Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst 9783111186603, 9783111186207

Anniversary publication of the Belvedere The Belvedere in Vienna epitomizes the changes that have taken place over the

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German Pages 398 [378] Year 2023

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Kapitel I Prinz Eugen von Savoyen als Impresario der Kunst 1697–1736
Bilder und Zitate
1 Das Belvedere. Bau und Ausstattung
2 Die Stichserie Residences Memorables
3 Die Skulpturen der Marmorgalerie
Mäzenatentum und Sammeltätigkeit im Habsburgerreich um 1700
4 Das Winterpalais
Zwischen fürstlicher Repräsentation und leidenschaftlicher Sammeltätigkeit Die Gemäldesammlung des Prinzen Eugen im Gartenpalais
Kunst, Kassetten, Klebebände Prinz Eugen und die Schönheit der Klassifikation
5 Die Bibliotheksschränke aus Prinz Eugens Winterpalais im Theresianum
Kapitel II Die kaiserlichen Sammlungen im Belvedere 1776–1891
Bilder und Zitate
6 Die Ambraser Sammlung
7 Die erste Restaurierwerkstatt
Die Entstehung des Kunstmuseums im 18. Jahrhundert
Die Museumswerdung der kaiserlichen Gemäldegalerie
Öffnung und Öffentlichkeit im Oberen Belvedere um 1800
8 Der Bildertausch zwischen Florenz und Wien
Neukonzeptionen der alten Malereischulen im frühen 19. Jahrhundert
9 Napoleonischer Kunstraub und Evakuierungen
Die „Moderne Schule“ in der kaiserlichen Gemäldegalerie
10 Gemäldegalerie und Akademie der bildenden Künste
Kapitel III Von der Modernen Galerie zur Österreichischen Galerie 1903–1938
Bilder und Zitate
11 Ein Kuss für die Moderne Galerie
Museen moderner Kunst im späten Habsburgerreich
12 Das k. k. Wandermuseum
Ein Schloss als „Asyl“ für die Moderne
13 Hans Tietzes Museumsreform
Kunst für Alle ? Die Österreichische Staatsgalerie zwischen Kunsterleben und Belehrung
14 Vom Österreichischen Staatsgalerieverein zum Verein der Museumsfreunde in Wien, 1911/12–1938
Die Gründung des Barockmuseums im Unteren Belvedere
Das Ephesos Museum zu Gast im Unteren Belvedere
Zu Vorgeschichte und Genese des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst
Kapitel IV Das Museum im Nationalsozialismus 1938–1945
16 „Entartete Kunst“
Bilder und Zitate
17 Die Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Wien
18 Deakzession
Zur Verstrickung der Museen in die NS-Kulturpolitik
Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit
19 Kunsthandel und Auktionen in Wien 1938–1945
Die NS-Kunstpolitik in der Gaustadt Wien
20 Die Gustav-Klimt-Ausstellung von 1943
Kapitel V Wandel und Kontinuitäten nach 1945
Bilder und Zitate
21 Die Marke „Wien um 1900“
22 Mapping the Hood. Das Quartier Belvedere
„Unsere Moderne machen wir uns selber !“ Österreichs verzögertes Wiederanknüpfen an die internationale Avantgarde nach 1945
Auf der Suche nach (einem Ort) der zeitgenössischen Kunst Zur programmatischen Entwicklung von 1945 bis in die Gegenwart
23 Zur Gründungsgeschichte des Museums des 20. Jahrhunderts / 20er Haus
24 Restitutionen nach 1945 und das Kunstrückgabegesetz 1998
2000 bis 2020. 19 Jahre Wachstum
Kritische Nischen. Demokratisierungsprozesse in der jüngeren Geschichte des Belvedere
25 Erweiterungen des Museums in den digitalen Raum
26 Museale Selbstbilder auf dem Prüfstand
Perspektiven 2023
STELLA ROLLIG im Gespräch mit WOLFGANG ULLRICH
Appendix
Chronologie
Visualisierung der Sammlungsbestände
Bibliografie
Personenregister
Autor*innen
Bildnachweis
Abkürzungen
Impressum
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Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst
 9783111186603, 9783111186207

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Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst

Das Belvedere

300 Jahre Ort der Kunst

Herausgegeben von Stella Rollig und Christian Huemer Mit Beiträgen von Johanna Aufreiter, Björn Blauensteiner, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Thomas DaCosta Kaufmann, Christiane Erharter, Nora Fischer, Anna Frasca-Rath, Antoinette Friedenthal, Martin Fritz, Thomas W. Gaehtgens, Sabine Grabner, Katinka Gratzer-Baumgärtner, Cäcilia Henrichs, Alice Hoppe-Harnoncourt, Christian Huemer, Georg Lechner, Stefan Lehner, Gernot Mayer, Monika Mayer, Sabine Plakolm-Forsthuber, Georg Plattner, Matthew Rampley, Luise Reitstätter, Stella Rollig, Claudia Slanar, Franz Smola, Nora Sternfeld, Silvia Tammaro, Wolfgang Ullrich, Leonhard Weidinger, Christian Witt-Dörring, Luisa Ziaja, Christoph Zuschlag

Inhaltsverzeichnis

S. 8

STELLA ROLLIG —— Vorwort

Kapitel I Prinz Eugen von Savoyen als Impresario der Kunst 1697–1736 S. 23

Bilder und Zitate

S. 25

Dank S. 13

CHRISTIAN HUEMER —— Einleitung

1

Das Belvedere. Bau und Ausstattung Georg Lechner

2

Die Stichserie Residences Memorables Silvia Tammaro

S. 26

S. 41

Die Skulpturen der Marmorgalerie Silvia Tammaro

S. 44

THOMAS DACOSTA ­ KAUFMANN —— ­Mäzenatentum und Sammeltätigkeit im ­Habsburgerreich um 1700

S. 49

3

4

Das Winterpalais Georg Lechner

S. 52

SILVIA TAMMARO —— Zwischen fürstlicher Repräsenta­ tion und leidenschaftlicher ­Sammeltätigkeit. Die Gemälde­ sammlung des Prinzen Eugen im Gartenpalais

S. 64

ANTOINETTE FRIEDENTHAL —— Kunst, Kassetten, Klebe­bände. Prinz Eugen und die Schönheit der Klassifikation

S. 73

Die Bibliotheksschränke aus Prinz Eugens Winterpalais im Theresianum Christian Witt-Dörring 5

Kapitel II Die kaiserlichen Sammlungen im Belvedere 1776–1891 S. 81

Bilder und Zitate

S. 93

Kapitel III Von der Modernen Galerie zur Österreichischen Galerie 1903–1938 S. 151

Die Ambraser Sammlung Georg Lechner

S. 159

S. 99

S. 170

6

Die erste Restaurierwerkstatt Alice Hoppe-Harnoncourt

S. 102

7

THOMAS W. GAEHTGENS —— Die Entstehung des Kunst­ museums im 18. Jahrhundert

S. 175

S. 178

S. 118

NORA FISCHER —— Öffnung und Öffentlichkeit im Oberen Belvedere um 1800

S. 187

S. 128

S. 133

9

S. 136

Der Bildertausch zwischen Florenz und Wien Nora Fischer

ALICE HOPPE-HARNONCOURT —— Neukonzeptionen der alten Malereischulen im frühen 19. Jahrhundert Napoleonischer Kunstraub und Evakuierungen

S. 195

12

CHRISTIAN HUEMER —— Ein Schloss als „Asyl“ für die Moderne 13

S. 202

Alice Hoppe-Harnoncourt

S. 207

Gemäldegalerie und Akademie der bildenden Künste Sabine Grabner

S. 210

Hans Tietzes Museumsreform Katinka Gratzer-Baumgärtner

CÄCILIA HENRICHS —— Kunst für Alle ? Die Österreichische Staatsgalerie zwischen Kunsterleben und Belehrung 14



SABINE GRABNER —— Die „Moderne Schule“ in der ­kaiserlichen Gemäldegalerie

S. 143

Ein Kuss für die Moderne Galerie Stefan Lehner

MATTHEW RAMPLEY —— Museen moderner Kunst im späten Habsburgerreich

S. 192





Das k. k. Wandermuseum Christian Huemer

GERNOT MAYER —— Die Museumswerdung der ­kaiserlichen Gemäldegalerie

8

11



S. 110

S. 125

Bilder und Zitate

Vom Österreichischen Staatsgalerieverein zum Verein der Museumsfreunde in Wien, 1911/12–1938 Cäcilia Henrichs

GEORG LECHNER —— Die Gründung des Barock­ museums im Unteren Belvedere

Das Ephesos Museum zu Gast im Unteren Belvedere Georg Plattner 15

10

BJÖRN BLAUENSTEINER —— Zu Vorgeschichte und Genese des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst

Kapitel IV Das Museum im Nationalsozialismus 1938–1945 S. 221

16

S. 223 S. 229

Christoph Zuschlag

Bilder und Zitate 17

S. 230

„Entartete Kunst“

18

Die Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Wien Sabine Plakolm-Forsthuber

Deakzession Christoph Zuschlag

S. 240

CHRISTOPH ZUSCHLAG —— Zur Verstrickung der Museen in die NS-Kulturpolitik

S. 246

MONIKA MAYER —— Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit

S. 253

Kunsthandel und Auktionen in Wien 1938–1945 Leonhard Weidinger

S. 258

SABINE PLAKOLM-­ FORSTHUBER —— Die NSKunstpolitik in der ­Gaustadt Wien

S. 267

Die Gustav-Klimt Ausstellung von 1943 Johanna Aufreiter

19

20

Kapitel V Wandel und Kontinuitäten nach 1945

S. 275 S. 293

Bilder und Zitate 21

S. 307

22

S. 312

Museale Selbstbilder auf dem Prüfstand Luise Reitstätter,

Mapping the Hood. Das Quartier Belvedere

26



Anna Frasca-Rath

Christiane ­Erharter

BRIGITTE BORCHHARDT-­ BIRBAUMER —— „Unsere ­Moderne machen wir uns selber !“ Österreichs verzögertes Wieder­ anknüpfen an die internationale Avantgarde nach 1945

S. 325

Zur Gründungsgeschichte des Museums des 20. Jahr hunderts / 20er Haus Claudia Slanar

S. 344

S. 353

25

Franz Smola

LUISA ZIAJA —— Auf der Suche nach (einem Ort) der zeitge­ nössischen Kunst. Zur program­ matischen Entwicklung von 1945 bis in die Gegenwart

S. 336

Erweiterungen des Museums in den digitalen Raum Christian Huemer

Die Marke „Wien um 1900“

S. 320

S. 331

S. 349

Perspektiven 2023 S. 356

STELLA ROLLIG im Gespräch mit WOLFGANG ULLRICH

23

Restitutionen nach 1945 und das Kunstrückgabegesetz 1998 Monika Mayer 24

MARTIN FRITZ —— 2000 bis 2020. 19 Jahre Wachstum NORA STERNFELD —— ­ Kritische Nischen. Demokrati­ sierungsprozesse in der jüngeren Geschichte des Belvedere

Appendix S. 368 Chronologie S. 374

Visualisierung der Sammlungsbestände

S. 378 Bibliografie S. 388 Personenregister S. 392 Autor*innen S. 396 Bildnachweis S. 397 Abkürzungen S. 398 Impressum

S.

8

STELLA ROLLIG —— Vorwort

„Arbeite fürs Leben“, ruft Alexander Rodtschenko 1920 in seinen Slogans den Künstler*innen zu, „nicht für Paläste, Kathedralen, Friedhöfe und Museen.“ Ganz ähnlich, wenn auch aus einer politisch konträren Haltung, das Futuristische Manifest : „Wir wollen die Museen zerstören.“ Bis heute ist das Museum auf der Flucht vor der Unterstellung, elitär, exklusiv und hoffnungslos altmodisch zu sein, ein Grab der Ver­ gangenheit. Also wurden die Museen im Lauf des 20. Jahrhunderts zu Or­ ten der Präsentation, schließlich der Produktion zeitgenössischer Kunst, ermöglichten die nachhaltige Entwicklung von neuer Kunst wie Perfor­ mances, Installationen oder partizipativen Projekten, indem sie diesen nicht nur Raum, sondern auch Produktionsmittel boten. Entwickelten zu­ gängliche Ausstellungen, Vermittlungsprogramme, Angebote für Kinder, Diskursforen, Nachbarschaftszirkel, organisierten Konzerte und Partys. Das gilt für das Belvedere wie für Hunderte, wahrscheinlich Tausende Kunstmuseen weltweit. Sie vibrieren, sie sind voller Leben. Was das Belvedere von den meisten unterscheidet, ist sein Alter. Dreihundert Jahre. Mit dem Jubiläumsjahr 2023 feiern wir die Fertigstel­ lung des Oberen Belvedere – von Beginn an dank seines Bauherrn und Besitzers Prinz Eugen von Savoyen ein Ort der Kunst. 1777 wurde es unter Regentin Maria Theresia zu einem der ersten öffentlich zugänglichen Mu­ seen Europas (die Uffizien in Florenz zum Beispiel öffneten sich 1769 dem Publikum). Diese Historizität bedeutet nicht nur ein geschichtsträchti­ ges, prachtvolles Ambiente. Sie ermöglicht und, man möchte sagen, ver­ pflichtet zur Museumsarbeit im Bewusstsein der großen zeitlichen Spanne dieser drei Jahrhunderte. Vor dem Hintergrund epochaler Entwicklungen und Ereignisse wurde diese immer auch durch museologische Diskurse und Erkenntnisse ihrer Zeit beeinflusst. Aus der historischen Perspektive erweisen sich alle Veränderungen als evolutionär, kaum je radikal. Das Sammeln, Bewahren, Beforschen und Vermitteln von Kunstwerken war und bleibt Gravitationszentrum der Identität und der Aufgabe. „Kunst, Forschung, Bildung“ haben wir erst vor Kurzem in einem internen Pro­ zess als Leitmotive bestätigt. Das heißt dennoch nichts weniger als auf der Stelle zu treten. In mannigfaltiger Hinsicht entwickeln wir ständig

neue Ideen und Konzepte. Innovative Ausstellungsformate entstehen, die Geschichte der Sammlung, auch im Hinblick auf Schuld und Komplizen­ schaft in der Zeit des Nationalsozialismus, wird offengelegt. Ein Public Program ermuntert zu Gemeinsamen Wagnissen (so sein verlockender Ti­ tel). Die 2022 nach langen, kontroversiellen Debatten beschlossene erneu­ erte Museumsdefinition von ICOM (International Council of Museums), mit der Inklusion, Zugänglichkeit, Diversität und Nachhaltigkeit als un­ verhandelbare Eigenschaften eines Museums festgehalten worden sind, ist dem Denken des Belvedere-Teams nichts Neues. Die Coronapandemie, deren Ausbruch 2020 eine Schockwelle der gesundheitlichen, sozialen und nicht zuletzt finanziellen Verwüstung durch die Museumswelt gejagt hat, die man sich in wenigen Jahren kaum mehr wird vorstellen können, die alarmierende Klimakrise, Kriege, Bürgerkriege, ökonomische Ver­ werfungen, der Zugriff der Tech-Giganten und der Digitalindustrie auf alle Lebensbereiche mit enormen psychologischen Effekten … das alles beeinflusst und verändert die Museumsarbeit. Dennoch ist sie in ihrem Wesenskern einer Beständigkeit verbunden, einer Verpflichtung gegen­ über dem anvertrauten Kulturerbe, aber auch einem zutiefst menschli­ chen Bedürfnis nach Verwurzelung der eigenen Existenz im Nährboden der Vergangenheit, um eine lebenswerte Zukunft zu ersinnen. Diesen Gedanken verbildlicht das Logo des Jubiläumsjahres, für das Paul ­Mayer, der Art Director des Belvedere, das Schloss mit Wurzeln versehen und in eine dynamische Drehung versetzt hat (→ S. 398). Eine Zwischenbilanz nach den ersten dreihundert Jahren könnte also lauten, im Sinn des Fürs­ ten von Salina im berühmten Roman Der Leopard von Giuseppe Tomasi di ­Lampedusa : Das Museum muss sich verändern, damit alles beim Al­ ten bleibt. Das Jubiläumsjahr gibt uns Anlass und Lust zu außergewöhnli­ chen Ausstellungen, Veranstaltungen, infrastrukturellen Veränderungen und nicht zuletzt zu diesem vorliegenden Buch. Einen „goldenen Früh­ ling“ rufen wir aus, ein glänzendes Jahr der Zuversicht, der Gemeinsam­ keit, der Freude. Menschen feiern Feste auch in schwierigen Zeiten, um Kraft für deren Bewältigung zu gewinnen. Wir feiern die Künstler*innen : Das Belvedere 21 vermittelt ein ganzes Jahr lang Visionen und Energie zeitgenössischer, in Österreich entstehender Kunst. Im Unteren Belve­ dere würdigen wir Louise Bourgeois, eine der größten Künstler*innen des 20. Jahrhunderts, mit ihrem zutiefst existenziellen, mutigen, ergrei­ fend schönen Lebenswerk, ausgehend von ihrer frühen Malerei, die in diesem Umfang erstmals in Europa zu sehen ist. Eine völlig neue Lesart stellt Gustav Klimt in die Stilgeschichte der internationalen Moderne und überwindet damit seine hartnäckige kunsthistorische Positionierung als solitäres Wiener Phänomen : Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse … In der Orangerie ermöglicht die aus den Beständen und dem Archiv zu­

S.

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sammengestellte Schau Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst Verständ­ nis für die wechselvolle Geschichte des Hauses und der hier verwahrten Kunstsammlungen (→ S. 310). Als wäre das noch nicht genug, inspirierte uns der Überschwang des Festjahres zu zwei Großprojekten : einer Ausstellung zeitgenössischer Skulpturen und Installationen auf dem gesamten Belvedere-Areal vom Kammergarten beim Unteren Belvedere bis zum Garten des Belvedere 21. Public Matters, wofür wir den englischen Titel mit seinem willkommenen Doppelsinn gewählt haben, versammelt etwa dreißig Werke internationa­ ler Künstler*innen im barocken Garten bis hin zum modernen Ambiente des Schwanzer-Baus im Schweizergarten. Werke aus der Sammlung, Leih­ objekte und Auftragsarbeiten, vielstimmige Erzählungen über den Ort und seine Geschichte – unter offenem Himmel, bei freiem Eintritt. Für das Obere Belvedere hat das gesamte kuratorische Team eine komplett neue Aufstellung der Sammlung erarbeitet. Auch hier stehen die Künst­ ler*innen im Mittelpunkt. Wie prägt eine Epoche ihre Kunst ? Wie reagie­ ren Künstler*innen auf Umbrüche und Krisen und sind dabei selbst Teil gesellschaftlicher Entwicklungen ? Ein chronologischer Rundgang führt die Besucher*innen anhand von etwa vierhundert Werken, viele davon erstmals ausgestellt, durch achthundert Jahre künstlerischer Produktion – von der Romanik bis in die 1970er-Jahre. Wie kann man in diesem barocken Prachtbau – entworfen, um zu überwältigen, um politische Macht und künstlerische Raffinesse zu demonstrieren – den Aufenthalt für heutige Gäste angenehmer gestal­ ten ? Wo ist Raum, um müde Beine auszuruhen, einen Katalog durchzu­ blättern, ein WhatsApp zu schicken ? Wir haben die Künstlerin Sascha Reichstein gebeten, im Erdgeschoß eine Lounge zu gestalten. Wir haben darüber hinaus in drei Stockwerken ausgemalt, vergoldet, abgeschlagene Ecken und Kanten erneuert. Wir werden „grün“ : Seit 2021 trägt das Belve­ dere das Österreichische Umweltzeichen. Die kontinuierliche Sanierung sämtlicher Fenster im Oberen Belvedere ist eine wirksame Maßnahme des Energiesparens. Für das Flachdach des Belvedere 21 ist eine Photo­ voltaik-Anlage in Vorbereitung. Digitale Wissensvermittlung wird laufend ausgebaut. Strategische Entscheidungen mitsamt ihrer bereits erfolgten Implementierung sind Open Science, Knowledge Sharing und Open Content. Tatsächlich sind die rasante Entwicklung von Web 3.0, Mixed-Reality-Applikationen und Metaverse die großen Themen des Museums, in dem analoge und digitale Erfahrung sehr bald und ganz selbstverständlich verschmelzen werden. Dreihundert Jahre und so viel Zukunft ! Ich bin allen Vorgän­ ger*innen, die an der Spitze dieses unvergleichlich schönen und reichen Museums gestanden sind (→ S. 369−373), unendlich dankbar, dass sie das Belvedere zu dem Leuchtturm gemacht haben, als der es heute aus der

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europäischen Kulturlandschaft in die Welt strahlt. Und ich danke von Herzen dem gesamten Team des Belvedere für seinen Enthusiasmus und die unerschöpf‌liche, ansteckende Energie, mit der es nicht nur dieses Ju­ biläumsjahr gestaltet. An dieser Stelle darf ich nur einem Kollegen na­ mentlich danken : Christian Huemer, dem Leiter des Belvedere Research Center, der dieses Buch konzipiert und mit mir herausgegeben hat. So vieles wird sich ändern, damit alles beim Alten bleibt.

Dank Eine umfassende und komplexe Publikation wie die vorliegende ist ohne die Expertise und das Engagement einer Vielzahl von Beteiligten nicht realisierbar. Das Konzept verdankt sich einem kooperativen Prozess, in dem die Autor*innen der längeren Textbeiträge nicht einfach Auftrags­ arbeiten ablieferten, sondern sich in drei Workshops auf einen intensi­ ven inhaltlichen Austausch einließen. Wir bedanken uns für die uns zur Verfügung gestellte Zeit und die anregenden Diskussionsbeiträge ganz besonders bei : Brigitte Borch­ hardt-Birbaumer, Nora Fischer, Antoinette Friedenthal, Martin Fritz, Thomas W. Gaehtgens, Sabine Grabner, Cäcilia Henrichs, Alice HoppeHarnoncourt, Georg Lechner, Gernot Mayer, Monika Mayer, Matthew Rampley, Nora Sternfeld, Silvia Tammaro, Luisa Ziaja und Christoph ­Zuschlag. Mit Rat und Tat dabei waren anfangs auch Gudrun Swo­ boda und Beatrice von Bismarck. Für ihre Unterstützung gedankt sei zu­ dem a ­ llen anderen Autor*innen : Johanna Aufreiter, Björn Blauensteiner, Thomas DaCosta Kaufmann, Christiane Erharter, Anna Frasca-Rath, ­Katinka Gratzer-Baumgärtner, Stefan Lehner, Sabine Plakolm-Forst­ huber, Georg Plattner, Luise Reitstätter, Claudia Slanar, Franz Smola, Wolfgang Ullrich, Leonhard Weidinger und Christian Witt-Dörring. Ma­ ximilian Kaiser steuerte die Visualisierungen der Sammlungsdaten im Anhang bei. Obwohl Jubiläumsausstellung und Jubiläumspublikation separat konzipiert wurden, gab es allein aufgrund personeller Über­ schneidungen Funkensprünge in beide Richtungen. Deshalb sei hier der einzige anderweitig noch nicht genannte Kollege im kuratorischen Team der Ausstellung erwähnt : Alexander Klee. Ein Dank geht an alle Kolleg*innen im Belvedere und in ande­ ren Institutionen für ihre Hilfe bei der Beschaffung von Literatur, Quel­ lendokumenten und Bildmaterial : Anna Blau, Bettina Bosin, Delphine Burghgraeve, Nikolaus Domes, Gianmaria Gava, Nicole Gyürü, M ­ ichael Huey, Alice Hunds­dorfer-Zhou, Adolf Krischanitz, Sarah Kronschläger, Stefan Mach, Thomas Matyk, Ouriel Morgensztern, Carmen Müller, ­Gerald Piffl, Lorenz Seidler, Johannes Stoll, ­Wolfgang Thaler, Alexandra Travnicek-Grünvald, Natascha Unkart, Katharina Wallerits, ­Caroline

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Wedam, Eva Würdin­ger. Besonders aufwendig gestalteten sich Recherche und Auswahl der Besucher*innenstimmen, worum sich Cäcilia Henrichs, Silvia Tammaro, Monika Mayer, Caroline Wedam, Katinka GratzerBaumgärtner und Georg Lechner annahmen. Franz Gschwandtner un­ terstützte uns bei der Wiederentdeckung der Bibliotheksschränke des Prinzen Eugen im Theresianum. Selbst der komplexe Redaktionsprozess dieses zweisprachigen Buches bedurfte eines vielköpfigen Teams, dessen Leistung ausdrück­ lich gewürdigt werden muss. Allen voran sei Monika Mayer erwähnt, die als unser institutionelles Gedächtnis viele Texte inhaltlich kommen­ tierte, korrigierte und ergänzte. Für einzelne Kapitel übernahmen diese Aufgabe die Kurator*innen Georg Lechner, Sabine Grabner, Luisa Ziaja sowie Anna-Marie Kroupová und Stefan Lehner im Research Center. Für das präzise und gewissenhafte deutsche Lektorat sowie die Erstellung der umfassenden Bibliografie sind wir Katharina Sacken zu Dank ver­ pflichtet, für das englische Lektorat Betti Moser. Eine große Unterstüt­ zung war auch Jutta Mühlenberg, die ein ausführliches Personenregister für beide Sprachausgaben erstellte. Die professionellen Übersetzungen lieferten Rebecca Law, Wilfried Prantner, Nick Somers, Sarah Swift und Jessica West. Die ausgeklügelte und ansprechende grafische Gestaltung entwickelte Marie Artaker, Kevin Mitrega war für den sauberen Text­ satz und die Detail­typografie verantwortlich. Dominik Strzelec half bei der Adaptierung der Architekturzeichnungen für die Prägung auf dem Cover. Manfred Kostal von Pixelstorm hat die Bilder wunderbar für den Druck vorbereitet und viele Retuschen vorgenommen. An Reinhard Gug­ ler durften wir uns mit einer Reihe von Spezialfragen zu Prägung, Papier, Registerschnitt, Ausklapper und vielem mehr wenden. Katharina Holas betreute die Publikation mit Enthusiasmus vonseiten des Verlags. Wir danken allen für ihre Geduld und die fachkundige Unterstützung. Die Fäden liefen immer wieder bei Eva Lahnsteiner zusammen, die mit Umsicht, Sorgfalt und Nervenstärke die reibungslose Produktion des Buches koordinierte und sich darüber hinaus auch inhaltlich maß­ geblich in die Redaktionsagenden einbrachte. Das Gelingen dieser Publi­ kation ist ganz wesentlich ihr Verdienst. Unterstützt wurde sie von Beba Pikall-Kotyza. Vielen Dank an alle Beteiligten ! Stella Rollig, Christian Huemer

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CHRISTIAN HUEMER —— Einleitung

1 http://icom-oesterreich. at/page/die-neue-icommuseumsdefinition (zuletzt besucht am 31. 3. 2023). Die offiziel­ ­l e deutsche Überset­ zung ist noch ausstän­ dig. 2 Mechel 1783, S. IX.

Das Verständnis des Museums und seiner gesellschaftlichen Funktion ist einer ständigen Revision unterworfen. Nach Jahrzehnten des weltweiten Booms hat ICOM, das International Council of Museums, am 24. August 2022 in Prag eine neue Museumsdefinition verabschiedet, der ein leiden­ schaftlicher Diskussionsprozess vorangegangen war. Lange Zeit galten Museen im Kern als gemeinnützige Einrichtungen, die materielle und immaterielle Zeugnisse des Menschen und seiner Umwelt sammeln, be­ wahren, erforschen, vermitteln und ausstellen. Die neue Auslegung des Weltmuseumsverbands streicht dagegen deren gesellschaftspolitische Rolle hervor und fordert sie auf, sich als demokratisierende, inklusive und vielstimmige Räume für den kritischen Dialog über Vergangenheit und Zukunft zu verstehen : „Offen für ihr Publikum, zugänglich und integrativ, fördern Museen Vielfalt und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommuni­ zieren ethisch, professionell und unter Beteiligung der Gemeinschaften und bieten vielfältige Erfahrungen für Bildung, Vergnügen, Reflexion und Wissensaustausch.“ 1 All diese Werte finden sich auch im aktuellen Mission-Statement des Belvedere „A museum that matters“. Am Wiener Belvedere lässt sich der Wandel des Museumsbegriffs in Europa über drei Jahrhunderte exemplarisch nachvollziehen. Das 1723 fertiggestellte Gartenpalais war ursprünglich zwar nicht als Museum kon­ zipiert, sondern von Prinz Eugen von Savoyen beim Architekten Johann Lucas von Hildebrandt zum Zwecke fürstlicher Repräsentation in Auftrag gegeben worden. Dennoch erwies sich die „Schicklichkeit des Gebäudes“ wie geschaffen für kunsthistorische Inszenierungen, wie schon Christian von Mechel als früher kuratorischer Nachnutzer wusste : „Dieses zuerst von dem unsterblichen Eugen blos zum Vergnügen und seinem SommerAufenthalte […] erbaute Lustschloß fand sich durch die inwendige ZimmerEintheilung und Höhe der Stockwerke so bequem zu dieser Absicht, daß man denken sollte, der Held hätte damals schon den Gedanken gehabt, der Kunst einen Tempel zu bauen.“ 2 Mit der Ausstattung des einzigarti­ gen Gesamtensembles beauftragte Prinz Eugen italienische Malerstars wie Francesco Solimena, Carlo Innocenzo Carlone oder Giacomo del Pò. Die nach Eugens Tod großteils nach Turin verbrachte Gemäldesammlung

S.

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zählte zu den eindrucksvollsten Wiens, die Zeichnungen und Druckgrafiken stellen heute einen wichtigen Bestand der Albertina dar (→ S. 71), die Schätze der Bibliotheca Eugeniana zieren das Mitteloval des Prunksaals der Nationalbibliothek. Die Geburt des öffentlichen Kunstmuseums war kein Resultat der Französischen Revolution, wie oft angenommen, denn allein zeitlich liegt der Louvre mit seiner Eröffnung im Jahre 1793 international eher im Hin­ tertreffen. Der (zunft-)freie Künstler wie das öffentliche Kunstmuseum ver­ danken ihre Existenz fürstlichen und höfischen Überlegungen. In Wien fasste Maria Theresia 1776 den Entschluss, die kaiserliche Gemäldegale­ rie von der Hof‌burg in das Obere Belvedere zu übersiedeln und der Bevöl­ kerung zugänglich zu machen. Das nach Schulen gegliederte rationale Ordnungsprinzip von Mechel (→ S. 82), den Kaiser Joseph II. für die Auf­ gabe der Neuaufstellung auserkoren hatte, verfolgte eine ausgesprochen didaktische Absicht, die nicht nur von zahlreichen Museen internatio­ nal übernommen wurde, sondern auch die Anfänge der Kunstgeschichte als akademische Disziplin maßgeblich prägte. Es wurde zudem überzeu­ gend argumentiert, dass die Raumsequenzen barocker Paläste wie jene des Belvedere letztlich bis in die entwicklungsgeschichtlichen Narrative der Moderne hineinwirkten. Anstatt funktionale Neubauten zu errich­ ten, wurden in ganz Europa zunächst Schlösser und Paläste für museale Zwecke nachgenutzt, das Provisorium der staatlichen Modernen Galerie im Belvedere blieb eine Dauerlösung (→ S. 153). Obwohl die kaiserliche Sammlung auch Werke lebender Künst­ ler*innen beinhaltete, wurde 1903 auf Betreiben der Secessionisten und mit Unterstützung von Kaiser Franz Joseph I. die Moderne Galerie im Unte­ ren Belvedere aus der Taufe gehoben. Die Musealisierung der Avantgarde war das Gebot der Stunde. Österreichisches Kunstschaffen im interna­ tionalen Kontext zu präsentieren, wie es der ursprüngliche Gründungs­ gedanke vorsah, bestimmt bis heute die programmatische Ausrichtung des Belvedere. Die Verstrickung des Museums in die nationalsozialisti­ sche Kulturpolitik wird im Buch ebenso thematisiert wie die zögerlichen Versuche, nach dem Zweiten Weltkrieg Anschluss an die internationale Avantgarde zu finden. Die letzten Jahrzehnte stehen im Spannungsfeld zwischen Demokratisierungstendenzen einerseits und einer Ökonomisie­ rung des Museumsbetriebs andererseits, zwischen kritischer Befragung der Gegenwart und Bedienung touristischer Erwartungen. Die dreihundertjährige Geschichte des Belvedere auf dreihundert Seiten zu erzählen ist eine ebenso große Herausforderung wie sie auf drei­ hundert Quadratmetern auszustellen. Zwar nimmt die aktuelle Schau in der Orangerie ganze 354 Quadratmeter ein (→ S. 310), und das vorliegende Buch ist schließlich auf 398 Seiten angewachsen. Dennoch musste die Kunst des Weglassens bemüht werden. Historische Ereignisse, für die das (→ S. 62−63)

S.

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3 Savoy 2006  ; Paul 2012  ; Rampley/Prokopo­ vych/Veszprémi 2020. Zum Thema europäi­ sche Sammlungs­ kulturen um 1800 siehe auch die grundlegende Publikation von ­Swoboda 2013a. 4 Husslein-Arco/Schoeller 2011  ; Frodl/Kräut­ ler 2004. 5 Städel Museum 2015  ; Portús 2019  ; Bayer/­ Corey 2020.

Belvedere allein die schmucke Kulisse bot, kommen daher nur am Rande vor : Das pompöse Maskenfest etwa, das am 17. April 1770 anlässlich der Hochzeit von Marie Antoinette und dem späteren französischen König Ludwig XVI. auf dem Belvedere-Areal stattfand, die Nutzung des Oberen Belvedere als Residenz für Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Familie (1898−1914) oder selbst die für die österreichische Identi­ tät so wichtige Unterzeichnung des Staatsvertrags im Marmorsaal am 15. Oktober 1955 finden nur im Anhang Erwähnung (→ S. 368−373). Hier ist nicht der Ort, um die in den letzten fünf Jahrzehnten ex­ ponentiell angewachsene Literatur zur Geschichte der Institution Mu­ seum auch nur im Ansatz zu besprechen. Neben den zahlreichen auf einzelne Häuser oder einzelne Aspekte spezialisierten Studien brachte die Forschung in den letzten Jahren einige vergleichende Überblicks­ publikationen hervor : ­Genannt seien hier nur beispielhaft Bénédicte ­Savoy, Tempel der Kunst. Die Geburt des öffentlichen Museums in Deutschland 1701–1815 (2006), ­Carole Paul, The First Modern Museums of Art : The Birth of an Institution in 18th- and Early-19th-Century Europe (2012) oder Matthew Rampley, The Museum Age in Austria-Hungary : Art and Empire in the Long Nineteenth C ­ entury (2020).3 Speziell auf das Belvedere bezogen gab es bislang zwei Anläufe, die longue durée ins Visier zu bekommen : Das Belvedere. Genese eines Museums (2011) stellt die Entwicklung bis 1900 dar ; der geplante zweite Band ist nie erschienen. Das Museum. Spiegel und Motor kulturpolitischer Visionen (2003) ist ein Tagungsband, heraus­ gegeben anlässlich des einhundertjährigen Bestehens des Museums.4 Die vorliegende Publikation ist keine Festschrift, wie sie etwa das Städel Museum zu seinem zweihundertjährigen Bestehen (2015) he­ rausgegeben hat. Wir wollten unsere Geschichte nicht inhouse schreiben, sondern durch die Einbeziehung externer Expert*innen eine kritische Außenperspektive gewinnen. Das Buch als Sammlungsgeschichte zu konzipieren, wie etwa zweihundert Jahre Museo del Prado (2019) oder 150 Jahre Metropolitan Museum of Art (2020), kam schon deshalb nicht infrage, weil die Geschichte der Bestände des heutigen Museums nur bis zu den Anfängen der Modernen Galerie ins späte 19. Jahrhundert zurück­ reicht.5 Dafür gibt es im Anhang mehrere Sammlungsvisualisierungen nach aktuellem Stand (→ S. 374−377). Schnell wurde klar, dass nicht so sehr die Werke als vielmehr die Besucher*innen im Mittelpunkt stehen sollten. Der zunächst verlockende Ansatz des Strukturwandels der Öffentlichkeit (repräsentativ – bürgerlich – digital) nach Jürgen Habermas erwies sich bald als zu starres Korsett, um damit arbeiten zu können. Letztlich wur­ den Inhalt, Struktur und Methodik des Buches während drei Workshops entwickelt, in die sich die Autor*innen der längeren Hauptbeiträge aktiv einbrachten. Dieses Format ermöglichte, gemeinsame Fragestellungen zu etablieren und inhaltliche Überschneidungen weitgehend zu vermei­

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den. Es sollten einzelne Erzählstränge und Diskurslinien über Epochen­ grenzen hinweg sichtbar werden, selbst wenn am Ende 33 Autor*innen in das Projekt involviert waren. Ziel war, mehr als einen Sammelband mit unzusammenhängenden Artikeln zu realisieren, auch wenn die große, lückenlose Erzählung wie aus einer Feder nie wirklich angestrebt war, das Produkt bewusst collagenartig, fragmentarisch und multiperspekti­ visch bleiben sollte. Das aus den Workshops hervorgegangene Konzept wurde auf Ba­ sis der vier zentralen Begriffe Sammeln – Ordnen – Zeigen – Öffnen von Marie Artaker auf überzeugende Art und Weise ins Design des Buches übersetzt. Die Struktur der Publikation in fünf Kapiteln wird bereits am Buchblock außen erkennbar, zumal jedes Kapitel mit einer ausklappbaren Seite in „Timid Grey“ eingeleitet ist. Darauf sind die Bilder des Kapitels als Thumbnails nach Art der Petersburger Hängung mehrreihig ange­ ordnet und mit großen Zahlen versehen – ein Museumsbesucher*innen bekanntes grafisches Element in Begleitbooklets, das der Orientierung im Ausstellungsparcours dient. Oft Raumeinblicken gegenübergestellt, sind die Besucher*innenstimmen bewusst groß gesetzt, damit die*der Leser*in beim Durchblättern an kurzen, prägnanten Aussagen hängen bleiben kann. Die sogenannten Textboxen, im Layout variiert und zu­ rückgeschnitten, wirken wie eigenständige Elemente. Sie sollen das Ge­ fühl evozieren, im Archiv ein Dokument zu entdecken. In die Artikel sind zahlreiche Verweise eingebaut, um wie bei Hyperlinks zu weiterführender Information springen zu können. Das Multiperspektivische und Colla­ genartige des Konzepts zeigt sich außerdem im Aufeinandertreffen einer Vielzahl von Schriftarten und -größen, von schnörkeligen Initialen bis zu sans serif, alles vom Stichwerk Salomon Kleiners abgeleitet. Auch die barocke Architektur inspirierte das Design : Das Farbkonzept bezieht sich auf die pastelligen Töne eines Deckengemäldes im Unteren Belvedere. Viel Vergnügen beim Schmökern, viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre.

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THOMAS DACOSTA KAUFMANN —— Mäzenatentum und Sammeltätigkeit im Habsburgerreich um 1700



SILVIA TAMMARO —— Zwischen fürstlicher Repräsentation und leidenschaftlicher Sammeltätigkeit. Die Gemäldesammlung des Prinzen Eugen im Gartenpalais



ANTOINETTE FRIEDENTHAL —— Kunst, Kassetten, Klebebände. Prinz Eugen und die Schönheit der Klassifikation

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S. 52

S. 64

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Das Belvedere. Bau und Ausstattung

Das Winterpalais

Georg Lechner

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Georg Lechner

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Die Stichserie Residences Memorables

Die Bibliotheksschränke aus Prinz Eugens Winterpalais im Theresianum

Silvia Tammaro

Christian Witt-Dörring

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1697–1736

Kapitel I Prinz Eugen von Savoyen als Impresario der Kunst

Die Palläste in den Vorstädten sind viel schöner als die in der Stadt, und haben dieselbe so wohl Höfe als Gärten. Die schönsten darunter sind der Pallast von Trautsheim / Rofrano / Schwarzenberg, Altheim und des Prinzen Eugenii. Dieser leztere ist von allen andern ein gar herrliches Gebäude, mit einem vortreff‌lichen Garten, worinnen eine schöne Orangerie und grosser Zwinger-Garten vor allerhand rare Thiere, welche nur immer in den vier Theilen der Welt anzutreffen. In diesem grossen und schönen Hauß, bringet der Prinz Eugenius von Savoyen die angenehmste Jahrs-Zeit zu, und ist nichts so prächtig, als eine grosse Gesellschafft bey diesem Prinzen zu sehen. Der Vor-Hoff an dem Pallast, in dessen mitte eine schöne WasserKunst sich befindet, ist zusammt dem Garten mit einer unzehlichen Menge als Kugeln formirter Laternen von dem schönsten weissen Glaß, erleuchtet.

Kapitel I

Prinz Eugen von Savoyen als Impresario der Kunst

—— Nachrichten Des Baron Carl Ludwig von Pöllnitz : Enthaltend Was derselbe Auf seinen Reisen besonderes angemercket, Band 1, Frankfurt am Main 1735, S. 307 f.

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Die Skulpturen der Marmorgalerie Silvia Tammaro S. 41

1697–1736

S. 23

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Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Prospekt des Gartens des Prinzen Eugen und der angrenzenden Gärten des Salesianerinnenklosters und des Palais Schwarzenberg (sogenannte Vogelschau), 1731, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 24

Johann Bernhard Hattinger nach Salomon Kleiner, Längsschnitt durch das Obere Belvedere an der Ehrenhofseite, 1736, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 28

Jakob Gottlieb Thelott nach Salomon Kleiner, Audienzzimmer im Oberen Belvedere, 1731, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 30 Gottfried Pfauz nach

Salomon Kleiner, Bilderkabinett im Oberen Belvedere, 1733, Bibliothek des Belvedere, Wien

36 S. 33

Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Bibliothek im Oberen Belvedere, 1733, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 34

Jakob Gottlieb Thelott nach Salomon Kleiner, Haupttreppe im Oberen Belvedere, 1731, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 35

Jakob Gottlieb Thelott nach Salomon Kleiner, Großes Gesellschaftszimmer im Westen im Erdgeschoß des Oberen Belvedere, 1735, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 36 Jakob Gottlieb Thelott

← Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Bilderkabinett im Unteren Belvedere (Detail), 1740, Bibliothek des Belvedere, Wien

nach Salomon Kleiner, Schlosskapelle im Oberen Belvedere, 1733, Bibliothek des Belvedere, Wien

S. 39 Johann Jakob Grass-

mann nach Salomon Kleiner, Bildersaal im Oberen Belvedere, 1734, Bibliothek des Belvedere, Wien S. 40 Jakob Gottlieb Thelott

nach Salomon Kleiner, Marmorgalerie im Unteren Belvedere, 1740, Bibliothek des Belvedere, Wien

Kap. I 1697–1736 Prospekt des Gartens des Prinzen Eugen und der angrenzenden Gärten des Salesianerinnenklosters und des Palais Schwarzenberg (sogenannte Vogelschau), 1731

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Längsschnitt durch das Obere Belvedere an der Ehrenhofseite, 1736

1

Das Belvedere. Bau und Ausstattung Georg Lechner

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b 1697 erwarb Prinz Eugen von Savoyen Grundstücke am Rennweg und ließ zunächst aufwendige Planierungsarbeiten durchführen. In weiterer Folge zeichnete Dominique Girard für die Gestaltung des Gartens verantwortlich, während die beiden Schlösser (→ S. 23) sowie die Nebengebäude Schöpfungen von Johann Lucas von Hildebrandt sind : Das Untere Belvedere wurde in den Jahren von 1712 bis 1717 nach seinen ­P länen errichtet, das Obere im Anschluss daran von 1717 bis 1723. Nach dem Tod des Prinzen Eugen erbte seine Nichte Prinzessin Viktoria von Savoyen den gesamten Besitz. 1752 veräußerte sie das Belvedere zusammen mit dem Winterpalais in der Himmelpfortgasse (→ S. 49,  4  ) an die Regentin Maria Theresia. Damit gelangte es in kaiserlichen und schließlich öffentlichen Besitz. Sowohl der Garten als auch die Schlösser erfuhren eine ­reiche Ausstattung (→ S. 24), die die Interessen des Hausherrn widerspiegelten. Die Orangerien beim Unteren Belvedere beher­ bergten zahlreiche exotische Gewächse, die sehr bewundert wurden. Große Aufmerksamkeit widmete Prinz Eugen der Errichtung einer Voliere und einer Menagerie. Diese waren von Tieren bevölkert, die der erfolgreiche Feldherr oftmals aufgrund seiner guten internationalen Beziehungen erwerben konnte. Teile der Gartenskulpturen sowie Obere und Untere Kaskade, deren Betrieb einst eine eigene Wasserleitung erforderlich machte, haben sich bis heute erhalten. Im Zentrum des Unteren Belvedere steht das Corps de Logis mit dem zentralen Marmorsaal, der in seiner ursprünglichen Erscheinung erhalten ist. Er wird von einem Deckenfresko von ­Martino Altomonte geschmückt, das Apollo auf dem Sonnen­ wagen als Anführer der Musen zeigt und auf die schöngeistige Seite des einstigen Hausherrn anspielt (→ S. 51, Abb. 2). Im westlichen Teil des Schlosses befinden sich weitere Prunkräume, die sich vom Groteskensaal über die Marmorgalerie bis zum erst später unter Maria Theresia eingerichteten Goldkabinett erstre­c ken. Auch im Oberen Belvedere, das einst an der Süd­s eite im Halbstock betreten wurde, sind mehrere Räume mit der originalen Ausstattung auf uns herabgekommen. Im Haupt­g eschoß beeindruckt wiederum der Marmorsaal, wo im Deckenfresko von Carlo Innocenzo Carlone der ewige Ruhm des Prinzen Eugen im Kreise der Fürstentugenden verherrlicht wird. Carlone schuf auch die Fresken in dem nach ihm benannten Saal, der an die Sala terrena anschließt (→ S. 35), sowie in der Schlosskapelle. Letztere ist in ihrer ursprünglichen Erscheinung erhalten und beherbergt mit dem Altarbild von Francesco Solimena, das die Auferstehung Christi zeigt, ein Meisterwerk der neapolitanischen Barockmalerei (→ S. 36). S.

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2

Die Stichserie Residences Memorables Silvia Tammaro

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b 1720 weilte Salomon Kleiner in Wien, wo er einen Auftrag der Augsburger Kunstverleger Johann Andreas Pfeffel und Jeremias Wolff ausführte : Er sollte die wichtigsten Plätze, Schlösser, Kirchen und Profanbauten der Stadt zeichnen, die später in einer Stichserie mit Wiener Stadtveduten veröffentlicht wurden. In den folgenden Jahren fertigte der Künstler auch Zeichnungen von Palastbauten für den Kurfürsten und Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn sowie für dessen Neffen, Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn, an, die ebenso gestochen wurden. Wahrscheinlich angeregt durch solche Unternehmungen für die Familie Schönborn beauftragte Prinz Eugen Salomon Kleiner mit der Anfer­t i­g ung der Stichserie, die sein Gar­ ten­p alais am Rennweg zeigen sollte. Die Realisierung von Prinz Eugens Stichwerk dürfte ähnlich wie bei jenen der Familie Schönborn abgelaufen sein : Der Auftraggeber bezahlte die Anfer­ tigung der Zeichnungen, während die Publikationskosten vom Verleger getragen wurden. So sicherte sich Eugen ein repräsentatives Druckwerk mit der Darstellung seiner Paläste, das zugleich ein gewinnbringendes Produkt für den Abb. 1 Salomon Kleiner, Galerie im Stadtpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse, vor 1730, Wien Museum

Verlag bedeutete, mit dem ein inter­ nationales Publikum von Sammler*innen, Bibliophilen und Kunstinteressierten bedient werden konnte. Die Stichserie zu Prinz Eugens Gartenpalais erschien von 1731 bis 1741 in zehn selbstständigen Folgen. Die 114 Tafeln zeigen den Zustand der Ausstattung und der S­ ammlung, wie er von Salomon Kleiner um 1729/30 dokumentiert wurde (→ S. 23–43). Auch das Stadtpalais des Prinzen sollte nach ursprünglichem Plan innerhalb dieses Publikationsprojekts präsentiert werden, wie einige noch erhaltene Vorzeich­ nungen von Kleiner belegen (Abb. 1, → S. 70, Abb. 1) . Dieser Teil der Serie wurde aber schließlich nicht veröffentlicht, während 13 Tafeln der Menagerie mit den exotischen Tieren des Prinzen gewidmet ­w urden. Salomon Kleiner verwendete für die Herstellung der Zeichnungen eine Camera obscura. Diese Apparatur – ein Kasten, in den durch eine kleine Öffnung Licht einfällt – erzeugt auf dem Kopf stehende, seitenverkehrte Projektionen der Wirklichkeit, deren Umrisse vom Künstler nur noch auf Papier übertragen werden mussten. Mithilfe eines solchen optischen Instruments konnte Kleiner alle Details der Innenräume von Eugens Residenz, wie etwa die Ausstattung, die Dekorationen, das Mobiliar sowie auch die Kunstsammlung, in korrekter Proportionierung und perspektivischer Verkürzung wiedergeben. Die Gemälde an den Wänden und Decken sind so genau dargestellt, dass auch auf den Stichen die jeweiligen Sujets der Bilder gut erkennbar sind.

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S.

1697–1736

Kap. I

Kap. I 1697–1736 Audienzzimmer im Oberen Belvedere, 1731

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Bilderkabinett im ­Oberen Belvedere, 1733

—— Johann Georg Keyßler, Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen, Hannover 1741, S. 1222

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Kap. I 1697–1736

In dem Zimmer bey des Prinzen Schlafgemache sind viele kostbare kleine Gemälde zu sehen, und in der nächsten Kammer ein sehr kostbarer Leuchter von Cristall de Roche, der über zwanzigtausend Gulden werth ist. Ein allhier befindliches holländisches Stück, so drey­ zehntausend Gulden gekostet hat, stellet sehr natürlich eine sterbende alte Frau vor, vor welcher ihre Tochter auf den Knieen liegt, um Abschied zu nehmen, da indessen eine Magd Arzney in einem Löffel einreibt, und der Arzt den Urin besieht.

Prinz Eugen war so höf‌lich mir gestern seine Bibliothek zu zeigen ; wir fanden ihn in Gesellschaft des Rousseau und seines Lieblings des Graf Bonne­ vals, der ein wiziger Mann ist, und hier für einen sehr kühnen unternehmenden Geist gehalten wird. Die Bibliothek ist ohne zahl­reich zu seyn, gut gewählt ; da aber der Prinz nur solche Ausgaben in dieselbe aufnimmt, die den Blik durch äußere Schönheit feßeln, und gleichwohl ungemein viel tref‌liche Bücher nur sehr mittelmäßig gedrukt sind so verursacht dieser etwas übertriebene und ver­ zärtelte Geschmak, manche unangenehme Lüken in seiner Sammlung. Die Bücher sind auf das prächtigste in türkisch Leder eingebunden, und zween der berühmtesten Buchbinder wurden ausdrüklich von Paris verschrieben, um diese Arbeit zu übernehmen. —— Neuere Briefe der Lady Marie Worthley Montague an verschiedene ihrer Freunde nebst Popens Briefen an diese Dame, Nürnberg 1786, S. 45 f.

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Kap. I 1697–1736 Bibliothek im Oberen Belvedere, 1733

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Haupttreppe im ­Oberen Belvedere, 1731

Kap. I 1697–1736 Großes Gesellschaftszimmer im Westen im Erdgeschoß des ­Oberen Belvedere, 1735

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—— Johann Basilius Küchelbecker, Allerneueste Nachricht vom Römisch-Käyserl. Hofe, Hannover 1730, S. 786

← Schlosskapelle im ­Oberen Belvedere, 1733

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Kap. I 1697–1736

Darauf folget die Capelle, welche in dem einen niedrigen Thürmgen an der ersten Ecke rechter Hand gegen Morgen angeleget ist. Ob nun gleich dieselbe nicht gar zu groß, so ist sie doch sehr schön, und durchgänglich mit braunen Marmor bekleidet vergoldet. Am Altar ist das schöne Gemählde, so die Auferstehung Christi vorstellet, und nach diesen die grossen und starck vergoldeten Festons sonderlich zu remarquiren.

Unter denen treff‌lichen Gemälden, welche in den übrigen Zimmern anzutreffen sind, soll Adam und Eva in Lebensgröße funfzigtausend Gulden ge­kos­ tet haben ; ein Frauenzimmer, das einen Jüngling im Bade umhalset, drenßigtausend Gulden, und der Jäger Endymion mit der Diana zwölf­tausend Gulden. Eine Copey von den drey Gratien des Rubens wird auch sehr hoch gehalten. —— Johann Georg Keyßler, Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen, Hannover 1741, S. 1222

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Kap. I 1697–1736 ↑ Bildersaal im Oberen Belvedere, 1734

→ S. 40 Marmorgalerie im Unteren Belvedere, 1740

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Die Skulpturen der Marmorgalerie Silvia Tammaro

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ugen von Savoyen besaß auch eine Antiken- und Skulpturensammlung. Diese war im Garten sowie in der sogenannten Marmorgalerie im unteren Gartenpalais (→ S. 40) aufgestellt. Diese noch heute bestehende Galerie verdankt ihren Namen dem Material, mit dem sie ausgekleidet ist, offensichtlich eine Hommage auf den Marmor, aus dem die darin aufgestellten Statuen gefertigt sind. Den Boden zieren rotbraune, weiße und ockerfarbene ­Marmorbänder, die an den Wänden in Marmor oder Marmorimitat weitergeführt werden. Die weißen Stuckarbeiten an der Decke, Santino Bussi zugeschrieben, waren damals mit goldenen Akzenten versehen, die heute nicht mehr vorhanden sind. Das Stuckrelief in der Mitte stellt die Apotheose des Prinzen als ­k riegerischer Held dar, während Kriegstrophäen an den Wänden auf die militärischen Erfolge des Hausherrn ­v erweisen. Die zwei Spiegel an den Seiten der Galerie lassen den Raum ins Unendliche vergrößert erscheinen. Die Wand zum Garten hin ist mit Fenstern und einer Tür versehen, durch diese führt eine Treppe ins Freie, sodass der Innenraum fließend mit dem Außenraum verbunden ist. In einer Nischenarchitektur, die die gesamte gegenüberliegende Wand einnimmt, wurden „moderne“ und „antike“ Statuen nebeneinander aufgestellt. Prinz Eugen besaß die kostbarsten Antiken in ganz Wien : drei römische Statuen, die als Herkulanerinnen bekannt sind und heute in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden auf‌b ewahrt werden (Abb. 1). Diese weiblichen Gewandfiguren stammen aus Ercolano und ­w urden im Rahmen von Ausgrabungen gefunden. Sie erreichten Wien im Jahr 1713 als ehrenvolles Geschenk von Emmanuel-Maurice de Lorraine, Prince

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Abb. 1 Große Herkulanerin, mittleres 1. Jh. n. d. Z., Staatliche Kunst­ sammlungen Dresden, Skulpturensammlung

D’Elbeuf, der seit 1707 in Neapel für ­Kaiser Karl VI. tätig war. 1 Solche ganzfigürlichen Statuen, die nach einem ­v erlorenen griechischen Vorbild gefertigt wurden, waren aufgrund ihrer Vollständigkeit und Größe außergewöhnliche und daher sehr wertvolle Stücke, die der Prinz seinen Gästen und Besucher*innen als Prestigeobjekte darbot. Die „modernen“ Statuen in den anderen Nischen der Marmorgalerie waren barocke Skulpturen, die Francesco Biggi nach Entwürfen von Domenico Parodi ausgeführt hatte. 2 Die aus Genua gebürtigen Künstler lieferten dem Prinzen neun Statuen mit mythologischen Darstellungen, etwa Ariadne, Adonis und Diana (Abb. 2). Den Auftrag bekamen sie wahrscheinlich dank der Vermittlung des Architekten Johann Lucas von Hildebrandt, der ebenfalls aus Genua stammte und sowohl für den Bau der gesamten Anlage des Gartenpalais als auch für die Gestaltung der Marmorgalerie zuständig war.

1 Daehner 2007, S. 1–17. 2 Comoglio 2022, S. 83–92.

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Abb. 2 Francesco Biggi nach Entwürfen von Dome­ nico Parodi, Diana, Belvedere, Wien

1697–1736

Kap. I

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THOMAS DACOSTA KAUFMANN —— Mäzenatentum und Sammeltätigkeit im Habsburgerreich um 1700

1 Für einen allgemeinen Überblick und eine Erläuterung des Begriffs vgl. DaCosta Kaufmann 1998, S. 315–378  ; DaCosta Kaufmann 1999. 2 Noch immer brauchbare Zusammen­ fassungen finden sich in McKay 1977  ; Gutkas 1985  ; (populärer) ­E gghardt 2007  ; Ausst.Kat. Wien 2010a. 3 Eine praktische, kurze Einführung zu diesen komplizierten Ereignissen gibt Schnettger 2014. 4 Siehe Karner/Schütze/ Telesko 2022.

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Kap. I 1697–1736

Um 1700 war in Europa die Bühne für ein Theater der Pracht bereitet. Von Portugal bis Sankt Petersburg, von Sizilien bis Stockholm wurden grandiose Paläste und Kirchen erbaut, Gärten angelegt und Denkmäler errichtet. Gemälde, Skulpturen und kunstvolle Innenausstattungen zierten die neuen Bauwerke.1 In dieser Zeit wurde Wien zum wohl bedeutendsten europäischen Schauplatz für Künstler, Architekten, Designer und Handwerker. Und Prinz Eugen von Savoyen (Abb. 1) war einer der Hauptprotagonisten des Theaters der Kaiserresidenz wie der damit einhergehenden militärischen Dramen.2 Eine Betrachtung seines Mäzenatentums und seiner Sammlungstätigkeit in Verbindung mit seiner Karriere beleuchtet sowohl seine Aktivitäten wie auch die allgemeine Situation. 1683 wurden die türkischen Armeen vor den Mauern Wiens besiegt. In den folgenden vier Jahrzehnten konnten die Habsburger die Osmanen auch aus den ungarischen Kronländern und aus Nordserbien vertreiben. Gleichzeitig parierten sie die französische Bedrohung im Westen. Waren die Habsburger in Spanien ausgestorben, was den Spanischen Erbfolgekrieg auslöste, so brachte der Frieden von Rastatt, der ihn 1714 beendete, den österreichischen Habsburgern die Herrschaft über Sizilien, Sardinien, die Lombardei, die südlichen Niederlande und Freiburg im Breisgau ein.3 Auch wenn Kaiser Karl VI. nie verwand, dass er den spanischen Thron nicht zu halten vermochte, erreichten seine Territorien doch ihre größte Ausdehnung im Europa des Ancien Régime. Aus den Erfolgen der Habsburger ergaben sich Umstände, Mittel und Atmosphäre für die Entstehung eines Baubooms in und um Wien. Territorialgewinne und die damit verbundenen Einkünfte förderten die Errichtung der neuen Stadtbauten und den Wiederauf‌bau der verwüsteten Wiener Vorstädte und Zentralungarns. Dass von den Osmanen keine Bedrohung mehr ausging, ermöglichte die Erweiterung Wiens über die heute von der Ringstraße markierte innere Stadtmauer hinaus. Ein neues Selbstbewusstsein und ein neuer Wettbewerbsgeist – im Inneren zwischen Klöstern und Adeligen, nach außen mit anderen Höfen, vor allem jenem Ludwigs XIV. – führten zu einer umfassenden Förderung der dekorativen Künste und massiver Sammel- und Bautätigkeit. Wien beerbte Italien, genauer gesagt Rom, als Epizentrum der Künste. Wie Rom wurde es zu einem Magneten für Künstler, Handwerker und Architekten aus vielen Teilen Europas. Wienreisende waren erstaunt, wie viel Italienisch in der Reichshauptstadt zu hören war. Auch andere Aspekte der italienischen Kultur, etwa die Musik, standen hoch im Kurs. Italienische Gemälde und Maler wurden von Sammlern bevorzugt, und italienische Bildhauer wie Lorenzo Mattielli zogen nordwärts. Künstler, die in Rom gearbeitet hatten, namentlich Johann Bernhard Fischer von Erlach,4 der in Gian Lorenzo Berninis Werkstatt tätig war und mit einem von dessen Mitstreitern arbeitete, wurden in Wien berühmt.

Auch wenn Zeitgenossen wie Hanns Jacob Wagner von Wagenfels stolz auf die Leistungen lokaler Künstler verwiesen, die angeblich jene Frankreichs übertrafen, so blieb der Vergleichsmaßstab doch Italien. Wiewohl Versailles der Ort war, an dem man sich maß, so eignet es sich doch nicht immer für einen Vergleich. Bedeutsame Unterschiede sind im Auge zu behalten, wenn man versuchen will, die Rolle der Habsburger bei der Schaffung dessen zu bewerten, was bekanntermaßen „Reichsstil“ genannt wurde, dem aber ein mittlerweile paradigmatisches Korrektiv bis zur Herrschaft Karls VI. wenig Bedeutung attestierte.5 Zwar pflegten beide Höfe ihre eigenen Rituale der Macht, aber die Bourbonen- und die Habsburgerherrschaft waren sehr verschieden strukturierte Welten. ­Ludwig XIV. war König von Frankreich, wogegen die Habsburger Herrscher in der Lebenszeit Prinz Eugens (Leopold I., Joseph I. und Karl VI.) nicht nur offiziell Kaiser des Heiligen Römischen Reichs waren, sondern auch über eigene Reiche verfügten, die aus separaten, weit verstreuten Territorien bestanden. So waren sie beispielsweise Könige von Böhmen und Ungarn. Titel bringen aber nicht unbedingt große finanzielle Mittel mit sich : Ein ständiges Problem für die Habsburger war das Sichern der Unterstützung für militärische und kulturelle Unterfangen von oft störrischen Untertanen. Die Geschichte Ungarns jener Zeit veranschaulicht einige der Schwierigkeiten : Obwohl Zentralungarn letztlich von den Türken befreit wurde, führten Interessenunterschiede zwischen den Habsburgern und den magyarischen Adeligen und Gutsherren ab 1660 immer wieder zu Revolten, die von 1703 bis 1711 im Rákóczi-Aufstand (dem ersten ungarischen Unabhängigkeitskrieg) gipfelten. Erst als die Habsburger in Ungarn wieder Frieden hergestellt hatten, konnten sie ihre Ansprüche auf dortige Einkommensquellen durchsetzen.6 Darüber hinaus ist Wien als Residenzstadt eher mit Paris als mit Versailles vergleichbar. Und der Louvre entspricht eher der Wiener Hof‌burg als Versailles. Leopold I. und Ludwig XIV. planten und bauten gleichzeitig bedeutende Flügel ihrer jeweiligen Schlösser (den Leopoldinischen Trakt und die Perrault-Fassade), die in der Verwendung mächtiger Pilaster- beziehungsweise Säulenordnungen auf hohen rustizierten Untergeschoßen ihre Vorstellungen von Pracht zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig besaßen die Adeligen nicht nur in Wien, sondern auch in Paris ihre eigenen Palais. Um sie zu kontrollieren und seine Macht abzubilden, erweiterte Ludwig XIV. Versailles und erhob es zu seinem Herrschaftssitz. Prinz Eugen war eine Schlüsselfigur vieler wichtiger mit diesen Entwicklungen verbundener Ereignisse. Seine militärische Karriere umrahmt die Jahrhundertwende. Er traf gerade rechtzeitig aus Frankreich

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THOMAS DACOSTA KAUFMANN

5 Vgl. Sedlmayr 1938. Hellmut Lorenz hat dieser These wiederholt widersprochen und praktisch so etwas wie ein Paradigma etabliert, das hier infrage gestellt wird  : Lorenz 1985a  ; Lorenz 1985b, S. 235  ; Lorenz 1993  ; Lorenz 1994, S. 32–36  ; Lorenz 1999, S. 220, 224. 6 Sugar 1994, S. 100–120, ist eine leicht zugängliche Einführung auf Englisch.

7 Haskell 1963, S. 201. 8 Slavíček 1993b  ; Slavíček 1993c. 9 Wie erstmals von ­H askell aufgezeigt  ; vgl. Haskell 1963, S. 201.

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Kap. I

ein, um an der erfolgreichen Entsetzung Wiens teilzunehmen. Er führte Armeen in Ungarn und auf dem Balkan, wo er Siege bei Zenta und Peterwardein errang, Buda und Belgrad einnahm. Mit dem Herzog von Marlborough schlug er die französischen Armeen bei Höchstädt, Oudenaarde und Malplaquet, allein beendete er die Belagerung Turins. Er diente als Berater und Statthalter und war Chefunterhändler der Habsburger beim Frieden von Rastatt. Eugen brillierte in arte et marte – Attribute, die ihm gern zugeschrieben wurden – oder war aufgeklärter Apoll (Abb. 2) und heroischer Herkules, wie er sich selbst stilisierte. Er wurde als „großartigster und einflussreichster Privatmäzen in Europa“ 7 bezeichnet. Seiner fürstlichen Herkunft zum Trotz kam er als mittelloser Außenseiter von Versailles nach Wien. Er machte rasch Karriere, und sobald es sein Vermögen zuließ (1697), tat er, was standesgemäß war, und ließ sich wie manch anderer böhmischer Fürst (Lobkovic) oder ungarischer Graf (Batthyány) ein Stadt­palais bauen – in seinem Fall in der Himmelpfortgasse (→ S. 49, Abb. 1). Damit und mit seinem späteren Mäzenatentum scheint er die These zu bestätigen, dass Adelige eine Vorreiterrolle einnahmen. In Bau und Ausstattung seines außerhalb der Stadt gelegenen Gartenpalais (des Belvedere) folgte er anderen adeligen Vorläufern (Trautson und Althan), ebenso beim Ausbau eines Landschlosses (Schloss Hof ) und der dazugehörigen Gärten. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass der Großteil von Prinz Eugens Vermögen von kaiserlicher Gunst abhing. Geschenke, Po­ sitionen und das damit verbundene Einkommen ermöglichten ihm, im großen Stil als Mäzen aufzutreten. Das Belvedere mit seiner Aussicht und den über den Hang gestaffelten Bauwerken (→ S. 23) kann nicht nur als ­Höhepunkt von Prinz Eugens Mäzenatentum (und dem des Adels) gesehen werden, sondern auch als die Umsetzung von Fischers erstem, nicht gebautem Entwurf für das kaiserliche Schloss in Schönbrunn. Prinz Eugens (von seinem Mäzenatentum eigentlich untrennbare) Sammeltätigkeit lässt sich ebenfalls in diesem Kontext betrachten. Adelige aus verschiedenen Teilen des Reichs wie Ferdinand Bonaventura von Harrach und Johann Adam von Liechtenstein deponierten ihre hervorragenden Sammlungen in den neuen Palais in Wien (Abb. 3). Auch andernorts, etwa in Böhmen, trugen Adelsfamilien (wie Černín und Nostic 8) bedeutende Sammlungen zusammen. Prinz Eugen verhielt sich in seiner Sammeltätigkeit und der Förderung italienischer Kunst, vor allem aus Bologna und Neapel, sehr ähnlich.9 Sogar seine Menagerie war ver­mutlich von jener der Starhembergs inspiriert. Die französische Erziehung des Prinzen dürfte zum Teil für seinen Geschmack in Sachen Gärten, Täfelungen und Spiegel verantwortlich gewesen sein, aber auch im niederländischen Bereich haben seine Sammelvorlieben (sowohl für

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Mäzenatentum und ­S ammeltätigkeit im Habsburgerreich um 1700

die ­sogenannten „Primitiven“ als auch für den Rubens-Kreis) Vorläufer : In Wien bedienten Kunsthändler wie Guillaume Forchondt diesen Geschmack seit der Jahrhundertmitte.10 Es wäre indes falsch, die Entwicklung der Sammlungen ab 1700 in Mitteleuropa als ein Novum oder als unabhängig von kaiserlichen Vorbildern zu sehen. Die Anwesenheit von Kunsthändlern in Wien in der Mitte des 17. Jahrhunderts geht einher mit dem Auf‌bau der Sammlungen in der Region durch die Liechtensteins und Fürstbischof Liechtenstein-Kastelkorn.11 Zu dieser Zeit waren auch schon Teile der Rudolfinischen Sammlungen – Gemälde, Zeichnungen und Kunstobjekte – in die kaiserlichen Sammlungen in Wien eingeflossen, und 1656 brachte Leopold Wilhelm seine hervorragende Gemäldesammlung ein (Abb. 4). Leopold I. erbte die Bestände des Erzherzogs 1662. Die kaiserlichen Bestände übertrafen nicht nur sämtliche Sammlungen von Adeligen bei Weitem, sondern stellten auch weiterhin ein Vorbild für die Sammeltätigkeit dar.12 Zweifellos schuf Prinz Eugen eine außergewöhnliche Sammlung von Büchern, Zeichnungen (etwa von Rembrandt) und Druckgrafiken, letztere zu Folianten gebunden (→ S. 71), wie es damals üblich war.13 Bezeichnenderweise ging diese nach dem Tod des Prinzen in die kaiserliche Bi­ bliothek ein. Auch das Belvedere kam in kaiserlichen Besitz, wo ihm unter den Habsburgern (und später der Republik Österreich) ein neues Leben als Museum beschieden war. Das Mäzenatentum und die Sammeltätigkeit des Prinzen Eugen blieben damit mit dem kaiserlichen Wien verbunden.

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10 Slavíček 1993a. 11 Einen Überblick über die Sammlungen geben Ausst.-Kat. Bern 2016  ; Jakubec 2019  ; Švacha/Potůčková/ Kroupa 2019, S. 283– 378. 12 Lhotsky 1941–45, S. 355–409, ist immer noch eine interessante Quelle für Details aus der Epoche. Für neuere Quellen vgl. Schreiber 2004  ; Ausst.Kat. Wien 2010b. 13 Vgl. Ausst.-Kat. Wien 1986  ; Frieden­t hal 2022.

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Das Winterpalais Georg Lechner

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ls Prinz Eugen von Savoyen 1683 in Wien eintraf, verfügte er nicht über die Mittel für den Erhalt eines eigenen Wohnsitzes. Sukzessive konnte er sich im kaiserlichen Heer etablieren, darüber hinaus wurde er 1688 als Laienabt von zwei Abteien im Piemont eingesetzt, was ihm ein standesgemäßes Einkommen sicherte. So konnte er 1694 ein Gebäude in der Himmelpfortgasse erwerben, die zu diesem Zeitpunkt keineswegs als beste Lage zu bezeichnen war. An dieser Stelle ließ er ab 1697 nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach ein sieben Fensterachsen umfassendes Palais errichten. Trotz des eingeschränkten Raums schuf der Architekt eine Residenz, die die repräsentativen Ansprüche des Auftraggebers erfüllte. Wohl von Anfang an dürfte die Möglichkeit einer baulichen Erweiterung erwogen worden sein. Nach dem Ankauf benachbarter ­L iegenschaften konnte das Palais von 1708 bis 1711 und neuerlich von 1723 bis 1725 an beiden Seiten um je fünf Fensterachsen vergrößert werden (Abb. 1). Die neu entstandenen Räumlichkeiten dienten insbesondere auch der ­U nterbringung der Sammlungen von

Büchern (→ S. 73, Abb. 1) und Gemälden, die Prinz Eugen mit großem Eifer zusammentrug. Bemerkenswerterweise hatte der Bauherr vor den Erweiterungen einen Architektenwechsel v­ ollzogen, denn für diese zeichnete Johann Lucas von Hildebrandt ver­ antwortlich. Nach dem Tod des Prinzen Eugen erbte dessen Nichte Prinzessin Viktoria von Savoyen auch das Winter­ palais, das sie 1752 – ebenso wie das Belvedere – an die Regentin Maria Theresia veräußerte. Diese ließ das Gebäude, das bereits wesentliche Teile der mobilen Ausstattung verloren hatte, für die Nutzung durch die Bergbaubehörde adaptieren. Seit 1848 ist es Sitz des Finanzministeriums. In der Zeit des Nationalsozialismus sollte im Winterpalais ein Prinz EugenMuseum eingerichtet werden. Der Auf‌b au einer Sammlung wurde zwar in Angriff genommen, doch die Realisierung scheiterte bedingt durch den Kriegsverlauf. Zu einer Öffnung für die Allgemeinheit kam es erst von 2013 bis 2017, als die Prunkräume als weiterer Standort der Österreichischen Galerie Belvedere mit Sonderausstellungen bespielt wurden. Bis heute haben sich das Treppenhaus mit den vier eindrucksvollen

Abb. 1 Johann August Corvi­ nus nach Salomon Kleiner, Die Fassade des Winterpalais, 1725, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

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Atlanten (Abb. 2), das eine herausragende Leistung Johann Bernhard Fischer von Erlachs darstellt, sowie einige Deckenfresken und -gemälde aus der Bauzeit erhalten. In mehreren Räumen des Piano nobile wurden Zwischenwände und -decken eingezogen, was den unwiederbringlichen Verlust des ursprünglichen Eindrucks bedingte. Für die großen Schlachtenbilder von Ignace Jacques Parrocel, die die bedeutendsten Erfolge des einstigen Hausherrn illustrieren und ursprünglich im Großen Saal hingen, wurde später ein eigener Raum eingerichtet. Erfreulicherweise konnte jedoch eine mit Groteskenmalerei geschmückte Sala terrena im Erdgeschoß im Zuge der Restaurierungskampagne von 2007 bis 2013 von späteren Einbauten und Übermalungen befreit werden (Abb. 3) . Befundungen in einem Raum des Hauptgeschoßes haben wiederum ergeben, dass dieser während der ab 1752 erfolgten Umgestaltung freskiert wurde. Bislang kam es lediglich zur Freilegung eines Probefeldes, das an einen Künstler aus dem Kreis der ­W iener Akademie – möglicherweise Franz Anton Maulbertsch – denken lässt.

