. 75 Vgl. www.intosai.org, Navigation: „ISSAI Executive Summaries“, „Voraussetzungen für das Funktionieren von ORKB“.

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Nr. 6085 beschlossen, dass sie von der Sayistay Baskanligi die Durchführung von Prüfungen verlangen kann und solche Prüfungen Priorität gegenüber den von der ORKB selbst geplanten Prüfungen besitzen.76 Da die Mitglieder der Sayistay Baskanligi befürchteten, dass durch diese Vorschrift künftig die sachgerechte Abwicklung ihrer Prüfungen verhindert und ihre Unabhängigkeit weitgehend beseitigt werden könnte, legten sie nach vergeblichen Einwendungen gegen das Gesetz für mehrere Wochen im Jahr 2011 die Arbeit nieder. Die Auseinandersetzung zwischen der Großen Nationalversammlung und der Sayistay Baskanligi war bis zur Fertigstellung dieses Beitrages noch nicht beigelegt. Was die Unabhängigkeit der ORKB bei ihrer eigenen Organisation angeht: Auch der Bundesrechnungshof ist sowohl vom Bundestag als auch von rechtlichen Vorgaben der Bundesverwaltung bei der Verwaltung seines Apparates abhängig. Da ist an erster Stelle § 2 des Bundesrechnungshofgesetzes zu nennen, in dem die Organisation im Groben festgelegt ist. Ferner gibt der Haushaltsplan die Organisation im Einzelnen durch die Stellen und Einzeltitel vor, die zunächst mit dem Finanzminister ausgehandelt und dann vom Bundestag beschlossen werden. Schließlich hat der Bundesrechnungshof bei der Behandlung seines Personals und bei Sachausgaben eine Vielzahl von untergesetzlichen Regelungen zu beachten, die für die allgemeine Bundesverwaltung erlassen wurden. Es wäre illusorisch, die Beseitigung dieser Beschränkungen als Beeinträchtigung der Unabhängigkeit zu verlangen. Letztendlich ist jede öffentliche Einrichtung in die verfassungsgemäße Ordnung eingebunden. Allerdings zeigt wiederum das National Audit Office in Großbritannien, dass es auch anders geht: Es erhält vom Parlament jährlich einen Pauschalbetrag, den es nach seinem Bedarf verwendet und über dessen Verwendung es gegenüber dem Parlament Rechnung legt. Da die Organisation wie das Personal ausschlaggebend sind für Umfang und Qualität der Prüfungstätigkeit jeder ORKB, erscheint die Abhängigkeit des Bundesrechnungshofes von Entscheidungen Dritter nicht völlig unbedenklich. In Erinnerung bleibt die Belastung der Prüfungsarbeit durch den gesetzlich angeordneten Umzug des Bundesrechnungshofes von Frankfurt nach Bonn im Jahre 2000. Die dadurch verursachten Probleme waren noch Jahre danach zu spüren. In der Säule 5 behandelt die INTOSAI die Unabhängigkeit der ORKB bei der Beschaffung von Informationen. Die Pflicht der geprüften Stellen zur uneingeschränkten Vorlage von Dokumenten sowie zur vollständigen Auskunft steht in fast jeder Norm über die öffentliche Finanzkontrolle. Sie wird 76

Art. 45 Abs. 1 und 2 Gesetz Nr. 6085.

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gegenüber etablierten ORKB kaum infrage gestellt. Nur in weniger entwickelten Staaten wird die Vorlage- und Informationspflicht gelegentlich verweigert, indem z. B. die Relevanz der geforderten Information für die anstehende Prüfung infrage gestellt wird. In diesen Fällen würde § 95 Bundeshaushaltsordnung weiterhelfen, weil dort festgelegt ist, dass die zu prüfenden Stellen dem Bundesrechnungshof alle Unterlagen vorzulegen haben, „die er für erforderlich hält“. Die Prüfer mancher ORKB hätten es mit einer solchen gesetzlichen Regelung leichter. Mit der Säule 6 postuliert die INTOSAI die Pflicht der ORKB, mindestens einmal im Jahr einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Prüfungen herauszugeben, und das Recht der ORKB, auch öfter zu berichten. Es ist zu unterstellen, dass hiermit Berichte an den Inhaber des Budgetrechts gemeint sind, also in parlamentarischen Demokratien Berichte an das Parlament. Was die Berichtspflicht der ORKB mit deren Unabhängigkeit zu tun hat, ist nicht erkennbar. Richtig ist, dass eine ORKB wie jede öffentliche Einrichtung Rechenschaft über ihrer Arbeit ablegen sollte und sie dies wirkungsvoll mit einem Jahresbericht tun kann. Tatsächlich verfahren viele ORKB auch so. Richtig ist auch, dass der Bericht an den Inhaber des Budgetrechts ein logischer Abschluss des Prüfungsverfahrens ist und deshalb zu den Pflichten jeder ORKB gehört. Aber deshalb ist die Unabhängigkeit derjenigen ORKB, die nicht jährlich berichtet, weder beeinträchtigt noch gefährdet. Den Darlegungen der Säule 6 ist insoweit zuzustimmen, als der ORKB das Recht zugesprochen wird zu entscheiden, ob sie einen oder mehrere Berichte herausgeben will. Das ist in der Tat ein Element der Unabhängigkeit der ORKB. Von diesem Recht hat auch der Bundesrechnungshof Gebrauch gemacht: So verstärkte er seit den Neunzigerjahren seine Berichterstattung in Angelegenheiten von besonderer Bedeutung (§ 99 Bundeshaushaltsordnung) deutlich. Zwar stellte er die Ergebnisberichte, die er im Jahr 2000 begonnen hatte, im Jahr 2007 wieder ein. Er hielt sie offenbar nicht mehr für sinnvoll. Und wie verhält es sich mit den Bemerkungen? Mit ihnen veröffentlicht der Bundesrechnungshof jährlich „das Ergebnis seiner Prüfungen, soweit es für die Entlastung der Bundesregierung von Bedeutung sein kann“ (§ 97 Bundeshaushaltsordnung). Im Durchschnitt der letzten Jahre stellten die Bemerkungen die Ergebnisse von etwa 100 Prüfungen dar, tatsächlich hatte der Bundesrechnungshof in den betreffenden Jahren aber etwa 1.000 Prüfungen durchgeführt. Wenn das Ergebnis von etwa 10 % der durchgeführten Prüfungen für die Entscheidung des Bundestages über die Entlastung der Bundesregierung notwendig ist, könnte man darüber nachdenken, ob der

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Bundesrechnungshof zu viele Prüfungen durchführt oder ob die Prüfungen mit besserem Erfolg durchgeführt werden sollten. Außerdem könnte man die Meinung vertreten, dass die Praxis des Bundesrechnungshofes nicht der Empfehlung der INTOSAI entspricht, mindestens einmal im Jahr „über die Ergebnisse ihrer Prüfungen“ zu berichten. Die Empfehlungen der INTOSAI sind zwar nicht verbindlich; doch es bestehen Zweifel, ob der Bundesrechnungshof insoweit den Maßstab der INTOSAI erfüllt. In vielen Staaten ist das anders. Einige ORKB leiten fast alle Prüfungsberichte dem Parlament zu und veröffentlichen sie auf ihrer Website.77 Darüber hinaus publizieren einige ORKB einen jährlichen Rechenschaftsbericht, in dem sie nicht nur über die Prüfungen, sondern auch über sonstige Tätigkeiten berichten, wie wesentliche Umorganisationen, Mitwirkung an politischen Entscheidungen, internationale Aktivitäten.78 Solche Berichte erhöhen die Transparenz der öffentlichen Haushalts- und Wirtschaftsführung auch, soweit es um die ORKB selbst geht. Es wäre nicht nachteilig, wenn der Bundesrechnungshof die Bemerkungen um einen Überblick über alle durchgeführten Prüfungen erweitert und mit einem Rechenschaftsbericht über weitere Aktivitäten ergänzt, wie beratende Stellungnahmen zu aktuellen Themen und internationale Maßnahmen. Auch in der Säule 7 befasst sich die INTOSAI mit der Berichtstätigkeit der ORKB. Hiernach sollte jede ORKB über den Inhalt und die Veröffentlichung ihrer Berichte frei entscheiden können sowie darüber, zu welchem Zeitpunkt sie die Berichte herausgibt. Wie bei der Durchführung der Prüfung selbst (Säule 4) kann der Versuch der Einflussnahme der Regierung auf die ORKB wegen des Inhalts der Berichte beachtlich sein. In Deutschland ist das Verfahren zwischen Bundesrechnungshof, Bundestag und Bundesregierung so transparent, dass alle Beteiligten wissen, was auf sie zukommt. Für Versuche der Einflussnahme ist kaum noch Raum – zumindest sind sie nicht zu erkennen. In vielen Staaten ist das anders. Besonders heikel ist die Veröffentlichung von Prüfungsberichten in Staaten mit wenig gefestigten politischen Strukturen. Mancher Regierungschef 77 Z. B. der österreichische Rechnungshof auf www.rechnungshof.gv.at (Navigation: „Berichte“); das National Audit Office in Großbritannien auf www.nao.org.uk (Navigation: „Publications“). 78 Vgl. nur die Liste der Berichte des US-amerikanischen General Accounting Office unter www.gao.gov (Navigation: „Reports & Testimonies“); die Website der französischen Cour des Comptes unter: www.ccomptes.fr (Navigation: „Publications“); die Website der schwedischen NAO unter www.riksrevisionen.se (Navigation: „International Cooperation“); den britischen „NAO Annual Report 2012“ (Fn. 70); zur Veröffentlichung von Prüfungserkenntnissen des Bundesrechnungshofes vgl. im Übrigen vertiefend die Beiträge von Horst Erb und Joachim Romers in dieser Festschrift.

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duldet keine öffentliche Kritik an seiner Verwaltung und erwartet oder verlangt sogar eine günstigere Darstellung der Prüfungsergebnisse in den Berichten. In solchen Fällen kann es helfen, die Kritik als hilfreiche Beratung zu verkaufen oder empfindsame Potentaten mit kunstvollen Formulierungen – die auch im Bundesrechnungshof gelegentlich geübt werden – zu beruhigen. Je enger die ORKB oder ihre Leitung mit der Regierung „verbandelt“ ist, desto schwieriger ist es, sie öffentlich zu kritisieren. In Deutschland residieren der Bundesrechnungshof und mehrere Landesrechnungshöfe nicht am Sitz der Regierung, sondern an einem anderen Ort. Damit wird ein deutlicher Abstand zwischen der Spitze der zu prüfenden Verwaltung und dem Prüfungsorgan dokumentiert. In anderen Staaten gibt es diese räumliche Trennung von Regierungssitz und Sitz der ORKB nicht. Sie erscheint empfehlenswert. Gleiches gilt für den Zeitpunkt der Herausgabe der Berichte. Um ihre Unparteilichkeit deutlich zu machen und die Unabhängigkeit zu wahren, sollten die ORKB ihre Berichte mit einem erkennbaren Abstand zu den Parlamentswahlen herausgeben. Die Säule 8 der Unabhängigkeit erwartet von den ORKB, dass sie über ein Follow-up-System verfügen, mit dem sie die Reaktionen auf die beanstandeten Feststellungen und die Umsetzung ihrer Empfehlungen überwachen können. Der Bundesrechnungshof verfügt über ein solches System, und er hat darüber hinaus – wie bereits erwähnt – in den Jahren zwischen 2000 und 2006 Berichte über die Umsetzung seiner Empfehlungen veröffentlicht. Das Government Accountability Office in den USA und das Office of the Auditor General von Kanada (französisch: Bureau du vérificateur général) geben seit Jahren solche Status-Berichte heraus, aber auch ORKB in Entwicklungsländern stellen so ihre Leistung dar. Beispielsweise hat die National Audit Authority in Kambodscha in einem besonderen Abschnitt ihres Jahresberichts 2007 den Erfolg ihrer früheren Prüfungsfeststellungen dargestellt. Zusammenfassend bleibt zur Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes aus der Sicht der INTOSAI festzustellen, dass er wegen der Vorgaben des Bundesfinanzministeriums und des Bundesinnenministeriums bei der Festlegung seines Haushalts und seiner Organisation nicht alle Anforderungssäulen vollständig erfüllt. Er gehört zu derjenigen Gruppe der ORKB, deren Unabhängigkeit gut entwickelt ist. Da der Bundesrechnungshof den Prüfungsbitten des Bundestages folgen kann, aber nicht muss, ist seine Unabhängigkeit größer als die manch anderer etablierter ORKB. Schon wegen seiner Vorbildfunktion könnte er aber auch ein wenig für die Transparenz seiner Tätigkeit tun. Nach diesseitigen Recherchen erfüllt aber keine einzige ORKB alle von INTOSAI empfohlenen Anforderungen.

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V. Personal Das Bundesrechnungshofgesetz behandelt das Personal des Bundesrechnungshofes in drei Paragrafen: – § 6 Präsident und Vizepräsident, – § 3 Mitglieder des Bundesrechnungshofes, – § 4 Prüfungsbeamte und weitere Bedienstete. Der Präsident und der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag und Bundesrat gewählt (§ 5 Bundesrechnungshofgesetz). Die Präsidenten und Vizepräsidenten wurden bisher in aller Regel nicht aus den Prüfern des Bundesrechnungshofes ausgewählt, sondern „von außen“ besetzt – mit einer Ausnahme: Ernst Heuer war zunächst viele Jahre Prüfungsgebietsleiter und Abteilungsleiter im Bundesrechnungshof und wurde im Jahr 1985 zum Vizepräsidenten gewählt. In vielen Staaten wird die Leitung der ORKB ebenfalls von außen besetzt. Meistens bestimmen die Parlamente, die das Budgetrecht besitzen, über die Besetzung des Postens des Präsidenten oder Auditor General. In einigen Staaten werden die Leiter der ORKB von der Regierung berufen, wie in Frankreich, wo der Premier Président de la Cour des Comptes vom Ministerrat, dem Cabinet, benannt wird. In Staaten ohne parlamentarische Demokratie entscheidet der Inhaber der Staatsgewalt über die Leitung der ORKB, in Saudi-Arabien der König und in der Volksrepublik China der Nationale Volkskongress oder dessen Ständiger Ausschuss.79 In mehreren Staaten sind frühere Angehörige der ORKB deren Leiter. Beispielsweise ernennt der italienische Staatspräsident aus den Mitgliedern des Corte dei Conti eines zu dessen Präsidenten.80 So ist es auch in Griechenland, wo der Ministerrat auf Vorschlag des Justizministers den Präsidenten der Elegkito Synedrio aus den Mitgliedern auswählt.81 Ferner waren der Präsident des brasilianischen Tribunal de Contas da União und der Auditor General des australischen Australian National Audit Office mehrere Jahre lang Angehörige der ORKB, die sie heute leiten. Mitglieder des Bundesrechnungshofes sind der Präsident, der Vizepräsident, die Abteilungsleiter und die Prüfungsgebietsleiter (§ 3 Absatz 1 Bundesrechnungshofgesetz). Sie treffen die Entscheidungen des Bundesrechnungshofes in Kollegien, nämlich im Großen Senat, in den Abteilungssena79

Art. 62 Abs. 5 der Verfassung der Volksrepublik China. Gesetz 202 vom 21. Juli 2000. 81 Hellenic Court of Audit (Hrsg.), The structure and organization of the Hellenic Court of Audit, S. 7 (www.elsyn.gr). 80

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ten und in den Zweier- und Dreier-Kollegien. Damit die Mitglieder diese Entscheidungen unabhängig von Einflüssen Dritter treffen können, hat das Grundgesetz sie mit der richterlichen Unabhängigkeit ausgestattet (Artikel 114 Absatz 2 Satz 1). Während Präsident und Vizepräsident, wie eben dargestellt, „politisch“ gewählt werden, ist für die Auswahl der übrigen Mitglieder ausschließlich die fachliche Leistung maßgebend. Der Präsident des Bundesrechnungshofes schlägt dem Bundespräsidenten nach Anhörung des Ständigen Ausschusses (§ 5 Absatz 2 Bundesrechnungshofgesetz) aus den Prüfungsbeamten des höheren Dienstes die Prüfungsgebietsleiter und aus den Prüfungsgebietsleitern die Abteilungsleiter vor.82 Damit ist dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes die fachliche Verantwortung für die Auswahl der Führungskräfte überantwortet. Eine solche fachliche Auswahl der Mitglieder lässt sich auch bei anderen kollegial verfassten ORKB in Europa finden, z. B. entscheidet der Premier Président de la Cour des Comptes, welche Angehörigen seines Hauses Mitglied werden und welchen der drei Ränge sie erhalten. In der russischen Accounts Chamber ist dies anders; hier werden die Mitglieder des Kollegialorgans von der Staatsduma und dem Föderationsrat bestimmt: Die Staatsduma entscheidet über den Präsidenten und sechs Mitglieder des Rechnungshofes, der Föderationsrat über den Vizepräsidenten und die anderen sechs Mitglieder.83 Das Bundesrechnungshofgesetz stellt in § 4 die Prüfer dem administrativen und sonstigen Personal des Bundesrechnungshofes gleich: „Zum Bundesrechnungshof gehören auch die erforderlichen Prüfungsbeamten des höheren und des gehobenen Dienstes sowie weitere Bedienstete.“ Die Prüfungsbeamten des höheren Dienstes wurden noch vor zwanzig Jahren als Führungsnachwuchs angesehen und behandelt; denn es wurde jeder von ihnen, falls sie sich bewährt hatten, nach einer gewissen Bewährungszeit zum Mitglied ernannt. Da die Zahl der Stellen der Prüfungsbeamten des höheren Dienstes inzwischen die der Mitglieder erheblich übersteigt, kann nicht jeder Prüfer des höheren Dienstes Mitglied werden.84 Der Konkurrenzdruck auf diese Prüfer ist hoch. Die Prüfungsbeamten des gehobenen Dienstes kommen in der Regel aus den obersten und oberen Bundesbehörden. Die Prüfungsbeamten sind die 82 In wenigen Ausnahmefällen wurden hochrangige Persönlichkeiten von außen zu Mitgliedern des Bundesrechnungshofes berufen. 83 Art. 5 und 6 des Bundesgesetzes über den Rechnungshof der Russischen Föderation von 1995. 84 Im Jahr 2013 bilden mehr als 310 Prüfer des höheren Dienstes den Nachwuchs für 58 Mitglieder des Bundesrechnungshofes.

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Wissensträger der Verfahren und Strategien der zu prüfenden Stellen. Ihr Wissen und Können garantiert die Qualität und fachliche Tiefe der Prüfungen des Bundesrechnungshofes. Sie erheben nicht nur die für die Prüfung wesentlichen Tatsachen, sondern entwerfen auch die Prüfungsberichte, liefern die Argumente für die Bewertung der Prüfungsergebnisse und sind wesentlich an der Entwicklung künftiger Prüfungsthemen beteiligt. Sie sind unverzichtbar für die Arbeit und das Ansehen des Bundesrechnungshofes im politischen Raum und in der Öffentlichkeit. Sie tragen die Hauptlast der Prüfungsarbeit. Dieser wichtigen Rolle der Prüfungsbeamten im Bundesrechnungshof wird das Bundesrechnungshofgesetz in § 4 nicht gerecht, wenn es die Prüfer in einem Zuge mit den „weiteren Bediensteten“ des Bundesrechnungshofes nennt. Die Prüfer des gehobenen Dienstes haben zwar besondere Amtsbezeichnungen, „Rechnungsrat“ und „Oberrechnungsrat“, aber eine Auswirkung auf den Status oder die Vergütung der Prüfer haben die Amtsbezeichnungen – wie oben dargestellt – nicht. Die Prüfer haben nur geringe Möglichkeiten, ihr Wissen und Können nach außen darzustellen. Abgesehen von der Zeit der örtlichen Erhebungen, in der sie im Außendienst bei der zu prüfenden Stelle und anderen öffentlichen Einrichtungen Belege einsehen, Abläufe bewerten und Befragungen durchführen, arbeiten sie überwiegend im Verborgenen. Sie dürfen praktisch keinen Brief unterschreiben und werden nur in internen Dokumenten des Bundesrechnungshofes im Zusammenhang mit einer Prüfungsentscheidung erwähnt. Noch vor wenigen Jahren waren stets mehrere Prüfungsgebietsleiter und auch ein Abteilungsleiter vom gehobenen Dienst bis zum Mitglied aufgestiegen. Derzeit ist im Kreis der Mitglieder nicht ein Aufstiegsbeamter aus dem gehobenen Dienst zu finden. Zwar sind inzwischen die Zulassungsvoraussetzungen für den Aufstieg in den höheren Dienst deutlich verbessert worden; nach dem jetzigen Bild der Mitglieder im Bundesrechnungshof sind aber die Chancen der aufgestiegenen Prüfungsbeamten des gehobenen Dienstes gering, die Ebene der Mitglieder des Bundesrechnungshofes zu erreichen. Im internationalen Vergleich stehen die Prüfer des Bundesrechnungshofes fachlich gut da. Die Prüfer fast aller ORKB sind in der Prüfung der Rechnungsführung („financial audit“) ausgebildet und führen diese Prüfungsart überwiegend aus. Nur wenige Prüfer verfügen über die breite Fachkenntnis und Erfahrung, die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen („performance audit“) notwendig sind. Die Prüfer des Bundesrechnungshofes sind besser qualifiziert. Ihr Schwerpunkt liegt auf der breiten Ausbildung in der Verwaltungslehre und nicht auf der Spezialausbildung in Buchführung, die vergleichsweise schmal ist.

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Auf der anderen Seite sind die Prüfer des Bundesrechnungshofes sowohl in ihrem Status als auch in ihrer Karriere schlechter gestellt als die Prüfer anderer ORKB. Die Prüfer in den nach dem Westminster-Modell hierarchisch organisierten ORKB genießen, zumindest im angloamerikanischen Raum, hohes Ansehen. Sie können auch in Wirtschaftsunternehmen prüfen und werden deshalb von den öffentlich-rechtlichen und von den privatrechtlichen Prüfungseinrichtungen umworben. Viele hierarchisch wie kollegial verfasste ORKB haben eigene Laufbahnen und Besoldungsregeln für ihre Angehörigen, die sie von der übrigen Verwaltung absetzen, z. B. der Österreichische Rechnungshof und der Corte dei conti in Italien. Hierdurch werden die Prüfer nicht nur nominell, sondern auch finanziell bessergestellt. Ferner stehen ihnen in den hierarchisch organisierten ORKB Karrieren bis in die oberen Managementebenen offen – ausgenommen die politisch besetzten Leitungsstellen. Bei den kollegial organisierten ORKB nehmen auch die Prüfer an dem hohen Ansehen der Prüfungseinrichtungen teil, vor allem wenn die ORKB über gerichtliche Befugnisse verfügen. Beispielsweise hat der Cour des Comptes in Frankreich als „Grand Corps de l’Etat“ ein solches Renommee, dass er sich die Jahrgangsbesten der Ecole Nationale d’Administration aussuchen kann. In diesem Ansehen sonnt sich die ganze Institution, auch der einfache Prüfer. VI. Arbeitsweise Alle ORKB haben die gleiche Aufgabe, den Staatshaushalt ihres Landes zu prüfen. Sie haben inzwischen auch mit der Einführung von Computern die gleichen Arbeitsmittel. Der Bundesrechnungshof fing wie die ORKB der Industriestaaten vor etwa 25 Jahren damit an; inzwischen sind die Diensträume der ORKB auch in Entwicklungsländern damit ausgestattet. Insoweit arbeiten die Prüfer aller ORKB in ähnlicher Weise. Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede in der Arbeit der ORKB. Das gilt besonders im Verhältnis des Bundesrechnungshofes zu den ORKB anderer Staaten. 1. Maßstab der Prüfung Nach dem Maßstab, der bei der Prüfung angelegt wird, unterscheidet die staatliche Finanzkontrolle drei Prüfungsarten, die überwiegend in englischer Sprache bezeichnet werden: – Prüfung der Ordnungsmäßigkeit („compliance audit“),

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– Prüfung der Wirtschaftlichkeit („performance audit“)85 und – Prüfung der Rechnungsführung („financial audit“).86 Bei der Ordnungsmäßigkeitsprüfung wird untersucht, ob ein Verhalten oder ein Zustand mit den maßgebenden Vorschriften übereinstimmt, also ordnungsgemäß ist, oder nicht. Die Prüfung der Rechnungsführung ist eine Unterart der Ordnungsmäßigkeitsprüfung; als Prüfungsmaßstab treten an die Stelle allgemeiner Vorschriften die Bestimmungen des Haushaltsplans und die verbindlichen Buchungsregeln. Bei der Prüfung der Rechnungsführung wird also die Haushaltsrechnung an den Vorgaben des Haushaltsplans und an den Vorschriften für die Haushaltsführung gemessen. Und bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird ermittelt, ob die staatlichen Mittel wirtschaftlich erhoben, verwaltet und verwendet wurden. Die INTOSAI hat umfangreiche Richtlinien zu jeder der drei Prüfungsarten erarbeitet.87 In den Rechtsgrundlagen des Bundesrechnungshofes werden alle drei Prüfungsarten behandelt. In Artikel 114 Absatz 2 sagt das Grundgesetz: „Der Bundesrechnungshof (…) prüft die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung“.88 Die Prüfung der Rechnungsführung spricht das Grundgesetz in Artikel 114 an, indem es in Absatz 1 den Bundesfinanzminister verpflichtet, zur Entlastung der Bundesregierung „Rechnung zu legen“ und in Absatz 2 postuliert: Der Bundesrechnungshof „prüft die Rechnung“. Im Grundsatz arbeitet der Bundesrechnungshof auch so: Die Mehrzahl der Prüfungen besteht aus einer Mischung aus Wirtschaftlichkeits- und Ordnungsmäßigkeitsprüfung, ohne dass zwischen beiden Prüfungsarten systematisch oder verbal unterschieden wird. Gegenstand der Prüfung ist jeweils ein Verhalten oder ein Zustand der öffentlichen Verwaltung, das bzw. den der Bundesrechnungshof als verbesserungsbedürftig ansieht. Der Prüfungsgegenstand wird unter allen denkbaren Gesichtspunkten – auch auf seine 85