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Abb. 2 Prunkstiege im Winterpalais Abb. 3 Groteskenmalerei in der Sala terrena des Winterpalais, um 1700

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Abb.  1 Jacob van Schuppen, Prinz Eugen von ­Savoyen nach der Schlacht von Belgrad am 16. August 1717, 1718, Belvedere, Wien, Leihgabe des Rijks­museum Amsterdam Abb.  2 Martino Altomonte, Deckengemälde im Marmorsaal im Unteren Belvedere mit Darstellung des Sonnengottes Apoll und der Musen, 1717, Belve­dere, Wien

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Abb.  3 Bernardo Bellotto, Das Gartenpalais Liechtenstein in Wien vom Belvedere, 1759/60, Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz–Vienna Abb.  4 Frans van der Steen nach Nikolaus van Hoy, Blick in die Gemäldegalerie des Erzherzogs Leopold Wilhelm in der Stallburg, 1654–60, British Museum, London

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1 Zur Zeichnung siehe Frieden­t hal 2022. 2 Zu Entstehung und Bau des Gartenpalais Belve­dere siehe Seeger 2004. 3 Seeger 2004, S. 173–177, 406. 4 Die Sammlung ist heute durch den sogenannten Robinson-Katalog nachvollziehbar. Dieser ist eine Abschrift des originalen Inventars, das vom englischen Gesandten in Wien Sir Thomas ­Robinson nach London geschickt wurde und wahrscheinlich an den Kunstsammler Robert Walpole adressiert war  : siehe Auer/ Black 1985. Das gedruckte Inventar, welches von Eugens Erbin Viktoria von Savoyen für die Versteigerung der Sammlung ver­ öffentlicht wurde, ist heute in keinem Exemplar bekannt. Joseph von Retzer veröffentlichte aber eine deutsche Übersetzung ­d avon im Jahr 1783. Für die Rekonstruktion der Sammlung siehe Baudi di Vesme 1886  ; Diekamp 2005  ; Diekamp 2010  ; Diekamp 2012.

Vor einem Gemälde kniend, wie er aus nächster Nähe ein wundervolles Detail entdeckt und über dieses mit anderen Kunstkennern diskutiert, so ist Eugen von Savoyen auf einer Skizze Pieter van den Berges dargestellt, die einen Besuch des Prinzen beim Kunsthändler Jan Pietersz. Zomer in Amsterdam dokumentiert (Abb. 1).1 Eugens Leidenschaft für die schönen Künste war wohlbekannt, er besaß eine der beeindruckendsten Gemäldesammlungen seiner Zeit. Diese wurde von ihm innerhalb weniger Jahre zusammengetragen und in den prachtvollen Räumen sowohl seines Stadtpalais als auch der Sommerresidenzen präsentiert (→ S. 28). Als der Prinz 1697 ein erstes Grundstück am Rennweg erwarb und mit der Planung eines Gartenpalais begann, wollte er nicht nur ein repräsentatives Schloss erbauen lassen, sondern auch einen Ort der Künste schaffen.2 1723 war das Gartenpalais, das heute unter dem Namen Schloss Belvedere bekannt ist, vollendet. Mit ihm wollte Prinz Eugen sich einen angemessenen Platz innerhalb der höfischen Gesellschaft sichern, die in den Vorstädten Wiens ihre Sommerresidenzen nach dem Vorbild der Favorita der kaiserlichen Familie erbaute. Die Tradition des Gartenpalais leitet sich von der italienischen villa suburbana der Renaissance ab : eine Residenz außerhalb der Stadt, mit der Natur verbunden, wo der Hausherr und seine Gäste zwischen otium, der würdevollen, kultivierten Muße, und negotium, der Arbeit und den Geschäften, die schönste Jahreszeit verlebten. So bot auch das Gartenpalais Eugens sowohl die Möglichkeit des Rückzugs als auch einen prunkvollen Rahmen für repräsentative Aufgaben : Nach der Ernennung des Savoyers zum Statthalter der Österreichischen Niederlande (1716) änderte man die Pläne für den oberen Bauteil des Gartenpalais und fügte in prächtigerer Ausstattung die Paraderäume für Audienzen nach höfischem Zeremoniell hinzu.3 Das sogenannte untere Gartenpalais wurde schon 1717 fertiggestellt und war als ebenerdiges Lustschloss mit eher privatem Charakter gedacht. Das gesamte Gartenpalais sollte auch der Präsentation der wertvollen Kunstsammlung Prinz Eugens dienen. Dies zeugt nicht nur vom kultivierten, leidenschaftlichen Interesse des Hausherrn an den Künsten, sondern auch von der herausragenden Bedeutung, die einer solchen Sammlung in der Frühen Neuzeit zukam : als Instrument der Repräsentation sowie Status und Prestige innerhalb der Höfe bestimmend. Eugens Sammlung 4 bestand aus circa dreihundert Gemälden und darüber hinaus aus Kunstwerken, die Teil der Ausstattung waren, wie etwa Supraporten, Deckenbilder sowie wandfeste Gemälde, die vom Prinzen bei Künstlern in Italien wie auch in Wien in Auftrag gegeben wurden. Dank seiner Freundschaft mit dem österreichischen Vizekönig Wirich ­Philipp Lorenz Graf von Daun konnte Eugen drei Aufträge an den begehrtesten Maler seiner Zeit, den Neapolitaner Francesco Solimena,

­ ergeben. Solimena wurde mit der Gestaltung zweier Altarblätter (→ S. 36) v und eines Deckengemäldes für das Gartenpalais betraut, wobei der Künstler für die Ausführung viel Zeit aufwendete, was den Prinzen ungeduldig machte.5 Einerseits wollte der Savoyer die Ausstattung seines Palais abgeschlossen haben, andererseits war dies auch eine Frage der Präzedenz bei der Erledigung des Auftrags, was damals für große Aufregung unter der ­adeligen Kundschaft des Malers sorgte. In Neapel bestellte Eugen bei Giacomo del Pò drei weitere Deckengemälde für sein neues Gartenpalais.6 Diese Aufträge wurden von Gabriele Montani, Ingenieur und Militär, für den Prinzen vermittelt. Montani war Ansprechpartner und nicht nur für die Bezahlung des Künstlers zuständig, sondern auch für die Kontrolle der ausgeführten Arbeiten : Bevor die Deckengemälde nach Wien geschickt wurden, forderte er einige Verbesserungen bei den Farben und ließ die Leinwände sogar im Palast des Vizekönigs von Neapel an die Decke, die ähnlich hoch war wie jene im Gartenpalais, montieren, um die Richtigkeit der Perspektive und der Proportionen zu prüfen. Prinz Eugen war am Ende sehr zufrieden und betraute seinen Agenten mit weiteren Aufträgen.7 So bestellte er in Süditalien Kunstwerke, Bücher und einige Zitronenbäume für sein Gewächshaus. Der Savoyer konnte sich für den Erwerb von Gemälden und Kunstwerken auf ein solides Netzwerk stützen, das für ihn Ankäufe in Italien, ja ganz Europa tätigte.8 Dieses bestand aus den üblichen Kunsthändlern und Künstlern wie auch aus Gesandten und Diplomaten, mit denen der Prinz die Leidenschaft für Kunst teilte. In jeder wichtigen Stadt Italiens, etwa Mailand, Turin, Venedig, Bologna oder Neapel, hatte der Savoyer seine Vertrauten und bekam entsprechend Nachrichten über angebotene Kunstwerke und bevorstehende Auf‌lösungen bekannter Sammlungen. Auch in Brüssel, Paris und den Niederlanden tätigte der Prinz zahlreiche Ankäufe, darunter Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche, Radierungen sowie zahlreiche Bücher in aufwendigen Ausgaben, denn Eugen besaß zudem eine umfangreiche Büchersammlung, die sogenannte Bibliotheca Eugeniana, sowie eine beachtliche Grafiksammlung (→ S. 70–71). Die Sammeltätigkeit des Prinzen kann nicht getrennt von der Ausstattung seiner Paläste betrachtet werden, da die Funktion der jeweiligen Räume entscheidend für die Auswahl der Bilder war. Umgekehrt beeinflussten die wertvollen Gemälde der Sammlung die Gestaltung der neuen Räume des Gartenpalais, da die Dekorationen auf die Themen der Bilder abgestimmt waren (Abb. 2). Der ranghöchste Raum im oberen Gartenpalais war das Audienzzimmer (→ S. 28), in dem Botschafter, Diplomaten und Gesandtschaften empfangen wurden. Hier hingen wenige, aber umso bedeutsamere Gemälde, die ein inhaltliches Programm verband. In der Mitte der Haupt-

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5 Das Altarbild mit der Darstellung einer ­Auferstehung Christi befindet sich noch heute in der Kapelle des Belvedere. Das zweite Altarbild, eine Kreuzabnahme, ist heute im Kunsthistorischen Museum Wien (Inv.-Nr. 3507) auf­ gestellt. Das Deckengemälde hingegen ist nicht mehr vorhanden, da es während eines Brandes im Jahr 1950 verloren ging  ; siehe Seeger 2004, S. 404. Zu Solimenas Arbeiten für Prinz ­E ugen siehe Braubach 1963–65, V, S. 33  ; ­Wolfang Prohaska in Ausst.-Kat. Wien/­ Neapel 1993, S. 246  f.  ; Prohaska 2001, S. 146– 152  ; Tammaro 2018, S. 91–93. 6 Tammaro 2018. 7 Siehe Tammaro 2018. 8 Zu Ankäufen und ­Aufträgen Eugens in Italien siehe exem­ plarisch Heinz 1963  ; Comoglio 2012  ; Swoboda 2013b  ; Seeger 2002  ; Tammaro 2018.

9 Das Bild ist im Katalog als Werk von Tizian verzeichnet, siehe Auer/Black 1985, S. 337. Maria Antonietta ­Terzoli hat neulich das Bild identifiziert und Artemisia Gentileschi zugeschrieben  ; Terzoli 2021, S. 319–321. 10 Das Bild befindet sich heute in Turin in der Galleria Sabauda, Inv.-Nr. 500. 11 Dieses Deckengemälde fiel einem Brand zum Opfer und ist heute verloren. 12 Piles 1708. 13 Die illusionistische ­M alerei ist heute zerstört.

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wand befand sich ein großformatiges Werk mit der Darstellung Perseus und Andromeda (Abb. 4),9 ein Sujet, das verschiedene allegorische und politische Interpretationen zuließ : Nicht nur hatte Eugen von Savoyen eine entscheidende Rolle bei der Befreiung Wiens von der Türkenbelagerung (1683) gespielt, er wehrte das osmanische Heer auch bei der Festung in Peterwardein ab (1716) und wendete damit die Gefahr des Vormarsches ins Herz Europas ab, genauso wie Perseus auf der Leinwand gegen das Ungeheuer kämpft und es verjagt. Schräg gegenüber wurde ein Schlachtenbild von Jacques Courtois gehängt, das einen Kampf zwischen ungarischen und osmanischen Soldaten zeigt.10 Auch das Deckengemälde von Giacomo del Pò war eine Huldigung an die militärischen Erfolge des Feldherrn : Es stellte Die Aufnahme des Prinzen in den Olymp dar. 11 Die anderen Bilder im Raum hatten hingegen „neutralere“ Motive, es waren fein gemalte und detailreiche Blumenbilder und Stillleben der niederländischen Maler Cornelis de Heem und Abraham Mignon. Die Supraporten hatten ebenfalls einen ähnlich zurückhaltenden Charakter, es handelte sich um Blumen- und Vogeldarstellungen von Franz Werner Tamm. Die wertvollsten Stücke der Gemäldesammlung, die einen besonderen Platz in der eigens für sie geschaffenen Galerie im oberen Gartenpalais fanden (→ S. 39), waren vor allem großformatige Bilder alter Meister der italienischen Schule, vorwiegend Bolognesen und Venezianer des 16. und 17. Jahrhunderts. Diese Auswahl von Künstlern zeigte nicht nur den persönlichen Geschmack Eugens, sondern war auch dem Zeitgeist und der aktuellen Kunsttheorie, etwa jener von Roger de Piles,12 geschuldet : Im 18. Jahrhundert flammte der ästhetische Streit wieder auf, der auf die Gegenüberstellung verschiedener Malschulen zurückgriff und die Künstlerinnen und Künstler nach Kategorien wie etwa Komposition, Kolorit, Ausdruck oder Expression und Zeichnung bewertete. Die Vorliebe des Prinzen für die Maler aus Bologna wurde auch im Saal weitergeführt, wo Gaetano Fanti eine Scheinarchitektur an die Decke freskierte.13 Die Galerie befand sich am Ende des Gesellschaftsappartements und war ein länglicher Raum voller Licht, ideal zum Flanieren und gleichzeitigen Betrachten der Bilder. Ihre Gestaltung war dem Franzosen Claude Le Fort du Plessy anvertraut worden (→ S. 39). Die Gemälde wurden an die Wände gehängt und nicht in eine Täfelung eingelassen wie etwa in der kaiserlichen Sammlung in der Stallburg (→ S. 51, Abb. 4), die zeitgleich vom selben Architekten neu gestaltet worden war. Diese freie Aufstellung war in vielen Bildergalerien Frankreichs und Italiens gebräuchlich und ermöglichte größere Flexibilität bei einer Neuanordnung der Sammlung. Die Hängung der Bilder, alle in geschnitzten Goldrahmen, erfolgte in streng symmetrischer Anordnung und nach einem sogenannten „Pendantsystem“, das die Werke nach Bildmotiven, Formaten oder Schulen gegenüberstellte. In der Mitte der Hauptwand hing dominierend Adam

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und Eva von Guido Reni (→ S. 39, Abb. 3), rechts und links davon als Gegenüberstellung Venus und Adonis, Tizian zugeschrieben, und Hermaphroditus und die Nymphe Salmacis von Francesco Albani (Abb. 5). Die Themen der letztgenannten Bilder stammen aus Ovids Metamorphosen, die Gemälde repräsentierten aber zwei unterschiedliche Malschulen und Epochen, sodass die Hängung zum unmittelbaren Vergleich anregte. Darüber hinaus fügten sich diese Bilder auch inhaltlich in ein Gartenpalais, wofür üblicherweise mythologische Darstellungen und Landschaften bevorzugt wurden. In der Bildergalerie im Stadtpalais des Prinzen hingegen befanden sich Gemälde mit historischen und religiösen Themen (→ S. 26, Abb. 1), da dieser Raum hierarchisch über allen anderen Residenzen stand : Da das Palais in der Himmelpfortgasse wichtiger war, sollte es auch aufwendiger gestaltet und ausgestattet sein. Die Gemälde in der dortigen Bildergalerie, die ebenso in dichter Hängung symmetrisch angeordnet waren, zeigten Heilige, Porträts historischer Persönlichkeiten und Helden sowie Ahnen Eugens wie den damals wohlbekannten Prinzen Tomaso von SavoyenCarignan. Die weiteren großformatigen Gemälde waren erstklassige Werke von Guido Reni, Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck. Von van Dyck besaß der Prinz einige Bilder, beispielsweise Ama­ ryllis und Mirtillo (Abb. 6), das wahrscheinlich beim Kunsthändler Zomer in Amsterdam angekauft wurde.14 Das Sujet des Bildes, das heute in verschiedenen Ausführungen bekannt ist, stammt aus Il pastor fido von Giovanni Battista Guarini, einem Werk, das zur damals äußerst beliebten Literaturgattung der Schäferdichtung gehörte und außerdem ein sehr geeignetes Motiv für eine ländliche Residenz darstellte. Amaryllis und Mirtillo war in der Galerie des oberen Gartenpalais aufgestellt, wo auch Padovaninos Schlafende Venus sowie der Guido Reni zugeschriebene Da­ vid mit dem Haupt des Goliath hingen. Nicht alle Gemälde waren tatsächlich Originale, da aufgrund der großen Nachfrage nicht genug Bilder auf dem Kunstmarkt vorhanden waren. Deshalb wurden Werkstattarbeiten, also von den Schülern nach der Idee des Meisters gefertigte Bilder, oder Kopien gesammelt und geschätzt, um den kunsttheoretischen Horizont des Sammlers zu zeigen, aber auch um eine gewisse Vollständigkeit bei Themen oder Schulen in der Sammlung zu erlangen. Eine persönliche Note von Prinz Eugens Geschmack zeigte sich in den zahlreichen Schlachten- und Landschaftsbildern flämischer und niederländischer Künstler, die sowohl in der Galerie zwischen den italienischen alten Meistern als auch in den weiteren Räumen des Schlosses präsentiert wurden. Eugen schätzte zum Beispiel die Werke mit Schlachtendarstellungen von Philips Wouwerman besonders und besaß einige ­davon. Er selbst ließ seine Siege auf Leinwand übertragen und schmückte damit Räume in seinem Stadtpalais und in Schloss Hof : Von Jan van Huchtenburgh und Ignace Jacques Parrocel wurden großformatige ­Serien

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14 Van Gelder 1978, S. 237.

15 Siehe die Abschrift des Inventars in Auer/ Black 1985, S. 338–342. 16 Seeger 2004, S. 387. 17 Siehe Braubach 1965, S. 40.

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realisiert, die auf ein präzise artikuliertes künstlerisches Programm zur Selbstdarstellung abzielten. Auf diesen Bildern konnte man nicht nur eindrucksvolle Kampfszenen sehen, sondern auch deren genaue topografische Lage erkennen und damit die militärische Strategie des Feldmarschalls verstehen. Der am meisten bewunderte Raum aber war das Bilderkabinett im oberen Gartenpalais (→ S. 30). Hier hingen 98 kleinformatige Gemälde von niederländischen und flämischen Meistern.15 Dieses Kabinett, dessen Wände mit blauem Damast tapeziert waren, diente zunächst als Garderobe in der Privatwohnung des Prinzen und wurde erst später als Gemäldekabinett eingerichtet.16 Wahrscheinlich ist, dass der Prinz einen Teil dieser Gemälde aus einer bereits bestehenden Sammlung en bloc erwarb und daher das Zimmer neu einrichten ließ. In der Mitte des Zimmers befand sich ein Kamin mit Spiegel nach französischem Vorbild (cheminée à la royale), der als vertikale zentrale Achse für die Hängung diente. Die Bilder waren in bis zu sieben Reihen bis zur Decke angeordnet und sehr eng, beinahe Rahmen an Rahmen, zueinander gehängt, wie es der Typologie eines Bilderkabinetts entsprach. Die schöneren, teuren Gemälde waren gut sichtbar in den unteren Reihen platziert. Die Bilder in den oberen Reihen hingegen waren nur schwer zu erkennen, und die Tatsache, dass manche davon kaum richtig wahrgenommen werden konnten, schien unwesentlich gegenüber dem Bestreben, ein Zimmer zu gestalten, das bei den Besucherinnen und Besuchern Staunen auslösen sollte. An einem der prominentesten Plätze hing das Gemälde Die wassersüchtige Frau von Gerrit Dou (Abb. 7), das Philipp Wilhelm von der Pfalz 1690 während seiner diplomatischen Reise nach Wien Eugen als Geschenk überreicht hatte.17 Das kostbare Bild wurde sogar in einem kleinen schwarzen Kasten auf‌bewahrt, auf dessen Türen ein Stillleben gemalt war, sodass das Bild vor Lichteinstrahlung und Verschmutzung bewahrt wurde. Vorrichtungen wie diese oder auch Vorhänge waren in Gemäldegalerien üblich, nicht nur um die schönsten Bilder zu schützen und Besucherinnen und Besucher bei der Enthüllung zu überraschen, sondern auch um bei bestimmten Sujets die Gäste nicht zu brüskieren und ihre Prüderie oder Sensibilität zu respektieren. Daneben gab es im Gemäldekabinett mehrere Bilder von Gerrit Dou und dem Kreis seiner Nachfolger und Schüler, die wegen der sorgfältigen Ausführung und der möglichst realitätsnahen Wiedergabe als fijnschilder (Feinmaler) bezeichnet wurden. Weiters hingen hier Gemälde etwa von Rembrandt, Jan Brueghel dem Älteren und Hans Holbein dem Jüngeren, die nicht nur international hohes Ansehen genossen, sondern auch in Wien in vielen anderen Sammlungen dieser Zeit, etwa Liechtenstein und Schönborn, sehr begehrt waren. Rembrandts Heimsuchung Mariae (Abb. 8) hatte aufgrund der Provenienz einen besonderen Reiz und

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wurde von Eugen sehr geschätzt, denn Rembrandt hatte das Bild bis zu seinem Tod in seinem Atelier behalten. Ein weiteres Bilderzimmer war im unteren Gartenpalais eingerichtet. Es war der Geselligkeit gewidmet, hier hielten sich die Gäste des Prinzen bei Empfängen auf, flanierten zwischen Esszimmer und Festsaal und bewunderten die Kunstwerke (Abb. 9). In diesem Zimmer hingen zwanzig Landschaftsbilder,18 vor allem solche des niederländischen Malers Jan Griffier des Älteren (Abb. 10). Diese Gemälde könnte Eugen 1712 während einer diplomatischen Reise in London, wo der Maler bis zu seinem Tod lebte, erworben haben.19 Es könnte also angenommen werden,20 dass die Bilder von Prinz Eugen gezielt für dieses Zimmer angekauft wurden, was auch die Auswahl der Landschaften bestätigen würde, denn sie standen in der barocken Gattungshierarchie an unterster Stelle und waren daher nur für ein kleines Kabinett geeignet, während mythologische Sujets zu den ranghöchsten Darstellungen gehörten und meistens in einer Galerie aufgestellt waren. Die Paläste des Prinzen, so wie viele andere Adelsresidenzen, wurden für einige Besucherinnen und Besucher schon damals geöffnet. Nicht nur die Gäste des Savoyers,21 auch Reisende adeliger Herkunft durften die Räume – zumeist wenn der Hausherr nicht anwesend war – besichtigen. So fehlte das Palais in keiner Stadt- oder Reisebeschreibung – in Keyßlers Neuesten Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen heißt es etwa : „Das prächtigste unter allen wienerischen Gebäuden, ist des Prinzen Eugens von Savoyen Pallast in der Vorstadt.“  22 Die zahlreichen Berichte und Reiseführer zeigen, wie das Gartenpalais des Prinzen von den Zeitgenossen nicht nur wegen seiner innovativen Bauformen und der aufwendigen Gartengestaltung, sondern vor allem wegen seiner prächtigen Ausstattung und der äußerst reichen Kunstsammlung gelobt und bestaunt wurde. Aus vielen Beschreibungen geht hervor, dass die umfangreiche Sammlung Bilder der bedeutendsten Maler enthielt, die den Kunstsinn des Hausherrn widerspiegelten. Nicht nur über die Künstler und die Sujets der Gemälde wird darin berichtet, auch die exorbitanten Preise der jeweiligen Bilder erregten die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher. Mit dem imposantesten Projekt der medialen Selbstdarstellung begann Prinz Eugen kurz nach der Fertigstellung seines Gartenpalais : Er beauftragte den Augsburger Künstler Salomon Kleiner mit einer Stichserie, die seine Paläste darstellen sollte. Die Residences Memorables 23 sollten jeden Innenraum des Gartenpalais samt Kunstwerken, Mobiliar und Ausstattung abbilden und einem breiteren, internationalen Publikum bekannt machen (→ S. 26,  2  ). Die aeterna memoria, das ewige Andenken, sollte damit gesichert und Eugen von Savoyen als Auftraggeber, Mäzen und Kunstsammler entsprechend gewürdigt werden.

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18 Siehe Abschrift des ­I nventars in Auer/ Black 1985, S. 342  f. 19 Siehe Seeger 2004, S. 327. 20 Seeger 2004, S. 327. 21 Norbert Elias zufolge dienten Feste und Empfänge in der höfischen Gesellschaft der Karriere des Adels, und so war jeder Höfling verpflichtet, sein Haus für Gäste zu öffnen  ; Elias 1969, S. 83. 22 Keyßler 1741a. 23 Kleiner 1731–40  ; ­Aurenhammer 1969.

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Diese Stichserie ermöglichte auch einen letzten Blick in die Sammlung und die Räume des Gartenpalais, bevor alle Besitztümer des Prinzen verstreut und verkauft wurden. Nach Eugens Tod wurde die Gemäldesammlung 1741 von seiner Erbin, der Prinzessin Viktoria von Savoyen, an ihren Cousin, den König von Sardinien Karl Emanuel III., verkauft und nach Turin verbracht.24

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Abb.  1 Pieter van den Berge, Prinz Eugen von ­Savoyen beim Kunsthändler Zomer, 1709–10, Rijksmuseum Amsterdam

24 Siehe Baudi di Vesme 1886  ; Spantigati 1982, S. 17–51  ; Diekamp 2005  ; Spantigati in Ausst.-Kat. Wien 2010, S. 275–283  ; Spantigati in Ausst.-Kat. Turin 2012, S. 35–49.

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Abb.  2 Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Grundriss von Erd- und Hauptgeschoß des Oberen Belvedere, 1731, Bibliothek des Belvedere, Wien

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Abb.  3 Guido Reni, Adam und Eva im Paradies, um 1620, Musée des ­Beaux-Arts de Dijon Abb.  4 Kopie nach Tizian, Perseus und Andro­meda, 1630–40, Privatsammlung

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Abb.  5 Francesco Albani, Hermaphroditus und die Nymphe Salmacis, 1633/35, Musei Reali Torino, Galleria Sabauda Abb.  6 Anthonis van Dyck, Amaryllis und Mirtillo, 1631/32, Musei Reali Torino, Galleria Sabauda Abb.  7 Gerrit Dou, Die wasser­süchtige Frau, 1663, Musée du ­Louvre, Paris

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Abb.  8 Rembrandt van Rijn, Heimsuchung Mariae, 1640, Detroit Institute of Arts, City of Detroit Purchase

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Abb.  9 Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Bilderzimmer des Unteren Belvedere, 1740, Bibliothek des Belvedere, Wien Abb.  10 Jan Griffier der Ältere, ­Ansicht von London vom Horseferry Pier, 1710–18, Musei Reali Torino, Galleria Sabauda

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Am 24. August 1718 genießt ein junger Mann aus Paris das Privileg, beim Morgenempfang des Prinzen Eugen in Wien zugegen zu sein (Abb. 1). Eugen war krank gewesen – ein Faktum, das im Europa der Zeit durchaus Nachrichtenwert hat –, aber nun scheint er vollständig wiederhergestellt. Bester Beweis für das Wohlbefinden des Prinzen ist das Gesprächsthema, das er beim lever gegenüber Pierre Jean Mariette, seinem Besucher und Hausgast, anschlägt : Es geht um Kunst, genauer um Druckgrafiken, und Druckgrafiken sind es denn auch, die dem Prinzen noch am selben Tag in seinen „jardin“ – gemeint ist sicherlich die Gartenanlage des Belvedere – gebracht werden sollen.1 Dies ist nur eine von mehreren Episoden, die das Interesse des ­Prinzen an seinen Sammlungen erkennen lassen. Mariette, der von Oktober 1717 bis Mitte Dezember 1718 Eugens Haushalt angehört und als Spross einer Buch- und Grafikhändlerfamilie im Palais in der Himmelpfortgasse Druckgrafiken und Zeichnungen zusammenträgt, klassifiziert und katalogisiert, schreibt darüber in Briefen an seinen Vater. Da ist die Rede vom Prinzen, der sich mit Feuereifer auf das Wissensgebiet der Druckgrafik werfe und mit Spannung weiteren Sendungen von Druckgrafiken aus Paris entgegensehe.2 Beide Mariette, Vater wie Sohn, staunen über Intensität und Ernsthaftigkeit des Eugen’schen Bestrebens, sich den Gegenstand intellektuell anzueignen. Ja, der Prinz erklärt seine Absicht, Pierre Jean Mariette bei der Arbeit höchstpersönlich aufzusuchen – was den jungen Mann wiederum veranlasst, den Arbeitsplatz von seinem Zimmer in die Bibliothek zu verlegen.3 Die visuelle Neugier des Prinzen bezeugt bereits eine Zeichnung von 1709/10 (→ S. 59, Abb. 1), die geradezu wie ein Pressefoto avant la lettre anmutet. Schauplatz ist die Kunsthandlung von Jan P ­ ietersz. Zomer in Amsterdam, der ein vielleicht spontaner, in offensichtlich angeregter Atmosphäre verlaufender Besuch abgestattet wird : Prinz Eugen zeigt keine Scheu, Kunst beim Händler selbst in Augenschein zu nehmen und dafür sogar in die Knie zu gehen.4 Kunst auf Papier (oder vergleichbaren Bildträgern wie etwa Pergament) gelangte in großer Zahl in den Besitz des Prinzen und wurde seiner Bibliothek zugeordnet.5 Der handschriftliche Bibliothekskatalog der Eugeniana erfasst diese Werke als Imaginum Collectio (Bildersammlung).6 Dahinter verbergen sich in erster Linie Druckgrafiken, aber auch Zeichnungen gehören zur Sammlung ; 7 die Provenienzen sind verschiedene und nur zum Teil dokumentiert.8 Wie und nach welchen Kriterien überführten Jean Mariette in Paris und sein vor Ort in Wien tätiger Sohn Pierre Jean Mariette alle diese Kunstwerke in eine (neue) Ordnung ? Und warum kamen für ihre Auf‌bewahrung verschiedene Ordnungssysteme – neben Mappen (sogenannten portefeuilles) vor allem Kassetten und Klebebände – zum Einsatz ? Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Erschließung des Bestandes mittels auf Französisch abgefasster Verzeichnisse, die, wie

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1 Pierre Jean Mariette an seinen ­Vater Jean Mariette, Wien, 24. 8. 1718  ; siehe Frieden­t hal 2023b, Nr. 56. Zu Prinz Eugens Krankheit vgl. Braubach 1963–65, Bd. III, S. 379, und Bd. IV, S. 56. Zur Zeichnung von Salomon Kleiner zuerst Heinz 1967  ; vgl. Lorenz 1987. Zu Prinz Eugens Schlafzimmern im Parade- und Wohnappartement siehe ins­ besondere Seeger 2004, S. 47–53 und 71  f. Die Bezeichnung „Bel­ vedere“ für die vor den Toren der Stadt gelegene Anlage kommt erst ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch  ; siehe Ginhart 1948, S. 118. 2 Pierre Jean Mariette an Jean Mariette, Wien, 26. 3. 1718 („S. A. S. qui se jette à corps perdu dans la connoissance des estampes“)  ; siehe Frieden­t hal 2023b, Nr. 32. 3 Pierre Jean Mariette an Jean Mariette, Datum unleserlich [29. 10. 1717 (  ? )]  ; siehe Frieden­ thal 2023b, Nr. 14. 4 Zur Zeichnung zuletzt Frieden­t hal 2022, S. 457  f. 5 Von vornherein buchgebundene Kunst, wie Illustrationen in Druck- oder Handschriften, muss im Folgenden unberücksichtigt bleiben (siehe dazu etwa die Beiträge von Helmut Nader und Dagmar Thoss in Ausst.-Kat. Wien 1986). Ebenso wenig können die in der Eugeniana vorhandenen Zeichnungen aus dem breiten naturwissenschaftlichen Themenspektrum im vorgege­ benen Rahmen behandelt werden (siehe dazu etwa Frieden­t hal 2023c, mit Sekundärliteratur). Zur Bibliothek im Stadtpalais vor der Erweiterung siehe Lorenz 1987, S. 228 und 227  ; anders Seeger 2004, S. 121 und Anm. 369. Später fand die Bibliothek Aufstellung im ab 1723 eigens errichteten Bibliothekstrakt (S. 68). 6 Der Bibliothekskatalog ist in zwei jeweils mehrbändigen Exemplaren überliefert  ; siehe hier Catalo­ gus Librorum Bibliothecæ Ser. mi Principis Eugenii è Sabaudia […] Tom. III (ÖNB, Sig. Cod. 13965), s. p. bzw. S. 1549–1598  ; sowie ­C atalogus Librorum Bibliothecæ Serenissimi Principis Eugenii è ­S abaudiâ […] Tomus III (ÖNB, Sig. Cod. 14378), s. p. bzw. S. 1353– 1376 und 1401  f. 7 Zu letzteren siehe Frieden­t hal 2023c. 8 Zur Thematik der Pro­venienzen u. a. Krasa 1986  ; Gauna 2011, S. 185–189  ; Smentek 2014, S. 45, 51 und passim  ; Frieden­t hal 2017, S. 54–59  ; Frieden­t hal 2022  ; Frieden­t hal 2023a  ; Frieden­t hal 2023b.

der Bibliothekskatalog, ebenfalls von Hand geschrieben sind. Die Bilder wurden also jeweils um Texte ergänzt, wobei Erfassungstiefe und Ausführlichkeit variieren konnten. Manche Verzeichnisse stellen veritable Bestandskataloge dar, andere sind eher einfache Listen. Kassetten für Porträts Prinz Eugens Porträtsammlung befindet sich heute im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Die Zeitläufte sind an ihr nicht spurlos vorübergegangen, jedoch ist der ursprüngliche Zustand der Sammlung relativ gut zu rekonstruieren.9 In der Hauptsache nach Staaten beziehungsweise Ländern und innerhalb derselben hierarchisch nach Ständen beziehungsweise Berufsständen geordnet, wurden die Porträts einst in 217 Kassetten auf‌bewahrt.10 Die erhaltenen, inzwischen allerdings nicht mehr für die Sammlung genutzten Kassetten im Folioformat (Abb. 2) sind außen mit rotem Maroquin bezogen ; in Goldprägung sind Wappen und Spiegelmonogramme des Prinzen, ornamentale Verzierungen sowie Beschriftungen angebracht. Innen sind die Kassetten mit buntem Marmorpapier kaschiert. Ehemals waren – zusätzlich zu den auf Blankobögen montierten Porträts – auch Titelblätter und Inhaltsverzeichnisse eingelegt.11 Dabei wurde für die handgeschriebenen Titelblätter (Abb. 3) eine ­radierte Rahmung von Rochefort nach Claude Gillot verwendet, die ­zugleich bei zahlreichen Klebebänden der Eugeniana zum Einsatz kam.12 Der detaillierteren Erschließung der Kassetten dienten die Inhaltsverzeichnisse (Abb. 4), indem sie in Form von Listen die Namen der Porträtierten, der Urheber der Vorlagen sowie der Stecher anführen. Die Klassifikation der Porträtsammlung ist das Werk von Pierre Jean Mariette. Als er die Arbeit Ende 1718 zu einem vorläufigen Abschluss brachte, hatte er 25 248 Porträts in 179 Portefeuilles geordnet und zusätzlich in einem separaten Katalog erfasst.13 Erst danach mögen die Kassetten gefertigt worden sein ; die Entscheidung für die damit einhergehende lose Form der Auf‌bewahrung war aber vermutlich bereits früher gefallen. Flexibel gehandhabt, konnten die Porträts im Grunde in beliebiger Weise arrangiert werden. Etwaige Neuzugänge ließen sich relativ einfach in das bestehende Schema integrieren – kein geringer Vorteil, zumal das Weiterwachsen der Sammlung wohl absehbar war.14 Mariette, nach Paris zurückgekehrt, sollte jedoch nicht ganz bei der Sache bleiben ; der Mahnbrief, zu dessen Abfassung sich Prinz Eugen im Juli 1724 veranlasst sah, legte das eigene Ziel unumwunden offen : Seine Porträtsammlung sollte die vollständigstmögliche werden.15 Klebebände für Künstlerœuvres Der überwiegende Teil von Prinz Eugens sich heute in der Albertina in Wien befindenden Sammlung ist topografisch nach Kunstlandschaften

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9 Wieser 1986  ; Poch 2018, Kap. 7.5 und Anhang I  ; Frieden­t hal 2018  ; Frieden­t hal 2023b. 10 Zur Anzahl der Kassetten siehe u. a. Catalogus Librorum (ÖNB, Sig. Cod. 13965), S. 1595  f.  ; Van Swieten 1787 (Beilage III in ­Wieser 1968, S. 321)  ; Ilg 1889, S. 24  ; Lugt 1921, S. 222  ; Poch 2018, S. 234 (Adam von Bartsch indirekt zitierend). Von 215 „­Porträtcartons“ bzw. Kassetten sprechen hingegen u. a. Bartsch 1854, S. IV  ; Strebl 1968, S. 210  ; Wieser 1986, S. 273. 11 Hinzu kamen in vielen Fällen ­Z wischenblätter, auf denen in druckgrafischen Kartuschen in Schönschrift die Titel der Unterkategorien innerhalb einer Kassette vermerkt sind. 12 Dass die von Pierre de Massart, ­genannt Rochefort, signierte ­Radierung auf einem Entwurf von (Claude) Gillot beruht, geht aus einem Brief von Pierre Jean ­M ariette vom 16. September 1718 an seinen Vater hervor  ; siehe Frieden­t hal 2023b, Nr. 60. Zu einem anderen Titelblattmotiv der Klebebände siehe weiter unten. 13 Erhalten im British M ­ useum, London, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1845,1223.1  ; siehe Griffiths 1994, S. 48  ; Poch 2018, S. 213  ; Frieden­t hal 2018. 14 Allgemein zum Prinzip der „offenen Ordnung“ und zur „Loseblatt-Sammlung“ siehe Brakensiek 2009. Zur Ordnung druckgrafischer Porträtsammlungen siehe Bracht 2016  ; Poch 2018. 15 „[…] la collection des portraits la plus completee qu’il sera possible“  ; Prinz Eugen an Pierre Jean Mariette, 22. 7. 1724 (Konzept), ÖStA/HHStA, GK Fasc. 98b-11, fol. 78r  ; vgl. Müntz 1884, S. 177  ; Krasa 1986, Nr. 182  ; Poch 2018, S. 214.

16 Siehe die Definitionen in Furetière 1690, Bd. II, s. p.  ; Dictionnaire 1694, Bd. II, S. 144. 17 Der hier abgebildete, aus Palmund Lorbeerzweigen bestehende gestochene Rahmen ist ein für die Titelblätter der Klebebände häufig verwendetes Motiv. Die Mariette benutzten dazu eine Platte von Robert Nanteuil  ; siehe Frieden­t hal 2017, S. 50–52. 18 Siehe Frieden­t hal 2023a  ; Lehner 2021. 19 Siehe Frieden­t hal 2017, S. 50, 66–70 und passim  ; Frieden­t hal 2023b, u. a. Nrn. 1 und 12  ; allgemein zu Grafiksammlern im ­Z eitalter Ludwigs XIV. und ihren ­Katalogen siehe Meyer 2015. 20 Siehe Frieden­t hal 2022  ; Frieden­ thal 2023c. 21 Obgleich sich die Forschung zu den Mariette und Prinz Eugen in den letzten Jahren intensiviert hat, bleibt die systematische Erforschung der Eugeniana einschließlich ihrer Kunstsammlungen und deren späterem Schicksal ein wichtiges Desiderat. 22 Siehe Elias 1969/2002, u. a. S. 91– 94, 96–98, 142–146 (zum lever Ludwigs XIV.), 86, Anm. 15 (zur Nacktheit im Umgang zwischen den sozialen Schichten).

Öffentlichkeiten im Zeitalter der Vernunft Die aristokratisch-höfische Gesellschaft der Frühen Neuzeit unterscheidet nicht zwischen öffentlicher und privater Sphäre im Sinne des modernen Verständnisses.22 Das eingangs erwähnte lever ist dafür ebenso Indiz wie die Tatsache, dass Adels- und Fürstensitze nicht nur zeremonielle Funktionen erfüllen, sondern daneben Zugang gewähren für ein touristisches

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geordnet. Den Anfang machen dabei die italienischen Schulen, nämlich Florenz (mit Siena), Rom, Venedig, die Lombardei, Bologna sowie schließlich Genua und Neapel. Als Zweites folgen die Schulen nördlich der Alpen : deutsche und niederländische Meister, darunter auch die Flamen, jeweils ohne weitere geografische Unterteilungen. An dritter und letzter Stelle steht die französische Schule. Innerhalb der einzelnen Schulen erfolgt die Ordnung mehr oder weniger chronologisch nach Künstlern (zu denen in wenigen Fällen auch Künstlerinnen gehören). Das Ergebnis ist eine einmalig umfassende Sammlung von Kunst auf Papier, die den Bogen von der Erfindung der Druckgrafik im 15. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart des frühen 18. Jahrhunderts schlägt. Sie verkörpert gewissermaßen eine Geschichte der Kunst in Bildern, veranschaulicht durch Tausende in großformatige Alben (Abb. 5) eingeklebte druckgrafische Blätter. Den Sammlungscharakter bestimmen sowohl jene Werke der Malerei, die mithilfe der Grafik reproduziert wurden, als auch primär im Medium der Druckgrafik geschaffene Kunstwerke – eine Ausrichtung, die der zeitgenössischen Bedeutung von „Œuvre“ entspricht.16 Demgegenüber nachgeordnet sind im Druck reproduzierte Werke der Skulptur und der Architektur. Die einzelnen Künstlerœuvres (Abb. 6) sind ikonografisch geordnet ; 17 ihnen voran­gestellt sind – wo immer möglich – Porträts der jeweiligen Künstler. Auf ebendiese legte Prinz Eugen größten Wert, wobei die Verbindung von Künstlerporträt und Œuvre unter Sammlern bereits praktiziert wurde.18 Auch die beigebundenen Kataloge (Abb. 7), handschriftliche Bestandsverzeichnisse, gehen auf Eugens ausdrücklichen Wunsch zurück.19 In den vertiefenden Einträgen dieser, wie erwähnt, unterschiedlich ausführlichen Kataloge würdigen die Mariette die Druckgrafiken – ungeachtet dessen, dass es sich in der Regel um Multipla handelt – in ihren unikalen Eigenschaften. Sie diskutieren Qualität und Erhaltungszustand und leiten zur vergleichenden Betrachtung an – eine Rezeptionsvorgabe, die mit der Anordnung der druckgrafischen Blätter in den Œuvres korres­ pondiert. Eine gewisse Anzahl von Klebebänden ist – beziehungsweise war – bimedial, gesell(t)en sich hier doch Zeichnungen zu den Druckgrafiken ; dies galt zum Beispiel für das mittlerweile aufgelassene Œuvre von Rembrandt van Rijn.20 Abgesehen von den nach Künstlern klassifizierten Klebebänden, die das Gros der Sammlung darstellen, wurde in geringerem Umfang auch nach Themen oder Techniken geordnet.21

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Kunst, Kassetten, Klebebände

Publikum, das Trinkgelder zahlen und sich den Konventionen entsprechend korrekt kleiden kann.23 Auch die Bibliothek des Prinzen kennt zu dessen Lebzeiten diese Form von Öffentlichkeit. Gleichwohl ist innerhalb der zeitgenössischen Rezeption der Sammlung zu differenzieren. Da sind zunächst Prinz Eugen und sein Kreis : Hier betrachtet man 1718 etwa das Raffael-Œuvre und lässt sich gleichzeitig vom jungen Mariette aus dem Katalog vorlesen, noch bevor der Buchbinder tätig werden und Œuvre und Katalog gemeinsam in rotes Maroquin schlagen sollte.24 Verdankt sich der Einblick in diesen frühen und exklusiven Umgang mit den Kunstwerken dem Briefwechsel zwischen Vater und Sohn Mariette, publizieren später Reisende in ihren Berichten mehr oder minder ausführliche Beschreibungen der Sammlung im Stadtpalais.25 Damals war sie bereits in dem ab 1723 durch Johann Lucas von Hildebrandt als Erweiterung des Palais im Westen errichteten Bibliothekstrakt (→ S. 73, Abb. 1) untergebracht, und zwar in dem mit fünf Fenstern zur Straße gelegenen ersten Saal des Piano nobile. Ein Besucher beschreibt die ästhetische Gesamtwirkung : Mehrheitlich in rotes Saffian (Maroquin) gebundene und mit goldenen Titeln und Ornamenten verzierte „Bücher“ stehen in „Repositoria“ aus Buchsbaum, die „an allen Reihen mit grünem Tuch“ zum Schutz vor Staub beschlagen sind.26 In den untersten Fächern dieser Bibliotheksschränke haben Druckgrafik und Zeichnungen ihren Ort gefunden.27 Außerdem gibt es im Saal drei Tische, „welche unten mit Schubladen versehen sind“ 28. Bereits 1728 erscheint eine Anleitung zum Sammeln von Porträts „berühmter und gelehrter Männer“ (Abb. 8) ; möglicherweise hatte ihr Autor die in der Himmelpfortgasse vereinten Bestände vor Augen.29 Auf jeden Fall fungiert die Sammlung als Modell für andere Auftraggeber, die sie manchmal nur vom Hörensagen kennen, darunter Johann V., König von Portugal.30 So wird Prinz Eugens durch (militärische) Ordnungsliebe und protowissenschaftlichen klassifikatorischen „Furor“ geformte sowie mittels zweier verschiedener Systeme in Kassetten und Klebebänden verwahrte Sammlung innerhalb weniger Jahre zu einer europäischen Referenzgröße. Als die Bibliothek nach dem Tode Prinz Eugens von Karl VI. angekauft und im Prunksaal der kaiserlichen Hof‌bibliothek aufgestellt wird, beginnt ein neues und – zumindest was die bildende Kunst betrifft – kontrastreiches Kapitel in der Geschichte ihrer Rezeption. Dazu gehört etwa die Praxis individueller Aneignung durch Kopieren, wie im Falle des angehenden Künstlers Johann Daniel Laurentz, der in den 1750er-Jahren Radierungen nach Zeichnungen von Rembrandt und seiner Schule aus dem Besitz von Eugen schafft (Abb. 9).31 Dazu gehört auch, dass die Sammlung in den Fokus allgemeinerer Debatten gerät. In der seit Langem hitzig geführten Diskussion um die Frage, ob es besser sei, das Œuvre eines Künstlers auf Vollständigkeit zu sammeln oder eine Auswahl zu treffen,

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23 Zur Thematik allgemein siehe ­Völkel 2007. 24 Vgl. Frieden­t hal 2017, S. 66–70. Der Franzose Etienne Boyet (auch  : Boyer) stand als Buch­ binder im Dienste Prinz Eugens  ; sein Vater Luc Antoine Boyet (Boyer), Buchbinder Ludwigs XIV., schickte aus Paris Tierhäute und Marmorpapiere. Auch Prägestempel mit dem Wappen des Prinzen und die Bögen, auf die die Grafiken und Zeichnungen montiert wurden, ließ man aus Paris kommen  ; siehe Friedenthal 2023b. – Ge­ nerell zu einem anderen Ort zeitgenössischer Kunstbetrachtung, nämlich der Gemälde­galerie, als Raum, in dem Konversation und Lektüre gepflegt werden, siehe Penzel 2007. 25 Siehe etwa Küchelbecker 1730, S. 628–630 und 688  f.  ; Pöllnitz 1735, S. 228  f.  ; Anon. 1739, S. 1130– 1140  ; Keyßler 1741b, S. 936  f. Ein Zeugnis aus dem direkten Umfeld von Prinz Eugen ist die Eloge von Passionei 1737, hier S. LXXIV–LXXXIII. 26 Anon. 1739 (beschreibt den Zustand im Jahr 1736), S. 1130. Die in der Bibliothek des Theresianums (Wien) partiell erhaltenen Bibliotheksschränke der Eugeniana blieben in der Forschungsliteratur nahezu unbeachtet ( vgl. Seeger 2004, S. 136 und Anm. 434), bis sie auf Initiative der Autorin dieses Beitrags im November 2022 erstmals genauer untersucht wurden  ; siehe jetzt den Beitrag von Christian WittDörring in diesem Band, S. 73  f. 27 Anon. 1739, S. 1131. 28 Anon. 1739, S. 1132. Es folgt eine Beschreibung des zweiten, hofseitig gelegenen Bibliotheksraums, dessen Aussehen auch in einer Zeichnung von Salomon Kleiner überliefert ist, S. 73. 29 Apin 1728. 30 Mandroux-França/Préaud 2003  ; siehe ferner Cohn 1992 (sog. Spencer-Alben). 31 Vgl. Frieden­t hal 2022.

32 Gilpin 1768, S. 231  f. 33 Heineken 1778, S. XV–XVII. Zur Porträtsammlung siehe Heineken 1771, S. 505  f. 34 Vgl. Smentek 2014, S. 250. 35 Nach eigener Aussage war Heineken 1769 in Wien und stand in Kontakt mit van Swieten, dessen Hilfsbereitschaft er dankbar erwähnt  ; siehe Heineken 1786, S. 198  f. (hier u. a. einen an ihn selbst gerichteten Brief van ­Swietens von 1785 zitierend). 36 Siehe Krajewski 2017, S. 52–57  ; Rieger 2014, S. 23–24  ; jeweils mit älterer Literatur. 37 Zum Beginn von Bartschs Anstellung siehe Rieger 2014, S. 23. 38 Bartsch 1803–21  ; vgl. u. a. Gauna 2012, S. 90  ; Smentek 2014, S. 2, 42 und 250. Für Fallstudien siehe Frieden­t hal 2008  ; Frieden­t hal 2017. 39 Vgl. diesbezügliche Forderungen eines Anonymus Ende 1781 in der Realzeitung  ; siehe Wieser 1968, S. 292 und Beilage II. 40 Mechel 1783, S. XIf.

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übt William Gilpin 1768 scharfe Kritik an Prinz Eugen. Er gilt ihm als Vertreter jenes Sammlertyps, der unsinnigerweise auf Vollständigkeit setze – eine auch finanziell schlechte Entscheidung, wie Gilpin meint.32 Hingegen wissen andere Teilnehmer am Kunstdiskurs das vom Prinzen verfolgte Ziel sehr wohl zu schätzen. So erwähnt etwa der ehemalige Direktor des Dresdner Kupferstich-Kabinetts, Carl Heinrich von Heineken, 1778 im ersten Band seines Dictionnaire des artistes, dont nous avons des estampes die berühmte Sammlung, die sich inzwischen in der Hof‌bibliothek befinde. Zwar verweigert Heineken den Klebebänden der Eugeniana, einschließlich ihrer Kataloge, aus verschiedenen Gründen sein uneingeschränktes Lob, mahnt jedoch an, dass eine in Wien offenbar geplante Publikation der Kataloge – wolle sie jenem „illustre Amateur“ Ehre machen – von einem Kenner der Materie unternommen werden müsse.33 Ein Vorhaben wie das von Heineken angeführte ist in der Literatur nicht näher bekannt.34 Dennoch mag Heineken richtig informiert gewesen sein, zumal die Hof‌bibliothek seit 1777 in Gottfried van Swieten einen neuen Präfekten hatte.35 Unter der Ägide des bekannten Musikliebhabers und -förderers entstand etwa der – zuweilen als erster Zettelkatalog der Bibliotheksgeschichte bezeichnete – Josephinische Katalog.36 Nicht auszuschließen ist auch, dass der Anfang 1777 zur Hof‌bibliothek gestoßene Kupferstecher und Grafikkenner Adam Bartsch an dem von Heineken erwähnten Projekt beteiligt war.37 Eventuell nehmen die von Bartsch ab 1795 publizierten Werkverzeichnisse (auch Catalogues raisonnés) hier ihren Ausgang, beruhen diese doch nachweislich auf den von Vater und Sohn Mariette verfassten Katalogen für Eugens Sammlung. Dies gilt auch für Bartschs Opus magnum, den bis heute konsultierten Peintre Graveur (1803–21).38 Im ausgehenden Zeitalter der Vernunft drängte die öffentliche Meinung auf Zugänglichkeit der Hof‌bibliotheksbestände, und sei es auch nur in Form von Handschrifteneditionen.39 Mit der Einrichtung der kaiserlichen Gemäldegalerie im Oberen Belvedere im Jahre 1781 sollten Räumlichkeiten und Sammlung in eine „sichtbare Geschichte der Kunst“ verwandelt werden. Der Hauptverantwortliche, Christian von Mechel, der diese intendierte Funktion überliefert, zieht die Analogie zu einer „reichen Bibliothek […], in welcher der Wißbegierige froh ist, Werke aller Arten und aller Zeiten anzutreffen, nicht das Gefällige und Vollkommene allein, sondern abwechselnde Kontraste, durch deren Betrachtung und Vergleichung (den einzigen Weg zur Kenntniß zu gelangen) er Kenner der Kunst werden kann“ 40. Mechels Vorgehen hat Kontroversen ausgelöst – sowohl unter den Zeitgenossen als auch in der modernen Forschung. Die Hängung der Gemälde im Oberen Belvedere wurde gefeiert als museale Pionierleistung, verstanden als Umsetzung beziehungsweise Aktualisierung älterer kunst-

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theoretischer Konzepte, relativiert als Vollendung eines Projekts, das wesentlich auf den Vorarbeiten eines anderen beruht, und nicht zuletzt subsumiert unter das Epochenphänomen der wissenschaftlichen Klassifikation in Parallelität zu naturgeschichtlichen Systematiken – die Liste ist keineswegs umfassend.41 Unabhängig davon, welche der verschiedenen Interpretationen besonders zu überzeugen vermag : Unter den an der Einrichtung der Gemäldegalerie Beteiligten ist die Kenntnis der Eugeniana unbedingt vorauszusetzen. In Anbetracht ihrer kunst- und wissenschaftshistorischen Bedeutung sowie ihrer großen Bekanntheit wäre es erstaunlich, wenn sie nicht in der einen oder anderen Weise für die Gemäldegalerie im Oberen Belvedere Pate gestanden hätte. Insbesondere dürfte dies für die nach Kunstlandschaften und innerhalb derselben chronologisch nach Künstlern geordneten Klebebände gelten.42 Tatsächlich ist das Konzept einer anhand der Objekte selbst nachvollziehbaren Kunstgeschichte älteren Ursprungs : Eine wichtige Traditionslinie führt hier vom Pariser Grafikhandel in die Bibliothek des Prinzen Eugen, um schließlich über Wien hinaus immense Wirkmacht zu entfalten.

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41 Aus der umfangreichen Literatur seien genannt  : Wüthrich 1956, S. 151, 153  ; Meijers 1995a (Originalausg. 1991)  ; Meijers 1995b  ; Trautwein 1997, S. 1991  ; Sheehan 2002, S. 69  ; Penzel 2007, S. 42–46 und passim  ; Fischer 2013a  ; ­M ayer G. 2021a, Kap. 5. 42 Bickendorf 2007, S. 51  f. und passim, weist auf die grundsätzliche Relevanz druckgrafischer Sammlungskonzepte für die Hängung im Oberen Belvedere hin, allerdings unter der falschen Annahme der Gleichzeitigkeit von Mariettes Arbeiten für Prinz Eugen und am sogenannten Recueil Crozat (1729 und 1742). Fischer 2013a, S. 56–58, schreibt dem Re­ cueil Crozat eine Vorbildfunktion für Mechels Galeriehängung zu und nennt in diesem Zusammenhang Pierre Jean Mariette, den Mechel auch selbst in Paris aufgesucht habe. Hingegen bleibt die Bedeutung der Klebebände der Eugeniana für Mechels Projekt hier unbeachtet, wenngleich in Anm. 139 kurz festgestellt wird, dass Mariette für den Aufbau der Grafiksammlungen Prinz Eugens von 1717 bis 1718 hinzugezogen worden sei. Zu den Klebebänden als wichtiger Voraus­ setzung für den Recueil Crozat siehe Gauna 2012, S. 97  ; Frieden­ thal 2017, S. 73.

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Abb.  1 Salomon Kleiner, Parade­schlafzimmer im Stadtpalais des ­Prinzen Eugen, um 1730 oder früher, Wien Museum

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Abb.  2 Empereurs & Princes et Princesses de la maison d’Autriche, Kassetten der Porträtsammlung von Prinz Eugen, Nrn. LXXXVI– XC, ca. 1719, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv Abb.  3 Titelblatt der Kassette Empereurs, Nr. LXXXVI, ca. 1719, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv Abb.  4 Erste Seite des Inhaltsverzeichnisses der Kassette Empereurs, Nr.  LXXXVI, ca. 1719, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv Abb.  5 Klebeband Œuvres de Louis Carache, 1718 oder bald danach, Albertina, Wien Abb.  6 Titelblatt des Klebebands Œuvres de Louis Carache, 1718, Albertina, Wien Abb.  7 Erste Seite des Katalogs des Klebebands Œuvres de Louis Carache, 1718, Albertina, Wien

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Abb.  8 Frontispiz und Titelseite von Sigmund Jacob Apin, Anleitung wie man die Bildnüsse berühmter und gelehrter Männer mit Nutzen sammlen und denen dagegen gemachten Einwendungen gründlich begegnen soll, 1728, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

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Abb.  9 Johann Daniel Laurentz nach Rembrandt van Rijn, Schlafendes Kind, 1756, Albertina, Wien

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Die Bibliotheksschränke aus Prinz Eugens Winterpalais im Theresianum Christian Witt-Dörring

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Abb. 1 Salomon Kleiner, Mittlerer Bibliotheks­ raum im Winterpalais des Prinz Eugen, um 1730, Privatbesitz

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um mittleren der drei Bibliotheksräume im Winterpalais des Prinzen Eugen hat sich eine Handzeichnung Salomon Klei­n ers erhalten (Abb. 1). Durch sie und eine Beschreibung 1 von 1739 können Teile der wandfesten Einrichtung in der Bibliothek der Theresianischen Akademie als aus diesem Raum stammend identifiziert werden. 1737, nur ein Jahr nach dem Tod des Prinzen, erwirbt Kaiser Karl VI. Eugens Bücher- und Druckgrafiksammlung von dessen Erbin. Damit verliert der ab 1723 errichtete ­B ibliothekstrakt des Stadtpalais seine Bestimmung und wird in der Folge als eigenständiges „Zinshaus“ vermietet. 2 Frühestens zu diesem Zeitpunkt muss notgedrungen auch die wandfeste Bibliothekseinrichtung weichen. 1746 bestimmt Kaiserin Maria Theresia die Favorita zur Erziehungsanstalt für den jungen Adel und damit zum zukünftigen Standort der Theresianischen Akademie. Weiters verfügt sie am 31. Juli 1748, dass der Bücherbestand der sogenannten garellischen Bibliothek dorthin übertragen wird. 3 Dafür werden zwei Bibliotheksräume eingerichtet. Am 4. August 1749 besucht Maria Theresia zum ersten Mal „die neu verfertigte Bibliothec und das Musäum mathematicum“ 4. Nach der Beschreibung des Bibliothekars Michael Denis von 1780 sind im zweiten, kleineren Raum „15 schmälere Schränke, welche die Linguistik […] enthalten. Sie sind nicht neu gemacht, sondern mit einem ebenfalls hier aufgestellten von Jos. Heinze [sic] vortreff‌lich gemalten Stücke, das einen aufmerksamen Knaben zeiget, dem ein alter Philosoph den Globus erkläret, aus der Verlassenschaft des grossen Eugens gekaufet worden. Einer dieser Schränke führet durch einen angenehmen Betrug in das Wohnzimmer des Bibliothekars.“ 5 S.

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1 Anon. 1739, S. 1134 f. : „[…] wenn man hinein­ gehet, siehet man rechter Hand, und also den Fenstern gegen über, einen von schönen Marmor verfer­ tigten Camin, neben welchem die Bildnüße der Dianae und Apo­ linis von weissen Marmor sich präsentieren. An den Camin ist von dem berühmten Heinitz gemahlt ein alter Philosophus, der die Weltkugel abmißet, auf welcher ihm ein Frauenzimmer, so vielleicht die Geographie für­ stellen soll, die Oerter zeiget ; […] Gerad gegen über, nemlich über der Thür, durch welche man in das dritte Zimmer gehet, ist von eben diesem Pinsel ein junger Mensch, der in einem Buch blättert, vor­ gestellt.“ 2 Seeger 2004, S. 11, Anm. 5. 3 Denis 1780, S. 7. 4 Guglia 1912, S. 33. 5 Denis 1780, S. 11.

Abb. 2 Teile der Schränke aus dem mittleren Biblio­ theksraum im Winter­ palais des Prinzen Eugen am heutigen Aufstellungsort in der Bibliothek des There­ sianums, Wien

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Abb. 3 Detail der Seitenwan­ gen der Schränke aus dem mittleren Biblio­ theksraum, Wien

Anhand dieser Beschreibung von 1780 ist der Raum heute kaum mehr wiederzuerkennen. Nicht nur fehlt das große Gemälde von Heinitz, auch die ursprünglich ästhetisch einheitliche, die Proportionen der Eugen’schen wandfesten Ausstattung übernehmende Gliederung der Bibliotheksschränke (-regale) ist zugunsten einer depotmäßigen, maximalen Ausnutzung der Wandflächen aufgegeben (Abb. 2). In diesen stecken ein Teil des Kranzgesimses und die ihrer geschnitzten Vertäfelung verlustig gegangene Sockelzone sowie die aus Voluten aufsteigenden schmalen, die einzelnen Schränke begrenzenden Lisenen der Bibliothek aus der Himmelpfortgasse (Abb. 3). Als Entwerfer der Schränke kommt der aus Paris stammende Tapezierer und als solcher auch Innenraumgestalter Prinz Eugens Claude Le Fort du Plessy infrage. 6 Dabei wird auf ein bereits um 1710 in Paris entwickeltes Dekorationssystem zurückge­g riffen, wie man es etwa bei Robert de Cotte, dem ersten Architekten Ludwigs XIV., findet. 7 Zur Zeit der Demontage im Winterpalais ist die Bibliothekseinrichtung geschmacklich bereits nicht mehr auf dem letzten Stand und daher auch nicht mehr im Bereich des höfisch-aristokratischen Repräsentationsbedürfnisses einsetzbar. 8 Wann und aus welchen Gründen das zur Zeit des Einbaus im Theresianum noch berücksichtigte originale Möblierungskonzept zugunsten einer maximierenden, rein ökonomischen Gesichtspunkten folgenden Raumausnutzung aufgegeben wird, kann nur vermutet werden. Es könnte dies in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die Bibliothek auf über achtzigtausend Bände angewachsen war, notwendig geworden sein.

6 Schmidt J. 1933, S. 118, Anm. 48. 7 Fossier 1997, Dossier 409. 8 Witt-Dörring 2006, S. 89.

Montags, Mitwochs, und Freytags steht die Galerie jedermann offen. […] Hier müssen wir anmerken, daß es verboten ist, mit einem Stock in die Galerie zu tretten, weil verschie­dene Vorwitzige die Gemälde damit betastet haben. – Dieses Verbot ist sehr billig – ja man sollte vielen nasenweisen Herren, wenn es möglich wäre, ihre Finger ablegen heißen.

Kapitel II Die kaiserlichen Sammlungen im Belvedere

S. 102

S. 118

GERNOT MAYER —— Die Museumswerdung der kaiserlichen Gemäldegalerie



S. 128

S. 136

NORA FISCHER —— Öffnung und Öffentlichkeit im Oberen Belvedere um 1800

Die kaiserlichen Sammlungen im Belvedere

—— Joseph von Kurzböck, Neueste Beschreibung aller Merkwürdigkeiten Wiens, Wien 1779, S. 56

1776–1891

S. 110

THOMAS W. GAEHTGENS —— Die Entstehung des Kunstmuseums im 18. Jahrhundert

Kapitel II

ALICE HOPPE-HARNONCOURT —— Neukonzeptionen der alten Malereischulen im frühen 19. Jahrhundert SABINE GRABNER —— Die „Moderne Schule“ in der kaiserlichen Gemäldegalerie

6

9

Die Ambraser Sammlung Georg Lechner

Napoleonischer Kunstraub und Evakuierungen

S. 93

Alice Hoppe-Harnoncourt S. 133

7

Die erste Restaurierwerkstatt

10

Alice Hoppe-Harnoncourt

Gemäldegalerie und Akademie der bildenden Künste

S. 99

Sabine Grabner 8

S. 143

Der Bildertausch zwischen Florenz und Wien Nora Fischer S. 125

1776–1891

S. 81

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Philipp Gottfried Pintz nach Gottlieb Nigelli, Grundriss des Oberen Belvedere in Wien, 1781, Belvedere, Wien

S. 85 Erster Saal der nieder-

ländischen Schule der kaiserlichen Gemäldegalerie im Hauptgeschoß des Oberen Belvedere, um 1880, Foto : Raimund Stillfried von Rathenitz, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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Carl Schütz, Das Schloss Belvedere ­gegen den Bassin, 1785, Wien Museum

S. 86 Kaiserliche Gemälde-

galerie im Erdgeschoß des Oberen Belvedere, um 1880, Bildarchiv des Belvedere, Wien

98

S. 89 Leopold Chimani,

Das kleine Belvedere oder Mignon-BilderGallerie, Wien 1840, Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung S. 91

Carl Goebel d. J., Der Marmorsaal des Unteren Belvedere mit den Skulpturen der Antikensammlung, 1876, Belvedere, Wien

S. 92 Carl Goebel d. J.,

Eingang in die I. Rüstkammer, 1875, Belvedere, Wien S. 95 Carl Goebel d. J.,

Letztes Kabinett der Ambraser Sammlung mit böhmischen Gläsern, 1889, Belvedere, Wien S. 96 Rudolf von Alt,

Das Treppenhaus im Oberen Belvedere mit Besucher*innen der kaiserlichen Gemäldegalerie, 1882, Albertina, Wien

← Carl Schütz, Das Schloss Belvedere gegen den Garten (Detail), 1785, Wien Museum

S. 98 Josef Löwy, Fotografie

des Gemäldes Kardinalinfant Ferdinand von Jan van den Hoecke (überarbeitet von Peter Paul Rubens, um 1634/35) vor der kaiserlichen Gemäldegalerie im Oberen Belvedere, 22. 8. 1889, Kunsthistorisches Museum Wien S. 101 Josef Löwy, Plan zur

Aufstellung einer photographischen Drehscheibe im k. k. Belvedere zu Wien, vor 1888, Kunsthistorisches Museum Wien

Kap. II 1776–1891 Carl Schütz, Das Schloss Belvedere gegen den Bassin, 1785

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Grundriss des Oberen Belvedere in Wien, 1781

—— August Klingemann, in : Zeitung für die elegante Welt, Nr. 104, 1. 6. 1820, S. 828

Christian von Mechel, Verzeichniß der Gemälde der Kaiserlich Königlichen Bilder Gallerie in Wien, Wien 1783, Bibliothek des Belvedere, Wien

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Kap. II 1776–1891

Recht wohlthuend ist es mir gewesen, die Werke der besonderen Schulen und Künstler bei einander anzutreffen, und nicht so vermischt, wie in manchen andern Gemälde-Gallerien vorzufinden. Der Studirende schaut sich in den Styl und den eigentlichen Charakter der ver­ schiedenen Schulen und Meister weit leichter ein, wenn er sie in einer ununterbrochenen Reihenfolge überblicken kann, und nicht durch jenen zerstreuenden Wechsel gestört wird, der Kontraste auf Kontraste folgen läßt und die Phantasie verwirrt und betäubt.

Da man zu den sehenswerthen Gemälde-Galerien Wiens, unter welchen sich besonders die des Fürsten v. Lichtenstein, der Grafen von Fries und von Lamberg auszeichnen, ohne besondere Empfehlungen nicht leicht Zutritt erhält, auch einige ihrer Besitzer abwesend waren ; so begnügte ich mich mit der Kaiserlichen in dem Belvedere, einem ehemaligen Lustschlosse des berühmten Eugen von Savoyen am Rennwege, welche von Mechel und Rosa sehr zweckmäßig nach den verschiedenen Schulen aufgestellt worden ist und alle Zimmer des großen Gebäudes einnimmt. —— Georg v. Martens, Reise nach Venedig. Erster Theil, Ulm 1824, S. 142

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Kap. II 1776–1891 Niederländische Schule der kaiserlichen Gemäldegalerie im Oberen Belvedere, um 1880

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Kaiserliche Gemäldegalerie im Erdgeschoß des Oberen Belvedere, um 1880

—— Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode, 5. 12. 1837, S. 1160

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Kap. II 1776–1891

Den Bildern aus den wichtigsten und reichsten Perioden ist die Namensüberschrift der Urheber, in so weit sich diese ausmitteln ließen oder auf achtungswerthen Überlieferungen beruhen, durchängig beygefügt worden. Jedenfalls ist diese fortlaufende Bezeichnung, da sie zum Theil die Stelle eines Katalogs vertritt, eine schätzens­ werthe Beygabe. Es trifft sich zuweilen in einer und der andern Gallerie, daß verschiedene Nummern unversehens abspringen, daß ihnen der Suchende mit dem Kataloge wie versteckten Flüchtlingen nachsetzen muss ; ein Übelstand, der im Belvedere sorgfältig vermieden ist.

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Kap. II 1776–1891 Leopold Chimani, Das kleine Belvedere oder Mignon-BilderGallerie, Wien 1840 Leopold Chimanis Mignon-Bilder-Gallerie richtet sich an Kinder, denen anhand der neueren Werke im Belvedere Kunst vermittelt werden soll. Anlass für die Produktion mag die Neuaufstellung der kaiserlichen Gemäldegalerie im Jahr 1836 gewesen sein. Das kleine Belvedere wird von einem Büchlein mit kurzen Werkbeschreibungen sowie Hinweisen auf die allgemeine Zugänglichkeit der Gemäldegalerie und die Öffnungszeiten begleitet.

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An den Montagen ist gewöhnlich ein gedräng­ volles Getümmel. Eine Menge Bürgersleute von den untern Klassen, Handwerksbursche, die den Blauen Montag machen, ja sogar geringe Dienstmädchen mit Kindern auf den Armen, besuchen, um den Nachmittag angenehm zu verbringen, die Bilder­gallerie. Hierinn wünschte ich nun wohl eine Abänderung. Die Kinder sind der Gallerie gefährlich : sie betasten manch­mal mit schmuzigen Fingern die vortreff‌lichsten Stüke. Wozu ist auch überhaupt für Kinder die Ansicht der Gallerie ? Ich glaube, man könnte, ohne dem Publikum einen Zwang zu thun, Kindern und andern ganz niedrigen Leuten den Eingang verwehren, weil ja eine solche Gemälde­ sammlung kein Marionettenspiel ist, und man doch weiß, daß dergleichen Leute nichts bessers aus der Ansicht derselben zu schöpfen wissen, als wenn sie aus langer Weile den Gukkasten eines Savoyarden ansähen. —— Johann Pezzl, Skizze von Wien. Drittes Heft, Wien 1787, S. 441 f.

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Kap. II 1776–1891 Carl Goebel d. J., Der Marmorsaal des Unteren Belvedere mit den Skulpturen der Antikensammlung, 1876

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Die Ambraser Sammlung Georg Lechner

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ie Ambraser Sammlung befand sich ursprünglich im namensgebenden Schloss Ambras, das heute innerhalb der Stadtgrenzen von Innsbruck liegt und dem Kunsthistorischen Museum zugeordnet ist. Ihr Gründer war Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, der unter ­a nderem ­Harnische, Porträts, Bücher sowie Objekte für eine Kunst- und Wunderkammer zusammentrug. Das eigens dafür errichtete und bis heute museal genutzte Unterschloss diente zur Unterbringung der Bestände und beherbergt noch heute Teile davon. Während der Koalitionskriege musste die Kollektion mehrfach in Sicherheit gebracht werden. Als nach dem Frieden von Pressburg am 26. Dezember 1805 Tirol samt Vorarlberg an das neue Königreich Bayern fiel, kam es zur Transferierung der Bestände nach Wien. Bereits 1811 hatte Kaiser Franz II./I. deren Aufstellung im Unteren Belvedere beschlossen. Bedingt durch die politischen Verhältnisse konnte dieses Vorhaben jedoch erst nach der letzten Flüchtung der Objekte im Jahr 1813 verwirklicht werden. Die Artefakte und Kuriositäten gelangten im Übrigen nicht ohne personellen Beistand nach Wien, sondern wurden von dem für Schloss Ambras und die Sammlung zustän­d igen Schlosshauptmann Johann Baptist Primisser begleitet. Bei der Auf­ stellung im Unteren Belvedere wurde er von seinem Sohn, dem späteren Numismatiker und Archäologen Alois ­P ri­m isser, unterstützt. Beide engagierten sich zudem sehr für die Publikation eines Katalogs, der 1819 herausgegeben wurde. Einen lebhaften Eindruck von der Fülle der im Unteren ­B elvedere ausgestellten Objekte vermitteln die Aquarelle von Carl Goebel dem Jüngeren, die dieser von 1875 bis 1889 von den einzelnen Räumen angefertigt hat und die heute Teil der Sammlungen des Belvedere sind (→ S. 91–95). Während die Marmorgalerie mit reich bestückten Vitrinen aufwartete, wurden im Groteskensaal die freskierten Wandflächen vollständig vom Stammbaum des Hauses Habsburg und von Porträts verdeckt (Abb. 1). In anderen Räumen gelangten wiederum die umfangreichen Bestände von Werken aus der römischen Antike und dem alten Ägypten zur Präsentation. Dazwischen sind auch Bilder aus der kaiserlichen Gemäldegalerie auszumachen, für die im Oberen Belvedere kein Platz war. Vor der Eröffnung des neu errichteten Kunsthistorischen Museums 1891 waren die Bestände aus dem Unteren Belvedere dorthin übersiedelt worden. In einigen der leer gewordenen Räume wurden jedoch bis in die frühen 1930er-Jahre Teile der in den Jahren von 1896 bis 1906 nach Wien gelangten Funde aus Ephesos ausgestellt (→ S. 207,  15  ).

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1

Abb. 1 Carl Goebel d. J., Der Stammbaumsaal, 1888, Belvedere, Wien

Kap. II 1776–1891 ↑ Carl Goebel d. J., Letztes Kabinett der Ambraser Sammlung mit böhmischen Gläsern, 1889

← S. 92 Carl Goebel d. J., Eingang in die I. Rüstkammer, 1875

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Kap. II 1776–1891 Rudolf von Alt, Das Treppenhaus im Oberen Belvedere mit Besucher*innen der kaiserlichen Gemäldegalerie, 1882

Josef Löwy, Fotografie des Gemäldes Kardinalinfant Ferdinand von Jan van den Hoecke (überarbeitet von Peter Paul Rubens, um 1634/35) vor der kaiserlichen Gemäldegalerie im Oberen Belvedere, 22. 8. 1889

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Dieses Foto zeigt, wie die Gemälde in einer vor dem Oberen Belvedere errichteten, mit Drehscheibe und Dunkelkammer ausgestatteten Holzhütte aufgestellt wurden, um fotografische Reproduktionen herzustellen.

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Die erste Restaurierwerkstatt Alice Hoppe-Harnoncourt

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ie Gemälde der kaiserlichen Galerie waren so wie die Räumlichkeiten durch die Ereignisse während der Napo­ leonischen Kriege merkbar in Mitleidenschaft gezogen. Daher erstellte der neu ernannte Direktor Joseph Rebell ein Sanierungskonzept, das erstmals systematische konservatorische Maßnahmen beinhaltete. Zuerst erfolgte die Einrichtung eines Laboratoriums, in welchem „mechanische Operationen“ wie Reinigungen und Doublie­ rungen, ab 1826 auch Parkettierungen (die Bildträger wurden gedünnt und durch aufgeleimte Rostspangen mit Einschubleisten gestärkt) durchgeführt wurden. Zudem sollte das Galeriegebäude raumklimatisch stabilisiert werden, wofür 1826 bauliche Maß­ nahmen wie der Verschluss des Vestibüls mit Glastüren vollzogen wurden. In diesem Sinne wurde eine Heißluftheizung eingebaut, um die Galeriezimmer statt über einzelne Feueröfen mit im Keller aufgeheizter warmer Luft zu temperieren (Abb. 1). Die dadurch gewünschte Trocknung des Gebäudes hatte jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf die Tafelgemälde, wie Direktor Peter Krafft 1829 ausführte : „Da […] jene auf Holz gemahlten Bilder der Teutschen und Niederländischen Schulen bey der neuen Meißnerschen Heitzung der k. k. Galerie, um alle Gefahr des Werfens und Springens zu beseitigen, ebenfalls im Laufe dieses Sommers nach Eur. Excellenz mündlicher Äußerung, noch parquettirt werden müssen“, bat er um eine Erhöhung des Budgets. Er versicherte, dass „durch diese Vorarbeiten die Heitzung jedenfalls unschädlich gemacht wird.“ 1 S.

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1 Siehe Hoppe-Harnoncourt 2001, S. 177–­ 187 ; Urban/Rechberger 2011, S. 140 f. ; Hoppe-­ Harnoncourt 2012, Abs. 9–17. 2 Oberthaler 1996, S.  30 f. ; Urban/Rechberger 2011, S. 143.

Mit Erasmus von Engert wurde 1843 erstmals bewusst ein auf Restaurierung spezialisierter Kustos eingestellt. 1856 übernahm Engert die Galeriedirektion. Da die trockene Luft weiterhin Pro­b leme verursachte, ließ er auf Anraten Gustav Friedrich ­Waagens, des Direktors der Berliner Gemäldegalerie, mittels über den Wandöffnungen angebrachten Wasserbehältern die Luft der Galeriesäle befeuchten und regelmäßig die Wirksamkeit der Maßnahme durch Messungen kontrollieren. 1868 gründete Engert im Belvedere – bereits im Hinblick auf die zu erwartenden Arbeiten für die Übersiedlung ins neue Hofmuseum – eine Restaurierschule mit eigenen Räumlichkeiten (Abb. 2). Aus der Schule wurde bald eine Restaurieranstalt mit fixem Personal. Ab 1874 wurde über Ein- und Ausgang der Gemälde mit kurzer Beschreibung der verrichteten Arbeiten Buch geführt. 2

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Abb. 1 Paul Traugott Meissner und Johann Aman, Durchschnitt des k. k. Gallerie Gebäudes, 1826, Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, PAB, C, VI, 11, O-00583

Abb. 2 Conrad Latzel d. Ä., Plan über die Adaptierung der Räumlichkeiten der neu eruirten Restaurierschule, 1868, Burghauptmannschaft Österreich, Wien, Planarchiv, Inv.-Nr. C, VIII, 4, O-00365

Kap. II 1776–1891 Josef Löwy, Plan zur Aufstellung einer photographischen Drehscheibe im k. k. Belvedere zu Wien, vor 1888 Die Foto-Werkstatt mit Drehscheibe, Exponier-, Objektivhütte sowie Dunkelkammer war an der Nordseite des Oberen Belvedere positioniert, um dort Reproduktionen der Gemälde anzufertigen.

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THOMAS W. GAEHTGENS —— Die Entstehung des Kunstmuseums im 18. Jahrhundert

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1 Fischer 2021.

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Kap. II 1776–1891

In der Epoche der Auf‌klärung begannen die europäischen Fürstinnen und Fürsten, die seit Jahrhunderten in ihren Schlössern angehäuften Sammlungen neu zu ordnen. Zwei Gründe bestimmten das aufwendige Unternehmen. Einerseits galten die Kuriosa und Kunstwerke nicht mehr nur als kostbare, zum Bestaunen erworbene Wunderwerke. Sie wurden vielmehr als Gegenstände wahrgenommen, die ästhetische Empfindungen auslösten und deren Untersuchung wissenschaftliche Einsichten ermöglichte. Andererseits bildete sich im 18. Jahrhundert ein Publikum, das immer stärker den Wunsch, dann auch die Forderung erhob, an ­Betrachtung und Bearbeitung der Sammlungen teilzuhaben. In diesem s­ ozial-, k ­ ulturund bildungspolitischem Prozess entstand die Institution Museum. Während Fachleute Ordnungskriterien entwickelten, mussten Orte für eine adäquate Auf‌bewahrung gefunden werden, die auch die Zugänglichkeit für ein wachsendes Publikum bieten konnten. Aufgrund der Vollendung monumentaler Museumsbauten im 19. Jahrhundert wird die Entstehung der Museen oft dieser Epoche zugerechnet. Das Museum ist aber in Wahrheit, von ersten Versuchen bis zu erfolgreichen Modellen wie dem Belvedere in Wien, das geistige Produkt der Auf‌klärung des 18. Jahrhunderts. In der frühen Geschichte dieser Institution wurden an den fürstlichen Höfen unterschiedliche Konzepte diskutiert, die sich durch die internationalen Verbindungen rasch verbreiteten. Vorgesehen war meist eine Konzentration und Umverteilung der in den Schlössern verstreuten Sammlungen. Allerdings entstanden auch erste Neubauten, etwa in Düsseldorf, Potsdam oder Kassel. An der französischen Académie d’architecture in Paris zeichneten die Studierenden erste fantasievolle, oft megalomane Projekte für Museumsbauten. Einige Höfe mit besonders bedeutenden Sammlungen wirkten vorbildhaft. Meist wurde die Trennung von Bibliotheken, Kunstkammern, Naturaliensammlungen und bilderreichen Galerien beschlossen. Nur gelegentlich, wenn vom Umfang her möglich, blieb der Gedanke eines universalistischen Museums erhalten, in dem mehrere Sammlungsbereiche verbunden waren. Die Trennung erforderte, adäquate Kriterien für die Neuordnung der Sammlungsbereiche zu entwickeln.1 Antiken- und Gemäldegalerien waren bereits seit langer Zeit aus den cabinets de curiosités herausgelöst worden. Die nach dekorativen und repräsentativen Gesichtspunkten gehängten Galerien bildeten die Vorstufe für die Entstehung des Kunstmuseums, wie es sich in Düsseldorf, Dresden, Braunschweig, Potsdam, Wien, Florenz, Rom, Paris, München und Berlin herausbildete. Ein Dokument, das den Vorgang von so großer kultureller und wissenschaftlicher Tragweite besonders anschaulich vergegenwärtigt, ist die von August dem Starken um 1718 eigenhändig erstellte Liste, in

der der Monarch seine reichen Sammlungen neu gliederte (Abb. 1).2 Er selbst projizierte in diesem ersten Projekt ihre systematische Unterbringung im Grünen Gewölbe des Dresdner Schlosses. Auf dem Papier werden auch die Gemälde aufgeführt. Sie wurden jedoch, unter dem Nachfolger ­August II., von den anderen Sammlungen getrennt. 1747 aus den Galerien im Inneren des Schlosses herausgenommen, erhielten sie an einem öf­ fentlichen Platz, dem Neumarkt, im umgebauten Marstall ein eigenes Gebäude. Bereits vorher, in den Jahren von 1709 bis 1714, hatten Johann Wilhelm von der Pfalz und seine florentinische Gemahlin, Anna Maria Luisa de’ Medici, an ihre Residenz in Düsseldorf einen Galeriebau anfügen lassen. Es handelte sich um eine dreiflügelige Anlage, im Grunde bereits ein selbstständiger, da über den Hof und somit von der Stadt aus für Besucher*innen betretbarer Museumsbau. Allerdings war er an einem Seitenflügel mit dem Stadtschloss verbunden, wodurch er noch die Tradition der mit Gemälden ausgestatteten Fürstengalerien der Schlösser erkennen ließ (Abb. 2). Der Kurfürst, der eine der umfangreichsten europäischen Sammlungen (heute in der Alten Pinakothek, München) besaß, ließ die Hängung der Galerie durch den Basler Kupferstecher und Kunstkenner Christian von Mechel (→ S. 116, Abb. 3) in einem 1778 erschienenen prachtvollen Galeriewerk stechen (Abb. 3). Der Band repräsentierte nicht nur den hohen Rang der flämischen, niederländischen und italienischen Gemälde, sondern auch die nach Schulen geordnete Sammlung. 1755 beauftragte Friedrich II. in Potsdam einen nur den besten Gemälden seiner Sammlung gewidmeten Bau, zwar in unmittelbarer Nähe, aber doch außerhalb seiner Privatresidenz Sanssouci. Der Monarch benötigte nur wenige Schritte, um Gäste in seine Bildergalerie zu führen, die von angemeldeten Besucher*innen vom Garten aus betreten werden konnte. Friedrich warb aus Dresden den „Galerieinspektor“ Matthias Oesterreich für die Betreuung seiner Kunstschätze ab, der 1757 einen von den Besucher*innen erwerbbaren Katalog der Sammlung publizierte (Abb. 4). Auch in der Potsdamer Gemäldegalerie wurden die niederländischen und flämischen Werke im ersten von den italienischen im zweiten Teil des lang gestreckten Gebäudes getrennt. Am konsequentesten, da nach Schulen und innerhalb dieser in chronologischer Reihenfolge, sollte jedoch die kaiserliche Gemäldesammlung im Wiener Belvedere eingerichtet werden. Kaiser Joseph II. betraute 1778 Mechel mit dieser Aufgabe, da er sich schon in Düsseldorf hierfür qualifiziert hatte. Mechels Wirken ist von der Forschung ausführlich analysiert worden. In dem von ihm verfassten, in deutscher und franzö­ sischer Sprache erschienenen Katalog (→ S. 83) hat er selbst die Grund­

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THOMAS W. GAEHTGENS

2 Gaehtgens 2012, S. 210–213.

3 Mechel 1783, S. XI. Zur Neuordnung der Wiener Gemäldesammlungen siehe vor allem Meijers 1995b  ; weiterhin grundlegend ­F ischer 2013a. Zum hier behandelten Thema allgemein siehe Savoy 2015 mit wei­ terer Literatur. 4 Mayer G. 2021b. 5 Schryen 2015, S. 459. 6 Rittershausen 1785, S. 23  ; Schryen 2015, S. 460.

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Kap. II

lagen seiner Vision formuliert, dass „die Einrichtung im Ganzen, so wie in den Theilen lehrreich, und so viel wie möglich, sichtbare Geschichte der Kunst werden möchte“ 3. Mit dieser konzeptionellen Orientierung erhielt die Kunst neben ihrer dekorativen und repräsentativen Funktion eine pädagogische Mission. Im Gegensatz zur Fürstengalerie stellte das Museum eine Bildungseinrichtung dar, in der die Geschichte der Kunst studiert werden konnte. Die Schriften des Begründers der Archäologie als einer historischen Wissenschaft, Johann Joachim Winckelmann, den Mechel 1766 in Italien getroffen hatte, blieben nicht ohne Einfluss auf das Ordnungssystem nach Schulen, denen Mechel neben Italien, Frankreich und den Niederlanden, von patriotischen Überzeugungen geleitet, auch eine deutsche in mehreren Sälen hinzufügte (→ S. 117, Abb. 7).4 Die Hängung nach Schulen und chronologischer Entstehung der Gemälde sollte bis heute das wichtigste Kriterium der Präsentation von Kunstwerken im Museum bleiben. Gleichwohl löste dieses Ordnungssystem nach der Öffnung des Belvedere heftige Kritik aus. Bereits 1782 wurde von „Galeriemord“ gesprochen. Mechel habe die Sammlung „zu einer Bildermusterkarte“ reduziert.5 1785 wurde der Widerspruch noch schärfer vorgetragen. Zwar bewirke die Hängung bei großen Sammlungen eine gewisse Übersichtlichkeit, aber die ästhetische Wahrnehmung der Kunst werde gering geschätzt : „Schöne Künste müssen unmittelbar aufs Herz wirken, das ist ihr Zweck und alles andere muss entfernt werden.“ 6 Die Kritik am nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten geordneten Museum sollte auch in den folgenden Epochen, ja bis in unsere Gegenwart lebendig bleiben. Während die kaiserlichen Gemälde in einer neuen Hängung in das Belvedere überführt wurden, hatte in Florenz Großherzog Pietro Leopoldo, Bruder Josephs  II., eine Umgestaltung der Uffizien in Auftrag gegeben. Unter Giuseppe Pelli Bencivenni und Luigi Lanzi wurde auch dort die italienische Malerei in chronologischer Ordnung präsentiert. Die verwandtschaftlichen Beziehungen und das beiden Monarchen eigene Engagement für die Reform, den Sammlungen einen Nutzen für die Öffentlichkeit zu geben, führten zu enger Zusammenarbeit zwischen Florenz und Wien, sogar zu dem Projekt, Gemälde zur jeweiligen Vervollständigung der geschichtlichen Darstellung auszutauschen (→ S. 125,  8  ). Die Hängung im Belvedere blieb für die europäischen Museen vorbildlich, wenn sie auch weiter differenziert wurde. Bei der Einrichtung des Louvre 1793 während der Französischen Revolution folgte man dem Wiener Modell, nicht ohne auch dort Kritik auszulösen. Der Entscheidung, die königlichen Sammlungen und später die aus den eroberten Ländern geraubten Gemälde nach Schulen und chronologisch zu präsentieren, trat

1776–1891

Die Entstehung des Kunstmuseums im 18. Jahrhundert

etwa der Kunsthändler Le Brun leidenschaftlich entgegen. Er bedauerte, dass der „simple variété pittoresque de curiosité ou de coup d’œil“ nicht genug Rechnung getragen würde.7 Eine einzigartige, von den Besucher*innen begeistert aufgenommene Übersicht über die Geschichte der europäischen Malerei bot das Musée Napoléon, das im Louvre in den Jahren von 1803 bis 1815 zu besichtigen war. Es umfasste nicht nur die königlichen Sammlungen, sondern war durch Erwerbungen, vor allem aber durch den Kunstraub der Revolutionstruppen, dann unter Napoleon erweitert worden. Der Direktor, Dominique-Vivant Denon, raubte in den eroberten Ländern mit vorbereiteten Listen mit dem Ziel, einen möglichst vollständigen Abriss der Kunstgeschichte bieten zu können. In diesem Sinne suchte er nicht zuletzt deutsche Gemälde von Dürer, Cranach, Altdorfer und Baldung, da solche in den französischen Sammlungen kaum vertreten waren. Denon trug auch dazu bei, bisher vernachlässigte Epochen wie die Kunst der sogenannten primitifs, die frühe italienische Malerei, in den Museumsrundgang zu integrieren. Er sorgte ferner für eine differenzierte stilgeschichtliche Hängung im Musée Napoléon. Sie sollte den Besucher*innen durch den Vergleich etwa von Raffaels Werken mit solchen seines Lehrers Perugino die künstlerische Entwicklung und die herausragende Meisterschaft des Renaissancekünstlers vor Augen führen (Abb. 5). Denons Inszenierung der frühen italienischen und deutschen Malerei wie auch die Hervorhebung Raffaels als des größten, nach wie vor für die Gegenwart vorbildlichen Genies sollten durch die Beobachtungen von Friedrich Schlegel besonders im Kreise der Romantiker weiten Nachhall finden. Die Niederlage Napoleons und die Rückführung der geraubten Kunstwerke führten in einigen Ländern zu einem neuerlichen, von Pa­ triotismus geprägten Bewusstsein, die Kunstsammlungen in Museen der Öffentlichkeit darzubieten.8 Die Museumsbauten Leo von Klenzes in München und das 1830 vollendete Alte Museum von Karl Friedrich Schinkel, gegenüber dem Berliner Schloss gelegen, entstanden in diesem historischen Zusammenhang. Über die Funktion des Berliner Museums, das ein herausragender Kenner der Geschichte der Kunst, Gustav Waagen, leitete, wurde jedoch auch weiterhin gestritten. Die Kritik an der Hängung des Belvedere fand ihre Fortsetzung, wobei Schinkels Ausspruch, das Museum solle „erst erfreuen, dann belehren“, der Inschrift auf dem Fries entgegenstand, es solle dem „Studium jeder Art von Altertümern und der freien Künste“ dienen. In der Romantik trafen die beiden Wege der Auseinandersetzung mit Kunst, wissenschaftliches Studium und individuelle Wahrnehmung, erneut aufeinander. Wilhelm Heinrich Wackenroder verklärte das Museum zum Tempel, in dem nicht wie auf einem Jahrmarkt an Waren vorübergegangen, sondern der Genuss der Kunstwerke als Gebet erfahren

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THOMAS W. GAEHTGENS

7 Le Brun 1992, S. 93. 8 Sheehan 2002.

Kap. II

werden sollte. In diesem Sinne ließen sich die Lukasbrüder, die sich 1809 in Wien zusammenfanden, besonders von den Gemälden der altdeutschen Schule inspirieren. Nach der Rückkehr der geraubten Bilder aus Paris setzte sich im Belvedere eine stärker nach ästhetischen Gesichtspunkten arrangierte Mischung der Schulen durch, womit die klassizistische Museumskonzeption der Auf‌klärung einer neuen Auf‌fassung im 19. Jahrhundert weichen musste.9

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Die Entstehung des Kunstmuseums im 18. Jahrhundert

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Abb.  1 August  II., genannt der Starke, Entwurf der Neuordnung der Sammlungen im Dresdner Schloss, um 1718/19, Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 02079/33, Bl. 28a Abb.  2 Christian von Mechel et al., Vorzeichnung für La Galerie electorale de Dusseldorff, um 1768–78, The Getty Research Institute, Special Collections, Los Angeles 2

9 Hoppe-Harnoncourt 2013, S. 90–114.

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Die Entstehung des Kunstmuseums im 18. Jahrhundert

Abb.  3 Christian von Mechel et al., Vorzeichnung für La Galerie electorale de Dusseldorff, um 1768–78, The Getty Research Institute, Special Collections, Los Angeles

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Abb.  4 Hängeplan der Bildergalerie im Schloss Sanssouci, 1773, aus : Matthias Oesterreich, Beschreibung aller Gemählde, Antiquitäten, und anderer kostbarer und merkwürdiger Sachen, so in denen beiden Schlössern von Sans-Souci, Berlin 1773 Abb.  5 Maria Cosway, La Galerie du Louvre, Hängung von 25 Gemälden italienischer Meister (darunter Guido Reni, Raffael und Tizian), 1802, British Museum, London

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1 Zur Geschichte des ­B elvedere nach Prinz Eugen siehe Aurenhammer 1969  ; Schoeller 2011. 2 Fuhrmann 1770, S. 27–38. 3 Zur Etablierung öffent­ licher Museen im 18. Jahrhundert siehe Sheehan 2002  ; Savoy 2006 (siehe hier zum Belvedere Édouard Pommier, S. 55  f.  ; Annette Schryen, S. 279– 307)  ; Paul 2012 (siehe hier zum Belvedere ­M ichael Yonan, S. 167– 189)  ; Gaehtgens 2012  ; Swoboda 2013a. 4 Zur Neuordnung der kaiserlichen Galerie im Belvedere siehe Meijers 1995b  ; Lechner 2011  ; Fischer 2013a  ; Fischer 2021  ; Mayer G. 2021a. 5 Zur Stallburggalerie siehe Ausst.-Kat. Wien 2010b. 6 Siehe etwa „Auszug eines Briefes von Wien, den 12. Jun. 1763“, in  : Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste, 9. Bd., 2. Stück, 1763, S. 326–330.

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So wie weitere Bauten von Prinz Eugen von Savoyen – etwa Schloss Hof oder das Winterpalais in der Himmelpfortgasse – gelangte auch das Belvedere nach dem Tod des Feldherrn 1736 in habsburgischen Besitz. Für welche Zwecke die Landesherrin Maria Theresia 1752 das Gartenpalais am Rennweg erwarb, ist heute unklar. Der Baukomplex wurde jedenfalls kaum genutzt und rückte nur 1770 mit einem großen Ball anlässlich der Hochzeit von Erzherzogin Marie Antoinette ins Zentrum des höfischen Lebens.1 In dasselbe Jahr datiert eine ausführliche Beschreibung des Oberen Belvedere, aus der die reiche Ausstattung des Schlosses mit kostbaren Asiatika, Porzellan und Gemälden hervorgeht. Hier befanden sich etwa die großformatigen Gemäldezyklen von Martin van Meytens und seiner Werkstatt, die die Königswahl und die Krönung sowie die erste Hochzeit von Joseph II. dokumentieren, ferner Familienporträts der Habsburger sowie Statuen mehrerer Kaiser. Neben der Herrscherfamilie hielt die Ausstattung aber auch den Bauherrn des Palasts, Prinz Eugen von Savoyen, in Ehren, durch Schlachtendarstellungen, aber auch durch Balthasar Permosers allegorisches Marmorbildnis des Feldherrn.2 War das Belvedere folglich um 1770 ein Ort dynastischer Repräsentation und Memoria, sollte dieses Bauwerk nur wenige Jahre später eine gänzlich andere Funktion und damit einen völlig neuen Charakter erhalten, und zwar den eines öffentlichen Museums.3 1776 wurde die kaiserliche Gemäldegalerie in das Obere Belvedere transferiert, hier vollständig neu geordnet und zu festen Besuchszeiten dem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht (Abb. 1).4 Doch wie kam es zu diesem radikalen Schritt ? Welche Motive verbergen sich hinter der Transferierung der Sammlung ? Und weshalb wurde gerade das Belvedere für die museale Präsentation gewählt ? Bis zu ihrer Übertragung war die kaiserliche Gemäldegalerie innerhalb des Gebäudekomplexes der Hof‌burg verwahrt. Der Großteil der Bilder war in der Stallburg, einem multifunktionalen Renaissancebau, konzentriert, zudem befanden sich auch zahlreiche Gemälde in den beiden Schatzkammern der Hof‌burg. Von 1718 bis 1728 wurde die Stallburggalerie nach Entwürfen von Claude Le Fort du Plessy – der als Innenarchitekt auch für Prinz Eugen im Belvedere tätig war – vollkommen neu eingerichtet.5 Die wandfüllend arrangierten Gemälde waren zu einem Großteil in kunstvoll gestalteten Holzvertäfelungen eingelassen. Die streng symmetrische Anordnung der Bilder folgte primär ästhetischen Richtlinien ; so waren zugunsten der dekorativen Gesamtwirkung viele Gemälde beschnitten oder angestückt worden. Ebendiese Aufstellung in der Stallburg war im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend in Kritik geraten : Die Galerie erschien nun vernachlässigt, ihre spätbarocke Gestaltung war aus der Mode gekommen und das formalästhetische Ordnungsprinzip hatte seine Gültigkeit verloren.6

1772 kam es mit der Berufung des Landschaftsmalers Joseph Rosa zum Galeriedirektor zu einem Neuanfang in der Stallburg.7 Rosa (Abb. 2) führte eine von seinem Malerkollegen Anton von Maron begonnene Generalinspektion des auf die habsburgischen Territorien verstreuten Kunstbesitzes fort und wählte neue Gemälde für die Wiener Stallburggalerie aus.8 Joseph II. zeigte großes Interesse an dieser Entwicklung, ja er soll sich selbst in der Hof‌burg auf die Suche nach wertvollen Bildern begeben haben.9 Unter der Leitung von Rosa kam es zu Restaurierungen und Neurahmungen, zur Umgestaltung mehrerer Kabinette und zur Aussonderung der bis dahin in der Galerie verwahrten Skulpturen. Das starre, auf wandfesten Arrangements basierende Präsentationskonzept sowie der in der Stallburg herrschende Platzmangel setzten Rosa bei der Neugestaltung aber deutliche Grenzen. Die beschränkten Raumkapazitäten wurden spätestens 1775 zu einem gewaltigen Problem. Damals war Joseph Rosa in die Österreichischen Niederlande entsandt worden, um Bilder aus dem Besitz des zwei Jahre zuvor aufgelösten Jesuitenordens zu sichten und einige davon für die Wiener Galerie zu erwerben. Unter den 31 von Rosa ausgewählten Gemälden befanden sich auch die beiden ehemaligen Hauptaltarbilder der Antwerpener Jesuitenkirche von Peter Paul Rubens, die die Wunder des heiligen Ignatius von Loyola (Abb. 4) und des heiligen Franz Xaver vorstellen. Ihrem sakralen Kontext entzogen verloren diese Bilder ihre ursprüngliche Funktion und wurden – auf ihre künstlerischen Qualitäten reduziert – als Meisterwerke der flämischen Malerei gepriesen. Rubens’ Bildrhetorik mit all ihrer propagandistischen Kraft wurde indes für aufklärerische Zwecke adaptiert, wie etwa eine Allegorie auf den Erlass des Toleranzpatents durch Joseph II. (1781) zeigt, die die Religionsfreiheit als modernes Wunder feiert (Abb. 5). Die beiden Altarbilder von Rubens konnten aufgrund ihrer Höhe von über fünf Metern nicht in der Stallburg untergebracht werden, sodass die Suche nach einem neuen Standort für die Galerie wohl unausweichlich schien. Für den spätestens 1776 gefassten Entschluss, die gesamte kaiserliche Gemäldesammlung in das Obere Belvedere zu übertragen, waren allerdings nicht nur die gigantischen Maße der beiden Altarbilder ausschlaggebend.10 Die Überführung der Galerie und die damit einsetzende Neucodierung des Belvedere als öffentliches Museum waren Teil eines größeren kulturpolitischen Programms sowie einer Rechtfertigungsstrategie. Um dies besser zu verstehen, muss erneut auf die Auf‌lösung des Jesuitenordens hingewiesen werden, die infolge eines päpstlichen Dekrets von 1773 auch in den habsburgischen Ländern umgesetzt wurde. Die Verstaatlichung und die anschließende Veräußerung jesuitischen Besitzes erfolgten unter der Prämisse, dass diese Maßnahmen ausschließlich dem Allgemeinwohl dienen und alle Einkünfte

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7 Zu Rosa (bzw. Roos) siehe Schütz 2009. 8 Einen ausführlichen Quellenapparat zu den Veränderungen in der kaiserlichen Galerie ab 1772 bieten Hassmann 2013  ; Hassmann 2015. 9 Das berichtete 1772 jedenfalls Wenzel Anton von Kaunitz aus Wien  ; siehe Schreiben von Wenzel Anton von Kaunitz an Graf Karl von Firmian, 5. 10. 1772, ­A rchivio di Stato di Milano, Studi, p. a., K. 4. 10 Zur Chronologie  : Im Frühjahr 1776 kehrte Rosa aus den Niederlanden zurück, aus dem April desselben Jahres ist der erste Beleg für die geplante Transferierung der Galerie überliefert, im Sommer setzten dann Adaptierungsarbeiten im Oberen Belvedere ein, ab September ­b egannen die Bildertransporte aus der Stallburg. Zu den entsprechenden Quellen vgl. Hassmann 2013, S. 129–132.

11 Diese Argumentation kann etwa aus Schriftstücken von Wenzel Anton von Kaunitz abgeleitet werden, der als Staatskanzler auch für die Verwaltung der Österreichischen ­N iederlande verantwortlich zeichnete. Zur Bedeutung der Gemälde aus Jesuiten­ besitz für den Diskurs um das kul­t urelle Erbe und des­s en Museali­ sierung siehe ausführlich ­M ayer G. 2021a, S. 265–270. 12 Die Galerie war Montag, Mittwoch und Freitag geöffnet  ; siehe Hassmann 2015, S. 119. 13 Litterarische Monate, Oktober 1776, S. 101  f., gezeichnet R.[iedel]. 14 Vgl. dazu Spenlé 2004. 15 Rosa 1796a, S. 206. 16 Zur Akademiereform vgl. Mayer G. 2021a, S. 169–208  ; zum engen Verhältnis zwischen Kunstakademie und kaiserlicher Galerie siehe Schütz 2011. 17 In diesem Sinn definierte auch Johann Georg Sulzer die ­F unktion einer öffentlichen Galerie  : „Dergleichen Gallerien sind für die zeichnenden Künste, was die öffentlichen Bibliotheken für die Gelehrsamkeit  ; Schätze zum öffent­ lichen Gebrauch der Künstler. Sie müssen deswegen den Künstlern und Liebhabern zum Studiren beständig offen stehen“  ; Sulzer 1771, S. 415.

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für die Förderung der Bildung zweckgebunden werden sollten. Flossen die lukrierten Geldmittel folglich etwa in Schulen und Universitäten, wurden ehemalige Bibliotheken der Jesuiten nun der Bevölkerung zugänglich gemacht. In logischer Schlussfolgerung durften auch die ex-jesuitischen Gemälde, die Rosa für die Wiener Galerie erworben hatte, nicht im habsburgischen Palastbezirk als Teil einer privaten Fürstensammlung „verborgen“ werden, sondern mussten ans Licht der Öffentlichkeit gebracht, der Allgemeinheit als Studienmaterial zur Verfügung gestellt werden : Nur so waren die umstrittene Auf‌lösung des Jesuitenordens, die Profanisierung sakraler Objekte und der Entzug dieses kulturellen Erbes aus den Österreichischen Niederlanden zu legitimieren.11 Mit der Translokation aus der Stallburg verließen die Bilder die Sphäre höfischer Repräsentation, um in dem außerhalb der Stadtmauern gelegenen Belvedere nunmehr der öffentlichen Instruktion zu dienen. Dieser Gedankengang spiegelt sich nicht nur darin, dass nach Abschluss der Neueinrichtung 1777 erstmals regelmäßige Öffnungszeiten für das Belvedere eingeführt wurden,12 sondern auch in der Präsentation der Sammlung selbst. Noch während Rosa an der ersten Hängung arbeitete, berichtete Friedrich Justus Riedel, dass diese Neuordnung „ganz systematisch, wie etwa ein einsichtsvoller Bibliothekar seinen Büchersaal einrichtet, nach Alter, Schulen, Meistern, Suiten“ erfolge und dass man so „die ganze Geschichte der Mahlerey, von einem Zimmer zum andern, intuitiv [werde] studiren“ könne.13 Die Präsentation folgte also einem didaktischen Konzept, das sich von der primär ästhetischen Ordnung der Stallburggalerie radikal unterschied. Wie konsequent die erste Präsentation diesen pädagogischen Plan umsetzte, ist ungewiss. Das innovative Prinzip, bei der Hängung neben Schulen und Künstler*innenœuvres auch die Chronologie zu berücksichtigen, war Rosa eventuell noch aus Dresden vertraut, wo vergleichbare Pläne diskutiert worden waren, während er als Professor für Landschaftsmalerei an der lokalen Kunstakademie gewirkt hatte.14 Wie Rosa selbst später berichtete, hatte er mit seiner belehrenden Präsentation beabsichtigt, das Belvedere als „eine offene Schule für Künstler und Kunstkenner“  15 einzurichten. Schon seine Interventionen in der Stallburg – die parallel zur Reform der Wiener Kunstakademie erfolgten – waren dadurch motiviert gewesen, Künstler*innen die Möglichkeit zu bieten, sich verstärkt am Vorbild der Alten Meister zu schulen.16 Für Rosa lag das didaktische Potenzial der kaiserlichen Galerie folglich primär in der Künstlerausbildung, weniger aber in der öffentlichen Instruktion.17 Eine andere Zielsetzung verfolgte indes Christian von Mechel, der Rosas Präsentation nur wenige Jahre später gänzlich erneuern sollte. Er adressierte mit seiner „lehrreichen“ Hängung nämlich alle „Wißbegieri-

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ge[n]“ und „aufmerksame[n] Liebhaber“, denen er versprach, durch das Studium der Gemälde im Oberen Belvedere zu „Kenner[n] der Kunst“ zu werden.18 Der aus Basel gebürtige Kupferstecher und Verleger Christian von Mechel (Abb. 3) war 1778 nach Wien gekommen, möglicherweise um hier einen illustrierten Katalog der kaiserlichen Galerie zu erstellen, wie er ihn soeben für die Düsseldorfer Gemäldesammlung vorgelegt hatte.19 Anstatt aber den kaiserlichen Gemäldebestand in Gestalt von Rosas Hängung schlicht zu dokumentieren, setzte sich Mechel für eine Neuordnung der Galerie ein. Für seine Pläne konnte er Joseph II. und Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz gewinnen. Letzterer wurde zum maßgeblichen Förderer Mechels und unterstützte dessen Projekt mit großem persönlichem Einsatz, woran einst auch ein Denkmal für den Fürsten im Goldkabinett des Oberen Belvedere erinnerte (Abb. 6).20 Drei Jahre, bis 1781, sollten die Arbeiten an der Neupräsentation dauern, hatte sich ein Abschluss der Hängung doch durch zahlreiche Neuerwerbungen und abermalige Gemäldetransfers mehrfach verzögert. Das Endergebnis, das über einen 1783 erschienenen Katalog dokumentiert ist, setzte wichtige Impulse, aber auch neue Maßstäbe für Sammlungspräsentationen in ganz Europa (→ S. 83). Viel konsequenter noch als nach Rosas Plänen wurde die Galerie nunmehr als ein Wissensort zum „öffentlichen gemeinnützigen Gebrauch“ 21 verstanden, als eine Lehranstalt, in der dem Publikum eine „sichtbare Geschichte der Kunst“ 22 vermittelt werden sollte. Zu den wesentlichen Neuerungen dieser Präsentation zählte, dass im zweiten Obergeschoß eine eigene Abteilung für deutsche Malerei eingerichtet wurde (Abb. 7). Für dieses patriotisch motivierte Projekt hatte Mechel erst eine eigenständige deutsche Malerschule – mitsamt ihrer bislang kaum erforschten Geschichte – gleichsam „erfinden“ müssen : Er experimentierte mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen, musealisierte bislang kaum geschätzte Werke der mittelalterlichen Malerei, nahm waghalsige Zuschreibungen vor und brachte die Gemälde erstmals in eine chronologische Ordnung.23 Eine gezielte Chronologisierung erfolgte auch im Bereich der altniederländischen Kunst, während innerhalb der italienischen und der jüngeren niederländisch-flämischen Malerei auf eine zeitliche Ordnung verzichtet wurde. Wurden die kühnen Pläne einer „Periodo Einrichtung“ 24 also nur teilweise umgesetzt und war die Gemäldehängung gewiss weniger revolutionär, als Mechels großspurige Behauptungen vermuten lassen, muss die Neupräsentation der Galerie im Oberen Belvedere gleichwohl als Markstein europäischer Museumsgeschichte verstanden werden. Der Öffentlichkeitscharakter, die bildungspolitische Mission, die wissenschaftliche Ausrichtung der Sammlungspräsentation, aber auch das neuartige Vermittlungskonzept durch Beschriftungen an den Bildern und die Herausgabe eines handlichen Katalogs lassen die kaiserliche

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18 Mechel 1783, S. XIf. 19 Zu Mechel siehe ­Wüth­r ich 1956  ; Meijers 2007. 20 Zu Fürst Kaunitz’ ­m assivem Einfluss auf die Neupräsentation siehe Mayer G. 2021a, S. 261–311. 21 Mechel 1783, S. XII. 22 Mechel 1783, S. XI. 23 Wie stark dieses Unternehmen von nationalpatriotischen Ideen geprägt war, verdeutlichen die Ereignisse um die Karlsteiner-­B ilder  ; vgl. Hoppe-Harnoncourt 2013  ; Mayer G. 2021b. 24 Schreiben von Christian von Mechel, 27. 6. 1780, Zentralbibliothek, ­Z ürich, Ms Z II 392.25.

25 So definieren die ­E thischen Richtlinien für Museen von ICOM (Fassung 2010) ein Museum als „eine ­gemeinnützige, auf Dauer angelegte, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zum Zwecke des Studiums, der Bildung und des Erlebens materielle und immaterielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, ­e rforscht, bekannt macht und ausstellt“. 26 Mayer G. 2021a, S. 277. 27 Schreiben von Christian von Mechel an Friedrich Dominikus Ring, 7. 1. 1781, Universitätsbibliothek Freiburg, NL 10/IV B 359, fol. 220  f. 28 Mechel 1783, S. VIII. 29 Mechel 1783, S. IX. 30 Zu diesem Gemälde und dem Gedicht vgl. Meijers 1995b, S. 17.

Auf Kaiser Joseph des IIten Anwendung des Lust-Schlosses Belvedere für die k. k. Bildergallerie in Wien. Der bildenden Natur Nachahmerinn, Die Kunst will Caesarn ihren Reichthum schenken. Er sinnt und wählt : Wo soll der Reichthum hin ? Und spricht Minerven an, die Wahl zu lenken. Minerva nimmt das Wort : Sieh diesen Tempel nur ! Ein Held hat ihn gebaut, Natur mit Reiz umgossen. Und bleibt der Helden Freund, der Liebling der Natur, Bleibt Caesar länger unentschlossen ?

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Galerie im Belvedere auch nach heutigen Maßstäben als mustergültiges Museum erscheinen.25 Dass dieses – von Zeitgenoss*innen stets als „Galerie“ bezeichnete – Museum eine möglichst breite Öffentlichkeit adressierte, ist über Quellen belegt. So forderte etwa Fürst Kaunitz eine ästhetisch ansprechende Präsentation der Sammlung, die alle Augen zufriedenstellen sollte und nicht nur jene einer handverlesenen Menge von Kunstkennern.26 Laut Mechel stieß die Neugestaltung der Galerie auf großes Publikumsinte­ resse, und zwar über alle Standesgrenzen hinweg. Voller Stolz vermeldete er, dass „unter dem häufig[en] Volkszulauf“ nach der Fertigstellung 1781 „oft ein endlicher bürger, oft ein Edler oft ein kleiner oft ein grosser sich zu mir führen ließ und mir als unbekannte dankten, für das Vergnüg[en] so ich ihnen durch die neue Einrichtung verursacht hätte“.27 Bleibt noch zu klären, weshalb gerade das Obere Belvedere 1776 für diese neuartige Aufgabe ausgewählt wurde. Zum einen harrte das Schloss damals einer neuen Nutzung, zum anderen ermöglichte es durch seinen Standort die Loslösung der Sammlung aus der höfischen Sphäre der kaiserlichen Residenz. Christian von Mechel nannte in seinem Galeriekatalog von 1783 noch weitere Gründe. Er lobte vor allem die idyllische Lage des Schlosses und meinte, dass an keinem anderen Ort Kunst und Natur besser zu vereinen seien.28 Vor allem aber bot das Gebäude mit seiner Raumstruktur die ideale Voraussetzung für die Neuordnung und Klassifizierung der Sammlung. Das Obere Belvedere war nach Mechel so hervorragend geeignet für diese Funktion, dass man meinen konnte, Prinz Eugen „hätte damals schon den Gedanken gehabt, der Kunst einen Tempel zu bauen“ 29. Den hier formulierten Einfall prägt auch eine von Mechel entworfene Allegorie, die Vinzenz Fischer in ein Ölgemälde übertrug (Abb. 1). Zu diesem Bild verfasste der Dichter Michael Denis wiederum ein Epigramm, das die Unterbringung der kaiserlichen Galerie im Belvedere als Akt von Weisheit gelenkter, sprich aufgeklärter Politik feiert.30

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Abb.  1 Vinzenz Fischer, Allegorie auf die Übertragung der kaiserlichen Galerie in das Belvedere, 1781, Belvedere, Wien Die Darstellung spielt auf die Suche nach einem Ort für die kaiserliche Sammlung an, die im Jahr 1776 von der Stallburg in das Obere Belvedere übersiedelt. Dabei vollzieht sich der Wandel von einer der höfischen Repräsentation dienenden Galerie zur für das breite Publikum geöffneten Institution Museum. Abb.  2 Martin Knoller, Joseph Rosa, 1791, Belvedere, Wien

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Joseph Rosa war von 1769 bis 1805 Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie. Abb.  3 Johann Nikolaus Grooth, Christian von Mechel, um 1765, Historisches Museum Basel

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Wohl auf Wunsch Kaiser Josephs II. wird 1778 der Basler Christian von Mechel nach Wien berufen, um die Aufstellung der kaiserlichen Gemäldegalerie vorzunehmen. Die Eröffnung der Gemäldegalerie dürfte am 13. Oktober 1781 stattgefunden haben.

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Abb.  4 Peter Paul Rubens, Wunder des heiligen Ignatius von Loyola, um 1617/18, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie 6

Abb.  5 Mathias de Sallieth nach François Joseph Pfeiffer, La Clemence de Joseph II, 1783, Rijksmuseum Amsterdam Abb.  6 Carl Schütz, Das Denkmal für Wenzel Anton von Kaunitz im Goldkabinett des Oberen Belvedere, 1781, Wien Museum Abb.  7 Titelseite zu „Gemälde der ältesten Teutschen Meister“, in : Christian von Mechel, Verzeichniß der Gemälde der Kaiserlich Königlichen Bilder Gallerie in Wien, Wien 1783, Bibliothek des Belvedere, Wien

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NORA FISCHER —— Öffnung und Öffentlichkeit im Oberen Belvedere um 1800

1 Wienerisches Diarium, Nr. 29, 9. 4. 1777, S. 7  ; gleichlautend Preß­ burger Zeitung, Nr. 30, 12. 4. 1777, S. 6. 2 In den zahlreichen ­S tudien zur Geschichte der kaiserlichen ­G emäldesammlung im 18. Jahrhundert widmete sich zuletzt ­D ebora J. Meijers besonders der Zugänglichkeit der Hofsammlungen  ; Meijers 2021. 3 ÖStA/HHStA, HBA, Karton 6, 12. Session, Nr. 7 ex 1774, fol. 296, 29. 10. 1774  ; vgl. Hassmann 2013, S. 128, Dok. 18. 4 Ebd.

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Am 9. April 1777 erschien im Wienerischen Diarium, kaum wahrnehmbar zwischen den allgemeinen Nachrichten zu Wien eingebettet, eine knappe Ankündigung : „Nachdem auf allerhöchsten Befehl die k. k. Bildergallerie unter der Aufsicht des k. k. Galeriedirekteurs Herrn von Rosa im Bell­vedere in schönster Ordnung mit Abtheilung einer jeden Kunstschule hergestellt worden“, heißt es dort, stehe die Gemäldegalerie „alle Montage, Mittwoch, und Freytage, und zwar Sommerszeit Frühe von 8 bis 12, Nachmittags von 3 bis 7 Uhr ; Winterszeit aber allein Frühe von 9 bis 12, auch allenfalls 1 Uhr“ allen „Liebhabern“ der Kunst offen.1 So unscheinbar sich diese Nachricht zwischen den Zeilen ausnimmt, hält sie mit der Erwähnung der Übertragung der Gemäldesammlung aus der Stallburg in das Belvedere, der Neuaufstellung der Gemälde durch den Galeriedirektor Joseph Rosa ebendort und der Öffnung der Galerie für ein allgemeines Publikum die drei wesentlichsten Voraussetzungen fest, die zur Wandlung der kaiserlichen Gemäldegalerie von der höfischen Galerie zum Museum im modernen Verständnis geführt haben. Das Belvedere als Ort des Geschehens bildet dabei gleichsam den Schnittpunkt, an dem museumsgeschichtlich bedeutsame Ereignisse einander kreuzen, sich überlagern oder gegenseitig bedingen. Diese verschiedenen Entwicklungen der Galeriegeschichte aus Perspektive der Öffnung der Galerie und des Zugangs zur Sammlung zu betrachten ist das Ziel dieses Beitrags.2 Die prinzipielle Zugänglichkeit der kaiserlichen Gemäldesammlung ist schon für 1774 dokumentiert,3 dennoch dürfte erst die Übertragung der Sammlung aus der Stallburg in das Belvedere die Öffnung der kaiserlichen Galerie für breitere Publikumsschichten ermöglicht und signifikant beschleunigt haben (Abb. 1). Die Galerie als Einrichtung des Wiener Hofes wechselte mit der Übersiedlung nicht einfach nur ihren Standort ; die Verlegung ins Belvedere bedeutete ihre definitive Ausgliederung aus dem Hof‌burgkomplex, also dem architektonischen Zusammenhang der Hofgebäude, und eine schon äußerlich autonomere Präsentation der Sammlung. Wie man den Besucher*innenstrom steuern sollte, galt in der „alten“ Stallburggalerie als Problem, da diese in engem Zusammenschluss mit den sonstigen vom Wiener Hof genutzten Räumlichkeiten stand. In einem Votum vom Oktober 1774 – dem ersten Dokument überhaupt, das die Öffnung der kaiserlichen Galerie für ein allgemeines Publikum erwähnt – wird denn auch als entscheidender Faktor für den reibungslosen Betrieb der Galerie gefordert, dass „allenfalls dahin kommende Fremde ohne Nachteil des allerhöchsten Hofes zusehen eingelaßen werden können“ 4. Für die Verlegung der kaiserlichen Galerie aus der Stallburg dürfte ein Zusammenspiel von mehreren Gründen ausschlaggebend gewesen sein : die beengten Raumverhältnisse für die expandierenden Bilderbestände, die Diskrepanz zwischen der überkommenen Raumanordnung und einem „modernen“ kunsthistorischen Konzept der Bilderhängung nach Schu-

len – und eben auch die Situierung der Galerie im Hof‌burgkomplex, die sich letztendlich als ungeeignet erwies, einer größeren Anzahl von Besucher*innen zu fixen Zeiten die Besichtigung der Gemälde zu ermöglichen, ohne dadurch das Hof‌leben zu beeinträchtigen. Es ging vorweg um die Lösung dieser Problemlagen, die mit der Übertragung der kaiserlichen Gemäldesammlung in das Belvedere behoben werden sollten. Zumindest das Oberstkämmereramt, das hinter der Anzeige im Wienerischen Diarium stand, dürfte nicht mit einem allzu großen Inte­ resse der Öffentlichkeit gerechnet haben, denn auf die Ankündigung der festgelegten Besuchstage und -zeiten folgte umgehend die Auf‌‌forderung, dass „jene, so verlangen werden, erwehnte kais. kön. Gallerie zu sehen, es am Tage zuvor dem im Bellvedere wohnenden Herrn Galleriedirek­ teur von Rosa wissen lassen [sollen], damit derselbe in Zeiten die hiezu benöthigten Anstalten treffen könnte“ 5. Offenbar war nur ein begrenzter Kreis von Kunstkenner*innen und -liebhaber*innen adressiert, die sich – wie für Künstler*innen und Kunststudenten zum Kopieren der Gemälde schon in der Stallburggalerie obligat – formal beim Galeriedirektor anzumelden hatten. Der Publikumserfolg, den man sich von der Öffnung der kaiserlichen Gemäldegalerie erhoffte, stellte sich auch ein – nur anders als gedacht : Nicht nur Connaisseurs und Künstler*innen, sondern auch „Bürgersleute von den untern Klassen“ strömten in großer Zahl ins Belvedere. Johann Pezzl bemerkte dazu kritisch in seiner Skizze von Wien : „An den Montagen ist gewöhnlich ein gedrängvolles Getümmel. Eine Menge Bürgersleute von den untern Klassen, Handwerksbursche, die den Blauen Montag machen, ja sogar geringe Dienstmädchen mit Kindern auf den Armen, besuchen, um den Nachmittag angenehm zu verbringen, die Bildergallerie.“ 6 Die große Menge, zumindest wenn sie aus den sogenannten „niedrigen Leuten“ oder aus Kindern bestand, wurde zunehmend als problematisch empfunden, und so wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Wunsch vorgetragen, den allgemeinen Besuch stärker zu reglementieren ; „[M]an könnte“, führt Pezzl weiter aus, „ohne dem Publikum einen Zwang zu thun, Kindern und andern ganz niedrigen Leuten den Eingang verwehren, weil ja eine solche Gemäldesammlung kein Marionettenspiel ist.“ 7 Dem Ruf nach einer stärkeren Reglementierung des Publikums, der hier vorgebracht wurde, kam der Wiener Hof nicht nach. Erst dem Antrag des damaligen Galeriedirektors Heinrich Friedrich Füger vom April 1813, die Öffnungszeiten von drei Tagen auf zwei zu reduzieren und Eintrittskarten einzuführen, weil für die „allergeringsten Volksclassen von der Straße“ die „Kunst- und wissenschaftliche Sammlungen nicht geeignet sind“ 8, wurde, wenn auch erst 1818, entsprochen. Dies dürfte aber mehr die Folge dessen gewesen sein, dass die Galerie zeitweilig aufgrund der durch die Napoleonischen Kriege erzwungenen fünf Evakuierungen der

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5 Wienerisches Diarium, Nr. 29, 9. 4. 1777, S. 7  ; Preßburger Zeitung, Nr. 30, 12. 4. 1777, S. 6. 6 Pezzl 1787, S. 440–442. 7 Ebd. 8 Lhotsky 1941–45, S. 488.

9 Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 50–52. 10 Fortsetzung der Gedanken 1782, S. 254. 11 Wezel 1783.

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Sammlung (von 1799 bis 1813) ganz geschlossen werden musste.9 Dass trotz der Widerstände, die vonseiten der Sammlungsdirektoren der Öffnung für alle sozialen Schichten entgegengebracht wurden, der uneingeschränkte Zugang – zumindest bis Ende des 18. Jahrhunderts – weiterhin bestehen blieb, lässt vermuten, dass für das Kaiserhaus andere Motive für die (Re-)Präsentation der Sammlung ausschlaggebend waren als für die Sammlungsdirektion. Für den „aufgeklärten“ Wiener Hof dürfte die breite Sichtbar- und Bekanntmachung der kaiserlichen Galerie an sich schon die maßgebliche Rolle gespielt haben, während es den mit der Sammlung befassten Direktoren vorweg um die Vermittlung von sammlungsspezifischen „kunsthistorischen“ Inhalten und um konservatorische Belange ging. Dieselben Differenzen im Hinblick auf Interessen, Sichtweisen und Strategien werden auch anhand der weiteren Rezeption der kaiserlichen Gemäldegalerie in internationalen Zeitschriften und Fachjournalen sichtbar, die vor allem auf die prozesshaften Veränderungen in den Hängungen abzielen. Daher sei vorausgeschickt, dass das Publikum im Belvedere, nach der Verlegung der Sammlung, mit einer dichten Abfolge von Neu- respektive Umhängungen der Gemälde konfrontiert war. Joseph Rosas Leistung, die Überführung der Gemäldesammlung in das und ihre Aufstellung im Belvedere, wurde durch die programmatische Hängung (um 1780) des Schweizer Kupferstechers und Verlegers Christian von ­Mechel, der unvermittelt zur Neuordnung der Gemäldesammlung hinzugezogen wurde, in den Hintergrund gedrängt (Abb. 2). Nach dem nur kurzen Intermezzo Mechels übernahm Rosa 1781 wieder die Schlüssel zur Galerie – und hängte sofort um (Abb. 3). Aus der Fülle von Artikeln, die sich in Folge besonders zahlreich der Neuhängung durch Mechel widmeten, seien nur zwei aufschlussreiche Kommentare – einer aus dem Pro-, einer aus dem Kontra-Mechel-­Lager – herausgegriffen, die nacheinander in derselben Zeitschrift, Deutsches ­Museum, veröffentlicht wurden : Es sei die kaiserliche Gemäldegalerie – so der Kritiker – im Gegensatz zur sogenannten „Augenweide“ der Dresdener Galerie „um den Charakter einer Galerie gebracht und zu einer Bildermusterkarte reduzirt“ worden ; sogar von „Galeriemord“ wurde gesprochen.10 Für die andere Seite hingegen hatte die Galerie aufgrund ihrer klaren Ordnung „den Karakter einer Gallerie unstreitig mehr erlanget, als verloren“ und stellte nun „eine anschauliche Geschichte des menschlichen Geistes“ dar.11 Die Kontroverse darüber, ob die Galerie der Ausbildung des künstlerischen Geschmacks dienen oder ein Lehrgebäude à la Johann Joachim Winckelmann zur Erlangung von Kenntnissen der Kunstgeschichte sein solle, zeigt nicht nur auf, dass die Neuaufstellungen der Gemälde für bestimmte Sammlungsideale der maßgeblichen Akteure stehen, die auf verschiedenen Sammlungstraditionen und wissenschaft-

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lichen Schulen beruhen. Die Diskussionen machen auch deutlich, dass sich die diversen Arrangements der Hängung an je eigene Bevölkerungsschichten richteten : an Kenner*innen und Gelehrte auf der einen Seite, an Künstler*innen und Kunststudenten auf der anderen. Auf eine breitere Öffentlichkeit, „Bürgersleute von den untern Klassen“, scheint – bezogen auf die Präsentation der Sammlung – nur vonseiten des Hofes Bedacht genommen worden zu sein. Darauf weist zumindest der außergewöhnliche Umstand hin, dass wenige Monate vor Vollendung der Neuaufstellung 1781 durch Mechel Staatskanzler Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg persönlich in die Aufstellung eingriff, damit – wie er in einem Schreiben an Kaiser Joseph II. schildert – die Hängung mehr der Norm der Symmetrie entsprechen würde. Kaunitz führt darin bemerkenswerterweise das Argument aus, dass nur eine symmetrische Hängung sowohl das das Auge des „gelehrten und intelligenten Menschen“ als auch der diversen Menge des Publikums, im Schreiben als „multitude“ bezeichnet, befriedigen würde.12 Dass die Galerietätigkeit von Christian von Mechel immer wieder derart hervorgehoben, wenn nicht überschätzt wurde, liegt zum einen daran, dass sein Wirken in Zeitschriften und Fachjournalen publizistisch begleitet wurde, etwa von dem mit Mechel befreundeten evangelischen Theologen Carl Wilhelm Hilchenbach, der sich selbst als „vom Anfang an Augenzeuge“ 13 der Veränderungen in der Bildergalerie beschreibt. Zum anderen gehört der Erfolg Mechels – oder besser gesagt der Erfolg seiner Gemäldeaufstellung – zu den Folgen der außergewöhnlichen Verbreitung seines 1783 und 1784 auf Deutsch und Französisch erschienenen Katalogs : Verzeichniß der Gemälde der Kaiserlich Königlichen Bilder Gallerie in Wien beziehungsweise Catalogue des Tableaux de la Galerie Impériale et Royale de Vienne (→ S. 83).14 Der Auftrag zur Erstellung eines Galeriekatalogs an den von außen hinzugezogenen Mechel war an sich nichts Ungewöhnliches, auch die Produktion anderer Kataloge der kaiserlichen Sammlungen wurde an sammlungsfremde Spezialisten übertragen.15 Eher war außerordentlich, dass Mechel in Folge des Katalogauftrags auch zur Neuaufstellung der Gemälde berufen wurde. Ursprünglich war er jedenfalls für die Erstellung des Katalogs nach Wien geholt worden, dessen Ausführung er in zwei Bänden plante. Ein Band sollte „ein a ­ llgemeines Verzeichnis aller vorhandenen Bilder“ sein, der zweite „sich auf die vorzüglichsten, angenehmsten und lehrreichsten Stücke einschränken, diese mit den kleinsten Umständen historisch und kritisch zu beschreiben“.16 Davon wurde nur das Verzeichniß beziehungsweise der Catalogue tatsächlich publiziert ; der angekündigte historisch-kritische Catalogue raisonné ist nie erschienen. Von außen betrachtet erscheint der sogenannte Mechel-Katalog mit seinem kleinen Format und in seiner schlichten Ausführung völlig

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12 Brief von Wenzel Anton Kaunitz-Rietberg an Kaiser Joseph II., 15. 7. 1780, ÖStA/AVA, Unterricht StHK, Teil 1 A 75.7, Akademie der bildenden Künste (Kaunitz-Konvolut), fol. 36–40  ; vgl. Gruber 2008, S. 199. Zum Begriff „multitude“ vgl. Kernbauer 2011 passim  ; Mayer G. 2021a, S. 277  ; siehe auch den Beitrag von Gernot Mayer in diesem Band, S. 110–117. 13 Schreiben aus Wien 1782. 14 Mechel 1783  ; Mechel 1784. 15 Hassmann 2013, S. 136 f. 16 Hilchenbach 1781, S. 37  f.

17 Rosa 1796a  ; Rosa 1796b. Darauf folgte 1804 ein Nachtrags­ katalog  ; Rosa 1804. 18 Zum Bildertausch vgl. Fischer 2013a, S. 68– 77  ; zum Napoleonischen Kunstraub vgl. Savoy 2011, S. 135.

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unscheinbar. Lediglich die Beifügung eines Künstler*innenregisters (Abb. 4) sowie von Grund- und Aufrissen des Oberen und des Unteren Belvedere heben sich vom sonst Üblichen ab (→ S. 82). Innovativ war der Katalog in der Einführung einer Sammlungs- respektive Malereigeschichte im Vorwort, wobei es in der deutschen beziehungsweise französischen Fassung unterschiedliche inhaltliche Schwerpunktsetzungen gab. Während im Verzeichniß die Geschichte der Sammlung anhand der habsburgischen Sammler nachgezeichnet wird, wird im Catalogue auf die Geschichte der Malerei, konkret die Erfindung der Ölmalerei durch die altdeutschen ­Meister, fokussiert. Fraglich ist, ob Mechel die divergenten Vorworte auf ein jeweils anderes Publikum im deutsch- oder französischsprachigen Raum abgestimmt hat oder ob die spätere französische Fassung lediglich die inhaltliche Weiterentwicklung seiner Forschungen darstellt. Sowenig spektakulär sich der Mechel-Katalog auch ausnimmt, hat er doch eine erstaunliche Wirkung entfaltet. Zum einen erfuhr er eine europaweite Verbreitung, obwohl seine Aktualität schon mit der Umhängung der Bilder sofort nach Mechels Abgang aus der Galerie hinfällig war und Rosa selbst 1796 einen zweibändigen Katalog herausbrachte, der allerdings nur die italienischen Malereischulen und die niederländische Kunst im ersten Stock des Belvedere beinhaltete (Abb. 5, 6).17 Zum anderen trat der Mechel-Katalog im Umfeld einiger galeriegeschichtlich entscheidender Prozesse als maßgeblich auf : Er spielte für die Akquisition von Gemälden sowohl beim Bildertausch zwischen der kaiserlichen Gemäldegalerie und den Uffizien 1792 (→ S. 125,  8  ) als auch beim Napoleonischen Kunstraub 1809 (→ S. 133,  9  ) eine wesentliche Rolle.18 In beiden Fällen hatten die Protagonisten, die Direktoren Giuseppe Pelli Bencivenni (Uffizien) und Dominique-Vivant Denon (Napoleonische Sammlungen), den Mechel-Katalog gleichsam im Gepäck, um die für sie wertvollen Gemälde auszuwählen. So begründete die außergewöhnliche Publizität eines kleinen, unscheinbaren Katalogbändchens den internationalen Ruhm der kaiserlichen Gemäldesammlung im Belvedere.

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Abb.  1 Oberes Belvedere, in : Joseph von Kurzböck, Nouveau guide par Vienne : pour les etrangers et les nationales de l’an 1792 ; ou courte description de toutes les particularites de la ville de Vienne, Wien 1792, Wienbibliothek im Rathaus Abb.  2 Dritte Wand im zweiten Zimmer der venezianischen Schule mit Gemälden Tizians im ersten Stock des Oberen Belvedere, digitale Rekonstruktion nach Mechel 1783 /  Visualisierung : Nora Fischer

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Abb.  3 Dritte Wand im zweiten Zimmer der venezianischen Schule mit Gemälden Tizians im ersten Stock des Oberen Belvedere, digitale Rekonstruktion nach Rosa 1796a /  Visualisierung : Nora Fischer 3 S.

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Der Bildertausch zwischen Florenz und Wien Nora Fischer

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ie Neuordnung der kaiserlichen Gemäldegalerie durch Christian von Mechel, mit der versucht wurde, eine „sichtbare Geschichte der Kunst“ darzustellen (→ S. 82), ­e ntsprach zwar modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, machte aber ein neues Problemfeld auf : Die Hängung, die die ganze Entwicklung neuzeitlicher Kunst vor Augen führen wollte, musste in der praktischen Umsetzung, mit dem begrenzten Sammlungsbestand, Lücken in Kauf nehmen. Um die Malereischulen vollständig zu dokumentieren, wurden zwischen originale Meisterwerke zweitrangige Originale oder Kopien gehängt. Allzu deutlich traten diese Desiderate im Zimmer der Florentiner Schule hervor, die in der kaiserlichen Sammlung nur mangelhaft vertreten war. Der Plan zum Tausch von Gemälden, den Kaiser Franz II. und sein Bruder Großherzog Ferdinand III. von Toskana im Mai 1792 beschlossen, erschien zunächst als kongeniale Lösung des Pro­b lems. Ziel war, aus dem Reichtum der einen Galerie die Mängel der anderen auszugleichen und beide zu vervollkommnen. Joseph Rosa (→ S. 116, Abb. 2) schrieb in seinem 1796 erschienenen Katalog : „Ein Tausch nemlich schien das schicklichste Mittel zu seyn, die großherzogliche Gallerie zu Florenz und die kaiserliche zu Wien mit Werken der Malerey, die hier und dort mangelten, wechselweise zu bereichern.“ 1 Diese Erwartung wurde enttäuscht – davon zeugt nicht zuletzt das Prozedere des Bilder­ tausches selbst. Den Auftakt machte eine von Rosa erstellte Wunschliste, die in den Uffizien im Mai 1792 einlangte. Wenig begeistert bildete der dortige Direktor Giuseppe Pelli Bencivenni eine Expertenkom­mission zur Auswahl der Tauschbilder, die die Wahl begründen, aber den Verlust so gering wie möglich halten sollte. Im Gegenzug konnte auch Pelli Wünsche äußern. Gleich nach dem Einlangen der ersten Gemäldelieferung aus Florenz wurde in Wien vom Übereinkommen, „Wenn im Fall beyderseits nichts anständiges in ­d iesem Dausch wäre, [das Gesendete] zurück­g eschückt werden solle“ 2, ausgiebig Gebrauch gemacht. Mit der ersten Lieferung aus Wien wurden – wegen geringer künstlerischer Qualität – ­B ilder an die Uffizien retourniert und zugleich andere dafür er­war­t et. Mit der zweiten Lieferung von Ersatz­b ildern aus Florenz und der nachfolgenden Gegenlieferung aus Wien schien der ­B ildertausch 1793 eigentlich beendet. Eineinhalb Jahre später nahm jedoch der neue Direktor der Uffizien Tommaso Puccini die Verhandlungen wieder auf, forderte eine vermeintlich nicht er­haltene Gegenlieferung ein, schlug einen neuen Tausch vor und erlangte schließlich 1795 die kaiserliche Zustimmung für eine letzte Bildersendung aus Wien. Als Ersatz für zwei missliebige

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1 Rosa 1796a, S. ­XI–XII. 2 „Nota“ des Galerie­ direktors Joseph Rosa vom 20. 6. 1794, ÖStA/HHStA, OKäA, SR 38b, Nr. 74.

Gemälde wurden vier andere zugesagt. Zwei Gemälde (eines davon Tizians Nymphe und Schäfer) wurden zwar 1796 von den Uffizien retourniert, die Ersatzlieferung von vier ­B ildern aus Wien (darunter Dürers Anbetung der Könige) aufgrund der napoleonischen Kriegshandlungen jedoch aufgeschoben. Erst 1821 beendete die dritte Lieferung von Wien nach Florenz den Bildertausch. Insgesamt wechselten an die fünfzig Gemälde ihren Standort (Abb. 1) . Nach Wien gelangten vor allem Werke von Florentiner Meistern (unter anderen Bronzinos Heilige Familie und Fra Bar­to­ lomeos Darbringung Christi im Tempel). Nach Florenz wurden Gemälde venezianischer (darunter Bellinis Allegorie, Tizians Flora, Giorgiones Gattamelata), flämischer und deutscher Meister geschickt. Ein großer Teil der Tauschbilder findet sich heute – prominent ausgestellt – im Kunsthistorischen Museum, in den Uffizien und in der Galleria Palatina wieder.

1 Abb. 1 Erste Wand im vierten Zimmer der Florentiner Schule im ersten Stock des Oberen Belvedere mit Gemälden, die durch den Bildertausch aus den Uffizien in die Kaiser­ liche Gemäldegalerie gelangt sind  : Fra Bar-

tolomeo, Darbringung Christi im Tempel, 1516  ; Ludovico Cardi da Cigoli, Beweinung Christi, 1599  ; Floren­ tinisch [Anonym], Auferstehung Christi, 1560, digitale Rekon­ struktion nach Rosa 1796a / Visualisierung  : Nora Fischer

Kap. II

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Abb.  4 Register, in : Christian von Mechel, Verzeichniß der Gemälde der Kaiserlich Königlichen Bilder Gallerie in Wien, Wien 1783, Bibliothek des Belvedere, Wien

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Abb.  5 Titelblatt, in : Joseph Rosa, Gemälde der k. k. Gallerie. Erste Abteilung. Italienische Schulen, Wien 1796, Österreichische Nationalbibliothek, Wien Abb.  6 Beigebundenes handschriftliches Register, in : Joseph Rosa, Gemälde der k. k. Gallerie. Erste Abteilung. Italienische Schulen, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

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1 Hoppe-Harnoncourt 2001, S. 158. 2 Grabner 2013, S. 361  ; Keil 2009, S. 20, 118. 3 Grabner 2018, S. 35–43. 4 Rosa 1796a  ; Rosa 1796b  ; dazu Fischer 2013b, Kap. 7. 5 Dies waren von öster­ reichischen Truppen in Italien konfiszierte ­G emälde, welche zuvor die Franzosen in Rom u. a. aus der Sammlung Albani entwendet ­h atten  ; siehe Mayer/ Swoboda 2018, bes. S. 97 und 108  ; Rosa 1804  ; Hoppe-Harnoncourt 2001, S. 152  f. 6 Hoppe-Harnoncourt 2001, S. 158  f   ; Grabner 2013, S. 361. 7 Tagebucheinträge Fügers 1806–07, in  : Frimmel 1909, S. 95  f.  ; Hoppe-Harnoncourt 2013, S. 100  ; Walderdorff 2008, S. 328. 8 Swoboda/Prohaska 2010, S. 65–66  ; Tagebucheinträge Fügers im Februar 1809, in  : Frimmel 1909, S. 99  ; Slg.-Kat. Wien 1886, S. 300  f. 9 Grabner 2013, S. 361  ; Tagebucheintrag Fügers im Juli 1806, in  : Frimmel 1909, S. 97.

Joseph Rosa hatte über dreißig Jahre als Direktor der kaiserlichen Gemäldegalerie gedient, als er, bereits erkrankt, 1805 sein Amt niederlegte. Der amtierende Direktor der Akademie der bildenden Künste Heinrich Friedrich Füger (→ S. 369, Abb. 4) hatte seine Bewerbung für die frei werdende Stelle bereits eingereicht.1 Er stand am Zenit seiner Karriere und hoffte nun auf eine ruhigere Position, um sich wieder verstärkt seiner eigenen Kunst widmen zu können.2 In diesem Sinne wurde ihm auch die Einrichtung eines Ateliers in seiner Dienstwohnung gewährt, als ihn im Juni 1806 endlich die Zusage seiner Ernennung zum Galeriedirektor und Schlosshauptmann des Belvedere erreichte.3 Die Ordnung der Galerie ist seit Rosas Katalogen von 1796 für den ersten Stock (→ S. 127, Abb. 5), in welchem sich auf der Westseite die niederländische und im Ostflügel die italienischen Malereischulen des 16. bis 18. Jahrhunderts befanden, gut dokumentiert.4 1804 konnte Rosa noch einen dritten Band seiner Sammlungskataloge abschließen, der die Einrichtung von vier im Erdgeschoß liegenden neuen Galeriezimmern mit kürzlich aus Italien gebrachten Werken umfasste.5 Die Neuordnung der Gemälde im zweiten Stock mit der deutschen und der altniederländischen Malereischule war unter Rosa allerdings unterblieben. Diesem Bereich widmete sich sein Nachfolger und setzte damit neue Impulse für das ­Erscheinungsbild der Galerie im 19. Jahrhundert. Die Galerie befand sich gleich zu Beginn von Fügers Amtszeit in einem Ausnahmezustand : Die 1805 evakuierten Gemälde waren zurückgekehrt, konnten aber aufgrund von Reparaturarbeiten am Gebäude nicht ausgepackt werden.6 Zudem hatte der Direktor Lieferungen mit Kunstgegenständen aus Ambras und Salzburg zu übernehmen. Während die Ambraser Sammlung einen von der Gemäldegalerie unabhängigen neuen Standort im Unteren Belvedere finden sollte (→ S. 93,  6  ), brachte der Bilderschatz aus dem säkularisierten Erzbistum Salzburg einen erheblichen ­Zuwachs an Gemälden des 15. Jahrhunderts, darunter die Passionstafeln von Rueland Frueauf dem Älteren, Conrad Laibs große Kreuzigung und zwei Altäre des Meisters von Großgmain, die der damals so genannten altdeutschen Schule zuzuordnen waren.7 Aufgrund der weiterhin regen ­Erwerbstätigkeit Kaiser Franz’ II./I. kamen bedeutende Werke wie Caravaggios Dornenkrönung aus der Sammlung Giustiniani, Bernard van Or­leys Thomas-und-Matthias-Altar oder Anbetung der Könige von Jan Brueghel dem Älteren in die Galerie.8 Gleichermaßen widmete sich der Kaiser Ankäufen der zeitgenössischen Malerei, die bereits im ersten Jahrzehnt Eingang in die Sammlung fanden, wie beispielsweise Lorenz Adolf Schönbergers großformatiger Meerbusen von Baiae bei Sonnenuntergang im Juli 1806.9 Unter dem Eindruck der laufenden Veränderung des Sammlungsbestandes begann Füger bereits 1808 mit seiner ersten Neukonzeption

der Gemäldeeinteilung im zweiten Stock. Im März 1809 wäre alles bereit zur Öffnung für das Publikum gewesen, doch verhinderte dies der Vierte ­Koalitionskrieg. Da Füger den altertümlichen Neubestand der Galerie nicht in Sicherheit gebracht hatte, konnten die Franzosen unter anderem die eben erst aus Salzburg eingelangten Tafeln nach Frankreich bringen. 10 Das Belvedere war von der Besatzung durch die Franzosen schwer in Mitleidenschaft gezogen (→ S. 133,  9  ), und so war erst ab 1813 wieder an eine Öffnung der Galerie zu denken, was neuerlich durch Kriegsereignisse verhindert wurde. Während des Wiener Kongresses war der Besuch der Gemäldegalerie vor allem den hohen Staatsmännern vorbehalten. Füger nutzte häufig die Gelegenheit, auch sein in der Nähe gelegenes Atelier in den Galerierundgang einzubeziehen.11 1816 nahm Füger nach der Rückkehr der Gemälde aus Frankreich sofort die Einrichtung, die wohl auf dem Konzept von 1808 basierte, in Angriff. Da sich ein Manuskript zu seinem geplanten Katalog erhalten hat, kennen wir die Einteilung der Galerie und können seine Innovationen rekonstruieren : 12 Im Unterschied zu seinen Vorgängern etablierte Füger erstmals die neuere bis moderne Malerei im Westflügel und behielt den Ostflügel ausschließlich der Malerei des 14. bis 17. Jahrhunderts vor. Dort versammelte er neben der bisher schon bekannten altdeutschen und altniederländischen erstmals auch die altitalienische Malerei (Abb. 2). Er formulierte das Ziel dieser Einteilung in seinem Katalogvorwort : Die Gemälde der alten Malereischulen würden zeigen, dass sie „die einfache Nachahmung der sie umgebenden Natur zum einzigen Endzwek“ hatten, wohingegen die Werke im ersten Stock beweisen würden, dass die durch die Antike beeinflusste Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts der „Gesezgeber des guten Geschmaks“ in der bildenden Kunst der Neuzeit geworden sei.13 Fügers 1808 entwickeltes Konzept spiegelt die theoretischen Überlegungen zur Orientierung der bildenden Kunst um 1800 wider. Als Direktor der Wiener Akademie galt Füger als bekannter Vertreter der klassizistischen Kunstlehre. Zugleich suchte er als Künstler immer wieder nach Wegen, dieses Ideal zu adaptieren.14 Daher waren ihm neben den Versuchen, den Klassizismus wiederzubeleben, die Tendenzen der Neuorientierung durch die Frühromantik sicher nicht entgangen.15 Friedrich Schlegel hatte kurz davor seine Berichte zur italienischen Malerei im Pariser Musée Napoléon verfasst und darin seine Beobachtungen zur Entwicklung der Malerei um 1500 thematisiert. Während Füger der antik beeinflussten Formensprache den Vorzug gab, entdeckte Schlegel gerade in der früheren naturalistischen Malerei die wahrhafte Kunst, da sie dem vertrauten christlichen Gefühlsausdruck viel näher komme.16 Fügers Überlegungen zur Neueinteilung der alten Kunstschulen geschahen zur gleichen Zeit, als in Wien die von Schlegel formulierte Gesinnung im jungen Künstlerkreis um Franz Pforr und Friedrich Overbeck ihre erste Entfaltung fand.

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10 Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 48–50. 11 Grabner 2018, S. 47  f. 12 Fügers Einrichtung lässt sich aus drei ­I nventaren aus den ­J ahren 1816, 1817 und 1820 rekonstru­i eren. Das bekannte Inventar von 1824 hat diese Ordnung ­b ereits verunklärt  ; Hoppe-­ Harnoncourt 2021, Kap. 2. 13 Vorwort für den Katalog 1816, KHM, Archiv der Gemälde­galerie, transkribiert nach Nora Fischer in HoppeHarnoncourt 2021, S. 112  f. 14 Keil 2009, S. 66 und 120  f. 15 Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 71–76. 16 Siehe Schlegels 1803 ­p ublizierten Text „Vom Raphael“ in Schlegel 1995, S. 40–45  ; vgl. Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 90  f.

17 Pforrs Bericht an seinen Vormund über den Besuch der kaiserlichen Galerie publiziert in Lehr 1924, S. 37. 18 Annonce in der Wiener Zeitung, 6. 5. 1818  ; Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 51  f. 19 Hoppe-Harnoncourt 2001, S. 168  f. Graf Lamberg-Sprinzen­ stein besichtigte 1821 diese Räumlichkeiten, da die Überlegung ­b estand, seine Schenkung an die Akademie dort aufzustellen. ­D abei merkte er an, dass die Räume wegen Personalmangels nicht für das Publikum geöffnet waren. Abschrift eines Schreibens von Lamberg vom 21. 10. 1821 zur Schenkungsurkunde, UAAbKW, VA 43, 1822/3, fol. 382– 385. 20 Grabner 2022c, S. 141– 143 und 371–374  ; Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 58  f. 21 Joseph Rebell, Muster­ heft des über die k. k. Bildergallerie im Belve­ dere zu verfassenden Cataloges, Manuskript, um 1825, ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung, Sign. 283920-C. 22 Grabner 2022c, S. 145– 151  ; Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 59  f. 23 Krafft 1837. 24 Mechel 1783. 25 Krafft 1837, S. VII–XVI.