In Großbritannien „value for money audit“ genannt. Im deutschen Sprachraum gibt es keinen festen Begriff für „financial audit“. Die INTOSAI hat kürzlich statt des früher verwendeten Begriffs „Finanzprüfung“ den Begriff „Prüfung der Rechnungsführung“ vorgeschlagen; in Deutschland könnte es „Prüfung der Buchführung“ oder kurz „Buchprüfung“ heißen. 87 Die Richtlinien tragen die Nummern 1000 ff. für die Prüfung der Rechnungsführung („financial audit“), 3000 ff. für die Wirtschaftlichkeitsprüfung und 4000 ff. für die Ordnungsmäßigkeitsprüfung; sie sind abrufbar unter www.issai.org (Navigation: „4. Anwendungsrichtlinien“, „Allgemeine Anwendungsrichtlinien“). 88 Bemerkenswert ist die Reihenfolge: An erster Stelle nennt das Grundgesetz die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und erst dann die der Ordnungsmäßigkeit, was nach dem Prüfungsleitfaden des Bundesrechnungshofes in Anmerkung 1 zu § 4 der Prüfungsordnung zu einem „Vorrang“ der Wirtschaftlichkeitsprüfung führen kann. 86

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Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit – untersucht. Weil es in Deutschland in geringerem Umfang Anlass zu Zweifeln gibt, dass die Verwaltung sich an die für sie geltenden Gesetze und untergesetzlichen Vorgaben hält, steht in den meisten Prüfungen des Bundesrechnungshofes die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Vordergrund.89 Die Prüfung der Rechnungsführung führt der Bundesrechnungshof ebenfalls durch. In seinen jährlichen Bemerkungen berichtet er jeweils in einem Abschnitt darüber, dass er die Haushalts- und Vermögensrechnung „stichprobenweise“ geprüft und keine wesentlichen „Abweichungen“ oder „Fehler“ festgestellt hat.90 Der Bundesrechnungshof erfüllt damit die ihm vom Grundgesetz übertragenen Prüfungsaufgaben. Beim Einsatz seiner Ressourcen verhält sich der Bundesrechnungshof jedoch völlig anders als die übrigen ORKB auf der Welt: Wenn man die Arbeit des Bundesrechnungshofes an den international verwendeten drei Prüfungsarten misst, verwendet er höchstens 10 % seiner Prüfungskapazität für die Prüfung der Rechnungsführung. Von den neun Prüfungsabteilungen mit 49 Prüfungsgebieten befassen sich drei Prüfungsgebiete der Abteilung 1 mit Grundsatzfragen der Finanzkontrolle sowie mit dem Haushaltsrecht, der Finanzwirtschaft und der Haushaltsrechnung; alle anderen Prüfungsgebiete werden lediglich einmal im Jahr in einer Umfrage zur Vollständigkeit und Richtigkeit der Haushaltsrechnung der Einzelpläne befragt. Fast alle anderen ORKB verwenden mehr als die Hälfte ihrer Prüfungskapazität, viele sogar weit mehr als die Hälfte, für die Prüfung der Rechnungsführung. Der Bundesrechnungshof nutzt dagegen etwa 90 % seiner Ressourcen für die oben beschriebene Mischung aus Ordnungsmäßigkeitsund Wirtschaftlichkeitsprüfung. Woran kann das liegen? Mit der Automatisierung der Buchungs- und Rechnungsverfahren nahm der Arbeitsaufwand für die Verbuchung der Zahlungsvorgänge und für die Haushaltsrechnung ab. In gleichem Maße verringerten sich die Möglichkeiten von Rechnungsfehlern und Manipulationen. Damit nahm zugleich die Bedeutung der Prüfung der Belege und Zahlungsvorgänge ab. In den letzten Dekaden des vergangenen Jahrhunderts wurden in Deutschland die „Vorprü89 Im Prüfungshandbuch des Bundesrechnungshofes wird unter § 18 erläutert, dass die Prüfungen in fünf verschiedenen Formen durchgeführt werden: als Schwerpunkt-, Querschnitts-, Orientierungs-, Kontrollprüfung oder allgemeine Prüfung. Mit den oben genannten drei Prüfungsarten hat dies nichts zu tun; die fünf Prüfungsformen beschreiben nur unterschiedliche Verfahren. 90 Z. B. in den Bemerkungen 2010, 2011 und 2012, veröffentlicht unter www. bundesrechnungshof.de, Navigation: „Veröffentlichungen“, „Bemerkungen (Jahresberichte)“.

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fer“ in der Verwaltung weitgehend abgeschafft. Mit einem Teil dieser Personaleinsparung verstärkte der Bundesrechnungshof seine Prüfungskapazität, um seinen Prüfungsauftrag besser, nämlich erfolgsbezogen und gründlicher, mit seinen Prüfungsämtern erfüllen zu können. Weder das Grundgesetz noch die Bundeshaushaltsordnung verpflichten den Bundesrechnungshof, die Haushaltsrechnung gemäß den Vorgaben der „financial audit“ zu zertifizieren, was bei den anderen ORKB einen hohen Personalaufwand erzeugt. Im Gegenteil lässt § 89 Bundeshaushaltsordnung zu, dass der Bundesrechnungshof „nach seinem Ermessen die Prüfung auf Stichproben beschränken und Rechnungen ungeprüft lassen“ kann. Diese Bestimmung gibt dem Bundesrechnungshof das Recht, die wenig anspruchsvolle, aber aufwendige Prüfung der Rechnungsführung auf ein Minimum zu beschränken und auf wenige Schlüsselfragen zu konzentrieren: Er prüft nach wie vor die Voraussetzungen der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im Haushaltsvollzug und wirkt an der Aufstellung der Verfahrensvorschriften für die Bewirtschaftung des Haushaltsplanes mit.91 Die detaillierte Kontrolle der Rechnungsführung obliegt nunmehr dem Bundesfinanzministerium, das in seinen Spiegelreferaten die Abwicklung des Haushaltsplanes überwacht. Hierbei prüft der Bundesrechnungshof nicht nur die Rechnungslegung stichprobenweise, sondern konzentriert seine Prüfung auf die Grundlagen und Systeme der Haushaltsbewirtschaftung. Nun sieht sich der Bundesrechnungshof mit den Wirtschaftlichkeitsprüfungen in der Lage, Schwachstellen oder Fehlentwicklungen in der Verwaltung aufzudecken. Die Wirkung seiner Prüfungen auf die Haushaltswirtschaft des Bundes hat er kontinuierlich verstärkt und sein Ansehen in der Verwaltung, im Bundestag und in der Öffentlichkeit verbessert. Mit seinen Prüfern, die als „überdurchschnittlich bewährte“ Mitarbeiter zum Bundesrechnungshof kamen, besitzt er die Fähigkeit, fachlich begründete, praxisgerechte und überzeugende Prüfungsbeanstandungen und -empfehlungen zu erarbeiten und vorzulegen. Hierdurch setzt sich der Bundesrechnungshof entscheidend von den ORKB anderer Staaten ab, deren Prüfer im System der Haushaltswirtschaft und Buchführung ausgebildet sind und unwidersprochen hervorragende Prüfungsergebnisse auf dem Gebiet der Rechnungsführung erzielen. Wegen ihrer Belastung durch das aufwendige Verfahren der Prüfung der Rechnungsführung und der in aller Regel gesetzlich geforderten Zertifizierung der Haushaltsrechnung nach den Regeln des „financial audit“ können die Prüfer sich nicht zielgerichtet mit der Analyse der 91

Vgl. §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2, 79 Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5, 80 Abs. 1 und 87 BHO.

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Schwachstellen des Verwaltungshandelns befassen und wirkungsvoll zur Verbesserung der Verwaltung beitragen. Die breite fachliche Erfahrung seiner Prüfer versetzt den Bundesrechnungshof darüber hinaus in die Lage, Straftaten zulasten des Bundeshaushalts, wie Betrug, Untreue und Korruption, aufzudecken und zu bekämpfen. Bei Durchsicht der Rechnungen können den Prüfern Besonderheiten im Verwaltungsverfahren oder Abweichungen der gezahlten Preise von üblichen Zahlungen auffallen und zu weiterem Nachdenken über deren Grund veranlassen. Dadurch hat der Bundesrechnungshof z. B. Betrug im Zusammenhang mit Vergabeverfahren sowie Fälle von Kollusion zwischen Planer und Lieferant zulasten des Bundes aufgedeckt. Diese spezielle Fachkenntnis des Bundesrechnungshofes hat in der Vergangenheit sogar eine Staatsanwaltschaft veranlasst, den Bundesrechnungshof um Amtshilfe bei der Aufarbeitung eines Großbauvorhabens zu bitten. Dem konnte jedoch der Bundesrechnungshof wegen seines Status, der einer Tätigkeit als „Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft“ entgegensteht, nicht entsprechen. Festzuhalten bleibt aber, dass der Bundesrechnungshof wegen seines Rechts zur Einsichtnahme in die Rechnungsunterlagen der Verwaltung in Verbindung mit der Fachkenntnis seiner Prüfer auf Gebieten wie Datenverarbeitung und Bautechnik besonders günstige Voraussetzungen für die Bekämpfung der Korruption besitzt.92 Mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch fachlich qualifizierte Prüfer hat der Bundesrechnungshof die wesentlichen Voraussetzungen für seine Entwicklung zum „Unternehmensberater des Bundes“ geschaffen. Weiterhin in großem, nicht mehr benötigtem Umfang Prüfungen der Rechnungsführung durchzuführen, wäre nicht nur eine Vergeudung wertvoller Fachkenntnisse, sondern auch kaum durchsetzbar. Vielen Prüfern fiele es schwer, ihr spannendes Arbeitsfeld der Wirtschaftlichkeitsprüfung aufzugeben, um in der eher formalen Prüfung der Rechnungsführung zu arbeiten. Dies erscheint auch nicht mehr notwendig; die ordnungsgemäße Abwicklung des Haushaltsplanes und die Einhaltung der Vorschriften für die Haushaltsführung werden schon vom Bundesfinanzministerium weitgehend gewährleistet. Darauf aufbauend kann der Bundesrechnungshof sich mit Stichproben- und Systemprüfungen hinreichende Sicherheit über die Richtigkeit der Haus-

92 Die Beteiligten an Korruptionsdelikten sind in der Regel intelligent genug, „typische“ Spuren ihrer Taten zu vermeiden. Deshalb können Prüfer, die über geringe Fachkenntnisse verfügen, bei der Prüfung der Rechnungsführung nur selten Hinweise auf Korruption finden; sie sind für die Korruptionsbekämpfung weniger geeignet als fachlich ausgebildete Prüfer, die aufgrund ihrer Erfahrung auch untypische Spuren erkennen können.

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haltsrechnung verschaffen; denn er hat allein schon durch seine gesetzlichen Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte (z. B. §§ 66, 69, 102 Bundeshaushaltsordnung) Einblick in die Bewirtschaftung des Bundeshaushalts und deren Kontrolle durch das Bundesfinanzministerium. Solange kein wirklich großer Schaden in einem vom Bundesrechnungshof zu prüfenden Haushalt aufgedeckt wird, der mit intensiver Prüfung der Rechnungsführung möglicherweise hätte erkannt werden können, wird das Vorgehen des Bundesrechnungshofes nicht in die Kritik geraten. Er bewirkt mit seinen Beanstandungen und Empfehlungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen mehr als andere ORKB mit ihren aufwendigen Prüfungen der Rechnungsführung, die in der Zertifizierung über die Richtigkeit der Haushaltsrechnung enden. Darüber hinaus wäre die Umstellung der Arbeitsweise des Bundesrechnungshofes auf das System der Prüfung der Rechnungsführung schwierig. Es beruht weltweit auf dem Gerüst der International Standards of Auditing (ISA), die vom International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) entwickelt wurden. Sie enthalten die Prüfungskriterien, an denen die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnungen gemessen wird. Die Prüfer von privaten und öffentlichen Haushalten wenden die ISA weltweit bei der Rechnungsprüfung an. Die den ISA entsprechenden Regeln für den Bundeshaushalt sind das Haushaltsgesetz, die Bundeshaushaltsordnung und die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung. Für die Privatunternehmen in Deutschland gelten die aus dem Handelsrecht entwickelten Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns. Jedoch haben deutsche Unternehmen, die auch im Ausland über ihren Geschäftsbetrieb berichten müssen, z. B. weil ihre Aktien an einem Börsenplatz im Ausland geführt werden, bei ihren Berichten die ISA anzuwenden. Dementsprechend muss auch der Bundesrechnungshof, wenn er einen Prüfungsauftrag von einer internationalen Organisation annimmt,93 die dafür vorgesehenen Prüfer in den ISA schulen. In den meisten ORKB auf der Welt ist die Prüfung der Rechnungsführung das beherrschende Thema. Die Prüfung der Haushaltsrechnung einschließlich deren Zertifizierung ist meistens die gesetzliche Pflichtaufgabe der ORKB und bindet den größten Teil, manchmal sogar die gesamten personellen Ressourcen. Zu den sogenannten freiwilligen Prüfungen, vor allem den Wirtschaftlichkeitsprüfungen, kommen die ORKB dann kaum noch. 93 Z. B. Prüfungsmandate der Internationalen Atom Energie Agentur (IAEA) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

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Einige ORKB unterhalten aber Abteilungen mit besonders qualifizierten Prüfern, die Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchführen.94 2. Zeitpunkt der Prüfung Die Arbeit der ORKB wird auch nach dem Zeitpunkt der Prüfung unterschieden, nämlich ob die Prüfung vor dem Wirksamwerden des Verwaltungshandelns stattfindet – dann „vorgängige“ Prüfung – oder nach dessen Wirksamwerden – dann „nachgängige“ Prüfung –; eine „begleitende“ Prüfung findet während des Handelns der Verwaltung statt. Bei der vorgängigen und begleitenden Prüfung wird das Prüfungsorgan in das Verwaltungsverfahren einbezogen, sodass es bei einer darauf folgenden (nachgängigen) Prüfung die zuvor gebilligte Verwaltungsentscheidung nicht mehr unvoreingenommen bewerten kann und damit seine Unabhängigkeit durch vorangegangenes Tun selbst beeinträchtigt. Außerdem verzögert die vorgängige Prüfung die Umsetzung der Verwaltungsentscheidung und verstärkt damit die Schwerfälligkeit der Verwaltung. Diese Nachteile der vorgängigen und begleitenden Prüfung haben dazu geführt, dass der Bundesrechnungshof nur nachgängig prüft. Im Übrigen ist auch die sogenannte Maßnahmenprüfung nach § 89 Absatz 1 Nummer 2 Bundeshaushaltsordnung eine nachgängige Prüfung, weil die Prüfung erst einsetzt, wenn die Verwaltung ihre Entscheidung über die Maßnahme getroffen hat. So kann der Bundesrechnungshof z. B. Verwaltungsvorschriften oder Baupläne schon prüfen und bewerten, bevor sie zu einer Zahlung geführt haben; denn der Zahlungsvorgang ist lediglich eine „automatische“ Folge der zuvor getroffenen Entscheidung. Diese Möglichkeit der zeitnahen Prüfung von Verwaltungsvorschriften und Einzelschritten von Projekten wurde im Zuge der Reform des Jahres 1969 in die Haushaltsordnungen von Bund und Ländern eingefügt – auch um der Kritik zu begegnen, der Bundesrechnungshof prüfe erst dann, „wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen sei“. In den Gesetzen anderer Staaten über die Rechnungsprüfung der ORKB ist eine solche Vorschrift nicht zu finden. Die vorgängige Prüfung wird heute allgemein als veraltet angesehen. Nur in Ausnahmefällen, z. B. wenn das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Verwaltung gering ist, kann die vorgängige Prüfung durch eine ORKB sinnvoll sein. Deshalb kann in wenig entwickelten Staaten die vorgängige Prüfung durchaus angebracht sein. Überraschend ist allerdings, dass nach wie vor auch in entwickelten Staaten die vorgängige Prüfung angewandt wird. Bei94 Z. B. führen zwei der sechs Prüfungsabteilungen der norwegischen „Riksrevisjonen“ ausschließlich Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch.

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spielsweise ist in dem portugiesischen Tribunal de Contas von den drei Prüfungsabteilungen eine für vorgängige Prüfungen zuständig.95 Außerdem prüft die griechische Elegkito Synedrio mit Prüfungseinheiten in den Ministerien vorgängig, ob geplante Ausgaben den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.96 Auch der Corte dei Conti in Italien prüft Entscheidungen der Regierung vorgängig.97 3. Prüfen und Beraten Laut § 88 Bundeshaushaltsordnung sind Prüfen und Beraten die Aufgaben des Bundesrechnungshofes: Nach Absatz 1 prüft der Bundesrechnungshof die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, und nach Absatz 2 kann er aufgrund seiner Prüfungserfahrung Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beraten.98 Der Bundesrechnungshof berät nicht nur im Zusammenhang mit einer Prüfung (sogenannte „unselbstständige Beratung“) sondern auch bei prüfungsübergreifenden Sonderberichten (sogenannte „selbstständige Beratung“).99 Sofern sie als Berichte nach § 99 Bundeshaushaltsordnung veröffentlicht wurden, sind sie auf der Website des Bundesrechnungshofes aufgeführt.100 Das gesetzliche Mandat der ORKB anderer Staaten beschränkt sich durchweg auf die Prüfung der Haushaltsrechnung und der zugehörigen Zahlungsbelege. Außer in der Schweiz101 ist uns in keinem Land ein Gesetz begegnet, das ausdrücklich die Beratung von Parlament und Regierung durch die ORKB zulässt. Der Bundesrechnungshof hat Parlament und Regierung schon beraten, bevor die Beratung durch die Haushaltsrechtsreform von 1969 in die Bun95 Tribunal de Contas (Hrsg.), The Tribunal de Contas (court of auditors) today, Lissabon 2008, S. 7; vgl. www.tcontas.pt (Navigation: „The court of auditors today“). 96 Art. 21 des Organisationsgesetzes der griechischen „Elegkito Synedrio“; dazu auch: Hellenic Court of Audit (Hrsg.), The auditing process, A priori audit (Fn. 81), S. 11. 97 Art. 100 der Verfassung der Italienischen Republik von 1948. 98 Zur Prüfungs- und Beratungstätigkeit vgl. den Aufsatz von Horst Erb in dieser Festschrift. 99 Dazu im Einzelnen Matthias Mähring, in: Engels / Eibelshäuser (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, Neuwied Loseblatt Stand: Dezember 2008, § 88 BHO Rn. 16. 100 Vgl. www.bundesrechnungshof.de (Navigation: „Veröffentlichungen“, „Sonderberichte“). 101 Nach Art. 7 des Bundesgesetzes über die Eidgenössische Finanzkontrolle gehören „Prüfen und Beraten“ zu den Aufgaben der Eidgenössischen Finanzkontrolle.

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deshaushaltsordnung aufgenommen wurde.102 Andere ORKB können einen ähnlichen Weg gehen und ohne gesetzliche Grundlage aus ihrer Prüfungserfahrung heraus mit der Beratung von Parlament und Regierung beginnen. Der österreichische Rechnungshof beschreitet möglicherweise bereits diesen Weg;103 denn er bekundet auf seiner Website, dass zu seinen Aufgaben auch die Beratung gehört, ohne dass dies in der österreichischen Verfassung oder im Rechnungshofgesetz als seine Aufgaben erwähnt ist. Vielleicht deutet das auf den Beginn einer weiteren Entwicklung der Rechnungsprüfung hin, die zu einer stärkeren Beratung von Parlament und Regierung auf der Grundlage der Prüfungserfahrung der ORKB führt. Dies würde den Nutzen der ORKB weiter erhöhen.104 Das gesetzliche Mandat zu prüfen und zu beraten versetzt den Bundesrechnungshof in die Lage, seine Prüfungserfahrung durch Beratung von Parlament und Verwaltung nutzbringend einzusetzen und dadurch sein Ansehen im politischen Umfeld und in der Zivilgesellschaft zu stärken. VII. Abschließende Wertung Nachdem wir Eigenschaften und Verfahren des Bundesrechnungshofes in einen internationalen Vergleich zu anderen ORKB gestellt haben, wollen wir zum Abschluss versuchen zu untersuchen, wie der Bundesrechnungshof im Wettbewerb mit anderen staatlichen Prüfungseinrichtungen dasteht. Die Veranstaltung des XIII. Kongresses der INTOSAI in Berlin im Jahr 1989, dem Jahr der Wende in der DDR, hat die internationale Gemeinschaft der Rechnungsprüfer auf den Bundesrechnungshof und seine Leistungen aufmerksam gemacht. In der Folge wurde die fachliche Ausrichtung seiner Prüfungen international bekannt, und seine Unterstützung wurde in der Phase des rechtsstaatlichen Umbaus der Prüfungsorgane in Osteuropa und auf der ganzen Welt begehrt. Davon abgesehen kann die Frage gestellt werden: Welche Wirkung hat der Bundesrechnungshof innerstaatlich und wie stark sieht die Wirkung im Vergleich zu derjenigen anderer ORKB aus? Anlässlich des bereits erwähnten UN-INTOSAI-Symposiums „Wert und Nutzen der ORKB“ im Jahr 102 Vgl. Heinz Günter Zavelberg, 275 Jahre staatliche Rechnungsprüfung in Deutschland – Etappen der Entwicklung, in: Zavelberg (Hrsg.), Die Kontrolle der Staatsfinanzen (Fn. 22), S. 43 (55). 103 Siehe www.rechnungshof.gv.at (Navigation: „Über den RH“, „Auftrag und Nutzen“). 104 Das 19. INTOSAI-UN-Symposium im Jahre 2007 über „Wert und Nutzen der öffentlichen Finanzkontrolle in einem globalisierten Umfeld“ hat diesen Nutzen der ORKB noch nicht thematisiert.

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2007 stellten die Vertreter einiger ORKB Belege für deren beachtliche Wirkung vor. Zum Beispiel gab das britische National Audit Office an, dass es im Jahr 2007 das Neunfache seiner Gesamtkosten mit den von ihm bewirkten Rückzahlungen und Einsparungen dem Staatshaushalt wieder zuführen werde.105 Der Jahresbericht 2012 spricht sogar davon, dass das National Audit Office im Jahr 2011 durch Verbesserungen und Einsparungen das Sechzehnfache seiner Kosten erzielt habe.106 Da die ORKB jedoch Prüfungseinrichtungen sind und keine Institutionen zur Erhöhung staatlicher Einnahmen, ist die betriebswirtschaftliche Bewertung ihrer Leistung zu eng und keine Basis zur Messung des Wertes einer ORKB. Viele ORKB haben Basisarbeit zu leisten, ohne die eine ordnungsgemäße und transparente Bewirtschaftung der Haushalte unmöglich wäre. Zum Beispiel hat die kambodschanische National Audit Authority im Jahresbericht 2006 die Buchung der Einnahmen nach dem Bruttoprinzip (§ 15 Bundeshaushaltsordnung) und im Jahresbericht 2007 die Beachtung des Grundsatzes der Gesamtdeckung (§ 8 Bundeshaushaltsordnung) eingefordert.107 Dabei ging es nur um kleinere Beträge; aber für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Haushaltsmittel waren diese Prüfungen von hohem Wert. Andere ORKB können ihre Prüfungsergebnisse nicht durchsetzen, weil das Parlament (aus unterschiedlichen Gründen)108 kein Interesse an der Sicherstellung seines Budgetrechts hat. Nicht wenige ORKB können ihre Prüfungen gar nicht oder nur nach aufwendigen Auseinandersetzungen mit den geprüften Stellen durchführen, weil die Exekutive die Macht im Staat innehat. Es wäre nicht angebracht, die Leistungen solcher ORKB gering einzuschätzen, nur weil das politische oder rechtliche Umfeld es nicht zulässt, dass sie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir sehen demnach keinen Weg, den Bundesrechnungshof durch einen Vergleich mit anderen ORKB zu bewerten. Die Bewertungsmaßstäbe taugen nicht, oder es sind zu viele Maßstäbe, die für eine überzeugende Bewertung notwendig wären. 105 Siehe Jill Goldsmith, Maßgebliche Leistungsindikatoren zur Messung von Mitteleinsatz, Leistungen und Wirkungen von ORKB, S. 10, Beitrag zum 19. VN / INTOSAI-Symposium vom 28.–30. März 2007 in Wien zum Thema: Symposium über den Wert und Nutzen der öffentlichen Finanzkontrolle in einem globalisierten Umfeld; abrufbar unter: www.intosai.org (Navigation: „Veranstaltungen“, „VN / INTOSAI Seminare“, „Chronologie / Themen / Berichte“, „19. Symposium“, „Anlagen“). 106 NAO (Hrsg.), NAO Annual Report 2012 (Fn. 69), S. 9. 107 Audit Report 2006, No. 4.2.3 und Audit Report 2007, No. 3.1.10 (www.naa. gov.kh, Navigation: „Publications“). 108 Z. B. hat der Staatschef und nicht das formal zuständige Parlament den Haushaltsplan festgelegt, oder wegen der gleichen politischen Besetzung der Spitzen von Parlament und Regierung ist die Kritik der ORKB nicht willkommen.

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Wenn wir nicht den Versuch, den Bundesrechnungshof im Vergleich zu anderen ORKB zu bewerten, aufgeben und an einer abschließenden Bewertung festhalten wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie aus den Feststellungen über den Bundesrechnungshof zu entwickeln, die unserer vergleichenden Betrachtung zugrunde lagen. Wir wollen uns fragen, was hat der Bundesrechnungshof, der als oberstes Organ der staatlichen Finanzkontrolle in der fünften Generation die öffentliche Haushalts- und Wirtschaftsführung in Deutschland prüft,109 daraus gemacht, was hat er erreicht? Zunächst stellen wir fest, dass der Bundesrechnungshof wohl unwidersprochen im günstigsten rechtlichen und politischen Umfeld seinen Prüfungsaufgaben nachgehen kann, das je in Deutschland geherrscht hat. Er und seine Angehörigen können in sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit ihre Prüfungen durchführen, bewerten und veröffentlichen. Auch wenn er im Aufbau seines Hauses und bei dessen finanzieller Ausstattung an Vorschriften und Beschlüsse anderer staatlicher Institutionen gebunden ist,110 kann er weitgehend unbeeinflusst entscheiden, was er prüft und wie er die Ergebnisse bewertet.111 Um das gegenwärtige Niveau seiner Prüfungen zu halten, kann es allerdings geboten sein, Können und Einsatz seiner Prüfungsbeamten, auf denen die guten Ergebnisse der Prüfungen aufbauen, stärker zu würdigen.112 Der Bundesrechnungshof hat die Wirkung seiner Prüfungen im Vergleich zur klassischen Rechnungsprüfung erheblich verbessert.113 Das Privileg, seine Prüfungen nach eigenem Ermessen beschränken oder Rechnungen sogar ungeprüft lassen zu können,114 hat er nicht für ein Nachlassen seiner Aktivitäten, sondern für die Vertiefung und Intensivierung seiner Prüfungen genutzt. Indem er den Schwerpunkt seiner Prüfungstätigkeit auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung legte,115 hat er die Wirkung seiner Prüfung enorm verbessert, ohne seine Pflicht zu vernachlässigen, die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsrechnung zu gewährleisten.116 Außerdem hat er erreicht, dass er nicht nur im Zusammenhang mit einzelnen Prüfungen die geprüften Stellen beraten darf, sondern auf der Grundlage seiner Prüfungserfahrungen wie 109 1. Königreich Preußen, 2. Deutsches Kaiserreich unter Führung von Preußen, 3. Weimarer Republik, 4. Diktatur der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, 5. Bundesrepublik Deutschland. 110 Vgl. Abschnitt IV., INTOSAI-Säule 2. 111 Vgl. Abschnitt IV., INTOSAI-Säule 4. 112 Vgl. Abschnitt V. 113 Vgl. Abschnitt VI.1. 114 § 89 Abs. 2 BHO, vgl. Abschnitt VI.1. 115 Vgl. Abschnitt VI.1. 116 Vgl. Abschnitt VI.1.

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ein Beratungsunternehmen das Parlament und die Bundesregierung beraten kann.117 Damit hat er den Ertrag seiner Prüfungen weiter verstärkt. Dieses günstige rechtliche Umfeld ist dem Bundesrechnungshof nicht zufällig zugefallen, sondern er hat aktiv an seiner Schaffung mitgewirkt, indem er dem Gesetzgeber vorführte, dass und wie seine Wirkung weiter erhöht werden kann.118 Er hat also, wie ein Leistungsträger im Wettbewerb, an sich gearbeitet und andere von seiner Leistungsfähigkeit überzeugt. Wenn der Bundesrechnungshof so weitermacht, werden seine „Auftraggeber“, Mitarbeiter und Beobachter noch viel Freude an ihm haben.

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Vgl. Abschnitt VI.3. Z. B. bei der Normierung des gesetzlichen Auftrags an den Bundesrechnungshof zum Beraten des Parlaments etc. in § 88 Abs. 2 BHO, vgl. Abschnitt VI.3. 118

Peer Reviews Ein neues Instrument zur Qualitätssicherung für die externe Finanzkontrolle? Oliver Sievers I. Tradierte Anwendungsbereiche in der Wissenschaft Ob eine wissenschaftliche Arbeit gut genug ist, um sie zu veröffentlichen, hängt heutzutage in den allermeisten Fällen von einem sogenannten „Peer Review“ ab. Der englische Begriff bezeichnet ein Verfahren, bei dem Peers (englisch: peer für Ebenbürtige, Gleichrangige) mit der Begutachtung (englisch: review für Gutachten, Nachschau) einer Arbeit beauftragt werden. Zu den bestimmenden Merkmalen des Peer Reviews gehört damit, dass die Sachverständigen aus demselben Fachgebiet kommen wie die Autorin oder der Autor des zu prüfenden Werkes. Die Begutachtung durch Fachkolleginnen und -kollegen soll die nötige Kompetenz zur Beurteilung wissenschaftlicher Ideen und Vorhaben sicherstellen.1 Die Befürworter dieses Verfahrens weisen darauf hin, dass kaum eine andere Gruppe oder Institution über den gleichen Sachverstand verfüge wie die jeweiligen Fachkolleginnen und -kollegen.2 Peer Reviews gehören zu den ältesten Untersuchungs- und Bewertungsmethoden in der Wissenschaft und gehen zurück in das 17. Jahrhundert. Der Herausgeber der seit 1655 in London erscheinenden „Philosophical Transac1 Zur Diskussion über die Zweckmäßigkeit von Peer Reviews vgl. etwa Lutz Bornmann, Stiftungspropheten in der Wissenschaft – Zuverlässigkeit, Fairness und Erfolg des Peer Review, Internationale Hochschulschriften Band 425, Münster 2004; Gerhard Fröhlich, „Informed Peer Review“ – Ausgleich der Fehler und Verzerrungen?, in: Von der Qualitätssicherung der Lehre zur Qualitätsentwicklung als Prinzip der Hochschulsteuerung, Bonn, Hochschulrektorenkonferenz 2006, S. 193 f.; Peter Weingart, Die Stunde der Wahrheit? – Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft, Weilerswist 2001; Heinrich Zankl, Fälscher, Schwindler, Scharlatane – Betrug in Forschung und Wissenschaft, Wiley 2006; Vera Zylka-Menhorn, Forschungsbetrug: Fachjournale in der Kritik, Deutsches Ärzteblatt 2006, abgerufen im Internet unter: www.ärzteblatt.de (8. Februar 2013). 2 Vgl. etwa Peter Weingart (Fn. 1), S. 286.

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tions of the Royal Society“ hatte schon damals ein Problem: Er konnte die Qualität der bei ihm eingereichten Aufsätze nicht verlässlich beurteilen. Deshalb bat er Wissenschaftler aus dem gleichen wissenschaftlichen Bereich um eine Expertise. Andere wissenschaftliche Zeitschriften übernahmen dieses Verfahren im Laufe der Zeit und trugen dazu bei, Peer Reviews als Instrument zur Qualitätssicherung dauerhaft zu etablieren. Ohne den kritischen Blick von Kolleginnen und Kollegen ist moderne Wissenschaft derzeit kaum vorstellbar. Den Auftrag zur Begutachtung eines Aufsatzmanuskripts erteilt in aller Regel die Herausgeberin oder der Herausgeber der Zeitschrift, in der ein Artikel erscheinen soll. Vom Votum des oder der Peers hängt ab, ob ein Beitrag in der eingereichten Form veröffentlicht wird, ob er nochmals durch die Autorin / den Autor überarbeitet werden soll oder ob er endgültig abgelehnt wird. Die Peers, die auch Reviewer oder Referee genannt werden, dürfen beim Peer Review nicht aus dem persönlichen Umfeld der Autorin oder des Autors stammen. Die Unabhängigkeit der Gutachterinnen und Gutachter ist ein zentrales Element des Peer Reviews und soll eine objektive und unvoreingenommene Bewertung sicherstellen. Zur Beurteilung wissenschaftlicher Arbeiten werden Peer Reviews häufig anonym durchgeführt. Dabei können Gutachterinnen und Gutachter sowie Begutachtete auch wechselseitig anonym bleiben (englisch: doubleblind review, d. h. doppelt verdecktes Gutachten). Die Anonymität beim Peer Review erlaubt es den Gutachterinnen und Gutachtern, Mängel eines Beitrages in einem geschützten Bereich äußern zu können: Reputation der betroffenen Autorinnen und Autoren, deren mögliche Einflüsse und die Angst vor „Vergeltungsmaßnahmen“ sollen keinen Einfluss auf einen Peer Review haben. Dies soll zugleich die Unabhängigkeit der Peers unterstützen. Anonyme Peer Reviews sind indes nicht unumstritten. Kritiker wenden ein, dass Gutachten im Schutz der Anonymität oft nicht sorgfältig erstellt seien und dem zu beurteilenden Beitrag nicht gerecht würden. Anonymität erleichtere ein unsubstantiiertes Schlechtreden, ohne dass die Gutachterinnen und Gutachter Konsequenzen befürchten müssten. Eine Ursache für dieses Phänomen liege im „Revierverhalten“ der überwiegend etablierten Peers, die einen fachlichen Wettbewerb unterdrücken wollten (sogenanntes „old boys’ network“).3 Im Einzelfall wird eine Auftraggeberin oder ein Auftraggeber Chancen und Risiken einer anonymen Begutachtung gegeneinander abwägen müssen. 3 Zur Diskussion vgl. Lutz Bornmann (Fn. 1), S. 21; Martina Lenzen-Schulte, Peer Reviews – Freibrief zum Missbrauch oder Schutzschild, FAZ vom 9. Januar 2011.

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Weltweit existieren rund 21.000 (Fach-)Zeitschriften, die Peer Reviews nutzen. Sie veröffentlichen jährlich etwa eine Million Aufsätze. Die Bewertungsmaßstäbe bei Peer Reviews sind dementsprechend unterschiedlich und richten sich nach den Vorgaben der Auftraggeberin oder des Auftraggebers. Einheitliche Standards haben sich bislang kaum durchgesetzt. Meistens sollen Manuskripte auf Plausibilität, offensichtliche Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten beurteilt werden. Darüber hinausgehende, detaillierte Gutachten werden üblicherweise in Bereichen verlangt, die besonders umstrittene oder prestigeträchtige Themen behandeln, von öffentlichem Interesse sind und sich an einen großen Leserkreis richten. Der Nachteil solcher ausführlicher Begutachtungen besteht darin, dass sie viel Zeit in Anspruch nehmen und eine Veröffentlichung um Monate, mitunter sogar Jahre, verzögern können.4 II. Peer Reviews auf Expansionskurs Da ihre Idee ebenso einfach wie bestechend ist, haben Peer Reviews inzwischen auch jenseits der Begutachtung wissenschaftlicher Aufsätze weltweit unterschiedlichste neue Betätigungsfelder erobert. So führt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereits seit 40 Jahren Peer Reviews durch, um bestimmte Politikbereiche eines Staates zu analysieren (z. B. im Bereich der Arbeitsmarktpolitik); sie leitet daraus Erkenntnisse ab, welche Reformen einem Staat etwas bringen und welche nicht. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit unterzieht seit dem Jahr 2002 ihre Risikobewertung bei Pestiziden einem internationalen Peer Review; dazu veröffentlicht sie den Entwurf ihres Bewertungsberichts auf der Website und gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Mitgliedstaaten die Gelegenheit, fachlich Stellung zu nehmen. In vielen Staaten werden Peer Reviews praktiziert, um die Finanzierung von Forschungsprojekten auf eine solide Basis zu stellen. Andernorts setzt man sie ein, um die Qualität berufsbildender Schulen zu evaluieren. Auch in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren Peer Reviews in vielen Bereichen etabliert. Exemplarisch seien an dieser Stelle zwei wichtige Tätigkeitsfelder skizziert: 4 In der jüngeren Vergangenheit wurde deshalb nach schnelleren Verfahren zur Qualitätssicherung gesucht. Online-Journale nutzen dazu seit einiger Zeit die Möglichkeiten des Internets: Eingereichte Artikel werden bei bestimmten Anbietern zunächst (ungeprüft) im Netz veröffentlicht, bevor sie sich einem „offenen Peer Review“ unterziehen müssen. Dazu können Gutachterinnen und Gutachter anonym Bewertungen abgeben, die am Ende des Artikels an den Beitrag angehängt werden. Auch zu diesen Bewertungen können Leserinnen und Leser (anonym) eigene Einschätzungen abgeben. Alle Beiträge sind einsehbar.

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Nach den Bestimmungen der Wirtschaftsprüferordnung müssen sich Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften regelmäßig einem Peer Review unterziehen.5 Durch diese neue Form der Qualitätskontrolle soll sichergestellt werden, dass bei Abschlussprüfungen die gesetzlichen und berufsständischen Verpflichtungen beachtet werden. Dies soll das Vertrauen der Öffentlichkeit in Abschlussprüfungsleistungen festigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer stärken. Deren Marktumfeld war in den vergangenen Jahren zunehmend durch Globalisierung und Konzentrationsbewegungen geprägt.6 In den meisten europäischen Staaten und in den Vereinigten Staaten bestehen derartige Kontrollstrukturen für Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer bereits seit Längerem. Durchgeführt werden die Peer Reviews in Deutschland durch andere – bei der Wirtschaftsprüferkammer registrierte – Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Eingeführt wurde das neue Verfahren mit der vierten Novelle der Wirtschaftsprüferordnung im Jahr 2001. Damit wurde in Deutschland erstmalig für einen freien Beruf eine Qualitätskontrolle durch Angehörige desselben Berufs geschaffen. Auch die Rentenversicherungsträger und die Gesetzlichen Krankenkassen führen Peer Reviews als Qualitätssicherungsprogramme durch. Ziel dieser Begutachtung ist vor allem, die Prozessqualität belegter Rehabilitationseinrichtungen zu sichern oder zu verbessern. Dazu werden Prozessmerkmale in der medizinischen Rehabilitation untersucht. Die Grundlage der Untersuchungen bilden die medizinischen Abschlussberichte und die Therapiepläne, die die Peers durch ein Stichprobenverfahren auswählen. Als Peers fungieren insbesondere Chefärztinnen und Chefärzte sowie leitende Oberärztinnen und Oberärzte, die üblicherweise langjährige Erfahrung in der Rehabilitations- und Sozialmedizin haben. Um die Untersuchungen zu standardisieren, werden den Peers Checklisten und Leitfäden bereitgestellt. Vor ihrer Tätigkeit nehmen sie in der Regel an Schulungen teil. Die Deutsche Rentenversicherung Bund führt Peer Reviews seit 1999 in allen eigenen und von der Rentenversicherung federführend belegten Einrichtungen durch. Die gesetzlichen Krankenkassen passten das Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherungsträger im Jahr 2000 auf ihre Belange an und nutzen seitdem ebenfalls intensiv Peer Reviews.

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§§ 57a f. Wirtschaftsprüferordnung. BT-Drs. 14 / 3649, S. 16 f.; vgl. im Übrigen vertiefend Jürgen Kragler, Wirtschaftsprüfung und externe Qualitätskontrolle – Ein Vergleich des deutschen und amerikanischen Peer-Review-Systems, Baden-Baden 2003. 6

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III. Der Blick des Kollegen auf einen Rechnungshof Seit einiger Zeit erfreuen sich Peer Reviews auch bei der externen Finanzkontrolle wachsenden Zuspruchs. Zunehmend lassen sich Oberste Rechnungskontrollbehörden (ORKB) durch eine oder mehrere andere ORKB fachlich begutachten. Nach Informationen der Internationalen Organisation der ORKB (INTOSAI) führten Rechnungshöfe in den Jahren 1999 bis 2012 weltweit mehr als 40 Peer Reviews durch.7 Mehr als 30 ORKB beteiligten sich an mindestens einem Peer Review – entweder als Peer oder als untersuchte Stelle.8 Peer Reviews werden bei der externen Finanzkontrolle in aller Regel freiwillig durchgeführt und setzen eine Absprache zwischen einer Auftrag gebenden ORKB und ihrem Peer oder ihren Peers voraus. Sie unterscheiden sich damit von klassischen Prüfungen, die üblicherweise aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Prüfungsrechte oder -pflichten einer ORKB stattfinden. Untersuchungen bei einem Peer Review sind geprägt von einem hohen Maß an kollegialer Solidarität und „Augenhöhe“. Das heißt nicht, dass sie nur eine Gefälligkeit unter Kolleginnen und Kollegen darstellen, die darauf abzielt, Lob auszutauschen und Kritik vermeidet. Peer Reviews können ihre Wirkung nur dann optimal entfalten, wenn alle Beteiligten aufrichtig und konstruktiv kritisch miteinander umgehen.9 Dazu muss die untersuchte ORKB den Peers einen umfassenden Zugang zum Untersuchungsgegenstand einräumen. Die Peers müssen ihre Wertungen und Empfehlungen im Gegenzug auf solide Feststellungen und begründete Argumente stützen. Der Bundesrechnungshof hat sich in den vergangenen Jahren in besonderer Weise für die Weiterentwicklung von Peer Reviews bei der externen Finanzkontrolle engagiert. Als Peer nahm er an fünf internationalen Peer Reviews und einem nationalen Peer Review teil. Unter Vorsitz des Bundesrechnungshofes entwickelte zudem ein Unterkomitee des „INTOSAI Komitees für den Ausbau von Sachkompetenzen“ einen Peer-Review-Leitfaden und eine (dazugehörige) Peer-Review-Checkliste.10 Der Leitfaden gibt Empfehlungen für alle Phasen eines Peer Reviews. Besonderes Augenmerk 7 Die INTOSAI ist die Dachorganisation der externen öffentlichen Finanzkontrolle. 8 Oft fungieren mehrere ORKB bei einem Peer Review als Peer. 9 Vgl. auch Joachim Romers, Wer prüft die Prüfer?, Der Schweizer Treuhänder 2005, S. 787, mit einem ausführlichen Erfahrungsbericht über den Peer Review des Bundesrechnungshofes bei der Eidgenössischen Finanzkontrolle / Schweiz in den Jahren 2004 und 2005. 10 In Komitees und Unterkomitees befassen sich die Mitglieder der INTOSAI mit Fragen von wesentlichem und wiederkehrendem Interesse für alle Mitglieder (z. B. Entwicklung von Normen und Richtlinien für die Prüfungspraxis).

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richtet er auf die Rahmenbedingungen, über die sich die beteiligten ORKB vor einem Peer Review verbindlich und in schriftlicher Form verständigen sollten. Dazu wird der Abschluss eines sogenanntes Memorandum of Understanding (MoU) empfohlen. Die INTOSAI nahm den Leitfaden mit seiner Checkliste im Dezember 2010 in ihre Normen- und Richtliniensammlung für die staatliche Finanzkontrolle (ISSAI)11 auf.12 Zu den weiteren Mitgliedern des Unterkomitees, das den Leitfaden erarbeitete, zählten die ORKB von Bangladesch, Estland, Frankreich, Kroatien, Marokko, Österreich, Polen, Ungarn, der Vereinigten Staaten und der Europäische Rechnungshof sowie die ORKB Schwedens und der Slowakischen Republik als Beobachter. Die INTOSAI-Gemeinschaft hatte die Weiterentwicklung von Peer Reviews als besondere Herausforderung in ihrem Strategischen Plan für den Zeitraum 2005 bis 2010 herausgestellt. Im März 2006 hatte sie das Unterkomitee beauftragt, Richtlinien zu entwickeln und Best-Practice-Beispiele aufzuzeigen. Um die eigene Aufgabenerledigung oder Qualitätssicherung zu verbessern, nutzen ORKB neben Peer Reviews in zunehmendem Maße auch neue Instrumente wie interne Selbstbewertungen (sogenannte Selfassessments). Hierbei führen ORKB im eigenen Haus strukturierte Abfragen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Workshops mit ihren Bediensteten durch, meistens zu bestimmten eng umrissenen Themen. Die Idee des Selfassessments ist, durch die intensive Beschäftigung mit einem Thema das (eigene) Bewusstsein für besondere Positionen, Stärken oder Risiken zu schärfen. Unterstützt werden ORKB bei Selfassessments üblicherweise von anderen Rechnungshöfen, die die Verfahren moderieren oder deren Abläufe steuern. Selfassessments stehen hinsichtlich ihres „Eingriffsgrades“ unterhalb der Peer Reviews: Eine ORKB führt die maßgeblichen Erhebungshandlungen selbst durch und wird vom „Partner-Rechnungshof“ lediglich begleitet. Als ein solcher Partner unterstützte beispielsweise die niederländische ORKB in den vergangenen Jahren wiederholt Selfassessments anderer Rechnungshöfe im Bereich Integrität und Korruptionsprävention. Die Schweizer Finanzkontrolle moderierte Selfassessments zur IT-Prüfung13 und IT-Ausstattung.14 11 Die ISSAI beschreiben wesentliche Grundsätze für eine sachgemäße Aufgabenerfüllung und professionelles Verhalten von ORKB sowie für die Prüfung öffentlicher Einrichtungen. Sie werden von der INTOSAI beschlossen. Sämtliche ISSAI sind im Internet abrufbar unter: www.issai.org. 12 Der XX. Kongress der ORKB in Südafrika bestimmte den Peer-Review-Leitfaden zur ISSAI 5600. 13 Mittels eines solchen IT-Audit Selfassessments (ITASA) werden die Qualität und Effektivität von IT-Prüfungen untersucht. 14 Beim sog. IT-Selfassessment (ITSA) wird die IT-Unterstützung der Prüferinnen und Prüfer bei der Rechnungsprüfung bewertet.

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Die beiden letztgenannten Selfassessments führte auch der Bundesrechnungshof in der Vergangenheit bei sich durch. 1. Inhalte und Maßstäbe bei ORKB-Peer-Reviews Die Inhalte eines Peer Reviews bei einer ORKB variieren erheblich und werden im Wesentlichen durch seinen Anlass und Zweck bestimmt. Häufig verfolgen ORKB mit einem Peer Review das Ziel, ihre Prüfungsverfahren zu verbessern und an (internationalen) Best Practices auszurichten. Um die Qualität und Glaubwürdigkeit ihrer Prüfungen zu stärken, ermuntern die internationalen Bestimmungen ORKB ausdrücklich, externe und unabhängige Beratung in Anspruch zu nehmen.15 Peer Reviews stellen hierfür ein probates Instrument zur Verfügung. Sie können darauf abzielen, etwaige Schwächen in der Organisation einer ORKB aufzudecken, um anschließende Verbesserungen anzustoßen. Mitunter sollen die Untersuchungen eine Grundlage für geplante, unmittelbar an die Empfehlungen anknüpfende Reformen eines Rechnungshofes bilden. Peer Reviews können auch dazu dienen, nach bereits durchgeführten Reformen zu prüfen, ob diese sich in der Praxis als wirksam erwiesen haben. Schließlich kann sich eine ORKB aufgrund interner oder externer Vorgaben veranlasst sehen, einen Peer Review im eigenen Haus durchführen zu lassen. Die Begutachtung kann – abhängig von den vielfältigen Anlässen und Zwecken eines Peer Reviews – einen weitreichenden Ansatz verfolgen, das heißt die gesamte Prüfungstätigkeit und Organisationsstruktur umfassen.16 Sie kann sich aber auch – und dies dürfte sinnvollerweise für die Mehrzahl der Peer Reviews zutreffen – aus Kapazitätsgründen auf bestimmte Tätigkeitsfelder oder ausgewählte Funktionsbereiche eines Rechnungshofes beschränken. Typische Themen und Geschäftsfelder eines Peer Reviews bei einer ORKB betreffen beispielsweise – deren rechtliche, finanzielle und tatsächliche Unabhängigkeit, – den Einklang ihrer Organisation und Tätigkeit mit – externen wie internen – fachlichen und berufsethischen Kodifikationen,17 – ihre Aufbau- und Ablauforganisation, – die Durchführung ihrer Prüfungs- und Beratungstätigkeit (von der Planung über die Niederschrift der Feststellungen und Empfehlungen bis hin 15

ISSAI 20, Grundsatz 9. Vgl. ISSAI 5600, S. 7. 17 Berufsethische Vorgaben können auch aus den ISSAI folgen, vgl. INTOSAIPflichten- und Verhaltenskodex, ISSAI 30. 16

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zur Berichterstattung gegenüber der geprüften Stelle einschließlich einer etwaigen Nachkontrolle) sowie – ihre Personalwirtschaft, das Qualitätsmanagement, die Öffentlichkeitsarbeit und sonstige Supporting-Bereiche.18 Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, welcher (rechtliche) Maßstab bei den einzelnen Prüfungsthemen eines Peer Reviews anzuwenden ist.19 Dies gilt insbesondere für die Begutachtung des institutionellen Rahmens einer ORKB, deren Mittelausstattung, die Zuständigkeiten bzw. Befugnisse sowie die Berichts- und Beratungsadressaten. Weltweit bestehen insoweit bei den nationalen rechtlichen Vorgaben gravierende Unterschiede. Peers könnten in einer solchen Situation geneigt sein, ihren Wertungen bei einem Peer Review vor allem den eigenen Rechtsrahmen zugrunde zu legen und fremde Vorgaben, die ihnen nicht vertraut sind, zu ignorieren. Dies widerspräche allerdings dem Zweck eines Peer Reviews. Dieser strebt an, passgenaue und auf die Besonderheiten des untersuchten Rechnungshofes zugeschnittene Empfehlungen zu entwickeln. Derartige Vorschläge müssen nicht zwingend den eigenen Vorgaben der Peers entsprechen. Um ein einfaches Beispiel zu benennen: Der Bundesrechnungshof untersuchte bei einem Peer Review eine ORKB, deren rechtlicher Rahmen ausdrücklich vorsah, strategische Prüfungsschwerpunkte im Bereich Umweltschutz zu setzen. Wenngleich eine solche Schwerpunktsetzung in den eigenen externen wie internen Bestimmungen nicht besonders herausgestellt wird, befürwortete der Bundesrechnungshof bei der Partnerorganisation die Prüfungsauswahl, die dem Ziel Umweltschutz diente. Grundsätzlich ist es nämlich sachgerecht, die zu untersuchende ORKB in einem ersten Schritt an den dort geltenden Vorschriften zu spiegeln. Dies verwehrt es den Peers freilich nicht, externe oder interne Vorgaben zu beanstanden, die ihnen problematisch erscheinen. Hierfür werden sie im Abschlussbericht allerdings gewichtige Gründe benennen müssen – welche im Hinblick auf das Schwerpunktthema Umweltschutz nicht erkennbar sind. Um die nationale Perspektive der oder des Peers zu erweitern und eine unverstellte, objektive Sicht auf die zu untersuchende ORKB sicherzustellen, wird bei einem Peer Review in der Regel vereinbart, international anerkannte Maßstäbe in die Begutachtung einzubeziehen.20 Die ISSAI stellen insbesondere Regeln auf zur notwendigen Unabhängigkeit von ORKB, zu ihrer Rechenschaftspflicht, zum Prüfungsmandat und der damit einherge18 19 20

Zu typischen Themen vgl. ISSAI 5600, S. 8 f., 15. ISSAI 5600, S. 12. ISSAI 5600, S. 12.