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Dessen Mitglieder betrachteten die alten Gemälde der kaiserlichen Galerie mit neuen Augen, was sie letztlich veranlasste, 1809 der Wiener Akademie den Rücken zu kehren und eine eigene Künstlergemeinschaft zu gründen, um später als „Nazarener“ in die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts einzugehen.17 Damals schien sich die Gemäldegalerie als Ansammlung von Vorbildern aller Art besonders angeboten zu haben. Die Galerie öffnete erst wieder im Mai 1818 für das allgemeine Publikum, ab nun zweimal die Woche.18 Füger erlebte den normalen Betrieb nur wenige Monate, bevor er im November starb. Er konnte noch die Erweiterung der Galerie im Erdgeschoß durch Hinzufügen eines großen Zimmers auf jeder Seite veranlassen, deren Einrichtung war nun ­Kustos Joseph Rosa junior überlassen. So gab es bereits ab 1820 eine Sekundärgalerie mit niederländischen und italienischen Gemälden, die in der Hauptgalerie keinen Platz mehr gefunden hatten.19 Das lange Ringen um die Nachbesetzung der Stelle des Galeriedirektors zeigt eine gewisse Unschlüssigkeit, in welche Richtung sich die kaiserliche Galerie entwickeln sollte. Fügers Einteilung der Galerie war überholt und schien nicht publikumstauglich. Der um 1820 ernsthaft verfolgte Plan, einen Kunstsachverständigen einzustellen, scheiterte, und so wurden, ab 1824 mit Joseph Rebell (→ S. 369, Abb. 5), im 19. Jahrhundert weiterhin Maler als Direktoren berufen.20 Im Sommer 1825 waren exemplarisch zwei Zimmer der italienischen Schule neu arrangiert und als Beleg das Manuskript eines Katalogs vorgelegt worden.21 Der 1828 nachfolgende Direktor Peter Krafft (→ S. 369, Abb. 6) ­behielt das Konzept bei, und so vollzog sich die Neuordnung der Galerie bei laufendem Betrieb über ein Jahrzehnt. Die Dauer erklärt sich dadurch, dass die Arbeiten von einer beispiellosen Restaurieraktion sowie umfassenden Erneuerungen im Schloss wie dem Einbau eines neuen Heizungssystems mit Heißluft begleitet wurden (→ S. 125,  8  ).22 Die Einrichtung war 1836 abgeschlossen, wie durch einen 1837 ­erschienenen neuen Katalog (der erste über die komplette Galerie seit über fünfzig Jahren !) dokumentiert ist (Abb. 1).23 In Form und Art der Bildbeschreibungen orientiert sich dieser am Vorbild des Katalogs von ­Christian von Mechel (→ S. 82).24 Auch in der Galerie selbst erhielten die Rahmen Aufsätze mit Schrifttafeln für Namen und Lebenszeiten der Künstler*innen. Angelehnt an Fügers Konzept verblieben im zweiten Stock die alten Gemälde der niederländischen und der deutschen Malerei. Die Westseite war ab nun ausschließlich den modernen Künstler*innen gewidmet. Die Sekundärgalerie im Erdgeschoß blieb bestehen und wurde jeweils um noch ein viertes Zimmer erweitert, wobei der Carlone-Saal leer blieb und als Kopierzimmer diente.25 Nach Ende der Arbeiten legte Krafft besonderen Wert darauf, dass diese Einteilung nun nicht mehr leichtfertig geändert werden durfte. Als negatives Beispiel führte er an, dass Christian von Mechels „wissen-

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Neukonzeptionen der alten Malerei­ schulen im frühen 19. Jahrhundert

schaftliche Einrichtung“ von Direktor Rosa „unnöthiger Weise“ zerstört worden sei.26 Kraffts Aufruf fand Gehör, und die Abteilungen der alten Meister verblieben bis zur Übersiedlung 1891 weitgehend in der von Rebell und Krafft erdachten Ordnung (→ S. 85–86).27 Anders die Abteilung der modernen Malerei, deren Grundeigenschaft es war, sich zu verändern und durch Ankäufe wachsen zu können.28

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Abb.  1 Geschoßeinteilung der kaiserlichen Gemäldegalerie, in : Albrecht Krafft, Verzeichniss der kais. kön. GemäldeGallerie im Belvedere zu Wien, Wien 1837, Bibliothek des Belvedere, Wien

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26 Bericht von Peter Krafft vom Oktober 1836, zit. in Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 104  f. 27 Die Anordnung der alten Meister ist in Bleistiftzeichnungen dokumentiert  ; Aufstel­ lung der Kaiserlichen Gemäldegalerie im ­B elvedere. Aufgenom­ men im Jahre 1891 durch Wilhelm von War­t enegg, Manuskript, KHM, Bibliothek, Sign. 19283, (Abb. 3). 28 Hoppe-Harnoncourt 2021, S. 61  f.  ; siehe den Beitrag von Sabine Grabner in diesem Band, S. 139–142.

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gemacht, herabgelassen und zum Transport zugerichtet werden. Alle meine Einwendungen dagegen waren fruchtlos. Dann, auf meine Bemerkung, daß dieses Gemälde von Rubens seiner Größe, Schwere und Gebrechlichkeit wegen niemals mehr von seiner Stelle herabgenommen worden sey, äußerte H. Denon seinen Entschluß, dasselbe in 3 Theilen auseinander nehmen zu lassen. Selbst meine Erinnerung, daß eine bei Werken der Malerei so ungewöhnliche Operation Stoff zu einer Anecdote in der Kunstgeschichte geben würde, die ich nicht auf meine Rechnung zu nehmen gedachte, blieb ohne Erfolg. […] Aber, nicht nur dieses Bild und das gedachte Mosaik nebst so vielen anderen Stücken aus den Depots wurden genommen, deren grösster Theil nicht Kunst Verdienst genug hatte, um für das Pariser ­M usaeum geeignet zu seyn, sondern H. Denon fand auch für gut, die in dem Unteren Palais des Belvedere befindlichen großen Bataillenstücke des Prinzen Eugen […] auszuwählen.“ Ab Juli waren im Oberen Belvedere rekonvaleszente Soldaten untergebracht und Füger ständig damit beschäftigt, Gefahren

irektor Joseph Rosa evakuierte bereits in den Jahren 1797 und um 1800 rund fünf‌h undert Gemälde der Galerie in Kisten verpackt Richtung Osten. Dies geschah auch 1805 und schließlich 1809, als Napoleon tatsächlich nach Wien gelangte. Die Zeit der französischen Besatzung begann im Mai 1809, im Juni wurde Direktor Heinrich Friedrich Füger vor Generalgouverneur AntoineFrançois Andréossy geladen, der sich nach den im Belvedere verbliebenen Kunstschätzen erkundigte. Drei Tage später kam der Direktor des Musée Napoléon, Dominique-Vivant Denon, mit der schriftlichen Erlaubnis des Generalgouverneurs, alle Gemälde, die er für geeignet hielt, auszuwählen (Abb. 1) . Darunter waren wertvolle Stücke wie Rubens’ Himmelfahrt Mariae (Abb. 2) oder die Mosaikkopie nach Pompeo Batoni, weshalb Füger den Verlust in einem Bericht an den Kaiser rechtfertigen musste : „Das vorerwähnte große Bild der Himmelfarth Mariae von Rubens und der Mosaik des Kaysers Joseph und Leopold II mußten aus der Mauer los-

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für das Gebäude, aber auch die im Depot ­v erbliebenen Bilder und Zierrahmen abzuwenden, bis die Franzosen im November 1809 die Stadt verließen. Fügers Bericht bewirkte keine Ent­ lastung, wie aus der persönlichen Notiz Franz’ I. hervorgeht : „Ich nehme diese Auskunft zur Nachricht und kann bey dem großen Verlust, den die Gallerie erlitt, für den Direktor Füger keine Belohnung stattfinden.“ 1

Bei der letzten Bedrohung 1813 ließ Füger prophylaktisch alle Galeriegemälde verpacken und evakuieren, das waren 1235 Stück. Somit gab es insgesamt fünf Evakuierungen und einen Transport nach Paris. Schlusspunkt des ständigen Auf- und Abhängens war die Rückkehr der restituierten Gemälde aus Frankreich im November 1815. 2

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1 Fügers Bericht an das Oberstkämmereramt vom 22. 11. 1809 und die handschriftliche Note Kaiser Franz’ I. vom 16. 2. 1813 u. a. zit. in Lhotsky 1941–45, S. 514. 2 Hoppe-Harnoncourt 2001, S. 156–163 ; ­Pénot 2009 ; Gustavson 2012, S. 49–66.

Abb. 1 Benjamin Zix und Constant Bourgeois, Verpacken der Gemälde vor dem Oberen Belvedere für den Transport nach Frankreich im Juni 1809, 1810, Privatbesitz

Abb. 2 Peter Paul Rubens, Himmelfahrt Mariae, um 1611/14–21, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie

Kap. II

Neukonzeptionen der alten Malerei­ schulen im frühen 19. Jahrhundert

Füger ermöglichte den direkten Vergleich der Gemälde um 1500 aus verschiedenen regionalen Schulen. An dieser Wand werden die großen Passionstafeln von Rueland Frueauf dem Älteren der niederländischen Malerei von Hans Memling und Joachim Patinir sowie der Grisailleserie nach Andrea Mantegna gegenübergestellt. Abb.  3 Dokumentation der ersten Wand im ersten Saal der niederländischen Schule im ersten Stock des Oberen Belvedere vor der Übersiedlung ins Kunsthistorische Museum ; Aufstellung der Kaiserlichen Gemäldegalerie im Belvedere. Aufgenommen im Jahre 1891 durch Wilhelm von Wartenegg, Manuskript, Kunsthistorisches Museum Wien, Bibliothek, fol. 26

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Abb.  2 Erste Wand des zweiten Zimmers im Ostflügel des zweiten Stocks des Oberen Belvedere mit Gemälden der altdeutschen, altniederländischen und altitalienischen Schulen. Digitale Rekonstruktion nach dem Gemäldeverzeichnis von Heinrich Füger von 1816 / Visualisierung : Alice Hoppe-Harnoncourt

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SABINE GRABNER —— Die „Moderne Schule“ in der kaiserlichen Gemäldegalerie

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Kap. II 1776–1891

1 Franz I. am 9. 4. 1827, ÖStA/ HHStA, OKäA-B, Zl. 715/1827. 2 Ebd. Vgl. dazu Albrecht Krafft im Vorwort des Galerieführers von 1837  : Die „Moderne Schule“ „wurde 1825 [sic] auf Befehl Weiland Seiner Majestät des Kaisers Franz I. unter der obersten Leitung und Vorsorge Seiner Excellenz des k. k. Oberstkämmerers Rudolph Grafen von Czernin durch den k. k. Galleriedirector Joseph Rebell begonnen, von dessen Nachfolger im Amte (1829) Peter Krafft fortgeführt und im Jahre 1836 beendet“  ; Krafft 1837, S. IV. 3 ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 1121/ 1828. 4 ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 178/ 822 und 281/822, heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 2244. 5 ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 767/ 816. Im Jahr 1820 wurde auch das Gegenstück, Die Heimkehr des Landwehrmannes, erworben  ; ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 848/ 820. Beide heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2242 und 2243. 6 ÖStA/HHStA, OKäA, Zl. 990/ 822, heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 2539. 7 Der Hafen Granatello bei Portici, Sonnenuntergang über den Campi Flegrei, Meeressturm beim Arco di Miseno und Vietri mit dem Meer­ busen von Salerno  ; ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 900/820. Alle vier heute im Belvedere, Wien, Inv.Nrn. 2148, 4429, 2123 und 2369. 8 Siehe dazu Hoppe-Harnoncourt 2021. 9 Hervorzuheben ist besonders der Landschaftsmaler Albert Christoph Dies, der schon 1811 in mehreren Folgen der Vaterländischen Blätter ein Museum für moderne Kunst forderte  ; Dies 1811, Nr. 9, S. 53. 10 Franz I. am 8. 4. 1827, ÖStA/ HHStA, OKäA-B, Zl. 715/1827. 11 Zitat aus dem Tagebuch von Carl Christian Vogel von Vogelstein, in  : Grabner 2022d, S. 193. 12 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 2109.

„Ich will jährlich die Summe von dreitausend Gulden K. M. [sic] zum Ankauf inländischer Kunstwerke aus allen Fächern der bildenden Künste bestimmen.“ 1 Diese Worte Kaiser Franz’ I. vom 9. April 1827 waren von großer Wirkung für die Zukunft der kaiserlichen Gemäldegalerie. Der Monarch lenkte damit die Ankaufspolitik in neue Bahnen, denn in der Folge wurde das gesamte Jahrhundert hindurch hauptsächlich Kunst von lebenden und bevorzugt österreichischen Künstler*innen erworben. Franz I. wollte die Entscheidung für die Ankäufe selbst tragen, weshalb er von seinen Kunstverständigen forderte, ihm die „ausgezeichnetsten zur [Akademie-]Ausstellung gebrachten inländischen Kunstwerke mit ihren Preisen“ anzuzeigen.2 Der erste Ankauf unter dieser Prämisse erfolgte 1828.3 Bekanntermaßen war die Sammlungspolitik der kaiserlichen Gemäldegalerie seit ihrem Bestehen auf das Kunstgeschehen der jeweiligen Epoche ausgerichtet gewesen. Demgemäß waren auch schon zur Zeit des oben genannten allerhöchsten Beschlusses bedeutende Werke der zeitgenössischen Malerei im Inventar vertreten. Genannt seien Die tote heilige Caecilia von Johann Evangelist Scheffer von Leonhardshoff,4 ein wichtiges Beispiel der romantischen religiösen Malerei, oder Peter Kraffts Ab­ schied des Landwehrmannes 5 (Abb. 1), Historie und Genrebild in einem und richtungsweisend für die Figurenmalerei der kommenden Generation, sowie Joseph Fischers Ansicht der Haupt- und Residenzstadt Wien vom Standpunkte bey Nussdorf 6 und die vier Neapelansichten von Joseph Rebell,7 worin sich ein zukunftsweisendes Naturverständnis äußert. Diese Neuerwerbungen waren umgehend in die Schauräume des zweiten Obergeschoßes gelangt, wo der damals amtierende Galeriedirektor Heinrich Friedrich Füger (→ S. 369, Abb. 4) stets darauf bedacht war, eine historische Kontinuität zwischen alter und neuer Kunst herzustellen.8 Nun aber sollte die neueste Kunst besonders hervorgehoben werden. Es mag das Musée du Luxembourg in Paris gewesen sein, in dem seit 1818 nur Werke lebender Maler*innen zu sehen waren, das Franz I. zu seiner Entscheidung anregte, vielleicht auch der mehrmals vorgebrachte Ruf nach einer Institution, die den Fortgang der Kunstentwicklung veranschaulichte und womit staatlich organisierte Kunstförderung betrieben werden konnte.9 Folgerichtig wollte er auch in seinem Museum die neu erworbenen Werke „in eigenen Säälen der Bildergallerie“ vereint präsentieren.10 Joseph Rebell (→ S. 369, Abb. 5), an den der Auftrag als Direktor ergangen war, errichtete darauf‌hin die „Gallerie von Lebenden Künstlern im Belvedere in dem Erdgeschoß“, wie er selbst berichtete.11 Dort präsentierte er die Neuerwerbungen der Akademie-Ausstellung, darunter Josef Danhausers Scholarenzimmer,12 Arbeiten von Ferdinand Georg Waldmüller und Johann Nepomuk Schödlberger, Landschaften von Josef Feid sowie das Selbstporträt von Johann Baptist Lampi dem Älteren und die Venus, auf einem Ruhebett schlafend von dessen Sohn, Johann Baptist Lampi dem

Jüngeren.13 Vermutlich waren dort auch die kürzlich hinzugekommenen Werke von Carl Peter Goebel dem Älteren (Jakob segnet die Söhne Josephs), Marco Gozzi (Schloss Monza mit Park) und Johann Nepomuk Höchle (Die verbündeten Heere, Kaiser Franz I. von Österreich mit dem Kronprinzen Fer­ dinand an der Spitze, überschreiten im Juli 1815 die Vogesen) zu sehen,14 und mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden sogar die damals im zweiten Stock gehängten Bilder der neueren Zeit nach unten gebracht. Rebells Vorhaben, die „Moderne Schule“ als neue Abteilung im Erdgeschoß des Oberen Belvedere zu etablieren, also eine Ausstellungsfläche für die zeitgenössische Kunst zu schaffen, die sich zu den alten Meistern in den darüber gelegenen Geschoßen gleichberechtigt verhielt, fand durch seinen frühen Tod im Dezember 1828 ein jähes Ende. Sein Nachfolger Peter Krafft (→ S. 369, Abb. 6) fand daran wenig Gefallen und bevorzugte für die neuere Kunst die vier westlichen Räume im zweiten Obergeschoß, wiewohl es dort für die stetig wachsende Sammlung keine Möglichkeiten einer Erweiterung gab. Das damit einhergehende ständige Auf-, Abund Umhängen zeigt sich im 1837 erschienenen Katalog der kaiserlichen Gemäldegalerie, denn für die „Moderne Schule“ gab es keine Raumbeschreibung wie für die „Italienische“ und die „Niederländische Schule“, vielmehr behalf man sich mit einer alphabetischen Auf‌listung von Namen und Werken.15 Es ist anzunehmen, dass die Wandflächen in mehreren Reihen mit Bildern bedeckt waren, denn nur so konnten 141 Kunstwerke auf einer Hängefläche von etwa fünf‌hundert Quadratmetern (circa 120 Meter Wandabwicklung !) ihren Platz finden.16 Schon die Menge erweckt Bewunderung. Nahezu unvorstellbar wird die Situation angesichts der vielen Großformate, wozu neben den bereits genannten ähnlich „wandfüllende“ Arbeiten wie Der Traunfall bei Gmunden von Johann Nepomuk Schödlberger 17 zählten oder Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfelds Bilderpaar Faust und Mephisto in der Studierstube und Faust und Gretchen im Kerker,18 Anton Petters Einzug Kaiser Maximilians I. in Gent 19 sowie Hubert Maurers Lasset die Kindlein zu mir kommen.20 Das größte Bild war Anton Hickels William Pitts Rede zur französischen Kriegserklärung vor dem House of Commons von 1793.21 Daneben waren auch kleinere Formate vertreten, meist Arbeiten jüngerer Maler*innen, die in den Akademie-Ausstellungen erworben wurden : Friedrich von Amerlings Ein Fischerknabe 22 (Abb. 2), Waldmüllers Bettelknabe auf der hohen Brücke,23 die Felsenpartie bei Schottwien von Matthias Rudolf Toma oder Rudolf von Alts Der Stephans­ dom in Wien,24 um nur einige zu nennen. Auf welche Weise und über welche Wege vermehrte sich die Sammlung im Laufe des 19. Jahrhunderts ? 25 Die wohl bedeutendste Erwerbsquelle waren die Akademie-Ausstellungen, ab 1830 außerdem die vom Verein zur Beförderung der bildenden Künste („Alter Kunstverein“) veranstalteten Ausstellungen, ab 1850 jene des Österreichischen Kunstver-

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SABINE GRABNER 13 Beide heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 3642 und 2519. 14 Alle drei heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 3030, 7883 und 3099. Zu den Bedingungen, wie diese Werke in die kaiserliche Ge­ mäldegalerie gelangten, siehe Grabner 2022c, S. 151. 15 Krafft 1837, S. 289–316 und Nachtrag S. 1–4. Anders als bei der „Modernen Schule“, die „kein geschlossenes Ganze [sic] bildet, sondern jährlich durch den Ankauf neuer Werke lebender Künstler vermehrt und dadurch jedesmal eine Veränderung der Aufstellung bedingt wird“ (Krafft 1837, S. 290), betrachtete der Galeriedirektor die Einrichtung der Kunst der alten Meister im ersten Obergeschoß, in den östlichen Räumen im zweiten Obergeschoß sowie im Erdgeschoß als abgeschlossen und unveränderbar. Tatsächlich kam es in den folgenden Jahrzehnten in diesem Bereich zu keiner nennenswerten Neuerwerbung, die ein Umhängen erfordert hätte. 16 Für die Berechnung der Hänge­ fläche danke ich Patrick Ebner vom Bau- und Gebäudemanagement des Belvedere. 17 ÖStA/HHStA, OKäA-B, 1632/822, heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 3735. 18 ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 1603/ 821 (Faust und Mephisto, das Ge­ genstück Faust und Gretchen im Kerker war erst 1833 vollendet). Beide Bilder befinden sich heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 3311a und 3311b. 19 ÖStA/HHStA, OKäA-B, Zl. 1633/ 822, heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 3722. 20 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 3256. 21 Das Bild mit den Maßen 360 × 500 cm befindet sich heute in der National Portrait Gallery, London. Nachdem es ab 1811 in der vom Maler Anton Huglinger begründeten Modernen Galerie in Baden bei Wien für großes Aufsehen gesorgt hatte (Thausig 1909, S. XVII), wurde es 1817 um 3000 Gulden W. W. (= 1200 Gulden CM) für die kaiserliche Gemäldegalerie erworben (ÖStA/ HHStA, OKäA-B, Zl. 1498/816). 1885 ging es mit Zustimmung von Kaiser Franz Joseph I. in den Sammlungsbestand der National Portrait Gallery in London über. Siehe dazu Thomasberger 1992/93, S. 114–118. 22 Erworben in der Akademie-­ Ausstellung von 1830, heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nr. 2504.

23 Erworben in der Akademie-­ Ausstellung von 1830, heute unbekannter Besitz. 24 Beide Werke wurden in der Aka­ demie-Ausstellung von 1832 erworben und befinden sich heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 3607 und 2081. 25 Vgl. dazu auch Grabner 2004. 26 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 2083. 27 Grabner 2022a  ; Grabner 2022b. 28 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 2768a–b. 29 Alle heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2129, 2087, 2088, 2095 und 2551. 30 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 3734. 31 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 2919. 32 Alle heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2106, 2119 und 2776. 33 Alle heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 1374, 1384, 1375 und 1385. 34 Die Räume für die „Moderne Schule“ befanden sich ab 1891 in dem Bereich, in dem sich heute die „Italienische Schule“ befindet. Im zweiten Obergeschoß wurden Zeichnungen und Grafiken der Kunst des 19. Jahrhunderts präsentiert. Auf diesen Sammlungsbereich, der sich seit etwa dreißig Jahren herausge­ bildet hatte, kann hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden. 35 Slg.-Kat. Wien 1891, S. 341–354.

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Kap. II

eins, ab 1868 jene des Künstlerhauses und 1873 die Wiener Weltausstellung (Hans Canon, Die Loge Johannis 26). Ferner beauftragte der Monarch Künstler*innen mit der Ausführung von Gemälden, die er nach deren Fertigstellung ans Museum überwies oder diesem schenkte. Auf diese Weise kam es beispielsweise zur respektablen Sammlung von Werken aus Oberitalien, die Kaiser Ferdinand I. auf seiner Krönungsreise 1838 von Mailand nach Venedig in Auftrag gegeben hatte : bei Francesco Hayez, Michelangelo Grigoletti, Andrea Appiani, Teodolinda Migliara, Luigi Bisi oder Domenico Induno etwa.27 Kaiser Franz Joseph I. wiederum beauftragte den tschechischen Künstler Václav Brožik mit der Darstellung der Doppelhochzeit von 1515 mit dem Titel Tu felix Austria nube,28 einem Historienbild mit enormen Maßen (Abb. 3). Einen großen Teil der Sammlung nahmen auch die Kartons ein, die Carl Blaas in den Jahren von 1859 bis 1871 für die Ausmalung der Ruhmeshalle im Arsenal gefertigt hatte. Außerdem wurden der Kunstmarkt und das Auktionsgeschehen beobachtet, dazu kamen Widmungen aus Kunstnachlässen. Einen besonderen Zuwachs erhielt die Sammlung durch großzügige Schenkungen, etwa 1878 vom k. u. k. Hof‌baumeister Anton Ölzelt von Newin (Waldmüllers Christtags­ morgen, Josef Danhausers Der reiche Prasser und Die Klostersuppe, Joseph von Führichs Jacob begegnet Rahel bei den Herden ihres Vaters sowie Franz Defreggers Das letzte Aufgebot 29), 1894 vom Bankier Georg Güterbock (Emil Jakob Schindlers An der dalmatinischen Küste bei Ragusa 30), in den Jahren um 1900 vom Baurat Karl Rudolf Ritter von Wessely (Albin Egger-­ Lienz’ Karfreitag 31 (Abb. 4) sowie von Fürst Johann von und zu Liechtenstein (Waldmüllers Reisigsammler im Wienerwald, Constant Troyons Hühner vor einem Bauernhaus, Alexandre Calames Partie vom Genfer See 32). 1912 widmete Ludwig von Reithoffer, der Begründer der Semperit-Werke, bedeutende Bilder seiner Sammlung, darunter Peter Fendis Gewitter, eine Ungarische Pferdetränke von August von Pettenkofen sowie Die Ruine Liechtenstein bei Mödling (Abb. 5) und Kinder armer Eltern werden von der Gemeinde Spittelberg am Michaelitage mit Winterkleidern beteilt, zwei beachtliche Gemälde von Waldmüller.33 Die ständig im Wachsen begriffene Sammlung fand 1891, nach der Übersiedlung der kaiserlichen Gemäldegalerie ins Kunsthistorische Hofmuseum am Ring, eine neue Aufstellung. Nun waren die Arbeiten aus dem 19. Jahrhundert mit den alten Meistern auf einer Ebene untergebracht, in drei großen Oberlichtsälen und vier kleineren Sälen mit Seitenlicht, was ein Viertel des ersten Obergeschoßes bedeutete ! 34 Der aus diesem Anlass erschienene Galerieführer fasst die ausgestellten 322 Werke Raum für Raum zusammen,35 außerdem ermöglicht ein Foto von 1910 einen Blick in einen der Säle (Abb. 6) : Das Zentrum der beiden Wände bilden großformatige Historiengemälde, links ist Kaiser Ferdinand II. ver­ weigert die Unterzeichnung der die Religionsfreiheit gewährleistenden Akte

1776–1891

Die „Moderne Schule“ in der ­kaiserlichen Gemäldegalerie

von Karl Wurzinger zu sehen, rechts Die Gefangennahme der Söhne Man­ freds von Eduard von Engerth.36 Daneben befinden sich kleine Formate, neben Schnorr von Carolsfelds Versuchung Christi 37 hängen zwei alttestamentarische Szenen von Joseph von Führich,38 ein Stillleben von Josef Neugebauer, Danhausers Bilderzählungen Der reiche Prasser und Die Klos­ tersuppe sowie Die Testamentseröffnung, ferner die Genredarstellungen Am Christtagsmorgen von Waldmüller und Die Lilie von Sankt Leonhard von Wilhelm August Rieder.39 Wie zu sehen ist, folgte man in der Wandgestaltung weniger einem wissenschaftlich-edukativen Anspruch als dekorativen Vorstellungen, denn die Gemälde waren weder thematisch noch chronologisch oder gar gattungsgemäß geordnet. 1903, als im Unteren Belvedere die Moderne Galerie gegründet wurde, hatte die „Moderne Schule“ der kaiserlichen Gemäldegalerie die Kraft des Neuen längst verloren. Genre- und Porträtmalerei verliefen zunehmend in ausgetretenen Spuren, auch hatte die Historienmalerei, ehemals zur Konsolidierung des neu gegründeten Österreichischen Kaiserreichs eingesetzt, mittlerweile an Spannkraft verloren. Überhaupt erlangte die „Moderne Schule“ im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte mehr und mehr den Hautgout des Ewiggestrigen.40 Eine Ausnahme bildete eine Gruppe von Landschaftsmalern, Emil Jakob Schindler, Robert Russ, Eugen Jettel und Wilhelm Bernatzik, deren innovative Schilderungen der vielfältigen Witterungszustände von großem Naturverständnis und guter Beobachtungsgabe zeugten. Doch mangelte es der kaiserlichen Sammlung an der Bereitschaft zum Vergleich mit internationalen Kunstströmungen, am damals vielerorts gepflogenen Diskurs mit Künstler*innen aus dem Ausland. Im Gegenzug erlangte in den Jahren um 1900 die Kunst der ersten Jahrhunderthälfte an Bedeutung. Auch August Schaeffer, selbst Maler und Kustos der kaiserlichen Gemäldegalerie, meinte in seinem 1903 veröffentlichten Buch Moderne Meister,41 dass sich „der mit unserem Jahrhundert eintretende Umschwung der allgemeinen Kunstanschauung in den 1830er-Jahren“ vollzogen habe.42 Entscheidend für die Entwicklung der bildenden Kunst im 19. Jahrhundert waren demzufolge Waldmüller, Danhauser, Amerling, Franz Steinfeld, Johann Baptist Reiter, Friedrich Gauermann, Rudolf von Alt und die vielen anderen dieser Generation. Deren Konzentration auf die unmittelbare Gegenwart, auf das Leben in der Stadt und auf dem Land, ihr Hinweisen auf soziale Ungerechtigkeit sowie das Schildern der Natur, wie sie tatsächlich ist, waren tonangebend für die Themenwahl der nachfolgenden Künstler*innen. In diesem Sinne befanden sich auch mehrere Bilder aus diesem Sammlungsbereich während der Schließung der „Modernen Schule“ 43 als Leihgaben in der Österreichischen Staatsgalerie, der Nachfolgerin der Modernen Galerie.44 Nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreichs und der sich daraus ergebenden Notwendigkeit, die kaiserlichen Sammlungen an die

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SABINE GRABNER

36 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 2321, das davor genannte Bild ist heute verschollen. 37 Heute im Belvedere, Wien, Inv.Nr. 3260. 38 Vision der Einwohner Jerusalems vor der Eroberung der Stadt durch Antiochus IV. Epiphanes und Jakob begegnet Rahel bei den Herden ihres Vaters, beide heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2541 und 2095. 39 Alle sechs heute im Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2544, 2087, 2088, 2086, 2129 und 3603. 40 Siehe dazu auch das Vorwort von Franz Martin Haberditzl in Slg.-Kat. Wien 1924, S. V–VIII. 41 Schaeffer 1903  ; vgl. dazu die im selben Jahr erschienene Abhandlung zur Kunst des 19. Jahrhunderts von Ludwig von Hevesi (Hevesi 1903). 42 Schaeffer 1903, S. 1. 43 Die „Moderne Schule“ war in den Jahren des Ersten Weltkriegs „gegenwärtig in Umstellung“, wie es im Inhaltsverzeichnis des Galerieführers lautet  ; Slg.-Kat. Wien 1917a. 44 Slg.-Kat. Wien 1917b. Zur Geschichte der Modernen Galerie und der daraus hervorgegan­ genen Österreichischen Staatsgalerie siehe den Beitrag von Christian Huemer in diesem Band, S. 178–191.

Kap. II

neue Situation anzupassen,45 entstand der Gedanke, im Bereich des Belvedere-Areals ein neues Museum zu gründen. Die Österreichische Staatsgalerie und die moderne Abteilung des Kunsthistorischen Hofmuseums wurden zur Österreichischen Galerie vereint, die verschiedenen Sammlungen neu geordnet. In der Folge eröffnete 1923 das Barockmuseum im Unteren Belvedere (→ S. 167),46 im Jahr darauf die Galerie des 19. Jahrhunderts im Oberen Belvedere und 1929 die Moderne Galerie mit der Kunst „der lebenden Generation seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts“ in der Orangerie.47 Im Oberen Belvedere konnten in der Folge die von der Staatsgalerie erworbenen Arbeiten internationaler Künstler*innen mit den bedeutendsten Werken der österreichischen Kunst des 19. Jahrhunderts der kaiserlichen Sammlungen verglichen werden.48 Die von Kaiser Franz I. begründete „Moderne Schule“ erwies sich dabei durch die geschlossene Zusammenschau der künstlerischen Leistungen in Österreich und vor allem durch ihren Schwerpunkt auf der Kunst der sogenannten Biedermeierzeit als identitätsstiftend für die Galerie des 19. Jahrhunderts der Österreichischen Galerie.

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Die „Moderne Schule“ in der ­kaiserlichen Gemäldegalerie

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45 Das von Hans Tietze erarbeitete Museumsprogramm ist grund­ legend und konzis zusammengefasst in Krapf-Weiler 2004. 46 Siehe dazu den Beitrag von Georg Lechner in diesem Band, S. 202–209. 47 Slg.-Kat. Wien 1924, S. VIII. 48 Ergänzende Leihgaben kamen aus der Albertina und der Akademiegalerie. Die Schausammlung war in den beiden Obergeschoßen des Oberen Belvedere zu sehen, die Räume des Erdgeschoßes waren für Wechselausstellungen bestimmt  ; Slg.-Kat. Wien 1924, S. VIII.

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SABINE GRABNER

Abb.  1 Peter Krafft, Der Abschied des Landwehrmannes, 1813, Belvedere, Wien 1816 an der Akademie-Ausstellung, Wien, für die kaiserliche Gemäldegalerie erworben. Abb.  2 Friedrich von Amerling, Ein Fischerknabe, 1830, Belvedere, Wien

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Amerlings jüngerer Bruder als Fischerknabe zählt zu den ersten Genrebildern aus dem 19. Jahrhundert in der kaiserlichen Gemäldegalerie. Abb.  3 Václav Brožík, Tu felix Austria nube, 1896, Belvedere, Wien Entstanden im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I. für die kaiserliche Gemäldegalerie. Abb.  4 Albin Egger-Lienz, Karfreitag, 1892/93, Belvedere, Wien

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Gewidmet um 1900 von Karl Rudolf Ritter von Wessely an die kaiserliche Gemäldegalerie. Abb.  5 Ferdinand Georg Waldmüller, Die Ruine Liechtenstein bei Mödling, 1848, Belvedere, Wien

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Gewidmet 1912 von Ludwig von Reithoffer an die kaiserliche Gemäldegalerie.

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Abb.  6 Ein Saal der „Modernen Schule“ im Kunsthistorischen Hofmuseum, 1910, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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Gemäldegalerie und Akademie der bildenden Künste Sabine Grabner

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ie Akademie und die Gemäldegalerie standen als kaiserliche Institutionen in enger Beziehung mit­ einander. Nur an der kaiserlichen Akademie ausgebildete Maler konnten Direktor oder Kustos im Belvedere werden. Die Auswahl oblag dem Kurator der Akademie, die definitive Entscheidung traf der Kaiser. In den frühen 1820erJahren gab es erste Überlegungen, für den leitenden P ­ osten einen Kunstwissenschaftler zu i­nstallieren, denn dieser könne im Gegensatz zu einem Maler jede Kunstrichtung würdigen, „unbefangen ­w ählen, ordnen, und zum ­S tudium derselben anleiten“, hieß es damals. 1 Letztlich entschied man sich 1824 mit Joseph Rebell dann doch wieder für einen Maler (→ S. 369, Abb. 5). Ab nun blieb diese Tradition das gesamte 19. Jahrhundert hindurch aufrecht. Erst 1911 erhielt die kaiserliche Gemäldegalerie mit Gustav Glück einen Kunsthistoriker als Direktor. Gemäß § LV der Statuten von 1812 war die k. k. Akademie der bildenden Künste maßgebend als „Kunstbehörde der Nation“, weshalb sie für „Gutachten in Kunstsachen, oder bey öffentlichen Denkmälern“ ohne Ausnahme zu konsultieren war. 2 Diese Vorrangstellung hatte auch auf die kaiserliche Bildergalerie Auswirkungen. Demgemäß entschieden Vertreter ­b eider Institutionen über die Qualität von Bildern, ein Ankauf erfolgte erst auf der Basis von schriftlichen Gutachten der Akademieprofessoren. Die Akademie-Ausstellungen waren spätestens ab 1828 wichtige Quellen für den Bilderwerb.

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Aber auch für den Studienfortgang der angehenden akademischen Maler war die kaiserliche Galerie von Bedeutung, denn auf allerhöchsten Wunsch von 1798 sollte dort zur Erwei­t erung der maltechnischen Kenntnisse das Kopieren von Kunstwerken ermöglicht werden. Die ­K ustoden waren verpflichtet, den Studierenden belehrend und hilfreich zur Seite zu stehen. Ein Ende der 1820er-Jahre formulierter Modus Vivendi vermochte die anfänglichen disziplinaren Schwierigkeiten in neue Bahnen zu lenken. Ab nun durften die jungen Künstler erst nach Vorsprache beim Direktor und unter Beibringung eines Zeugnisses der Akademie ihre Tätigkeit im Belvedere aufnehmen. Sauberkeit, Höf‌lichkeit und gute Manieren waren Grundbedingungen, ebenso die durchgehende Anwesenheit während der zum Kopieren eingeräumten Zeiten, andernfalls drohte der Verlust des Kopierplatzes. Im Winter war zum Kopieren ein Saal auf der italienischen Seite, für den Sommer der Marmorsaal und das Goldkabinett, später der sogenannte Carlone-Saal im Erdgeschoß bestimmt. Abschließend sei bemerkt, dass sowohl der Direktor und die Kustoden während ihrer Amtszeit als auch alle anderen am Belvedere bediensteten Personen mit ihren Familien im L-förmigen Gebäude an der Ostseite des Ehrenhofs vor dem Oberen Belvedere (Direktoren- und Kustodentrakt) wohnten.

1 Vortrag Klemens Wenzel Lothar von Metternichs an Franz I. vom 23. 1. 1823, UAAbKW, Metternich-Registratur 1823, Nr. 5. 2 Lützow 1877, S. 165.

Kapitel III Von der Modernen Galerie zur Österreichischen Galerie

S. 170

S. 192

CHRISTIAN HUEMER —— Ein Schloss als „Asyl“ für die Moderne CÄCILIA HENRICHS —— Kunst für Alle ? Die Österreichische Staatsgalerie zwischen Kunsterleben und Belehrung

S. 202

S. 210

GEORG LECHNER —— Die Gründung des Barockmuseums im Unteren Belvedere

BJÖRN BLAUENSTEINER —— Zu Vorgeschichte und Genese des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst

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14

Ein Kuss für die Moderne Galerie

Vom Österreichischen Staatsgalerieverein zum Verein der Museumsfreunde in Wien, 1911/12–1938

Stefan Lehner S. 159

12

Cäcilia Henrichs

Das k. k. Wandermuseum

S. 195

Christian Huemer S. 175

15

13

Das Ephesos Museum zu Gast im Unteren Belvedere

Hans Tietzes Museumsreform Katinka Gratzer-Baumgärtner S. 187

1903–1938

S. 178

MATTHEW RAMPLEY —— Museen moderner Kunst im späten Habsburgerreich

An die k. k. Polizei Direktion in Wien. Es wurden wiederholt Klagen durch Fremde vorgebracht, welche nach dem Standorte der Modernen Galerie gefragt haben, dass sie durch Sachorgane selbst der nächsten Umgebung derselben keine befriedigende Auskunft erhalten konnten. Die Direktion beehrt sich das Ersuchen zu stellen, die Kommissariate des I., III. und IV. Bez. gefälligst in Kenntnis setzen zu wollen, dass sich die k. k. Moderne Galerie in Wien seit dem Jahre 1903 im III. Bezirk Rennweg Nr. 6 (Unteres Belvedere) befindet.

Kapitel III

Von der Modernen Galerie zur Österreichischen Galerie

—— Brief von Direktor Dörnhöffer an die k. k. Polizei Direktion in Wien, AdB, Zl. 67/1910

Das Belvedere ist inzwischen ein wahrhafter Garten der Kunst geworden. Nur mit wenig Besuchern geht man durch die Säle unten und oben. Es sind Fremde, denn die Wiener halten sich von ihren Kunstschätzen fern. —— Hermann Menkes, „Garten der Kunst. Besuch im Belvedere“, in : Neues Wiener Journal, 6. 7. 1930, S. 12

Georg Plattner S. 207

1903–1938

S. 151 Otto Wagner, Studie

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S. 152 Moderne Galerie im

Unteren Belvedere mit Karl Mediz’ Die Eismänner, 1903, Foto : J. Löwy Kunst- und Verlagsanstalt Wien, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Galerie für Werke der Kunst unserer Zeit, in : Einige Skizzen, Projekte und ausgeführte Bauwerke, Bd. III, Blatt 25, 1906, Wien Museum

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S. 157 Moderne Galerie

im Unteren Belvedere mit Max Klingers Christus im Olymp, 1903, Foto : J. Löwy Kunst- und Verlagsanstalt Wien, Bildarchiv des Belvedere, Wien S. 158 Siegreiche Venus

(Venus Victrix) von Pierre-Auguste Renoir (1915/16) im Kammergarten des Unteren Belvedere, 1929, Foto : Paul Frankenstein, Bibliothek des Belvedere, Wien S. 161 Moderne Galerie in der

Orangerie des Belvedere mit Egon Schieles Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele im Hintergrund, nach 1931, Bildarchiv des Belvedere, Wien S. 162 Klimtsaal, Moderne

Galerie in der Orangerie des Belvedere, 1929, Foto : Hans Georg Balack, Bibliothek des Belvedere, Wien S. 164 Galerie des 19. Jahr-

hunderts im Oberen Belvedere, 1925, Bildarchiv des Belvedere, Wien S. 167 Grüner Saal des

← Eingang zum Barockmuseum, Unteres Belvedere, um 1933, Archiv des Belvedere, Wien

Barockmuseums im Unteren Belvedere, 1923, Bildarchiv des Belvedere, Wien

S. 168 Gelber Saal des

Barockmuseums im Unteren Belvedere, 1934, Bildarchiv des Belvedere, Wien

Kap. III 1903–1938 Otto Wagner, Studie Galerie für Werke der Kunst unserer Zeit, 1906

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Moderne Galerie im Unteren Belvedere mit Karl Mediz’ Die Eismänner, 1903

—— „Die moderne Galerie“, in : Neue Freie Presse, 10. 4. 1903, S. 5

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Kap. III 1903–1938

Im Großen und Ganzen freilich macht die Samm­ lung noch stark den Eindruck eines Provisoriums. Die Bilder wirken in diesen Räumen, die sie mit dem Prunk vergangener Zeiten anstarren, doch recht fremd. Ist das vielleicht nicht ohne feinere Absicht so eingerichtet worden ? Soll die Sehnsucht nach einem künstlerisch würdigen Definitivum durch dieses im Großen und Ganzen recht unhar­ monische Provisorium wachgehalten und an­ gefacht werden ? Dieses Mittel wäre vielleicht gar nicht so übel. Denn jedem Besucher wird sich gegenwärtig rasch das Bedürfnis aufdrängen, die Bilder baldmöglichst anderswo unterzubringen.

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Katalog der Modernen Galerie in Wien, 1903, Bibliothek des Belvedere, Wien

—— Schreiben von Dr. Friedrich Gatscha, Professor am Landes-Realgymnasium in Stockerau, AdB, Zl. 398/1921

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Kap. III 1903–1938

Ich erhebe Beschwerde darüber, dass der Besucher der Staatsgalerie, welcher die vom Eintrittsgeld freien Tage benützt, weil er nicht zu den land­ fremden Schiebern gehört, und sparen muss, gezwungen ist, für den Katalog die exorbitante Summe von 50 Kronen zu bezahlen. Ohne Katalog ist der Besuch der Sammlung ganz unmöglich, weil die Bilder bloss mit Ziffern bezeichnet sind. […] Vor mir liegt die Nummer vom Juni 1913 der „Mitteilungen der Staatsgalerie“. Diese kostete damals 1 Krone und enthielt bedeutend bessere Reproduktionen. Ich weiss ganz gut, dass seit dieser Zeit die Druck- und Papierkosten gewaltig gestiegen sind, dass sie aber das 50fache der Kosten im Jahre 1917 betragen, scheint mir doch etwas unwahrscheinlich. Jedenfalls ist mein Einkommen nicht in diesem Masse gestiegen und ich empfinde es, wie gesagt, sehr hart, dass ich mein Bildungsbedürfnis, dessen Befriedigung ja auch meinen Schülern zugute kommt, mit einer drückenden Abgabe bezahlen soll.

Er [sei] außer Stande […] das lange Alleinsein in den Galerieräumen auf die Dauer zu ertragen, zumal ihm das Gefühl der Einsamkeit auch die Nachtruhe benimmt. —— Schreiben von Karl Cehak betreffend Aushilfsdiener Rudolf Reich, AdB, Gebäude-Inspektion der k. k. technischen Hochschule Wien, Zl. 48/1904

Am Samstagvormittag besuchte meine Tochter Gertrud die moderne Galerie. Als sie im Klinger-Saal an einem dort befindlichen Gasofen vorüberging, geriet ihr Kleid in Brand. Der herbeieilende Diener teilte dann mit, dass an demselben Ofen schon im vorigen Jahre dasselbe am Kleide einer Dame passiert sei. —— Brief von Dr. Anton Reitler an die Verwaltung der Modernen Galerie, 2. 1. 1905, AdB, Gebäude-Inspektion der k. k. technischen Hochschule Wien, Zl. 73/1905

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Kap. III 1903–1938 Moderne Galerie im Unteren Belvedere mit Max Klingers Christus im Olymp, 1903

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Siegreiche Venus (Venus Victrix) von Pierre-Auguste Renoir (1915/16) im Kammergarten des Unteren Belvedere, 1929

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Ein Kuss für die Moderne Galerie Stefan Lehner

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ndlich ist die kaum glaubliche Tatsache, dass Österreichs ‚Moderne Galerie‘ von Österreichs größtem Meister kein repräsentatives Werk bis jetzt besessen, aus der Welt geschaffen. Dem Ministerium Marchet blieb es vorbehalten, die ‚Klimt-Angst‘, die seit Jahren in gewissen wohldenkenden bureaukratischen Kreisen herrschte, überwunden zu haben.“ 1 Mit diesen Zeilen kündigte Berta Zuckerkandl in der Wiener Allgemeinen Zeitung vom 4. August 1908 den Ankauf von Gustav Klimts Gemälde L ­ iebespaar für die 1903 gegründete Moderne Galerie an. Dort, wo heute Konzerthaus und Akademietheater stehen, ließ im Jahr 1908 die sogenannte Klimt-Gruppe, angeführt von Gustav Klimt, Josef Hoffmann, Koloman Moser und Carl Moll, ein temporäres Ausstellungsgebäude für die Kunstschau errichten. Der von Josef Hoffmann geplante Ausstellungspavillon wurde von 180 Künstler*innen bespielt. Raum 22, von Koloman Moser konzipiert, war allein dem Werk Gustav Klimts gewidmet. In ihm waren 16 Gemälde des Künstlers ausgestellt, darunter das goldene Porträt Adele Bloch-Bauer I von 1907, Drei Alter, Danaë, Wasserschlangen und einige Landschaften. An prominenter Stelle, gegenüber dem Entree zur „Klimt-Kirche der neuen Kunst“ 2, wurde auch zum ersten Mal das heute ikonische Gemälde Liebespaar gezeigt (Abb. 1). Bereits zehn Tage nach der Eröffnung der Ausstellung am 10. Juni 1908 beschloss das Komitee der Modernen Galerie Wien den Ankauf des Gemäldes. Im selben Monat sprach sich auch die Kunstkommission der deutschen Sektion der Modernen Galerie in Prag für eine Erwerbung aus.

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Abb. 1 Raum 22 (Klimt-Saal) in der Kunstschau Wien, 1908, in  : Die Kunst, Bd. 18, 1908, S. 523, Bibliothek des Belvedere, Wien

Norbert Wien, der Sekretär der Kunstschau, drängte im Juli das Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien zu einer Entscheidung. 3 Nach erfolgtem Beschluss wurde das Werk um 25 000 Kronen, zahlbar in zwei Raten zu je 12 500 Kronen, angekauft. 4 Wie außergewöhnlich hoch der Preis war, belegt der Vergleich mit dem Kaufpreis für das ebenfalls aus der Kunstschau erworbene Werk des arrivierten Künstlers Carl Moll, Interieur im Winterpalais des Prinzen Eugen von Savoyen in der Himmelpfortgasse, in Höhe von fünftausend Kronen. Am 16. Juli 1908 wandte sich Klimt in einem Brief an das Ministerium : „Auf die Anfrage des Herrn Sectionsrathes Förster erlaube ich mir zu erwidern, dass ich selbstverständlich, daß [sic] nicht ganz fertige Bild ‚Liebespaar‘ nach Schluss der Ausstellung sofort vollenden und selbst an das k. k. Ministerium abliefern werde.“ 5 Ein zusätzlicher Vermerk weist ebenfalls auf den nicht vollendeten Zustand des Bildes hin : „pro domo : die untere linke Ecke des Gemäldes von Klimt ist noch nicht ganz fertiggestellt“ (Abb. 2–3). Erst am 22. Juli 1909 übernahm das Museum das Gemälde mit der Inventarnummer 912 in den Sammlungsbestand (Abb. 4). Noch im selben Jahr wurde das Bild im Unteren Belvedere ausgestellt. In einem vermutlich im Herbst 1909 erschienenen Nachtrag zum Katalog der Modernen Galerie in Wien scheint das Bild mit der Katalognummer 322 in Raum II auf – bereits unter dem Namen, unter dem das Gemälde heute auf der ganzen Welt bekannt ist – Der Kuss.

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1 Berta Zuckerkandl, „­Ankauf von Klimt-Werken durch Staat und Stadt“, in : Wiener Allgemeine Zeitung, 4. 8. 1908, S.  3. 2 „Kunstschau 1908 in Wien“, in : Wiener ­Allgemeine Zeitung, 9. 6. 1908, S.  2. 3 ÖStA/AVA, FHKA, Zl. 32554/1908. 4 25 000 Kronen im Jahr 1908 entsprechen heute einer Kauf‌kraft von 173 749,75 Euro ; siehe https://www. eurologisch.at/­ docroot/waehrungs rechner/# (zuletzt ­besucht 14. 11. 2022). 5 ÖStA/AVA, FHKA, Zl. 32554/1908.

Abb. 2 Das Liebespaar von Gustav Klimt, aufgenommen im Raum 22 der Kunstschau Wien, 1908 (Detail), Foto  : Moriz Nähr, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv Abb. 3 Gustav Klimt, Der Kuss (Liebespaar), 1908/09, Belvedere, Wien

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Abb. 4 Bestätigung des Empfangs von 14 Gemälden für die Moderne Galerie, darunter auch Gustav Klimts Liebespaar, 22. 7. 1909, Archiv des Belvedere, Wien

Kap. III 1903–1938 Moderne Galerie in der Orangerie des Belvedere mit Egon Schieles Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele im Hintergrund, nach 1931

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Kap. III 1903–1938 Klimt-Saal, Moderne Galerie in der Orangerie des Belvedere, 1929

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Galerie des 19. Jahrhunderts im Oberen Belvedere, 1925

—— Ernst Buschbeck, „Das neue Belvedere. Zur Eröffnung der Galerie des neunzehnten Jahrhunderts“, in : Neues Wiener Abendblatt, 15. 10. 1924, S. 4

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Wien hat – endlich – seine Galerie neuerer Meister. Spät, erst als ein Kind der Sezessionsbewegung in den neunziger Jahren gegründet, dann durch den Zwang der Ereignisse mit einer Reihe von älteren Werken bis zur Gotik zurück belastet, bloß deshalb, weil sie österreichisch waren, in ewigem Proviso­ rium in die unzureichenden Räume des unteren Belvederes gepreßt, endlich seit Jahren durch die notwendigen baulichen Umgestaltungen ganz der Öffentlichkeit entzogen, hat sie bisher ein Aschen­ brödeldasein unter den Wiener Kunstschätzen geführt. Nun ersteht sie neu in einem glänzenden, ihrer würdigen Rahmen, in dem schönsten, den Wien zu vergeben, hat ; und die Älteren der leben­ den Generation, für die der Begriff des Belvederes mit dem auserlesenen Kunstgenusses immer noch verknüpft ist, finden diesen Ort lieber Erinnerun­ gen wiederum in den Dienst der Kunst gestellt.

Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief. […] Daher ich nun auf diesem Weg anfrage ob es Ihnen Recht ist wenn ich morgen Donnerstag, oder Übermorgen Freitag gegen 12 Uhr Vor­ mittags ein wenig zu Ihnen komme. Wir sprechen dann über Ihre herrliche Tat. Ich war gestern im Barock Museum und kann Ihnen meine Begeisterung gar nicht ausdrücken. —— Brief von Berta Zuckerkandl an Direktor Franz Martin Haberditzl, 23. 5. 1923, AdB, Zl. 335/1923

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Kap. III 1903–1938 Grüner Saal des Barockmuseums im Unteren Belvedere, 1923

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Kap. III 1903–1938 Gelber Saal des Barockmuseums im Unteren Belvedere, 1934

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MATTHEW RAMPLEY —— Museen moderner Kunst im späten Habsburgerreich

1 Rampley 2021, S. 31  f. 2 Franz Servaes, „Die ­Moderne Galerie“, in  : Neue Freie Presse, 16. 4. 1903, S. 1. 3 M. Sch-a, „Die moderne Galerie“, in  : Illustrirtes Wiener Extrablatt, 5. 5. 1903, S. 8  ; Anon. 1904.

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Die offizielle Eröffnung der Modernen Galerie am 7. Mai 1903 war die Krönung einer Kampagne führender Persönlichkeiten der Wiener Kunstwelt zur Schaffung eines Schauraums für neuere und zeitgenössische österreichische Kunst. Um die Bedeutung dieses Ereignisses ermessen zu können, müssen wir allerdings einen Blick auf das Kunstgeschehen auch andernorts in Österreich-Ungarn werfen. Denn die Moderne Galerie war eigentlich eine Nachzüglerin. Bereits 1879 war in Krakau ein Nationalmuseum gegründet worden. Es trug zwar nicht den Begriff „modern“ im Titel, hatte aber eine ähnliche Agenda wie sein Wiener Gegenstück : neuere und zeitgenössische polnische Kunst zu präsentieren und die Leistungen der polnischen Nation zu belegen.1 Die Moderne Galerie des Königreichs Böhmen in Prag hatte 1902 ihre Pforten geöffnet, und in Zagreb entstand 1905 eine Galerie für moderne Kunst. Die Moderne Galerie in Wien war also Teil einer allgemeineren Entwicklung. Was aber war eine Galerie für moderne Kunst ? Die Antwort ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Es bestand nämlich ein grundlegender Konflikt zwischen der sich ständig wandelnden Landschaft zeitgenössischer Kunst und der Idee einer Institution, die eine permanente Sammlung „moderner“ Kunstwerke für die Nachwelt schaffen sollte. Deren Unterbringung in einem Barockschloss schien ebenfalls im Widerspruch zur Idee einer „modernen“ Galerie zu stehen, eine Ambiguität, die ähnlich auch ihr Prager Pendant betraf, das ursprünglich im Rudolfinum untergebracht war, einem Neorenaissance-Gebäude, das die historischen Sammlungen der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde beherbergte (Abb. 1). Zeitgenössische Kommentator*innen nahmen diese Diskrepanz ins Visier. „So haben wir denn endlich eine moderne Galerie ! Haben wir sie ? Der Jubel ist wohl doch noch zu früh“, schrieb Franz Servaes, der Kunstkritiker der Neuen Freien Presse, im April 1903.2 Die Räume im Belvedere, so hieß es, seien ungeeignet, die Belichtung lasse zu wünschen übrig, der üppige Barockschmuck stelle die Kunstwerke in den Schatten (Abb. 2). Wie zur Bestätigung solcher Kommentare war ein erheblicher Teil des Vorworts zum offiziellen Katalog eher dem Gebäude und seiner Innenausstattung als den ausgestellten Kunstwerken gewidmet.3 Auch die Inhalte der Sammlung boten Angriffspunkte für Kritik. Denn die Galerie zeigte zum Beispiel Werke von Ferdinand Georg Waldmüller, Friedrich von Amerling und Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld, alle aus den 1830er-Jahren. Neuere Künstler*innen waren uneinheitlich vertreten. Zwar ließen sich Lücken mit entsprechenden Geldmitteln nach und nach schließen, aber die Sammlung dehnte die Bedeutung des Begriffs „modern“. Er schien lediglich zur Bezeichnung der letzten einhundert Jahre zu dienen und nicht auf ein bestimmtes ästhetisches Programm zu verweisen. Zeitgenoss*innen kritisierten

die Verwirrung, die dadurch hervorgerufen werden konnte. Der Musikwissenschaftler Otto Deutsch klagte über die Schwierigkeit, die moderne Kunst klar abzugrenzen : „[D]er Begriff des Modernen [verschiebt sich] mehr noch für die alte als für die zeitgenössische Kunst […]. Mit jedem Jahre, mit jedem Tage. In jedem Sinn ist ‚das Moderne‘ beweglich und trügerisch. Nicht nur was heute gefällt, sondern auch was heute entsteht, kann morgen unmodern, veraltet, mißfällig sein. Die modernen Galerien sind deshalb auch schon durch sich selbst widerlegt worden.“ 4 Die Moderne Galerie in Prag wies nicht ganz dieselben Mängel auf ; ihre Sammlungen verfügten über einen größeren Anteil an Werken lebender oder erst kürzlich verstorbener Künstler*innen. Dennoch war sie mit ähnlichen Fragen bezüglich der Definition „moderner“ Kunst kon­frontiert und welche Werke als signifikante Beispiele dafür gelten könnten. Es kam zu unversöhnlichen Auseinandersetzungen, weil die gesammelten Werke angeblich nicht die beste Gegenwartskunst repräsentierten und also nicht „modern“ waren. Sie seien provinziell und veraltet, bemängelten zahlreiche Kritiker*innen, eine Klage, die bis zur Schließung der Galerie im Jahr 1942 anhielt.5 1927 meinte etwa Vincenc Kramář (Abb. 3), ein Freund Picassos und Henri Kahnweilers und bedeutender Sammler kubistischer Kunst sowie Leiter der Galerie der patriotischen Kunstfreunde in Prag, die einzige Lösung für die Moderne Galerie sei ihre Integration in eine größere nationale Kunstgalerie unter seiner Führung.6 Ein konkreter Kritikpunkt war die Weigerung der Galerie im Jahr 1920, eine Werkgruppe des kürzlich verstorbenen viel bewunderten kubistischen Malers Bohumil Kubišta anzukaufen (Abb. 4).7 Das Problem war, dass die Moderne Galerie nicht die dynamischste zeitgenössische Kunst sammelte, sondern die Kunst des späten 19. Jahrhunderts als Maßstab heranzog, was angesichts der rasanten Entwicklung des Kunstschaffens bereits ein Jahrzehnt nach ihrer Gründung problematisch war. Solche Auseinandersetzungen belegen, dass die Auf‌fassung von „moderner Kunst“ trotz der Geläufigkeit des Begriffs „modern“ im damaligen Kunstdiskurs eine fließende und oft widersprüchliche war. Es war wohl erst mit der Gründung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York 1929, dass sich ein kanonisches Bild der künstlerischen Moderne entwickelte und institutionalisierte Gestalt annahm.8 Abgesehen von diesem Definitionsproblem illustrierten die Galerien moderner Kunst auch die Verwicklung der Kunstinstitutionen in die widerstreitenden Identitätsvorstellungen im späten Habsburgerreich. „Österreich“ bestand aus einem Konglomerat von Ländern, das vom polnischen Galizien im Osten über Böhmen im Westen bis nach Dalmatien und Bosnien-Herzegowina im Süden reichte. Doch dass die Moderne Galerie in Wien mehr bieten würde als Kunst aus den deutschsprachigen Kernländern, blieb lediglich ein Lippenbekenntnis. Wer Ausschau nach

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4 Otto Erich Deutsch, „Die unmoderne ­G alerie“, in  : Die Zeit, 23. 1. 1909, S. 1. 5 Vgl. z. B. Matějček 1913  ; Čapek 1986. 6 Kramář 1927. 7 Vlnas 1994. 8 Vgl. Porter/Zalman 2020.

9 Josef Svatopluk Machar/F. X. Šalda et al., „Manifest české moderny“, in  : Roz­ hledy, 25. 10. 1895, S. 1. 10 Anon., „Moderní galerie království českého“, in  : Národní Listy, 26. 8. 1902, S. 1. 11 Vlnas 1994. 12 Richard Muther, „Die Prager moderne Galerie“, in  : Die Zeit, 22. 6. 1905, S. 2. 13 Anon. 1907, o. S.

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Werken tschechischer oder polnischer Künstler*innen hielt, bekam kaum mehr als eine Handvoll davon zu Gesicht. Diese Abwesenheit entlarvte die Vorurteile der Wiener Eliten, für die die deutschösterreichische Kultur die Reichsnorm darstellte. Das stand im Widerspruch zum kosmopolitischen Charakter eines großen Teils des künstlerischen Schaffens. In den Ausstellungen der Wiener Secession waren häufig auch Arbeiten von Mitgliedern des Verbands polnischer Künstler „Sztuka“ aus Krakau oder der Künstlervereinigung Mánes aus Prag zu sehen, und der Gründungsakt der Moderne in Prag war das 1895 veröffentlichte „Manifest české moderny“, das den Kulturnationalismus ablehnte.9 Die offizielle Indifferenz Wiens gegenüber dem Kunstleben in anderen Reichsteilen trug zweifellos zur Gründung moderner Nationalgalerien außerhalb der österreichischen Kernländer bei. Das Nationalmuseum in Krakau war genauso wie die Moderne Galerie in Prag ein Beispiel dafür. Letztere wurde von der tschechischen Presse als Kompensation eines historischen Ungleichgewichts und Förderung für „unsere Nationalkultur“ bejubelt.10 Tatsächlich war ihre Gründung eine politisch notwendige Konzession an nationalistische Politiker. Die kaiserliche Verwaltung gab den Anstoß dazu, um die Unterstützung der nationalistischen Partei der Jungtschechen für das Gesetzgebungsprogramm im Parlament zu gewinnen. Obwohl die Moderne Galerie getrennte deutsche und tschechische Abteilungen besaß, war Karel Kramář, der Anführer der Jungtschechen, die dominante Kraft während des Großteils ihres Bestehens.11 Dieser Fokus auf nationale Interessen stieß auch auf Kritik. Der Wiener Kunsthistoriker Richard Muther stellte fest, dass sich die Moderne Galerie im Gegensatz zur tschechischen Kunstwelt nicht mit der internationalen zeitgenössischen Kunst auseinandersetze und ihre Sammlungen provinziell und mittelmäßig seien.12 Muthers Kritik war zwar hart, aber nicht ganz unzutreffend, besonders wenn man bedenkt, dass selbst in Prag die mangelnde Bereitschaft, sich der avanciertesten modernen Kunst anzunehmen, beklagt wurde. So wurde im ersten Katalog 1907 verkündet, der Schwerpunkt liege auf der Entwicklung der „lokalen Kunst“ und die Museumspolitik bestehe darin, nur Kunstwerke zu sammeln, die für Böhmen relevant seien.13 Für Künstler*innen, deren Blicke nach Paris, Berlin und München gerichtet waren, ein Unding. Die modernen Galerien im Habsburgerreich wurden also von mitunter widersprüchlichen Zielen geleitet und hatten häufig keinen Bezug zum zeitgenössischen Kunstgeschehen. Denn während die Moderne international war und ihre Künstler*innen problemlos die Länder wechselten und Ideen über Grenzen hinweg austauschten, wurden die Galerien moderner Kunst als Instrumente nationaler Selbstlegitimation eingesetzt. Auch wenn die betreffenden Institutionen heute nicht mehr existieren oder bis zur Unkenntlichkeit transformiert wurden, lebt dieses Merkmal

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Museen moderner Kunst im späten ­H absburgerreich

in mancher Hinsicht weiter fort. Das Belvedere und das Bild von „Wien um 1900“ (→ S. 293,  21  ) spielen immer noch eine bedeutende Rolle für die Außenwahrnehmung Österreichs, und die lebendige Moderne beispielsweise Polens, Kroatiens und der Tschechischen Republik bildet immer noch einen wichtigen Bezugspunkt für die Selbstdarstellung der betreffenden Länder.

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Abb.  1 Moderne Galerie im von Josef Zítek und Josef Schulz erbauten Rudolfinum in Prag, 1884

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Das k. k. Wandermuseum Christian Huemer

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n den Jahren um 1900 diskutierte der Kunstrat des k. k. Minis­ teriums für Kultus und Unterricht parallel zur Gründung der Modernen Galerie das Projekt eines sogenannten Wandermuseums. Hier wie dort ging es darum, der „Verarmung des Kunstempfindens“ in Bezug auf die Schöpfungen der letzten einhundert Jahre entgegenzuwirken, wobei die Prämisse Gültigkeit hatte, dass die alten Meister für breitere Bevölkerungsschichten leichter zugänglich seien als die Modernen. 1 „Bei der Bildersehnsucht muß man die Bildungsfähigkeit der Menschen packen“, heißt es in der Wiener Zeitung am 25. Oktober 1903 : „Namentlich in Z­ eiten, da bis in das kleinste, friedliche Dorf schon der Schall vom Künstlerstreit des Tages drang. ‚Sezession‘, ‚persönliche Note‘, ‚die Moderne‘, und was dergleichen Schlagworte mehr sind, hört man heute schon in jedem Kaffeehaus und Kränzchen. Was Kunst ist und wie sie ward, darüber freilich weiß man viel weniger zu sagen, da es sich hiebei eben um Begriffe und nicht bloß um Worte handelt.“ 2 Das Wandermuseum war eine Sammlung qualitativ hochwertiger Schwarz-Weiß-Reproduktionen von etwa 220 Werken der Malerei und Plastik vom späten 18. Jahrhundert bis zur damaligen Gegenwart. Die ursprüngliche Auswahl traf Carl Moll (→ S. 189, Abb. 1) , welcher der internationalen Moderne von Joshua Reynolds bis Auguste Rodin weitaus mehr Bedeutung einräumte als den österreichischen Künstler*innen, die nur etwa ein Viertel des Bestandes ausmachten. 3 Verpackt und verschickt in 15 Kisten hatte das Wandermuseum zum Ziel, die moderne Kunst aus der k. k. Haupt- und Residenzstadt hinaus in jene Regionen der Kronländer zu tragen, deren Städte noch keine entsprechenden öffentlichen Sammlungen vorzuweisen hatten. Begleitet wurden die drei bis sechs Wochen dauernden Ausstellungen von mehreren Lichtbildvorträgen, die in den ersten Jahren Moritz Dreger, ­K ustos am k. k. Museum für Kunst und Industrie sowie Verfasser des ­e rsten Katalogs der Modernen Galerie im Belvedere, abhielt. Es handelte sich dabei „nicht um eine trockene kunstgeschichtliche Abhandlung, nicht um Daten und Namen, sondern darum, die Hauptprobleme, welche der Kunst verschiedener Zeit gestellt werden, ihr Verhältnis zum Leben und zur allgemeinen ­E ntwicklung zu erläutern und sie dem Herzen der Zuhörer näher zu bringen. Es soll dadurch auch ein Standpunkt zur Betrachtung des Museums selbst gewonnen werden.“ 4 Von den mehr als zwanzig Städten, die sich beim Ministerium in Wien für eine Beschickung bewarben, seien folgende erwähnt : Außig (Ústí nad Labem, heute CZ, 1901), Teplitz-­ Schönau (Teplice, heute CZ, 1902), Iglau (Jihlava, heute CZ, 1903), Mährisch Ostrau (Ostrava, heute CZ, 1903), Mährisch

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Schönberg (Šumperk, heute CZ, 1903), Zwittau (Svitavy, heute CZ, 1903), Salzburg (1904), Innsbruck (1904), Budweis (České Budějovice, heute CZ, 1906), Villach (1909), Pola (Pula, heute HR, 1907) und Triest (heute IT, 1907). Es waren ­m indestens 120 Laufmeter gut beleuchteter Wandfläche ­n ot­w endig, der Ausstellungsraum sollte nicht mit dem Vortragssaal identisch sein. Für die mährischen Städte, die während der F­ rühlingsmonate 1903 bespielt wurden, sind mehr als 14 000 Besucher*innen ­ü berliefert. Nach seiner Bestellung zum Direktor der Modernen Galerie im Belvedere übernahm Friedrich Dörn­h öffer (→ S. 201, Abb. 3) 1910 auch die Verantwortung für die Verwaltung des ­Wandermuseums.

1 AdB, Zl. 46/1909. Siehe auch van Heerde 1993, S.  155­−158  ; ­Henrichs 2021, S. 188−191. 2 Julius Leisching, „Das k.  k. Wander­museum“, in : Wiener Zeitung, 25. 10. 1903, S.  3. 3 Siehe das Verzeichnis von 1903 in van Heerde 1993, S. 335−337. 4 AdB, Zl. 46/1909.

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Abb.  2 Moderne Galerie im Unteren Belvedere, 1903, Foto : J. Löwy Kunst- und Verlagsanstalt Wien, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Abb.  3 Vincenc Kramář in seinem Arbeitszimmer mit Werken aus seiner privaten Kunstsammlung im Hintergrund, 1932 Abb.  4 Bohumil Kubišta, Die Meditation, 1915, National Gallery Prague

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CHRISTIAN HUEMER —— Ein Schloss als „Asyl“ für die Moderne

1 Vgl. die grundlegenden Arbeiten zum Thema  : Henrichs 2021  ; Sauer 2008  ; Mlnarik 1996. 2 Dvořák 1915, S. 2  f. 3 Tietze 1925, S. 22. 4 Vgl. van Heerde 1993  ; Gottsmann 2017. 5 Eitelberger 1879, S. 198.

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Die Gründung der Modernen Galerie in Wien im Jahr 1903 verdankt sich zu einem wesentlichen Teil dem Gefühl eines Mangels – gerade im Wettstreit mit anderen europäischen Metropolen.1 Der Kunsthistoriker Max Dvořák wies damals darauf hin, dass, „erst als der nationale Gedanke für alle öffentlichen Institutionen immer mehr an Bedeutung gewann“, ein Unrechtsbewusstsein dafür entstehen konnte, Werken „alter und fremder Meister“ ganz selbstverständlich „eine dauernde Heimat“ in prunkvollen Palästen zu gewähren, während „die Schöpfungen der Künstler, die das neue nationale Leben in der Kunst verkörperten, unterstandslos waren und nicht wie die alten Denkmäler in öffentlichen Sammlungen für die Gegenwart und Zukunft vereinigt wurden“.2 In Paris gab es neben dem Louvre seit 1818 das Musée du Luxembourg als Heimstätte für das Schaffen lebender Künstler*innen, im deutschsprachigen Raum ließ sich vor allem auf die Nationalgalerie in Berlin, die Neue Pinakothek in München oder die Hamburger Kunsthalle verweisen. Nachdem die kaiserliche Gemäldegalerie, deren Übersiedlung vom Belvedere ins Kunsthistorische Museum 1891 abgeschlossen war, für ihre alten Meister einen neuen würdigen Rahmen gefunden hatte, ging es nun um „Asyl für die Stief‌kinder des Hofes“, jene Exponenten einer modernen österreichischen Schule, die dort nur unzureichend und unsystematisch repräsentiert waren.3 Initiativen zur Gründung einer staatlichen Galerie für Gegenwartskunst gab es freilich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dies hing zunächst damit zusammen, dass unmittelbar nach der Revolution von 1848 und dem Regierungsantritt von Kaiser Franz Joseph I. Kunstförderung mehr und mehr als Teil der staatlichen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft verstanden wurde.4 Die Etablierung einer Kunstsektion innerhalb des neu geschaffenen Unterrichtsministeriums signalisierte den allmählichen Übergang von dynastischer zu staatlicher Patronanz, in welcher der Aspekt der Volksbildung neue Bedeutung erlangen sollte (→ S. 192–201). 1866 verknüpfe Rudolf Eitelberger, erster Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Wien, seine Forderung nach einer „Geschichtsgalerie moderner Bildwerke“ ausdrücklich mit der staatenbildenden Mission der Kunst, denn ein „Staat wird nicht geschaffen durch die rohe Gewalt, sondern durch innere Überzeugungen der Angehörigen des Staats“.5 Gerade im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, so die Hoffnung, vermochte die soft power Kunst partikularistischen Kräften entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite versprach sich insbesondere die Künstler*innenschaft durch zusätzliche Mittel eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation, umso mehr, als auf den Börsenkrach von 1873 lange Jahre der Rezession folgten. Sie wurde fortan zum treibenden Faktor in einer Angelegenheit, bei der konservative Vertreter*innen der Zunft wie Adalbert Seligmann und progressive wie Theodor Hörmann sich für gemeinsames Lobbying die Hände reichten.

In der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens kam das Thema Moderne Galerie in einer Reihe von Ausschusssitzungen zur Sprache, bevor es am 21. Februar 1894 erstmals aktenmäßig Erwähnung fand.6 Betont wurde stets der politische Wille des jeweiligen Unterrichtsministers bei gleichzeitigem Fehlen der notwendigen finanziellen und räumlichen Möglichkeiten – weshalb auch eine private Gesellschaft wohlhabender Kunstfreunde als Trägerin in Betracht gezogen wurde. Konkrete Formen nahm das Projekt jedoch erst mit der Gründung der Wiener Secession an, vor allem durch den „unermüdlichen Anbahner und Durchsetzer“ Carl Moll (Abb. 1).7 Im Kunstrat des Unterrichtsministeriums brachte der Maler gemeinsam mit Johann Freiherr von Chlumetzky am 12. Mai 1900 einen Antrag ein, der durch die positive Stellungnahme von Minister Wilhelm Ritter von Hartel zur Frage Moderne Galerie und die Berufung eines Subkomitees zur Prüfung ihrer Realisierung erstmals Fakten schuf. Es folgte eine handschriftliche Unterstützungserklärung von Kaiser Franz Joseph I., in welcher dieser die Gründung von Pflegestätten für die Künste zu seinen schönsten Regentenpflichten zählt.8 Was die neue Institution – die der Gegenwart und der Zukunft, nicht der Vergangenheit gehöre  – leisten sollte, wurde im publizistischen Organ der Secession, Ver Sacrum, vielleicht am eindringlichsten dargelegt : „Das Publicum sollte fortan nicht mehr wie jetzt hilflos, nach Schlagworten haschend, den Schöpfungen, die der Zufall der vorübergehenden Kunstausstellungen ihm vor die Augen führte, gegenüberstehen, es sollte befähigt werden, eines der denkwürdigsten culturellen Entwicklungsphänomene der Gegenwart mit offenen, sehenden Augen mitzugeniessen, statt darüber, vielleicht erst lange nachher, durch kunstgeschichtliche Schriften unterrichtet zu werden.“ 9 Um eine nachvollziehbare und konzise Darstellung der jüngsten Entwicklungen realisieren zu können, wäre es wichtig, nicht eine „Beispielsammlung zu einem österreichischen Künstlerlexikon“ anzulegen, sondern nur Werke zu erwerben, die „in unauslöschlicher Weise die Spur ihres Geistes der Gesammtentwicklung eingeprägt haben“.10 Dass sich der hehre Anspruch, das Kunstwollen der Zeit abzubilden, nicht unmittelbar würde einlösen lassen, war dem Autor dieser programmatischen Zeilen wohl bewusst, zumal er auf den experimentellen Charakter des Unterfangens verweist : Die Chance bestünde darin, dass der „Typus“ Moderne Galerie bislang nirgendwo vollgültig realisiert worden sei. Was herauskam, war zunächst kaum mehr als eine Verlegenheitslösung. Die Werke in staatlichem Besitz sollten möglichst rasch provisorisch im Unteren Belvedere zur Aufstellung gelangen. Denn die Präsentation des Vorhandenen galt als unumgängliche Pflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Plötzlich drängte die Zeit, wollte man doch unbedingt der Eröffnung einer Modernen Galerie in Prag (→ S. 174, Abb. 1) zuvorkom-

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6 Mlnarik 1996, S. 38. 7 Ausst.-Kat. Wien 1921, S. 9. 8 Van Heerde 1993, S. 182. 9 Alfred Roller, Präsident der Secession, an Unterrichtsminister Wilhelm Ritter von Hartel, in  : Ver Sacrum, Heft 20, 1901, S. 342. 10 Ebd., S. 343.

11 Anon., „Moderne ­G alerie und Städtisches Museum“, in  : Neue Freie Presse, 10. 1. 1902, S. 6. 12 Slg.-Kat. Wien 1903, S. VIIIf. 13 Ludwig Hevesi, „Die Moderne Galerie in Wien“, in  : Kunstchronik. Wochenschrift für Kunst und Kunst­ gewerbe, 14. Jg., Nr. 29, 1903, S. 458.

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men  – für welche der Kaiser zwei Millionen Kronen aus seiner Privatschatulle bereitstellte. Um den Staatshaushalt zu schonen, suchte das vom Ministerium eingesetzte Komitee eine Kooperation mit der Stadt Wien und dem Land Niederösterreich. Die Vereinbarung sah vor, dass der Staat Neuerwerbungen von mindestens sechzigtausend Kronen jährlich, sämtliche Personalkosten sowie die Hälfte der Betriebskosten finanziere ; Niederösterreich oblag es, sich mit mindestens zwanzigtausend Kronen an der Erweiterung der Sammlung zu beteiligen, und Wien sollte die andere Hälfte der Betriebskosten berappen, dreißigtausend Kronen für die Sammlung einzahlen sowie die Räumlichkeiten inklusive Ausstattung zur Verfügung stellen.11 Diese Konstellation erwies sich jedoch zunehmend als kompliziert. Der am 13. Juli 1900 beschlossene Neubau des Stadtmuseums am Karlsplatz, für welchen Otto Wagner einen Architekturwettbewerb gewonnen hatte, erwies sich nach endlosen Verhandlungen und zahlreichen Abänderungen unrealisierbar (Abb. 2). Für die Moderne Galerie, die dort hätte einziehen sollen, blieb die Standortfrage dadurch auf Jahre hinaus ungelöst und das ganze Projekt ein Provisorium. Die Übergabe an die Öffentlichkeit erfolgte Schritt für Schritt, weshalb sich die Forschung uneins ist, ob der 7. Mai 1903 wirklich ein offizielles Eröffnungsdatum darstellt. Offenbar gab es keine spektakulären Feierlichkeiten, vielmehr könnte von einem soft opening gesprochen werden. Die Besucher*innen betraten die Ausstellung von der Gartenseite her, die Säle rechts vom Vestibül waren den ausländischen Künstler*innen gewidmet, jene im westlichen Flügel zum Kammergarten hin den Österreicher*innen – wobei man dort tendenziell vom Neueren zum Älteren schritt. Knapp zweihundert Werke – Ölgemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Holzschnitte, Plastiken von der Romantik bis zur Gegenwart – umfasste die Ausstellung (→ S. 152). Die vielen Arbeiten kleineren Formats von unter anderen Ferdinand Georg Waldmüller, Rudolf von Alt und August von Pettenkofen trieben die Zahl nach oben. Der Räumlichkeiten wegen musste „auf ein strenges System der Anordnung“ verzichtet werden, oft ließ sich die Hängekommission von der „künstlerischen Stimmung“ gewisser Räume leiten.12 So wurde das Goldkabinett mit zehn farbstarken Gemälden von Hans Makart ausgestattet, darunter Die fünf Sinne – kulissenartig in zwei Reihen aufgestellt – oder das Deckenbild Die vier Weltteile unter dem Plafond schwebend. Dieses theatralische „Makartboudoir“ oder „Makartatelier“ wurde von der Kritik durchaus positiv aufgenommen, denn die Objekte waren laut Ludwig Hevesi „gar nicht stimmungsechter“ aufzustellen.13 Max Klingers Monumentalgemälde Christus im Olymp (→ S. 157) fand im Marmorsaal Platz, sein Pendant Das Urteil des Paris im ehemaligen Paradeschlafzimmer des Prinzen Eugen (Abb. 3). In anderen Räumen ließ der Ausstellungsarchitekt Max Fabiani Wände aufstellen, damit kleinere Werke gehängt werden konnten, ohne

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die teilweise prachtvoll stuckierten und freskierten Wände – wie ursprünglich geplant – bespannen zu müssen. Hevesi fand die Hängung „durchaus glücklich. Man hat durch Scherwände Kabinette hergestellt, deren jedes ungefähr gleichartige Werke enthält ; lauter helle oder lauter dunkle, hier flimmerige, dort wuchtige ; jeder Abteil soll nach Möglichkeit seine eigene Stimmung haben.“ 14 Ein Anfang war gemacht, immerhin, selbst wenn der Eindruck des Zufälligen nicht aus der Welt geräumt werden konnte. Manche Kritiker*innen gaben der Hoffnung Ausdruck, dass das Provisorische der Aufstellung, das Unvollendete und Unabgeschlossene, die Dringlichkeit eines Neubaus und die Notwendigkeit breiterer Förderung augenfällig machen würde. Der Grundbestand der Ersteinrichtung der Modernen Galerie war letztlich ein bunt zusammengewürfeltes Sammelsurium aus staatlichem Besitz, bereichert um Eigentum des Landes Niederösterreich und der Stadt Wien. Überdies waren Schenkungen von wohlwollenden Mäzen*innen von Bedeutung, wie jene von Fürst Johann von und zu Liechtenstein, Graf Karl von Lanckoroński-Brzezie oder dem Triester Architekten Alexander Hummel – Spender von Klingers Das Urteil des Paris. Die Secession drückte der Modernen Galerie durch den Erwerb von wichtigen Beispielen der internationalen Moderne ihren Stempel auf, sahen doch die Statuten der Vereinigung vor, den Reingewinn von Ausstellungen (nach Abzug eines Drittels für den Reservefonds) für Schenkungen zu verwenden. So kam es, dass zu diesem Zwecke bereits vor der Eröffnung der Modernen Galerie Gemälde wie Die bösen Mütter von Giovanni Segantini, Frühjahr von Akseli Gallén-Kallela oder Die Ebene von Auvers von Vincent van Gogh (Abb. 4) über Ausstellungen der Secession akquiriert werden konnten. Derartige „Kristallisationspunkte“ der internationalen Moderne sollten die Folie für das heimische Kunstschaffen bilden, weshalb umso mehr erstaunt, dass diese in der Erstaufstellung räumlich eher voneinander separiert denn in einen befruchtenden Dialog gesetzt wurden.15 Das Presseecho zur von der modernen Raumkunst der Secession weit entfernten Ausstellungsgestaltung fiel durchwachsen aus.16 Denn so schön die barocken Räume des Schlosses an sich waren, so wenig entsprachen sie dem zeitgenössischen Ideal eines Ausstellungsraums. Franz Servaes kritisierte in der Neuen Freien Presse auch die Beleuchtungssituation, „da die Fenster in tiefen Nischen stehen und die zerrissene keilförmige Lichtzufuhr mancherlei Unzuträglichkeiten mit sich führt. Einige Wandtheile liegen fast völlig im Dunkel, andere empfangen ein unverhältnismäßig grelles Licht, so daß manche Bilder ‚spiegeln‘.“ 17 Außerdem sollte dem Wunsch nach einer logischen Geschichtsordnung entsprochen werden, wie dies exemplarisch für die Moderne in einer nur wenige Wochen davor zu Ende gegangenen Ausstellung der Wiener Secession vor­

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14 Ebd., S. 460. 15 Im Anhang zeigt eine Visualisierung den ­r asanten Sammlungszuwachs in den Jahren vor der Eröffnung der Modernen Galerie (→ S. 374). 16 Forsthuber 1991. 17 Franz Servaes, „Die ­Moderne Galerie“, in  : Neue Freie Presse, 16. 4. 1903, S. 1.

18 Franz Servaes, „Secession“, in  : Neue Freie Presse, 22. 1. 1903, S. 1. 19 Hevesi 1903. 20 Adalbert Seligmann, „Die Moderne Ga­ lerie“, in  : Neue Freie Presse, 6. 3. 1907, S. 2. 21 Carl Moll (als Karl Moll), „Die Oesterreichische Galerie“, in  : Neue Freie Presse, 8. 7. 1929, S. 2. 22 Anon., „Verkauf eines Füger-Bildes ins Ausland“, in  : Neue Freie Presse, 30. 4. 1906, S. 10.

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geführt worden war. Von 16 000 Besucher*innen frequentiert und in „rund hundert Artikeln […] im In- und Ausland“ kommentiert, war die Schau Entwicklung des Impressionismus in Malerei und Plastik das eigentliche künstlerische Ereignis des Jahres 1903 (Abb. 5). Mit vielen hochqualitativen internationalen Leihgaben wurde in fünf Kapiteln der Impressionismus erstmals in Europa als ein geschlossenes und sich logisch entfaltendes Phänomen präsentiert. Besondere Aufmerksamkeit widmete die Presse dem offensichtlichen Prozess einer Historisierung der Avantgarde, zumal Vorläufer der Bewegung von Delacroix und Goya über Rubens und Vermeer bis zu Tintoretto und El Greco in die Schau integriert wurden. Servaes konstatierte einen „plötzlichen Wetterumschlag“ : Wollten die jungen Kunstrevolutionäre noch bis vor Kurzem „ursprüngliche Genies sein, die voraussetzungslos eine nur auf Natur gegründete neue Kunst schufen“, zeigten sie sich nun bemüht, „Ahnengalerien“ aufzustellen, um damit einen direkten Zusammenhang mit den bedeutenden Strömungen der Vergangenheit zu proklamieren.18 Auswahl und Anordnung der Werke in der Modernen Galerie, der sogenannten „musealen Secession“, fehlte ein vergleichbares Narrativ, wie übrigens auch der im selben Jahr erschienenen Geschichte der modernen Kunst III. Österreichische Kunst 1848–1900 von Ludwig Hevesi.19 Es dauerte ganze sechs Jahre, bis sich das Unterrichtsministerium 1909 zur Einsetzung eines ersten Direktors der Galerie durchringen konnte. Deren Verwaltung war vor der Berufung von Friedrich Dörnhöffer (→ S. 201, Abb. 3) bei einer „aus den allerunverträglichsten Elementen zusammengesetzten“ Kunstkommission gelegen, die im Laufe der Zeit immer weniger zur Beschlussfindung fähig gewesen war.20 Sie bestand aus Ministerialbeamten sowie aus Vertretern der drei konkurrierenden Wiener Künstlervereinigungen, die beispielsweise sorgsam darauf achteten, bei Ankäufen von ihren Mitgliedern eine Parität zu erzielen. Carl Moll zog sich aus der Kommission schließlich empört zurück mit dem Einwand, hier gelte es allein „Galerieinteressen und nicht Vereinsinteressen zu vertreten“ 21. Neuzugänge der Sammlung waren in diesem Konstrukt immer Kompromisslösungen, die einerseits zwar nirgends Anstoß erregten, andererseits aber auch niemanden völlig befriedigten. Kritik an der unglücklichen Ankaufspolitik mangels fachlicher Kompetenz und aktiven Spürsinns gab es auch in der Neuen Freien Presse.22 Während mit Entscheidungsmacht ausgestattete Direktoren in Deutschland – etwa Hugo von Tschudi in Berlin und München oder Alfred Lichtwark in Hamburg – ihre Museen planmäßig mit Hauptwerken der internationalen Moderne bestückten, gab es in Wien weder ein Organisationsstatut noch ein Sammlungsprogramm. Dies sollte sich mit Friedrich Dörnhöffer, dem bisherigen Kustos der Kupferstichsammlung der Hof‌bibliothek, rasch ändern. Als ausgewie-

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sener Fachmann, der von den unterschiedlichen künstlerischen Lagern respektiert wurde, legte er wenige Monate nach seinem Amtsantritt einen Programmentwurf für die Moderne Galerie vor. In Anbetracht begrenzter Finanzmittel und rapide steigender Preise am internationalen Kunstmarkt hielt er es für ein „aussichtsloses Unternehmen, wollte der Staat eine sich unbegrenzt nach allen Seiten hin ausdehnende Sammeltätigkeit beginnen“ 23. Vielmehr wäre es notwendig, Lücken zu schließen und das Profil des Museums zu schärfen. Bei den Modernen, deren Anfänge er von der Mitte des 19. Jahrhunderts ins späte 18. Jahrhundert verlegte, wäre strikt darauf zu achten, den Charakter einer Qualitätssammlung zu erzielen, indem nur ästhetisch vollwertige Werke von richtunggebender Bedeutung aufgenommen würden. Bei der Kunst aus dem Ausland sollten allein „die größten, die gesamte europäische Kunstentwicklung beeinflussenden Erscheinungen“ Berücksichtigung finden.24 Nachdem eine Kooperation mit dem Land Niederösterreich und der Stadt Wien zu diesem Zeitpunkt endgültig vom Tisch war, schlug Dörnhöffer vor, das Arbeitsgebiet auf alle Epochen der österreichischen Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart auszudehnen, was folgerichtig eine Umbenennung der Modernen Galerie in Österreichische Staatsgalerie nach sich zog. Da die kaiserliche Gemäldegalerie hauptsächlich Werke von Künstler*innen besaß, die mit dem Hof in Beziehung standen, so die Überlegung, fehle in Wien ein repräsentativer Überblick über die Entwicklung der österreichischen Kunst ohne zeitliche Einschränkung. Die Moderne selbst aber „wird erst durch einen solchen historischen Unterbau zur vollen Wirkung gelangen können. Es werden sich erst in dieser Verbindung die inneren Zusammenhänge und die im Wandel der Zeit gleichbleibenden Wesenszüge offenbaren.“ 25 Wie Dörnhöffer, der bereits 1914 die Nachfolge von Hugo von Tschudi als Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München antrat, sich die Moderne Galerie vorgestellt hätte, ist nur indirekt nachvollziehbar. 1911 zeichnete er als Kommissär für den österreichischen Pavillon auf der Internationalen Kunstausstellung in Rom verantwortlich. Wie bei den Wiener Kunstschauen von 1908 und 1909 konzipierte der secessionistische Architekt Josef Hoffmann ein temporäres Ausstellungsgebäude, dem die Idee des Gesamtkunstwerks zugrunde gelegt war. Der äußere Rahmen dieses strengen Zweckbaus sollte nicht in dekorative Konkurrenz zu den Werken treten, sondern vielmehr dazu dienen, deren künstlerische Qualität zu unterstreichen.26 Dörnhöffer konstatierte im Katalogvorwort eine tiefe Wandlung in den Ausstellungskonzepten der letzten Jahre : „Einerseits ist der Gedanke immer siegreicher zur Herrschaft gelangt, daß das Kunstwerk, um alle in ihm niedergelegten Kräfte wirksam werden zu lassen, einer zu ihm gestimmten Umgebung bedarf. Andererseits wurde der Wille lebendig, aus dem bunten Vielerlei

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23 Programm-Entwurf für M. G., Wien, 25. 5. 1910, AdB, Zl. 145/1910. 24 Ebd. 25 Ebd. 26 Miksovsky 2000.

27 Friedrich Dörnhöffer, in  : Ausst.-Kat. Rom 1911, o. S. 28 Inanspruchnahme des Oberen und Unteren Belvedere für die Galerie, 19. 11. 1918, AdB, Zl. 573/1918. 29 Ebd.

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einer Ausstellung ein einheitliches Ganzes zu schaffen, innerhalb dessen das Einzelne, indem es sich der gemeinsamen Harmonie einfügt, in seiner individuellen Wirkung nicht nur erhalten, sondern noch gesteigert wird.“ 27 Der Charakter einer kleinen und erlesenen Sammlung, präsentiert in hellen, lichtdurchfluteten Räumen, dazu Skulpturen im Freien, stieß in der italienischen Presse auf großen Widerhall. Viel Grund zur Bewunderung boten insbesondere Klimts Hauptwerke, die locker und weihevoll in einem apsisartigen Raum mit ovalem Grundriss hingen (Abb. 6). Eine derartige Inszenierung wäre in den barocken Hauptgebäuden des Belvedere schlichtweg unrealisierbar gewesen. Dafür mussten erst neutralere Nebengebäude wie der Gardekomplex oder die Orangerie ins Blickfeld der Überlegungen geraten. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie und der Ausrufung der Republik wurden die Karten neu gemischt. Plötzlich ergaben sich bislang ungeahnte Chancen. Mit Franz Martin Haberditzl (→ S. 201, Abb. 4) war bereits 1915 ein Mann an die Spitze des Museums getreten, der auf‌bauend auf der Idee der Staatsgalerie mit erweitertem Programm das Paradoxon des dauerhaften Provisoriums zu überwinden trachtete. Im Wissen, dass die Verhältnisse einen Neubau immer unwahrscheinlicher werden ließen, suchte er bereits am 19. November 1918, wenige Tage nach Kriegsende, beim Unterrichtsministerium um Überlassung des Oberen Belvedere an.28 Zudem beanspruchte er die architektonisch weniger prominenten Teile des Unteren Belvedere, namentlich den sogenannten Gardekomplex. Diese waren als reine Zweckbauten relativ frei adaptierbar : „So können beispielsweise eine Menge kleiner, intimer Räume geschaffen werden, welche unbedingt notwendig sind, um der ganzen Biedermeierkunst, welche nur für kleine Räume geschaffen ist, zu dienen. Es stehen große Räume, hohe Säle zur Verfügung (Stallgebäude und Reitschulen ohne jeden künstlerischen Dekor) welche praktisch hergerichtet mit seitlichem Oberlicht vorzüglich zur Ausstellung der großen Klingerbilder, des großen Makartbildes und ähnlicher Hauptwerke der Malerei des XIX. Jahrhunderts verwendet werden können. Es lassen sich mäßig große Säle schaffen mit intensiver oberer Belichtung für die Werke des Impressionismus.“ 29 Auch wenn die „zweite“ Moderne Galerie erst Jahre später in der Orangerie (1929, → S. 161–163) eröffnen sollte, war der Abzug aus den barocken Räumlichkeiten des Schlosses ein kluges Manöver. Die Finanzierung des Projekts übernahm der Verein der Museumsfreunde (→ S. 195,  14  ). Neue Möglichkeiten ergaben sich auch aus der Verstaatlichung der kaiserlichen Sammlungen und der Tietze’schen Museumsreform (→ S. 187,  13  ). Die Zusammenführung von österreichischer Kunst aus dem 17. und 18. Jahrhundert erlaubte etwa die Eröffnung eines Barockmuseums im Unteren Belvedere (1923, → S. 202–209), das aufgrund der Kongruenz von Ausgestelltem und Ausstellungsraum allseits gelobt wurde. Die Galerie

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des 19. Jahrhunderts im Oberen Belvedere (1924) wiederum bezog Werke ein, die ehemals Teil der modernen Abteilung der kaiserlichen Gemäldesammlung gewesen waren. Noch unter Kaiser Franz Joseph war ein umfangreiches Konvolut von Leihgaben an die Staatsgalerie übergeben worden – eine Forderung, so alt wie die Idee zur Gründung der Modernen Galerie. In der Zwischenkriegszeit konnte Haberditzl trotz permanenten Geldmangels die Bestände durch sein Netzwerk von Sammler*innen, Mäzen*innen und Kunsthändler*innen substanziell und qualitätvoll erweitern. Beispielsweise erhielt er von Adele Bloch-Bauer die Zusage, alle sechs in ihrem Besitz befindlichen Klimt-Gemälde als Leihgaben (mit Aussicht auf eine spätere Schenkung) zu übernehmen.30 Insgesamt ergab sich durch die Nutzung des gesamten Gebäudeareals erstmals ein völlig stimmiges Konzept für das ab 1921 als Österreichische Galerie firmierende Museum. Bruno Grimschitz (→ S. 255, Abb. 1), langjähriger Mitarbeiter von Haberditzl, erklärte es folgendermaßen : „Überliefert das Barockmuseum in seinen großen, mit pompös gesteigerter Dekoration gestalteten Sälen den aristokratisch-feudalen Lebensstil des 18. Jahrhunderts und unterstreichen die Räume des Oberen Belvedere deutlich die intimen Ausmaße von Leben und Kunst des bürgerlichen Menschen im 19.  Jahrhundert, so wurde in der Modernen Galerie versucht, einen den künstlerischen Schöpfungen der letzten Generation entsprechenden Raumtypus zu schaffen : die sachlich-neutralste Umgebung, ohne Ornament, ohne Stimmung, als einen anonymen Hintergrund im Sinne einer veredelten Ausstellungshalle, die in der Gegenwart den allgemeinen Durchgangsraum des Kunstwerks auf dem Wege vom Künstler zum Besitzer darstellt.“ 31 Der Unterschied zur „ersten“ Modernen Galerie hätte kaum größer sein können. Augenfällig war die puritanische Strenge der Ausstellungsinszenierung, die – abgesehen von der neutralen Hülle – einer stark vereinzelnden Hängung geschuldet war. Bei annähernd gleicher Raumanzahl wurden die Exponate um mehr als ein Viertel reduziert, wobei elf der 31  Skulpturen im Kammergarten zur Aufstellung kamen (→ S. 158 sowie Abb. 7). Viele grafische Arbeiten der Erstaufstellung waren im Rahmen der Museumsneuordnung an die Albertina abgegeben worden. Im Eingangsbereich war der Gobelin Landschaft mit Reihern von Robin Christian Andersen (Abb. 8) zu sehen. Bei der Wandgestaltung entschied man sich für Kalkfarben in harten, klaren Tönen : Weiß, Schwefelgelb, glänzendes Aluminiumgrau, Dunkelblau, Dunkelbraun und Orange. Gummi statt Holz für den Fußbodenbelag unterstrich die Modernität in der Materialwahl. Allein die blank geschliffenen Messingtürrahmen setzten dezente Glanzpunkte. Selbst auf erklärende Wandtexte wurde verzichtet. Mit radikalerem Ausstellungsdesign konnte nicht einmal das im selben Jahr eröffnete Museum of Modern Art in New York aufwarten (Abb. 9). Der deutsche Kunsthändler Karl Haberstock schrieb an die Direk-

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30 Fast sechshundert Werke von mehr als 250 Künstler*innen wurden unter Ha­ berditzls Ägide er­ worben. Siehe Kugler 2004, S. 182. 31 Grimschitz 1929, S. 482  f.

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Hans Tietzes Museumsreform Katinka Gratzer-Baumgärtner

Abb. 1 Hans Tietze, um 1930, Archiv des Belvedere, Wien 1

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as Ende des Ersten Weltkriegs hatte den Zerfall der Habsburgermonarchie und die Ausrufung der „Republik Deutschösterreich“ im November 1918 zur Folge. Siegermächte wie auch Nachfolgestaaten des Vielvölkerstaates begehrten die Übernahme von Kunstgegenständen aus dem Eigentum des Hauses HabsburgLothringen, weshalb umgehend ein Gesetz betreffend das Verbot der Ausfuhr und der Veräußerung von Gegenständen geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung erlassen wurde. Eine Woche nach dem Thronverzicht Kaiser Karls I. kamen die Hofmuseen unter staatlichen Schutz. Ab diesem Zeitpunkt engagierte sich der Kunsthistoriker Hans Tietze (Abb. 1), Beamter in der Zentralkommission für Denkmalpflege, in zahlreichen Artikeln für die Erhaltung des österreichischen Kunstbesitzes und eine Neuordnung der staatlichen Museen. 1 Sein Protest richtete sich zudem gegen die Staatsführung selbst, die die geplagte Bevölkerung insbesondere in den Hungerwintern nach Kriegsende durch den Verkauf von Kunstobjekten unterstützen wollte. In seiner Funktion als Kommissär zur Oberaufsicht für den Schutz der wissenschaftlichen und Kunstsammlungen Deutsch­ö sterreichs im Ministerium für Inneres und Unterricht

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entwarf Tietze ab 1919 ein Konzept zur Reformierung des österreichischen Musealwesens mit dem Ziel einer Zusammenführung der kaiserlichen Sammlungen und des staatlichen Kunstbesitzes – inklusive Überlegungen zu Bildungsauftrag und Schärfung der Sammlungsprofile. Es galt, so Tietze, „die kulturellen Reichtümer aus dem Besitz weniger Bevorzugter zum Eigentum aller zu machen“ und damit einen „möglichst lebendigen Kulturfaktor“ zu schaffen. 2 Tietzes ambitionierter Entwurf zur Neuprogrammierung sollte eine klare Abgrenzung der Sammlungsbereiche und eine Vereinfachung der Verwaltung mit sich bringen. So sah die Museumsreform etwa die systematische Abgabe von Handzeich­n ungen aus der Österreichischen Galerie an die Albertina vor, die eine „Internationale Zentralstelle für Graphik im umfassenden Sinne“ 3 werden sollte. Allerdings behielt sich die Österreichische Galerie trotz der Abgabe des Bestands von Papierarbeiten das weitere Sammeln von Aquarellen vor. Außerdem gingen mittelalterliche Objekte an das Kunsthistorische Museum, das wiederum barocke Werke für das im Unteren Belvedere einzurichtende Barockmuseum abtreten musste. Hans Tietzes museumsreformatorischem Anspruch im Sinne eines sozialdemokratisch gedachten Bildungsauftrags stand sein kunsthistorisch trivial anmutender Zugang einer Sammlungszerlegung nach materialtechnischen Kategorien gegenüber – was von mancher Seite vehement kritisiert wurde. Widerspruch erfuhr auch die sogenannte „Dublettenaktion“ (Gesetz zur Verwertung von staatlichen Kunstgegenständen), die durch den gezielten Verkauf von mehrfach vorhandener Druckgrafik Geldmittel zum Ankauf von anderen Kunstobjekten lukrieren sollte. Die Debatte über die Sinnhaftigkeit der neuen Sammlungsprofile verstummte auch in den folgenden Jahrzehnten nicht. So sah sich etwa Otto Benesch, Direktor der Albertina, noch 1949 veranlasst, gegenüber Begehrlichkeiten aus dem Belvedere die „unveränderte Gültigkeit“ des Museumsausgleichs der frühen 1920er-Jahre einzufordern. 4 De facto wurden ab 1923 zahlreiche Kunstwerke aus Museumsbeständen abgegeben und somit aus ihrem ursprünglichen Sammlungskontext gerissen.

1 Siehe Krapf-Weiler 2004 ; Perlhefter 2001 ; Haupt 1991. 2 Krapf-Weiler 2004, S. 169 ; Perlhefter 2001, S. 64. 3 Direktor der Albertina Josef Meder an das Bundesministerium für Inneres und Unterricht, 22. 9. 1921, ÖStA/AVA, BMU, Zl. 20.617/1921. 4 Otto Benesch an Karl Garzarolli-Thurnlackh, 19. 12. 1949, AdB, Zl. 640/1949.

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Abb.  1 Carl Moll, Mein Atelier, 1906, Akademie der bildenden Künste Wien Abb.  2 Otto Wagner, Kaiser Franz Josef-Stadtmuseum, Großes Projekt, Perspektive, 1903, Wien Museum

32 Karl Haberstock an die Leitung der Österreichischen Galerie, 19. 9. 1929, AdB, Zl. 561/1929.

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tion des Belvedere : „Ich kann Ihnen versichern, daß ich keine moderne Galerie kenne, die so harmonisch wirkt. Sicher werden die Ideen, die sie hier angewandt haben, epochemachend für unser Museumswesen sein.“ 32

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Abb.  3 Moderne Galerie im Unteren Belvedere mit Max Klingers Das Urteil des Paris, 1903, Foto : J. Löwy Kunst- und Verlagsanstalt Wien, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Abb.  4 Vincent van Gogh, Die Ebene von Auvers, 1890, Belvedere, Wien Abb.  5 Ausstellung Entwicklung des Impressionismus in Malerei und Plastik in der Wiener Secession, 1903, Österreichische Nationalbibliothek, Wien Abb.  6 Ansicht der Internationalen Kunstausstellung in Rom, 1911, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Abb.  7 Plan zur Aufstellung der Skulpturen im Kammergarten der Modernen Galerie, 1929, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Abb.  8 Robin Christian Andersen, Landschaft mit Reihern, 1923, Belvedere, Wien Abb.  9 Ausstellung Cézanne, Gauguin, Seurat, van Gogh im Museum of Modern Art, New York, 1929, Photographic Archive. The Museum of Modern Art Archives, New York

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CÄCILIA HENRICHS —— Kunst für Alle ? Die Österreichische Staatsgalerie zwischen Kunsterleben und Belehrung

1 Anon., „Weshalb wir eine Zeitschrift he­ rausgeben  ? “, in  : Ver Sacrum, 1. Jg., Heft 1, 1898, S. 6. 2 Tietze 1924a, Heft 4, S. 122. 3 Grimschitz 1929, S. 482  f.

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Die Gründung der Modernen Galerie, später erweitert in Österreichische Staatsgalerie, fiel hinsichtlich der Kunstvermittlung in eine Zeit gegensätzlicher Strömungen. Nicht nur die Vertreter*innen der Volksbildungsbewegung, auch beispielsweise die Wiener Secession befürwortete die Öffnung der Museen für alle. Im Manifest zur Gründung der Modernen Galerie wurde dieses ideale Ziel formuliert : „[…] die grosse Masse kunstempfänglicher Menschen zu bilden, damit der schlummernde Trieb geweckt werde […]. Und da wenden wir uns an euch alle, ohne Unterschied des Standes und des Vermögens.“ 1 Diese hehre Idee ging von der Sicht der Künstler*innen aus und maß dem Kunstwerk einen inhärent starken Eindruck auf jegliche Art von Betrachter*innen zu. Auf der Seite der Museumsfachleute, die sich gerade in einem Prozess der Professionalisierung befanden, wurden diese Vorstellungen teils affirmativ und teils negierend bewertet. Der Museumsreformer Hans Tietze gehörte zur ersteren Gruppe und räsonierte 1924 über den Stand der Wiener Museen und deren Umgang mit dem Publikum : „[…] es galt und gilt das Interesse an ihren Schätzen über einen Kreis von Stammgästen hinaus zu verbreiten und die abgeleitete rationale Wirkung durch eine unmittelbare der Empfindung zu ersetzen. Dazu muß man sich überlegen, was man dem Publikum zeigen soll und wie man es zeigen soll.“ 2 Tietze setzt hier das Gefühl über den Verstand und damit die Belehrung. Dies war ein wichtiger Aspekt für die Öffnung des Museums, weil es einen voraussetzungslosen Museumsbesuch ermöglichte. Das Kunsterlebnis sollte für ihn vor allem über die Ausstellungsgestaltung gesteuert werden. Die klaffende Lücke zwischen Ideal und Wirklichkeit tritt am Beispiel der Ersteinrichtung der Modernen Galerie 1903 besonders krass zutage. In die barock ausgestalteten Räume des Unteren Belvedere wurden provisorische Stellwände gesetzt, auf denen die Werke moderner Kunst mit der prächtigen Umgebung um die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen rivalisieren mussten (Abb. 1, → S. 152–157). Als 1923 in denselben Räumen hingegen der barocke Bestand der Staatsgalerie gezeigt wurde, fügten sich Objekte und Raum zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Erst die zweite Moderne Galerie, die 1929 in der ehemaligen Orangerie eingerichtet wurde, bot auch der modernen Kunst den angemessenen Rahmen für ein umfassendes Gesamterleben. Beim Umbau dieser Räume wurde auf moderne und für Museen damals noch ungewöhnliche Materialien Wert gelegt. Der Boden war mit Gummi belegt, die Türstöcke von Messing gerahmt, und die einheitlichen und schlichten Goldrahmen hingen vor gekalkten farbigen Wänden.3 Für wie wichtig die Wirkung dieser Farben im Zusammenhang mit den ausgestellten Werken gehalten wurde, zeigt der Katalog von 1929, der neben den bis dato üblichen Angaben zu Künstler*innen und Werken auch Ausstellungsansichten mit Beschreibung der jeweiligen Raumfarben liefert (Abb. 2, → S. 158–163).

Neben der Ausstellungsgestaltung, die zwar weniger das Vorwissen des Publikums ansprach, aber zweifelsohne von Gästen mit bereits vorhandener Neigung zur Kunst ausging, wurden im Sinne einer breiten Öffnung weitere Maßnahmen getroffen. In den ersten Jahren nach der Eröffnung der Galerie ging das Interesse vor allem von externen Parteien aus, die gruppenweise eine Besuchserlaubnis und an Bezahltagen freien Eintritt beantragten. Das Spektrum reichte dabei von Schulklassen unterschiedlichen Alters und Geschlechts 4 über kleinere Vereine wie etwa die „Verbindung für historische Kunst“ 5 bis hin zum Arbeiter-­ Abstinentenbund 6. Eine Führung durch geschultes Museumspersonal war dabei nicht vorgesehen. Diese passive Strategie änderte sich nach dem Ersten Weltkrieg und der damit einhergehenden Verbreiterung des Sammlungsspektrums. Nachdem die Österreichische Staatsgalerie ihre kriegsbedingt gekürzten Öffnungszeiten wieder ausweiten konnte, sollte ein eigener Vortragsraum im Oberen Belvedere eingerichtet werden. Zweck dieses Unterfangens war, „dem arbeitenden Volke das eigentliche Wesen der Sammlung in ungleich intensiverer Weise als durch eine Erweiterung der Besuchsstunden näher zu bringen“ 7. Es wurden Bänke für sechzig bis einhundert Zuhörer*innen aufgestellt, die gegen einen geringen Obolus eine Stunde lang Vorträge zu drei bis vier Originalkunstwerken hören können sollten.8 Um diese Sitzplätze auch mit dem gewünschten Publi­ kum zu füllen, wurden den Arbeiterorganisationen Kartenblöcke zum halben Preis angeboten, ebenso wie die Möglichkeit zur Absprache der jeweiligen Vortragstermine. All diese Pläne über Raumeinrichtung, Logistik und Abstimmungen von Inhalten mit dem Unterrichtsministerium verliefen im Sande, da sich trotz Anzeigen in allen Wiener Tageszeitungen niemand zu den ersten Vortragsterminen einfand.9 Auch später lagen die höchsten Teilnehmer*innenzahlen bei 14, woraus Direktor Franz Martin Haberditzl folgerte, „daß diese der Volksbildung ersprießliche Institution ziemlich Zeit braucht, um Erfolg zu haben“  10. Ein neuer Anlauf wurde nicht unternommen, da die Erfahrungen mit Arbeiterorganisationen im Kunsthistorischen Museum ähnlich verlaufen waren. Stattdessen wurde gemeinsam eine kleine Vortragsreihe geplant, die in den Volksbildungsstätten der äußeren Bezirke abgehalten werden sollte. So wollte man das Publikum vor Ort abholen und für den Museumsbesuch gewinnen.11 Auch das dem Unterrichtsamt angegliederte Volksbildungsamt wurde aktiv und wollte eine entsprechende Arbeitsgemeinschaft an der Staatsgalerie installieren, um eine „Intensivierung der volkstümlichen Vortragstätigkeit“ 12 zu erzielen. Die Antwort darauf seitens der Staatsgalerie war abschlägig ohne Nennung eines Grundes. In den darauf‌folgenden Jahren wurden jedoch weiterhin wissenschaftliche Führungen durch die Sammlung angeboten, was darauf schließen lässt, dass vor allem die Volksnähe der geplanten Führungen nicht auf Gegenliebe gestoßen war. Das

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CÄCILIA HENRICHS

4 AdB, Zl. 1085/1912 und 126/1918. 5 AdB, Zl. 131/1910. 6 AdB, Zl. 169/1916. 7 AdB, Zl. 387/1919. 8 AdB, Zl. 387/1919. 9 AdB, Zl. 473/1920. 10 AdB, Zl. 473/1920. 11 AdB, Zl. 473/1920. 12 AdB, Zl. 448/1920.

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Vom Österreichischen Staatsgalerieverein zum Verein der Museumsfreunde in Wien, 1911/12–1938 Cäcilia Henrichs

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m 30. Dezember 1911 genehmigte Kaiser Franz Joseph I. die Umbenennung der 1903 gegründeten Modernen Galerie in Österreichische Staatsgalerie. In dieser sollte ein repräsentativer Querschnitt des österreichischen Kunstschaffens vom Mittelalter bis zur Gegenwart gezeigt werden. Zur Unterstützung wurde nach dem Vorbild des bereits 1897 in Berlin entstandenen Kaiser Friedrich-Museums-Vereins der Staatsgalerie-Verein ins Leben gerufen. 1 Direktor Friedrich Dörnhöffer (→ S. 201, Abb. 3) schrieb am 30. Dezember 1911 an den Fürsten Johann von und zu Liechtenstein, dass das „Projekt nun zu einer Tatsache geworden ist“ 2. Unter den 26 Gründungsmitgliedern waren Felix Freiherr von Oppenheimer, Victor Zuckerkandl, Karl Graf Lanckoroński und Ferdinand Bloch, die durch den einmaligen Mitgliedsbeitrag von fünftausend Kronen eine lebenslängliche Mitgliedschaft erwarben ; der reguläre Mitgliedsbeitrag betrug fünf‌h undert Kronen. Dadurch gelangte man zu einem Startkapital von dreißigtausend Kronen. Exklusivität wurde gewährleistet, indem Beitrittskandidat*innen von zwei Bestandsmitgliedern zur Aufnahme empfohlen werden mussten. Dieses Verfahren führte zu einer standesmäßig homogenen Gruppe, die auch ein ähnlicher Kunstgeschmack verband. 1924 zählte der Verein bereits fünf‌h undert Mitglieder. „Durch Ankauf von Werken der bildenden Kunst, welche den öffentlichen Sammlungen leihweise ohne Entgelt zu überlassen sind“, machte sich der Verein „die Pflege des heimischen Kunstsinnes“ zur Aufgabe. 3 De facto war der Staatsgalerieverein nicht nur dem Namen nach vor allem mit der Österreichischen Staatsgalerie eng verbunden. Diese profitierte bis 1918 von den Ankäufen elf hoch­ karätiger Werke, angefangen mit Am Fronleichnamsmorgen (Abb. 1) von Ferdinand Georg Waldmüller, das im ersten Jahr des Vereinsbestehens 1912 erworben wurde. Weitere vier Werke, darun­t er ­Feuerbachs Henriette Feuerbach, die Stiefmutter des Künstlers und Manets Der alte Musikant (Abb. 2), wurden gemeinsam mit dem Staat erworben.

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1 Siehe Mayer M. 2012. 2 AdB, Zl. 1044/1911. 3 Österreichischer ­Staatsgalerieverein in Wien, Bericht über das 1. Vereinsjahr 1912, Wien 1913, Statuten, S. 7.

1919 gab es einen deutlichen Einschnitt : Mit der Eingliederung der kaiserlichen Sammlungen in den Staatsbesitz stellte sich der Galerieverein breiter auf. Ab 1921 firmierte der Verein folgerichtig unter dem neuen Namen Verein der Museumsfreunde in Wien. Die großen Bauaufgaben der Österreichischen Galerie wurden dennoch weiter gefördert : Sowohl die Einrichtung des Barockmuseums im Unteren Belvedere (→ S. 167–171) als auch jene der Galerie des 19. Jahrhunderts im Oberen Belvedere (→ S. 164) wurden unterstützt ; dank der finanziellen Zuwendungen konnte 1929 das Gebäude der ehemaligen Orangerie des Prinzen Eugen im Unteren Belvedere für die Neueröffnung der Modernen Galerie (→ S. 161–163) adaptiert werden. In der Zwischenkriegszeit erweiterten die Museumsfreunde ihre Tätigkeiten und organisierten ab 1923 neben dem ein Jahr zuvor begonnenen Vortragsprogramm auch eigene Ausstellungen. Franz Martin Haberditzl (→ S. 201, Abb. 4) war als Vertreter einer öffentlichen Sammlung Mitglied des Vorstands der Museumsfreunde und bei der ersten Ausstellung Von Füger bis Klimt 1923 in der Secession beratend im Ausstellungskomitee tätig. Im Laufe der Jahre beschränkte sich sein Beitrag aber auf die Bereitstellung von Leihgaben der Österreichischen Galerie. 1933 fand in den Räumen des Oberen Belvedere eine Prinz-Eugen-Ausstellung statt, allerdings nur unter der Bedingung einer großzügigen ­Kompensationsleistung an die Galerie. Mit der „Gleichschaltung“ der Vereine nach dem „Anschluss“ im März 1938 verloren die Museumsfreunde aufgrund des verpflichtenden „Arierparagraphen“ einen bedeutenden Teil der rund 1 400 Mitglieder ; Felix von Oppenheimer wurde als Präsident seines Amtes enthoben, Franz Martin Haberditzl als Vorstandsmitglied durch Bruno Grimschitz (→ S. 255, Abb. 1) ersetzt.

Abb. 1 Ferdinand Georg Waldmüller, Am Fron­ leichnamsmorgen, 1857  ; 1912 Dauerleih­ gabe Österreichischer Staatsgalerieverein (heute Verein der Freunde der Österrei­ chischen Galerie Belvedere), Wien

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Abb. 2 Édouard Manet, Der alte Musikant, 1862, National Gallery of Art, Washington  ; 1913 Ankauf Galerie Arnot, Wien, unter Mitwirkung des Öster­ reichischen Staats­ galerievereins  ; 1923 Tausch mit der Galerie Barbazanges, Paris, gegen Camille Corots Madame Legois und Pierre-Auguste Renoirs Badende mit blondem, offenem Haar

13 AdB, Zl. 565/1911. 14 Tietze 1924a, Heft 4, S. 121. 15 AdB, Zl. 612/1911. 16 Grimschitz hielt in den Jahren von 1924 bis 1942 insgesamt 86 Kurse bei der Urania, sein Direktor ­H aberditzl von 1910 bis 1913 sechs. 17 In Deutschland hatte man bereits 1919 begonnen, das Radio als Mittel der Volksbildung zu nutzen, da man dadurch eine sehr große Reichweite, sowohl räumlich als auch sozial, erzielen konnte  ; Zeising 2013, S. 86. 18 AdB, Zl. 681/1925. An der Besprechung selbst nahm kein ­G aleriemitarbeiter teil. Danach wurden jedoch zwei Termine festgelegt  : Grimschitz sprach am 27. Jänner 1926 über das Barockmuseum, Heinrich Schwarz zwei Tage später über die Galerie des 19. Jahrhunderts. 19 Stix 1930, S. 60  f.

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Niveau dieser Veranstaltungen sollte durch das wissenschaftlich qualifizierte Personal hochgehalten werden. Das Aufsichtspersonal hingegen wurde angewiesen, „sich während des Dienstes mit niemandem in ein längeres Gespräch einzulassen, noch Erklärungen der ausgestellten Objekte zu geben. Fragen dieser Art sind unter Hinweis auf den Katalog […] zu beantworten.“ 13 Sicherlich spielten bei dieser Anweisung auch Sicherheitsbedenken eine Rolle, da man nicht wollte, dass die Aufsichten sich zu leicht ablenken ließen. Doch daran lässt sich auch ein gewisser Elitismus ablesen, gegen den Hans Tietze 1924 im Kunstblatt polemisierte. Über die bis dato übliche Vermittlungsarbeit der Museen schrieb er : „Wie die Kunst den Liebhabern, so hat das Museum den Spezialisten gehört ; […] Das breite Publikum, das sich dort dem überlegenen Urteil der Eingeweihten zu beugen hatte, war hier auf die Abfälle vom Tisch der eigentlichen Hausherren angewiesen. Als echter Bildungspöbel hat es sich sklavisch nach dem Ideal der als kulturell maßgebend erachteten Schichten gerichtet.“ 14 Waren die in der Galerie selbst vermittelten Inhalte geprägt von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vor und mit dem Originalkunstwerk, wurden die populärwissenschaftlichen Vorträge außerhalb durchaus weitergeführt. Vorträge bei der Urania oder auch der österreichischen Radio-Verkehrs-AG (RAVAG) waren für die Galerie selbst mit weniger Aufwand zu bewerkstelligen, lediglich die Mitarbeiter mussten abgestellt werden. Bereits am 23. Juni 1911 wurde Galeriedirektor Friedrich Dörnhöffer (Abb. 3) von der Wiener Urania eingeladen, dort vorzutragen. Dieser erste Vorstoß blieb mangels eines konkreten Themas zunächst erfolglos.15 Dörnhöffers Nachfolger Franz Martin Haberditzl (Abb. 4) und dessen Mitarbeiter Bruno Grimschitz hielten jedoch im Laufe der Jahre immer wieder Vorträge zu einzelnen Themen der österreichischen Kunst bei der Urania.16 Umgekehrt gab es Führungen in der Staatsgalerie, die von Lehrenden der Urania abgehalten wurden und wohl einen weniger wissenschaftlichen, dafür aber didaktisch anspruchsvolleren Ansatz vertraten. Der große Besucher*innenandrang blieb trotzdem aus. Auch das neue Medium Radio wurde genutzt.17 Im Rahmen der Radiovolkshochschule der RAVAG wurden die Galeriemitarbeiter eingeladen, über allgemeine Fragen der Kunst, aber auch über einzelne Kunstausstellungen zu sprechen.18 So gut und breit dieses Vermittlungsangebot auch klingt, lässt sich doch nur schwer ein Bild von den Inhalten machen. Der damalige Direktor der Graphischen Sammlung Albertina, Alfred Stix, beurteilte 1930 rückblickend die Lage so, dass sich die vielen Popularisierungsbestrebungen „meist auf dem Gebiete verwässerter Kunstgeschichte“ bewegten und das Interesse des Publikums nicht dauerhaft binden konnten.19 Man balancierte wie vielerorts auch heute noch in der Museumsarbeit auf dem schmalen Grat zwischen Über- und Unterkomplexität bei der Ausdifferenzierung des Vermittlungsangebots nach verschiedenen Besucher*in-

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nengruppen. An der Kritik, die Max Dvořák 1915 sehr öffentlich in der Neuen Freien Presse äußerte, lassen sich die geballten Vorurteile des wissenschaftlich ausgebildeten Kunsthistorikers ablesen. Er warnte vor „verderbliche[r] […] Popularisierungspädagogik, die, wie einst die Akademien durch Kunstregeln die Kunst durch Reproduktionen, Lichtbildvorträge und Bildermagazine ihres Selbstwertes entkleidet und zu Gemeinplätzen eines oberflächlichen Bildungsphilisteriums erniedrigt“ 20. Die Angst vor einem Herunterbrechen der hehren Kunst und der daraus resultierenden Zerstörung oder zumindest Entweihung derselben war ein großes Hindernis bei der Öffnung der Museen für die breite Masse. Bei all dem stellt sich die Frage, wie ernst dem idealistischen Streben nach einer wirklich breiten Publikumsschicht nachgegangen wurde. Schon die Galerieordnung von 1911, die in den folgenden Jahren nur noch leicht modifiziert wurde, schrieb vor : „Der Besuch ist allen anständig gekleideten Personen gestattet. Besucher, welche Kinder auf den Armen tragen, sind abzuweisen.“ 21 Diese Vorgabe schloss an sich schon einen sehr großen Personenkreis vom Galeriebesuch aus. Gleiches galt für einen weiteren Aspekt, den der Volksbildner und Direktor des Österreichischen Museums für Kunst und Gewerbe Eduard Leisching für die gesamte Museumslandschaft in Wien anführte : „[…] die relativ hohen Eintritts- und Katalogpreise der Ausstellungen sind wahrlich Grund genug, viele und gerade die, auf welche es ankommt, vom Besuch der Ausstellungen abzuhalten.“ 22 Wie damals üblich wurden die Werke in der Österreichischen Staatsgalerie lediglich mit einer Nummer versehen, die erst mit dem Galeriekatalog aufgelöst werden konnte, um Titel und Künstler*in zu erfahren. Dazu gab es verschiedene Beschwerden, unter anderem die eines Lehrers, der sich für einen späteren Besuch mit seinen Schülern informieren wollte und dann von seinem mageren Gehalt auch noch den Katalog kaufen musste (→ S. 155).23 Wenn diese Kosten bereits für einen Staatsbeamten eine Hürde darstellten, wie viel mehr musste das dann die Arbeiter*innen betreffen. Zudem diesen nach einem 14-StundenTag der Sinn wohl eher nach leichteren Amüsements gestanden haben dürfte als dem Besuch eines Kunstmuseums. Nichtsdestotrotz unternahm man in der Staatsgalerie eine sehr große bauliche Maßnahme, um gerade diese Abendbesuche möglich zu machen : Die Galerie des 19. Jahrhunderts war seit ihrer Eröffnung im Herbst 1924 mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet. Damit einhergehend stiegen allerdings auch die Brandgefahr für das Museum und die Kosten für das Personal, das länger einbestellt werden musste. Die damit verbundenen Hoffnungen der Volksbildung erfüllten sich jedoch nicht. Vielmehr wurde durch das Vorhandensein der künstlichen Beleuchtung die Möglichkeit geschaffen, das Obere Belvedere für festliche Veranstaltungen der oberen Zehntausend zu öffnen (Abb. 5).24 An diesem Beispiel wird das ganze Dilemma der Österreichischen

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Dvořák 1915, S. 4. AdB, Zl. 565/1911. Leisching 1927, S. 421. AdB, Zl. 398/1921. Haberditzl spricht in diesem Zusammenhang davon, dass dadurch ein „gesellschaftlicher Kontakt des Museums mit dem Publikum erschlos­s en wird“  ; AdB, Zl. 798/1928.

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Staatsgalerie und ihrer Vermittlungsstrategie deutlich. Obwohl es trotz aller Vorbehalte klare Bemühungen gab, das Museum dem Publikum zu erklären und damit zu öffnen, resultierten diese doch häufig in der Ansprache der bereits Kunstinteressierten. Das einzige neue Publikum, das sich vor allem durch die Moderne Galerie erschloss, war das neu zu Geld gekommene Bürgertum, für das der Museumsbesuch immer noch Teil des bildungsbürgerlichen Programms war. Außerdem band die Staatsgalerie nicht zuletzt durch den angeschlossenen Galerieverein die Kunstsammler*innen an sich (→ S. 195,  14  ). Rückblickend betrachtet unternahm die Ös­terreichische Staatsgalerie trotz der durchgehend angespannten finanziellen Lage durchaus viel, um das Museum zu öffnen und allen Schichten Vermittlungsangebote anzubieten. Dass dies nur bedingt erfolgreich war, ist wohl eher der gesamtgesellschaftlichen Lage zuzuschreiben.

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Abb.  1 Groteskensaal der Modernen Galerie im Unteren Belvedere mit Luigi Loirs Place de la République, um 1903, Foto : J. Löwy Kunst- und Verlagsanstalt Wien, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Abb.  2 Silbergrauer Raum, Moderne Galerie in der Orangerie des Belvedere, mit Gemälden von Edvard Munch, 1929, Foto : Hans Georg Balack, Bibliothek des Belvedere, Wien

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Abb.  3 Friedrich Dörnhöffer, um 1910, Bildarchiv des Belvedere, Wien Friedrich Dörnhöffer war von 1909 bis 1914 Direktor der Modernen Galerie, später k. k. Österreichische Staatsgalerie. Abb.  4 Egon Schiele, Dr. Franz Martin Haberditzl, 1917, Belvedere, Wien Franz Martin Haberditzl war von 1915 bis 1938 Direktor der (k. k.) Österreichischen Staatsgalerie (ab 1921 Österreichische Galerie). Abb.  5 Plakat zum Festball „Belvedere Redoute“, 27. 7. 1920, Gestalter : Bernd Steiner, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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GEORG LECHNER —— Die Gründung des Barockmuseums im Unteren Belvedere

1 Vgl. Adalbert Franz Seligmann, „Das Wiener Barockmuseum“, in  : Neue Freie Presse, 12. 5. 1923, S. 6. 2 Slg.-Kat. Wien 1923, S. VII. 3 Tietze 1924b, S. 68. 4 Vgl. Tietze-Conrat 1923, S. 166. 5 Vgl. Stachel 2007  ; Krapf 2008, S. 23. 6 Zu den Anfängen der Barock­forschung vgl. Schmidt 2013. 7 Ilg 1885  ; Ilg 1893  ; Ilg 1889. 8 Mayer A. 1879. 9 Weitere Beispiele für diese frühen Ankäufe sind etwa die 1875 beziehungsweise 1877 erworbenen ­G emälde Christus am Kreuz aus der Werkstatt des Kremser Schmidt und Auferstehung Christi von Franz Xaver Wagenschön (Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 4164 und 4073). 10 AdB, Zl. 7/1922. 11 AdB, Zl. 472/1948. 12 AdB, Zl. 7/1922.

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Als das Österreichische Barockmuseum am 11. Mai 1923 eröffnet wurde, stieß vor allem das Zusammenspiel der historischen Räume und der darin präsentierten Kunstwerke auf positive Resonanz (→ S. 166).1 Auch Direktor Franz Martin Haberditzl betont im Vorwort des damals publizierten Katalogs die Befreiung des Schlosses von späteren Einbauten und die Bestückung mit barocken Kunstwerken als glückliches Moment.2 Und Hans Tietze als Urheber der Neuordnung der staatlichen Museen sieht darin weder ein Museum im herkömmlichen Sinn noch ein Schloss, sondern ein Gebilde, „in dem Rahmen und Inhalt eine wirkliche Einheit bilden, einander wechselseitig auf eine höhere Stufe hebend“ 3. Abgesehen davon darf die ideelle Bedeutung dieses Museums für den damals noch jungen, im Vergleich zum Habsburgerreich kleinen Staat Österreich nicht außer Acht gelassen werden.4 Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde der österreichische Barock als Spezifikum etabliert und tendierte zum Nationalstil.5 Es verwundert daher nicht, dass nach dem Ersten Weltkrieg das barocke Antlitz der Republik besonders hervorgekehrt wurde und es zu Auf‌bau und Förderung des Barockmuseums kam. Die Einrichtung dieses Museums war keineswegs eine spontane Idee, sondern spiegelt auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Kunst dieser Epoche wider.6 So muss insbesondere Albert Ilg Erwähnung finden, der bereits im späten 19. Jahrhundert zu Themen des Barock in Österreich publiziert hat. Mit Blick auf das Belvedere sind die Abhandlungen über Franz Xaver Messerschmidt, Georg Raphael Donner und Prinz Eugen von Savoyen als Kunstfreund von großer Bedeutung.7 Martin Johann Schmidt, genannt der Kremser Schmidt, wurde ebenfalls bereits früh durch eine Monografie gewürdigt.8 Bereits ab den 1870er-Jahren kam es zu Ankäufen von Werken des österreichischen Barock für die kaiserliche Gemäldegalerie, die damals noch im Oberen Belvedere beheimatet war. 1876 erfolgte etwa die Erwerbung der Heiligen Sippe von Franz Anton Maulbertsch, der bis dahin in der Sammlung noch nicht vertreten gewesen war.9 Nach einem Zwischenstopp im 1891 eröffneten Kunsthistorischen Museum gelangte das Gemälde neben zahlreichen anderen mit der Einrichtung des Barockmuseums an das Belvedere. Im Gegenzug wurden damals die in der Österreichischen Galerie verwahrten mittelalterlichen Objekte an das Kunsthistorische Museum abgegeben, wobei bemerkenswert ist, dass die Übergabe in beide Richtungen lediglich leihweise erfolgte.10 Zu einer Inventarisierung der betreffenden Gemälde, Plastiken und Skulpturen kam es erst nach dem Zweiten Weltkrieg.11 Anders lag der Fall bei Objekten aus dem Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, dem heutigen Museum für angewandte Kunst, wo von Anfang an zwischen tatsächlich überlassenen Werken und Leihgaben differenziert wurde.12 So gelangten bereits 1922 neben anderen Stücken fünf der sogenannten

„Charakterköpfe“ von Franz Xaver Messerschmidt in den Bestand der Österreichischen Galerie.13 Dies sind zwei der Quellen, aus denen sich die erste Präsentation speiste, denn vor 1923 existierte noch kein nennenswerter Bestand an Kunstwerken des 17. und 18. Jahrhunderts an der Österreichischen Galerie, der zur Bespielung der vorgesehenen Räume ausreichend gewesen wäre. Zwar war es ab dem Jahr 1912, als die Moderne Galerie zur k. k. ­Österreichischen Staatsgalerie erweitert wurde, verstärkt zu An­ käufen mittelalterlicher und barocker Objekte gekommen, doch blieb deren Anzahl letztendlich überschaubar. Unterstützung in Form von Leihgaben kam unter anderem von der Albertina, von der Akademie der bildenden Künste, vom Schottenstift und vom Stift Sankt Paul. Abgesehen davon gab es eine Reihe von Privatpersonen, die den Auf‌bau der Sammlung durch Schenkungen förderten. Das Gebäude und die darin unterzubringenden Kunstwerke standen bereit, doch in der wirtschaftlich problematischen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war es schwierig, die notwendigen Instandsetzungsarbeiten zu finanzieren. Abhilfe schuf der Unternehmer Camillo Casti­ glioni, der 1922 eine Summe von zweihundert Millionen Kronen für die Kunstförderung spendete, wobei 75 Millionen davon auf das einzurichtende Barockmuseum entfallen sollten.14 Von diesem Betrag wurden das Ausmalen der Säle, die Anfertigung von Rahmen und vieles mehr bezahlt. In der Abrechnung sind auch die Kosten für die Entfernung des Anstrichs und die Anfertigung eines Gipsabgusses von Messerschmidts Standbild Maria Theresias enthalten.15 Dieses hatte sich nämlich zuvor gemeinsam mit seinem Pendant, der Darstellung von Franz I. Stephan, in der Franzensburg in Laxenburg befunden, wo es mit einem Überzug mit weißer Ölfarbe an die umstehenden Marmorskulpturen von Paul Strudel angeglichen worden war, und wurde dort durch eine bis heute vor Ort befindliche Kopie ersetzt.16 1923 konnte noch nicht das gesamte Untere Belvedere als Barockmuseum genutzt werden, da einige Räume östlich des Marmorsaals aus Ephesos stammende Antiken beherbergten (→ S. 207,  15  ).17 Dementsprechend befand sich der Eingang in die Sammlung gartenseitig über einem Vorbau, der ergänzt worden war und den Rhythmus der Fassade störte (Abb. 1). Von hier aus gelangte man in den Blauen Saal, in dem ein besonderer Schwerpunkt auf die Kunst des frühen 18. Jahrhunderts und das Porträtschaffen gelegt wurde.18 Im Groteskensaal waren eine erkleckliche Anzahl von Medaillen, Kleinplastiken sowie Zeichnungen und Ölskizzen zu sehen, während die anschließende Marmorgalerie mit Arbeiten von Franz Xaver Messerschmidt und Balthasar Ferdinand Moll bespielt wurde (Abb. 2). Balthasar Permosers Apotheose des Prinzen Eugen von Sa­ voyen dominierte das damals als Spiegelsaal bezeichnete Goldkabinett,

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13 Das hohe Alter, Des Künstlers ernste Bildung, Ein absichtlicher Schalksnarr, Ein starker Arbeiter sowie Ein alter frölicher Lächler (Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2282–2286). 14 Neues Wiener Journal, 22. 11. 1922, S. 3. 15 AdB, Zl. 534/1922. 16 Siehe dazu Pötzl-­ Malikova 2015, S. 216– 219, Nr. 7. 17 Slg.-Führer Wien 1919. Dem Exemplar in der Bibliothek des Belvedere ist ein Informationsblatt aus späterer Zeit hinzugefügt, dem zu entnehmen ist, dass sich ein Teil der Exponate noch im Unteren Belvedere befand und über das Barockmuseum zugänglich war. 18 Die Beschreibung der einzelnen Räume folgt dem Katalog von 1923 (Slg.-Kat. Wien 1923, S. XV–CII).

19 AdB, Zl. 386/1932. 20 AdB, Zl. 522/1932 und 339/1933. 21 Belvedere, Wien, Inv.-Nrn. 2616 (Schoy), 3188 (Bacchus) und 3189 (Flora). Vgl. Slg.Kat. Wien 1934a, S. 9–11. 22 Slg.-Kat. Wien 1923  ; Slg.-Kat. Wien 1934a. 23 Slg.-Kat. Wien 1934a, S. 12–14. 24 Vgl. etwa Wolfgang Born, „Barockmuseum erhält Zuwachs  ! “, in  : Neues Wiener Journal, 11. 3. 1934, S. 13  ; A. Fr., „Das Wiener Barockmuseum“, in  : Neues Wiener Abendblatt, 17. 3. 1934, S. 4.

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und ein Teil der Konsolen wurde mit Abgüssen von Messerschmidts „Charakterköpfen“ bestückt (Abb. 3). Das abschließende Kabinett war Franz ­Anton Maulbertsch gewidmet. Auf der anderen Seite folgte auf den Blauen der Rote Saal mit zwei aus der Wiener Ulrichskirche stammenden Altarbildern. Im Gelben (Abb. 4) wie auch im Marmorsaal wurde der Schwerpunkt ganz auf das Schaffen von Georg Raphael Donner gelegt, wobei die Figuren des Mehlmarktbrunnens einen besonderen Höhepunkt darstellten. Ein Skizzenkabinett, der Grüne Saal mit Paul Trogers Christus am Ölberg und Werken des Kremser Schmidt sowie ein Landschaftsraum rundeten den Parcours ab. Im Jahr 1932 wurde mit dem Prunkstall ein Raum erschlossen, der zur Unterbringung von Funden aus Ephesos bestimmt worden war.19 Damit konnten die frei gewordenen Räume im Unteren Belvedere für das Barockmuseum adaptiert werden. Dieses Mal wurden die Kosten für die notwendigen Arbeiten vom Verein der Museumsfreunde getragen.20 Für die Besucher*innen des erweiterten Museums ergab sich eine markante Änderung, da der Eingang nun über die Durchfahrt zwischen Rennweg und Garten erfolgte. Dort gelangten drei nach 1923 erworbene Skulpturen zur Aufstellung und sorgten für einen repräsentativen Empfang. Diese, die Apotheose des heiligen Johannes von Nepomuk (Abb. 5) von Johann Jakob Schoy sowie die ehemals Balthasar Permoser zugeschriebenen Flora und Bacchus, befinden sich im Übrigen noch heute – gleichsam als letzte Relikte des nicht mehr bestehenden Barockmuseums – an Ort und Stelle.21 In Bezug auf die Entwicklung des Sammlungsbereichs Barock am Belvedere ist neben der Analyse der Inventarzugänge der Vergleich der Kataloge des Barockmuseums von 1923 und 1934 von Interesse.22 Während 1923 bereits 199 Objekte verzeichnet wurden, wuchs die Anzahl bis 1934 auf 286 Objekte an, wobei jeweils 54 Medaillen enthalten waren. Ab 1934 waren im ersten Raum nach dem Entrée Messerschmidts „Charakterköpfe“ sowie Stillleben zu sehen. Unter letzteren sind ein Werk von Jan Anton van der Baren, ein erst 1933 erworbenes von Joannes de Cordua sowie vier Tierstücke von Philipp Ferdinand de Hamilton zu finden.23 Dabei handelt es sich um drei Maler, die aus dem flämischen Kunstkreis kamen und längere Zeit in Wien wirkten. Dies ist insofern interessant, als diese nicht den österreichischen Barock an sich, sondern vielmehr den Barock in Österreich repräsentieren. Hervorzuheben ist weiters, dass die Zahl der Werke von Maulbertsch stark gestiegen war, sodass diese nun nicht mehr ein Kabinett, sondern einen ganzen Saal füllten. Der Bestand an Skulpturen hatte seit der Eröffnung des Museums ebenfalls bedeutende Zuwächse erfahren, wodurch sich nun insgesamt ein vollständigeres Bild des Barock darbot.24 Nach der Evakuierung der Objekte während des Zweiten Weltkriegs und einem Bombentreffer im Februar 1945, der vor allem im Grotes-

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Die Gründung des ­B arockmuseums im Unteren Belvedere

kensaal zu schweren Schäden führte (→ S. 237), kam es nach der baulichen Instandsetzung zur Neuaufstellung und zur Wiedereröffnung des Barockmuseums am 4. Februar 1953. Direktor Karl Garzarolli-Thurnlackh betonte, dass es dabei Maxime war, „das spezifisch Österreichische noch deutlicher hervorzukehren und somit verständlicher zu machen“ 25. Erneut behalf man sich zu diesem Zweck mit Leihgaben, wobei die insgesamt zehn Werke des Kremser Schmidt aus dem Joanneum in Graz und dem Stift Seitenstetten hervorstechen.26 Weitere Neuaufstellungen erfolgten 1974 unter Direktor Hans Aurenhammer sowie 1995 nach einer Schließung aufgrund von baulichen Adaptierungen. Michael Krapf als verantwortlicher Kustos legte dabei gegenüber früheren Konzepten sein Augenmerk nicht auf die Skizze, sondern auf das ausgeführte Werk und bezog die mit ihrer historischen Ausstattung erhaltenen Räume in besonderem Maße ein.27 Diese Neuaufstellung hatte bis 2007 Bestand, als das Barock- und das Mittelaltermuseum aufgelassen wurden, um das Untere Belvedere wie auch die Orangerie für Sonderausstellungen zu adaptieren. In der Folge gelangten die beiden Sammlungsbereiche im Oberen Belvedere zur Präsentation, wo seitdem österreichische Kunst vom Mittelalter bis in die Gegenwart unter einem Dach erkundet werden kann.

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Abb.  1 Eingang zum Barockmuseum im Unteren Belvedere, um 1933, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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25 Slg.-Kat. Wien 1953a, S. 3. 26 Slg.-Kat. Wien 1953a, S. 37. 27 Krapf 1995 ; Krapf 2008, S. 25  f.

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Das Ephesos Museum zu Gast im Unteren Belvedere Georg Plattner

Abb. 1 Ephesos-Ausstellung im Theseustempel im Volksgarten, 1901 1

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m Jahr 1895 begannen die österreichischen Ausgrabungen in Ephesos (Türkei). Otto Benndorf, Professor für Klassische Archäologie an der Wiener Universität, hatte mit seinem Konzept überzeugen können, dass Grabungen in dieser antiken W ­ eltstadt wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn brächten und darüber hinaus reiche Funde zu erwarten seien. Sultan Abdul Hamid II. gestattete, dass ein Teil davon im Rahmen der damals gültigen Bestimmungen Kaiser Franz Joseph zum Geschenk gemacht und nach Wien in die kaiserlichen Sammlungen überführt wurden. 1 Das Kunsthistorische Museum war bereits 1891 eröffnet worden und hatte für die Neuentdeckungen keinen Platz. Während man die Errichtung eines eigenen Ephesos Museums auf dem Heldenplatz projektierte, wurde 1901 die Ausstellung von ­Fundstücken aus Ephesos im Theseustempel im Volksgarten als provisorische Präsentation realisiert (Abb. 1). 2 Die Entdeckung der spektaku­ lären Reliefs des „Parthermonuments“ ab 1903 – ein repräsenta­t i­ ves Staatsdenkmal des mittleren 2. Jahrhunderts n. d. Z., das

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Größe, Bedeutung und Grundlagen des Imperium Romanum feierte (Abb. 2) 3 – erforderte weitere Ausstellungsflächen. Schon im frühen 19. Jahrhundert waren Bestände der kaiserlichen Sammlungen, darunter auch die Antikensammlung, im Unteren Belvedere ausgestellt gewesen, wie in den Aquarellen von Carl Goebel dem Jüngeren detailreich dokumentiert ist (→ S. 91). Mit der Eröffnung einer Ephesos-Ausstellung am 10. November 1905 kehrte die Antike ins Untere Belvedere zurück. Dass man sich mehr Raum gewünscht hätte, geht aus der Bemerkung des Sammlungsdirektors Robert von Schneider hervor. Es werde „das […] Versprechen einer einheitlichen und systematischen Ordnung sämtlicher Funde aus Ephesos […] erst dann seine Erfüllung finden, wenn die Ausgrabungen an Ort und Stelle abgeschlossen und eine Reihe von Sälen, die jetzt die ‚Moderne Galerie‘ besetzt hält, diesem Zwecke verfügbar sein werden“ 4. 1906/07 veränderte ein neues Antikengesetz der Türkei die Parameter : Die Ausfuhr archäologischer Bodenfunde war nun grundsätzlich verboten, somit waren keine neuen Objekte aus Ephesos mehr zu erwarten. Vielmehr wurden sogar einige Stücke zurückgegeben, um die Wiederaufnahme der Grabungen zu ermöglichen, und 1911 wurde die Aufstellung im Belvedere entsprechend adaptiert. Als 1923 das Österreichische Barockmuseum im Unteren Belvedere eingerichtet wurde (→ S. 167–169), mussten die Funde aus Ephesos großteils weichen. Die Platten des Partherdenkmals verblieben „in einem Nebenraume provisorisch zusammengerückt“ 5. 1933 wurden sie schließlich in den Prunkstall des Prinzen Eugen übertragen, um die Erweiterung des Barockmuseums zu ermögli­ chen. 1943/44 erfolgte die Kriegsbergung der Reliefs in den Augustinerkeller und in die Substruktionen des Stifts Klosterneuburg, 6 womit die Antiken der ehemals kaiserlichen Sammlungen endgültig das Belvedere verließen. Erst 1978 sollten die Funde aus Ephesos schließlich im neu eingerichteten Ephesos Museum in der Neuen Burg der Öffentlichkeit umfassend zugänglich gemacht werden.

1 Slg.-Kat. Wien 1978, S. 7–10 und 36–41. 2 Slg.-Kat. Wien 1901. 3 Oberleitner 2009. 4 Slg.-Kat. Wien 1905, S. III. 5 Slg.-Kat. Wien 1927, S. IV. 6 Oberleitner 2009, S. 41, Anm. 27.

Abb. 2 Die römischen Kaiser Hadrian, Antoninus Pius, Lucius Verus und Marc Aurel vom „Parthermonument“ aus Ephesos, Mitte 2. Jh. n. d. Z., Kunsthistorisches Museum Wien, Antikensammlung 2

Kap. III

Die Gründung des ­B arockmuseums im Unteren Belvedere

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Abb.  1 Eingang zum Barockmuseum im Unteren Belvedere, um 1933, Bildarchiv des Belvedere, Wien Abb.  2 Marmorgalerie im Unteren Belvedere, 1923, Bildarchiv des Belvedere, Wien Abb.  3 Spiegelsaal im Unteren Belvedere, 1923, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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Abb.  4 Gelber Saal des Barockmuseums im Unteren Belvedere, 1923, Bildarchiv des Belvedere, Wien Abb.  5 Eingangsbereich des Barockmuseums mit der Skultpurengruppe von Johann Jakob Schoy, 1934, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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BJÖRN BLAUENSTEINER —— Zu Vorgeschichte und Genese des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst

1 Mitteilungen 1917, S. 2. 2 Die Pacher-Tafeln wurden bereits 1918 zusammen mit anderen Neuerwerbungen der Staatsga­ lerie im Wiener Künstlerhaus ausgestellt  ; siehe Mitteilungen 1918, S. 16. 3 Swoboda 2013a, S. 241 (Urban Görtschacher, Susannenlegende), 264 (Leonhard von Brixen, An­ betung der Könige  ; Meister mit dem Bindenschild, Anbetung der Könige) und 267 (Passauer Maler, Heiliger Cyriakus). 4 Pirckmayer 1872, S. 359 (Nr. 12  : Conrad Laib, Kreuzigung Christi) und 360 (Nrn. 39–44  : Meister von Großgmain, PretschlaipferTriptychon und Christus am Kreuz  ; Rueland Frueauf der Ältere, Salzburger Altar). 5 Siehe Deiters 2016, S. 36–38, 57  f. und 79–82. 6 Slg.-Kat. Wien 1971, S. 7 (Hans ­Aurenhammer). 7 Siehe Hanzl 1998, S. 35–47. Unter anderem scheint auch der Znaimer Altar nach Laxenburg gelangt zu sein  ; siehe dazu Gollinger 1828, S. 103  f.  ; Winkler/ Kieslinger 1926/27, S. 398 (Ernst Winkler). 8 Slg.-Kat. Wien 1934b (Zitat  : S. 3). 9 Slg.-Kat. Wien 1935 (Zitat  : S. 4).

S.