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henden Befugnisse und Pflichten, zur Prüfungsdurchführung sowie zur Qualitätskontrolle.21 Sie bilden einen weitreichenden und sachgerechten Maßstab für zentrale Rahmenbedingungen einer ORKB und bieten den Peers eine wichtige Orientierung. Damit eine ORKB ihrer nationalen und auch internationalen Reputation gerecht wird, wird sie regelmäßig bestrebt sein, einschlägige internationale Anforderungen und Standards zu erfüllen. Hinzu tritt, dass überstaatliche Regularien für ORKB zunehmend zur verbindlichen Auflage erklärt werden, um ein Mandat für eine internationale Prüfungstätigkeit zu erlangen. Verstöße einer ORKB gegen internationale Vorgaben und Standards können ihre Ursache in einem nationalen Rechtsrahmen haben, welcher der herausgehobenen Bedeutung der Finanzkontrolle nicht gerecht wird. So stellte der Bundesrechnungshof als Peer bei einem internationalen Peer Review fest, dass eine untersuchte ORKB nach den für sie geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben in zweifacher Hinsicht nicht ausreichend unabhängig war: Unter bestimmten Voraussetzungen konnten das Parlament und die Regierung der ORKB Prüfungsaufträge erteilen und dadurch die personellen Ressourcen deutlich schmälern; dies schlug sich naturgemäß auf die jährliche Arbeitsplanung nieder, deren Grundsätze und praktische Umsetzung die Peers bei dem Peer Review untersucht hatten. Zudem konnte das Parlament den Präsidenten der untersuchten ORKB mittels einfachen Beschlusses absetzen, ohne dass außergewöhnliche Gründe hierfür vorliegen mussten. Die deutschen Peers empfahlen, diese beiden nachteiligen Abweichungen von internationalen Standards bei künftigen Verfassungsänderungen zu thematisieren und – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – auf eine Streichung der Bestimmungen hinzuwirken. 2. Nutzen für alle Beteiligten Der Nutzen, den eine geprüfte ORKB aus einem Peer Review bei sich ziehen kann, ist vielschichtig; in fachlicher Hinsicht sind ihm im Prinzip kaum Grenzen gesetzt:22 Peer Reviews stellen stets einen Beitrag zur Stärkung der Grundsätze von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der externen Finanzkontrolle dar. Größtmögliche Transparenz ihrer Tätigkeit hat für ORKB einen besonderen Stellenwert. Die ISSAI stellen das Transparenzgebot in zentralen Regelun21 Vgl. insbesondere Deklaration von Lima (ISSAI 1), Deklaration von Mexiko über die Unabhängigkeit von ORKB (ISSAI 10), ISSAI 20 und 21 zur Transparenz und Rechenschaftspflicht sowie ISSAI 40 zur Qualitätskontrolle der ORKB. 22 Vgl. ISSAI 5600, S. 9.

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gen heraus.23 Dazu gehört, dass ORKB ihre Strukturen, die rechtlichen Rahmenbedingungen, ihre Arbeitsmethoden und Strategien sowie – im Einklang mit nationalen (haushalts- und datenschutz-) rechtlichen Vorgaben – ihre Arbeitsergebnisse offenlegen. Kraft ihrer Funktion im Staatsgefüge unterliegen Rechnungshöfe einer besonderen Rechenschaftspflicht, und zwar insbesondere gegenüber – dem Parlament, das sie bei der Kontrolle der Exekutive unterstützen, – der staatlichen Verwaltung, die sie prüfen, und – der Öffentlichkeit, die sie mit Steuergeldern finanziert. Besonders einleuchtend ist diese Rechenschaftspflicht gegenüber staatlichen Stellen, die der Prüfung durch den Rechnungshof unterliegen und bei denen die ORKB deshalb eine Vorbildfunktion besitzt. In diesem Kontext können Peer Reviews auch die immer wieder gestellte Frage beantworten: Wer prüft eigentlich die Prüfer?24 Inhaltlich hängt der „Benefit“ für die untersuchte ORKB naturgemäß von den vorgegebenen Themen des Peer Reviews ab: Untersuchungen im Kerngeschäft einer Rechnungskontrollbehörde – dem Prüfen und Beraten – können insbesondere zu neuen Prüfungsansätzen und wirksameren Prüfungsinstrumenten führen. Es können bei der Begutachtung Schwachstellen zu Tage treten, deren Beseitigung zu einer besseren Arbeitsqualität, einem höheren Aufgabenpensum und einer gestärkten Reputation einer ORKB verhelfen. Ein Peer Review kann dazu beitragen, Fortbildungsbedarfe bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie unzureichende Handbücher und Arbeitshilfen aufzudecken. Die Empfehlungen aus einem Peer Review können eine verbesserte – an staatlichen Bedürfnissen ausgerichtete – Strategie einer ORKB zur Folge haben. Sie können dabei unterstützen, Prüfungsaufgaben besser zu priorisieren und Mittel wirtschaftlicher zu verwenden. Peer Reviews, die sich mit der Organisation einer ORKB beschäftigen, können zu einer optimierten Struktur oder verbesserten Geschäftsprozessen führen. Auch die besten Vorschläge können ihre Durchschlagskraft freilich nur dann entfalten, wenn die untersuchte Stelle sie auch tatsächlich umsetzen kann und will. Ein guter Peer Review wird die Frage der Umsetzbarkeit daher stets im Blick behalten und vor allem Vorschläge unterbreiten, die dem Peer oder den Peers realisierbar erscheinen. Etwaige „Kundenwünsche“ hinsichtlich der Themen und ihrer (strategischen) Zielrichtung können den 23 Zu den Grundsätzen der Transparenz und Rechenschaftspflicht vgl. ISSAI 20 und 21. 24 Vgl. dazu den Beitrag von Michael Luther in dieser Festschrift.

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Peers dabei eine sachgerechte Orientierung bieten und sollten, wenn sie nicht initiativ geäußert werden, bei der untersuchten ORKB von den Peers zumindest abgefragt werden. Von selbst versteht es sich in diesem Zusammenhang, dass der Umsetzungswille bei der geprüften Stelle maßgeblich davon abhängt, dass die Empfehlungen im Abschlussbericht angemessen sind und auf verlässlichen Sachverhalten basieren. Der Nutzen aus dem Peer Review beschränkt sich nicht auf die Auftrag gebenden und der Prüfung unterzogenen ORKB: Den als Peers agierenden Rechnungshöfen ermöglicht die Begutachtung, die bei einer anderen ORKB getroffenen Feststellungen mit der eigenen Situation kritisch abzugleichen. Bei der Entwicklung von Empfehlungen werden sich die Peers stets mit der Frage zu beschäftigen haben, ob und inwieweit die Vorschläge auch für das eigene Haus gelten. Dieser Erkenntnisgewinn kann noch gesteigert werden, wenn mehrere ORKB als Peers beteiligt sind. In der Regel werden sich die Peers bei zentralen Wertungen und Empfehlungen auf eine gemeinsame Position verständigen (müssen). Dies setzt voraus, dass sie ihre Positionen im Vorfeld ausführlich diskutieren. Tradierte Auffassungen der einzelnen Peers werden dadurch hinterfragt und aus einer neuen Perspektive beleuchtet. Erkenntnisgewinne aus einem Peer Review müssen schließlich nicht auf die untersuchte ORKB und ihre Peers beschränkt bleiben. Der Bundesrechnungshof interviewte bei einem internationalen Peer Review die Mitglieder des dortigen Parlaments, um einschätzen zu können, welche Wirkung die Rechnungshofberichte erzielen und ob sie für die Legislative des betreffenden Staates nützlich sind. Er stieß dabei auf eine Beschlusspraxis der zuständigen parlamentarischen Gremien, bei der zwar sämtliche Prüfungsberichte der untersuchten ORKB ausführlich beraten und „zur Kenntnis“ genommen wurden; Beschlüsse, durch welche das Parlament seine Erwartungen an einen ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Haushaltsvollzug durch die Verwaltung dezidiert ausdrückt und die Regierung bzw. die Exekutive politisch „bindet“, traf das Parlament aber nicht. Die deutschen Peers empfahlen der untersuchten ORKB, bei „ihrem“ Parlament für eine Beschlussfassung zu werben, die über die bloße Kenntnisnahme hinausgeht. Sie stießen damit eine weitreichende Diskussion im parlamentarischen Raum an, die dazu beitragen kann, die Rolle der Legislative und ihre Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive künftig zu stärken. 3. Notwendige Planungs- und Vorbereitungsschritte ORKB, die einen Peer Review „bestellen“, bestimmen in aller Regel selbst, welche Tätigkeits- und Funktionsbereiche untersucht werden sollen.

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Stehen die Inhalte des Peer Reviews fest, lassen sich daraus meistens Anhaltspunkte für die Auswahl der Peers ableiten.25 Die prüfenden ORKB sollten in den vorgesehenen Untersuchungsbereichen einschlägige Kompetenzen und Erfahrungen haben. Daneben müssen sie über ausreichende personelle Kapazitäten und die nötige Bereitschaft und Flexibilität verfügen, um eine Begutachtung in einem ihnen – in der Regel – unbekannten rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld durchzuführen. Fachlich breit aufgestellte Peer-Review-Teams stellen in der Regel differenzierte Wertungen und sachkundige Empfehlungen sicher. Für ein „richtiges“ Gespür für die Belange der untersuchten ORKB kann unter Umständen sorgen, dass die Peers demselben Rechnungshofmodell angehören. Die in der ORKB-Landschaft auftretenden Typen beruhen auf unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Regelungen und Traditionen. Nach dem angelsächsischen Modell ist der „Auditor General“ Träger aller Rechte und Befugnisse; in einer hierarchischen Behördenstruktur trägt er die Gesamtverantwortung für den Rechnungshof und entscheidet insbesondere über Auswahl, Inhalt und Ergebnisse der Prüfungstätigkeit. Innerhalb des sogenannten Hofmodells, dem auch der Bundesrechnungshof angehört, verfügen die unabhängigen Mitglieder über einen erheblichen Ermessensspielraum hinsichtlich der Arbeitsweisen und Prüfungsansätze. Die Entscheidungsfindung erfolgt in mehrköpfigen Kollegien oder Senaten. Das Hofmodell tritt in zwei Formen auf: mit oder ohne gerichtliche Befugnis. Unabhängige Mitglieder im Hofmodell mit gerichtlicher Befugnis sind gleichzeitig Richter. Sie können deshalb Strafen oder Sanktionen verhängen. Dem Bundesrechnungshof fehlt hierzu die Befugnis. In der Praxis hat es sich bewährt, personelle Wechsel bei den Peers im Laufe der Begutachtung zu vermeiden. Ein Austausch von Prüferinnen und Prüfern erfordert, dass sich diese erneut einarbeiten müssen, und verzögert in aller Regel – wie bei klassischen Prüfungen eines Rechnungshofes auch – den Ablauf. Erfolgt die Untersuchung durch mehrere Peers, wird üblicherweise eine ORKB als Leiterin oder Koordinatorin bestimmt.26 In einem solchen Fall muss zudem geklärt werden, ob die Peers sämtliche Themenfelder des Peer Reviews gemeinsam bearbeiten oder ob sie die Zuständigkeit für einzelne Bereiche untereinander aufteilen. Diese Entscheidung kann erheblichen Einfluss auf die Dauer des Peer Reviews haben. Wenn die Peers sämtliche Feststellungen, Wertungen und Empfehlungen für einen Abschlussbericht gemeinsam abfassen, ist dies regelmäßig sehr zeitaufwendig. 25 26

ISSAI 5600, S. 10 f. ISSAI 5600, S. 10.

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Schneller gestaltet sich ein Verfahren, bei dem die Peers ihre Themen eigenverantwortlich bearbeiten und gegebenenfalls nur Kernaussagen im Team abstimmen. Eine solche Lösung muss keineswegs zu perspektivärmeren und fachlich weniger fundierten Empfehlungen führen. Das Prinzip der Letztverantwortung einzelner Peers kann sogar sicherstellen, dass beim Erstellen des Abschlussberichts nicht nach Kompromissen auf der Grundlage eines kleinsten gemeinsamen Nenners gesucht werden muss. Gewährleistet sein sollte in einem solchen Fall aber, dass jeder einzelne Peer berechtigt ist, eine etwaige abweichende Auffassung zu grundlegenden Fragen zum Ausdruck zu bringen, die seine Kollegin oder sein Kollege bearbeitet hat. Differenzen in der Bewertung durch die Peers werden dadurch transparent. Da dies andererseits der Überzeugungskraft des Abschlussberichts schaden kann, werden derartige „Abweichungsvoten“ – im Interesse der Peers, aber auch der untersuchten ORKB – freilich auf zentrale Aspekte beschränkt bleiben müssen. Zugegebenermaßen steckt hierin ein gewisses Konfliktpotential. Um einen reibungslosen Peer Review zu gewährleisten und Missverständnisse zwischen den Beteiligten von Anfang an zu vermeiden, vereinbaren die Auftrag gebenden ORKB und ihre Peers im Vorfeld schriftlich den Rahmen der Begutachtung mittels des MoU.27 Zu den typischen Inhalten dieser Abrede zählen insbesondere – der präzise umrissene Gegenstand des Peer Reviews,28 – die Prüfungs- und Erhebungsrechte der Peers,29 – der Zeitplan des Peer Reviews (mit Beginntermin und voraussichtlicher Dauer),30 – sein Verfahrensablauf (z. B. Zeitraum der Erhebungen) einschließlich etwaiger Meilensteine (z. B. erstes Feedback und Übergabe eines Berichtsentwurfs),31 – die Kostentragung (Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten sowie etwaige Leistung eines Tagegeldes)32 und – die Rolle und Zuständigkeit einzelner Rechnungshöfe bei Teilnahme verschiedener ORKB als Peers sowie Festlegung eines Koordinators oder Teamleiters. 27 28 29 30 31 32

Vgl. vertiefend zu den Inhalten ISSAI 5600, S. 12 f. ISSAI 5600, S. 15. ISSAI 5600, S. 15 f. ISSAI 5600, S. 13, 21. Ebenda. ISSAI 5600, S. 19.

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Weitere Inhalte des MoU, die sich in der Praxis bewährt haben, können die Zahl, die Aufgabenbereiche und die Tätigkeitsprofile der seitens der Peers betrauten Prüferinnen und Prüfer betreffen. Regelmäßig wird auch die Arbeitssprache im Peer Review bestimmt.33 In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich gegebenenfalls, Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen bereitzustellen. Dies kann sich auf die Dauer und die Kosten eines Peer Reviews auswirken. Die Teilnahme am Peer Review verpflichtet nicht nur die Peers: Auch die zu untersuchende ORKB muss aktiv zum Gelingen des Peer Reviews beitragen. Dazu gehört, dass sie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die anstehende Begutachtung und deren Inhalte informiert sowie hausintern für Akzeptanz sorgt. Ihren Beschäftigten muss sie gestatten, sie mitunter auch ermutigen, offen und ungeschönt mit den Peers zu sprechen. Zu den Erhebungen durch die Peers gehören in aller Regel Befragungen oder Gespräche mit den Beschäftigten der untersuchten ORKB. Dies ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Rechnungshofes eine ungewohnte Situation: Anders als beim üblichen Prüfungsgeschehen sind sie es, die befragt und um Auskunft gebeten werden. Damit sich die Beschäftigten der untersuchten ORKB darauf einstellen können, sollten Erhebungen rechtzeitig angekündigt werden.34 Gegebenenfalls muss die Auftrag gebende ORKB zudem Kontakte zu externen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern für die Peers herstellen und als „Türöffnerin“ fungieren. Um beispielsweise die Wirkung einer ORKB beurteilen zu können, werden die Peers typische Partnerinnen und Partner der zu untersuchenden ORKB befragen müssen. Als solche kommen Vertreterinnen und Vertreter geprüfter Stellen oder Mitglieder des Parlaments – einem der wesentlichen Adressaten der ORKB-Berichte – in Betracht. Schließlich muss die zu untersuchende ORKB den Peers in aller Regel umfangreiche Unterlagen bereitstellen.35 Informationen und Dokumentationen grundsätzlicher Art, z. B. rechtliche Rahmenbedingungen, interne Vorgaben wie Geschäfts- und Prüfungsordnungen sowie Publikationen der ORKB, empfiehlt es sich, frühzeitig – schon vor den örtlichen Erhebungen der Peers – zugänglich zu machen. Dies erlaubt eine bessere Vorbereitung. Wie bei „klassischen“ Prüfungen müssen die Peers uneingeschränkt auf alle benötigten Unterlagen zugreifen dürfen. Gegebenenfalls muss die Auftraggeberin Unterlagen zuvor in die vereinbarte Arbeitssprache übersetzen (lassen). Um das Verfahren zu erleichtern, benennt die zu untersuchende 33 34 35

ISSAI 5600, S. 14. ISSAI 5600, S. 21 f. ISSAI 5600, S. 15 f.

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ORKB meistens eine Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner für die Peers.36 Diese oder dieser baut Kontakte auf und trägt die Unterlagen zusammen, die für den Peer Review benötigt werden. Zur Klarstellung für alle Beteiligten werden die Auskunfts- und Einsichtsrechte der Peers regelmäßig im MoU vereinbart.37 Üblicherweise verpflichten sich die Peers im Gegenzug, über die Inhalte eingesehener Akten und Aufzeichnungen sowie über die Ergebnisse der Befragungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der geprüften ORKB Stillschweigen zu bewahren.38 4. Schlussphase des Peer Reviews Nach Abschluss der Erhebungen und Auswertung aller Unterlagen erstellen die Peers einen Abschlussbericht.39 Über formelle Vorgaben und die Länge des Berichts verständigen sich die Peers und die zu untersuchende ORKB in der Regel im Vorfeld. Oft werden zwei Fassungen „beauftragt“: Eine Kurzversion, die zur Veröffentlichung geeignet ist und sich auf die Kernaussagen im Gutachten beschränkt, sowie eine ausführliche Langfassung, die sämtliche Feststellungen umfasst und für den internen Gebrauch der untersuchten ORKB bestimmt ist. Üblicherweise stimmen die Peers die Sachverhalte vor Übergabe des Abschlussberichts mit der untersuchten ORKB ab.40 Dazu tauschen sich die Beteiligten über Feststellungen und daran anknüpfende Empfehlungen im Laufe der Untersuchung zu fixen Terminen aus (Meilenstein-Gespräche). Sachverhalte können so nochmals überprüft und „böse Überraschungen“ bei der Auftrag gebenden ORKB anlässlich der Übergabe des Gutachtens vermieden werden. Zudem können die Peers rechtzeitig etwaige Einwände der untersuchten ORKB in ihre Überlegungen einbeziehen. Zu diesem Zweck wird oft auch vereinbart, dass die untersuchte Stelle zum Berichtsentwurf schriftlich Stellung nehmen darf, bevor der endgültige Abschlussbericht übergeben wird. Beides, ein frühzeitiger Austausch über denkbare Vorschläge im Gutachten und die Möglichkeit zur Stellungnahme, trägt zur Qualitätssicherung bei und ist deshalb – trotz des hohen Aufwandes – uneingeschränkt zu empfehlen. Unerlässliches Qualitätsmerkmal des Abschlussberichts ist, dass sämtliche Feststellungen belegt sind. Eine untersuchte ORKB wird unangenehme Wer36 37 38 39 40

ISSAI ISSAI ISSAI ISSAI ISSAI

5600, 5600, 5600, 5600, 5600,

S. 16. S. 15 f. S. 16. S. 18. S. 17.

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tungen und Empfehlungen nur dann akzeptieren können, wenn sie auf validen Fakten beruhen. Insoweit gelten für Peer Reviews die gleichen Prinzipien wie für jede andere Prüfung der externen Finanzkontrolle auch. Die Auftrag gebende ORKB und die Peers vereinbaren deshalb häufig Dokumentationspflichten für Prüferinnen und Prüfer.41 Sie geben den Peers auf, den Prüfungsplan, Prüfungsunterlagen, erstellte Vermerke und sonstige Prüfungsnachweise festzuhalten und über einen bestimmten Zeitraum aufzubewahren. Der Abschlussbericht zum Peer Review ist grundsätzlich Eigentum der Auftrag gebenden ORKB.42 Sie entscheidet, ob und inwieweit der Bericht Dritten zugänglich gemacht wird bzw. ob er veröffentlicht wird. Das Interesse Dritter an den Erkenntnissen eines Peer Review kann groß sein, insbesondere wenn diese in die Begutachtung einbezogen waren, beispielsweise anlässlich einer Befragung durch die Peers. Risiken für die Auftrag gebende ORKB können aus einer Veröffentlichung erwachsen, wenn institutionelle oder grundlegende Schwächen festgestellt wurden, die „ausgeschlachtet“ werden könnten. Andererseits kann eine ORKB durch die Publizierung demonstrieren, dass sie souverän mit ihren Schwächen ebenso wie mit ihren Stärken umgeht. Dies schafft mehr Vertrauen in diese Einrichtung und kann deren Wirksamkeit steigern. Üblicherweise wird bereits bei Beauftragung des Peer Reviews im MoU vereinbart, ob die untersuchte ORKB den Abschlussbericht an Dritte, insbesondere nationale Einrichtungen (z. B. das Parlament), weitergeben oder publizieren wird.43 Dies ist sinnvoll, denn es ermöglicht den Peers, im Bericht gegebenenfalls inhaltlich „weiter auszuholen“, allgemeinverständlicher zu schreiben und kontrollspezifische Fachbegriffe zu erläutern. Auch den Peers kann kraft einer Vereinbarung im MoU erlaubt werden, den Abschlussbericht zu nutzen und an interessierte Institutionen weiterzureichen. Die untersuchte ORKB entscheidet nach Erhalt des Gutachtens, ob, in welchem Umfang und in welchem zeitlichen Rahmen sie die Empfehlungen der Peers umsetzen wird. Dabei wird der Umsetzungsdruck hoch sein, wenn die Inhalte des Abschlussberichts in der Öffentlichkeit bekannt sind. Um diesen Druck zu kanalisieren, kann es sinnvoll sein, dass die Peers im Abschlussbericht Vorschläge entwickeln, in welchem Zeitrahmen Empfehlungen umgesetzt werden könnten.44 Es mag Vorschläge geben, die kurzfristig – etwa binnen Jahresfrist – realisiert werden können. Andere erfordern mehr 41 42 43 44

ISSAI ISSAI ISSAI ISSAI

5600, 5600, 5600, 5600,

S. 17 f. S. 18. S. 18 f. S. 18.

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Zeit – möglicherweise mehrere Jahre –, da sie nur schrittweise umgesetzt werden können, vorbereitende Maßnahmen oder sogar gesetzliche Änderungen voraussetzen. Mitunter entscheiden sich die untersuchten ORKB dafür, die Peers nach einer Umsetzungsfrist um einen Follow-up-Bericht zu bitten.45 Ein solches Anschlussgutachten kann bereits im MoU vereinbart werden. Die untersuchte ORKB erhält durch eine zweite Begutachtung nochmalig Unterstützung, um Empfehlungen aus dem Ausgangsbericht umzusetzen. Die Peers können dadurch ihre Vorschläge überdenken und gegebenenfalls anpassen, falls Probleme bei der Realisierung aufgetreten sind oder wesentliche Rahmenbedingungen sich zwischenzeitlich bei der begutachteten ORKB geändert haben. Der Zeitpunkt für eine Anschlussbegutachtung hängt von den Besonderheiten des Einzelfalles ab. Unter Umständen – insbesondere bei schrittweise geplanter Realisierung der Empfehlungen im Abschlussbericht des Peer Reviews – empfiehlt es sich, die Evaluierung ebenfalls in mehreren Tranchen vorzunehmen. 5. Abschließende Betrachtungen Peer Reviews haben sich seit 1999 zu einem verlässlichen Instrument zur Qualitätssicherung und -verbesserung bei der externen Finanzkontrolle etabliert. Zu Recht erfreuen sie sich deshalb bei den Rechnungshöfen weltweit zunehmender Beliebtheit – eine Entwicklung, die sich auch an den Bestrebungen der INTOSAI ablesen lässt, dem Geschehen bei Peer Reviews einen verlässlichen Maßstab zu verleihen. Gehen alle Beteiligten aufrichtig, konstruktiv und auf Augenhöhe miteinander um, sind dem Nutzen eines Peer Reviews praktisch kaum Grenzen gesetzt: Dem untersuchten Rechnungshof liefert der kritische Blick einer oder mehrerer Partnerorganisationen wichtige Erkenntnisse, um etwaige Schwächen abzustellen sowie seine Geschäftsund Tätigkeitsfelder weiterzuentwickeln. Der oder die Peers können aus fremden Fehlern lernen und gute Verfahrensweisen bei sich selber einführen. Der konkrete Ertrag eines Peer Reviews hängt naturgemäß von den vereinbarten Inhalten, der Qualität und Validität der Prüfungsergebnisse sowie – last but not least – dem Umsetzungswillen der Auftrag gebenden ORKB ab. Angesichts all dieser Unwägbarkeiten gilt das, was viele Forscherinnen und Forscher zu sagen pflegen: Peer Reviews sind ein bisschen wie Demokratie – nicht immer perfekt, aber etwas Besseres ist derzeit kaum in Sicht! Sie werden garantiert auch künftig ein gern genutztes und verlässliches Instrument zur Qualitätssicherung bei Rechnungshöfen sein.