211

Kap. III 1903–1938

Am 5. Dezember 1953 öffnete das Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst in der Orangerie beim Unteren Belvedere im Zuge der Feierlichkeiten anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Österreichischen Galerie seine Pforten. Der Plan, im Belvedere österreichische Mittelalterkunst zu zeigen, hatte dabei eine lange Vorgeschichte. Bereits Friedrich Dörnhöffer (→ S. 370, Abb. 9), 1909 zum ersten Direktor der Modernen Galerie bestellt, erklärte es sich zur Aufgabe, „die Entwicklung der österreichischen Kunst […] ohne zeitliche Einschränkung zu musealer Darstellung zu bringen“ 1. Unter Dörnhöffer erwarb die Österreichische Staatsgalerie, wie das Museum im Sinne dieser Programmatik ab 1912 hieß, daher gezielt österreichische Werke aller Epochen, womit auch der Grundstein für eine Mittelaltersammlung gelegt war. Der erste vorbarocke Ankauf war 1910 die Herabkunft des Heiligen Geistes des Meisters von Irrsdorf ; 1912 und 1918 folgten mit Lucas Cranachs Stigmatisation des heiligen Franziskus und Fragmenten von Michael Pachers Salzburger Altar Zugänge, die bis heute Hauptwerke der Sammlung bilden.2 Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die mittelalterlichen Bestände im Zuge der von Hans Tietze vorgenommenen Neuordnung der staatlichen Museen an das Kunsthistorische Museum abgegeben. Nur mit den Neuzugängen aus der nunmehrigen Österreichischen Galerie war dort die geplante „Abteilung der altösterreichischen Malerei“ freilich noch nicht zu verwirklichen, da die vom Kunsthistorischen Museum (KHM) übernommene kaiserliche Gemäldesammlung selbst kaum österreichische mittelalterliche Werke umfasste : Im 1783 erschienenen Katalog ihrer ersten öffentlichen Aufstellung im Oberen Belvedere scheinen nur vier Werke der heutigen Mittelaltersammlung auf,3 und mit Ausnahme der im Zuge der Säkularisation des Erzstiftes Salzburg 1806/07 nach Wien verbrachten Bilder 4 erfuhr der Sammlungsbereich im 19. Jahrhundert kaum nennenswerte Zugänge. Gustav Glück, der damalige Direktor der Gemäldegalerie, erweiterte den altösterreichischen Sammlungsbestand daher durch systematische Ankäufe.5 Ferner profitierte die Sammlung von der Auf‌lösung des Hofärars, wodurch aus Laxenburg Bilder ins KHM gelangten : Hier hatte Kaiser Franz II./I. ab 1799 in ganz Österreich – insbesondere aus aufgelassenen Klöstern – Objekte zusammensammeln lassen, um die „erste, wenn auch romantische Sammlung mittelalterlicher österreichischer Kunst“ 6 einzurichten.7 Durch die Zugänge ließ sich 1934 eine „Zentralgalerie österreichischer Tafelmalerei“ in der Gemäldegalerie einrichten.8 Bezüglich der Bestände skulpturaler österreichischer Kunst erfuhr das Museum in den Jahren von 1935 bis 1942 durch Tauschgeschäfte mit dem späteren Museum für angewandte Kunst wichtige Zuwächse, die eine „Sammlung von Meisterwerken mittelalterlicher Skulptur Österreichs“ im KHM begründeten.9

Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich die junge Republik um die Förderung eines genuin österreichischen Nationalbewusstseins, wobei man insbesondere eine Abgrenzung von Deutschland und deutschnationalem Gedankengut anstrebte.10 Vor diesem Hintergrund ist auch zu sehen, dass 1947 der neu ernannte Direktor der Österreichischen Galerie, Karl Garzarolli-Thurnlackh, vom Unterrichtsminister mit der Aufgabe betraut wurde, das Belvedere „zu einem Museum österreichischer Kunst auszubauen“ 11. Da auch die „umfangreiche und sehr bedeutende Kunstübung während des Mittelalters in Österreich […] eine wichtige und durchaus eigenartige Rolle“ gespielt habe und „eine selbstständige museale Behandlung“ erfordere, erbat Garzarolli ab 1951 in mehreren Schreiben, dass seinem Haus die mittelalterlichen österreichischen Bestände des KHM übergeben würden. Abgesehen hatte es Garzarolli dabei nur auf „die hohe Kunst, also Malerei und Plastik“, aus der Gemäldegalerie und der Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe, nicht aber auf die sogenannte „angewandte Kunst“, wodurch mittelalterliche Glasmalerei und Textilkunst im Museum für angewandte Kunst verblieben. In geografischer Hinsicht sollten „lediglich Werke von solchen Künstlern vertreten sein, deren Hauptwerke in oder für Österreich zustande kamen, die in Österreich geboren oder beheimatet sind und, soferne man hierüber keine Kenntnisse besitzt, deren Werke aus Österreich stammen“. Verstanden wurde unter „Österreich“ das heutige Bundesgebiet einschließlich Salzburg, sowie benachbarte Gebiete, die früher zu Österreich gehörten, insbesondere Südtirol und Krain. Trotz verschiedener Einwände der betroffenen KHM-Sammlungsdirektoren ergingen im Jänner 1953 ein entsprechender Ministerratsbeschluss und ein Durchführungserlass,12 und im April 1953 berichtete Garzarolli dem Minister, dass das KHM mit Ausnahme zweier Huber-Tafeln „alle einschlägigen Werke“ zur Verfügung stellen werde ; auch der Znaimer Altar wurde übergeben und dafür im Gegenzug auf die heiß umkämpfte Krumauer Madonna verzichtet.13 Das Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst konnte im Dezember 1953 feierlich in der Orangerie eröffnet werden. Die Eröffnungspräsentation umfasste knapp über hundert Werke, die – abgesehen von einigen heute nicht mehr in der Sammlung befindlichen Dauerleihgaben 14 – aus den vom KHM abgegebenen Objekten 15 ausgewählt wurden (Abb. 1–2). Dieser Werkbestand prägt die Ausrichtung der Sammlung bis heute, deren Fokus daher auf Gemälden und Skulpturen liegt, die von etwa 1200 bis 1600 auf dem Gebiet des heutigen Österreich und in angrenzenden Regionen entstanden. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Sammlung durch Ankäufe und Dauerleihgaben erweitert (Abb. 3–4),16 katalogisiert 17 und im Zuge einschlägiger Sonderausstellungen kontextualisiert.18 Im Zuge von Umstrukturierungen verließ die mittelalterliche Kunst 2007 die Orangerie, um Platz für Sonderausstellungen zu schaffen. Eine Auswahl von

S.

212

BJÖRN BLAUENSTEINER

10 Zu Initiativen zur Entwicklung des Österreichbewusstseins in den ersten Jahren nach 1945 siehe Bruckmüller 1998, S. 375–380. 11 Schreiben von Karl GarzarolliThurnlackh an BMU Ernst Kolb vom 15. 5. 1952  ; AdB, Zl. 719/1952. Zur Einrichtung des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst siehe auch AdB, Zl. 512/ 1953  ; OeStA/AdR, UKW BMU, Kunstakten, SM 327. 12 Ministerratsbeschluss vom 13. 1. 1953, Zl. 93.221-II/6/52  ; Erlass des BMU (Schreiben an Karl Garzarolli-Thurnlackh) vom 18. 1. 1953, Zl. 22.312-II/6/53. Siehe AdB, Zl. 512/1953. 13 Noch im Jahr 1955 argumentierte Garzarolli in einem Schreiben an das KHM, der Schöpfer der Krumauer Madonna sei „als deutschsprachiger Künstler anläßlich des Hussitensturmes aus Böhmen ausgewandert“ und ­s odann in Wien oder Salzburg tätig gewesen  ; siehe dazu AdB, Zl. 45/1955. Die Krumauer Madonna verblieb freilich im KHM. 14 Slg.-Kat. Wien 1953b, Nrn. 24, 33, 40, 61, 82, 101 und 103. 15 Die Übergabeliste umfasst 113 Gemälde, 71 Skulpturen sowie den Znaimer und den Ober­ vellacher Altar  ; AdB, Zl. 45/1955. 16 Siehe besonders Ausst.-Kat. Wien 1959a, Kat. 1–8  ; Slg.-Kat. Wien 1981, S. 5–9  ; Ausst.-Kat. Wien 1999, S. 14–17. 17 Slg.-Kat. Wien 1971  ; Slg.-Kat. Wien 1981. 18 Siehe besonders Ausst.-Kat. Wien 1969  ; Ausst.-Kat. Wien 1970  ; Ausst.-Kat. Wien 1973  ; Ausst.Kat. Wien 1983  ; Ausst.-Kat. Wien 1997  ; Ausst.-Kat. Wien 2013  ; Ausst.-Kat. Wien 2017  ; Ausst-Kat. Wien 2021. Zudem wurde 1992 in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt eine Ausstel­l ungs­ serie initiiert, in der bis 2015 in insgesamt 25 Ausgaben mittelalterliche Kunstwerke nach abgeschlossener Restaurierung im Belvedere der Öffentlichkeit präsentiert wurden.

Kap. III

Meisterwerken der Sammlung ist seitdem im westlichen Erdgeschoß des Oberen Belvedere ausgestellt. Weiters wurde im Prunkstall neben der Orangerie, wo bereits 1994 im Zuge einer Sonderausstellung zum Meister von Großlobming mittelalterliche Kunst präsentiert worden war,19 ein Schaudepot eingerichtet, in dem seit 2007 mit wenigen Ausnahmen die übrigen Werke der Sammlung zugänglich sind (Abb. 5). Nachdem die Sammlungsbestände des 16. Jahrhunderts durch die Sammlung Maurer bedeutende Zugänge verzeichneten und in Vorbereitung der Dürerzeit-Ausstellung 20 neu erschlossen wurden, firmiert die „älteste“ Abteilung des Belvedere nunmehr als „Sammlung Mittelalter und Renaissance“. Zudem ist das Oktogon im westlichen Erdgeschoß des Oberen Belvedere neuerdings ganz der frühneuzeitlichen Kunst vorbehalten. Die Neuaufstellung der Sammlung erfolgte anlässlich der Feierlichkeiten des Jahres 2023, in dem mehrere Jubiläen begangen werden – darunter auch siebzig Jahre ständig präsentierter mittelalterlicher Kunst im Belvedere.

1903–1938

Zu Vorgeschichte und Genese des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst

1

2 19 Ausst.-Kat. Wien 1994. 20 Ausst.-Kat. Wien 2021.

S.

213

BJÖRN BLAUENSTEINER

Abb.  1 Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst in der Orangerie des Belvedere, 1960, Foto : Julius Scherb, Bildarchiv des Belvedere, Wien

3

Abb.  2 Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst in der Orangerie des Belvedere, 1960, Foto : Julius Scherb, Bildarchiv des Belvedere, Wien Abb.  3 Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst in der Orangerie des Belvedere, Präsentation des romanischen Kruzifixus, 1973, Foto : Ekkehard Ritter, Bildarchiv des Belvedere, Wien

4

5

S.

214

Abb.  4 Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst in der Orangerie des Belvedere mit dem 1987 durch Tausch erworbenen Heiligen Josef von Hans Klocker und dem 1995 als Dauerleihgabe aus dem Kunsthistorischen Museum ins Belvedere gelangten RogendorfAltar, nach 1995 / vor 2007, Bildarchiv des Belvedere, Wien Abb.  5 Schaudepot der Sammlung Mittelalter und Renaissance im Prunkstall, 2023, Belvedere, Wien

Kapitel IV Das Museum im Nationalsozialismus

S. 246

S. 258

CHRISTOPH ZUSCHLAG —— Zur Verstrickung der Museen in die NS-Kulturpolitik

MONIKA MAYER —— Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit

SABINE PLAKOLM-FORSTHUBER —— Die NS-Kunstpolitik in der Gaustadt Wien

16

19

„Entartete Kunst“

Kunsthandel und Auktionen in Wien 1938–1945

Christoph Zuschlag S. 221

Leonhard Weidinger 17

Die Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Wien

S. 253

Kapitel IV

Das Museum im National­sozialismus

—— Der Reichsstatthalter in Wien an die Direktion der Österreichischen Galerie, 23. 2. 1941, AdB, Zl. 82/1941

20

S. 229

Die Gustav-KlimtAusstellung von 1943

18

Johanna Aufreiter

Deakzession

S. 267

Sabine Plakolm-Forsthuber

1938–1945

S. 240

Zur Vermeidung von Beschwerden seitens Jahres­ kartenbesitzern bringe ich meinen Erlass vom 10. Jänner 1941, Z/GK. 148-c von 1941 in Erinnerung. Hienach berechtigen die ausgegebenen Jahres­ karten zum unentgeltlichen, unbeschränkten Besuch von Museen, Kunstausstellungen und Sammlungen während des Kalenderjahres 1941. Ich bitte neuerlich, Ihr Aufsichts- und Kassen­ personal […] entsprechend anzuweisen und einzuschärfen, dass die Jahreskarten auch an Sonntagen, wenn an diesen die Museen, Kunst­ ausstellungen und Sammlungen allgemein zugänglich sind, und auch während der Zeit von Führungen gelten, ohne jedoch zur unentgelt­ lichen Teilnahme an diesen Führungen zu berechtigen.

Christoph Zuschlag S. 230

1938–1945

S. 223 Der nackte Reiter von

223

224

226

228

Josef Müllner (1908) im Kammergarten des Unteren Belvedere, nach 1936, Foto : Otto Schönstein, Archiv des Belvedere, Wien S. 224 Kammergarten mit

233 231 238

234

237

Blick zur Orangerie des Unteren Belvedere, 1938/39, Österreichisches Staatsarchiv, Wien

der Südseite des Oberen Belvedere, 3. 1. 1944, Foto : Martin Gerlach, Wiener Stadt- und Landesarchiv S. 237 Unteres Belvedere,

Bombenschaden im Groteskensaal, 1945, Foto : Atelier Wellek, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

S. 226 Makartsaal im Oberen

Belvedere mit dem Gemälde Triumph der Ariadne und Porträts von Hans Makart, vor 1944, Foto : Martin Gerlach, Österreichische Nationalbibliothek, Wien S. 228 Erster Wiener Schieds-

spruch im Oberen Belvedere, v. l. n. r. : František Chvalkovský, Galeazzo Ciano, Joachim von Ribbentrop und Koloman von Kanya, im Hintergrund Selbstbildnis mit Zigarette und Orpheus und Eurydike von Anselm Feuerbach, 2. 11. 1938, Foto : Heinrich Hoffmann, Bayerische Staatsbibliothek, München S. 231 V. l. n. r. : Adolf Hitler,

Galeazzo Ciano, Saburō Kurusu, Pál Teleki von Szék, Stefan von Csáky und Joachim von Ribbentrop beim Empfang im Oberen Belvedere anlässlich des Beitritts Ungarns zum Dreimächtepakt zwischen dem Deutschen Reich, Japan und Italien, 20. 11. 1940, Foto : Heinrich Hoffmann, Bayerische Staatsbibliothek, München S. 233 Bau des Bunkers an

← Eingang zur Modernen Galerie in der Orangerie des Unteren Belvedere, 1938/39, Österreichisches Staatsarchiv, Wien

S. 234 Bau des Bunkers an

der Südseite des Oberen Belvedere, 6. 9. 1943, Foto : Martin Gerlach, Wiener Stadt- und Landesarchiv

S. 238 Oberes Belvedere,

Kriegsschäden an der Westseite, Juli 1945, Foto : Bruno Reiffenstein, Bundesdenkmalamt, Wien

16

„Entartete Kunst“ Christoph Zuschlag

„E

ntartete Kunst“ war der zentrale propagandistische Begriff, unter dem die Nationalsozialisten ihre Kampagne gegen die moderne Kunst führten. 1 Er diente als Titel sowohl zweier Wanderausstellungen (1933 bis 1937 und 1937 bis 1941) als auch umfangreicher Beschlagnahmungen in deutschen Museen (1937). Der Kampf gegen die ästhetische Moderne war Bestandteil der NS-Kunstpolitik, die allein dazu diente, die ras­s istische Ideologie zu verbreiten. Dabei reichen die ideologieund geistesgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Kunstpolitik bis ins 19. Jahrhundert zurück. Zu den „Schreckenskammern“, die kurz nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten in mehreren deutschen Städten veranstaltet wurden, gehörte die im September 1933 aus Beständen des Dresdner Stadtmuseums zusammengestellte Wanderausstellung Entartete Kunst. Verantwortlich für ihr Zustandekommen war unter anderen der nationalsozialistische und antimodernistische Künstler Richard Müller, der seit März 1933 Rektor der Dresdner Kunstakademie war und in dieser Funktion Otto Dix als Professor entlassen hatte. Viele der in der Ausstellung vertretenen Künstler*innen, darunter Oskar Kokoschka, waren ehemalige Schüler*innen oder Lehrer*innen der Dresdner Kunstakademie. Von 1934 bis 1937 machte die Dresdner Ausstellung in zwölf weiteren Städten Station. 1937 wurde sie in die gleichnamige Münchner Ausstellung integriert, die im Auftrag des Propagandaministeriums zusammengestellt und als Kontrastveranstaltung zur Großen Deutschen Kunstausstellung einen Tag nach dieser, am 19. Juli 1937, eröffnet wurde. Rund 750 Werke von 110 Künstler*innen standen am Pranger.

S.

221

1

Abb. 1 Plakat der Ausstellung Entartete Kunst, Künstlerhaus, Wien, 6. 5.–18. 6. 1939, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

Das Spektrum der vertretenen modernen Kunststile war breit, aber besonders heftig wurden die Expressionisten attackiert. Nach dem Auftakt in München schickte das Propagandaministerium die Ausstellung auf Reisen, wobei sich (aufgrund der 1938 beginnenden „Verwertung“ der Beschlagnahmebestände) ihre Zusammenstellung ständig veränderte. Bis 1941 war die Schau in 16 Städten des damaligen Deutschen Reichs zu sehen, so auch – nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Altreich“ – 1938 in Salzburg und 1939 in Wien (Abb. 1). Klaus Graf von Baudissin, kommissarischer Leiter des Amts für Volksbildung im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung,

besichtigte am 22. März 1938 die – a­ ufgrund einer ministeriellen Verfügung vom Vortag geschlossene – Moderne Galerie, die Sammlung moderner Kunst der Österreichischen Galerie, und stellte in s­ einem Gutachten fest, dass deren Bestände „nur wenige Werke ausgesprochener Verfallskunst“ enthielten. Er empfahl die Magazinierung und ­E ntfernung von Bildern jüdischer Künstler*innen einschließlich Max Liebermanns. Zudem stellte er eine Beschlagnahme „wie […] im vorigen Jahr im engeren Deutschland“ in Aussicht. 2 Doch zu einer solchen Beschlagnahmung kam es weder in Wien noch in anderen österreichischen Städten, vermutlich weil sich in den Sammlungen nur relativ wenige Werke von als „entartet“ stig­ matisierten Künstler*innen befanden.

1 Vgl. zum Folgenden ­Zuschlag 1995  ; ­Zuschlag 2022b. 2 Beide Zitate nach ­Mayer M. 2005, S. 65. Vgl. zum Thema auch Mayer M. 2016.

Kap. IV 1938–1945 Der nackte Reiter von Josef Müllner (1908) im Kammergarten des Unteren Belvedere, nach 1936

S.

223

S.

224

Kammergarten mit Blick zur Orangerie des Unteren Belvedere, 1938/39

Kap. IV 1938–1945 Besuchsordnung der öffentlichen Sammlungen in Wien, Ausgabe Juni 1939, MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien, Bibliothek und Kunstblättersammlung

S.

225

Kap. IV 1938–1945 Makartsaal im Oberen Belvedere mit dem Gemälde Triumph der Ariadne und Porträts von Hans Makart, vor 1944

↑ Erster Wiener Schiedsspruch im Oberen Belvedere, v. l. n. r. : František Chvalkovský, Galeazzo Ciano, Joachim von Ribbentrop und Koloman von Kánya, im Hintergrund Selbstbildnis mit Zigarette und Orpheus und Eurydike von Anselm Feuerbach, 2. 11. 1938

S.

228

→ S. 231 V. l. n. r. : Adolf Hitler, Galeazzo Ciano, Saburō Kurusu, Pál Teleki von Szék, Stefan von Csáky und Joachim von Ribbentrop beim Empfang im Oberen Belvedere anlässlich des Beitritts Ungarns zum Dreimächtepakt zwischen dem Deutschen Reich, Japan und Italien, 20. 11. 1940

17

Die Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Wien Sabine Plakolm-Forsthuber

U

nmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 erfolgte die Einführung der deutschen Reichsgesetze. Darunter fiel auch das Reichskulturkammergesetz, das seit 1933 den gesetzlichen Rahmen für die Kulturarbeit schuf. Mit der darauf beruhenden zwangsweisen Gleichschaltung aller im Kulturbereich ­Tätigen begann die Nazifizierung und Überwachung der deutschen Kultur. Die Reichskammer der bildenden Künste (RdbK) war eine der sieben Einzelkammern (neben Schrifttum, Film, Musik, Theater, Presse, Rundfunk) der Reichskulturkammer, die dem Reichsminister für Volksauf‌k lärung und ­P ropaganda Joseph Goebbels unterstand. Die RdbK, die von 1933 bis 1945 von den Präsidenten Eugen Hönig, Adolf Ziegler und Wilhelm Kreis geleitet wurde, war das zen­ trale Organ der Kunst- und Künstler*innenverwaltung des Dritten Reichs. Die Zwangsmitgliedschaft bildete die Voraussetzung für die Berufsausübung. Kunstschaffende wurden einem strengen Aufnahmeverfahren unterzogen, bei dem neben der „Abstammung“ die politische Zuverlässigkeit sowie die künstlerische Fähigkeit überprüft ­w urden. Künstler*innen jüdischer Herkunft, politisch Andersdenkende oder Vertreter*innen einer liberal-modernen Kunsthaltung hatten keine Chance, aufgenommen zu werden. Abgewiesenen wurde ein von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo)

1 S.

229

überwachtes Berufsverbot erteilt ; die Ausstellung von Sondergenehmigungen war die Ausnahme. Auf diese Weise kontrollierte und sicherte sich das NS-Regime den Zugriff auf das Kunstgeschehen und lenkte es nach seinen ideologischen Vorstellungen. Wie im Deutschen Reich wurden in den einzelnen Gauen der „Ostmark“ Landes­ leitungen der RdbK eingerichtet. Im April 1938 ernannte Gauleiter Josef Bürckel den Maler und Künstlerhaus-Präsidenten Leopold Blauensteiner (Abb. 1) zum „Leiter aller Institutionen für bildende Kunst“ ; im August 1939 wurde Blauensteiner die Landesleitung Wien der RdbK übertragen. Erster Geschäftsführer war bis 1944 der Architekt und Maler Marcel Kammerer, dem der Schriftsteller Franz Schlögel nachfolgte. Referenten aus unterschiedlichen Fachbereichen wie der Maler Igo Pötsch, der Bildhauer Ferdinand Opitz oder der Architekt Robert Örley unterstützten Blauensteiner. Die vorerst im Künstlerhaus installierte Dienststelle wechselte 1939 in die Räume des Reichspropagandaamts im „arisierten“ Palais Epstein (Reisnerstraße  40, 3. Bezirk) und kurz vor Kriegsende in den Trattnerhof (Graben, 1. Bezirk). Blauensteiner war einer der mächtigsten NS-Kulturfunktionäre in Wien. Zu seinen Aufgaben gehörte die Durchführung des Aufnahmeverfahrens, das eine enge Kooperation mit der Wiener Gauleitung der NSDAP, der Gestapo und der RdbK in Berlin erforderte. Ihm oblag die Genehmigung von Kunstausstellungen, er intervenierte gegen „entartete Kunst“ (→ S. 221,  16  ), kon­ trollierte die Preisbildung für Kunstwerke, war Jurymitglied bei Wettbewerben, bewilligte Reisen, finanzielle Unterstützungen oder Materialzuwendungen. Nach Kriegsende musste sich Blauensteiner vor einem Volksgericht verantworten.

Abb. 1 Leopold Blauensteiner mit NS-Parteiabzeichen am Revers, o. J., Foto  : Otto Schmidt, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

18

Deakzession Christoph Zuschlag

A

ls Deakzessionen werden im musealen Kontext Abgaben von Museumsbesitz bezeichnet, etwa durch Verkauf oder Tausch. 1 Es handelt sich um Formen des „Entsammelns“. Im Nationalsozialismus verlo­ ren Museen nicht nur durch die staatliche Beschlagnahme „entarteter“ Kunst Bestände an moderner Kunst, sondern in erheblichem Umfang auch durch nicht von offiziellen Stellen angeordnete, also „freiwillige“ Abgaben. 2 Museumsleiter wie Hermann Voss in Wiesbaden und Klaus Graf von Baudissin in Essen ­s tießen bereitwillig und in vorauseilendem Gehorsam Werke der missliebigen Moderne ab. Baudissin, Mitglied der NSDAP seit 1932 und der SS seit 1935, hatte als kommissarischer Direktor der Staatsgalerie Stuttgart dort 1933 die Ausstellung Novembergeist – Kunst im Dienste der Zersetzung organisiert. 1934 wechselte er als Direktor an das Museum Folkwang in Essen, wo er im Juli 1936 Wassily Kandinskys Gemälde Improvisation 28 an den Berliner Kunsthändler Ferdinand Möller veräußerte, der es in die USA weiterverkaufte. Es befindet sich heute im Solomon R. ­G uggenheim Museum, New York. Doch von Interesse sind nicht nur die realisierten, sondern auch die versuchten Deakzessionen. Beispiel Mannheim : Im Archiv der Kunsthalle belegen mehrere Schriftstücke, dass sich das Museum von 1933 bis 1937 um die Abgabe mehrerer Gemälde bemühte und in dieser Angelegenheit mit verschiedenen Kunsthändler*innen und Privatpersonen korrespondierte. Dabei ging es vor allem um zwei Bilder der jüdischen Künstler Marc Chagall und Jankel Adler, die im Frühjahr 1933 im Zentrum der Schau Kulturbolschewistische

Bilder gestanden hatten. Es kam jedoch zu keiner Transaktion, beide Werke wurden 1937 beschlagnahmt und in die Ausstellung Entartete Kunst aufge­ nommen. Ein Sonderfall war der 1935 verstorbene Max Liebermann. 3 Stilistisch gehörten seine Werke nicht unbedingt zu der von den Nazis verfemten Kunst, er war auch nicht in der Ausstellung Entartete Kunst vertre­t en. Dennoch versuchte der NS-Staat, das Andenken an den ebenso berühmten wie uner­w ünschten jüdischen Künstler zu unterbinden. So ordnete Erziehungsminister Bernhard Rust auf einer Tagung der Museumsleiter am 2. August 1937 an : „Liebermann weghängen“. In der Folge trennten sich unter anderen die Museen in Breslau, Chemnitz, Dortmund, Düsseldorf, Halle, Hamburg, Köln, Leipzig, Oldenburg und Stuttgart überwiegend durch Tausch, in einigen Fällen auch durch Verkauf, von mindestens 35 Werken Liebermanns. Nicht so jedoch die Moderne Galerie in Wien. 4 Auf Anfrage des Hamburger Kunsthändlers Hildebrand ­G urlitt teilte die Direktion der Österreichischen Galerie am 24. Juni 1941 mit, „dass eine Abgabe von Werken Liebermanns nicht in Betracht kommt, weil eine Verfügung besteht, dass die Bestände der Modernen Galerie im ursprünglichen Umfange erhalten bleiben sollen“. Auch die Anfrage eines Osloer Kunsthändlers vom 24. September 1941, ob das Museum Bilder von Munch, Matisse, van Gogh, Cézanne, Picasso und anderen Künstlern verkaufen oder tauschen wolle, wurde von Bruno Grimschitz (→ S. 255, Abb. 1) abschlägig beschieden.

1 Vgl. Gammon 2018. 2 Vgl. Zuschlag 2016. 3 Vgl. zum Folgenden ­Zuschlag 2021. 4 Vgl. zum Folgenden ­Mayer M. 2005, S. 67.

231

S.

1938–1945

Kap. IV

Die unterzeichnete Direktion sieht in einer so weitgehenden Nutzung des Schlosses durch die genannte Befehlsstelle der Polizei eine Gefährdung dieses bedeutendsten Barock­schlosses auf Wiener Boden, wie sie stärker nicht gedacht werden kann. […] zumal das Schloss durch die Nähe zweier Bahnhöfe und des Arsenals, und seit längerer Zeit durch die Aufstellung einer Schein­ werferanlage wie durch den Bau des erwähnten Luftschutzbunkers ohnehin besonders gefährdet ist. —— Bruno Grimschitz an den Generalkulturreferenten Hermann Stuppäck, 2. 10. 1944, AdB, Zl. 240/1944

S.

232

Kap. IV 1938–1945 Bau des Bunkers an der Südseite des Oberen Belvedere, 6. 9. 1943

S.

233

S.

234

Bau des Bunkers an der Südseite des Oberen Belvedere, 3. 1. 1944

—— Die Direktion der Österreichischen Galerie an die Verwaltungsstelle der staatlichen Theater, Kunstanstalten und Museen, 29. 1. 1942, AdB, Zl. 87/1942

S.

235

Kap. IV 1938–1945

Weiter berichtet die unterzeichnete Direktion, dass der Koksvorrat 13 Tonnen beträgt und bei sparsamster Heizung des Oberen Belvedere Schlosses die genannten Ausstellungen bis Anfang März geöffnet bleiben könnten. Trotz der Sperrung muß getrachtet werden, um die kostbarsten Kunstwerke der Galerie und der Preussischen Schlösser vor Schädigungen zu bewahren, die Temperatur nicht unter + 6 Grad fallen zu lassen.

Da infolge des weiteren Verbleibens der PolizeiBefehlsstelle im Bunker ein neuerlicher Angriff als konsequente Folge anzusehen ist, hat die […] Direktion im Laufe der letzten Wochen das Schloss bereits von allen Kunstwerken, von der Bibliothek und von dem Archiv der Österrei­ chischen Galerie geräumt. Sie ist gezwungen, da der Dienst in dem schwer beschädigten Hause ohne Licht, Telephon und Wasser nicht fortzuführen ist, den amtlichen Dienst in die Albertina zu verlegen. Gleichzeitig wird […] um die Verlegung der Polizei-Befehlsstelle in einen anderen Bunker Wiens [gebeten], um die voraus­sichtliche völlige Zerstörung eines der Hauptwerke der deutschen Barockarchitektur zu vermeiden. —— Bruno Grimschitz an die Verwaltungsstelle der staatlichen Theater, Kunstanstalten und Museen, 21. 11. 1944, AdB Zl. 240/1944

S.

236

Kap. IV 1938–1945 Unteres Belvedere, Bombenschaden im Groteskensaal, 1945

S.

237

Oberes Belvedere, Kriegsschäden an der Westseite, Juli 1945

1938–1945

Kap. IV

S.

240

S.

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CHRISTOPH ZUSCHLAG —— Zur ­Verstrickung der Museen in die NS-Kulturpolitik

Kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Jänner 1933 begann der systematische Auf- und Ausbau der nationalsozialistischen Herrschaft auf allen Ebenen des politischen und gesellschaftlichen Lebens.1 Gravierende Folgen für die Museen hatte das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933, auf dessen Grundlage Beamte aus „rassischen“ oder politischen Gründen entlassen werden konnten. Mehrere Dutzend Hochschullehrer*innen an Kunstakademien und Universitäten verloren quasi über Nacht ihre Posten, hinzu kamen rund 35 Direktor*innen und Abteilungsleiter*innen in Museen – darunter viele Unterstützer*innen der modernen Kunst wie Lilli Fischel (Karlsruhe), Ernst Gosebruch (Essen), Gustav F. Hartlaub (Mannheim), Carl Georg Heise (Lübeck) und Max Sauerlandt (Hamburg). An ihre Stelle rückten Personen, die der NSDAP und/oder dem „Kampf‌bund für deutsche Kultur“ nahestanden, einem Sammelbecken völkischer und national-konservativer Verbände. Es war überwiegend dieser Personenkreis, der ab dem Frühjahr 1933 in zahlreichen Städten Sonderausstellungen organisierte, in denen der jeweils am Ort vorhandene Bestand an moderner Kunst in diffamatorischer Absicht gezeigt wurde. Die Ausstellungen, die in der zeitgenössischen Presse auch als „Schreckenskammern“, „Schandausstellungen“ und „Horrorkabinette“ bezeichnet wurden, trugen Titel wie Kulturbolschewistische Bilder (Mannheim), Regierungskunst 1918–1933 (Karlsruhe), Novembergeist – Kunst im Dienste der Zersetzung (Stuttgart) oder Kunst der Geistesrichtung 1918–1933 (Breslau). Dies verdeutlicht das rein politische Ziel : Die Kunstwerke wurden dem Publikum pauschal als Degenerationserscheinungen der Weimarer Republik vorgeführt, um diese zu diskreditieren und den Sieg der Nationalsozialisten zu feiern. Die „Schreckenskammern“ nahmen die zentral organisierte Münchner Wanderschau Entartete Kunst von 1937 (Abb. 1), die 1939 auch in Wien gezeigt wurde (→ S. 221,  16 ), in Bezug auf ihre politische Funktion, ideologische Stoßrichtung und propagandistische Inszenierung auf lokaler Ebene vorweg. Auf diese Weise waren die Museen aktiv an der NSPropaganda und der Verbreitung ihrer Feindbilder beteiligt.

1 Vgl. zum Folgenden ­Z uschlag 1995. Für wertvolle Hinweise zu meinen Beiträgen in diesem Band danke ich Monika Mayer herzlich.

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Kap. IV 1938–1945

Wie wirkte sich der Machtantritt der Nationalsozialisten am 30. Jänner 1933 auf die Museen und Sammlungen moderner Kunst im Deutschen Reich aus ? Inwiefern unterstützten diese den NS-Staat oder widersetzten sich ihm ? Welche Konsequenzen hatte dies für ihre Erwerbungsstrategien und Ausstellungspraxis ? Diese komplexen Fragen sollen im Folgenden schlaglichtartig beleuchtet werden.

Während die künstlerische Moderne also bereits 1933 vielerorts am Pranger stand, blieb das ehemalige Kronprinzenpalais in Berlin, das die moderne Abteilung der Nationalgalerie beherbergte, bis 1936, dem Jahr der Olympischen Spiele in Berlin, geöffnet. Im obersten Geschoß konnte das Publikum ungehindert expressionistische Kunst von Ernst Barlach, Käthe Kollwitz, Franz Marc und anderen bewundern. Hintergrund dieser widersprüchlichen Situation war, dass innerhalb der NS-Führungsriege ideologische Richtungskämpfe und Kompetenzrangeleien ausgefochten wurden, die einen eindeutigen kunstpolitischen Kurs in den ersten Jahren der NS-Diktatur verhinderten. Im Grunde blieb die nationalsozialistische Kunstpolitik bis zum Ende durch Widersprüche und Willkür geprägt.

CHRISTOPH ZUSCHLAG

Vor und nach Eröffnung der erwähnten Münchner Femeschau Entartete Kunst wurden auf Geheiß des Propagandaministeriums in den deutschen Museen rund 21 000 Kunstwerke von 1476 Künstler*innen beschlagnahmt (davon etwa ein Drittel Bilder, Skulpturen, Aquarelle und Zeichnungen und zwei Drittel Druckgrafiken).2 Sie fielen ab 1938 der „Verwertung“ anheim : Dabei wurden 46 Prozent verkauft beziehungsweise eingetauscht (überwiegend gegen Werke des 19. Jahrhunderts), 33 Prozent zerstört, die restlichen 21 Prozent verteilen sich auf nicht verkaufte Kommissionsware bei den beauftragten Kunsthändlern, Exponate der Wanderausstellung Entartete Kunst sowie vereinzelte Rückgaben an die Besitzer*innen oder Leihgeber*innen (1,5 Prozent).3 Neben dieser staatlichen Konfiszierungsaktion, gegen die sich die Museen nicht wehren konnten, kam es vielerorts aber auch zu „freiwilligen“ Abgaben moderner Kunst auf dem Wege des Verkaufs oder Tauschs (→ S. 230,  18  ). Anlässlich der erwähnten Olympischen Spiele in Berlin veranstaltete die Nationalgalerie im Sommer 1936 im ehemaligen Kronprinzenpalais die Sonderausstellung Große Deutsche in Bildnissen ihrer Zeit – nur ein Beispiel dafür, wie Museen ideologiekonforme Themen aufgriffen. Andere Ausstellungen, die nicht nur von Museen, sondern auch von der Reichskammer der bildenden Künste 4 und anderen NS-Organisationen durchgeführt wurden, trugen Titel wie Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst, die im Frühjahr 1938 auch in der Wiener Secession gezeigt wurde (Abb. 2), Deutscher Bauer – Deutsches Land, Schönheit der Arbeit, Deutschlands Größe, Schaffendes Volk, Blut und Boden, Frau und Mutter – Lebensquelle des Volkes und Heroische Kunst. Neben solchen die NS-(Rassen-)Ideologie und -Rollenbilder illustrierenden und die vermeintlichen Leistungen des NSStaates zelebrierenden Ausstellungen gab es dezidierte Feindbildausstellungen wie Weltfeind Nr. 1 – Der Bolschewismus und Der ewige Jude.5 „Sudetendeutsche“ Kunstausstellungen und Kunst der Ostmark bereiteten sehr konkret den ab 1938 vollzogenen Annexionsplänen den Boden. Ab

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2 Vgl. die Datenbank zum Beschlagnahmeinventar der Aktion „Entartete Kunst“, Forschungsstelle „Entartete Kunst“, FU Berlin, https://www.geschkult. fu-berlin.de/e/db_ent art_kunst/datenbank/ index.html (zuletzt ­b esucht am 16. 8. 2022). 3 Vgl. Hüneke 2010, S. 77  f. 4 Vgl. hierzu Holzschuh/ Plakolm-Forsthuber 2021  ; Kubowitsch 2016. 5 Vgl. zu NS-Feindbildausstellungen jüngst umfassend Burgstaller 2022.

Auch in den Erwerbungsstrategien lassen sich Änderungen registrieren. In den ersten Jahren der NS-Herrschaft war es den Museen – ungeachtet der genannten „Schreckenskammern“ – noch möglich, Werke etwa der Expressionisten in zum Teil großem Umfang anzukaufen. So erwarb der Museumsverein des Museum Folkwang in Essen Anfang 1935 das fast vollständige grafische Œuvre von Emil Nolde (das dann bereits 1937 der Konfiszierung zum Opfer fallen sollte).6 Das Jahr 1937 brachte mit der Beschlagnahme und der Münchner Ausstellung „entarteter“ Kunst zweifellos eine Verschärfung des Kampfes gegen die ästhetische Moderne, dennoch kam es auch in der Folge vereinzelt zu Erwerbungen verfemter Künstler*innen. Zugleich öffneten sich Museen der NS-konformen Kunst und tätigten Ankäufe beispielsweise bei den jährlichen Großen Deutschen Kunstausstellungen in München. Andere konzentrierten sich auf „deutsches“ Kunsthandwerk und Kunstgewerbe. Ab Kriegsbeginn wurden die Museen geschlossen, ihre Bestände sukzessive ausgelagert, um sie vor der Zerstörung zu bewahren. Dennoch kam es zu erheblichen Verlusten durch Bomben- und Brandschäden, aber auch durch Plünderungen. Nach Kriegsende hing das Schicksal der evakuierten Kulturgüter von der jeweiligen Besatzungsmacht ab, welche die Depots zuerst besetzte. Ein Beispiel sei herausgegriffen : 1943 lagerte die Kunsthalle Bremen Bestände auf Schloss Karnzow nahe Kyritz in Brandenburg aus. Kurz nach Kriegsende plünderten Angehörige der sowjetischen Armee und Einheimische aus dem Ort das Schloss. 101 Zeichnungen und Grafiken gelangten nach Moskau, wo sie 1993 anonym in der Deutschen Botschaft abgegeben wurden. Im Jahr 2000 erfolgte die Rückgabe der Blätter durch Russland an die Kunsthalle Bremen.7

6 Vgl. Fulda/Ring/ Soika 2019. 7 Vgl. Zuschlag 2022a, S. 157. 8 Für eine tour d’horizon zum Thema vgl. ­B aensch/KratzKessemeier/ Wimmer 2016.

Im Hinblick auf die politischen und administrativen Rahmenbedingun­ gen der Museumsarbeit in NS-Deutschland, die Akteur*innen und ihre individuellen Handlungsspielräume, die kuratorische Praxis und ihre Rezeption durch die Öffentlichkeit gibt es noch ganz erheblichen Forschungsbedarf.8 Auch gilt es, die lange Zeit tradierte einseitige Sicht auf die Museen als Opfer der NS-Kunstpolitik einer kritischen Revision zu

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1939 traten kriegsverherrlichende und Feindstaaten verteufelnde Ausstellungen hinzu : Polenfeldzug in Bildern und Bildnissen, Kunst der Front, Künstler sehen den Krieg, Raubstaat England. Auf‌fallend ist zudem die Fokussierung auf die Bereiche Kunsthandwerk und Kunstgewerbe. So veranstaltete das Städtische Moritzburgmuseum in Halle an der Saale Anfang 1937 die Schau Kunsthandwerk im Gau Halle-Merseburg, und die Städtische Kunsthalle Mannheim präsentierte 1941/42 Künstler in der Industrie – Vorbildliche Gestaltung industrieller Erzeugnisse.

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Zur ­Verstrickung der Museen in die NS-Kulturpolitik

unterziehen. Dies schließt eine kritische Analyse der Verstrickung einzelner Akteur*innen in den NS-Kunstraub ein. Mit Hans Posse und Hermann Voss dienten gleich zwei deutsche Museumsdirektoren als Sonderbeauftragte Hitlers für das geplante „Führermuseum Linz“.9 Doch auch Wiener Museumsmitarbeiter*innen wie Bruno Grimschitz (→ S. 255, Abb. 1), der als NSDAP-Mitglied nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 die ­Direktion der Österreichischen Galerie übernahm, waren im Auftrag von NS-Behörden als Kunstsachverständige tätig und begutachteten be­ schlagnahmte und sichergestellte jüdische Kunstsammlungen.

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9 Vgl. Iselt 2010  ; Lupfer/ Rudert 2015.

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Zur ­Verstrickung der Museen in die NS-Kulturpolitik

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Abb.  1 Ausstellung Entartete Kunst, Haus der Kunst, Berlin, 1938, Foto : Scherl, SZ Photo/Historische Archive, München Abb.  2 Plakat der Ausstellung Die Straßen Adolf Hitlers, Wiener Secession, 28. 3.–15. 5. 1938, Bancroft Library, UC Berkeley

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1 „Raub und Zerstörung an Wiener Kunstbesitz“, in  : Neues Österreich. Unabhängiges Wiener Tagblatt, 4. 5. 1945, S. 3. 2 Zur Person Bruno Grimschitz, ­w issenschaftlicher Mitarbeiter der Österreichischen Galerie (ÖG) seit 1919, siehe Mayer M. 2005  ; www.lexikon-­p rovenienz forschung.org/grimschitz-bruno (zuletzt besucht am 25. 9. 2022). 3 Schreiben von Bruno Grimschitz an die Verwaltung der staat­ lichen Theater, Kunstanstalten und Museen, 9. 5. 1945, AdB, Zl. 36/1945. 4 Siehe dazu grundlegend Lillie 2003. 5 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Österreichische Unterrichtsministerium, 6. 5. 1938, AdB, Zl. 202/1938. 6 Klaus Graf von Baudissin, Gut­ achten über den Befund der ­Modernen Galerie und der ÖG, 25. 3. 1938, ÖStA/AVA, BMU, 15B1, Albertina, Zl. 9.349/1938  ; siehe dazu den Beitrag von ­C hristoph Zuschlag in diesem Band, S. 240.

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Kap. IV 1938–1945

Unter dem Titel „Raub und Zerstörung an Wiener Kunstbesitz“ erschien in der Tageszeitung Neues Österreich am 4. Mai 1945 ein Artikel, in dem das Schicksal der Museen in der NS-Zeit thematisiert wurde. Nicht nur „durch die kriegerischen Ereignisse“, sondern auch durch Bergungsmaßnahmen und „richtige Verschleppungen“ habe „der repräsentative Kern der Wiener Kunstsammlungen Schweres zu erleiden gehabt“.1 Der Direktor der Österreichischen Galerie, Bruno Grimschitz 2 (Abb. 1), gab in seiner Entgegnung die Verluste des Museums mit nur „3 Gemälden von untergeordnetem künstlerischem Wert“ an und führte weiter aus : „Sonst verlor die Österreichische Galerie kein Kunstwerk, dagegen konnten in einer ungewöhnlich reichen und weitgehend den national­sozialistischen Richtlinien ganz entgegengesetzten Erwerbungstätigkeit“ für das Museum in den Jahren von 1938 bis 1945 „mehr als zweihundert Kunstwerke von Rang erworben werden.“ 3 Unerwähnt bleiben dabei der Raub und die Zerstörung jüdischer Kunstsammlungen 4 in Österreich. Wie auszuführen sein wird, zeigt die Sammlungs-, Erwerbungs- und Personalpolitik der Wiener Museen nach dem „Anschluss“ im März 1938 auf verschiedenen Ebenen die enge Verflechtung der In­ stitution Museum mit der NS-Bürokratie. Im Folgenden soll am Beispiel der Österreichischen Galerie auf Fragen der Inklusion/Exklusion des Museumsbetriebs in der NS-Zeit eingegangen werden : Themen wie die „Eliminierung“ von Mitarbeiter*innen und Sammler*innen aus rassistischen Gründen, die Schließung der Modernen Galerie 1938, Akquisitionen im Rahmen des NS-Kunstraubs beziehungsweise im Sinne der NS-Kunstförderung, Bergungs- und Luftschutzmaßnahmen, aber auch der Umgang mit Werken „entarteter“ Kunst oder jüdischer Künstler*innen sollen angesprochen werden. Am 22. März 1938, wenige Tage nach dem „Anschluss“, war die Moderne Galerie, die 1929 eröffnete Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts in der Orangerie des Unteren Belvedere, geschlossen worden : entsprechend der ministeriellen Vorgabe, „diese bis auf weiteres gesperrt zu belassen, [und] ihre Bestände […] zu magazinieren“ 5 (Abb. 2). Klaus Graf von Baudissin, der kommissarische Leiter des Amtes für Volksbildung im Reichserziehungsministerium, hatte nach der Besichtigung festgehalten, dass die „Bestände der Modernen Galerie […] nur wenige Werke ausgesprochener Verfallskunst [umfassen].  […] Es ist damit zu rechnen, dass ein Teil dieser Bestände beschlagnahmt wird, so wie dies im vorigen Jahr im engeren Deutschland schon planmäßig […] geschehen ist.“ 6 Ebenfalls zu entfernen seien Bilder jüdischer Künstler*innen. Tatsächlich wurden im Zuge der einsetzenden Bergungsmaßnahmen ab dem Sommer 1939 Werke von Lovis Corinth (Abb. 3), Oskar Kokoschka oder Egon Schiele, die im Deutschen Reich als „entartet“ diffamiert waren, aber auch Gemälde jüdischer Künstler*innen wie Tina Blau oder Max L ­ iebermann an externe

Bergungsorte verbracht, wo sie den Krieg unbeschadet überstanden. In diesem Sinne wurde dem Hamburger Kunsthändler Hildebrand Gurlitt im Juni 1941 mitgeteilt, „dass eine Abgabe von Werken Liebermanns nicht in Betracht kommt, weil eine Verfügung besteht, dass die Bestände der Modernen Galerie im ursprünglichen Umfange erhalten bleiben sollen“ 7. Im Oktober 1939 wurde das Gebäude der Modernen Galerie der Zentralstelle für Denkmalschutz zur Auf‌bewahrung sichergestellter Kunstwerke zugewiesen.8 Bereits am 6. April 1938 hatte Grimschitz an das Unterrichtsministerium gemeldet, dass er die kommissarische Leitung der Österreichischen Galerie übernommen habe (Abb. 4), „da deren Direktor Hofrat Dr. Franz Martin Haberditzl sein Gesuch um Beurlaubung eingereicht hat“ 9. Gleichzeitig gab Grimschitz die Entpflichtung des Kustos Heinrich Schwarz 10 aus rassistischen Gründen und die Aufnahme von Kurt Blauensteiner zum provisorischen wissenschaftlichen Dienst bekannt.11 Der notwendige Nachweis „arischer“ Abstammung für den Kunsthistoriker Blauensteiner wurde durch die Mitgliedschaft seines Vaters, des Malers und NS-Kulturfunktionärs Leopold Blauensteiner (→ S. 229, Abb. 1), bei der Reichskulturkammer erbracht.12 Nach der Versetzung von Franz Martin Haberditzl (→ S. 201, Abb. 4) Ende Juli 1938 „in den dauernden Ruhestand“ wurde Grimschitz mit 20. August 1938 offiziell zum kommissarischen Leiter des Museums bestellt ; die Ernennung zum Direktor erfolgte mit 28. Dezember 1939. Bruno Grimschitz, Mitglied der NSDAP seit Mai 1938,13 etablierte sich in der NS-Zeit als Multifunktionär und avancierte zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Kunst- und Kulturbetrieb der „Ostmark“. Abgesehen von seiner unbestrittenen Fachkompetenz wurde in den Beurteilungen des Gaupersonalamts seine politische Verlässlichkeit hervorgehoben und auf seine nationale Haltung in der „Verbotszeit“ vor 1938 hingewiesen.14 Von Jänner 1940 bis Februar 1941 hatte er zusätzlich die kommissarische Leitung der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums inne. Im Oktober 1941 bestellte ihn Reichsstatthalter Baldur von Schirach zum Leiter des im Winterpalais des Feldherrn in der Wiener Himmelpfortgasse einzurichtenden Prinz Eugen-Museums (→ S. 49,  4  ). Im August 1941 folgte die Ernennung zum Sachverständigen der Ankaufsstelle für Kulturgut in der Reichskammer der bildenden Künste zur Verwertung jüdischen Kunstbesitzes.15 Wie skrupellos Grimschitz das durch seine Gutachtertätigkeit erworbene Wissen für mögliche Akquisitionen einsetzte, beweist der Fall von Vally Honig. Grimschitz informierte 1942 das Institut für Denkmalpflege über die Deportation Honigs und bat, „Nachforschungen über den Verbleib der ‚sehr schönen Bilder‘ anzustellen“ 16. Im Juni 1944 betraute man ihn mit der Leitung des Zweckverbands Salzburger Museum, wo er mit dem Kunsthändler Friedrich Welz 17 ko-

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7 Schreiben von Fritz Novotny an Hildebrand Gurlitt, 24. 6. 1941, AdB, Zl. 250/1941. 8 Schreiben des Ministeriums für ­i nnere und kulturelle Angelegenheiten an Bruno Grimschitz, 10. 10. 1939, AdB, Zl. 712/1939. 9 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Österreichische Unterrichtsministerium, 6. 4. 1938, AdB, Zl. 196/1938. 10 Zur Person Heinrich Schwarz, der 1938 als „Jude“ aus Österreich vertrieben wurde, siehe Wendland 1999, S. 630–635. 11 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Österreichische Unterrichtsministerium, 6. 4. 1938, AdB, Zl. 196/1938. 12 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, 16. 7. 1938, AdB, Zl. 608/1938. 13 Parteimitglied mit der Mitgliedsnummer 6,228.429 seit 1. 5. 1938, ÖStA/AdR, BMU, Personalakt Bruno Grimschitz. 14 Schreiben der Gauleitung Wien an das Gaupersonalamt, 21. 4. 1942, ÖStA/AdR, BMI, Gauakt Bruno Grimschitz, Zl. 179.197. 15 Schreiben der Reichsstatthalterei Wien an Bruno Grimschitz, 11. 8. 1941, AdB, Zl. 349/1941. 16 Siehe Lillie 2003, S. 521–523. Vally Honig-Roeren wurde nach der Verhaftung am 5. Oktober 1942 nach Maly Trostinec deportiert und ermordet. 2006 empfahl der Kunstrückgabebeirat die ­Restitution eines WaldmüllerHerrenporträts aus der ehemaligen Sammlung Honig, das ­G rimschitz 1940 erworben hatte  ; siehe www.­p rovenienzforschung. gv.at/­b eiratsbeschluesse/HonigRoeren_Vally_2006-06-28.pdf (zuletzt besucht am 25. 9. 2022). 17 Siehe Kerschbaumer 2000.

18 Abschrift des Schreibens des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volks­ bildung an den Reichsstatthalter in Wien, 28. 5. 1942, ÖStA/AdR, BMU, Personalakt Bruno Grimschitz. 19 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Österreichische Unterrichtsministerium, 15. 4. 1938, AdB, Zl. 206/1938. 20 Czernin 1999, Bd. 2, S. 310. 21 Schreiben der ÖG-Direktion an Hermann Berchthold, treuhän­ diger Verwalter der Sammlung Lederer, 30. 6. 1939, AdB, Zl. 442/ 1939. Unter den angeführten 13 Kunstwerken von Klimt, Schiele, Maulbertsch und BurneJones befinden sich die folgenden zehn Werke Gustav Klimts  : Die Musik, Der goldene Apfelbaum, Die Philosophie (und 1 Studie), Die Jurisprudenz, Beetho­ venfries, Danae, Damenbildnis und zwei Landschaften. 22 AdB, Zl. 67/1944. 23 Schreiben des Österreichischen Unterrichtsministeriums an Bruno Grimschitz, 1. 4. 1938, AdB, Zl. 202/1938. 24 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Österreichische Unterrichtsministerium, 6. 5. 1938, AdB, Zl. 202/1938. 25 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Generalreferat für Theater und Museen im Reichsgau Wien, 15. 2. 1940, AdB, Zl. 59/1940.

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operierte. Ein weiterer Beleg für die Wertschätzung, die Grimschitz als Museumsleiter und Kunstexperte von der offiziellen NS-Bürokratie entgegengebracht wurde, ist die vom Reichserziehungsministerium 1942 vorgeschlagene Betrauung mit der Direktion der Berliner Nationalgalerie.18 Bereits im April 1938 hatte Bruno Grimschitz an das Unterrichtsministerium in Wien einen Antrag auf „Ausgestaltung der Sammlungen in personeller, wissenschaftlicher, künstlerischer und administrativer Hinsicht“ gerichtet. Er forderte die „Gewährung außerordentlicher Dotationen für die Erwerbung von Kunstwerken, die für die Repräsentation österreichischer Kunst in der Österreichischen Galerie unbedingt wesentlich sind und deren Abwanderung unter allen Umständen zu verhindern sein wird. Infolge der Auf‌lösung von Sammlungen oder infolge der tiefgreifenden Umschichtungen des österreichischen Privatbesitzes durch die grundsätzlich neuen politischen Verhältnisse werden kostbarste Werke der österreichischen Kunst frei, die durch viele Jahre für eine staatliche Erwerbung unerreichbar waren.“ 19 So deponierte Grimschitz, von Hubertus Czernin als „einer der größten Profiteure der Enteignung jüdischer Kunstsammlungen“ charakterisiert,20 im Juni 1939 sein Interesse an insgesamt 13 Gemälden aus der sichergestellten Sammlung von Serena Lederer 21 – darunter zehn Werke Gustav Klimts mit den beiden Fakultätsbildern Philosophie und Jurisprudenz, die das Museum tatsächlich 1944 aus dem Besitz von Lederers Tochter Elisabeth Bachofen-Echt erwarb.22 Pläne der NS-Kulturbürokratie, der Österreichischen Galerie durch Entfernung „ausländischer“ Künstler*innen „den Charakter einer rein nationalen Sammlung“ 23 zu geben, wurden von Grimschitz vehement und erfolgreich zurückgewiesen : „Abgesehen davon, dass die Galerie durch die Ausscheidung der französischen Meisterwerke einen ihrer wertvollsten Teile verlieren würde, käme die Umwandlung in eine österreichische nationale Galerie konsequent auch zur Ausgliederung der Schöpfungen deutscher Kunst.“ 24 Auch die vorgeschlagene Einrichtung einer „Auslandsgalerie“ in der Orangerie des Unteren Belvedere lehnte Grimschitz dezidiert ab ; stattdessen forcierte er bezugnehmend auf das ab 1912 umgesetzte museale Konzept der Österreichischen Staatsgalerie den Auf‌bau eines Museums der österreichischen gotischen Kunst : Dieses sollte unter anderem aus Beständen des Kunsthistorischen Museums und des Kunstgewerbemuseums aufgebaut werden. Die angedachte Unterbringung in den Räumen der Modernen Galerie sei „nur eine provisorische, da in den ausgedehnten Nebentrakten des Unteren Belvederes genügend Raum […] vorhanden wäre“ 25. Mit Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, vom 23. Jänner 1940 wurde die offizielle Erwerbung von Werken lebender Künstler*innen durch Museen wieder ermöglicht : „In Anbetracht der gegenwärtig besonders schwierigen Lage der

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Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit

bildenden Künstler erkläre ich mich damit einverstanden, dass die Museen künftig wieder Werke von lebenden Künstlern erwerben. Ich gehe dabei davon aus, dass es keinen Museumsleiter mehr gibt, der Werke ankauft, die mit der nationalsozialistischen Kunstauf‌fassung nicht im Einklang stehen.“ 26 Dementsprechend stellte Bruno Grimschitz in seinem Bericht über die Österreichische Galerie im Februar 1940 fest, dass „eine jährliche Dotation in der Höhe von 50 000–70 000 RM […] notwendig [wäre], um die Sammlungen erfolgreich weiter auszubauen, die Ausgestaltung des gotischen Museums durchzuführen und die moderne Kunst durch Erwerbung von Werken lebender Meister museal erfassen zu können“ 27. Grundsätzlich muss im Kontext der von Grimschitz getätigten Erwerbungen des Museums in der NS-Zeit auf die „Wiener“ Kulturpolitik unter Reichsstatthalter Baldur von Schirach hingewiesen werden.28 Generalkulturreferent Walter Thomas betonte die besondere Förderung, die die Wiener Museen während der NS-Zeit erfahren hatten : „Nicht minder aber beteiligte sich die ‚Österreichische Galerie‘ an dem Berliner Millionensegen, den wir in zäh geführten Verhandlungen für den Neuerwerb der staatlichen Sammlungen erhandelt hatten.“ 29 Grimschitz selbst hatte die außerordentliche Förderung Schirachs stets hervorgehoben : „Sein lebendig förderndes Interesse und seine besonderen finanziellen Zuwendungen setzten die Direktion in die Lage, eine Reihe bedeutender und für das Sammlungsprogramm der Galerie wichtiger Kunstschöpfungen erwerben zu können“ 30 (Abb. 5). Und er führte weiter aus : „Waren es im Jahr 1941 besonders die Werke deutscher Maler, die den Kern der Galerie, die Schöpfungen der Wiener Malerei, umrahmten, so sind es in diesem Jahre [1942, Anm. der Verf.] Gemälde französischer Meister, die den vorhandenen Bestand durch kostbare Werke bereichern, Corot ist in der Galerie nun mit vier, Monet und Degas sind mit je drei und Manet und Toulouse-Lautrec mit je einer Schöpfung vertreten. […] Dem besonderen Interesse des Reichstatthalters für die Kunst der Lebenden verdankt die Direktion die Zuweisung einer größeren Reihe von Gemälden und Plastiken von Wiener und rheinischen Künstlern der Gegenwart.“ 31 Im Sinne der NS-Kunstförderung gelangten vor allem aus Ausstellungen des Wiener Künstlerhauses in den Jahren von 1941 bis 1944 Arbeiten von unter anderen Ferdinand Andri, Leopold Blauensteiner, Rudolf Hermann Eisenmenger (Abb. 6), Fritz Behn, Oskar Laske oder Carl Moll in den Bestand des Museums.32 Ein besonderes Anliegen war die Erwerbung von Werken lebender deutscher Bildhauer. Daher beantragte Grimschitz, die Räume der seit März 1938 geschlossenen Modernen Galerie und den davor gelegenen Kammergarten, der ab 1929 der Präsentation moderner Skulptur diente, ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückzugeben.33 Dank eines gewährten Sonderkredits der Reichsstatthalterei gelangten im Jahr 1943

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26 Schreiben des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, 23. 1. 1940, AdB, Zl. 52/1940. 27 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Generalreferat für Theater und Museen im Reichsgau Wien, 15. 2. 1940, AdB, Zl. 59/1940. 1937 wurden die deutschen Museen angewiesen, „nur Werke anzukaufen, deren Entstehungsdatum mindestens um ein Menschenalter zurückliegt. Derzeit gilt als Grenze ungefähr das Jahr 1910. Diese Anweisung folgt aus der Bestimmung des Führers, dass die Pflege der lebenden Kunst durch das Propagandaministerium zu erfolgen hat und lebende Kunst nicht für Museen geschaffen wird.“ Siehe Schreiben des Österreichischen Unterrichtsministeriums an Bruno Grimschitz, 1. 4. 1938, AdB, Zl. 202/1938. 28 Siehe Rathkolb 1991, S. 44–78. Siehe dazu auch den Beitrag von Sabine Plakolm-Forsthuber in diesem Band, S. 258–266. 29 Thomas 1947, S. 140  f. 30 Bruno Grimschitz, in  : Ausst.Kat. Wien 1941, S. 3. 31 Bruno Grimschitz, in  : Ausst.Kat. Wien 1942, S. 3. 32 Siehe Mayer M. 2015. 33 Schreiben von Bruno Grimschitz an die Verwaltungsstelle der staatlichen Theater, Kunst­ anstalten und Museen, 31. 3. 1942, AdB, Zl. 151/1942.

34 Schreiben von Bruno Grimschitz an die Verwaltungsstelle der staatlichen Theater, Kunst­ anstalten und Museen, 6. 8. 1943, AdB, Zl. 293/1943. 35 Gerhard Marcks wurde 1933 als Rektor der Kunstschule Burg ­G iebichenstein in Halle an der Saale gekündigt. 1937 wurden seine Arbeiten als „entartet“ aus öffentlichen Sammlungen entfernt. In der Münchner Ausstellung Entartete Kunst war er mit zwei Arbeiten vertreten. In der Folge Erteilung eines vorläufigen Ausstellungsverbots und die wiederholte Androhung des Arbeitsverbots. Siehe dazu Tiedemann 2013. 36 Siehe dazu Mayer M. 2016. 37 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Generalreferat für Kunstförderung, Staatstheater, Museen und Volksbildung, 7. 4. 1941, AdB, Zl. 138/1941. 38 Ebd.

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Plastiken von Karl Albiker, Georg Kolbe, Richard Scheibe und Gerhard Marcks in den Bestand : „[…] die ‚Athena‘ [ist] der einzige Bronzeentwurf Albikers für das Gefallenendenkmal in Karlsruhe, die Figuren der ‚Die Sinnenden‘ von Kolbe und der ‚Flora‘ von Scheibe sind gegenwärtig im Hause der deutschen Kunst in München ausgestellt und die beiden Bildwerke von Marcks (Abb. 7) sind die einzigen Bronzen von diesem ungewöhnlich begabten Meister unter den jüngeren deutschen Bildhauern.“ 34 Die Erwerbung der Plastiken von Gerhard Marcks,35 dessen Werke ab 1937 im Deutschen Reich als „entartet“ diffamiert wurden, aus der Berliner Galerie Karl Buchholz offenbart die Widersprüchlichkeit der NS-Kunstpolitik ; sie zeigt aber auch die Ambivalenz der Sammlungspolitik unter der Direktion Grimschitz. Auch wenn die neuerliche Nutzung der Orangerie für museale Zwecke bis Kriegsende nicht erreicht werden konnte, blieb die Österreichische Galerie bis zur endgültigen Einstellung des Museumsbetriebs aufgrund des „totalen Kriegseinsatzes“ im August 1944 zumindest in eingeschränkter Form für das Publikum zugänglich. Das Barockmuseum im Unteren Belvedere war aufgrund notwendiger Luftschutzmaßnahmen von Juli 1939 bis Jänner 1940 beziehungsweise ab April 1941 komplett geschlossen. Bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Sommer 1939 wurde die erste Bergungsphase der Wiener Museen in die Wege geleitet.36 In einer Reihe von Sammeltransporten der wertvollsten Bestände wurden ab Herbst 1939 Hauptwerke der Galerie des 19. Jahrhunderts und des Barockmuseums in die Kartause Gaming in Niederösterreich verbracht. Die zweite Garnitur, „wertvolle, aber nicht unersetzbare Bestände“, verblieb in Kisten verpackt im Oberen Belvedere, wo sie für einen eventuellen Abtransport bereitgestellt wurde.37 Die Bestände der Modernen Galerie wurden bis auf wenige wertvolle Gemälde von unter anderen Klimt und Schiele in einem Seitentrakt des unteren Schlosses untergebracht. Ausgenommen waren Großformate von Hans Makart und Max Klinger, aber auch barocke Altarbilder, die in den jeweiligen Sammlungsräumen verblieben. Ein gravierendes Problem stellte der Schutz der monumentalen Skulpturen von Georg Raphael Donner, Franz Xaver Messerschmidt und Balthasar Permoser (→ S. 209) im Barockmuseum dar, „da das Schloss des Unteren Belvedere nur aus Erdgeschossräumen besteht und die Decken der Säle zum Teil an den sehr holzreichen Dachstühlen der Pavillons aufgehängt sind“ 38. Verstärkte Luftschutzmaßnahmen wurden seitens der Reichsstatthalterei insbesondere für die bis 1943 im Oberen Belvedere durchgeführten Sonderausstellungen gefordert. Neben drei Präsentationen von Neuerwerbungen in den Jahren 1940, 1941 und 1942 sind die Gedächtnisausstellungen Emil Jakob Schindler und Ferdinand Georg Waldmüller hervorzuheben. Letztere, die „in würdiger Form die neue, trotz des Krie-

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Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit

ges unerhört gesteigerte Erwerbungsarbeit der Österreichischen Galerie fort[setzt]“ 39, war bei einer knapp zweimonatigen Laufzeit Anfang 1943 mit rund 40 000 Besucher*innen äußerst erfolgreich. Insgesamt konnte die Zahl der Besucher*innen im Jahr 1943 gegenüber dem Vorjahr auf 119 154 nahezu verdoppelt werden.40 Die provisorische Aufstellung der Galerie des 19. Jahrhunderts bot in vier Räumen des oberen Schlosses eine Auswahl von meist „zweitrangigen“ Werken österreichischer, deutscher und französischer Künstler*innen. Vertreten waren unter anderen Friedrich von Amerling, Gustave Courbet, Theodor Hörmann, Anton Romako, Carl Schuch, Wilhelm Trübner und Ferdinand Georg Waldmüller, aber auch Gustav Klimt mit den beiden Frühwerken Nach dem Regen und Bauernhaus. Grimschitz monierte bereits 1939, dass „die Galerie des 19. Jahrhunderts durch die Entfernung der geborgenen und der verpackten Kunstwerke zu einem unbrauchbaren Torso“ geworden sei.41 Die Originale des Makartsaals im Oberen Belvedere, darunter das riesige Gemälde Triumph der Ariadne, und Max Klingers Urteil des Paris wurden an ihren Standorten belassen, „um die Säle, in denen die Staatsakte stattfinden, für jeden Fall zur Verwendung bereit zu halten“ 42 (→ S. 226–231). Im Zuge der Verschärfung des Luftkriegs und der damit notwendigen Intensivierung der Bergungsmaßnahmen kam es 1943/44 zur Überstellung Hunderter Kunstwerke, darunter die massiven Bleifiguren des Donnerbrunnens, an zusätzliche Bergungsorte wie die Schlösser Immendorf, Kirchstetten oder Schönborn in Niederösterreich beziehungsweise Ende 1944 in das Salzbergwerk Lauffen bei Bad Ischl. Im Oktober 1944 äußerte Direktor Grimschitz seine Besorgnis hinsichtlich der Gefährdung des Belvedere durch die weitgehende Nutzung des oberen Schlosses und des vor der Südfront errichteten Luftschutzbunkers durch die Zentrale Luftschutzpolizei-Befehlsstelle für den Reichsgau Wien (→ S. 232). Er wies auf das „größte Risiko“ bei Luftangriffen hin, „zumal das Schloss durch die Nähe zweier Bahnhöfe und des Arsenals, und seit längerer Zeit durch die Aufstellung einer Scheinwerferanlage wie durch den Bau des erwähnten Luftschutzbunkers ohnehin besonders gefährdet ist. […] Auch vom Standpunkte der Galerie erscheint es […] als äusserst bedenklich“, die gewünschten Adaptierungsarbeiten in Sammlungsräumen (Licht-, Telefon- und Klingelleitungen, Verdunkelungseinrichtungen, Aufstellung großer Öfen) durchzuführen, da „auch architektonisch wertvolle Teile der Innenräume in Mitleidenschaft gezogen würden“.43 Die Proteste der Museumsleitung verhallten ungehört. Am 18. November 1944 wurde die Luftschutzpolizei-Befehlsstelle als militärisch wichtiges Ziel angegriffen und der Westtrakt des Oberen Belvedere (Abb. 8) sowie die Parkanlagen durch Bomben schwer getroffen. Dank der erfolgten „Totalbergung“ der Galeriebestände war „ein Schaden an ­Musealgut nicht eingetreten“.44

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39 Walter Thomas, Typoskript der ­E röffnungsrede, 15. 1. 1943, AdB, Zl. 7/1943. 40 Schreiben von Bruno Grimschitz an die Verwaltungsstelle der staatlichen Theater, Kunstanstalten und Museen, 16. 5. 1944, AdB, Zl. 132/1944. 41 Schreiben von Bruno Grimschitz an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, 3. 10. 1939, AdB, Zl. 597/1939. 42 Schreiben von Bruno Grimschitz an die Verwaltungsstelle der staatlichen Theater, Kunstanstalten und Museen, 6. 10. 1942, AdB, Zl. 326/1942. 43 Schreiben von Bruno Grimschitz an den Generalkulturreferenten Hermann Stuppäck, 2. 10. 1944, AdB, Zl. 240/1944. 44 Aktenvermerk Reichsstatthalterei, 3. 12. 1944, ÖStA/AdR, BMU, 15B1, K. 150, Zl. 6.613/1944. Anfang Mai wurden die in Schloss Immendorf gelagerten Klimt-­ Gemälde aus der Sammlung ­L ederer, die drei Fakultätsbilder Klimts und ein Gemälde Karl Wurzingers aus dem Bestand der ÖG durch abziehende SS-Mitglieder vernichtet. Siehe dazu Lehne 2007.

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Kunsthandel und Auktionen in Wien 1938–1945 Leonhard Weidinger

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eitgleich mit dem „Anschluss“ Österreichs an das national­ sozialistische Deutsche Reich im März 1938 setzten die Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung ein. Dabei wurden auch Kunstsammlungen beschlagnahmt oder sichergestellt und dann eingezogen. Viele Verfolgte waren gezwungen, Kunstgegenstände zu verkaufen, um ihre Flucht finanzieren und Zwangsabgaben bezahlen zu können. Vom derart vergrößerten Angebot profitierten viele Kunsthandlungen. Auch stieg die Zahl der „Wohnungsauktionen“, bei denen das Interieur eines Haushalts direkt in einer Wohnung versteigert wurde, von 23 im Jahr 1937 auf 39 im Jahr 1938 (Abb. 1). 1 Mehr als vierzig Wiener Kunstund Antiquitätenhandlungen hatten jüdische Eigentümer*innen beziehungsweise Geschäftsführer*innen. Sie wurden unter kommissarische ­Verwaltung gestellt und in der Folge unter Aufsicht der Vermögensverkehrsstelle und unter Mitsprache der Reichskulturkammer liquidiert oder „arisiert“, also neuen, dem NS-Regime genehmen Eigentümer*innen zugesprochen. 1937 hatten sechs Auktionshäuser Versteigerungen in Wien abgehalten : das Dorotheum, J. Fischer, Gilhofer & Ranschburg, Glückselig, Albert Kende sowie S. Kende. Nach dem „Anschluss“ wurden J. Fischer und Glückselig liqui-

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diert, Gilhofer & Ranschburg sowie Albert Kende, ab 1940 Auktionshaus Kärntnerstraße genannt, „arisiert“. S. Kende führte Adolf Weinmüller ab November 1938 als Filiale seines ­A uktionshauses in München. Wein­ müllers Geschäftsführer in Wien war der Kunsthistoriker Franz Kieslinger, der wiederum Kajetan Mühlmann bei der Plünderung von Kunst in Polen und den Niederlanden unterstützte. 2 Im März 1939 erwarb die Österreichische Galerie bei Weinmüller in Wien das Amerling-Porträt Mädchen mit Strohhut (Abb. 2) aus der Sammlung Gotthilf  ; 2008 wurde das Bildnis an die Erb*innen des aus Wien vertriebenen jüdischen Architekten Ernst Gotthilf restituiert. 3 Eine besondere Rolle spielte das Dorotheum, das als Stiftung im Eigentum des Staates stand. Damit war es prädestiniert, für die Finanzbehörden und die Vugesta, die Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo, die „Verwertung“ eingezogener Güter abzuwickeln, auch weil es nicht nur mit Kunst handelte, sondern Auktionen für Möbel, Bücher, Briefmarken bis hin zu Automobilen veranstaltete. Den meisten jüdischen Kunsthändler*innen gelang es, aus Wien zu fliehen. Einige nahmen im Exil ihre Tätigkeiten wieder auf. So führten Anfang der 1940er-Jahre Leopold Blumka, Max und Frederick Glückselig, Otto

Kallir, Melanie und Herbert Kende sowie Elkan und Abraham Silbermann Kunsthandlungen in der 57. Straße in New York. Die Entwicklung des Kunstmarkts in Wien wurde durch den Kriegsverlauf begünstigt, da die Stadt lange Zeit außerhalb der Reichweite alliierter Bomber lag – der erste Luftangriff erfolgte erst am 17. März 1944. Daher hatten Kunsthändler*innen aus dem „Altreich“ einen Teil ihrer Geschäfte nach Wien verlagert. Hans W. Lange aus Berlin hielt im Oktober 1943 zwei Auktionen im Dorotheum ab. Das Dorotheum, das größte Auktionshaus im Deutschen Reich, kaufte Gemälde in Frankreich und den Niederlanden und wurde einer der wichtigsten Zulieferer für das geplante „Führermuseum“ in Linz. Auch sonst florierte der Kunsthandel bis in die letzten Monate des Krieges. Noch im Dezember 1944 fanden in Wien Auktionen statt.

1 Vgl. Weidinger 2017. 2 Zu Kunsthandlungen und Personen siehe ­Beiträge im Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, online abruf‌bar unter https://www.lexikonprovenienzforschung. org (zuletzt besucht am 19. 10. 2022). 3 https://www.provenienz forschung.gv.at/beirats beschluesse/Gotthilf_ Ernst_2007-­06-01.pdf (zuletzt besucht am 16. 11. 2022).

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Abb. 1 Auktionskatalog Dorotheum, Freiwillige Versteigerung einer Wohnungseinrichtung, Wien I, Wiesingerstraße 3, Wien 1938

Abb. 2 Friedrich von Amerling, Mädchen mit Strohhut, 1835, Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz–Vienna

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45 Sedlmayr 1967. 46 Czernin 1999, Bd. 2, S. 309.

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Abb.  1 Herbert Boeckl, Bruno Grimschitz, 1915, Belvedere, Wien

Abb.  3 Lovis Corinth, Liegender weiblicher Akt, 1907, Belvedere, Wien

Bruno Grimschitz war von 1938 bis 1945 Direktor der Österreichischen Galerie.

Das Gemälde befand sich in der Kunstsammlung des 1922 in Berlin ermordeten Reichsaußenministers und Industriellen Walther Rathenau, der insbesondere die zeitgenössische deutsche Kunst förderte. Aus seinem Nachlass gelangen in der NS-Zeit Corinths Akt sowie ein Doppelporträt Edvard Munchs in die Sammlung der Österreichischen Galerie.

Abb.  2 Bekanntgabe der Schließung der Modernen Galerie in der Orangerie, Neues Wiener Tagblatt, 22. 3. 1938, Archiv des Belvedere, Wien

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Bei einem neuerlichen Luftangriff im Februar 1945 rissen Bomben das Dach des Mittelpavillons und die Decke des Marmorsaals des oberen Schlosses auf ; zerstört wurde auch ein Eckpavillon des Unteren Belvedere (Abb. 9). Zu Kriegsende boten die Schlossanlage und der Park ein Bild der Verwüstung. Bruno Grimschitz, unter dessen Leitung laut Hans Sedlmayr „dieses Museumsschloss den Zenith seiner größten Fülle erreicht hat“ 45, wurde als ehemaliges NSDAP-Mitglied im Oktober 1945 vom Dienstposten des Direktors enthoben und mit 31. Oktober 1947 in den dauernden Ruhestand versetzt. Dass diese „größte Fülle“ in direktem Zusammenhang auch mit der „Arisierung“ jüdischer Kunstsammlungen 46 durch das NS-Regime zu sehen ist, darf abschließend nicht unerwähnt bleiben.