45

ISSAI 5600, S. 23 f.

Wer prüft die Prüfer? Michael Luther I. Die Fragestellung „Ich bin nicht taktlos genug, um in diesem öffentlichen Kreis den Herrn Präsidenten Mayer zu fragen, wer nun eigentlich die Rechnungsprüfung für dieses Haus durchführt (…).“1 Im Protokoll der Rede des Bundespräsidenten Theodor Heuss wird während dieses Satzes „Heiterkeit“ vermerkt. Das zeigt, dass der indirekt gestellten Frage wohl eine gewisse Skepsis anhaftete. Da eine spontane Reaktion des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nicht protokolliert ist, soll der folgende Beitrag gewissermaßen eine späte Antwort auf die Fragestellung geben: „Wer prüft die Prüfer?“ II. Historischer Abriss Schon bei Errichtung der General-Rechen-Kammer im Jahr 1714 hatte der Preußische König Friedrich Wilhelm I. verfügt, dass diese Institution „von niemandem anderes als Unser höchsten Person allein dependieren“ solle. Die darin zum Ausdruck kommende Unabhängigkeit von allen übrigen Institutionen der preußischen Verwaltung wurde für die nachfolgende Oberrechnungskammer übernommen. König Friedrich Wilhelm III. bezeichnete diese als „ein selbständiges nur Uns Allerhöchstselbst untergeordnetes Kollegium“.2 Nach dem Übergang in eine konstitutionelle Monarchie legte dann das „Gesetz, betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der OberRechnungskammer (Oberrechnungskammergesetz),“ vom 27. März 1872 in § 1 fest, dass die dem Preußischen König und Deutschen Kaiser Wilhelm I. 1 Auszug aus der Rede von Bundespräsident Theodor Heuss vom 19. November 1953 anlässlich der Einweihung des neuen Dienstgebäudes des Bundesrechnungshofes in Frankfurt am Main, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 24. November 1953, Nr. 224, S. 1858. 2 Klaus Stern, Die staatsrechtliche Stellung des Bundesrechnungshofes und seine Bedeutung im System der Finanzkontrolle, in: Heinz Günter Zavelberg, Die Kontrolle der Staatsfinanzen – Geschichte und Gegenwart – 1714–1989, Festschrift zur 275. Wiederkehr der Errichtung der Preußischen General-Rechen-Kammer, Berlin 1989, S. 44 f.

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unmittelbar untergeordnete, den Ministern gegenüber selbstständige Behörde die Kontrolle des gesamten Staatshaushalts durch Prüfung und Feststellung der Rechnung zu führen hat. Die Oberste Rechnungskontrollbehörde sollte unabhängig von allen geprüften Stellen agieren und die gesamte Reichshaushaltsführung lückenlos überwachen.3 Einem bereits damals bestehenden Postulat der Vollständigkeit der Finanzkontrolle musste sich aber, bei aller Unabhängigkeit, auch die Oberrechnungskammer beugen. Im „Publikandum, betreffend die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden der Preußischen Monarchie, in Beziehung auf die innere Landes- und Finanzverwaltung“4 vom 16. Dezember 1808 hatte König Friedrich Wilhelm III. in Ziffer 29 verfügt, dass die Oberrechenkammer hinsichtlich des Materiellen ihrer Geschäftsführung möglichst unabhängig und selbstständig werden soll und „nur Uns unmittelbar verantwortlich“ bleibt. „In Absicht des formalen Geschäftsbetriebes“ wurde sie allerdings „dem Staatsrath untergeordnet“ und musste „demselben darüber Rechenschaft ablegen“. Die in ihrer Kontrollfunktion weitgehend selbständige Oberrechenkammer sollte also im Hinblick auf den Geschäftsbetrieb dem Staatsrat gegenüber rechenschaftspflichtig sein. Eine Prüfungsbefugnis sah dann auch § 9 Absatz 2 Satz 3 Oberrechnungskammergesetz von 1872 vor: „Die Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungskammer werden von dem Präsidenten derselben revidiert und mit Revisionsbemerkungen den beiden Häusern des Landtages zur Prüfung und Decharge vorgelegt.“ Schließlich wurde diese Zuständigkeitsregelung dann auch in die Reichshaushaltsordnung vom 31. Dezember 19225 übernommen. § 108 Absatz 3 schrieb vor: „Die Rechnungen des Rechnungshofes werden von dessen Präsidenten, dem Reichsrat und dem Reichstag zur Prüfung und Entlastung vorgelegt.“ In der Gesetzesbegründung wurde ergänzend die Notwendigkeit einer gesonderten Entlastung des Rechnungshofes erläutert. Da der Rechnungshof ausdrücklich dem König und nicht der Reichsregierung unterstand, konnte eine der Regierung erteilte Entlastung nicht für den Rechnungshof gelten. Somit brachte die Reichshaushaltsordnung einerseits im Hinblick auf die Entlastung nochmals die Unabhängigkeit der Oberrechnungskammer deutlich zum Ausdruck und gab andererseits Reichsrat und Reichstag das Recht und die Pflicht zur Prüfung des Rechnungshofes. Im aufgezeigten historischen Kontext nahezu unverändert beantworten heute § 47 Absatz 2 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts 3

Vgl. dazu den Beitrag von Alexandra Hissen in dieser Festschrift. Abgerufen im Internet: www.verfassungen.de (Navigation: „Preußen“, „Texte über den Aufbau des Königreichs 1808–1847“). 5 RGBl. II 1923 S. 17 ff. 4

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des Bundes und der Länder (Haushaltsgrundsätzegesetz) bzw. wortgleich für den Bund § 101 Bundeshaushaltsordnung die Frage „Wer prüft die Prüfer?“: Die Rechnung des Bundesrechnungshofes wird von Bundestag und Bundesrat geprüft, die auch die Entlastung erteilen. III. Inhalt und Umfang der Prüfung „Nach der Neufassung des Artikels 114 Grundgesetz ist beim Bund die Zulassung prüfungsfreier Räume nicht mehr statthaft.“6 „Prüfungsfreie Räume wird es im Haushaltsplan künftig nicht mehr geben.“7 Die zwingende Vorgabe, sich einer Finanzkontrolle zu unterziehen, gilt somit nicht nur für Ministerien und die Verwaltungen von Bundestag, Bundesrat und Bundesgerichten, sondern muss auch für den Bundesrechnungshof gelten. Da sich nach der Maxime „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ eine reine Selbstkontrolle ausschließt, kommt auch für den Bundesrechnungshof eine externe Finanzkontrolle zur Anwendung. Sie erfolgt im Rahmen der Prüfung der Rechnung des Bundesrechnungshofes. Nach § 101 Bundeshaushaltsordnung wird die Rechnung des Bundesrechnungshofes von den gesetzgebenden Körperschaften Bundestag und Bundesrat geprüft. Was unter Rechnung zu verstehen ist, formuliert Artikel 114 Absatz 1 Grundgesetz bzw. § 80 Bundeshaushaltsordnung. Die jährliche Rechnungslegung umfasst den Abschluss der Bücher über alle Einnahmen, Ausgaben sowie das Vermögen und die Schulden. Für die formalen Anforderungen an die Gliederung der Haushaltsrechnung, den kassenmäßigen Abschluss, den Haushaltsabschluss, den Abschlussbericht und die beizufügenden Übersichten gelten, wie für die übrige Verwaltung des Bundes, die §§ 81 bis 86 Bundeshaushaltsordnung. Die Rechnung des Bundesrechnungshofes für das jeweilige Haushaltsjahr entspricht dem Abschluss des Einzelplans 20 in der Haushaltsrechnung des Bundes. Eine eigene Vermögensrechnung führt der Rechnungshof nicht, Aktiva und Passiva sind Bestandteil der Vermögensrechnung des Bundes. „Die Rechnungslegung ist Voraussetzung für die Kontrolle der Regierung durch das Parlament und für die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofes“.8 Sie ist somit Prüfungsgegenstand bei der aktiven Prüfung 6 Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG) und über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer BHO zu BT-Drs. V / 4378 und V / 4379, S. 7 Anmerkung zu § 40 Abs. 4 HGrG. 7 Zu BT-Drs. V / 4378 und V / 4379, S. 3 Abschnitt I.6.e. 8 Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung, München Loseblatt Stand: Januar 2013, § 80 BHO Ziff. 2.

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des Bundesrechnungshofes ebenso wie beim passiven Geprüftwerden seiner selbst. Insoweit sind die Vorgaben für den Prüfungsgegenstand von Bundesrechnungshof und Parlament identisch. Gemäß der Aufgabenbeschreibung des Bundesrechnungshofes in Artikel 114 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz erstreckt sich seine externe Finanzkontrolle auf die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung. § 101 Bundeshaushaltsordnung nennt demgegenüber zwar nur die Rechnung des Bundesrechnungshofes als Gegenstand der Prüfung von Bundestag und Bundesrat. Aus dieser Differenzierung ist aber nicht abzuleiten, dass sich die beiden Prüfungen in diesem Bereich unterscheiden. Auch für die Prüfung der Rechnung des Bundesrechnungshofes müssen als Maßstab die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der Mittelverwendung zur Anwendung kommen. Das Haushaltsgesetz muss beachtet werden, der Haushaltsplan muss eingehalten werden, die Einnahmen und Ausgaben müssen begründet und belegt sein, insgesamt muss wirtschaftlich und sparsam mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umgegangen werden. Wenn also die Mittelbewirtschaftung des Bundesrechnungshofes in gleicher Weise der Prüfung unterliegt wie die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, verbleibt die Frage, wie sich die von Artikel 114 Grundgesetz garantierte Stellung des Bundesrechnungshofes als unabhängiges, nur dem Gesetz unterworfenes Organ der staatlichen Finanzkontrolle auf die Prüfung seiner Rechnung auswirkt. Da der Bundesrechnungshof bei seinen Prüfungen und der Bewertung der Sachverhalte unabhängig und weisungsfrei agieren kann, muss sich dieser Teil seiner Tätigkeit einer unmittelbaren fachlichen Kontrolle und Bewertung durch die gesetzgebenden Körperschaften entziehen. „Das Parlament kann nicht die inhaltliche Arbeit prüfen. Diese Begrenzung folgt aus der Prüfungsautonomie des Bundesrechnungshofes und der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit seiner Mitglieder.“9 Somit sind die Kernaufgaben des Bundesrechnungshofes – das Prüfen, Berichten und Beraten – der Prüfung nach § 101 Bundeshaushaltsordnung entzogen. Trotz der dargelegten gesetzlichen Vorgabe, keine prüfungsfreien Räume zuzulassen, bleibt also dieser Bereich der Verwendung öffentlicher Mittel von der parlamentarischen Finanzkontrolle ausgespart. In der Abwägung zwischen Unabhängigkeit und Lückenlosigkeit staatlicher Finanzkontrolle muss berücksichtigt werden, dass neben diversen anderen Aspekten ein Großteil des unbestritten hohen Ansehens und der Integrität des Bundesrechnungshofes auf seiner Prüfungsautonomie und seiner daraus resultieren9

Norbert Dittrich, Bundeshaushaltsordnung (Fn. 8), § 101 BHO Ziff. 4.

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den Glaubwürdigkeit beruht. Auch über den Umweg einer Prüfung und kritischen Bewertung der Prüfungsergebnisse des Rechnungshofes darf weder von der Exekutive noch von der Legislative Einfluss auf die Prüfungsinhalte, die Prüfungsmaßstäbe und die Schlussfolgerungen des Bundesrechnungshofes genommen werden. Nur so wird sichergestellt, dass der Bundesrechnungshof die Finanzkontrolle selbstbestimmt, objektiv und frei von Interessenkonflikten durchführen kann. Indes wirken verschiedene Mechanismen im Sinne eines internen Kontrollsystems. So ist, verfassungsrechtlich normiert, in der Ablauforganisation des Bundesrechnungshofes eine besondere, interne Qualitätssicherung verankert. Der Bundesrechnungshof hat eine Kollegialverfassung. Entscheidungen werden nicht durch Einzelpersonen, sondern durch Kollegien, Senate oder Prüfungsgruppen getroffen. Das Prinzip der Kollegialentscheidung garantiert, dass allen Entscheidungen im Bereich seiner Prüfungstätigkeit ein Vier- oder Mehr-Augenprinzip zugrunde liegt. Es stellt sicher, dass immer mehrere Mitglieder bzw. die Präsidentin / der Präsident und / oder die Vizepräsidentin / der Vizepräsident in die Entscheidungsprozesse eingebunden sind, also eine gegenseitige Kontrolle gewährleistet ist. Im Übrigen sehen die internen Regelungen des Bundesrechnungshofes gerade bei der Berichterstattung an das Parlament ausgeprägte Erörterungs- und Qualitätssicherungsprozesse vor. So werden alle Bemerkungen vom Großen Senat des Bundesrechnungshofes als oberstem Entscheidungsgremium beschlossen. Hervorzuheben sind die Bemühungen des Bundesrechnungshofes, über diese gesetzlich vorgesehenen Verfahren hinaus die internen Steuerungsmöglichkeiten für seine Prüfungsverfahren weiterzuentwickeln. Er hat zu Beginn des Jahres 2013 ein IT-gestütztes Verfahren eingeführt, das den effektiven Einsatz der Ressourcen des Bundesrechnungshofes und die interne Koordinierung erleichtert. Daneben engagiert sich der Bundesrechnungshof seit Längerem, Peer Reviews als Instrument der gegenseitigen Qualitätssicherung bei Finanzkontrollorganen voranzubringen.10 Demselben Ziel, zu einer Verbesserung der Aufgabenerfüllung beizutragen, dienen auch systematische interne Selbstbewertungen (sogenannte Selfassessments), die der Bundesrechnungshof in den vergangenen Jahren durchführte. Dabei nahm er die Unterstützung anderer Rechnungshöfe in Anspruch, die einen fachkundigen und kritischen Blick von außen sicherstellten. Von einem Rechnungshof erwartet man nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern – darüber hinausgehend – einen vorbildlichen Umgang mit öffentlichen Mitteln. Die internationale Gemeinschaft der Rechnungshöfe hat bei ihrem letzten Kongress im Jahr 2010 in Johannesburg festgestellt, dass „sie 10

Vgl. dazu auch den Beitrag von Oliver Sievers in dieser Festschrift.

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nur Vertrauen gewinnen, wenn sie selbst als glaubwürdig, unabhängig und rechenschaftspflichtig beurteilt werden“. Um dies zu ermöglichen, „müssen sie dem Rest des öffentlichen Sektors und dem Berufsstand des Prüfers im Allgemeinen als Vorbild in staatlicher Haushalts- und Wirtschaftsführung, der damit verbundenen Regierungsführung und dem Leistungsmanagement dienen“.11 Die präventive Wirkung eines vorbildlichen Rechnungshofes darf nicht unterschätzt werden. Wie wollte der Bundesrechnungshof glaubwürdig Verschwendungen bei Bundesbehörden aufgreifen und Verbesserungsvorschläge plausibel begründen, wenn bekannt würde, dass er selber die Grundsätze der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung nicht einhielte? Einer derartigen Blamage und einem daraus drohenden Reputationsverlust wirkt neben dem Verantwortungsbewusstsein seiner Mitglieder auch die der Präsidentin / dem Präsidenten direkt unterstellte Innenrevision des Bundesrechnungshofes entgegen. IV. Möglichkeiten einer faktischen Kontrolle Wie dargelegt, bezieht sich die Kontrolle des Bundesrechnungshofes durch Bundestag und Bundesrat auf die Bewirtschaftung der Mittel, nicht auf dessen Prüfungs- und Beratungstätigkeit. Andererseits kann sich der Bundesrechnungshof auch in diesem Bereich einer faktischen externen Bewertung der Qualität seiner Arbeit nicht entziehen. Wir, die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses, befassen uns eingehend mit jeder offenen Bemerkung, die der Bundesrechnungshof gemäß § 97 Bundeshaushaltsordnung dem Bundestag zur Vorbereitung seiner Entscheidung über die Entlastung der Bundesregierung zuleitet. Außerdem werden uns häufig die Berichte des Bundesrechnungshofes an das Parlament gemäß § 99 Bundeshaushaltsordnung über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung vorgelegt. Nicht selten äußert der Haushaltsausschuss zur Unterstützung seiner parlamentarischen Kontrolle der Regierung Beratungswünsche gemäß § 88 Absatz 2 Bundeshaushaltsordnung an den Bundesrechnungshof, die dieser soweit wie möglich aufgreift. Ferner entsendet der Bundesrechnungshof zu den Sitzungen des Haushaltsausschusses und des Rechnungsprüfungsausschusses jeweils einen ständigen Vertreter. Außerdem sind in den Sitzungen des Rechnungsprüfungsausschusses die für einen bestimmten Sachverhalt zuständigen Kollegien des Bundesrechnungshofes vertreten; auf Bitte der Abgeordneten können sie in der Beratung Stellung nehmen und Feststellungen erläutern. 11 Johannesburg-Abkommen vom 27. November 2010 anlässlich des 20. Kongresses der Internationalen Obersten Rechnungskontrollbehörden in Südafrika, abgerufen im Internet: www.incosai.co.za.

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Durch diesen sehr engen Kontakt und Informationsaustausch erhalten wir, die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses, die wir – nicht zu vergessen – gleichzeitig auch Mitglieder des Haushaltsausschusses sind, einen weitreichenden Überblick über die prüferischen Aktivitäten des Bundesrechnungshofes. Gleichzeitig können wir uns ein Bild über den Gehalt und die Validität seiner Feststellungen machen. Insbesondere daran, dass meine Kolleginnen / Kollegen im Ausschuss und ich die Feststellungen des Bundesrechnungshofes ernst nehmen, uns seine Schlussfolgerungen oder Verbesserungsvorschläge in den meisten Fällen zu eigen machen und nach außen vertreten, lässt sich ablesen, dass wir die Ergebnisqualität in dessen eigenverantwortlichem Kompetenzbereich zu schätzen wissen. Würde der Bundesrechnungshof die qualitativen Ansprüche nur unzureichend erfüllen, würden wir Parlamentarier sein Beratungsangebot sicherlich weitaus seltener in Anspruch nehmen. Weitere Blickwinkel dieser Qualitätskontrolle sind die Berichterstattergespräche und die Debatten in den Ausschusssitzungen. Bei diesen Zusammenkünften sind die geprüften Ressorts und Einrichtungen aufgefordert, zu den Ergebnissen der Prüfungen des Bundesrechnungshofes Stellung zu nehmen. Dort muss der Bundesrechnungshof mündlich darstellen, wie und mit welchem Bewertungsschema er seine Bemerkungen begründet. In den häufig kontrovers geführten Beratungen zeigt sich sehr schnell, ob der Bundesrechnungshof umfassend und gründlich ermittelt hat und ob seine Bewertungen etwaigen Einwänden der geprüften Stellen standhalten. Somit können die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses kritisch würdigen, ob der Bundesrechnungshof Sachverhalte solide ermittelt hat, Argumenten der geprüften Stelle genügend Beachtung schenkt und zu plausiblen Schlussfolgerungen kommt. Im Ergebnis unterliegt der Bundesrechnungshof insofern auch im ureigensten Bereich seiner Prüfungsautonomie zumindest de facto einer weiteren externen Qualitätskontrolle. In der Praxis ist festzustellen, dass wir uns als Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses zwar nicht sämtliche Wertungen des Bundesrechnungshofes zu eigen machen, gegebenenfalls stellen wir bestimmte politische Erwägungen über die vom Bundesrechnungshof angestellten wirtschaftlichen Überlegungen, uns in aller Regel aber den Bewertungen des Bundesrechnungshofes anschließen, was unsere hohe Wertschätzung seiner Arbeitsergebnisse beweist. Dies zeigt sich auch im Haushaltsverfahren. Dort steht der Haushaltsausschuss bei der Beratung des Einzelplans 20 im Spannungsfeld zwischen eigener Budgetkompetenz und Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes. Grundsätzlich werden die Voranschläge im Entwurf des Haushaltsplans im Ausschuss unverändert beschlossen.

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V. Ablauf der Prüfverfahren Etwa im April des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres legt die Präsidentin / der Präsident des Bundesrechnungshofes dem Bundestag die Rechnung für das abgelaufene Jahr mit der Bitte vor, die Entscheidung über die Entlastung herbeizuführen. Das Parlament überweist den Antrag zur Beschlussvorbereitung an den Haushaltsausschuss. Dieser delegiert die Ausführung der Prüfung nach § 101 Bundeshaushaltsordnung an seinen Unterausschuss, den Rechnungsprüfungsausschuss. Im Rechnungsprüfungsausschuss wird für diese Aufgabe eine Prüfungskommission, bestehend aus der oder dem Ausschussvorsitzenden und den Obleuten der Fraktionen, gebildet. Die Rolle des Leiters fällt dabei nicht mir als Vorsitzendem des Rechnungsprüfungsausschusses, sondern dem für den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof – fachlich zuständigen Berichterstatter zu. Da aus Kapazitätsgründen keine Vollverwaltungsprüfung möglich ist, findet die Prüfung mit jährlich wechselnden Schwerpunkten statt. Im Vorfeld der Prüfung bestimmen die Mitglieder der Prüfungskommission die Themenschwerpunkte. Hierbei orientieren sie sich zum einen an aktuellen Gegebenheiten. Hierfür kommen zum Beispiel Baumaßnahmen, organisatorische Umstrukturierungen oder Veränderungen im Stellenplan in Frage. Auch die zurückliegenden Haushaltsverhandlungen, in denen der Bundesrechnungshof konzeptionelle Neuerungen oder Restrukturierungsmaßnahmen angekündigt hatte, bieten Anhaltspunkte für Prüfungsthemen. Zum anderen können Auffälligkeiten, die der Rechnungshof bei seinen Prüfungen in der Bundesverwaltung festgestellt hat, Anhaltspunkte für die Prüfung des Bundesrechnungshofes selbst liefern. Typische Fehler in Ausschreibungsverfahren der Bundesministerien können beispielsweise den Mitgliedern der Prüfungsgruppe Anlass geben, hierzu die Verfahrensweise des Bundesrechnungshofes zu hinterfragen. Ähnliches gilt für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsberechnungen oder Personalbemessungsanalysen. Auch die Funktionsweise des internen Kontrollsystems und der Einsatz der Innenrevision des Bundesrechnungshofes können Prüfungsthema sein. Rechnungslegung, Haushaltsvollzug und die Personalentwicklung sind regelmäßig Themen jeder Prüfung. Hierzu gehören die Einhaltung von Haushaltsauflagen, Haushaltsüberschreitungen in Form von über- oder außerplanmäßigen Ausgaben, die Bildung und Bewirtschaftung von Ausgaberesten und die Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen sowie organisatorische Strukturen und Abläufe im Bereich der Verwaltung. Im Übrigen wird versucht, kurzfristige Wiederholungen bei den Prüfungsinhalten zu vermeiden, sofern nicht die Erkenntnisse zurückliegender Prüfungen eine spätere Nachprüfung erforderlich machen. In den letzten Jahren hat der Rechnungsprüfungsausschuss unter anderem folgende Schwerpunkte für seine Prüfungen des Bundesrechnungshofes ausgewählt:

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– neue Instrumente der Prüfungsplanung und -steuerung, – Personalgewinnung, Fortbildungskosten, Beurlaubungen, Frühpensionierungen, – Beschaffungswesen, Vergabepraxis, – Einsatz von Dienstkraftwagen, private Nutzung, – Öffentlichkeitsarbeit des Bundesrechnungshofes, – Fortschritte bei der Reorganisation des Bundesrechnungshofes, – Arbeitsweise der Innenrevision, – Liegenschaftsmanagement und – internationale Aktivitäten des Bundesrechnungshofes. Nach der Auswahl der Schwerpunkte für die anstehende Prüfung werden die Themen und übergreifenden Fragestellungen dem Bundesrechnungshof angekündigt. Dieser hat daraufhin Gelegenheit, die Themen schriftlich aufzubereiten, Unterlagen bereitzustellen und von den Prüfern gewünschtes Datenmaterial, wie zum Beispiel Ist-Daten, Kennzahlen oder Entwicklungsprognosen zu berechnen und gegebenenfalls tabellarisch oder graphisch aufzubereiten. Die eigentliche Prüfung des Bundesrechnungshofes erfolgt im April oder Mai in der Hauptverwaltung des Bundesrechnungshofes in Bonn. Üblicherweise geben die Präsidentin / der Präsident des Bundesrechnungshofes oder die zuständige Abteilungsleiterin / der zuständige Abteilungsleiter der Prüfungskommission zu den ausgewählten Prüffeldern einen ersten Überblick. Anschließend stellen der Berichterstatter für den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof – sowie die übrigen Prüferinnen / Prüfer ihre tiefergehenden Nachfragen. Zu besonderen Details stehen insbesondere die Referatsleiterinnen / Referatsleiter der Präsidialabteilung und weitere Fachleute Rede und Antwort. Zudem sind wir Abgeordneten – wie der Bundesrechnungshof bei seinen Prüfungen – berechtigt, jede Auskunft zu verlangen und uns alle Unterlagen vorlegen zu lassen. Nicht selten verlangen meine Kolleginnen / Kollegen und ich zusätzliche Übersichten oder Berichte zu den angesprochenen Prüffeldern. Der Bundesrechnungshof ist dann gehalten, diese Informationen kurzfristig zu erstellen und dem Ausschuss vorzulegen. Bei Beanstandungen hat der Bundesrechnungshof Gelegenheit zur Stellungnahme. Es kann auch vereinbart werden, dass die Umsetzung einzelner Hinweise, der Erfolg bestimmter Maßnahmen oder das Ergebnis laufender Entwicklungen anlässlich der Prüfung im Folgejahr überprüft werden werden. Über das Ergebnis der Prüfung der Rechnung des Bundesrechnungshofes fertigt die Leiterin / der Leiter der Prüfungskommission einen Prüfungsver-

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merk an. Hierin werden Prüfinhalte und Prüfergebnisse festgehalten. Der Vermerk schließt mit der Bewertung, ob dem Bundesrechnungshof für die Rechnung des jeweils geprüften Haushaltsjahres Entlastung erteilt werden kann oder nicht. Hierzu ist anzumerken, dass in den zurückliegenden Jahren regelmäßig ein positives Testat erteilt wurde. In der Regel im Juni wird dann der Antrag der Präsidentin / des Präsidenten des Bundesrechnungshofes auf Erteilung der Entlastung für das abgelaufene Haushaltsjahr auf die Tagesordnung der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses gesetzt. Die / der Vorsitzende der Prüfungskommission berichtet im Ausschuss über die Inhalte und Ergebnisse der Erhebungen vor Ort und beantwortet ergänzende Fragen der übrigen Ausschussmitglieder. Abschließend empfiehlt er, dem Haushaltsausschuss vorzuschlagen, dem Bundesrechnungshof für die Rechnung des vergangenen Haushaltsjahres Entlastung zu erteilen. Daraufhin beschließt der Ausschuss – grundsätzlich einvernehmlich – folgende Empfehlung an das Plenum des Bundestages: „Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundesrechnungshof ist mit der Vorlage der Rechnung für das Haushaltsjahr xxxx auf Drucksache xx / xxxx seiner Verpflichtung nach § 101 der Bundeshaushaltsordnung nachgekommen. 2. Für die vorbezeichnete Rechnung wird gemäß § 101 der Bundeshaushaltsordnung Entlastung erteilt.“ In aller Regel nimmt der Haushaltsausschuss diese Beschlussempfehlung ohne Aussprache einvernehmlich an. Auch das Plenum des Deutschen Bundestages beschließt auf dieser Grundlage ohne Debatte, dem Bundesrechnungshof für die Rechnung des vergangenen Jahres Entlastung zu erteilen. Mit einem gleichgerichteten Beschluss des Bundesrates, der seinerseits die Beschlussvorbereitung seinem Finanzausschuss zuweist, der jedoch keine eigenen örtlichen Erhebungen durchführt, ist die Prüfung der Rechnung des Bundesrechnungshofes abgeschlossen. Die Entlastung bildet den formalen Abschluss des Haushaltsverfahrens, das im Bundestag mit der ersten Lesung des Bundeshaushaltsgesetzes rund zwei Jahre vorher begonnen hatte. Die Entlastung selbst hat keine unmittelbar rechtliche Auswirkung. Sie ist eher ein deklaratorischer Akt mit politischer Wirkung. Sie zeigt, dass sich Bundestag und Bundesrat mit der Rechnung und dem Haushaltsvollzug des Bundesrechnungshofes auseinandergesetzt haben. Andererseits darf man bei diesem Abschluss der Prüfung des Bundesrechnungshofes nicht unterschätzen, was es bedeuten würde, wenn dem Bundesrechnungshof die Entlastung verweigert würde. Die Außenwirkung für den Bundesrechnungshof, der mangels eigener Sanktionsmöglichkeiten bei seiner Arbeit auf den hohen Grad seiner Reputation und

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Integrität angewiesen ist, wäre verheerend. Wer würde den Empfehlungen einer Prüfungsinstanz folgen, die die Grundsätze von Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit selber nicht befolgte? VI. Zusammenfassung Der Grundsatz der Vollständigkeit der parlamentarischen Rechnungskontrolle macht auch vor dem Bundesrechnungshof nicht halt. Gemäß § 101 Bundeshaushaltsordnung wird die Rechnung des Bundesrechnungshofes durch den Bundesrat und den Bundestag geprüft. Der Bundesrechnungshof muss sich, soweit er Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, nach den gleichen Maßstäben wie eine Bundesbehörde prüfen lassen. Dies ist Ausdruck seiner Einbindung in die lückenlose parlamentarische Finanzkontrolle. Das Prüfungsrecht gibt den gesetzgebenden Körperschaften aber nicht die Möglichkeit einer sachlichen Einwirkung auf die Prüfungstätigkeit und die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes. Die verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofes wird somit nicht beeinträchtigt. In seinen Kernaufgaben Prüfen, Berichten und Beraten bleibt das Organ der Finanzkontrolle weisungsfrei. Die Qualität seiner Aufgabenerfüllung und Kompetenzwahrnehmung wird vorrangig durch das System der Kollegialentscheidungen und interne Qualitätssicherungsmaßnahmen gewährleistet. Da der Bundesrechnungshof seine Erkenntnisse nicht gegen den Widerstand der geprüften Stellen durchsetzen kann, muss er vor allem mit seinen Argumenten überzeugen. In der überwiegenden Zahl der Prüfungen gelingt ihm dies unmittelbar im Verfahren mit der geprüften Stelle. Weigert sich eine Verwaltung, berechtigte und angemessene Empfehlungen umzusetzen, muss der Bundesrechnungshof die Mitglieder des Deutschen Bundestages bzw. des Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschusses für sich gewinnen. Diese haben somit die Gelegenheit, sich während der Beratungen in den Ausschusssitzungen ein detailliertes Bild über Art und Weise der Prüfungs- und Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes zu machen und gegebenenfalls die Bewertungen des Bundesrechnungshofes zu hinterfragen. Der auf diese Weise ausgeübte Druck zur Qualitätssicherung ist keinesfalls zu unterschätzen. Die eigentliche Prüfung nach § 101 Bundeshaushaltsordnung erfolgt durch eine fraktionsübergreifende Kommission der Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses, eines Unterausschusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Die Prüfer führen Erhebungen beim Bundesrechnungshof vor Ort durch. Prüfinhalte sind Haushaltsvollzug, Rechnungslegung und Personalentwicklung sowie weitere, wechselnde Schwerpunktthemen. Prüfkriterien sind Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Das Ergebnis der „Prüfung der Prüfer“ fasst der Rech-

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nungsprüfungsausschuss in einer Beschlussempfehlung an den Haushaltsausschuss über die Entlastung des Bundesrechnungshofes wegen der Rechnung des vergangenen Jahres zusammen. Die abschließende Entlastung erteilt dann das Plenum des Deutschen Bundestages. Um auf den Ausgangspunkt der Fragestellung „Wer prüft die Prüfer?“ zurückzukommen, kann ich abschließend feststellen, dass der Bundesrechnungshof als Organ der Finanzkontrolle nicht ungeprüft bleibt, sondern selbst der parlamentarischen Finanzkontrolle unterworfen ist.

Kompetenzen von Prüferinnen, Prüfern und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes Lars Friege I. Einleitung Der Erfolg des Bundesrechnungshofes und seiner Prüfungsämter hängt wesentlich davon ab, wie kompetent und leistungsfähig seine Prüferinnen und Prüfer sind. Deswegen soll es in diesem Beitrag um die Menschen hinter den Prüfungen gehen. Welche Qualifikationen und Kompetenzen sind notwendig, um erfolgreich prüfen zu können? Für das Personalmanagement des Bundesrechnungshofes sind damit die Fragen verbunden, wie kompetentes Personal gewonnen werden kann und wie es darin unterstützt werden kann, über die gesamte Lebensarbeitsphase seine Leistungsfähigkeit zu erhalten. Daher werden hier auch wesentliche Personalentwicklungsmaßnahmen vorgestellt. Neben den neun Prüfungsabteilungen und den ihnen zugeordneten Sachgebieten in den sieben Prüfungsämtern des Bundes gibt es die Präsidialabteilung für die eigene Verwaltung mit den Referaten Personal, Organisation und Haushalt, Innerer Dienst, Justiziariat, internationale Angelegenheiten, Presse, Informationstechnik sowie Fortbildung und Personalentwicklung. In den Prüfungsämtern erledigen die Geschäftsstellen diejenigen internen Verwaltungsaufgaben, die nicht zentral in Bonn bearbeitet werden. Das Verhältnis von Prüfungspersonal zu Verwaltungspersonal beträgt etwa 80 zu 20. Auch wenn in Ausnahmefällen Personal direkt für die eigene Verwaltung gewonnen wird, so ist ein Wechsel zwischen der Präsidialabteilung und den sogenannten Hofabteilungen üblich. Die Ausführungen zu den Prüferinnen und Prüfern gelten daher mit kleinen Ausnahmen auch für die Beschäftigten der Präsidialabteilung. In der Literatur finden sich wenige Ausführungen zum Prüfungspersonal. Sofern vorhanden, werden diese erwähnt, um Entwicklungen in der Personalpolitik aufzuzeigen. Im Wesentlichen soll hier jedoch der aktuelle Stand abgebildet werden.

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II. Kompetenzen von Prüferinnen und Prüfern Bewusst ist hier von Kompetenzen die Rede. Nicht umfangreiches Wissen oder Qualifikationen alleine befähigen zum Prüfen. Sie sind wichtige Voraussetzungen. Kompetenzen gehen darüber hinaus: „Kompetenzen sind Fähigkeiten von Handelnden, sich in offenen und unüberschaubaren komplexen und dynamischen Situationen selbst organisiert zurechtzufinden (Selbstorganisationsdispositionen)“.1 Diese Definition weist auf die Handlungsorientierung hin und geht in diesem entscheidenden Punkt über Wissen, Methoden und Qualifikationen etc. hinaus. Jeder kennt hoch qualifizierte Leute, die dennoch inkompetent sind. Erfolgreiche Prüferinnen und Prüfer müssen im beruflichen Handeln kompetent sein. Hervorragende Qualifikationen und umfangreiches Wissen sind dafür notwendige, jedoch nicht ausreichende Voraussetzungen. Herbert Peucker hat dies bereits 1952 auf den Punkt gebracht: „Für die Qualifikation der Prüfungsbeamten gilt folgendes: Diese sind bei der Rechnungsprüfung verhältnismäßig selbstständig. Auch müssen sie das Gebiet der Verwaltung, in dem sie zu prüfen haben, gut kennen. Sie müssen umfassendere Kenntnisse als ein Expedient in den Ministerien besitzen und besonders gut in allen Fragen des Kassenund Rechnungswesens und der Haushaltsführung bewandert sein. Das Herausfinden der Fehler in der Bewirtschaftung von in die Milliarden gehenden Haushaltsmitteln verlangt viel Erfahrung und schnelles Zurechtfinden in fortwährend wechselnden Tatbeständen.“2 Nach dem Modell von John Erpenbeck werden folgende Kompetenzbereiche – ergänzt um eine ethische Basis – unterschieden: – fachlich-methodische Kompetenzen, – personale Kompetenzen, – sozial-kommunikative Kompetenzen, – aktivitätsbezogene Kompetenzen, – Basis: ethische Grundhaltung und Verhalten. Welche konkreten Kompetenzen in diesen Bereichen benötigen Prüferinnen und Prüfer, um ihre Aufgaben optimal und damit erfolgreich erfüllen zu 1 John Erpenbeck / Volker Heyse, Die Kompetenzbiographie – Strategien der Kompetenzentwicklung durch selbstorganisiertes Lernen und multimediale Kommunikation, Münster u. a. 1999; zitiert nach: Annette Kuhlmann / Werner Sauter, Innovative Lernsysteme: Kompetenzentwicklung mit Blended Learning und Social Software, Kapitel 3: Kompetenzentwicklung – mehr als Wissensvermittlung und Qualifizierung, Berlin 2008. 2 Herbert Peucker, Grundlagen neuzeitlicher Finanzkontrolle, Göttingen 1952, S. 128.

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können? Traditionell setzen Personalauswahl und -entwicklung ebenso wie Vorgesetzte auf die Fach- und Methodenkompetenz. Das ist verständlich, da die besten personalen und sozial-kommunikativen Kompetenzen ohne Sachverstand und Methodenkenntnis zu keiner guten Leistung führen können. Umgekehrt verhält es sich jedoch nicht anders. Fachlich und methodisch überragende Prüferinnen und Prüfer haben weniger Erfolg, wenn sie sich sozial ungeschickt verhalten oder persönlich ungeeignet sind. Solche Defizite mindern zudem häufig auch die Leistung der darunter leidenden Kolleginnen und Kollegen, umso mehr, wenn Führungsverhalten davon geprägt ist. Eine ausgewogene Befähigung in den vier genannten Kompetenzbereichen steht daher im Fokus von Personalauswahl und -entwicklung. Diese Ausführungen gelten auch für die Mitglieder des Bundesrechnungshofes. Ausnahmslos wurden in den letzten Jahren Prüfungsgebietsleitungen an besonders verdiente und hoch qualifizierte Prüferinnen und Prüfer des Bundesrechnungshofes vergeben. Mitglieder sowie Prüferinnen und Prüfer müssen für eine erfolgreiche Prüfung eng zusammenarbeiten: „Die Mitglieder treffen die Entscheidungen des Rechnungshofes aufgrund der Erhebungen und Feststellungen der Prüfungsbeamten. Gelingt es diesen nicht, die zu beanstandenden Sachverhalte beweiskräftig ausfindig zu machen und darzustellen, dann fehlt es den Mitgliedern an Stoff, über den sie entscheiden sollen. Beide Funktionen ergänzen sich daher und sind gleich bedeutungsvoll; keine kann sinnvoll ohne die andere wahrgenommen werden.“3 1. Fachlich-methodische Kompetenzen Sie ermöglichen es, schwierige Probleme unter Rückgriff auf fachliches und methodisches Wissen lösen zu können. Ausgeprägtes Fachwissen steht seit jeher hoch im Kurs bei der externen Finanzkontrolle. Das Spektrum der Prüfungen ist groß. Die Prüfungen gehen weit über die unmittelbare Bundesverwaltung hinaus. So prüft der Bundesrechnungshof auch die Verausgabung von EU-Mitteln oder die Auftragsverwaltung des Bundes in Landes- und Kommunalbehörden (z. B. bei Steuern und beim Kindergeld). Das Wissen über den Prüfungsgegenstand, die geprüften Stellen, die Erhebungsstellen und deren Aufgaben einschließlich des zugrunde liegenden Rechtsrahmens sind zwingend erforderliche Kenntnisse. Überwiegend sind zudem vertiefte Kenntnisse der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sowie besonderer technischer Berufe (insbesondere im Baubereich) und der jeweiligen Verwaltung gefragt. Über allgemeine Fachkenntnisse müssen alle im Prüfdienst Beschäftigten verfügen, insbe3 Peter Mayer, Die Erfolgskontrolle von Subventionen durch die Rechnungshöfe, Frankfurt am Main 2001, S. 65.

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sondere im Haushaltsrecht, in der Verwaltungsorganisation und in der Prüfungsordnung. Hinzu treten sehr spezifische Kenntnisse und Erfahrungswissen aus besonderen Bereichen, z. B. dem Vergaberecht, dem Zuwendungsrecht, dem Personal- und Versorgungsrecht, besonderer IT-Systeme und vieles vieles mehr. Die inhaltlichen Anforderungen sind abhängig vom Prüfungsbereich und können bei der skizzierten Breite des Aufgabenspektrums sehr unterschiedlich sein. Daher müssen sich hier die Ausführungen auf die allgemeinen, d. h. für alle notwendigen, Kompetenzen beschränken. Methodische Kompetenzen sind ein gutes Urteilsvermögen, Fleiß und die Fähigkeit zum konzeptionellen sowie systematisch-methodischen Arbeiten. Auch Fertigkeiten in der Arbeitsorganisation und im Zeitmanagement lassen sich hier einordnen. Im Speziellen umfassen die methodischen Kompetenzen die verschiedenen Prüfungsarten der Finanzkontrolle: Die Ordnungsmäßigkeits- und die Wirtschaftlichkeitsprüfung, wobei der Bundesrechnungshof in der Regel einen integrierten und umfassenden Prüfungsansatz verfolgt; er berücksichtigt zumeist Fragen der Ordnungsmäßigkeit und der Wirtschaftlichkeit in einer Prüfung. Hierneben gibt es noch – als dritte Prüfungsart – die Rechnungs-, Beleg- und Abschlussprüfungen („financial audit“), die von hierfür spezialisierten Prüferinnen und Prüfern wahrgenommen werden. Nicht zuletzt gehört in den Bereich der Methodenkompetenz auch die Beherrschung der besonderen Informationstechnologie zur Recherche, Textverarbeitung und Datenanalyse. Zudem kann die Fähigkeit zu computerunterstütztem Prüfen unter Anwendung spezieller Analysesoftware notwendig sein. Eine Besonderheit neben semantisch abbildbarem Wissen ist der Bedarf des Bundesrechnungshofes an Erfahrungswissen über Verfahren, Abläufe, Zuständigkeiten und Abweichungen von dokumentierten Regeln in den geprüften Stellen sowie den Erhebungsstellen. Dieses Wissen erlaubt oft erst die entscheidenden Ansatzpunkte für angeregte Verbesserungen im Beratungsprozess. 2. Sozial-kommunikative Kompetenzen Sie beziehen sich auf die Beziehung zu anderen. Sozial-kommunikative Kompetenzen erlauben, auf eigenes Betreiben mit anderen angemessen zu kommunizieren, zu kooperieren und sich auseinanderzusetzen. Prüferinnen und Prüfer müssen Gesprächsstrategien, nonverbale Signale, Argumentationen und Metakommunikation erkennen und benutzen können und sich selbst trotz zum Teil persönlicher Angriffe so steuern können, dass sie nicht aus der Rolle fallen. Sie benötigen insbesondere bei örtlichen Erhebungen ausgeprägte soziale und kommunikative Kompetenzen. Eröff-

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nungs- und Abschlussgespräche erfordern beispielsweise Fertigkeiten in den Bereichen mündlicher Ausdruck, Präsentation, Argumentation, Umgang mit Konflikten und ablehnendem und unkooperativem Verhalten. Während der örtlichen Erhebungen sollen sie im Verhältnis zu den Beschäftigten der Erhebungsstellen oder der geprüften Stelle einerseits Distanz (zur Wahrung der Neutralität) und Seriosität wahren, andererseits eine möglichst kooperative Arbeitsbeziehung realisieren. Die Prüfenden moderieren das Eröffnungsgespräch, stellen und beantworten Fragen und erreichen mit Verhandlungsgeschick eine gute Kooperation. In Abschlussgesprächen präsentieren und verteidigen sie die Sachverhaltsdarstellungen und Wertungen. Von Prüferinnen und Prüfern wird erwartet, dass sie gegenüber der geprüften Stelle sicher, sachlich und angemessen bestimmt auftreten. Auch sind Stellungnahmen gegenüber der geprüften Stelle erforderlich, jedoch ohne das Kollegialprinzip aus den Augen zu verlieren. Die Entscheidungen des Bundesrechnungshofes treffen nämlich die Kollegien aus Prüfungsgebiets- und Abteilungsleitung, (als sogenannte Zweierkollegien) gegebenenfalls unter Hinzuziehung des Präsidenten bzw. Vizepräsidenten (als sogenannte Dreierkollegien).4 Nicht zuletzt beraten Prüferinnen und Prüfer die geprüften Stellen, wie die Veränderungsvorschläge umgesetzt werden können. Weitere grundlegende Kompetenzen sind neben guten Umgangsformen Pflichtgefühl, Gewissenhaftigkeit, Problemlösefähigkeit und die Fähigkeit zum Verständnis anderer. Teamfähigkeit ist erforderlich, weil Prüfungen oft von mehreren Beschäftigten durchgeführt werden und immer in der Zusammenarbeit mit dem Kollegium entstehen. Eine besondere, definitiv erfolgskritische Kompetenz von Prüferinnen und Prüfern ist das Schreiben. Nicht jeder, der sich mündlich auszudrücken weiß, kann gute Texte schreiben. Einigen Prüferinnen und Prüfern fällt es trotz Trainings und Erfahrung über Jahre schwer, strukturierte, gut verständliche und präzise Texte zu verfassen. Die Kernprodukte des Bundesrechnungshofes sind jedoch schriftlich: Prüfungsmitteilungen an die geprüften Stellen, Bemerkungen sowie Berichte an das Parlament, den Bundesrat und die Bundesregierung (nach § 88 und § 99 Bundeshaushaltsordnung). Alle Texte müssen sinnvoll gegliedert sein; dazu müssen die Informationen den einzelnen Abschnitten und Kapiteln systematisch zugeordnet werden. Der Anspruch an die Texte ist so hoch, da sie überwiegend kritische Inhalte haben und deswegen von den Adressaten genau beäugt werden. Naheliegende Strategie des Bundesrechnungshofes ist es, durch verständliche und inhaltlich korrekte Texte zu überzeugen. Ist der dargestellte Sachverhalt an4

Vgl. dazu den Beitrag von Patrick Schröter in dieser Festschrift.

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greifbar, werden Adressaten den Würdigungen kaum Beachtung schenken. Zudem würde die Glaubwürdigkeit des Bundesrechnungshofes insgesamt leiden. Dabei wird erwartet, dass Prüferinnen und Prüfer ihre schriftlichen Produkte der Prüfungsgebietsleitung erst dann übergeben, wenn sie selbst von der Qualität des Produktes überzeugt sind. Auch dann müssen Prüferinnen und Prüfer freilich mit Änderungen an diesen Produkten gelassen und professionell umgehen. Die manchmal sehr anstrengenden Überarbeitungszyklen fordern das Team aus Prüferinnen, Prüfern und Vorgesetzten auf dem Weg zu einem qualitativ hochwertigen, unangreifbaren Produkt heraus. 3. Personale Kompetenzen Sie beziehen sich auf die eigene Person und erlauben, „sich selbst gegenüber klug und kritisch zu sein“ sowie produktive Einstellungen, Werthaltungen und Ideale zu entwickeln. Das Abfassen von Prüfungskonzepten, -vermerken und -mitteilungen sowie weiterführenden Berichten erfordert eigenständiges und konzentriertes Arbeiten „im stillen Kämmerlein“ ohne übermäßige Ablenkung. Die Befähigung zur Organisation der eigenen Arbeit und zu einem effizienten Selbstund Zeitmanagement ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung, um erfolgreich beim Bundesrechnungshof arbeiten zu können. Gerade dadurch, dass wenige Arbeitsschritte konkret vorgegeben sind, sind eine selbstständige Steuerung und ein Strukturieren der Arbeit besonders wichtig, ohne dass es einer stetigen Hilfe oder Bestätigung Dritter bedarf. Anerkennung für die eigene Arbeit ist für alle Menschen sehr wichtig. Prüferinnen und Prüfern wird diese Anerkennung jedoch gerade in den Erhebungsphasen und im Verhältnis zur geprüften Stelle seltener als angemessen gezollt. Die eigene Motivation erhalten zu können, ist schon wichtig, weil die Geprüften naturgemäß selten loben und trotz überzeugender Argumentationen oder Beratung teilweise an ihren kritikwürdigen Vorgehensweisen festhalten. Prüferinnen und Prüfer müssen sich deshalb immer wieder selbst motivieren und aufrichten können. Hier kommen einem guten Team und dem Führungsverhalten der Vorgesetzten tragende Rollen zu. Disziplin, Zuverlässigkeit und Loyalität sind wichtige Eigenschaften. Sie werden optimal ergänzt durch eine ausgeprägte Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung. Kritik- und Reflexionsfähigkeit – sowohl durch eigene wie durch fremde Anregung – bilden die Basis für lebenslanges Lernen und Verbessern der eigenen Kompetenzen. Selbstbeherrschung ist überall dort wichtig, wo es nicht rund läuft, wenn Kritik, persönliche An-

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griffe oder Enttäuschungen (z. B. bei Erfolglosigkeit) hingenommen werden müssen. Eine der wichtigsten Eigenschaften von Prüferinnen und Prüfern sollte darüber hinaus eine ausgeprägte Veränderungsbereitschaft und Lernfähigkeit sein. Notwendig ist die stetige Anpassung der Fach- und Methodenkompetenz aufgrund von organisatorischen Änderungen bei den Erhebungsstellen, den geprüften Stellen oder im Geschäftsbereich des Bundesrechnungshofes. Gleiches gilt bei neuen politischen Entscheidungen, Änderungen der Prüfungsphilosophie, Fortschritten des Fach- und Methodenwissens, Aufgabenwechsel und vielem mehr. Peter Mayer schreibt dazu: „Die Prüfungstätigkeit erfordert es, sich auf ständig wechselnde Prüfungsthemen und Sachverhalte einzustellen, und sie verlangt, die Fähigkeit, neue Prüfungsmethoden und Prüfungsmaßstäbe entsprechend den sich laufend wandelnden Prüfungsgegenständen und -aufgaben entwickeln zu können.“5 4. Aktivitäts- und handlungsorientierte Kompetenzen Sie integrieren die drei anderen Kompetenzbereiche in der willensstarken und aktiven Umsetzung. Verschiedene konkrete Kompetenzen sind für erfolgreiches, prüferisches Handeln notwendig. Entscheidungsfähigkeit ist vor Ort, aber auch im Abwägungsprozess beim Verfassen der Prüfungsmitteilungen erforderlich. Prüfende dürfen bei Widerständen nicht zu früh wichtige Gesichtspunkte aufgeben. Neugierde und Prüferinstinkt führen neben Beharrlichkeit zu guten Erhebungsergebnissen. Schlagfertigkeit in der Auseinandersetzung hilft, die Prüfungsziele zu erreichen. Voraussetzung dafür sind Tatkraft und die Fähigkeit zur Selbststeuerung sowie physische und psychische Belastbarkeit. Zu diesem Kompetenzbereich gehört auch das Talent, Menschen informell und formell zu führen. 5. Ethische Grundhaltung Die genannten Kompetenzen können nur auf der Basis einer demokratischen Grundüberzeugung und Gemeinwohlorientierung sowie einer klaren ethischen Grundhaltung der Prüferinnen und Prüfer fruchtbar werden. Die Internationale Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI)6 hat 1998 einen Pflichten- und Verhaltenskodex, den sogenann5

Peter Mayer, Erfolgskontrolle (Fn. 3), S. 62. Die INTOSAI (International Organization of Supreme Audit Institutions) ist die Vereinigung der Obersten staatlichen Rechnungskontrollbehörden, der fast alle Rechnungshöfe weltweit angehören. 6

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ten ISSAI 30,7 mit allgemeinen Grundsätzen für ethisch verantwortungsvolles Handeln von Prüferinnen und Prüfern Oberster Rechnungskontrollbehörden beschlossen.8 Auch beim Bundesrechnungshof handelt es sich um eine solche Oberste Rechnungskontrollbehörde, da es in Deutschland keine über ihm stehende staatliche Rechnungskontrolleinrichtung gibt. Prüferinnen und Prüfer, die sich entsprechend dieses Kodexes der INTOSAI verhalten, tragen dazu bei, dass die Oberste Rechnungskontrollbehörde als glaubwürdig, verlässlich und vertrauenswürdig angesehen wird. Ziel ist es, dass das Verhalten der Prüferinnen und Prüfer unter allen Umständen über jeden Verdacht und Vorwurf erhaben sein sollte. Der Kodex richtet sich an die Prüferinnen und Prüfer, an die Führungskräfte der Obersten Rechnungskontrollbehörde sowie an sonstige Personen, die in ihrem Namen tätig werden. Die vier Grundsätze lauten: a) Integrität Integrität ist der zentrale Wert des Pflichten- und Verhaltenskodexes. Integrität verlangt Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Prüferinnen und Prüfer und wird gefasst als das, „was richtig und gerecht ist“. Dabei müssen die Prüferinnen und Prüfer sowohl ethische als auch prüferische Normen kennen, anwenden und leben. b) Unabhängigkeit, Objektivität und Unparteilichkeit Prüferinnen und Prüfer müssen gegenüber den geprüften Stellen und anderen Interessengruppen unabhängig sein, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Der Kodex verlangt, dass Prüferinnen und Prüfer jedwede Einflussnahme und auch deren Anschein vermeiden. Aufgaben, an denen sie ein privates und persönliches Interesse haben oder die sie nicht objektiv – frei von persönlichen Urteilen – betrachten können, sollten sie nicht wahrnehmen. Prüferinnen und Prüfer sollten politisch neutral bleiben. Wenn es ihnen – wie in Deutschland – national erlaubt ist, politisch tätig zu sein, sollten sie dieses Engagement kritisch in Bezug auf ihre Tätigkeit reflektieren und Interessenkollisionen vermeiden. Jegliche Interessenkonflikte sollten sie 7 Die ISSAI (International Standards of Supreme Audit Institutions) umfassen Regeln, auf die sich die Obersten Rechnungskontrollbehörden innerhalb der INTOSAI verständigt haben. Jeder dieser Grundsätze trägt eine Nummer. Die ISSAI sind im Internet unter www.intosai.org (Navigation: „ISSAI Executive Summaries“) abrufbar. 8 Vgl. dazu auch die Beiträge von Hubert Weber und Christine Rabenschlag in dieser Festschrift.

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ausschließen, um unabhängig prüfen zu können. Dazu gehört auch das Verbot der Annahme von Geschenken, Zuwendungen und Vorteilen jeder Art. c) Berufliche Verschwiegenheit Prüferinnen und Prüfer dürfen Informationen – egal ob mündlich oder schriftlich – nur im Rahmen der für die jeweilige Oberste Rechnungskontrollbehörde geltenden Regeln weitergeben. d) Fachkompetenz Prüferinnen und Prüfer sollen sich professionell verhalten und die hohen fachlichen Standards beachten. Dazu müssen sie ihre Fachkompetenz ständig aktualisieren und erweitern. Aufgaben, für die sie fachlich nicht kompetent sind, dürfen sie nicht übernehmen. Die von INTOSAI ausführlich dargestellten Anforderungen an das Verhalten und die Pflichten sind hoch. Dieser allgemeine Kodex muss zusätzlich national unter Berücksichtigung der geltenden Normen konkretisiert werden. Beim Bundesrechnungshof erfüllen z. B. die Prüfungsordnung und der Prüfungsleitfaden, Korruptionspräventionsregelungen sowie die schriftlich niedergelegten Grundsätze der Führung und Zusammenarbeit diese Funktion. Erfolgreiche Prüferinnen und Prüfer müssen über die geschilderten Kompetenzen verfügen – auf Basis der o. g. ethischen Grundhaltung und Motivation. Sie müssen diese ethischen Grundsätze bei der Arbeit nicht nur umsetzen, sondern sie leben. 6. Ideale Prüferinnen und Prüfer Schnell ist zu erkennen, dass das Zusammentreffen aller wünschenswerten Kompetenzen und Erfahrungen ein utopisches Ideal ist. Diese Erkenntnis spiegelt auch die von einer unbekannten Autorin bzw. einem unbekannten Autoren mutmaßlich in den Achtziger- / Neunzigerjahren verfasste, humoristische Beschreibung der idealen Prüferin bzw. des idealen Prüfers wider: Diese / dieser muss sein – staatsmännisch wie Richard von Weizsäcker, – charmant wie Audrey Hepburn, – intelligent wie Albert Einstein, – frech wie Oskar, – kreativ wie Andre Heller,

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– pedantisch wie Hans-Jochen Vogel, – hartnäckig wie der alte Cato, – findig wie Sherlock Holmes und – fleißig wie die Biene Maja. Sie / Er muss – Fantasie haben wie Walt Disney, – die Ohren ausfahren wie Hans-Dietrich Genscher, – Stehvermögen haben wie Max Schmeling, – Aufmerksamkeit erregen wie Marilyn Monroe, – Wissen gespeichert haben wie 20 Bände Brockhaus und – schreiben können wie Edgar Allan Poe. Die Tätigkeit als Prüferin und Prüfer ist eine sehr interessante, aber auch sehr fordernde Tätigkeit. Über die gesamte Lebensarbeitszeit ist es notwendig, stets fachlich auf dem Laufenden zu sein. Produkte mit höchsten Qualitätsansprüchen sollen abgeliefert werden. Schwierige soziale Situationen bis hin zu persönlichen Angriffen und ein – mitunter verzögert spürbarer – geringer Erfolg durch Abwehrhaltungen der geprüften Stelle wollen gemeistert werden. Nicht zuletzt erfordern die häufigen, teilweise längeren Dienstreisen neben der körperlichen Belastbarkeit auch, dass Prüferinnen und Prüfer ihre privaten Belange und sozialen Kontakte so organisieren, dass das Privatleben ein guter Ausgleich zur Tätigkeit sein kann. Diese Besonderheiten und der starke Leistungsdruck werden oft unterschätzt. Von Prüferinnen und Prüfern wird viel verlangt. Geeignete Menschen für diese Aufgabe zu finden, ist daher nicht einfach. Hat man sie gefunden, müssen sie stetig qualifiziert und durch geeignete Maßnahmen gefördert werden, um erfolgreich, zufrieden und gesund tätig zu bleiben. Nachfolgend werden wesentliche Maßnahmen skizziert, mit denen der Bundesrechnungshof in der Präsidentschaft von Professor Dr. Dieter Engels versucht, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. III. Personalgewinnung Wie gewinnt der Bundesrechnungshof jährlich 40 bis 50 Personen, die über die oben dargestellten Kompetenzen verfügen bzw. das Potenzial haben, dieses Anforderungsprofil über die Lebensarbeitszeit zu erfüllen? Rückblickend betrachtet hat sich die Personalpolitik des Bundesrechnungs-

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hofes in den vergangenen Jahrzehnten nur behutsam gewandelt.9 Der Einsatz hoch qualifizierter und erfahrener Beamtinnen und Beamter, die sich über einen längeren Zeitraum als leistungsstark und -fähig erwiesen haben sowie über Verwaltungserfahrung verfügen, hat sich bewährt. Noch heute kommen 90 % der neuen Prüferinnen und Prüfer direkt aus der öffentlichen Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten10 gibt es für die abgebenden Behörden keine Verpflichtung mehr, Personal an den Bundesrechnungshof abzugeben. Ein Wechsel erfolgt nur im gegenseitigen Einvernehmen. Geändert haben sich das Durchschnittsalter und der Anteil an Frauen unter den Prüfenden. Der Bundesrechnungshof stellt zunehmend jüngere Personen und mehr Frauen ein. Das Durchschnittsalter beträgt heute beim Bundesrechnungshof „nur“ noch etwa 50 Jahre, da die neu eingestellten Beschäftigten durchschnittlich „erst“ 38 Jahre alt sind. Während in den 1970er-Jahren keine Frau unter den prüfenden Beschäftigten zu finden war, beträgt heute der Anteil der Prüfungsbeamtinnen 32 %. Eine weitere wesentliche Veränderung ist der Anstieg des Anteils der Prüfungsbeamtinnen und -beamten des höheren Dienstes, um den gestiegenen Anforderungen komplexer Prüfungen gerecht werden zu können. Wie wichtig es ist, mehr akademisches Wissen in die anspruchsvoller gewordenen Prüfungen zu bringen und zugleich nicht ausschließlich auf Verwaltungsroutiniers zu setzen, betonen u. a. Andreas Greifeld11 und Ulrich Eggeling.12 Versöhnlicher äußert sich Peter Mayer13: „Es dürfte aber zu weit gehen, dem ‚herkömmlichen‘ Personal der Rechnungshöfe allgemein zu unterstellen, es hätte kein Gespür für große Zusammenhänge und grundsätzliche Fragestellungen. Die Erfahrung lehrt etwas anderes. Dies schließt es freilich nicht aus, für bestimmte Aufgabenbereiche auch Akademiker zu beschäftigen. So könnten neben den am meisten vertretenen Berufen des Juristen verstärkt Vertreter der Fachrichtungen Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft eingesetzt werden.“ 1985 berichtete der damalige Präsident des Bundesrechnungshofes, Karl Wittrock, über ein Verhältnis von Prüfenden des gehobenen zu Prüfenden des höheren Dienstes von etwa 3,7 zu 1.14 Heutzutage beträgt in den 9

157. 10

Vgl. Arthur Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle, Tübingen 1966, S. 143–

Vgl. Arthur Fuchs, Wesen und Wirken (Fn. 9), S. 144. Andreas Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, Ein Beitrag der Verwaltungslehre, München 1981, S. 102–103. 12 Ulrich Eggeling, Finanzkontrolle im Bundesstaat, Kiel 1986. 13 Peter Mayer, Erfolgskontrolle (Fn. 3), S. 66. 14 Karl Wittrock, Möglichkeiten und Grenzen der Finanzkontrolle, Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn 1985, S. 556. 11

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Prüfungsämtern des Bundes das Verhältnis von Prüfenden des gehobenen zu denen des höheren Dienstes etwa 3 zu 1. Beim Bundesrechnungshof hingegen beträgt es mittlerweile fast 1 zu 1. Insgesamt prüfen 859 Personen, davon 310 im höheren und 549 im gehobenen Dienst.15 Dabei ist nicht zu vergessen, dass sich zahlreiche Prüferinnen und Prüfer des höheren Dienstes aus besonders tüchtigen und erfahrenen Beschäftigten des gehobenen Dienstes rekrutieren, die im Rahmen eines Aufstiegs den Wechsel in die nächsthöhere Laufbahn geschafft haben (siehe Abschnitt IV.). Eine seit Jahrzehnten wiederkehrende Grundsatzfrage beim Bundesrechnungshof ist die, ob man Generalisten oder Spezialisten einstellen sollte. Generalisten haben naturgemäß den Vorteil, in mehreren Bereichen einsetzbar zu sein, was im Regelfall auch passiert, da die meisten Prüferinnen und Prüfer bis zu ihrer Pensionierung über 20 bis 30 Jahre beim Bundesrechnungshof tätig sind. Arthur Fuchs legte sich 1966 deshalb fest: „Fachliche Kenntnisse sind im Allgemeinen erlernbar und ermöglichen damit leichter den Austausch. In diesem Zusammenhang lässt sich auch die Frage beantworten, ob man den Typus des Allround-Mannes oder den des Spezialisten bevorzugen soll.“16 Dieser Standpunkt ist aus heutiger Sicht bei allen Vorteilen der Generalisten nicht mehr aufrechtzuhalten. Der Bundesrechnungshof benötigt auch Spezialisten. Prüfungen in einigen Bereichen verlangen sehr vertiefte Kenntnisse und Erfahrung (z. B. bei Prüfungen im Bereich der beamtenrechtlichen Versorgung oder in Spezialbereichen des Steuerrechts). 1. Personalauswahlverfahren Prüferinnen und Prüfer werden in die Laufbahnen des gehobenen und höheren Dienstes eingestellt. In der Laufbahn des höheren Dienstes überwiegen (Stand 2013) Juristinnen und Juristen (169) sowie Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler (68), darunter Betriebsund Volkswirtinnen und -wirte. Der hohe Anteil an Juristinnen und Juristen17 ist auch auf das Bundesrechnungshofgesetz zurückzuführen. So heißt es in § 3 Absatz 3 des Bundesrechnungshofgesetzes: „Die Mitglieder müssen die 15 Hinzu kommen Prüfungsassistentinnen und -assistenten des mittleren Dienstes; mit ihnen erhöht sich die Zahl der im Prüfungsdienst Beschäftigten auf 929 Personen. 16 Arthur Fuchs, Wesen und Wirken (Fn. 9), S. 146. 17 Geradezu schwärmerisch Herbert Peucker, Grundfragen (Fn. 2), S. 123: „Das liegt daran, dass der Jurist (Verwaltungsjurist) kraft der ihm zuteil gewordenen Denkschulung den Sinn für die klärende und vereinfachende Durchdringung verwickelter Prüfungsthemen mitbringt und sich nicht in abwegige und unwesentliche Dinge verliert. Auch lässt sich der Jurist weniger als der Nichtjurist von persönlichen Gefühlen, Abneigungen oder Zuneigungen beeinflussen.“

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Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes erworben haben. Sie sollen daneben über eine vielseitige Berufserfahrung verfügen. Der Präsident oder der Vizepräsident und mindestens ein Drittel der übrigen Mitglieder müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Eine angemessene Anzahl der Mitglieder soll eine wirtschaftswissenschaftliche oder technische Vorbildung besitzen.“ Tatsächlich waren im Juli 2013 von 60 Mitgliedern 33 Juristen.18 Dagegen berichtet Andreas Greifeld aus dem Jahre 1978, in dem die Mitglieder „nahezu ausschließlich“ Juristinnen und Juristen waren.19 Darüber hinaus werden in den höheren Dienst Beschäftigte mit Abschlüssen in technischen Studiengängen (38) eingestellt, z. B. der Elektrotechnik, der Architektur oder des Bauingenieurwesens. Im gehobenen Dienst dominieren Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen der Verwaltungs- und Ingenieurwissenschaften, z. B. der Informatik und wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge. Es finden sich in geringem Maße andere Berufsgruppen in beiden Laufbahngruppen, z. B. Personen mit Abschlüssen in Physik, Biologie, Soziologie und Psychologie. Von allen Bewerberinnen und Bewerbern werden überdurchschnittliche Examensnoten erwartet. Gute bis sehr gute Beurteilungen über die berufliche Tätigkeit hinweg dienen als ein Prädiktor für langfristiges Engagement und Leistungsbereitschaft. Oft handelt es sich um Personen, die bereits in ihrer Vorverwendung verantwortungsvolle Aufgaben mit umfangreichen Planungs-, Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten ausübten. Das in Ausschreibungen geforderte Erfahrungswissen bezieht sich in der Regel auf Berufs- und Verwaltungserfahrung. Bei Spezialisten werden zusätzlich konkrete berufliche Erfahrungen in Spezialbereichen gefordert. Auch stellt der Bundesrechnungshof verwaltungsunerfahrene Bewerberinnen und Bewerber ein, die Erfahrungswissen aus der Privatwirtschaft mitbringen, z. B. aus Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, dem Baugewerbe und der Informationstechnologie. Etwa 10 % der Prüferinnen und Prüfer sind nicht aus der öffentlichen Verwaltung zum Bundesrechnungshof und den Prüfungsämtern gekommen. Von Vorteil kann es sein, wenn Prüfende ohne Verwaltungserfahrung Fragen an die Verwaltungspraxis stellen, die verwaltungserfahrene Beschäftigte mangels Distanz vielleicht nicht in gleicher Form stellen würden. Diesen Aspekt hebt besonders Andreas Greifeld hervor.20 Ähnlich äußerte 18 Die anderen Mitglieder sind studierte Wirtschaftswissenschaftler (11), DiplomIngenieure (6), Informatiker (3), Naturwissenschaftler (2) und Wirtschaftsingenieure (2). Eine Stelle war vakant. 19 Andreas Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer (Fn. 11), S. 101. 20 Andreas Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer (Fn. 11), S. 102.

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sich der ehemalige Vizepräsident des Bundesrechnungshofes Ernst Heuer im Jahre 1988: „Ein anderer Punkt, der uns immer wieder zu denken gibt, ist, inwieweit sollte man nur Fachleute aus einer Verwaltung für das Prüfen in dieser Verwaltung haben? Wir legen (…) Wert darauf, gemischte Strukturen in einem Prüfungsbereich zu haben, damit eben nicht nur traditionelle Denkweisen, die in einem Betriebszweig, in einer Verwaltung, eine Rolle gespielt haben, zum Zuge kommen.“21 Erfahrungen macht der Bundesrechnungshof seit 2005 mit Berufsanfängern im Rahmen von Traineeprogrammen. Hoch qualifizierte Absolventen aus insbesondere rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen mit nur geringer Berufserfahrung werden im Rahmen eines zweijährigen Traineeprogramms beim Bundesrechnungshof über verschiedene Stationen sowie einen externen Einsatz in der Bundesverwaltung auf ihre Tätigkeit als Prüferin bzw. Prüfer vorbereitet.22 Um einem drohenden Fachkräftemangel aufgrund des demografischen Wandels zu begegnen, wird der Bundesrechnungshof auch in Zukunft gefordert sein, neue Wege zu gehen, um hoch qualifiziertes und motiviertes Personal zu gewinnen. Bevor der Bundesrechnungshof eine vakante Stelle ausschreibt, erstellt er ein Anforderungsprofil, das neben den generellen Aufgaben und Anforderungen um die für diese Stelle notwendigen Merkmale ergänzt wird. Dieses Profil erstellt das Personalreferat in Zusammenarbeit mit dem Kollegium aus Prüfungsgebiets- und Abteilungsleitung, gegebenenfalls unter Einbindung der Amtsleitung der Prüfungsämter. Die entsprechende Stellenanzeige wird im Internet und zum Teil in weiteren Medien veröffentlicht. Interessierte können sich über eine Online-Plattform bewerben. In einem anschließenden mehrstufigen Verfahren werden ausführliche, schriftliche Bewerbungsunterlagen von geeignet erscheinenden Bewerberinnen und Bewerbern angefordert. Je nach Anzahl geeignet erscheinender Bewerberinnen und Bewerber werden meist vier bis fünf Personen zu einem Assessment-Center eingeladen. Dies besteht aus verschiedenen Elementen, – einer persönlichen Vorstellung, – einer kontroversen Gruppendiskussion, – einer schriftlichen Einzelarbeit zu einem für die externe Finanzkontrolle relevanten Thema sowie – einem halbstrukturierten Interview zum persönlichen Werdegang, zu Qualifikationen und Erfahrungen sowie zu Fachthemen. 21 Ernst Heuer, Diskussion zu dem Artikel von Otto Rundel, Das Personal des Rechnungshofs – Voraussetzungen für seine Wirksamkeit, in: Hans Herbert von Arnim, Finanzkontrolle im Wandel, Berlin 1988, S. 182. 22 Vgl. dazu auch Ernst Heuer, Diskussion (Fn. 21), S. 183.

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Die Auswahlkommission besteht aus dem jeweiligen Kollegium, das heißt der jeweils zuständigen Prüfungsgebiets- und Abteilungsleitung im Bundesrechnungshof und – wenn Stellen in den Prüfungsämtern zu besetzen sind – der dortigen Sachgebiets- oder Amtsleitung und dem Personalreferat. Zusätzlich werden Beobachterinnen und Beobachter eingeladen (Personalrat, Gleichstellungsbeauftragte, Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen). Im Gespräch werden die Bewerberinnen und Bewerber auf die Besonderheiten der beruflichen Tätigkeit im Prüfdienst aufmerksam gemacht, von der Herbert Peucker im Kontext einer aus seiner Sicht notwendig hohen Dotierung für Prüfende behauptet, dass diese „zu den undankbarsten behördlichen Tätigkeiten gehört.“23 Er fügt hinzu: „Selbst wenn die moderne Finanzkontrolle sich in erster Linie mehr helfend und beratend einstellt, ist es unausbleiblich, dass Mängel als solche kenntlich gemacht und hier und da Kritik ausgeübt werden muss, die natürlich von Exekutive und Verwaltung nicht immer gern gesehen wird.“ Nicht alle, die sich in operativen Aufgabenfeldern bewährt haben, kommen mit der selbstständigen und zurückgezogenen Tätigkeit klar. Erfahrungsgemäß trösten auf Dauer auch die gute Stellenausstattung und die gute Beförderungssituation beim Bundesrechnungshof nicht, wenn einem die Prüfungstätigkeit nicht liegt. 2. Qualifizierung neuer Prüferinnen und Prüfer Selbst erfahrene Verwaltungsbeschäftigte müssen seit jeher an die Besonderheiten der Prüftätigkeit herangeführt werden.24 Seit 2010 werden Prüferinnen und Prüfer deutlich umfangreicher als zuvor in einem dreijährigen Programm für ihre Tätigkeit qualifiziert. Es begleitet und ergänzt die im Vordergrund stehende Einarbeitung der Prüferinnen und Prüfer bei der Ausübung der praktischen Tätigkeit, bei der sie von den Prüfungs- bzw. Sachgebietsleitungen sowie Mentorinnen und Mentoren unterstützt werden. Anforderungen durch interne Organisationsprozesse, die Steigerung der Komplexität von Prüfungen, der Vergleich mit anderen europäischen Obersten Rechnungskontrollbehörden und interne Analysen sprechen für eine umfassendere und solidere Schulung von Kernkompetenzen und -wissen sowie notwendigen Schlüsselkompetenzen. Auch wenn neue Prüferinnen und Prüfer zunächst als Spezialisten eingesetzt werden, haben die organisatorischen Veränderungen der letzten Jahre gezeigt, dass sie in der Lage sein müssen, sich in andere Prüfungsbereiche kurzfristig einzuarbeiten. Das Qualifizierungsprogramm vermittelt daher auch grundlegende Inhalte, selbst wenn diese in den ersten drei Jahren nicht unmittelbar benötigt werden. 23 24

Herbert Peucker, Grundfragen (Fn. 2), S. 128. Vgl. Arthur Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle (Fn. 9), S. 151 ff.