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Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit

MONIKA MAYER

Abb.  4 Brief von Bruno Grimschitz an Franz Martin Haberditzl, 2. 4. 1938, Privatbesitz, Wien Abb.  5 Brief von der Reichsstatthalterei Wien an Bruno Grimschitz, 30. 4. 1942, AdB, Zl. 220/1942, Wien 4

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Die Österreichische Galerie in der NS-Zeit

Abb.  6 Rudolf Hermann Eisenmenger, Frau mit gelbem Kopftuch, 1943, Belvedere, Wien

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Das im Auftrag des Reichsstatthalters Baldur von Schirach aus der Frühjahrsausstellung des Künstlerhauses 1943 angekaufte Frauenbildnis von Rudolf Hermann Eisenmenger wird der Österreichischen Galerie zugewiesen. Der Maler ist seit 1933 illegales NS-Parteimitglied und als Präsident des Künstlerhauses eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Wiener Kulturpolitik der NS-Zeit. 1944 erfolgt die Aufnahme Eisenmengers in die „Gottbegnadeten-Liste“ des Reichspropagandaministeriums. Abb.  7 Gerhard Marcks, Kopf des Bildhauers Toni Stadler, 1935, Belvedere, Wien Der deutsche Bildhauer Gerhard Marcks wird 1933 aus politischen Gründen als Rektor der Kunstschule in Halle an der Saale gekündigt. In der Münchner Femeschau Entartete Kunst 1937 ist der Künstler mit zwei Werken vertreten. In der Folge wird ein vorläufiges Ausstellungsverbot erteilt, und es kommt zur wiederholten Androhung des Arbeitsverbots. Direktor Grimschitz argumentiert jedoch den Ankauf von zwei Plastiken im Jahr 1943 mit der hervorragenden Qualität dieses „ungewöhnlich begabten Meisters unter den jüngeren deutschen Bildhauern“. Darin offenbart sich die Widersprüchlichkeit der NS-Kunstpolitik sowie der Sammlungsstrategie der Österreichischen Galerie in dieser Zeit.

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Abb.  8 Oberes Belvedere, Kriegsschäden an der Nordseite, 1945, Österreichische Nationalbibliothek, Wien Abb.  9 Unteres Belvedere, Bombenschaden im Groteskensaal, 1945, Österreichische Nationalbibliothek, Wien

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SABINE PLAKOLM-FORSTHUBER —— Die NS-Kunstpolitik in der Gaustadt Wien

1 Anon., „‚Auch diese Stadt wird eine neue Blüte erleben  ! ‘ Des Führers Dank an Wien“, in  : Neues Wiener Journal, 10. 4. 1938, S. 3. 2 Botz 2018, S. 371. 3 Rathkolb 2020. 4 Holzschuh/PlakolmForsthuber 2021, S. 17.

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Wie in weiten Kreisen der nationalsozialistisch gesinnten Bevölkerung war auch im Kulturbereich der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 ersehnt und vorbereitet worden. Da Kunst und Architektur im Nationalsozialismus eine tragende ideologische Rolle spielten, erhoffte sich Wien als angesehene Musik-, Theater- und Museumsstadt einen Sonderstatus unter den Städten des „Dritten Reichs“. Bestärkt wurden diese Erwartungen durch die sogenannte Perlenrede, die Adolf Hitler am 9. April 1938, dem Tag vor der „Volksabstimmung“, im Wiener Rathaus hielt. In dieser Ansprache verkündete Hitler, er werde Wien „in jene Fassung bringen, die dieser Perle würdig“ sei.1 Der Propaganda stand entgegen, was Hitler und die Nationalsozialisten wirklich im Sinn hatten : Die in der Habsburgermonarchie herausgebildete Vormachtstellung Wiens auf politischem und kulturellem Gebiet sollte zugunsten der Gaue der „Ostmark“ herabgesetzt, der metropolitane Status zum Vorteil von Hitlers Lieblingsstadt Linz gebrochen werden. Im Gegensatz zur „Führerstadt Linz“ bekam Wien lediglich den Titel einer Gaustadt verliehen, die sich im Schatten der „Führerstädte“ und der Reichshauptstadt Berlin mit ihrer verringerten Bedeutung abzufinden hatte.2 Der kulturpolitische Umbruch erfolgte in zwei Phasen : Die erste, die mit dem „Anschluss“ im März 1938 einsetzte, betraf die komplette Neuorganisation beziehungsweise Gleichschaltung des Kulturbetriebs im nationalsozialistischen Sinne, wobei hier die bis dahin illegalen NSKünstler*innen ihre Anrechte geltend machten. Aufgrund der nicht klar voneinander abgegrenzten Kompetenzen auf Reichs-, Landes- und kommunaler Ebene kam es zu Friktionen, die im Wesentlichen bis zum Erlass der „Ostmark-Gesetze“ im April 1939 andauerten. Die zweite, für die Wiener NS-Kunstpolitik relevante Phase ist mit der Einsetzung Baldur von Schirachs als Gauleiter und Reichsstatthalter verbunden, der ein ambitioniertes Wiener Kulturprogramm verfolgte.3 Der mit dem „Anschluss“ hereinbrechende Umsturz hatte seinen Vorlauf. Die nationalsozialistisch orientierte Künstlerschaft hatte sich aufgrund des Verbots der NSDAP am 19. Juni 1933 in einem „illegalen Landeskulturamt“ organisiert, das ab 1935 vom Schriftsteller Hermann Stuppäck geleitet wurde.4 Nach dem „Anschluss“ beanspruchten er und seine Mitarbeiter, darunter Leopold Blauensteiner (→ S. 229, Abb. 1), ­Marcel Kammerer, Rudolf Hermann Eisenmenger und Alexander Popp, führende Positionen in der NS-Kulturpolitik. Eine ähnliche Funktion kam dem „Bund deutscher Maler Österreichs“ zu. In ihm sammelte sich ab Juni 1937 die künftige NS-Elite bildender Künstler*innen. Der Bund unterstand dem Obmann Leopold Blauensteiner, einem illegalen National­sozialisten, dessen künstlerische Karriere um 1900 in der Wiener Secession begonnen hatte und im Nationalsozialismus ihren machtpolitischen Höhepunkt erreichen sollte.

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ setzte die Gleichschaltung des Kunstbetriebs ein. Politisch Missliebige sowie Personen jüdischer Herkunft wurden entlassen, kommissarische Leiter übernahmen die Künstlervereine, Kunstschulen, Museen, Theater et cetera. Mit der kommissarischen Museumsleitung in der im Schloss Belvedere untergebrachten Österreichischen Galerie wurde das spätere NSDAP-Mitglied Bruno Grimschitz (→ S. 255, Abb. 1) betraut. Der nach der „Volksabstimmung“ als „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ eingesetzte Josef Bürckel übertrug am 17. Mai 1938 dem Stillhaltekommissar Alfred Hoffmann die Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden. Mit dem Inkrafttreten der Nürnberger Rassengesetze am 20. Mai 1938 in der nunmehrigen „Ostmark“ verschärfte sich die Situation für die jüdische Bevölkerung erheblich ; zugleich boten sie den Kunst­ institutionen eine gesetzliche Handhabe, sich ihrer jüdischen Mitglieder oder Mitarbeiter*innen zu entledigen. Bereits am 6. April 1938 gab Grimschitz die Entpflichtung des Kustos Heinrich Schwarz, der aus rassistischen Gründen aus Österreich vertrieben wurde, und die Aufnahme von Kurt Blauensteiner, Sohn Leopold Blauensteiners, zum provisorischen wissenschaftlichen Dienst bekannt. Im Juni 1938 wurde die 1933 in Deutschland gegründete Reichskammer der bildenden Künste (RdbK, → S. 229,  17  ) unter dem Landesleiter Leopold Blauensteiner in der „Ostmark“ implementiert. Alle Personen, die im Kunstbetrieb arbeiten wollten, mussten Mitglieder dieser rassistischen NS-Zwangsinstitution sein : Personen jüdischer Herkunft, politisch Andersdenkenden und Künstler*innen der Avantgarde war die Aufnahme verwehrt. Im Aufnahmeverfahren spielten die Gauämter der NSDAP und die Gestapo eine wichtige Rolle. Die Zusammenarbeit mit der Berliner Zentrale, die dem Präsidenten der Reichskulturkammer, Reichsminister Joseph Goebbels, unterstand, war eng. Als zentraler Ort der NS-Kunstpropaganda fungierte das Wiener Künstlerhaus, das nach der Fusion mit der Secession 1939 unter dem Präsidenten Rudolf Hermann Eisenmenger die bedeutendsten Ausstellungen ausrichtete. Genannt sei die schon seit 1937 geplante große alpine Ausstellung, die nun ideologisch modifiziert ab März 1939 unter dem Titel Berge und Menschen der Ostmark abgehalten wurde (Abb. 1). Bereichert um den Aspekt der Wirtschaft wanderte die Schau nach Berlin, wo sie ab Mai 1939 im Messegelände gezeigt wurde. Es war die erste große Selbstdarstellung der ostmärkischen Künstler*innenschaft im „Altreich“. Führende Wiener NS-Kulturfunktionäre übernahmen die Schirmherrschaft für die Ausstellung, vergaben Aufträge und Subventionen und tätigten Ankäufe. Die von der Reichsstatthalterei aus der Wiener Ausstellung erworbenen 107 Objekte wurden für einen neuerlichen Verkauf in der Berliner Ausstellung zur Verfügung gestellt : Die Verkaufserfolge blieben jedoch hinter

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5 Übernahmebestätigung des BMF, 17. 7. 1958, Künstlerhausarchiv, Wien, Akt „Berge und Menschen der Ostmark“. 6 https://www.lexikonprovenienzforschung. org/muehlmann-­ kajetan (zuletzt besucht am 18. 8. 2022). 7 Schwarz 2004, S. 39. 8 Henrichs 2021, S. 152. 9 Gröning 2021, S. 83. 10 Mayer M. 2016, S. 177. 11 Brief von Oswald ­H aerdtl an Kajetan Mühlmann, 26. 11. 1938, ÖStA/AdR, ZNsZ RSthOe Abt. III – Büro Mühlmann, 1938– 1940 (Teilbestand), Zl. 200.665/­1938  ; Brief von Helmut Sylvester Keidel an Kajetan Mühlmann, 15. 4. 1939, ebd., Zl. 79897/1939  ; Holzschuh/Platzer 2015, S. 156  f. 12 Brief von Josef Bürckel an Kajetan Mühlmann, 3. 6. 1939, WStLA, Volksgericht-A1, Vg Vr Strafakten 105/52.

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den Erwartungen zurück. Manche der vom Reichsstatthalter erworbenen Bilder lagerten noch lange im Künstlerhaus und wurden 1958 dem Bundesministerium für Finanzen übergeben.5 Die Agenden der Kunstförderung auf Landesebene übernahm der Kunsthistoriker und einstige Propagandaleiter der Salzburger Festspiele Kajetan Mühlmann, ein illegaler Nationalsozialist und SS-Mitglied. Als Kunststaatssekretär des Reichsstatthalters in Österreich Arthur SeyssInquart war er unter anderem mitverantwortlich für die „Arisierungen“ von Kunstwerken aus jüdischen Sammlungen ; eines seiner Ziele war, dass „die wichtigsten Kunstschätze in Österreich und hier vor allem in Wien als Teil des kulturellen Erbes dieser Stadt“ 6 verbleiben sollten. Mühlmann hintertrieb Hitlers Kunstverteilungspläne und die Präferenz für das „Führermuseum“ in Linz.7 Den Abtransport der Reichsinsignien am 6. September 1938 nach Nürnberg konnte er jedoch nicht verhindern. Eine Anfrage der Feme-Schau Der ewige Jude (Nordwestbahnhalle, 1938), die Ausleihe von Werken jüdischer Künstler*innen betreffend, lehnte Grimschitz auf Anweisung von Mühlmann ab,8 ebenso eine Ergänzung der NS-Propagandaausstellung Entartete Kunst (Künstlerhaus, 1939) durch Objekte aus österreichischen Sammlungen.9 Angemerkt sei, dass es hierzulande keinen vergleichbaren Bestand an avantgardistischer Kunst gab und weiters dass die von den Beschlagnahmeaktionen ab 1933 betroffenen Museen im Deutschen Reich in größerem Umfang über Objekte „entarteter Kunst“ (→ S. 221,  16  ) verfügten als die Wiener Museen. Die Moderne Galerie, die Sammlung zeitgenössischer Kunst in der Orangerie des Unteren Belvedere, wurde auf Weisung des österreichischen Unterrichtsministeriums unter Grimschitz im März 1938 geschlossen, die Kunstwerke zunächst deponiert und ab Sommer 1939 in Bergungsorte in Niederösterreich verbracht. Die Räumlichkeiten dienten ab Oktober 1939 der Zentralstelle für Denkmalschutz zur Lagerung sichergestellter Kunstwerke.10 Bekanntlich wurden nach dem „Anschluss“ auf allen Ebenen neue Pläne gewälzt. Mühlmann, selbst Bewohner einer Liegenschaft auf dem Areal des Unteren Belvedere, des sogenannten Kammerstöckls im Gartenparterre des Schlossparks, trug sich umgehend mit Umbauplänen für die etwas herabgekommenen Gebäudetrakte entlang des Rennwegs. Im November 1938 beauftragte er die Architekten Oswald Haerdtl und Helmut Sylvester Keidel mit einer Bestandserhebung zum Zwecke der Unterbringung eines Museums für Volkskunde (Abb. 2). Während Haerdtls Entwurf 1939 die Unterbringung der musealen Räume im Bestand der ehemaligen Stallungen um den fünfeckigen Hof vorsah (Abb. 3), schlug Keidel, der am Rennweg 6 wohnte, auch Teilabbrüche von Trakten am Rennweg 4 vor (Abb. 4), die Neubauten weichen sollten.11 Umgesetzt wurde keines der Projekte. Mühlmann wurde im Juni 1939 von Bürckel wegen seiner „proösterreichischen Tendenzen“ abgesetzt.12 Seine Karriere als NS-Kunsträu-

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Die NS-Kunstpolitik in der Gaustadt Wien

ber setzte er als „Sonderbeauftragter für den Schutz von Kunstwerken“ im besetzten Polen und ab 1940 in den Niederlanden fort. Auch auf kommunaler Ebene gab es einige Ansätze einer eigenständigen Wiener Kulturpolitik. Am wichtigsten war das am 28. September 1938 unter Vizebürgermeister Hanns Blaschke gegründete Kulturamt der Stadt Wien. Dessen Ziel war die „Förderung und Lenkung des Kunstlebens in Wien“ 13. Die Organisation der einzelnen Fachgruppen folgte im Wesentlichen dem Auf‌bau der RdbK. Die Fachgebiete, denen verdiente NS-Künstler vorstanden, umfassten neben den bildenden Künsten die Architektur, das Kunsthandwerk, Musik, Theater, Mode et cetera. Für die lokale Künstler*innenschaft wurde das Kulturamt unter der Leitung von Blaschke zum wichtigsten öffentlichen Auftraggeber. Es schrieb Wettbewerbe für Denkmäler oder Kunst am Bau aus, renovierte Theater, gründete den Wiener Kunsthandwerkverein oder das Haus der Mode und so fort. Die Zusammenarbeit mit der RdbK war eng. Nach dem Ausscheiden Seyss-Inquarts übernahm Bürckel 1939 als Reichsstatthalter und Gauleiter auch die Kulturagenden. Die zutiefst rassistische NS-Politik kam gewissermaßen zu ihrem programmatischen Ausdruck. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Entartete Kunst im Künstlerhaus betonte Bürckel deren „erzieherische Aufgabe“, die „dem deutschen Wien zeigen“ solle, „wie groß die zerstörenden Kräfte waren, die am Niedergang der deutschen Kultur gearbeitet haben“.14 Von gleicher Intention war seine am 3. März 1940 in der Hof‌burg gehaltene Rede „Volk und Kultur“, in der er die Gründung eines ihm unterstehenden Generalreferats für Kunstförderung, Theater, Museen und Volksbildung verkündete.15 Seinen Reden ist weiters zu entnehmen, dass die Wiener Kulturpolitik zentral aus Berlin gesteuert werden sollte. Genau dies führte zur zweiten Phase. Ohne ins Detail zu gehen, kann festgehalten werden, dass das ­Wirken Gauleiter Bürckels in Wien nicht gut ankam – auch nicht im Sinne der NS-Propagandaarbeit. Er wurde abberufen und 1940 zum „Reichsstatthalter der Westmark“ mit Sitz in Saarbrücken bestellt. Hitler bestimmte den eloquenten und vielseitigen Reichsjugendführer Baldur von Schirach zum Nachfolger. Als Wohnsitz empfahl er ihm das Belvedere ; Schirach entschied sich aber für die bis dahin von Bürckel bewohnte „arisierte“ Villa des „jüdischen“ Baurats Arnold Spritzer auf der Hohen Warte 52–54.16 In kulturellen Belangen unterstützte ihn im Rang eines Generalkulturreferenten der aus Bochum berufene Chefdramaturg Walter Thomas. Wie Oliver Rathkolb ausgeführt hat, suchte Schirach den Verlust der politischen Größe Wiens durch eine auf die Tradition bezogene Kulturpolitik zu kompensieren ; 17 ja er träumte von der Vorreiterrolle der Wiener Kultur im neuen faschistischen Europa. Es gelang Schirach, beträchtliche Summen zur Förderung der Wiener Kulturinstitutionen, da-

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13 Blaschke 1943. 14 Anon., „Die Ausstellung ‚Entartete Kunst‘ im Künstlerhaus“, in  : Völkischer Beobachter, 7. 5. 1939, S. 16. 15 Bürckel 1939, S. 27. 16 Rathkolb 2020, S. 127. 17 Rathkolb 2020, S. 203.

18 Holzschuh/PlakolmForsthuber 2021, S. 300–304. 19 Thomas 1947, S. 218. 20 Fröhlich 1993, S. 580.

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Kap. IV

runter auch die Österreichische Galerie, zu erwirken. Am 14. August 1941 übernahm er die Schirmherrschaft für das Künstlerhaus, für dessen Sanierung ein hoher Betrag zur Verfügung gestellt wurde. Regelmäßige Ehrungen, Opern- und Theaterbesuche, Ausstellungseröffnungen und die Stiftung von Kunstpreisen kennzeichneten seine Aktivitäten. Er gefiel sich außerdem in der Rolle des Kunstmäzens. Passend zu Schirachs Förderung der lokalen Kultur setzte das Künstlerhaus verstärkt auf Wienthemen : Ausstellungen wie Das schöne Wiener Frauenbild (1942), Das Wiener Stadtbild (1943) oder Wiener Bildnisse aus Kreisen der Kunst und Wissenschaft 1900–1943 (1943/44) waren erfolgreich – das meint auch, dass sie vom Kriegsgeschehen ablenkten. Bemerkenswert ist, dass eine von Schirach initiierte Ausstellung beinah sein politisches Ende bedeutet hätte. Die Schau Junge Kunst im Deutschen Reich (1943) schloss an die gemäßigt gegenständliche Moderne der Zwischenkriegszeit an und hob sich dadurch von der im Allgemeinen stereotypen NS-Kunstproduktion ab (Abb. 5). Ob Schirach bekannt war, dass sich unter den 582 Exponaten auch einige wenige Arbeiten von Künstler*innen wie Fritz Burmann, Josef Hegenbarth oder Milly Steger befanden, deren Werke in deutschen Museen als „entartet“ beschlagnahmt worden waren, darf bezweifelt werden. Von Spitzelberichten da­ rauf aufmerksam gemacht, schickten Hitler und Goebbels Experten nach Wien, um die Ausstellung zu begutachten. In ihren Berichten rückten diese die Exponate in die Nähe der „entarteten Kunst“ beziehungsweise der „Verfallskunst“.18 Schirach wurde aufgefordert, die Ausstellung vorzeitig zu schließen. Am 24. Juni 1943 wurde er auf den Obersalzberg zitiert, wo Hitler, bezogen auf Schirachs Wirken und besagte Ausstellung, von „kultureller Opposition“ gesprochen und gegen den „Wiener Kunstliberalismus“ gewettert haben soll.19 Anzunehmen ist, dass Goebbels den Skandal lanciert hatte. Die Ausstellung bot ihm die Gelegenheit, gegen Schirachs eigenmächtige Kulturpolitik vorzugehen. Wie Goebbels’ Tagebüchern zu entnehmen ist, war er mit der Zurechtweisung Schirachs mehr als zufrieden. Sie hatte unter anderem zur Folge, dass ihm „die Wiener Kulturpolitik jetzt unmittelbar“ unterstellt war.20 Schirach sah sich zum Handeln genötigt und entließ seinen Generalkulturreferenten Thomas 1943. Zu dessen Nachfolger bestellte er Hermann Stuppäck. Im Folgejahr lag die Kulturpolitik kriegsbedingt danieder und bot keine Gelegenheit für Profilierung. Festzuhalten ist, dass es die Mehrzahl der genannten NS-Kulturpolitiker verstand, die Tradition der Kulturstadt Wien zu nutzen – nicht nur um sich von der „preußisch“ geheißenen Einflussnahme abzugrenzen, sondern pro domo. Man wollte die Ausnahmestellung Wiens nicht preisgeben, ihr vielmehr im Rahmen der NS-Politik die entsprechende Geltung verschaffen. Zuletzt wurde die Kulturpolitik im Kriegsverlauf umgedeu-

1938–1945

Die NS-Kunstpolitik in der Gaustadt Wien

tet und die Künstler den Soldaten an die Seite gestellt. Exemplarisch sei Hanns Blaschke zitiert, der 1943 verkündete : „Die Sehnsucht nach dem Artgemäßen gibt dem Künstler die Kraft zu seinem Werk, dem Soldaten die Kraft für sein Opfer, dem Arbeiter die Kraft für die Ausdauer, uns allen aber die Beglückung durch die Kunst.“ 21 Das Ende des Kulturbetriebs erfolgte 1944 mit der Schließung aller Kultureinrichtungen im Zeichen des „totalen Kriegs“ ; im August 1944 kam es zur kriegsbedingten Schließung der Österreichischen Galerie.

SABINE PLAKOLMFORSTHUBER

Abb.  1 Katalog der Austellung Berge, Menschen und Wirtschaft der Ostmark, Berlin 1939, Wienbibliothek im Rathaus

1

S.

264

21 Zit. nach Anon., „­Kulturbericht“, in  : Neues Wiener Tagblatt, 14. 6. 1942, S. 3.

Kap. IV 1938–1945

Die NS-Kunstpolitik in der Gaustadt Wien

2

Abb.  2 Oswald Haerdtl, Grundriss und Raumprogramm für das geplante Museum für Volkskunde im Unteren Belvedere, Architekturzentrum Wien, Sammlung

S.

265

SABINE PLAKOLMFORSTHUBER

Abb.  3 Fünfeckiger Hof auf dem Areal des Unteren Belvedere, 1938/39, Helmut Sylvester Keidel, Österreichisches Staatsarchiv, Wien Abb.  4 Gebäudetrakte entlang des Rennwegs, 1938/39, Helmut Sylvester Keidel, Österreichisches Staatsarchiv, Wien

3

Abb.  5 Genehmigung der Gustav-KlimtAusstellung und der Ausstellung Junge Kunst im deutschen Reich durch den Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste Leopold Blauensteiner, 20. 1. 1943, KünstlerhausArchiv, Wien 4

5

20

Die Gustav-Klimt-Ausstellung von 1943 Johanna Aufreiter

A

nfang des Jahres 1943 veranstaltete der NS-Reichsstatthalter von Wien Baldur von Schirach anlässlich des 25. Todes- und des achtzigsten Geburtstags Gustav Klimts eine Retrospektive 1 im ehemaligen Secessionsgebäude (Abb. 1). Nach der Fusion von Künstlerhaus und Secession 1939 fungier­t e das „Ausstellungshaus Friedrichstraße“ als Dependance des Wiener Künstler­h auses. Exakt einhundert Werke Klimts wurden in sechs Ausstellungsräumen präsentiert : fünfzig Ölgemälde, 48 Arbeiten auf Papier und zwei Teile des Beethovenfrieses (Abb. 2). Für Baldur von Schirach war es von großer Bedeutung, Wien neben Berlin als Zentrum deutscher Kultur im Reich zu positionieren. In Klimt sah Schirach das typisch Wienerische verkörpert, als Grundlage hierfür diente das ein Jahr zuvor ­h erausgegebene Buch von Emil Pirchan ­G ustav Klimt. Ein Künstler aus Wien. Darin wird Klimts Biografie von allem Uner­ wünschten hin zu politischer Unbedenklichkeit „gereinigt“ und für den Nationalsozialismus „fruchtbar“ gemacht. Aus dem Zentralbüro des Reichsstatthalters wandte sich am 3. August 1942 Generalkulturreferent Walter Thomas an Bruno Grimschitz, Direktor der Österreichischen Galerie (→ S. 255, Abb. 1), und beauftragte ihn mit der Leitung der Gedächtnisschau. Grimschitz könne sich dabei vielleicht auch der Mitarbeit von Emil Pirchan „bedienen“. Weiters bevollmächtigte Thomas ihn mit der Rückführung „eventuell geborgene[r] Werke Klimts“ und sicherte ihm diesbezüglich seine nachdrückliche Unterstützung zu. 2 Um Klimt und sein Werk mit dem nationalsozialistischen Gedankengut in Einklang zu bringen, wurde in der Ausstellung die Praxis der kulturellen Auslöschung verfolgt : Das jüdische Umfeld des Künstlers, ob das mäzenatische jüdische Bürgertum, jüdische Sammler*innen oder die von Klimt porträtierten jüdischen Damen, S.

267

wurde ­e liminiert beziehungsweise anonymisiert. Die zu diesem Zeitpunkt „sichergestellten“ Werke aus Sammlungen (etwa jenen der Familien Lederer und Bloch-Bauer) wurden im Katalog ohne namentliche Erwähnung als Privatbesitz angeführt. Porträts jüdischer Frauen erhielten generische Titel wie Damenbildnis mit Goldhintergrund (= Adele BlochBauer I). 3 Circa ein Drittel der in der Ausstellung präsentierten Exponate stammte aus enteignetem jüdischem Besitz. Das Vorwort des Katalogs (Abb. 3) verfasste Fritz Novotny, Kustos an der Österreichischen Galerie seit 1939, „dem die Ausgestaltung dieser Ausstellung zu danken ist“ 4 und der in beinahe entschuldigendem Duktus die zum Teil „unangemessene“ „Erstarrung […] zu ornamentalen Mustern“ in der Malerei Klimts beschreibt. Nur die Bleistiftzeichnungen seien „frei von dieser Problematik“ : „Das Bedeutendste an der Kunst Klimts beruht in dieser Größe seines zeichne­r ischen Könnens.“ 5 Die Gedächtnisschau wurde am 7. Februar eröffnet und sollte bis 7. März 1943 laufen. Am 6. März 1943 verkündete unter anderen die Kleine Volks-Zeitung die Verlängerung der Ausstellung bis Sonntag, 14. März 1943, 6 tatsächlich endete sie jedoch bereits am Freitag, dem 12. März 1943. Die Schau erwies sich als äußerst erfolgreich : 24 096 Besucher*innen strömten in das ehemalige Secessionsgebäude, die Presse berichtete durchgängig positiv. Allein der Völkische Beobachter, publizistisches Parteiorgan der NSDAP, widmete Klimt und der ­A usstellung drei Besprechungen. Mit lobenden Worten schrieb am 8. Februar 1943 Thomas dankend an Grimschitz : „Es drängt mich, Ihnen für die wirklich herrliche Klimt-Ausstellung meinen Dank zu sagen. Die Ausstellung ist eine der eindrucksvollsten künstlerischen Unternehmungen während meiner Wiener Tätigkeit und sie gewährt einen unerhörten Einblick in das Schaffen der Stilwende und in die Gedanklichkeit dieser Zeit.“ 7

Nach Schließung der Schau wurde ein Teil der Werke im als Bergungsdepot genutzten Schloss Immendorf in Nieder­ österreich zur sicheren Verwahrung auf Kriegsdauer eingelagert. Am 8. Mai legten abziehende SS-Truppen angesichts der vorrückenden Roten Armee Feuer im Schloss, es brannte vollständig aus. Neben den drei Fakultätsbildern Medizin, Jurisprudenz und Philosophie gingen etwa auch Schubert am Klavier, Goldener Apfelbaum und Wally verloren. Der Beethovenfries überstand den Krieg, er wurde im Dezember 1943 zur Bergung ins Schloss Thürnthal bei Fels am Wagram in Niederösterreich verbracht.

1 Grundlegend Lillie 2015 ; Lillie 2017, S. 83–89. 2 Walter Thomas an Bruno Grimschitz, 3. 8. 1942, AdB, Zl. 398/1942. 3 Siehe dazu Natter 2000. 4 Das kleine Volksblatt, 11. 3. 1943, S.  6. 5 Novotny 1943. 6 Kleine Volks-­Zeitung, 6. 3. 1943, S.  5. 7 Walter Thomas an Bruno Grimschitz, 8. 2. 1943, AdB, Zl. 398/1942.

Abb. 1 Einladungskarte zur Eröffnung der GustavKlimt-Ausstellung, Ausstellungshaus Friedrichstraße, Wien 1943, KünstlerhausArchiv, Wien Abb. 2 Gustav-Klimt-Ausstellung, in der Bildmitte links Porträt Adele Bloch-Bauer II, das im Katalog als Stehende Dame angeführt ist  ; Ausstellungshaus Friedrichstraße, Wien 1943, KünstlerhausArchiv, Wien

1

2 Abb. 3 Ausstellungskatalog Gustav Klimt, Ausstellungshaus Friedrichstraße, 1943, Archiv des Belvedere, Wien

3

Kapitel V Wandel und ­Kontinuitäten nach 1945



S. 320

S. 336

BRIGITTE BORCHHARDT-BIRBAUMER —— „Unsere Moderne machen wir uns selber !“ Österreichs verzögertes Wiederanknüpfen an die internationale Avantgarde nach 1945

LUISA ZIAJA —— Auf der Suche nach (einem Ort) der zeitgenössischen Kunst. Zur programmatischen Entwicklung von 1945 bis in die Gegenwart

MARTIN FRITZ —— 2000 bis 2020. 19 Jahre Wachstum

S. 344

NORA STERNFELD —— Kritische Nischen. Demokratisierungsprozesse in der jüngeren Geschichte des Belvedere

21

24

Die Marke „Wien um 1900“ Franz Smola

Restitutionen nach 1945 und das Kunstrückgabegesetz 1998

S. 293

Monika Mayer

1945–2023

S. 312

Der Reichsbund der Arbeit-Schaffenden in Wien XIII. hat mit Eingabe vom 10. 11. 1955 die unverzügliche Entfernung der Bilder von Egon Schiele (z. B. Zwei hockende Frauen) verlangt und bemerkt, dass diese „in ihrer nicht zu überbietenden Ordinärheit viel­ leicht als Bordell-Illustrationen üblich sein können und deren euphemistische Bezeich­ nung ‚Kunst‘ auf keinen Fall eine andere Berechtigung hat als das Wort ‚Liebe‘ im Munde von Dirnen“.

Kapitel V

Wandel und ­Kontinuitäten nach 1945

—— Schreiben des Bundesministeriums für Unterricht an den Direktor der Österreichischen Galerie, 17. 11. 1955, AdB, Zl. 696/1955

S. 331 22

Mapping the Hood. Das Quartier Belvedere

25

Christiane Erharter

Erweiterungen des Museums in den digitalen Raum

S. 307

Christian Huemer S. 349

23

Zur Gründungsgeschichte des Museums des 20. Jahrhunderts / 20er Haus

Luise Reitstätter, Anna Frasca-Rath

Claudia Slanar

S. 353

S. 325

26

Museale Selbstbilder auf dem Prüfstand Eintrittskarte zur Egon-SchieleAusstellung, 1968, AdB, Zl. 1067/1968

1945–2023

S. 275 Eröffnung der ersten

275

276

280

277

S. 277 Bundeskanzler Bruno

284 290

289 297

292

Kreisky und Wissenschaftsministerin ­Hertha Firnberg besichtigten das erste res­taurierte Teilstück des ­Beethovenfrieses von Gustav Klimt im Oberen Bel­vedere, 26. 10. 1975, Foto : ­Votava S. 278 Besucherinnen in der

291

Paul-Gauguin-Aus­ stellung im Oberen Belvedere, 1960, Foto : Votava S. 280 Einzelausstellung von

Franz Zadrazil im Oberen Belvedere, 1979, Bildarchiv des Belvedere, Wien

296

S. 282 Besucherinnen der

298

299

302

S. 289 Ausstellung Klimt und

S. 303 Im Rahmen des Langen

die Frauen im Oberen Belvedere, 2000/01, Foto : Barbara Gindl

Tags der Flucht lud das 21er Haus zu einer kostenlosen Führung in der Ausstellung AI WEIWEI. translocation – transformation ein, 2016, Foto : UNHCR_Ina Aydogan, Belvedere, Wien

S. 290 Kinder hüpfen auf BälS. 276 Auspacken der Leih­

gaben für die Aus­stel­ lung Paul Cézanne 1839–­1906 im Oberen Belvedere, 5. 4. 1961, Wiener Stadt- und ­Landesarchiv, Presseund Informationsdienst

283 282

286

278

monografischen EgonSchiele-Ausstellung im Oberen Belvedere, 8. 4. 1968, Foto : Votava

Claude-Monet-Aus­ stel­lung im Oberen Belvedere, die mit mehr als 300 000 Eintritten äußerst erfolgreich verlief, 13. 3. 1996, Foto : Rudi Baha

len der Künstlerin Gudrun Kampl durch den Marmorsaal des Oberen Belvedere, 30. 11. 2007, Foto : Gerald Haenel S. 291 Skulptur Die Doppel-

gängerin (Die Schere) von VALIE EXPORT im Belvederegarten, 2010, Foto : Anna Blau, Belvedere, Wien S. 292 Besucher*innen von

Gustav Klimts Werken in der Schausammlung des Belvedere, 2016, Foto : Wolfgang Thaler, Belvedere, Wien S. 296 Eröffnung der Ausstel-

lung Franz Graf. Siehe was dich sieht, 2014, Foto : Natascha Unkart, Belvedere, Wien S. 297 Baumpflanzung im

Skulpturengarten des Belvedere 21 im Rahmen der Ausstellung Joseph Beuys. Denken. Handeln. Vermitteln., 2021, Foto : eSel.at, Belvedere, Wien

301 304

303 306

305 ← Menschenschlange vor dem Oberen Belvedere für die Ausstellung Van Gogh, 1958

S. 284 Umbau- und Renovie-

309 310

rungsmaßnahmen im Oberen Belvedere im Rahmen der „Museumsmilliarde“, 1994, Bildarchiv des Belvedere, Wien S. 286 Eröffnungsausstellung

Objekte. Skulptur in Österreich nach ’45 im Atelier Augarten, 2001, Foto : Margherita Spiluttini, Bildarchiv des Belvedere, Wien

wei im Oberen Belvedere, 2016, Belvedere, Wien S. 305 Carola Dertnig, Again

Audience, Performance im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung Der Wert der Freiheit im Belvedere 21, 2018, Foto : eSel.at, Belvedere, Wien S. 306 Sommerfest im Belve-

dere 21 mit Open Mic – Das öffentliche Mikrofon mit Schudini The Sensitive, 15. 7. 2022. Die pinkfarbene Cap in der Bildmitte gehört zur Skulptur B-Girls, Go ! der Künstlerin Maruša Sagadin und bildet mit dem lila Holzdeck einen Bühnenraum ; Foto : ­Ouriel Morgensztern, Belvedere, Wien S. 309 Regenbogenfahnen an-

S. 298 Werke von Christine

und Irene Hohenbüchler in der Ausstellungsreihe CARLONE ­CONTEMPORARY, 2021, Belvedere, Wien

S. 283 Stundenlanges Warten

mussten Kunstinteressierte auch am letzten Tag der Claude-MonetAusstellung im Oberen Belvedere in Wien in Kauf nehmen, 16. 6. 1996, Foto : Hans Techt

S. 304 Installation von Ai Wei-

S. 299 Ausstellung Donna Hu-

anca. Piedra Quemada im Unteren Belvedere, 2018, Belvedere, Wien S. 301 Ausstellung Stadt der

Frauen. Künstlerinnen in Wien von 1900 bis 1938 im Unteren Belvedere, 2019, Belvedere, Wien S. 302 Kinderprogamm der

Kunstvermittlung in der Ausstellung Franz West. Artistclub im 21er Haus, 2016, Foto : ­Ouriel Morgensztern, Belvedere, Wien

lässlich von „Queering the Belvedere“ vor dem Belvedere 21, 2021, Belvedere, Wien S. 310 Ausstellung Das Belve-

dere. 300 Jahre Ort der Kunst in der Orangerie des Belvedere, 2022, Belvedere, Wien

Kap. V 1945–2023 Eröffnung der ersten monografischen Egon-Schiele-Aus­ stellung im Oberen Belvedere, 8. 4. 1968

S.

275

S.

276

Auspacken der Leihgaben für die Ausstellung Paul Cézanne 1839–1906 im Oberen Belvedere, 5. 4. 1961

Kap. V 1945–2023 Bundeskanzler Bruno Kreisky und Wissenschaftsministerin ­Hertha Firnberg besichtigten das erste restaurierte Teilstück des ­Beethovenfrieses von Gustav Klimt im Oberen Bel­vedere, 26. 10. 1975

S.

277

S.

278

Besucherinnen in der Paul-Gauguin-Ausstellung im Oberen Belvedere, 1960

—— Dr. H. Haegler an die Direktion des Belvedere, 22. 10. 1953, AdB, Zl. 224/1953

S.

279

Kap. V 1945–2023

Ich kenne so ziemlich alle Gemäldegalerien Europas und möchte sagen, dass Sie mit international weniger berühmten Namen als grosse Galerien einen erstaunlich guten Gesamteindruck zu geben vermögen. […] Die an & für sich hübschen & einheitlichen Täfel­chen mit den Namen der Maler & des jeweiligen Bildes sind consequent unter den Bildern angebracht & damit teilweise sehr schlecht leserlich & schlecht sichtbar.

S.

280

Einzelausstellung von Franz Zadrazil im Oberen Belvedere, 1979

Kap. V 1945–2023 Plakat Man geht wieder ins Museum. Moderne Kunst in barocken Räumen, 1982

S.

281

S.

282

Besucherinnen der Claude-MonetAusstellung im Oberen Belvedere, 13. 3. 1996

Kap. V 1945–2023 Stundenlanges Warten mussten Kunstinteressierte auch am letzten Tag der Claude-MonetAusstellung im Oberen Belvedere in Wien in Kauf nehmen, 16. 6. 1996

S.

283

S.

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Umbau- und Renovierungsmaßnahmen im Oberen Belvedere im Rahmen der „Museumsmilliarde“, 1994

—— Brief einer Besucherin an die Direktion der Österreichischen Galerie, 22. 6. 1995, AdB, Zl. 747/1995

S.

285

Kap. V 1945–2023

Vor einem Monat habe ich einen Aufenthalt mit Freunden in Wien gemacht. Unser Ziel war es, Ihre Stadt zu besichtigen, und insbesondere das obere und das untere Belvedere, die für ihre ausserordentlichen Sammlungen weltbekannt sind, zu besuchen. Zu unserer grossen Ent­ täuschung haben wir zuerst festgestellt, dass das untere Belvedere ganz geschlossen war. […] Ich kann verstehen, dass Renovierungsarbeiten nötig sind, aber warum sollten sie alle gleich­ zeitig stattfinden ? Mein Hauptvorwurf ist aber folgender : ich finde es besonders skandalös und unehrlich, dass der Preis der Eintrittskarte derselbe bleibt, während die grosse Mehrheit der Werke unsehbar sind. Entweder schliessen Sie das ganze Museum oder Sie öffnen min­ destens die Hälfte des Bevelderes, sonst heisse ich dass, den Leuten auszulachen !

Kap. V 1945–2023 Eröffnungsausstellung Objekte. Skulptur in Österreich nach ’45 im Atelier Augarten, 2001

Die Klimt Ausstellung mit den Gegenüber­stel­ lungen von Porträts berühmter europ. Künstler ist wunderbar – unter einer Voraussetzung : Nicht mehr als ca. 500 Besucher dürfen sich gleichzeitig in den Ausstellungsräumen befinden – denn – auf Grund des Massen­ andranges am Silvestertag des Jahres 2000 war der Besuch ein absoluter HORROR und das Eintrittsgeld nicht wert. In jedem Thermalbad, in jedem Kino, Konzertsaal ja sogar schon auf Schipisten gibt es eine vernünftige Selbstbeschränkung des Veranstalters wieso nicht in Ihrer Galerie ? —— Brief eines Besuchers an die Direktion des Belvedere, 4. 1. 2001, AdB, Zl. 21/2001

S.

288

Kap. V 1945–2023 Ausstellung Klimt und die Frauen im Oberen Belvedere, 2000/01

S.

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↑ Kinder hüpfen auf Bällen der Künstlerin Gudrun Kampl durch den Marmorsaal des Oberen Belvedere, 30. 11. 2007

→ S. 291 Skulptur Die Doppelgängerin (Die Schere) von VALIE EXPORT im Belvederegarten, 2010

S.

290

→ S. 292 Besucher*innen von Gustav Klimts Werken in der Schausammlung des Belvedere, 2016

1945–2023

Kap. V

21

Die Marke „Wien um 1900“ Franz Smola

Z

weifellos präsentiert sich heute das Belvedere gemeinsam mit dem MAK, dem Leopold Museum, dem Wien Museum und der Secession als Hotspot, an dem einheimisches wie internationales Publikum in die Welt von „Wien um 1900“ eintauchen kann. Einer der Stars dieser Epoche, die sich seit einigen Jahrzehnten ungeheurer Popularität erfreut, ist Gustav Klimt, dessen Bildern man in der Österreichischen Galerie so umfassend wie sonst nirgendwo begegnet. Sein Hauptwerk Der Kuss (Liebespaar) von 1908/09 hat das Obere Belvedere längst in ein „Must-see“ für alle Wienreisenden verwandelt (→ S. 342–343). Die führende Rolle bei der Entwicklung der Marke „Wien um 1900“ spielte, was naheliegend ist, die Stadt Wien selbst. Bereits 1964 hatte das Kulturamt der Stadt Wien eine Ausstellung mit dem Titel Wien um 1900 organisiert und im Historischen Museum der Stadt Wien am Karlsplatz, in der Secession und im Künstlerhaus Highlights der b­ ildenden Kunst, der Plakatkunst und des Kunstgewerbes gezeigt. Rund zwanzig Jahre später, 1985, war das Künst-

1

S.

293

lerhaus Schauplatz der Ausstellung Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930, neuerlich organisiert vom Historischen Museum der Stadt Wien (Abb. 1). Den theoretischen Impuls dazu hatte wenige Jahre zuvor Carl Schorske mit seiner bahnbrechenden Publikation Fin-de-Siècle Vienna geliefert, die 1981 unter dem Titel Wien. Geist und Gesellschaft im Fin-de-Siècle auf Deutsch erschienen ist. Mit zeitlich erheblich erweitertem Fokus umfasste diese Megaschau zusätzlich auch Sparten wie Architektur, Bühnenkunst, Literatur, Musik bis hin zu Psychiatrie und junger Filmkunst. Natürlich war Klimts Kuss auch hier einer der Stars, ebenso wie der nach rund zehnjähriger Restaurierung wieder ausstellungsfähig gewordene Beethovenfries, den die Republik 1973 von Erich Lederer erworben hatte und der nach dieser Präsentation seine dauerhafte Bleibe im Untergeschoß der Secession finden sollte. So spektakulär diese Schau für das Wiener Publikum nicht zuletzt aufgrund der effektvollen Inszenierung durch Hans Hollein war (Abb. 2), so wichtig war es, dieses Thema zugleich auch über die Grenzen Österreichs hinauszutragen. Genau das war bereits ein Jahr zuvor, 1984, geschehen, als im Rahmen der 41. Biennale von Venedig im Palazzo Grassi die Schau Le arti a Vienna : dalla Secessione alla caduta dell’impero Asburgico, kuratiert von Maria Marchetti, Rossana Bossaglia und Marco Pozzetto, gezeigt wurde. Eigens für dieses Ereignis war eine exzellente Kopie des Beethovenfrieses angefertigt ­w orden, die sich auch in allen nachfolgenden „Wien um 1900“-Ausstellungen als verlässliche Attraktion bewähren sollte. 1986 wurde dasselbe Thema an gleich zwei prominenten internationalen Kulturschauplätzen zele­

Abb. 1 Plakat der Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–­ 1930, 1985, Gestalter  : Tino Erben, Wien Museum

briert, nämlich in der von Jean Clair für Paris kuratierten Schau Vienne 1880–1938. Naissance d'un siècle, gezeigt von Februar bis Mai 1986 im Centre Pompidou (Abb. 3), sowie in der von Kirk Varnedoe kuratierten Präsentation Vienna 1900 : Art, Architecture and Design, die von Juli bis Oktober 1986 im Museum of Modern Art in New York zu sehen war (Abb. 4). Jean Clairs Konzept für Paris glich jener Idee, die Werner Hofmann in seiner in der Hamburger Kunsthalle gezeigten Ausstellung Experiment Weltuntergang. Wien um 1900 bereits 1981 realisiert hatte. Doch erweiterte Clair den zeitlichen Rahmen bis 1938. Indem die Ausstellung in Paris die historische Zäsur von 1918 mit der politischen Katastrophe des Nationalsozialismus verknüpfte, unterschied sie sich von der Wiener Schau Traum und Wirklichkeit, die den ­Ü berblick im Jahr 1930 hatte enden lassen. Klimts Kuss wurde 1986 nicht nach Paris geschickt, sondern nur nach New York, um dann nochmals 1989 nach Tokyo ins Sezon Museum of Art zur Ausstellung Wien um 1900. Klimt, Schiele und ihre Zeit verliehen zu werden. Nur noch zweimal, nämlich 1992 zur großen Klimt-Retrospektive im Kunsthaus Zürich und 1997 zu einem kurzen Gastspiel in Rom, sollte Der Kuss auf Reisen gehen, seither hat das Bild das Belvedere nicht mehr verlassen. In den unmittelbar darauffolgenden Jahren wurden in diversen Städten weitere „Wien um 1900“-Ausstellungen rea­ lisiert, zumeist unter der Kuratierung des Wien Museums, etwa 1990 im PuschkinMuseum in Moskau oder 1991 in der Liljevalchs Konsthall in Stockholm und im selben Jahr im Museum Louisiana in Humlebaek bei Kopenhagen. Aber auch das Belvedere organisierte federführend vergleichbare Projekte, etwa 1993 die mehr als 430 Nummern umfassende Schau Viena 1900 im Museo Reina Sofía in Madrid. Rasant steigende Versicherungspreise sowie die zunehmend eingeschränkte Verfügbarkeit von Leihgaben machen es seither immer schwieriger, umfassende Ausstellungen zu diesem Thema zu zeigen. Aber wenn es gelingt, sind sie stets von großer Faszi­n ation, wie etwa die Schau Vienna : Art & Design. Klimt, Schiele, Hoffmann, Loos in der National Gallery of Victoria in Melbourne, Australien, oder Wien 1900. Klimt, Schiele und ihre Zeit in der Fondation Beyeler in ­R iehen in der Schweiz, die beide 2011 stattfanden.

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Abb. 2 Fassade des Wiener Künstlerhauses anlässlich der Ausstellung Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930, 1985, Foto  : Votava Abb. 3 Plakat Vienne 1880– 1938. Naissance d’un siècle, 1986, Gestalter  : Marc Walter

Abb. 4 Ausstellung Vienna 1900  : Art, Architecture and Design, 1986, Photographic Archive. The Museum of Modern Art Archives, New York

1945–2023

Kap. V

Kap. V 1945–2023 ↑ Baumpflanzung im Skulpturengarten des Belvedere 21 im Rahmen der Ausstellung Joseph Beuys. Denken. Handeln. Vermitteln. mit Harald Krejci und Generaldirektorin Stella Rollig, 2021

← Eröffnung der Ausstellung Franz Graf. Siehe was dich sieht, 2014

S.

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↑ Werke von Christine und Irene Hohenbüchler in der Ausstellungsreihe CARLONE CONTEMPORARY, 2021

S.

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→ Ausstellung Donna Huanca. Piedra Quemada im Unteren Belvedere, 2018

299

S.

1945–2023

Kap. V

Die Ausstellung „Stadt der Frauen“ ist erfreulich, aber warum brauchen wir 2019 immer noch eine eigene Frauen-Ausstellung wie vor 100 Jahren !? Warum sehen wir alle diese Werke nicht immer ? —— Feedback einer Besucherin, 4. 3. 2019, Belvedere, Wien

S.

300

Ausstellung Stadt der Frauen. Künstlerinnen in Wien von 1900 bis 1938 im Unteren Belvedere, 2019

1945–2023

Kap. V

Kap. V 1945–2023 ↑ Im Rahmen des Langen Tags der Flucht lud das 21er Haus zu einer kostenlosen Führung in der Ausstellung AI WEIWEI. translocation – transformation ein, 2016

← Kinderprogamm der Kunstvermittlung in der Ausstellung Franz West. Artistclub im 21er Haus, 2016

S.

303

S.

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Installation von Ai Weiwei im Oberen Belvedere, 2016

Kap. V 1945–2023 Carola Dertnig, Again Audience, Performance im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung Der Wert der Freiheit im Belvedere 21, 2018

S.

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↑ Sommerfest im Belvedere 21 mit Open Mic – Das öffentliche Mikrofon mit Schudini The Sensitive, 15. 7. 2022. Die pinkfarbene Cap in der Bildmitte gehört zur Skulptur B-Girls, Go ! der Künstlerin Maruša Sagadin und bildet mit dem lila Holzdeck einen Bühnenraum.

S.

306

→ S. 309 Regenbogenfahnen anlässlich von „Queering the Belvedere“ vor dem Belvedere 21, 2021

22

Mapping the Hood. Das Quartier Belvedere Christiane Erharter

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ie Umgebung des Belvedere 21, jenes Areal zwischen Schloss Belvedere, Schweizergarten und Arsenal (Abb. 1), gilt als eines der größten innerstädtischen Stadtentwicklungsgebiete Wiens. In Vorbereitung auf die Bautätigkeiten, die von der Dimension mit denen am Potsdamer Platz in Berlin ab 1990 vergleichbar sind, wurde die S-Bahn-Haltestelle Südbahnhof ausgebaut und im Dezember 2012 in Quartier Belvedere umbenannt. Im Dezember 2019 wurde durch die Verlängerung der Straßenbahnlinie D vom Hauptbahnhof über das Sonnwendviertel bis zur Absberggasse im 10. Bezirk die Erreichbarkeit durch den öffentlichen Verkehr verbessert. Dazwischen erfolgten auf dem 25 Hektar großen Gelände des ehemaligen Südbahnhofs die Errichtung des neuen Hauptbahnhofs – Eröffnung im Oktober 2014, Vollinbetriebnahme im Dezember 2015 – sowie die Schaffung zweier neuer Stadtviertel – Quartier Belvedere und Sonnwendviertel (Abb. 2) . Der Wiener Südbahnhof galt historisch als Hub von „Osten“ nach „Westen“, von „Süden“ nach „Norden“ und war bereits im 19. Jahrhundert mit Migration verbunden, als für den Bau der Wiener Ringstraße Arbeiter*innen aus Böhmen und Mähren in den Ziegeleien auf dem Wienerberg im Süden Wiens beschäftigt wurden. Beginnend mit den frühen 1950erJahren bis Mitte der 1960er kamen über Anwerbeabkommen mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien Arbeiter*innen aus diesen Ländern nach Österreich. In Wien siedelten sie sich häufig im an das Bahnhofsgelände angrenzenden 10. Bezirk Favoriten an. In den 1990er-Jahren stand der Südbahnhof für die durch die Kriege im ehemaligen Jugoslawien ausgelösten Fluchtbewegungen. War für Kriegsgeflüchtete S.

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damals oft auch der Busterminal Ausstiegsstelle, kamen 2015 Geflüchtete aus Syrien bereits am neuen Hauptbahnhof an und reisten von dort weiter ; aktuell werden dort Geflüchtete aus der Ukraine erstversorgt. Das Quartier Belvedere ist ein gemischt genutztes Büro-, Geschäfts- und Wohnviertel. Es umfasst die Bürokomplexe der Erste Group, Canetti Tower, The Icon Vienna, das auf sechs Baufeldern errichtete Quartier Belvedere Central sowie die Wohnbauten Bel & Main Residences, BelView Apartments und Parkapartments am Belvedere in der Arsenalstraße. Mit dem dahinter gelegenen Sonnwendviertel entstand ein neuer Stadtteil mit fünftausend Wohnungen für 13 000 Menschen, was der Einwohner*innenzahl einer mittelgroßen österreichischen Stadt entspricht. Dort haben sich zahlreiche teils selbst organisierte Wohnund Gemeinschaftsprojekte angesiedelt, von denen alle über Gemeinschaftsräume verfügen und einige, wie Gleis 21, Grätzelmixer oder CAPE 10, Kulturprogramme anbieten oder wie Bikes and Rails ein Community-Café betreiben. Durch diese Veränderungen im urbanen Umfeld hat das Belvedere 21 eine Neupositionierung in der Stadt erfahren. Es liegt heute in der Mitte einer Kulturachse, die sich vom Wien Museum am Karlsplatz über das Quartier Belvedere und das Arsenal bis zum Kulturzentrum Brotfabrik im 10. Bezirk zieht. Dieser Wandel war einer der Gründe dafür, im Jahr 2018 als erstes österreichisches Bundesmuseum die Position einer*eines Kurator*in für Community Outreach 1 am Standort Belvedere 21 einzurichten und das Museum als Teil dieser andauernden Transformation zu begreifen.

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Abb. 1 Das Areal rund um das Belvedere 21, 2017, Belvedere, Wien Abb. 2 Bewohner*innen entdecken das Sonnwendviertel mithilfe eines großen Stadtplans, 2019

1 Community Outreach steht für das Ausstrecken und Hinausgehen (outreach) aus den Museen hinaus zu spezifischen Gruppen (communities). Das bedeutet auch eine ­Erweiterung der Museumsarbeit hin zu ­bislang ausgeschlos­se­ nen, unterrepräsen­ tierten oder marginalisierten Communities sowie deren Einbeziehung in das Museum.

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Kap. V 1945–2023 Ausstellung Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst in der Orangerie des Belvedere, 2022

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BRIGITTE BORCHHARDTBIRBAUMER —— „Unsere Moderne machen wir uns selber !“ Österreichs verzögertes Wiederanknüpfen an die internationale Avantgarde nach 1945

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1 Siehe die von der Autorin erstellte Chronologie in Ausst.-Kat. Wien 2020, S. 597–605. 2 Veranstaltet wurden diese Ausstellungen vom Kulturamt der Stadt Wien. 3 Siehe https://www. geschichtewiki.wien. gv.at/Niemals_ver gessen!_Antifaschisti sche_Ausstellung,_ Wiener_Künstlerhaus (zuletzt besucht am 13. 3. 2023). Eine weitere Ausstellung zum Thema war Die uns verließen im Oberen Belvedere, 1980 für die Wiener Festwochen kuratiert von Elfriede Baum, Kustodin an der Österreichischen Galerie unter der ­D irektion von Hans Aurenhammer.

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Österreichs Kunstpolitik nach 1945 weist nur punktuell Versuche auf, an die internationale Avantgarde anzuknüpfen und Gegenwartskunst in den Fokus positiver Aufmerksamkeit durch das Publikum zu rücken. 1950 löste Rudolf Hausners Arche des Odysseus, ein altmeisterlich gemaltes Gemälde mit phantastischen Details, in einer Ausstellung des 1947 in Wien gegründeten Internationalen Art Club im Konzerthaus-Foyer einen Skandal aus. Noch weniger verstanden wurde 1959 das mit einer Klavierzertrümmerung den Dekonstruktivismus ankündigende „2. Literarische Cabaret“ der Wiener Gruppe im Saal des Porrhauses beim Naschmarkt, des ehemaligen sowjetischen Kulturzentrums.1 Auch die Anerkennung und Musealisierung der Wiener Aktionisten dauerte über vier Jahrzehnte. Einzelne Kunsthistoriker*innen, etwa Fritz Novotny im Belvedere oder Otto Benesch in der Albertina, versuchten, nach dem Wiederauf‌bau der zerbombten Museumsgebäude an die von den Nationalsozialisten verfemte klassische Moderne anzuschließen. Im Oberen Belvedere wurden ab den späten 1950er-Jahren Vincent van Gogh (1958, → S. 270), Paul Gauguin (1960, → S. 278) und Paul Cézanne (1961, → S. 276) in Ausstellungen gezeigt, die auf enormes Publikumsinteresse stießen.2 Ähnlich verhielt es sich auch in Deutschland – etwa im Programm der documenta 1 im Jahr 1955, erst die documenta II des Jahres 1959 war der Gegenwartskunst aus Amerika und der umstrittenen Geschichte der Abstraktion gewidmet. Neben der Neubewertung der klassischen Moderne versuchten die Alliierten bis 1955 in Wien, Innsbruck und Salzburg, mit innovativen Ausstellungen, Symposien, Stipendien und der Gründung der Internationalen Hochschulwochen (durch Otto Molden und Simon Moser ; später Forum Alpbach) die Situation für die junge Szene zu verbessern und die postnazistische Beharrlichkeit aufzulösen. Ihre Vermittlungsversuche hatten keinen anhaltenden Erfolg, trotz Ausstellungen zu Alexander Calder oder zur neuen französischen und amerikanischen Avantgarde. Initiiert durch die sowjetische Besatzungsmacht und unterstützt durch den kommunistischen Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka veranstaltete das Künstlerhaus 1946 die antifaschistische Schau Niemals vergessen ! (Abb. 1).3 1955 kam es zur Ablehnung des von Sergius Pauser gemäßigt expressiv gemalten Staatsvertragsbildes. Matejka blieb ein wichtiger Unterstützer der Gegenwartskunst ; bereits im November 1945 veröffentlichte er in New Yorker Emigrantenzeitungen einen „Aufruf an die österreichischen Künstler und Wissenschaftler in den USA“, nach Wien zurückzukehren. Erst Bruno Kreiskys Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg (→ S. 277) sollte in den 1970er-Jahren daran anschließen. Die hiesige Avantgarde blickte bis in die 1960er-Jahre nach Paris, um von dort neben surrealistischen Tendenzen auch die informelle Abstraktion zu übernehmen. Das Pariser Atelier von Greta Freist und Gottfried Goebel war als französischer Ableger des Art Club ab 1949 An-

laufstelle für Susanne Wenger, Maria Lassnig, Friedensreich Hundertwasser, Arnulf Rainer und andere.4 Längst hatte New York Paris als Kunsthauptstadt des Westens abgelöst, die pathetisch als „Weltsprache“ gefeierte, dem Realismus der Diktaturen gegenüberstehende Abstraktion brachte in Wien jedoch erst Werner Hofmann ein : mit seinen Planungen des Museums des 20. Jahrhunderts ab 1959 – obwohl dieser Bereich von der Österreichischen Galerie hätte abgedeckt sein sollen.5 Was Art-ClubKünstler*innen wie Curt Stenvert und Gerhard Rühm noch nicht gelungen war, nämlich eine Erweiterung der Kunst um experimentellen Film, neue Musik und Literatur im Strohkoffer – dem Ausstellungsort des Art Club –, wurde im 1962 eröffneten Museum des 20. Jahrhunderts, dem sogenannten 20er Haus, zum Programm (→ S. 325,  23  ). Oskar Kokoschkas Porträt des Bürgermeisters Theodor Körner von 1949 und die Karl-Renner-Büste von Alfred Hrdlicka von 1967 waren neben den als „gesellschaftszersetzend“ bezeichneten Gemälden Pablo Picassos Gegenstand heftiger Proteste der FPÖ-nahen „Liga gegen entartete Kunst“, die von hitzigen medialen Debatten begleitet wurden.6 1969 unterstützten Künstler*innen von Elias Canetti bis Adolf Frohner im „Wiener Kunstkrieg“ den wegen Ehrenbeleidigung verurteilten Kunsthistoriker und Gründungsdirektor des Museums des 20. Jahrhunderts Werner Hofmann (→ S. 326, Abb. 4).7 Die NS-Kontinuitäten blieben stark : Beispielsweise wurde die Gestaltung des Eisernen Vorhangs und der Tapisserien in der 1955 wiedereröffneten Staatsoper bei Rudolf Hermann Eisenmenger, als NSDAP-Parteimitglied und Präsident des Künstlerhauses einer der einflussreichsten Proponent*innen der Wiener Kulturpolitik der NS-Zeit, in Auftrag gegeben (Abb. 2) ; auch andere ehemalige NS-Künstler*innen, etwa Josef Thorak, wurden weiter angekauft und gefördert. 1968 wurde der Psychiater Heinrich Gross als Gutachter im Gerichtsverfahren gegen die an der Aktion „Kunst und Revolution“ im Hörsaal 1 des Neuen Insti­ tutsgebäudes der Universität Wien beteiligten Künstler herangezogen. Gross hatte von 1938 bis 1945 die NS-Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ geleitet, in der im Rahmen des NS-Euthanasie-Programms Hunderte erkrankte und „schwererziehbare“ Kinder und Jugendliche gequält und ermordet wurden. Gross wurde für seine Verbrechen nie verurteilt.8 Die Internationalisierung, die Oskar Kokoschka 1953 mit der Gründung der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst als „Schule des Sehens“ in Salzburg gelang, glückte in der Kunstwissenschaft durch die Rückkehr der „Ottonen“ aus dem Exil : Otto Benesch, Otto Demus und Otto Pächt, der 1963 zum Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Wien berufen wurde. Benesch wurde 1947 zum Direktor der Albertina, Demus 1946 zum Präsidenten des Bundesdenkmalamts bestellt ; beide waren zudem als Lehrende an der Wiener Universität tätig und Ehrenmitglieder des Art Club. Dessen Hauptstatut besagte, dass

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4 Ausst.-Kat. Krems 2021  ; Ausst.-Kat. Wien 2007, bes. S. 45–60. 5 Voggeneder/Borchhardt-Birbaumer 2019, bes. S. 9–17. 6 Vgl. den Umgang mit Egon Schieles Werk in der Nachkriegszeit  ; 1957 Abgabe von Kardinal und Nonne („­wegen des Darstellungsthemas nicht ­e xponiert“)  ; Mayer M. 2014, S. 317  f. (Reichsbund der Arbeit). 7 Siehe Ausst.-Kat. Krems 2021, S. 15. 8 Siehe Borchhardt-­ Birbaumer 2020a, S. 72.

9 Borchhardt-Birbaumer 2015. 10 Ausst.-Kat. Wien 2001. 11 Eine Initiative für die Neue Geometrie wurde 1946 von Leopold Wolfgang Rochowan­ ski mit der Galerie Agathon in Wien gestartet. 12 Hrdlickas Denkmal gegen Krieg und ­Faschismus löste eine von 1988 bis 1991 andauernde Debatte aus, so wie auch der durch eine Wettbewerbsjury 1996 unter Holleins Vorsitz gekürte Siegerentwurf für das Mahnmal auf dem Judenplatz von Whiteread, das am 25. Oktober 2000 enthüllt wurde. 13 Ausst.-Kat. Graz 1992.

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Mitglieder unberührt von moralisch bedenklichen politischen Aktivitäten und Mitgliedschaften sein mussten – internationale Verbindungen standen gegen frühere Kollaboration mit den Nationalsozialisten.9 Andererseits blieb dem profilierten Belvedere-Kustos (von 1923 bis zu seiner Entlassung 1938) und bahnbrechenden Fotohistoriker Heinrich Schwarz, der 1939 aus rassistischen Gründen in die USA emigrieren musste, eine Rückkehr ins Museum oder an die Universität Wien verwehrt. Der Maler und provisorische Akademie-Rektor Herbert Boeckl berief den Bildhauer Fritz Wotruba nach Kriegsende aus der Schweiz an die Akademie am Schillerplatz, wo dieser 1946 die Leitung der Meisterklasse für Bildhauerei übernahm. Der Maler Albert Paris Gütersloh, als ab 1938 Verfolgter nicht politisch belastet, wurde 1945 mit der Leitung einer Meisterschule für Malerei an der Wiener Akademie betraut. 1948 erfolgte eine erste Amnestie für als „minderbelastet“ eingestufte ehemalige NSDAPMitglieder. Die Hochschule für angewandte Kunst wurde mit Rückgriffen auf die innovative Jugendkunstschule Franz Čižeks, den Kinetismus und die Bauhaus-Lehre durch Herbert Tasquil zum innovativeren Ort, an dem die Avantgarde unterrichtete – von Helga Philipp über Peter Weibel, Adolf Frohner, Hans Hollein bis zu Oswald Oberhuber, der als Rektor ab 1979 die Erweiterung des Kunstbegriffs mit großem Impetus vorantrieb.10 Die „Angewandte“ konnte ab 1980 daher zum Ausgangspunkt der Neuen Geometrie werden, eines Gegenpols zur neuen wilden Malerei.11 Hier fand ab 1962 auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem National­ sozialismus statt – durch erste Entwürfe Frohners, Holleins, Walter Pichlers und Bruno Gironcolis für Mahnmale zur Erinnerung an die Opfer der Schoa. Diese Werkskizzen hatten noch keine Chance, im öffentlichen Raum umgesetzt zu werden. Nach der Aufstellung von Alfred Hrdlickas Mahnmal gegen Krieg und Faschismus im Jahr 1988 auf dem Albertinaplatz dauerte es über ein Jahrzehnt, bis 2000 Rachel Whitereads Denkmal auf dem Judenplatz errichtet wurde.12 1968 brachte Otto Breichas Präsentation der Gruppe Wirklichkeiten (Mitglieder waren unter anderen Martha Jungwirth, Kurt Kocherscheidt und Peter Pongratz) in der Secession eine eigenwillige Variante der Pop-Art in Österreich zum Vorschein (Abb. 3), vom Kurator ironisch als „Alpen Pop“ bezeichnet. Die Nähe der Gruppe zu den späteren Literaturnobelpreisträger*innen Elfriede Jelinek und Peter Handke entstand über Aktivitäten in der „Kulturhauptstadt“ Graz, in der Wilfried Skreiner und andere mit dem steirischen herbst, der Dreiländerbiennale trigon, der Gründung des forum stadtpark und der Zeitschrift manuskripte in Sachen Gegenwartskunst seit den späten 1950er-Jahren in Österreich weit voraus waren.13 Der bereits erwähnte Kunsthistoriker Fritz Novotny, seit 1939 wissenschaftlicher Mitarbeiter und späterer Direktor (1945–47, 1960–68)

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der Österreichischen Galerie (Abb. 4),14 hielt über viele Jahre kontinuierlich Kontakt zu vertriebenen Künstler*innen wie Gerhart Frankl oder Trude Waehner und kannte den Regimekritiker und Galeriegründer Monsi­ gnore Otto Mauer, der in den Räumen von Otto Kallirs Neuer Galerie die Ga­lerie (nächst) St. Stephan einrichtete.15 Trotzdem kritisierten Novotny und das Kunsthistorikerehepaar Dora und Günther Heinz die „Modernisten“, Vertreter*innen der Kunstgeschichte mit Bekenntnis zur zeitgenössischen Kunst wie Werner Hofmann oder Nani und Klaus Demus, die mit Paul Celan und dessen Künstlerfrau Gisèle Lestrange befreundet waren. Ähnlich kritisch sahen viele später Hermann Fillitzʼ Naheverhältnis mit dem deutschen Sammler Peter Ludwig ; mit der Gründung der Österreichischen Ludwig-Stiftung 1981 fanden zahlreiche Leihgaben Ludwigs Eingang in den Bestand des Museums für moderne Kunst.16 Wie am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien in Form von zwei Ordinariaten zog man in der Österreichischen Galerie durch die Einrichtung des Museums mittelalterlicher Kunst 1953 die Mittelalterforschung der Gegenwartskunst vor. Auch wenn Gerhard Schmidt, Assistent des Vorstands des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Wien Karl Maria Swoboda, 1956 ein erstes Buch zur Neuen Malerei in Österreich publizierte, blieb man beim Standpunkt : „Unsere Moderne machen wir uns selber !“ 17 Dabei hatte Schmidt wie Werner Hofmann in der Nachkriegszeit ein Parisstipendium erhalten ; der frankophile Hofmann war aber die treibende Gestalt bei der Gründung des Museums des 20. Jahrhunderts in Wien im Auftrag des für Kunst und Wissenschaft zuständigen Ministers Heinrich Drimmel. Typisch österreichisch war die Nichterwägung eines Neubaus zugunsten der Wiederverwendung von Karl Schwanzers Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958 (→ S. 325,  23  ).18 Am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien hatte Hofmann seitens der Mittelalter-Ordinarien, aber auch Renate WagnerRiegers, die mit ihren Assistent*innen den Historismus einer fundamentalen Neubewertung unterzog, keine Chance auf eine Professur. WagnerRieger und ihr Umfeld bereiteten jedoch den Boden für die Wiederent­ deckung der Wiener Moderne um 1900, der auch die Aufmerksamkeit der aus Wien vertriebenen Kunsthändler Serge Sabarski und Otto Kallir in New York galt.19 Durch zahlreiche Publikationen und Ausstellungen in der Nachfolge von Hans Holleins Wiener-Festwochen-Schau Traum und Wirklichkeit 1985 boomt die Moderne des Wiener Fin de Siècle bis heute (→ S. 293,  21  ). Eine Verfechterin der Gegenwartskunst am Institut war Maria Buchsbaum, die bis 1990 als Kunstkritikerin der Wiener Zeitung tätig war. Sie hob als Erste die innovativen Leistungen von Künstlerinnen wie Maria Szeni oder Maria Lassnig hervor. Kunstkritik galt aber noch wie in der ersten Wiener Schule der Kunstgeschichte als unwissenschaftlich und mit dem verwerf‌lichen Treiben des Kunstmarkts verbandelt.20

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14 Siehe https://www. lexikon-provenienzfor schung.org/novotnyfritz (zuletzt besucht am 13. 3. 2023). 15 Fleck 1982. 16 Zum „Scheitern“ Novotnys in Sachen Restitutionen nach 1945 sowie zur nicht geglückten Rückholung Gerhart Frankls aus dem Londoner Exil als Professor an die Akademie siehe den Beitrag von Luisa Ziaja in diesem Band, S. 320–335. 17 Zitat wiedergegeben von Werner Hofmann in einem Telefonat mit der Autorin 2002 über die ihm ver­ weigerte Habilitation. 18 Hofmann 2011. 19 Mayer M. 2014, S. 309. Ich danke Monika ­M ayer für den Hinweis  ; Natter 2003. 20 Lachnit 2005, bes. S. 22, 35  f.

21 Zaunschirm 2001, S. 31–47. 22 Zaunschirm 2001, S. 20. 23 Als erste Art-brutKünstlerin in Österreich kann Susanne Wenger gelten, die 1944 die Bombennächte in Wien in zugleich surrealen und scheinbar kindlichnaiven Buntstiftzeichnungen verewigte. Siehe Borchhardt-­ Birbaumer 2020b, S. 448–457. Mon­ signore Otto Mauer stellte die Künstler*innen aus der Nervenheilanstalt in Maria Gugging ab 1970 in der Galerie nächst St. Stephan aus. 24 Borchhardt-Birbaumer 2020c.

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Zu erwähnen ist auch Eva Frodl-Kraft, beschäftigt am Bundesdenkmalamt und am Institut für Kunstgeschichte, die sich kritisch mit der Geschichte des Fachs und auch mit den der Nazidoktrin verfallenen Ordinarien Hans Sedlmayr und Josef Strzygowski beschäftigte. Die Tochter des dem Wiener Kreis zugehörigen Philosophen Victor Kraft sprach sich früh für einen Pluralismus der Methoden aus, statt allein der formal-­ stilkritischen Richtung Alois Riegls und Heinrich Wölff‌lins zu folgen. Günther Heinz und Gerhard Schmidt teilten ihren Ansatz der Methodenvielfalt gegen die nahezu ideologische Positionierung anderer. Bei aller Ablehnung Sedlmayrs, der bis zu seiner Abberufung 1945 als NSDAPMitglied von der Wiener Kunstgeschichte-Lehrkanzel aus den „Endsieg“ propagiert hatte, herrschte doch weitgehender Konsens, dass dessen ab 1948 in zahlreichen Auf‌lagen erschienenes Buch Verlust der Mitte die krisenhafte (im Sinne eines Krankheitssymptoms) Moderne gut beschrieb. Aus heutiger Sicht wirkt für den Kunsthistoriker Thomas Zaunschirm die informelle Abstraktion der 1950er-Jahre „verstaubt“, selbst die Malauftritte Georges Mathieus (Abb. 5) und Markus Prachenskys.21 Zaunschirm spricht von einer „lokalen Sturheit“ der österreichischen Kunstszene.22 Gegen damalige Fortschrittsutopien erweist sich im Rückblick die Art brut als wichtige Richtung, stellt sie doch ein Gegenmodell zu der nicht nur von Hans Sedlmayr als krankhaft (psychoanalytisch) gesehenen Krise der Moderne dar.23 Gerade weil Wien durch die Nähe des Eisernen Vorhangs bis 1989 an den Rand der westlichen Welt gerückt war, berief Oswald Oberhuber in seiner Funktion als Rektor der Angewandten Peter Weibel und Bazon Brock als Gastprofessoren und später Professoren, neben einem gescheiterten Versuch, den damals die Kunstwelt „anführenden“ Joseph Beuys an die Hochschule zu verpflichten. Vor der Berufung von Maria Lassnig 1980 waren mit Martha Jungwirth in der Klasse von Grete Rader-Soulek und Helga Philipp bei Herbert Tasquil entscheidende Künstlerinnen in der Lehre tätig. Philipp orientierte sich nicht nur am Komponisten Josef Matthias Hauer und an der Op-Art, ihr Einstieg in die Lichtkunst prägte nicht nur die spätere Professorin Brigitte Kowanz, sondern auch Heimo Zobernig, Franz Graf und andere. Außer für Weibel und VALIE EXPORT waren die neuen Medien besonders für Künstlerinnen wichtig, da sie sich damit von der Dominanz der individuellen männlichen „Pranke“ in Malerei, Bildhauerei und Architektur distanzieren konnten. Eine große Gruppe von Künstlerinnen unter der Leitung von Christa Hauer gründete 1977 mit Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal die internationale Vereinigung IntAkt (Abb. 6).24 Nachdem einige Künstler, die an der erwähnten Aktion „Kunst und Revolution“ des Jahres 1968 teilgenommen hatten, aufgrund der drohenden Verurteilung ins Exil gegangen waren, kehrte in der Ära von

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Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970–83) das Gros der Wiener Aktionisten und der Wiener Gruppe nach Österreich zurück. In Wien gab es in den 1970er-Jahren mehr als fünfzig Galerien für Gegenwartskunst. Ab den späten 1990er-Jahren war es dem Galeristen Georg Kargl ein besonderes Anliegen, Künstlerinnen – wie etwa Elke Krystufek, Vera Frenkel oder Ines Lombardi – verstärkt zu vertreten. Dieses Jahrzehnt öffnete das Fenster zur Internationalisierung ganz : Nun war die Gegenwartkunst ein Hauptakzent, ab 1992 gab es durch Kunstminister Rudolf Scholten bestellte Bundeskunstkurator*innen, 1998 ein international beachtetes Kunstrückgabegesetz (→ S. 331,  24  ) sowie zahlreiche vorwiegend dem Tourismus geschuldete Rückblicke auf Wien um 1900 (→ S. 293,  21  ).