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Dazu gehört ein umfangreicher Einblick in die Aufgaben und Vorgehensweisen des Bundesrechnungshofes. Prüferinnen und Prüfer nehmen verpflichtend an diesem modular aufgebauten Qualifizierungsprogramm über etwa drei Jahre teil. Hierdurch sollen sie in die Lage versetzt werden, allen Anforderungen des Prüfungsgeschäftes optimal gerecht zu werden. Ziel ist es, die Nachwuchskräfte so zu qualifizieren, dass sie ihre Arbeitsergebnisse mittelfristig qualitativ sowie quantitativ verbessern können. Dies wird durch das inhaltlich speziell zugeschnittene und praxisnahe Qualifizierungsprogramm erreicht. Fallbeispiele und hohe Trainingsanteile kennzeichnen das Programm und sichern den Transfer in die Prüfungspraxis. Das Qualifizierungsprogramm wird ausschließlich durch den Bundesrechnungshof konzipiert, organisiert und angepasst. Damit sichert sich der Bundesrechnungshof die volle Kontrolle über die Ausbildungsinhalte sowie die eingesetzten Dozentinnen und Dozenten; zudem bleibt er flexibel, das Programm nach Notwendigkeit auch kurzfristig zu verändern. Mit dem Programm werden folgende Ziele angestrebt: – auf die Prüfungstätigkeit von Beginn an optimal vorbereiten, – prüfungsrelevante Qualifikationen erhalten und erweitern, – Leistungsfähigkeit und -bereitschaft fördern und erhalten, – Identifikation der Nachwuchskräfte mit den Aufgaben des Bundesrechnungshofes fördern, – Nachwuchskräfte dauerhaft motivieren und an den Bundesrechnungshof / die Prüfungsämter binden, – gegenseitiges, laufbahnübergreifendes Helfen, Fördern und Unterstützen, – formelle und informelle Netzwerke, fachlich und sozial, schaffen, – abteilungsübergreifendes Wissen und Denken ermöglichen und fördern, – Bundesrechnungshof-übergreifendes Wissen und Denken ermöglichen und fördern, – kooperatives, teamfähiges, vernetztes, übergreifendes Denken und Handeln der Nachwuchskräfte fordern und fördern, – Führungskräfte durch qualifizierte, vernetzte Nachwuchskräfte entlasten. Das Qualifizierungsprogramm vermittelt Kompetenzen in folgenden vier Bereichen: Fach-, Methodenkompetenz, soziale und personale Kompetenz, die auch die oben genannten ethischen Aspekte beinhalten. Konzeptionell zielen die Inhalte der Kompetenzbereiche auf die Anwendung ab (s. o. „Aktivitäts- und handlungsorientierte Kompetenz“), unter anderem durch die didaktische Ausrichtung (Fälle, Training, Übungen etc.) und durch umfangrei-

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che praktische Erprobungsphasen im Prüfungs- bzw. Sachgebiet („training on the job“). Zu den wesentlichen Themenbereichen zählen Fachkompetenz: – Rechtsgrundlagen des Bundesrechnungshofes, – Grundlagen des Haushalts-, Zuwendungs- und Vergaberechtes, – vertiefte Kenntnisse hinsichtlich Prüfungsordnung und -leitfaden, Prüfungsstandards, Bemerkungsverfahren, – Basiswissen Europäische Union. Methodenkompetenz: – Schreiben und juristische Stilkunde, – Abfassen von Prüfungsmitteilungen u. Ä., – Interview- und Erhebungstechniken, – Präsentation und Vertreten von Prüfungsergebnissen, – NSI-Plus (Software des Bundesrechnungshofes zur Prüfungssteuerung). Soziale Kompetenz: – Kommunikation, – Führungs- und Teamkompetenz, – Moderation, – Präsentation. Personale Kompetenz: – Arbeitstechniken und -organisation, – Lern- und Lesetechniken, – Selbstmanagement, – Sprachkenntnisse Englisch, Terminologie, – interkulturelle Kompetenz, – Korruptionsprävention, Verhaltenskodex INTOSAI. Das Qualifizierungsprogramm startet mit der Einstellung der neuen Prüferinnen und Prüfer. Sie bekommen einen Zugang zur E-Learning-Plattform des Bundesrechnungshofes. Dort erhalten sie wichtige Informationen zum Start zu den Themen „Grundlagen der Aufgabenerledigung des Bundesrechnungshofes“, „Ablauf und Durchführung von Prüfungen“ sowie „Hinweise und Übungen zum Abfassen von Prüfungsberichten (Verständlich Schreiben)“. Diese Themen werden in einer Präsenzveranstaltung vertieft und bilden den sogenannten Crashkurs. In der halbjährigen Abordnungs- oder Probezeit führen die neuen Prüferinnen und Prüfer ihre erste

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Lars Friege Ende der Abordnung

1. Jahr

Zeit learning on the job

PRAXIS:

2. Jahr

- Anleitung durch Prüfungs-/Sachgebietsleitung & - Unterstützung durch eine(n) kollegiale(n) Mentor/in

Crashkurs

Rechtsgrundlagen BRH Prüfungsverfahren Verständlich Schreiben

Lerninhalte des

Basismodule Qualifizierungsprogramms

3. Jahr

Aufbaumodule

BM1: Rechtsgrundlagen BRH, Haushaltsrecht BM2: Interview- und Erhebungstechniken, Arbeitsorganisation; BM3: Prüfungskonzept, -durchführung,verständlich schreiben BM4: Vertreten von Prüfungsergebnissen, Präsentation, Moderation

AM1: Haushalts-, Zuwendungs & Vergaberecht AM2: IDEA, Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, Zusammenarbeit mit HHA und RPA AM3: EU-Rechtsgrundlagen, Europäischer RH

Vertiefung VM 1 internationale Aktivitäten, Englisch für int. Kontakte VM 2 Fallstudien

AM4: Kognitives Interview

individuelle Fortbildung

NSI Plus

optionale Zusatzmodul(e): Recht / Wirtschaft/ Verwaltung

Ergänzende Elemente

Lernplattform (E-Learning) Arbeitshilfen, Standards, Forum, Zertifizierungen, Kurse

Exkursionen: Bundestag, RPA, EP

Austausch mit dem Präsidenten Evaluation und Konzeptanpassung Quelle: Bundesrechnungshof

(EP = Europäisches Parlament; HHA = Haushaltsausschuss; IDEA = Software zur Auswertung großer Datenmengen, z. B. von Buchungsdatensätze; NSI-Plus = Software zur Steuerung der Prüfungen; RH = Rechnungshof; RPA = Rechnungsprüfungsausschuss) Abbildung 1: Qualifizierungsprogramm für neue Prüferinnen und Prüfer

Prüfung durch und schreiben den Prüfungsvermerk bzw. die Prüfungsmitteilung (das sogenannte „Gesellenstück“). Gestaltet sich das erste halbe Jahr erfolgreich für beide Seiten, kommt es zur Übernahme. Dann beginnen für die folgenden Jahre neben der im Vordergrund stehenden, angeleiteten praktischen Arbeit die Basis-, Aufbau- und Vertiefungsmodule. Pro Jahr stehen vier Module von etwa fünf Tagen Dauer an (vergleiche Abbildung 1). Flankiert werden diese Maßnahmen durch einen zweimaligen Informations- und Erfahrungsaustausch mit dem Präsidenten. Typische Themen dieser Zusammenkünfte sind die Arbeitsweise des Bundesrechnungshofes, die Zusammenarbeit mit dem Parlament und die vielfältigen inter-

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nationalen Aufgaben und Vernetzungen des Bundesrechnungshofes. Zwei Exkursionen im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen führen die Prüferinnen und Prüfer zum Deutschen Bundestag und nach Brüssel, wo sie unter anderem das Europäische Parlament besuchen. Einen besonderen Abschluss erfährt das Programm im Austausch mit verschiedenen Prüfungsgebietsleiterinnen und -leitern, die herausragende Prüfungen des Bundesrechnungshofes mit den Teilnehmenden diskutieren. Insgesamt umfasst das Programm etwa 55 Schulungstage.25 IV. Personalentwicklung Personalentwicklung ist die Gesamtheit aller systematisch gestalteten Prozesse, um das Leistungs- und Lernpotenzial von Beschäftigten zu erkennen, zu erhalten und in Abstimmung mit dem Bedarf des Bundesrechnungshofes verwendungs- und entwicklungsbezogen zu fördern. Dazu sollen die Kompetenzen der Beschäftigten auf die aktuellen und auf die künftigen Aufgaben des Bundesrechnungshofes abgestimmt werden. Idealerweise gelingt es damit, die Fähigkeiten der Beschäftigten und die Anforderungen spezieller Dienstposten anzugleichen. Zusammen mit der Handlungskompetenz fördert dies die Motivation der Beschäftigten und deren Identifikation mit den Aufgaben und Zielen des Bundesrechnungshofes. Zur Personalentwicklung gehört es auch, dass transparente Regeln die Beschäftigten bei der Karriereplanung unterstützen. Nicht zuletzt steigern ein besonderes Engagement für das Personal und besonders gute Karrierebedingungen die Attraktivität des Bundesrechnungshofes als Arbeitgeber im Werben um besonders gutes Personal. Die Personalentwicklung greift auf vielfältige Instrumente zurück, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Im Folgenden werden einige dieser Instrumente kurz vorgestellt. Wesentliches Element der Personalentwicklung ist eine gute Kooperation zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten. Die individuelle Karriere der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen mit den Bedürfnissen des jeweiligen Arbeitsbereiches und des Bundesrechnungshofes insgesamt sollten dabei als Ganzes betrachtet werden. Eine gelungene Zusammenarbeit setzt gutes Führungsverhalten der Vorgesetzten und gute Rahmenbedingungen für die Aufgabenerledigung voraus. Regelmäßige Rückmeldungen über die Qualität der Aufgabenerledigung und die individuelle Leistungsstärke sind notwendig, um geeignete Anstöße 25 Vgl. Herbert Peucker, Grundfragen (Fn. 2), S. 124, der zwei bis drei Monate Theorieausbildung veranschlagt.

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für Personalentwicklungsmaßnahmen, z. B. in Gestalt von Fortbildungen, zu geben. Zentrale Instrumente dafür sind neben informellen Gesprächen und dem jährlich zu führenden Kooperationsgespräch (s. u.) die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten sowie die Gespräche im Rahmen der leistungsorientierten Bezahlung für Tarifbeschäftigte. Mit zunehmender Dauer der Beschäftigung kommt eine Veränderung der wahrzunehmenden Aufgaben bis hin zu einem Verwendungswechsel infrage. Der Verlauf der Karriere ist für Beschäftigte von großem Interesse. Beförderungsgrundsätze regeln die Bedingungen für das Fortkommen in Abhängigkeit von der Note der dienstlichen Beurteilung. Der Bundesrechnungshof bietet für besonders tüchtige Prüferinnen und Prüfer des gehobenen Dienstes sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten in die Laufbahn des höheren Dienstes. Darin spiegelt sich auch die besondere Bedeutung des Erfahrungswissens für den Bundesrechnungshof wider. Ein wichtiges Instrument der Personalplanung und -entwicklung ist der Gleichstellungsplan des Bundesrechnungshofes. Mit diesem Plan geht der Bundesrechnungshof umfangreiche Verpflichtungen ein, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzutreiben. Evaluationen zeigen, dass gute Fortschritte erzielt worden sind. Andererseits bleibt der Anteil an weiblichen Führungskräften bisher hinter den Erwartungen zurück, sodass hier noch einiges zu tun ist. 2009 ist der Bundesrechnungshof erstmals als Behörde zertifiziert worden, die durch geeignete Maßnahmen die Beschäftigten darin unterstützt, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. So hat der Bundesrechnungshof beispielsweise im Jahr 2013 sehr flexible Arbeitszeiten ohne Kernarbeitszeiten und umfangreiche Möglichkeiten der Tele- und Heimarbeit eingeführt. Die herausgehobene Bedeutung der Personalentwicklung zeigt sich in den jährlichen Personalentwicklungsgesprächen und den Runden-Tisch-Gesprächen zur Geschäftsverteilung, die der Präsident stets persönlich leitet. Während dieser Gespräche werden wesentliche Personalentwicklungsmaßnahmen für die Beschäftigten der einzelnen Abteilungen einschließlich der Prüfungsämter diskutiert. Ihnen zugrunde liegen die Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit und den Gesprächen zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten. Hinweise geben auch die Personalverwaltung, die Gleichstellungsbeauftragte und die Schwerbehindertenvertretung, die ebenfalls an den Gesprächen teilnehmen. Der Bundesrechnungshof als Dienstherr bzw. Arbeitgeber unterstützt die Beschäftigten fürsorglich in besonders herausfordernden Situationen. Ziel ist es, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und Arbeitsplätze so zu gestalten, dass Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung zueinander passen. Dieses Ziel unterstützen umfangreiche Maßnahmen zur Integration schwerbehin-

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derter Beschäftigter, zur Wiedereingliederung längerfristig erkrankter Beschäftigter und die Beratung bei Krisen- und Konfliktsituationen durch den psychosozialen Dienst, der im Jahr 2003 eingerichtet wurde. V. Fortbildung Eine besondere Bedeutung in der Personalentwicklung hat seit jeher die Fortbildung.26 Sie ist notwendig, um Prüferinnen und Prüfer auf dem aktuellen Stand der Dinge zu halten. Der Bundesrechnungshof investiert viel Zeit, Geld und Aufwand, um die Beschäftigten so gut wie möglich fortzubilden. Der Etat inklusive der notwendigen Reisekosten betrug 2013 fast 1 Million Euro. Beschäftigte besuchen durchschnittlich an etwa 7 Tagen im Jahr Fortbildungen, im Prüfungsdienst sogar etwas häufiger. Dazu gehört auch, dass viele Seminare speziell für den Bundesrechnungshof konzipiert und durchgeführt werden, da von Externen angebotene Seminare oft nicht zum besonderen Prüfungsgeschäft passen und damit ineffektiv sind. Fortbildungen werden nach einer individuellen Aufgaben- und Bedarfsanalyse in einem Gespräch zwischen dem Fachvorgesetzten und dem Beschäftigten festgelegt. Die Rolle und Verantwortung der Führungskräfte für die Qualifizierung und Personalentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden damit betont. Die Führungskräfte entscheiden über den dienstlichen Fortbildungsbedarf in den Bereichen Fach-, Methoden-, Sozialund personale Kompetenz. Stärker als früher wird eine strategische Fortbildungsplanung betrieben. Ziel ist es, Beschäftigtengruppen aufgrund von Analysen und strategischen Überlegungen systematisch aufgabenbezogen zu qualifizieren. Dieser Ansatz ergänzt die Feststellung des individuellen Fortbildungsbedarfs in den jeweiligen Organisationseinheiten. Die strategische Fortbildungsplanung spiegelt sich wider in – der systematischen Qualifizierung der neuen Prüferinnen und Prüfer sowie anderer neuer Beschäftigter, – der Qualifizierung von Führungskräften (vergleiche Abschnitt VI.) sowie – Schulungsempfehlungen bzw. -vorgaben zur Erhaltung und Erweiterung von Kernkompetenzen mittels Auffrischungs- und Vertiefungsfortbildungen. Seminare wie „Verständlich Schreiben“ für Prüferinnen und Prüfer sowie als Pendant für Prüfungsgebietsleitungen „Texte beurteilen und redigieren“ 26

Vgl. Arthur Fuchs, Wesen und Wirken der Kontrolle (Fn. 9), S. 154–156.

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und auch „Kognitives Interview“ sind strategisch bedeutsame Kernseminare, die von vielen Beschäftigten besucht werden. Fortbildungen werden systematisch evaluiert und verbessert. Befragungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie der Dozentinnen und Dozenten nach Seminaren liefern zusammen mit schriftlichen Beurteilungsberichten wichtige Informationen zum Seminarkonzept, zur Dozentenwahl und Zusammensetzung der Teilnehmenden. Viel wichtiger ist jedoch, ob der Transfer in die Praxis gelingt und erworbenes Wissen weitergegeben wird. Daher führt der Bundesrechnungshof nach sechs bis zwölf Monaten eine Transferabfrage zu diesen Fragen durch. Dadurch wird der Fokus auf die Transfersicherung verschoben, da das Ziel von Fortbildungen primär die Verbesserung der Aufgabenerfüllung ist. Zusätzlich zu Präsenzveranstaltungen nutzt der Bundesrechnungshof ergänzend Möglichkeiten zum selbstgesteuerten Lernen in Form von Selbstlernmedien und eine Lernplattform für E-Learning- bzw. Blended-LearningSeminare. Diese alternativen Lernwege dienen als Ergänzung und nicht als Ersatz für Präsenzveranstaltungen. Ihr Hauptvorteil liegt darin, dass der Lernprozess individuell vom Lernenden gesteuert werden kann. Ein Anwendungsbereich ist, den Kenntnisstand von Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Präsenzveranstaltungen durch geeignete Lerneinheiten zuvor anzugleichen. Dadurch werden die Präsenzveranstaltungen effektiver und wirtschaftlicher. VI. Zusammenarbeit und Führung Die Besonderheiten der Arbeit beim Bundesrechnungshof erfordern eine ausgezeichnete Zusammenarbeit unter den Kolleginnen und Kollegen und im Miteinander mit den Führungskräften. Trotz überwiegender Arbeitsphasen allein im eigenen Büro gelingt eine optimale Aufgabenerledigung nur in der Zusammenarbeit mit direkten Kollegen und den Vorgesetzten sowie im inhaltlichen Austausch mit Beschäftigten anderer Bereiche. Der Bundesrechnungshof hat aus den Erkenntnissen einer Mitarbeiterbefragung 2007 Grundsätze der „Führung und Zusammenarbeit“ bestimmt und intern veröffentlicht. Darin wird konkret beschrieben, wie Kooperation gelingen sollte. Wesentliche Entscheidungen werden von den Prüfungsgebiets-, Abteilungsleitern und Präsidenten getroffen (Kollegialprinzip), die auch die Prüfungsmitteilungen und Berichte des Bundesrechnungshofes zeichnen. Manche Prüferinnen und Prüfer reagieren darauf mittelfristig, indem sie die Verantwortung für viele Aspekte ihrer Tätigkeit nur bei ihren Vorgesetzten sehen. Idealerweise jedoch identifizieren sich Prüferinnen und Prüfer mit den ihnen übertragenen Aufgaben und fühlen sich verantwortlich. Nur so

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Phase 1

Führungskräfteentwicklung BRH und PÄB Basisseminare:

Kommunizieren und Kooperieren, Umgang mit Konflikten

Optional:

Erfolgreich Verhandeln, Moderation von Besprechungen

Phase 2

Führungskräfteentwicklungsprogramm Wissen & Methoden

BRH-Spezifisches

Individuelle Ebene

Grundlagenseminare

BRH±spezifische Seminare

Externe Potentialanalyse

‡ Rechtliche Rahmenbedingungen ‡ Personalführung

Training

Phase 3

‡ Umgang mit Konflikten ‡ Teams leiten

‡ Der persönliche Auftritt ‡ Führungsinstrumente ‡ Führen im Prüfdienst

Reflexion mit dem Präsidenten und Führungskräften

(mit Beratung)

Individuelle Fortbildung Coaching

‡Führen in besonderen Situationen ‡Instrumente der Personalführung ± regelmäßige Auffrischung ‡Coaching und optionale Führungskräfteschulungen nach Bedarf

Quelle: Bundesrechnungshof

Abbildung 2: Führungskräfteentwicklungsprogramm

sind dauerhaft herausragende Leistungen zu erwarten. Verantwortungsübernahme und Motivation können durch partizipatives und transparentes Führungsverhalten gefördert werden, das Prüferinnen und Prüfer in die Planungs- und Entscheidungsprozesse mit einbezieht. Neben den informellen Gesprächen reflektieren Beschäftigte und Vorgesetzte mindestens einmal jährlich ihre Zusammenarbeit und die individuelle Entwicklung im sogenannten Kooperationsgespräch und im Fortbildungsgespräch. Wie alle Führungsinstrumente dient das Kooperationsgespräch dabei den übergeordneten Zielen der optimalen Aufgabenerfüllung und Arbeitszufriedenheit. Das Kooperationsgespräch soll das Verständnis zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten festigen, die Arbeitsfreude, Motivation und Leistungsbereitschaft fördern, Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten intensivieren und Vorgesetzte dazu anregen, ihr Führungsverhalten zu reflektieren und zu verbessern. Im Fortbildungsgespräch werden der erforderliche Qualifizierungsbedarf sowie die Entwicklungsmöglichkeiten der Beschäftigten erörtert. Der Bundesrechnungshof hat 2013 beschlossen, Führungskräfte umfassender als bisher zu entwickeln. Dies dient unter anderem der Umsetzung der in der Schrift „Führung und Zusammenarbeit“ bereits 2007 beschriebe-

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nen Führungsprinzipien. Führungskräfteentwicklung meint die systematische Förderung, Entwicklung und Erhaltung von Führungskompetenzen durch verschiedene geeignete Impulse, wie beispielsweise Trainings, Schulungen und praktische Erfahrungen. Ziel ist es, Führungskräfte soweit wie möglich auf die erfolgreiche Bewältigung von Führungsaufgaben vorzubereiten und die erworbenen Führungskompetenzen zu erhalten und zu erweitern. Nur von angemessen geführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darf sich der Bundesrechnungshof dauerhaft gute Arbeitsergebnisse versprechen. Der Bundesrechnungshof zieht naturgemäß Fachleute an, keine Manager. Karriere ohne solide Fachkompetenz, die über Jahre erfolgreich gezeigt wird, ist beim Bundesrechnungshof nicht möglich. Von der Einstellung als Prüferin bzw. Prüfer bis zur Übernahme einer Prüfungsgebietsleitung dauert es häufig zehn Jahre und mehr. Die Prüfenden müssen also auf Führungsaufgaben vorbereitet werden. Das Programm gibt Seminare vor, die bereits vor Übernahme einer Führungsaufgabe wichtige Kompetenzen im Kommunikationsbereich vermitteln. Neu ernannte Führungskräfte werden umgehend in einem kompakten Führungskräfteentwicklungsprogramm (vergleiche auch Abbildung 2) geschult. Etablierte Führungskräfte werden mit Neuerungen der Personalentwicklungsinstrumente und Ähnlichem vertraut gemacht und können auf freiwilliger Basis weitere Schulungen zur Erweiterung und zum Erhalt ihrer Führungskompetenz besuchen. VII. Zusammenfassung und Ausblick Der Bundesrechnungshof braucht hervorragendes Personal, um seine verantwortungsvollen Aufgaben erfolgreich erledigen zu können. Prüferinnen und Prüfer müssen über ausgeprägte Fach- und Methodenkompetenzen sowie sozial-kommunikative, personale und ethische Kompetenzen verfügen. Dieses Anforderungsprofil ist Dreh- und Angelpunkt von Personalauswahl und -entwicklung. Eine ausgewogene und hohe Befähigung in den genannten Kompetenzbereichen ist das Ziel des Personalmanagements. Trotz einer Tendenz, an bewährten, hausinternen Traditionen festzuhalten, hat sich einiges beim Bundesrechnungshof verändert: Prüfungsthemen, Prüfungsmethoden und die internen Umorganisationsprozesse seien als Beispiele genannt. Sie erfordern, dass Prüferinnen und Prüfer auch über eine ausgeprägte Bereitschaft verfügen sollten, sich selbst zu verändern, weiterzuentwickeln und mit den Veränderungen der (zu prüfenden) Welt mitzuhalten. Das Personalmanagement und die Führungskräfte sind gefordert, Prüferinnen und Prüfer zur Bewältigung ihrer schwierigen und anspruchsvollen Tätigkeit vielfältig zu unterstützen. Einige der aktuellen Maßnahmen wurden in diesem Artikel vorgestellt. Auch in Zukunft wird der Bundesrech-

Kompetenzen von Prüferinnen, Prüfern und Mitgliedern des BRH

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nungshof sicher gefordert sein, sich auf weitere Veränderungen einzustellen. Dazu gehört nicht zuletzt, dass es aufgrund des demografischen Wandels immer schwieriger wird, gutes Personal zu gewinnen, weil weniger Bewerberinnen und Bewerber verfügbar sind und hierdurch eine stärkere arbeitgeberseitige Konkurrenz eintritt. Auf der anderen Seite bietet der Bundesrechnungshof eine einzigartige Aufgabe mit einem kaum zu überbietenden, interessanten Themenspektrum bei sehr guten Arbeitsbedingungen und Karrieremöglichkeiten an; er wird den neuen Herausforderungen deshalb sicher gewachsen sein.

Autorenverzeichnis Ahrendt, Christian Vizepräsident des Bundesrechnungshofes, Mitglied des Deutschen Bundestages von 2005 bis 2012 Dr. Busse, Klaus-Henning Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes a. D. Prof. Dr. Butzer, Hermann Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Sozialrecht, Leibniz Universität Hannover Prof. Dr. Eibelshäuser, Manfred Präsident des Hessischen Rechnungshofes von 2001 bis 2013, Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes a. D., Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Elles, Lukas Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Prof. Dr. Engels, Dieter Präsident des Bundesrechnungshofes, Honorarprofessor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer Erb, Horst Direktor beim Bundesrechnungshof Flöer, Rolf Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Dr. Friege, Lars Ministerialrat im Bundesrechnungshof Graf, Ulrich Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Dr. Hissen, Alexandra Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen Hugo, Dieter Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes

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Autorenverzeichnis

Dr. Luther, Michael Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses des Deutschen Bundestages von 2009 bis 2013, Mitglied des Deutschen Bundestages von 1990 bis 2013 Dr. Mähring, Matthias Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Merkel, Petra Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages von 2009 bis 2013, Mitglied des Deutschen Bundestages von 2002 bis 2013 Rabenschlag, Christine Ministerialrätin im Bundesrechnungshof Romers, Joachim Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Dr. Schröter, Patrick Rechtsassessor, Bundesrechnungshof Sievers, Oliver Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Stuiveling, Saskia J. und Vendrik, Kees Präsidentin der Algemene Rekenkamer der Niederlande und Vizepräsident der Algemene Rekenkamer der Niederlande Dr. Trabant, Alice Rechtsassessorin Dr. Weber, Hubert Präsident des Europäischen Rechnungshofes von 2005 bis 2008, Mitglied des Europäischen Rechnungshofes von 1995 bis 2008 Dr. Wenz, Jochen Ministerialrat als Mitglied des Bundesrechnungshofes Dr. Zavelberg, Heinz Günter Präsident des Bundesrechnungshofes von 1985 bis 1993