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Abb.  1 Ausstellung Niemals vergessen im Künstlerhaus, Wien, 14. 9. 1946, Foto : Franz Blaha, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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Abb.  2 Aufnahme des aus dem Wettbewerb siegreich hervorgegangenen Entwurfs Orpheus und Eurydike von Rudolf Hermann Eisenmenger für den neuen Eisernen Vorhang der Staatsoper, 1954, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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Abb.  3 Plakat der Ausstellung Wirklichkeiten – Fuck you – Wiener Secession in der Wiener Secession, 1968, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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Abb.  4 Kunsthistoriker*innenTreffen : Fritz Novotny, Günther Heinz, Gerhard Schmidt und Dora Heinz, o. J., Privatbesitz Abb.  5 Georges Mathieu bei seiner legendären Malaktion im Theater am Fleischmarkt, 1959, Foto : Barbara Pflaum Abb.  6 Plakat für eine Ausstellung der Gruppe IntAkt in der Galerie Stadtpark in Krems, 1983, MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien

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1 Neuwirth 1951. 2 Zur Rolle von Fritz Novotny als Kustos und später Direktor der Österreichischen Galerie vgl. ­Katinka Gratzer-Baumgärtner, „Fritz Novotny“, in  : Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, Juli 2019, https://www.­ lexikon-provenienzforschung. org/novotny-fritz (zuletzt besucht am 16. 1. 2023). 3 Vgl. Karl Garzarolli-Thurnlackh, Rede für Minister Udo Illig, ­E röffnung des Oberen Belvedere, 17. 7. 1954, AdB, Zl. 281/1954. 4 Vgl. Strobl 2004, S. 189. 5 Ausst.-Kat. Wien 1946. Der ­wegweisende Charakter dieser Ausstellung wird sich wenige Jahre später im neuen Profil der Institution niederschlagen. 6 Ausst.-Kat. Salzburg 1948. 7 Ausst.-Kat. Wien 1950. 8 Ausst.-Kat. Wien 1951a.

Folgenreiche Weichenstellungen im Ringen um Identität In der unmittelbaren Nachkriegszeit ist der Handlungsspielraum des nach der Amtsenthebung von Bruno Grimschitz mit der interimistischen Leitung von 1945 bis 1947 betrauten Kustos Fritz Novotny (→ S. 371–372)2 eingeschränkt : Die schweren Schäden an den Dächern der beiden Schlösser durch Bombentreffer im Herbst 1944 und im Februar 1945 (→ S. 237–239) können aufgrund mangelnden Baumaterials zunächst nur provisorisch mit Zeltbahnen abgedeckt werden, die Instandsetzung der zerstörten Parkanlagen wird aber in Angriff genommen.3 An Ausstellungsaktivitäten in den Gebäuden des Belvedere ist auf Jahre nicht zu denken, allerdings stellt Novotny bereits im September 1945 gemeinsam mit dem Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Alfred Stix eine Präsentation von Zeichnungen Gustav Klimts, Egon Schieles und Oskar Kokoschkas in der Neuen Galerie zusammen 4 und kuratiert im Oktober 1946 die Überblicksschau Österreichische Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart im Staatlichen Kunstgewerbemuseum in Wien (gemeinsam mit Karl Garzarolli-Thurnlackh und Ignaz Schlosser).5 In den Folgejahren verantwortet Novotny Ausstellungen aus dem Bestand der Österreichischen Galerie in der Salzburger Residenz (Österreichs Barockkunst – Malerei und Plastik, 1948 6), in der Akademie der bildenden Künste in Wien (Anton Romako Gedächtnisausstellung, 1950 7) und in der Wiener Hof‌burg (Europäische Malerei im 19. Jahrhundert, 1951 8). Zudem wird die Sammlung in bescheidenem Ausmaß erweitert : Als Legat des Künstlers und zentralen Initiators der Modernen Galerie Carl Moll (→ S. 189, Abb. 1) gelangen nach dessen Suizid

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„Stosseufzer angesichts der Neuerwerbungen : ‚Wo bleibt die Moderne Galerie ?‘“ 1, so betitelt der Künstler Arnulf Neuwirth 1951 einen Artikel in den Mitteilungen des Art Club Wien und nimmt damit eine Frage auf, die die Geschichte dieser Institution von Beginn an durchzieht und bis in die 2010er-Jahre nicht verlassen wird. Dabei geht es gleichermaßen um einen adäquaten Ort für die jeweils zeitgenössische Kunst wie auch um deren Relevanz in der programmatischen Ausrichtung der Institution. Und nicht zuletzt darum, ob und wie sie in einen internationalen Kontext gestellt wird. Zeitgenossenschaft und Internationalität – zwei zentrale Aspekte der Gründungsgeschichte der Modernen Galerie – dienen in diesem Beitrag als Leitmotive einer Perspektivierung der programmatischen Entwicklung der Österreichischen Galerie von 1945 bis in die Gegenwart. Diese erweist sich im Hinblick auf inhaltliche Schwerpunktsetzungen, auf damit assoziierte identifikatorische Potenziale und identitätsstiftende Funktionen und nicht zuletzt auf die verantwortlichen Akteur*innen und ihre institutions-, sammlungs- und ausstellungspolitischen Entscheidungen als von Ambivalenzen, Widersprüchen, Brüchen, aber auch Kontinuitäten gekennzeichnet.

am 13. April 1945 insgesamt 13 Gemälde, unter anderem von Oskar Kokoschka, Emil Jakob Schindler und Herbert Boeckl, in den Bestand. Darüber hinaus kann Novotny Werke etwa von Richard Gerstl, Koloman Moser, Alexej von Jawlensky erwerben, aber auch von der jungen Malerin Gerhild Diesner, die als wichtige Protagonistin ab 1947 im Wiener Art Club 9 aktiv ist. Novotnys Interesse gilt der österreichischen und der internationalen Moderne wie auch der zeitgenössischen Produktion insbesondere exilierter Künstler*innen wie Georg Ehrlich, Axl Leskoschek, Georg Merkel oder Gerhart Frankl, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verbindet und den er bei seiner letztlich nur temporären Rückkehr nach Wien zu unterstützen versucht.10 Und aufgrund von Novotnys Besuch in ihrem Pariser Atelier etwa widmet Lilly Steiner der Österreichischen Galerie ein Selbstporträt und – wohl als Mahnung – das Gemälde Composition baroque, eine Schreckensvision des untergehenden Österreich angesichts des „Anschlusses“ im Jahr 1938.11 Dieses Bemühen um vertriebene Künstler*innen stellt im postnazistischen Österreich der Nachkriegszeit eine Ausnahme dar. Gleichzeitig reiht sich das eher zögerliche Vorgehen Novotnys im Hinblick auf die Restitution von in der NS-Zeit geraubten und unrechtmäßig erworbenen Kunstwerken anlässlich der Vermögensentziehungs-Anmeldungsverordnung (→ S. 331,  24  ) von 1946 doch recht nahtlos ein in eine Haltung der Ignoranz und der Verweigerung durch die involvierten Museen, diesem Unrecht aktiv zu begegnen und es nicht auch noch durch abgepresste Widmungen im Zuge von Ausfuhrgenehmigungen an Vertriebene in der Nachkriegszeit zu prolongieren.12 Mit der Ernennung von Karl Garzarolli-Thurnlackh zum Direktor im Jahr 1947 (→ S. 371, Abb. 12) kommt es zu folgenreichen Weichenstellungen in der inhaltlichen Ausrichtung der Österreichischen Galerie, die die Rolle der internationalen Moderne und der zeitgenössischen Kunst auf Jahrzehnte hin marginalisieren. Garzarolli-Thurnlackh, zuvor langjähriger Leiter der Gemäldegalerie und des Kupferstichkabinetts im Landesmuseum Joanneum in Graz und ab 1946 Direktor der Albertina in Wien, 13 übernimmt diese Aufgabe unter der Vorgabe und Voraussetzung, die Österreichische Galerie zu einem „Museum der österreichischen Kunst“ beziehungsweise zu einer „Österreichischen Nationalgalerie“ ausbauen zu dürfen.14 Im Sinne einer „Wiedergewinnung Österreichs für die Österreicher“ 15 und einer „Vertiefung des österreichischen Heimatgefühls“ 16 soll das Selbstverständnis des Hauses ganz auf die Identitätsstiftung in der wiedererstandenen Republik fokussiert werden. Sich auf sein Ernennungsdekret vom April 1947 beziehend imaginiert Garzarolli-Thurnlackh den Auf‌bau des Museums als mit der mittelalterlichen Kunst einsetzend, die aus den „Bilder- und Plastikbeständen des Kunsthistorischen Museums“ bestückt und in der Orangerie des Unteren Belvedere untergebracht werden soll, weiters das Barockmuseum im Unteren Belvedere

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9 Der Internationale Art Club – ­u nabhängiger Künstlerverband, Sektion Österreich wird 1947 von Gustav Kurt Beck unter der ­P rämisse „Avantgarde der neuen Freiheit“ initiiert. Er verfolgt eine antifaschistische Ausrichtung in einer von postnazistischen Kontinuitäten durchzogenen Gesellschaft, verbunden mit einer durch Exilant*innen vermittelten internationalen Vernetzung in die Kunstzentren dieser Zeit. Ausstellungen in der Zedlitzhalle und im sogenannten Strohkoffer sind Nährboden der österreichischen Nachkriegsavantgarden. Vgl. Breicha 1981  ; Ausst.-Kat. Krems 2021. 10 Gerhart und Christine Frankl fliehen 1938 nach London und kehren im September 1947 nach Wien zurück, wo sie mit viel­ fachen bürokratischen Hürden und finanziellen Herausforderungen konfrontiert sind. Auf Intervention von Novotny und Garzarolli-Thurnlackh finden sie für ein Jahr Obdach im Unteren Belvedere, wo Frankl als Restaurator tätig ist. Perspektivlos und desillusioniert beschließt das Paar im Jänner 1949 das abermalige Exil in London. Vgl. Jesse 2015. 11 Vgl. Korrespondenz Lilly Steiner und Karl Garzarolli-Thurnlackh, AdB, Zl. 165/1948. 12 Vgl. den Beitrag von Monika ­M ayer in diesem Band, S. 331−332. Siehe Blimlinger/ Schödl 2018. 13 Zu Garzarolli-Thurnlackhs Ver­ strickung in den Erwerb geraubter Kunstgüter vgl. Katinka ­G ratzer-Baumgärtner, „Karl Garzarolli-Thurnlackh“, in  : Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, Februar 2020, https:// www.lexikon-provenienz forschung.org/garzarolli-thurn lackh-karl (zuletzt besucht am 16. 1. 2023). 14 Schreiben von Karl GarzarolliThurnlackh an das Bundesministerium für Unterricht über den Generaldirektor der staat­l ichen Kunstsammlungen Karl WisokoMeytsky, Wien, 19. 1. 1950, AdB, Zl. 20/1950. 15 Ebd. 16 Schreiben von Karl GarzarolliThurnlackh an Ministerialsekretär Alfred Weikert, 29. 7. 1949, AdB, Zl. 20/1950.

17 Zeitweise ist die Orangerie des ­Palais Schwarzenberg für die mittelalterliche Kunst und die Orangerie des Unteren Belvedere für die Moderne Galerie vorge­ sehen, dann wird die Errichtung eines eingeschoßigen Pavillonbaus erwogen, gefolgt von Diskussionen über die Nutzung der ehemaligen Galerie Liechtenstein – letztlich werden alle diese Pläne aus Kostengründen verworfen. Vgl. Garzarolli-Thurnlackh 1957. 18 Vgl. Planung und Kalkulation für die Errichtung eines Neubaus für die „Moderne Galerie“, AdB, Zl. 20/1950. 19 Wie Anm. 14. 20 Ebd. 21 Ausst.-Kat. Wien 1951b. 22 Ausst.-Kat. Wien 1951c. 23 Ausst.-Kat. Wien 1951c, S. 3. 24 Neuwirth 1951. 25 Vgl. etwa Buschbeck/Csokor/­ Wotruba 1954. 26 Schreiben des Bundesministeriums für Unterricht an Karl Garzarolli-Thurnlackh, 28. 1. 1953, AdB, Zl. 512/1953.

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sowie die Galerie des 19. Jahrhunderts im Oberen Belvedere umfassend. Die – wohlgemerkt österreichische – Kunst des 20. Jahrhunderts findet in den gegebenen Räumlichkeiten keinen Platz und soll je nach wechselndem Planungsstadium in der Orangerie des Palais Schwarzenberg 17 beziehungsweise in einem Neubau im Horst’schen Garten 18 auf dem Areal des Botanischen Instituts in der Nähe des Spiegelteichs an der Südseite des oberen Schlosses präsentiert werden. Die nichtösterreichischen Bestände – zentraler Teil des Gründungskonvoluts der Modernen Galerie und damit des Nukleus der Institution – sollen abgegeben werden und wahlweise im Kunsthistorischen Museum (das sich laut Garzarolli-Thurnlackh der vorgeschlagenen Rochade von Sammlungsbeständen verweigert), in der Akademie der bildenden Künste oder in einem „der zahlreichen ungenutzten Palais in Wien zur Aufstellung (Lobkowitz, Schwarzenberg, Kaunitz, etc.)“ kommen.19 Die Verwirklichung eines österreichischen Kunstmuseums sieht er „für Wien und Österreich […] nicht nur aus vaterländischen Erwägungen von höchster Wichtigkeit, sondern auch für den Fremdenverkehr zweifellos von größtem Interesse“ 20. Parallel zu diesen programmatischen Erwägungen sind ab 1947 die Wiederinstandsetzungsarbeiten in Gang, die sich zunächst auf das Untere Belvedere konzentrieren und 1951 so weit fortgeschritten sind, dass erste Ausstellungen stattfinden können. Die Präsentation Meisterwerke österreichischer Barockkunst 21 fungiert als Vorbotin der Wiedereröffnung des Barockmuseums, während Neuerwerbungen 1947–1951 22 mit Exponaten „vom österreichischen Mittelalter bis zur Gegenwart, aber auch solche[n] der europäischen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts“ als Rechenschaftsbericht verstanden werden will.23 Entgegen dem geplanten ganz auf Österreich fokussierten Sammlungsprofil sind noch Arbeiten etwa des deutschen Expressionismus wie Max Beckmanns Liegende Frau mit Buch und Schwertlilien, angekauft 1948, inkludiert (Abb. 1). Der eingangs zitierte Artikel Arnulf Neuwirths bezieht sich auf diese Ausstellung der Neuerwerbungen und kritisiert nicht nur das avisierte Konzept eines „Museums Österreichischer Kunst“ als „die etwas staubige, dem chauvinistischen Geist des tiefsten 19. Jahrhunderts entsprungene Idee einer Ordnung der Kunst nach Ländern“, sondern auch die Qualität „mancher dritt- und viertrangiger Bilder österreichischer Maler“ 24 – eine Kritik, die das Haus noch lange begleiten wird.25 Der reguläre Museumsbetrieb im Unteren Belvedere beginnt 1953. Bereits am 13. Jänner 1953 wird die Österreichische Galerie laut Ministerratsbeschluss ein ausschließlich österreichischer Kunst gewidmetes Museum. Das Kunsthistorische Museum tritt seine vorwiegend in der Zwischenkriegszeit erworbene bedeutende Sammlung mittelalterlicher österreichischer Malerei und Skulptur an die Österreichische Galerie ab und erhält im Gegenzug deren Bestände internationaler Kunst.26 Im Februar 1953 wird das Österreichische Barockmu-

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seum wiedereröffnet, im Dezember kommt das Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst in der adaptierten Orangerie – das Dach war gehoben, die Fassade durch die Vergrößerung der südlichen Fenster neu gestaltet worden – zur Aufstellung (→ S. 213). Im folgenden Jahr eröffnet im Juli die Galerie des 19. und 20. Jahrhunderts im Oberen Belvedere : Umfassend wird dabei der Bestand von Werken des Klassizismus, der Romantik, des Biedermeier und des Historismus im Erdgeschoß und im gesamten ersten Obergeschoß präsentiert, während das 20. Jahrhundert von der Wiener Secession bis in die 1950er-Jahre im zweiten Stock gezeigt wird. Für die von Garzarolli-Thurnlackh als nicht dauerhaft ausstellungswürdig eingestufte „jüngste“ Gegenwartskunst sind räumlich abgetrennte Wechselausstellungen im Erdgeschoß vorgesehen, damit „auf diese Weise auf den normalen Museumsbesucher kein Zwang geübt wird sich mit Fragen zu beschäftigen, die ihm nicht erwünscht sind“.27 Darauf reagiert das Bundesministerium für Unterricht mit dem nachdrücklichen Hinweis, dass eine „wirksame Berücksichtigung der lebenden Kunst“ erwartet werde, und verlangt eine konkrete Auf‌listung der beteiligten zeitgenössischen Künstler*innen.28 Die erste Wechselausstellung, Gegenwart, im Sommer 1954 umfasst dann rund vierzig Positionen, von denen viele (zumindest zeitweise) im Art Club aktiv sind, wie Gustav Kurt Beck, Maria BiljanBilger, Agnes Muthspiel, Hilde Polsterer, Wander Bertoni, Maria Lassnig, Arnulf Rainer und Friedensreich Hundertwasser.29 Trotz einiger Ankäufe und vereinzelter Ausstellungen wie etwa der von Klaus Demus verantworteten Schau Sechs österreichische Künstler der Gegenwart mit Joannis Avramidis, Maria Lassnig, Erich Müller, Josef Pillhofer, Hedwig Wagner und Traute Zemb 1957 30 finden die zeitgenössischen Avantgarden unter der Ägide von Garzarolli-Thurnlackh kaum Berücksichtigung. Allerdings gelangen bereits in den 1950er-Jahren Arbeiten der Gegenwartskunst über Ankäufe der 1948 gegründeten Artothek des Bundes als Dauerleihgaben in die Sammlung der Österreichischen Galerie. Die internationale Moderne als Publikumsmagnet und die Position der Nachkriegsavantgarden Konträr zur neuen, rein österreichischen Programmatik sind es ab den späten 1950er-Jahren gerade Ausstellungen der internationalen klassischen Moderne, die dem Museum bis dahin ungekannte Publikumserfolge bescheren : Heute als „Blockbuster“ bezeichnet, finden diese Großausstellungen auf Initiative und in Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Wien im Oberen Belvedere statt. Unter der Ägide des Cézanne-Spezialisten Fritz Novotny, der von 1960 bis 1968 als Direktor fungiert, gilt es, mit Ausstellungen zu Vincent van Gogh (1958, → S. 270)31, Paul Gauguin (1960, → S. 278)32 und Paul Cézanne (1961, → S. 276)33 nach dem Bruch durch den Nationalsozialismus Verständnis und Kenntnis internationaler Tendenzen

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27 Aufstellungsprogramm d. Österr. Galerie d. 19. u. 20. Jhdts. im Oberen Belvedere, Karl Garzarolli-Thurnlackh an das Bundesministerium für Unterricht, ­S ektion II, 10. 2. 1954, AdB, Zl. 281/1954. 28 Schreiben des Bundesministeriums für Unterricht an die Österrei­ chische Galerie, 3. 3. 1954, AdB, Zl. 281/1954. 29 Vgl. Aufstellung der beteiligten Künstler*innen per Schreiben von Karl Garzarolli-Thurnlackh an das Bundesministerium für Unterricht, 9. 7. 1954, AdB, Zl. 281/1954. 30 Ausst.-Kat. Wien 1957. 31 Ausst.-Kat. Wien 1958. 32 Ausst.-Kat. Wien 1960. 33 Ausst.-Kat. Wien 1961.

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Zur Gründungsgeschichte des Museums des 20. Jahrhunderts /  20er Haus Claudia Slanar

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ie Absicht in Wien eine ‚Galerie für Werke der Kunst unserer Zeit‘ ins Leben zu rufen – so hieß ein Museumsprojekt Otto Wagners – ist so alt wie das Jahrhundert“, schrieb Gründungsdirektor Werner Hofmann im Vorwort des Katalogs zur Eröffnungsausstellung des Museums des 20. Jahrhunderts im September 1962. 1 Die bewegte Geschichte des Ringens um eine adäquate Sammlung von Kunst der Moderne und der Gegenwart sowie um einen passenden Aufstellungsort hatte ihren Abschluss gefunden. Das neue Gebäude, das auf Initiative des damaligen Bundesministers für Unterricht, Heinrich Drimmel, schließlich zum Museum wurde, in dem „der Diskussion der künstlerischen Zeitfragen ein würdiger Rahmen“ 2 gegeben werden konnte, war der von Architekt Karl Schwanzer für die Brüsseler Weltausstellung 1958 entworfene öster­reichische Pavillon (Abb. 1). Mit einem Ministerratsbeschluss ließ Drimmel das Gebäude nach Wien transportieren und mit architektonischen Anpassungen im Schweizergarten wiedererrichten. Der scheinbar über der Erde schwebende Pavillon der Weltausstellung – aufgrund von vier Stahlstützen, die auf quadratischem Grundriss ein Auslegegeschoß trugen – symbolisierte den Aufbruch der Zweiten Republik in eine neue Zukunft. Für den Umbau zum Museum musste jedoch der Hof überdacht und das Untergeschoß verglast werden. Der so neu geschaffene Raum folgte einer Idee von Museum, die auf Flexibilität und Transparenz beruhte, gleichzeitig aber dessen aufwendige (und kostspielige) architektonische Neugestaltung für (Wechsel-)Ausstellungen mit sich brachte. Doch nicht nur Ausstellungsflächen waren von diesem neuen Geist der Architektur durchzogen. Mit dem Kino S.

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im Erdgeschoß (Abb. 2), das bereits Teil des Weltausstellungspavillons gewesen war, gab es zudem die Möglichkeit, ein Medium zu präsentieren, das eng mit der Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts verbunden war. Wiederum war es Werner Hofmann, der diese Sonderstellung des Films betonte und 1963 gemeinsam mit der Cinémathèque française die Wochen des französischen Films im Kino des 20er Haus ausrief. 3 Exemplarisch für die Mission des Museums in der Gründungsphase – international, den historischen Avantgarden verpflichtet und gleichzeitig unbedingt zeitgenössisch – steht die bereits erwähnte Eröffnungsausstellung Kunst von 1900 bis heute (Abb. 3–4). Sie zeugt von Hofmanns Museumskonzeption, seiner Zielsetzung, wichtige Kapitel der Kunstgeschichte im Ausstellungsbetrieb „nachzuholen“ und seine eigene Geschichte der Moderne und deren „Multimaterialität“ zu erzählen. Zudem macht sie die geschickte Ankaufspolitik des Gründungsdirektors sichtbar, der spartenübergreifend die wesentlichen Strömungen der Kunst der Moderne und der Gegenwart veranschaulichen wollte und dies anhand von Werken durchaus weniger bekannter Künstler*innen tat. So war dem Bestreben, „auf traditionsgesättigtem Kulturboden ein Zentrum des Neuen und Kommenden ins Leben zu rufen“ 4, mit „62jähriger Verspätung“ 5 – wie der zweite Direktor des Museums, Alfred Schmeller, später trocken anmerkte – in einem eigenen Haus vorerst Genüge getan.

1 Ausst.-Kat. Wien 1962, S. VII. 2 Heinrich Drimmel in Ausst.-Kat. Wien 1962, S. V. 3 Zur Filmschau wurde ein Heftchen publiziert : Bleier-Brody/ Hofmann 1963. 4 Heinrich Drimmel in Ausst.-Kat. Wien 1962, S. V. 5 Schmeller 1973, S. 37.

Abb. 1 Österreichischer Pavillon auf der Welt­ ausstellung in Brüssel 1958, Architekt  : Karl Schwanzer

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Abb. 2 Das Kino des 20er Haus Abb. 3 Plakat Museum des 20. Jahrhunderts, 1963, Gestalter  : Georg Schmid, Österreichische National­ bibliothek, Wien

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Abb. 4 Bundespräsident Adolf Schärf und Werner Hofmann bei der Eröffnung der Ausstellung Kunst von 1900 bis heute, 1962, Österreichische Nationalbibliothek, Wien, Bildarchiv

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34 Ausst.-Kat. Wien 1971. 35 Zudem zeigt die Österreichische Kulturvereinigung im Jahr 1961 in Kooperation mit dem British Council Henry Moore. Plas­ tiken und Zeichnungen in der Akademie der bildenden Künste Wien sowie in Kooperation mit dem Institut Français de Vienne Meisterwerke französischer ­S kulptur im 20. Jahrhundert im Park des Palais Schwarzenberg. 36 Slg.-Kat. Wien 1967. 37 Ausst.-Kat. Wien 1956  ; vgl. ­H ammel-Haider 1992, S. 191. 38 Beispielhaft sei die erste museale Ausstellung der später als Wiener Schule des Phantastischen ­Realismus bekannt gewordenen Künstler genannt  : Hausner Hutter Leherb Lehmden im Jahr 1959. Bemerkenswert bleibt der Umstand, dass die zentralen Protagonisten Ernst Fuchs und Arik Brauer ­fehlen. Ausst.-Kat. Wien 1959b. 39 Vgl. Smola 2006, S. 28. 40 Vgl. Schreiben von Hans Aurenhammer an das Bundesminis­ terium für Unterricht, Wien, 8. 9. 1969, sowie weitere diesbezügliche Korrespondenz, AdB, Zl. 1043/1969. Auch weitere ­O ptionen werden über die Zeit diskutiert, so etwa das Sale­ sianerinnenkloster und die ­O rangerie des Theresianums  ; vgl. ­H aider 2004, S. 84. 41 Harald Sterk, „Das imaginäre ­M useum für die österreichische Kunst nach 1945  : Die Moderne ist noch immer obdachlos“, in  : Arbeiter-Zeitung, 11. 7. 1975.

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zu befördern. Die Ausstellungsreihe Bahnbrecher der modernen Malerei, die zum Teil im Rahmen der Wiener Festwochen stattfindet, umfasst zudem Edvard Munch 1959 in der Akademie der bildenden Künste Wien, Ferdinand Hodler 1962 in der Secession, Wien um 1900 im Jahr 1964 im Historischen Museum der Stadt Wien, im Künstlerhaus und in der Secession, Henri Toulouse-Lautrec 1966 und Pablo Picasso 1968 im Österreichischen Museum für angewandte Kunst, Max Beckmann 1967 in der Secession und findet 1971 mit der Schau Oskar Kokoschka zum 85. Geburtstag 34 in der Österreichischen Galerie ihren Abschluss.35 Die an das Kunsthistorische Museum abgetretene eigene Sammlung der internationalen Moderne wird indessen ab 1967 als Neue Galerie in der Stallburg der Wiener Hof‌burg aufgestellt,36 fast dreißig Jahre nach der Schließung der Modernen Galerie im Jahr 1938. Meisterwerke dieses Bestandes waren lediglich 1956 in einer Sonderausstellung in der Akademie der bildenden Künste Wien sowie in zwei von Werner Hofmann kuratierten Ausstellungen im 1962 neu eröffneten Museum des 20. Jahrhunderts im Schweizergarten und in Zürich gezeigt worden.37 Die Gründung dieses Museums im nach Wien transferierten Pavillon Österreichs auf der Weltausstellung in Brüssel 1958 (→ S. 325,  23  ) sollte in mehrfacher Hinsicht und in verschiedenen Perioden Folgen für die Entwicklung der Österreichischen Galerie haben. War die Haltung der Institution den Nachkriegsavantgarden gegenüber bereits wenig aufgeschlossen gewesen – mit punktuellen Ausnahmen im Ausstellungsprogramm und vereinzelten Ankäufen 38 –, so verstärkt sich diese mit der Etablierung des sogenannten 20er Haus, das fortan einen großen Teil der für Gegenwartskunst verfügbaren öffentlichen Mittel bindet. Gleichzeitig wird diese Agenda als Teil des Profils der Österreichischen Galerie nachdrücklich infrage gestellt.39 Allerdings begibt sich der Novotny als Direktor nachfolgende Barockspezialist Hans Aurenhammer (→ S. 371, Abb. 14) 1969, im Jahr seiner Ernennung – er wird dem Museum bis 1982 vorstehen –, auf die Suche nach Räumlichkeiten für die Österreichische Galerie des 20. Jahrhunderts und hat dabei konkret eine Blumengroßmarkthalle im 5. Wiener Gemeindebezirk im Blick.40 Zum wiederholten Male aber bleiben die räumlichen Erweiterungspläne der Institution fruchtlos, und auch 1975 konstatiert der Kulturjournalist Harald Sterk in der Arbeiter-Zeitung : „Das imaginäre Museum für die österreichische Kunst nach 1945 : Die Moderne ist noch immer obdachlos“.41 Er fordert ein Museum für Gegenwartskunst, da weder das Museum des 20. Jahrhunderts noch die Österreichische Galerie die Aufgabe erfüllen würden, diesen Positionen breiten Raum zu geben. Es ist wohl mehreren Faktoren geschuldet, dass sich die Tendenz der Vernachlässigung aktueller künstlerischer Ansätze zugunsten der historischen Bestände bis in die 1980er-Jahre hinein fortsetzt. Während sich der

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Kunstbegriff gerade in dieser Periode massiv erweitert und die Grenzen der traditionellen Medien Malerei und Skulptur gesprengt werden, bleibt die Österreichische Galerie im Vergleich etwa mit dem Museum des 20. Jahrhunderts einem persistenten Konservatismus verhaftet. Zudem stellt sich der Umgang mit geschichtspolitisch belasteten Themen und Beständen in der Sammlung immer wieder als widersprüchlich und problematisch dar. Exemplarisch sei dafür aus einer Vielzahl möglicher Beispiele die zeitliche Koinzidenz eines Ankaufs und einer Ausstellung herausgegriffen : 1980 widmet das Museum Künstler*innen, die aus rassistischen oder politischen Gründen verfolgt beziehungsweise aus Österreich vertrieben wurden, unter dem euphemistischen Titel Die uns verließen. Österreichische Maler und Bildhauer der Emigration und Verfolgung 42 eine umfangreiche Schau (Abb. 2). Im selben Jahr wird ein Bronzerelief von Josef Thorak angekauft (Abb. 3), einem Künstler, der von Adolf Hitler besonders geschätzt wurde und in der NS-Zeit eine führende Rolle innehatte. In dieser Antinomie äußert sich die fehlende oder jedenfalls unzureichende Auseinandersetzung mit NS-Kontinuitäten nach 1945, die in den 1980er-Jahren wirksam war und erst in jüngster Zeit verstärkt thematisiert wird.43 Im Hinblick auf die Präsenz der Nachkriegsavantgarden in der Sammlung erweist sich die Artothek des Bundes als wichtige Dauerleihgeberin, durch die zumeist Frühwerke zentraler Positionen wie Maria Lassnig, Arnulf Rainer, Wolfgang Hollegha, Josef Mikl oder auch Curt Stenvert vorhanden sind. Zeichen einer gewissen Öffnung lassen sich ab Mitte der 1980er-Jahre ablesen, so wird 1984 durch Direktor Hubert Adolph ein „Lesesaal für Gegenwartskunst“ im Oberen Belvedere eingerichtet.44 Auf Betreiben Adolphs und Hermann Fillitz’ und mit Unterstützung der Kulturpolitik wird 1986 der Beschluss gefasst, den Bestand der internationalen Moderne (Neue Galerie in der Stallburg) wieder in die Österreichische Galerie rückzuübertragen und damit erneut eine Präsentation der österreichischen Kunst im Kontext internationaler Entwicklungen zu ermöglichen. Unter dem Direktorat von Adolph (1983–91, → S. 372, Abb. 15) werden diese erst ab Sommer 1989 sukzessive in die Galerie des 19. und 20. Jahrhunderts integriert. 1991 widmet man der deutschen und der französischen Schule eigene Räume,45 1996 wird bereits unter der Direktion von Gerbert Frodl (1992–2006, → S. 372, Abb. 16) mit Claude Monet 46, kuratiert von Stephan Koja, das Format der publikumswirksamen Großausstellung der klassischen Moderne wieder aufgenommen (→ S. 282–283). Auf‌bruch und Neuausrichtung Der internationale Museumsboom der 1980er-Jahre mit europaweiten Neugründungen und spektakulären Großausstellungen, die zunehmend als relevanter Standortfaktor im Städte- und Regionenmarketing wahrgenommen werden, sowie die Ansätze der New Museology, die ein eli-

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42 Ausst.-Kat. Wien 1980. 43 Vgl. Gross/Brauneis 2021 ; Sommer/ Sternfeld/Ziaja o. J. 44 Vgl. Bericht „Eröffnung eines ‚­L esesaals für Gegenwartskunst‘ im Oberen Belvedere“, Mittagsjournal, 1. 2. 1984, Österreichische Mediathek, https://www.­ mediathek.at/atom/0A4E30E7351-00036-00000BA0-0A4D7CE5 (zuletzt besucht am 20. 1. 2023). 45 Vgl. Adolph 1990/91, S. 139. 46 Ausst.-Kat. Wien 1996.

47 Vgl. Vergo 1989  ; Büchel 2022. 48 So wurde 1986 der barocke Prunkstall im Unteren Belvedere saniert, bereits 1984 war das Schloss Halbthurn im Burgenland als Sommer-Expositur für Sonderausstellungen eingerichtet worden. 49 Tatsächlich gibt es in dieser Zeit rege Debatten über die Auf‌l ösung der Galerie im Oberen Belvedere und die Reduktion auf ein ­B arockmuseum im Rahmen eines neuen Bundesmuseenkonzepts. Vgl. Haider 2004, S. 84  f. 50 Vgl. Frodl 1992/93. 51 Vgl. den Beitrag von Martin Fritz in diesem Band, S. 336−343. 52 Ausst.-Kat. Wien 1990 ; Ausst.-Kat. Wien 1991. 53 In einem Notariatsakt vom 20. Mai 1957 ist die Schenkung auf den Todesfall junktimiert. 54 Ausst.-Kat. Wien 1995, o. S.

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täres Verständnis des Museums aufzubrechen beginnt und eine radikale Neubewertung seiner Rolle in der Gesellschaft einfordert,47 lösen auch im österreichischen Zusammenhang Grundsatzdebatten aus : Die Gebäude­ erhaltung war über lange Jahre vernachlässigt und Investitionen nur in beschränktem Ausmaß getätigt worden.48 Die direkte Unterstellung der Bundesmuseen unter das Ministerium für Unterricht als nachgeordnete Dienststellen mitsamt dessen personal-, finanz- und organisationsrechtlichen Bestimmungen wird als schwerfällig und überkommen wahrgenommen. Dies trifft auch und gerade auf die Österreichische Galerie zu, deren Existenz in der gegebenen Form in Frage gestellt wird.49 Mit der 1986 beschlossenen „Museumsmilliarde“ wird ein Programm zur baulichen Modernisierung der Bundesmuseen etabliert, das an der Österreichischen Galerie ab September 1991 als alle Gebäude und Gärten umfassende Generalsanierung realisiert wird (→ S. 284).50 Gleichzeitig resultiert die organisatorische Reform der Bundesmuseen ab 1989 zunächst in der Teilrechtsfähigkeit und mit der Ausgliederung ab 1999/2000 in der sogenannten Vollrechtsfähigkeit – es entstehen privatwirtschaftlich agierende wissenschaftliche Anstalten öffentlichen Rechts.51 Gerbert Frodl, der die Österreichische Galerie ab 1992 leitet, setzt nicht nur die tiefgreifende Reformierung der Institution um, sondern forciert auch eine explizite Akzentverschiebung in Richtung der zeitgenössischen Kunst, die sich in Ausstellungsaktivitäten und relevanten Ankäufen äußert. Bereits 1990 hatte man noch unter Frodls Vorgänger Hubert Adolph begonnen, Wechselausstellungen im Gustinus-AmbrosiMuseum im Wiener Augarten zu zeigen.52 Der in den 1950er-Jahren von der Republik Österreich für den Bildhauer Gustinus Ambrosi errichtete Gebäudekomplex bestehend aus Atelier, Wohnhaus und Museum war seit 1978 Teil der Österreichischen Galerie, der nach Ambrosis Tod der künstlerische und dokumentarische Nachlass des Künstlers zu fiel.53 Den seit seiner Kindheit gehörlosen Bildhauer charakterisierte eine politische Anpassungsfähigkeit, die ihn nahezu bruchlos – und lange Zeit unhinterfragt – gleichermaßen im Auftrag Kaiser Franz Josephs I., des austro­ faschistischen Ständestaats, der NS-Diktatur wie auch der Ersten und Zweiten Republik arbeiten ließ. Der geschichtspolitischen Auf‌ladung und Problematik dieses Ortes widmet sich erstmals das gastkuratierte institutionskritische Spring Project im Jahr 1995 : Doris Guth und Matthias Michalka laden 14 Künstler*innen und Künstler*innengruppen ein, für das historisch und ideologisch belastete Areal Projekte zu entwickeln. The Spring Project „versteht sich als demonstrativer Einzug der Gegenwart in die Atelier- und Wohnanlage G. Ambrosis, als weiteres Auf‌brechen der damit verbundenen hermetischen Strukturen ; kurz als eine künstlerische ‚Beschlagnahme‘ und ‚Neu-Besetzung‘ des Ortes.“ 54 Die begleitende Publikation umfasst eine kritische Beleuchtung des Komplexes, der Bio-

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grafie und des Erbes Ambrosis sowie des Umgehens mit diesem. Von der Aktualität dieser Auseinandersetzung zeugt der 2011 von Nathalie Koger realisierte Film Was ausgestellt wird, der im darauf‌folgenden Jahr für die Sammlung erworben wird : Aufgenommen im Gustinus-Ambrosi-Museum, in dem die Skulpturen des Künstlers wie etwa Büsten Engelbert Dollfuß’, Benito Mussolinis, aber auch Karl Renners nach wie vor unkommentiert aufgestellt sind, reflektiert die Arbeit anhand einer Hula-Hoop-Artistin Körperbilder, Ästhetiken und Bedingungen des Ausstellens. Wenn auch geschichtspolitisch-kritische Projekte eher die Ausnahme bilden, wird der Standort im Augarten (Abb. 4) im Laufe der 1990erJahre zunehmend mit Positionen der unmittelbaren Gegenwart und aktuellen künstlerischen Strategien bespielt. Nach einer umfassenden Renovierung wird er 2001 als Atelier Augarten. Zentrum für zeitgenössische Kunst mit der von Thomas Trummer kuratierten Ausstellung Objekte. Skulptur in Österreich nach ’45 (→ S. 286) eröffnet. Die von Trummer in den Folgejahren verantworteten insbesondere thematischen Präsenta­tionen markieren eine theorieaffine, von aktuellen Diskursen informierte kuratorische Praxis, die international ausgerichtet ist und mit bzw. durch Kunst Gegenwart zu adressieren vermag. Im Rahmen des zeitgleich etablierten Artist-in-Residence-Programms werden internationale Künstler*innen eingeladen, einige Monate in Wien zu verbringen und ein Projekt – oft in Auseinandersetzung mit der Institution oder der Sammlung – zu entwickeln. So gelangen Arbeiten von Künstler*innen wie Lisa Oppenheim, Silke Otto-Knapp, Ugo Rondinone, Gerard Byrne oder auch Marcin Maciejowski in den Bestand. Man reagiert demnach auf die zunehmende Bedeutung transnationaler Vernetzung und nimmt gleichzeitig das Motiv der Verhandlung österreichischer Kunst im internationalen Kontext wieder auf. Ganz grundsätzlich kommt der zeitgenössischen Kunst und entsprechenden relevanten Erwerbungen für die Sammlung ab den 1990er-Jahren, insbesondere ab 2000 eine bis dahin ungekannte Aufmerksamkeit zu : In dieser Periode werden Werke der österreichischen Kunst seit den 1960er-Jahren erworben, unter anderem von zentralen Positionen unterschiedlicher Generationen wie Günter Brus, Marc Adrian, Cornelius Kolig, Bruno Gironcoli, H + H Joos, VALIE EXPORT, Heimo Zobernig, Lois Renner, Elke Krystufek, Lois Weinberger, Gelatin, Markus Schinwald, Mathias Poledna, Dorit Margreiter oder auch Hans Schabus.55 Wie Gerbert Frodl formuliert, habe man diese Veränderungen „aus der Über­legung und mit dem klaren Ziel gesetzt, das Belvedere nicht nur als evident historischen Ort zu verstehen, sondern zugleich als produktives Zentrum für die österreichische Kunst“.56 Dies auch und vor allem angesichts der Überantwortung des ehemaligen Museums des 20.  Jahrhunderts an die Österreichische Galerie Belvedere im Jahr 2002.

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55 Vgl. dazu etwa Ausst.-Kat. Wien 1999 sowie die Jahresberichte der Österreichischen Galerie Belvedere von 1996 bis 2005. 56 Frodl 2004, S. 50.

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Restitutionen nach 1945 und das Kunstrückgabegesetz 1998 Monika Mayer

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ls Grundlage für die Rückstellungsgesetzgebung im befreiten Nachkriegsösterreich der Zweiten Republik sollte die mit 17. September 1946 in Kraft getretene VermögensentziehungsAnmeldungsverordnung (VEAV) der Erfassung „arisierter“ und anderer entzogener Vermögen dienen. Entsprechend der Meldepflicht seitens der „Inhaber“ und nicht der geschädigten Opfer übermittelte der interimistische Leiter der Österreichischen Galerie Fritz Novotny an das zuständige Magistratische Bezirksamt im Herbst 1946 eine Aufstellung von 26 Neuerwerbungen der Jahre 1938 bis 1945, die „mit Sicherheit oder möglicherweise aus jüdischem Besitz stammen“ 1. Insgesamt hatte während der NS-Zeit der damalige Direktor Bruno Grimschitz mehr als sechshundert Objekte für das Museum erworben. Die angeführten Kunstwerke stammten aus acht namentlich genannten Sammlungen – darunter Viktor Ephrussi, Wilhelm Freund oder Leopold Weinstein – beziehungsweise hatten eine unbekannte Provenienz : Dies umfasste Ankäufe aus dem Dorotheum, dem Wiener Kunsthandel (→ S. 253,  19  ) und von der Vugesta, der Verwaltungsstelle für jüdisches UmzugsS.

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gut der Gestapo, wie auch Überweisungen der Reichsstatthalterei. Nur zehn der angemeldeten Objekte wurden in der Nachkriegszeit restituiert und an die recht­ mäßigen Eigentümer*innen übergeben ; eine aktive Kontaktaufnahme mit den NSOpfern war seitens des Museums nicht erfolgt. Neun weitere Bilder aus den Sammlungen Josef Blauhorn, Gertrude Felsö­ vanyi und Robert von Mendelssohn waren in der Nachkriegszeit erfolglos in Rückstellungsverfahren involviert. Der entscheidende Impuls zur Eta­ blierung einer offiziellen und systematischen Provenienzforschung in Österreich erfolgte im Jänner 1998 durch die Beschlagnahme von zwei Gemälden Egon Schieles aus der Sammlung Leopold in New York. Mit dem Erlass des Kunstrückgabegesetzes (KRG) vom 4. Dezember 1998 verpflichtete sich die Republik Österreich, alle seit 1933 nicht rechtens in das Eigentum des Bundes gelangten Kunstund Kulturgüter festzustellen und den ursprünglichen Eigentümer*innen oder deren Rechtsnachfolger*innen zu übereignen. 2 Damit kam es zu einem Paradigmenwechsel in der österreichischen Restitutionspolitik. Zum einen kehrte man von der im österreichischen Staatsvertrag von 1955

vorgesehenen kollektiven Entschädigung ab den 1960er-Jahren zur individuellen Rückstellung der Nachkriegszeit zurück. Zum anderen wurde erstmals die aktive Rückgabe zum Prinzip gemacht und auf jegliche Antragsfrist verzichtet. Erbloses Vermögen ist an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus zur Verwertung zu übergeben. Auf der Basis des KRG wurden seit 1998 mehr als 60 000 Objekte aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen restituiert beziehungsweise deren Rückgabe durch die zuständigen Bundesminister*innen empfohlen. 3 Darun­ ter befinden sich Bücher, Fotografien, Münzen, Möbel, Kunstgewerbe und technische Geräte, aber auch bedeutende Gemälde und Zeichnungen aus dem Kunsthistorischen Museum, der Albertina und der Österreichischen Galerie Belvedere. Mit Ende Dezember 2022 wurden 59 Werke und mehrere Druckschriften aus dem Bestand des Belvedere restituiert, elf weitere zur Rückgabe empfohlene Stücke verbleiben bis zur Klärung der Rechtsnachfolge im Museum. 4 Weltweite Aufmerksamkeit erhielt die Restitution von fünf Gemälden Gustav Klimts, die nach einem mehr als sechsjährigen Rechtsstreit durch die Entscheidung eines Schiedsgerichts im Jänner 2006 an die Erb*innen Adele und Ferdinand Bloch-Bauers ausgefolgt wurden. Das berühmteste der fünf Bilder, das goldene Por­t rät der Adele Bloch-Bauer I aus dem Jahr 1907 (Abb. 1–2), kaufte Ronald Lauder um den damaligen Rekordpreis von 135 Millionen US-Dollar für die Neue Galerie in New York. Dank der Provenienzforschung der letzten Jahre gelang auch die Rückgabe von mehreren Kunstgegenständen, die bereits 1946 als entzogenes Vermögen angemeldet worden waren. Neben sieben Werken von Feuerbach, Kupelwieser, ­Pettenkofen, Romako, Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld und Waldmüller aus den Sammlungen Josef Blauhorn, ­W ilhelm Freund, Gertrude Felsövanyi und Gottlieb Kraus ist Egon Schieles späte Landschaft Vier Bäume hervorzuheben. 5 1943 in der Wiener Kunsthandlung L. T. Neumann angekauft und nach 1945 unter „Unbekannter Eigentümer“ geführt, stammt sie aus der Wiener Sammlung von Dr. Josef Morgenstern, der in Auschwitz er­m ordet wurde. Das Bild wurde 2020 an die Rechtsnachfolger*innen nach Morgensterns Witwe Alice, die das NS-Regime als U-Boot in Brüssel überlebt hatte, zurückgestellt.

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Abb. 1 Plakate Ciao Adele, die in Wien 2006 von Gewista affichiert wurden, nachdem die Entscheidung zur Rückgabe von Gustav Klimts Gemälde Adele Bloch-Bauer I gefallen war, 2006, Gestalter  : Rudi Strutzmann, Foto  : Manfred Werner

1 AdB, Zl. 318/1946. 2 Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen und sonstigem beweglichem Kulturgut aus den österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und aus dem sonstigen Bundeseigentum (BGBl. I Nr. 181/1998 ; BGBl. I Nr. 117/2009). 3 Siehe Blimlinger/ Schödl 2018. 4 Siehe https://www.bel vedere.at/entdecken/ provenienzforschung (zuletzt besucht am 20. 11. 2022). 5 Siehe https://prove nienzforschung.gv.at/ empfehlungen-des-­ beirats/beschluesse/ beschluesse-alpha betisch (zuletzt besucht am 20. 11. 2022).

Abb. 2 Großer Besucher*innenzustrom im Belvedere bei der Präsentation von fünf Gemälden Gustav Klimts kurz vor deren Rückgabe an die Erb*innen nach Ferdinand Bloch-Bauer, 2006, Foto  : Herbert Pfarrhofer

57 Vgl. den Beitrag von Claudia Slanar in diesem Band, S. 325−326. 58 Vgl. Ausst.-Kat. Wien 2006  ; ­Husslein-Arco 2009  ; HussleinArco/Rainer/Steinbrügge 2011. 59 Die Ursula Blickle Stiftung unterstützt nicht nur die Instandsetzung und die technische Modernisierung, sondern fördert auch das jährliche Programm. Das ­B lickle Kino versteht sich als Ort der Präsentation von Bewegt­ bildern an der Schnittstelle von Kunst und Kino sowie, in den letzten Jahren verstärkt, als Plattform im Sinne eines Out­ reach, um das Museum für unterschiedliche Communities und deren inhaltliche Programmierung zu öffnen. 6 0 Mit der Auf‌l ösung der Fritz ­Wotruba Privatstiftung geht der Nachlass 2021 in das Eigentum der Österreichischen Galerie ­B elvedere über.

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Aktualisierung des Gründungsauftrags der Zeitgenossenschaft und der Internationalität Bereits im Oktober 1992, im Zuge der Bestellung Frodls und im Kontext der Planung des MuseumsQuartiers, wird vonseiten der Kulturpolitik angekündigt, das 20er Haus dem Belvedere als Dependance zu überlassen. Ab 1962 ist der von Karl Schwanzer entworfene Pavillon der wichtigste Wiener Ort für moderne und zeitgenössische Kunst (→ S. 326, Abb. 3).57 Basierend auf einem erweiterten Kunstbegriff werden hier neben den traditionellen Medien besonders auch jene aktuellen Tendenzen gezeigt, die sich durch Grenzüberschreitungen zwischen den Genres der bildenden Kunst, Literatur und Musik sowie Film auszeichnen. Zudem ist es nicht nur (Re-)Präsentations-, sondern oftmals auch Produktionsort künstlerischer und performativer Projekte und – auch seiner transparenten Hülle entsprechend – dem Selbstverständnis eines demokratischen Museums verpflichtet. Mit dem Neubau des Museums moderner Kunst im MuseumsQuartier verliert das bereits in die Jahre gekommene 20er Haus zunächst seine Bestimmung. Trotz der frühen Pläne, es dem Belvedere zu widmen, wird deren Umsetzung knapp zwanzig Jahre dauern.58 Agnes Husslein-Arco (→ S. 373, Abb. 17), die erste Frau in der Direktionsposition, setzt die von Gerbert Frodl begonnene neue Schwerpunktsetzung auf Kunst des 20. und des 21. Jahrhunderts ab 2007 verstärkt fort. Die historische Chance für die Institution erkennend, einen Überblick über österreichische Kunst im internationalen Kontext vom Mittelalter bis in die unmittelbare Gegenwart in entsprechenden Räumlichkeiten zu zeigen, forciert Husslein-Arco das Vorhaben der Generalsanierung des 20er Haus nachhaltig. Der Architekt Adolf Krischanitz, ein Schüler Karl Schwanzers, der sich bereits mit Frodl unter anderem in einer Ausstellung für das Projekt „20er Haus“ engagiert hatte, geht schließlich als Gewinner aus dem Wettbewerb der Umgestaltung hervor (→ S. 342, Abb. 2). Um den denkmalgeschützten Pavillon im Hinblick auf Infrastruktur, Sicherheitstechnik und konservatorische Belange auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen, wird als wohl einschneidendste Veränderung die Freitreppe durch seitliche Stiegenhäuser ersetzt. Gleichzeitig bleibt aber der transparente Charakter des Einraummuseums erhalten, ebenso wie der Kinosaal in seiner bemerkenswerten Ästhetik bewahrt werden kann und nach umfassender Sanierung als Blickle Kino geführt wird.59 Ein neuer Büroturm wird dem Bau zur Seite gestellt, er beherbergt unter anderem die Artothek des Bundes, deren Verwaltung in die Österreichische Galerie Belvedere integriert wird. Gerade mit dieser Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, die mehr als 37 000 Werke umfasst, lassen sich die Versäumnisse in der Ankaufspolitik der Österreichischen Galerie beispielsweise im Hinblick auf die Nachkriegsavantgarden abmildern. Zudem gelangt der Nachlass Fritz Wotrubas zunächst als Leihgabe an das Belvedere.60

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Auf der Suche nach (einem Ort) der zeit­genössischen Kunst

Im November 2011 wird das ehemalige 20er Haus als 21er Haus wiedereröffnet (Abb. 5) – nach mehr als einhundert Jahren aktualisiert sich der Gründungsauftrag der Modernen Galerie mit einem eigenen Gebäude für den Sammlungsbestand der zeitgenössischen Kunst. Entsprechend verzeichnet dieser unter der Ägide Husslein-Arcos (2007–16) in den 2010erJahren die umfangreichsten Zugänge in der Geschichte der Institution, die neben Ankäufen und Schenkungen auch zahlreiche Dauerleihgaben umfassen. Zudem restrukturiert Husslein-Arco die Bestimmungen der verschiedenen Standorte : So werden das Barockmuseum und das Museum mittelalterlicher Kunst im Unteren Belvedere aufgelöst und die Bestände in die Sammlungspräsentation im oberen Schloss integriert. Das Untere Belvedere und die Orangerie werden für Sonderausstellungen genutzt, und im ehemaligen Prunkstall wird ein Mittelalter-Schaudepot (→ S. 214, Abb. 5) eingerichtet.61 Während die Ausstellungstätigkeit im Atelier Augarten 2011 endet, wird das 21er Haus mit oftmals ortsspezifisch entwickelten Projekten lokaler und internationaler Künstler*innen, Themenausstellungen und regelmäßig wechselnden Sammlungspräsentationen auf drei Ebenen bespielt. Programmatisch liegt der Fokus auf in Österreich produzierter zeitgenössischer Kunst und deren internationaler Kontextualisierung. Diese inhaltliche Ausrichtung wird auch nach dem Antritt von Stella Rollig als Generaldirektorin und Wolfgang Bergmann als wirtschaftlicher Direktor ab 2017 fortgeführt (→ S. 373, Abb. 18). 2018 wird das 21er Haus im Sinne der Wiedererkennbarkeit einer Dachmarke in Belvedere 21 umbenannt. In den letzten Jahren steht die Öffnung des Museums für unterschiedliche Akteur*innen und Communities verstärkt im Vordergrund : Heute ist das Belvedere 21 ein lebendiger Ort des künstlerischen und kuratorischen Experiments, an dem Kunst vermittelt, Gesellschaft befragt und Öffentlichkeit hergestellt wird.62

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Abb.  1 Ausstellungsansicht Neuerwerbungen 1947−1951 im Unteren Belvedere, 1951, Foto : Dr. Spiegelfeld, Archiv des Belvedere, Wien

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61 Zur erfolgreichen Entwicklung der Institution ab dem Jahr 2000 vgl. den Beitrag von Martin Fritz in diesem Band, S. 336−343. 62 Vgl. dazu die Beiträge von Nora Sternfeld (S. 344−352), Christiane Erharter (S. 307−308) sowie Stella Rollig und Wolfgang ­U llrich (S. 356−365) in diesem Band.

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Auf der Suche nach (einem Ort) der zeit­genössischen Kunst

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Abb.  2 Katalog der Ausstellung Die uns verließen, 1980, Bibliothek des Belvedere, Wien 4

Abb.  3 Josef Thorak, Perseus mit dem Medusenhaupt, 1913, Belvedere, Wien Abb.  4 Außenansicht Atelier Augarten, 2001, Foto : Margherita ­Spiluttini Abb.  5 Eröffnungsausstellung Schöne Aussichten im 21er Haus (heute Belvedere  21), 2011, Foto : Wolfgang Thaler

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1 104-seitiges Dokument ohne Überschrift. Das Dokument wird in anderen Schriftstücken mit „Leitlinien für eine Museumsreform“ bezeichnet. Der Vorgang wird im Wissenschaftsministerium unter der Zahl 31.682/1/32/75 geführt. Zitiertes Exem­ plar  : Archiv des Kunsthistorischen Museums, I–221. Mehr zu diesem Reformversuch in Fritz 2018. 2 Geregelt im § 31a des Forschungsorgani­ sationsgesetzes (FOG), ermöglichte die Teilrechtsfähigkeit unter anderem das Abschließen von Sponsoringverträgen sowie die Erzielung und Verwendung von Über­ schüssen. 3 Siehe zur Diskurslage in den späten 1980ern etwa Reininghaus 1987.

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Die ökonomisch-rechtliche Geschichte der Österreichischen Galerie Belvedere vom Inkrafttreten des Bundesmuseumsgesetzes im Jahr 2000 bis zu den Lockdowns der Coronakrise liest sich im Nachhinein wie ein Heldenepos mit einer bitteren Pointe am Schluss. Doch der Reihe nach … Die österreichischen Bundesmuseen und damit die Österreichische Galerie Belvedere befanden sich bis in die späten 1990er-Jahre in unmittelbarer Bundesverwaltung. Doch in den politisch reformorientierten 1970er-Jahren wurde sogar in einem Papier des damaligen Wissenschaftsministeriums Kritik daran formuliert : „Wir müssen aus dem Zwang staatlicher Hoheitsverwaltung herauskommen. Wir brauchen, ähnlich wie die Bundestheater, eine nach privatwirtschaftlichen Prinzipien organisierte ‚Konzernspitze‘“, heißt es in einem Reformpapier des Ministerialrats Carl Blaha.1 Auch im Diskurs zum sogenannten New Public Management in den 1980er-Jahren wurde die direkte Einbettung in die Ministerialbürokratie als Entwicklungshindernis gesehen. Vor allem jene Regeln der kameralistischen Budgetverwaltung galten als innovationshemmend, nach denen alle Einnahmen direkt an den Staat zurückflossen und nicht bei der jeweiligen Institution verblieben. In den diesbezüglichen Debatten wurde überdies betont, dass die Vielzahl der Aufgaben eines zeitgemäßen Museums und die damit verbundenen Managementanforderungen nicht durch eine staatliche Verwaltung zu bewältigen wären. In der Museumsfachwelt bestand zu dieser Zeit Einigkeit da­r über, dass zu den Aufgaben eines Museums neben dem Sammeln, dem Ausstellen und dem Forschen auch die Führung von Wirtschaftsbetrieben wie etwa Cafés und Shops, professionelles Marketing und viele weitere Vermittlungs- und Kommunikationsaktivitäten zählen (Abb. 1). Für diese Anforderungen wurden Organisationsformen, die sich weitgehend an privaten Wirtschaftsbetrieben orientierten, als geeignet angesehen. Im lokalen Diskurs wurde zusätzlich betont, dass die Betriebe der öffentlichen Hand unabhängig von politischem Einfluss gehalten werden müssten. Obwohl heute – angesichts weitgehend autonom agierender Leitungsebenen – eine Diskussion über die Stärkung der Möglichkeiten für kulturpolitischen Einfluss angemessen erscheint, darf nicht vergessen werden, dass die spezifisch österreichische Geschichtsentwicklung mit ihrer Abfolge von monarchischen Zentralbürokratien, autoritären Regimen und parteipolitischem Proporz ausreichend Anlass für die Auslagerungsforderungen der 1980er- und 1990er-Jahre gegeben hat. Ein erster Schritt zur Lockerung der kameralistischen Einschränkungen erfolgte durch die Einrichtung der „Teilrechtsfähigkeit“ im Jahr 1992.2 Dies bedeutete, dass die Museen Einnahmen, die sie im Rahmen ihres nunmehr erweiterten Handlungsspielraums erzielten, auch direkt für den eigenen Haushalt nutzen konnten. Von der Erweiterung der finanziellen Spielräume erwartete man sich Entwicklungsinitiativen für die als reformbedürftig eingeschätzten Bundesmuseen.3

Es folgten Jahre intensiven Lobbyings für eine neue Organisationsform ; auf kulturpolitisch-konzeptueller Ebene verknüpft mit den programmatischen Planungen für das Museumsquartier. Direkte Auswirkungen auf das zukünftige Profil und die Aufgaben der Österreichischen Galerie hatten die Standortdiskussionen für das damals im Schweizergarten untergebrachte Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, da das damalige „20er Haus“ 4 nach der Errichtung eines Neubaus für das heutige MUMOK an das Belvedere angedockt werden sollte (→ S. 325,  23  ). Zwei Jahre vor der Eröffnung des Museumsquartiers wurde der museumspolitische Stand der Dinge in einem kurzen Museumsentwicklungsplan zusammengefasst, der mit dem Kulturbericht 1998 veröffentlicht wurde. Ein Auszug daraus skizziert einen weiteren Aspekt der Mu­ seumsplanung, in Form einer städtebaulichen Akzentuierung, die direkt durch die Österreichische Galerie erfolgen sollte : „Eine weitere Museumsachse wird mit der Übernahme des 20er Hauses durch die Österreichische Galerie nach Übersiedlung des Museums moderner Kunst Stiftung Ludwig in das Museumsquartier entstehen.“ 5 An anderer Stelle des Museumsentwicklungsplans steht ein Absatz, der klingt, als wäre er 22 Jahre später im Gefolge der Coronakrise geschrieben worden : „Eine damit eng verbundene weitere grundlegende Aufgabe gilt der Erschließung der Museen für zusätzliche Besucherschichten. Dadurch soll einerseits in der heimischen Bevölkerung ein vermehrtes Bewusstsein für die Institution Museum geschaffen, zum anderen aber auch die große Abhängigkeit einiger Häuser vom sensiblen Touristenstrom vermindert werden.“ 6 Das Belvedere formuliert in seinem eigenen Beitrag zum Kulturbericht 1998 grundsätzlicher und pragmatischer : „Um die Erfüllung der vom Museum als selbstverständlich zu erwartenden Aufgaben in personeller und technischer Hinsicht überhaupt gewährleisten zu können, ist die finanzielle Komponente die wesentliche. Bereits jetzt, und in Zukunft immer mehr, müssen auch Gelder und Zuwendungen aus verschiedenen nichtstaatlichen Bereichen mithelfen, das Gedeihen des Museums zu fördern. An der Tatsache, dass der Staat die Hauptlast zu tragen hat, wird sich wohl in absehbarer Zeit nicht viel ändern können.“ 7 Mit dem 1. Jänner 2000 trat das Bundesmuseen-Gesetz 8 in Kraft. Die gemeinhin als „Auslagerung“ bezeichnete Strukturreform fand hier ihren rechtlichen Ausdruck. Die wichtigsten Änderungen waren die volle wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und die Etablierung einer neuen Aufsichts- und Steuerungsinstanz zwischen dem Museum und dem zuständigen Ministerium in Form eines Kuratoriums. In der ersten Phase der Auslagerungen übernahmen die bisherigen Direktor*innen die Alleingeschäftsführung der nunmehr als vollrechtsfähige „Anstalten öffentlichen Rechts“ definierten Museen. In den Folgejahren wurde Schritt für Schritt für alle Bundesmuseen ein Vieraugenprinzip eingeführt, mit dem den

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4 Die Bezeichnung erinnert an den Namen „Museum des 20. Jahrhunderts“, unter dem das heutige MUMOK 1962 gegründet wurde. 5 Kulturbericht 1998, ­B undesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, Wien 1999, S. 13  f. 6 Ebd., S. 14. 7 Ebd., S. 59. 8 Bundesmuseen-Gesetz, BGBl. I Nr. 115/1998.

9 Die damalige Direktorin Agnes Husslein sah sich im Zuge ihrer Wiederbewerbung mit Compliancevorwürfen konfrontiert. 10 Siehe dazu auch die ­B eiträge von Brigitte Borchardt-Birbaumer und Luisa Ziaja in ­d iesem Band, S. 312– 319 und 320–335. 11 § 2 der Museumsordnung für die Österreichische Galerie Belvedere, BGBl. II Nr. 397/ 2009. 12 Ebd. 13 Siehe die Beiträge von Brigitte Borchardt-­ Birbaumer, Nora Sternfeld und Luisa Ziaja in diesem Band, S. 312–319, 344–352 und 320–335. 14 So der Titel einer Informationsschrift über die Jahre 2007 bis 2012. 15 Die Wiener Tourismusstatistik verzeichnet für die Jahre 2000 bis 2019 eine Steigerung der Übernachtungszahlen um 128 Prozent. 16 Dieser Umstand hing nicht zuletzt mit einer vergleichsweise niedrigen Bundesförderung zusammen. So betrug etwa im Jahr 2000 die Basisabgeltung des MAK 8,14 Millionen Euro, während das Belvedere 4,59 Millionen Euro erhielt.

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Direktor*innen – nunmehr „wissenschaftliche Geschäftsführer*innen“ – nahezu gleichgestellte kaufmännische Geschäftsführer*innen zur Seite gestellt wurden. Damit reagierte der Gesetzgeber auch auf kulturpolitische Kontroversen zu den Themen Compliance und Governance, die im Jahr 2016 auch das Belvedere erreichen sollten.9 Während das Gesetz für alle Bundesmuseen einheitliche rechtliche Strukturen definierte, wurden parallel dazu Museumsordnungen erlassen, in denen für jedes Museum eigene „Leitlinien und Zweckbestimmungen“ formuliert wurden. Die Museumsordnung für die Österreichische Galerie Belvedere enthielt eine Zweckbestimmung, in der sich sowohl der Dauerbrenner einer Verortung der „Kunstströmungen Österreichs im internationalen Kontext“ 10 wie auch die enge Verschränkung mit der barocken Schlossanlage widerspiegelt : „Die ÖGBEL bietet in ihrer Gesamtheit einen Überblick über die bildende Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Hervorragende Hauptwerke repräsentieren die wichtigsten Kunstströmungen Österreichs im internationalen Kontext. Die bedeutenden Sammlungen bilden mit der barocken Schlossanlage ein Ensemble von europäischem Rang.“ 11 Die enge Verknüpfung der rechtlichen Auslagerung zur Bewältigung zusätzlicher Museumsaufgaben und des damit verbundenen Mittelbedarfs zeigt sich am Ende desselben Absatzes : „Durch eigene wirtschaftliche Aktivitäten und durch die Unterstützung von Sponsoren und Mäzenen soll eine kontinuierliche Erhöhung des Eigendeckungsbeitrags erreicht sowie die in § 3 genannten Aufgaben erfüllt werden.“ 12 Mit diesem Satz erfolgte der Startschuss für eine Entwicklung, die die nächsten zwanzig Jahre der Österreichischen Galerie Belvedere prägen sollte. Die Ausweitung der Angebote in den klassischen Museumsbereichen ist in anderen Beiträgen dieses Bandes dargestellt.13 An dieser Stelle erfolgt daher nur eine summarische Aufzählung, die vom Ausbau und Betrieb des Augarten Contemporary, der Übernahme und Adaptierung des ehemaligen 20er Haus (Abb. 2), zahlreichen Renovierungsprojekten bis zur Gründung des Belvedere Research Center und zur zeitweiligen Bespielung des ehemaligen Winterpalais des Prinzen Eugen in der Innenstadt reicht. Es würde die Entwicklung dieser Jahre jedoch nur unvollständig beschreiben, blickte man nur auf die museologischen Kernbereiche und die Ausstellungsgeschichte. Analysiert man neben den mannigfaltigen Selbstdarstellungen zur „Neupositionierung eines Museums“ 14 auch das in den Kulturberichten der jeweils zuständigen Ministerien veröffentlichte Zahlenwerk, zeigt sich, dass der Erfolg der Jahre 2000 bis 2020 mit einer Intensivierung der Bewirtschaftung einer touristischen Topattraktion in Zeiten stetig wachsenden Städtetourismus in Verbindung steht (Abb. 3).15 Der bereits vor der Auslagerung hohe Eigenwirtschaftsanteil von 53 Prozent 16 konnte bis zum Jahr 2019 auf siebzig Prozent gesteigert

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­ erden. Dies wurde durch die Erhöhung der Besuchszahlen von 496 649 17 w im Jahr 2000 auf 1 721 399 18 im Jahr 2019 und kontinuierliche Eintrittspreiserhöhungen möglich.19 Die Steigerung der Umsatzerlöse im Verlauf von zwanzig Jahren um 324 Prozent 20 ermöglichte eine Ausweitung der Aktivitäten, obwohl die staatliche Förderung in diesem Zeitraum „nur“ um 95 Prozent erhöht wurde. Dabei stand die Strategie des Belvedere im Einklang mit der in­ ternationalen Entwicklung großer städtischer Museen mit touristisch attraktiven Gebäuden und Sammlungshighlights. Museums- und Tourismusmarketing bemüht sich weltweit um die Vermittlung einer „Unique Selling Proposition“ : im Fall des Belvedere die wechselseitige Durchdringung der wientypischen „Marken“ Barock und Jahrhundertwende (→ S. 293,  21  ), die in der strategischen Bildsprache durch den Blick auf das Schloss und den Kuss von Gustav Klimt als Highlight betont wird (Abb. 4). Hinzu kommt, dass das Belvedere in Österreich durch die ikonischen Bilder der Staatsvertragsunterzeichnung im Jahr 1955 eine starke Projektionsfläche für nationale Identitätskonstrukte darstellt. Doch gerade das „Österreichische“ war während der gesamten Geschichte der Österreichischen Galerie Belvedere Anlass für kulturpolitische und museologische Auseinandersetzungen. Im Kern ging es dabei immer um die Frage, nach welchen kunsthistorischen, geografischen und/oder chronologischen Kriterien Abgrenzungen der einzelnen Sammlungsbestände der Bundesmuseen untereinander erfolgen sollten.21 Zusätzlich führte die späte Gründung eines Museums des 20. Jahrhunderts beziehungsweise eines Museums moderner Kunst zu Doppelgleisigkeit fast aller Bundesmuseen in der Bearbeitung der Kunst des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart.22 Zur Präzisierung der jeweiligen Position wurden seit dem Jahr 2004 unter der Überschrift „Profil“ kurze programmatische Selbstdarstellungen in die Jahresberichte des zuständigen Ministeriums aufgenommen. Für das Belvedere fällt auf, dass im Bericht 2004 die Verschränkung von Schloss, österreichischer Identität und Kunstsammlung einmalig mit einer Formulierung deutlich gemacht wird, die bereits im Folgejahr nicht mehr verwendet wird : „Das Belvedere ist als historischer Ort, als barocke Schlossanlage sowie als bedeutende Kunstsammlung ein unverzichtbares Stück österreichischer Identität.“ 23 Die zentrale Rolle des Schlosses wird im Jahr 2006 – wiederum nur für ein Jahr – mit folgendem Einleitungssatz betont : „Das Belvedere mit seinen zwei Schlössern und der historischen Parkanlage gilt als eines der schönsten erhaltenen barocken Ensembles in Österreich.“ 24 Von 2009 bis 2016 verwendet man durchgängig die Textbestandteile aus den im Jahr 2009 neu erlassenen Museumsordnungen, in denen jedem Bundesmuseum eine „Kernkompetenz“ und eine „ergänzende Kompetenz“ zur Seite gestellt werden. Für das Belvedere bedeutet dies, dass die „Werke österreichischer bildender Kunst aller Medien“

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17 Kulturbericht 2000, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien 2001. 18 Kunst- und Kulturbericht 2019, Bundes­ ministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, Wien 2020. 19 Bemerkenswert dabei ist, dass der durchschnittliche Umsatzerlös pro Besuch – zumindest nach einer einfachen Gesamtberechnung – in 19 Jahren nur um 2,30 Euro ( von 10,40 im Jahr 2000 auf 12,70 im Jahr 2019) anstieg. 20 Vergleich der Werte 2000 und 2019 im Kulturbericht 2000 und im Kunst- und Kulturbericht 2019. 21 Dazu mehr im Beitrag von Brigitte BorchardtBirbaumer in diesem Band, S. 312–319. 22 In diesem Zusammenhang fällt etwa auf, dass für das Belvedere bereits im Kulturbericht des Jahres 2000 ein Kurator für das 21. Jahrhundert angeführt wird. 23 Kulturbericht 2004, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien 2005. 24 Kulturbericht 2006, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien 2007.

25 § 13 der Museumsordnung für die Österreichische Galerie Belvedere, BGBl. II Nr. 397/ 2009. 26 Kulturbericht 2017, ­B undeskanzleramt, Sektion für Kunst und Kultur, Wien 2018. 27 Wert 2000, Kulturbericht 2000, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien 2001, S. 48. 28 Wert 2019, Bericht des Rechnungshofes  : Durchschnittliche Einkommen und zusätz­ liche Leistungen für Pensionen der öffentlichen Wirtschaft des Bundes 2019 und 2020, S. 509. 29 Kunst- und Kulturbericht 2019, Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, Wien 2020, S. 3 (Anmerkung  : Die Kunst- und Kulturberichte werden jeweils im Folgejahr veröffentlicht, weswegen der Kunst- und Kulturbericht 2019 bereits Aussagen zur ­C oronakrise enthält). 30 Redaktionsschluss für diesen Text war der 1. September 2022. 31 Siehe Anm. 6.

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als Kernkompetenz gelten, die durch die „Werke internationaler Kunst im Zusammenhang mit der Kernkompetenz“ ergänzt werden.25 Seit 2017 wird einleitend wieder stärker auf die allgemein kulturgeschichtliche – und erstmals auch direkt auf die touristische – Bedeutung des Standorts hingewiesen : „Das Belvedere ist eines der ältesten Museen der Welt und gleichzeitig Ort zeitgenössischer Kunst. Es ist Barockjuwel und Ort des österreichischen Staatsvertrags. Als eine der größten Kultureinrichtungen des Landes steht es vor der Herausforderung, dem eigenen Anspruch bezüglich Kunst und Wissenschaft sowie den touristischen Bedürfnissen gerecht zu werden.“ 26 Die hier vom Belvedere selbst formulierte Herausforderung wurde gemeistert. Die Geschichte seit den Auslagerungen des Jahres 2000 lässt sich als ein – über die Direktor*innenwechsel hinweg durchgehaltener – Expansions- und Modernisierungskurs beschreiben, der durch eine Intensivierung der touristischen Bewirtschaftung des Standorts finanziert wurde. Die damit möglich (und notwendig) gewordene Ausweitung von Funktionsbereichen spiegelt sich in dem Umstand, dass im Zeitraum von zwanzig Jahren die Zahl der Vollzeitbeschäftigen von einhundert 27 auf 247 28 angestiegen ist. Doch – und mit diesen Worten beginnt das Vorwort der zuständi­ gen Kulturpolitiker*innen im Kunst- und Kulturbericht 2019 – „im März 2020 wurde alles anders“ 29. Als am 13. März 2020 im Zuge des ersten Corona-Lockdowns die Schließung aller österreichischen Museen verkündet wurde und zugleich die private internationale Reisetätigkeit fast vollständig zum Erliegen kam, konnte noch niemand voraussehen, zu welchen tiefgreifenden Einschnitten diese Entwicklungen in den Folgejahren führen würden. Im Kontext der vorliegenden Darstellung genügen zwei Zahlen, um den Einschnitt zu illustrieren : Nach dem Rekordwert von 1,7 Millionen Besuchen im Jahr 2019 konnten im ersten Jahr der Pandemie „nur“ 343 064 Eintritte verzeichnet werden, womit die seit mehr als zwanzig Jahren gestiegenen Umsatzerlöse sogar noch unter das Niveau des Jahres 2000 zurückfielen (Abb. 5). Kurzfristig konnten durch Unterstützungsleistungen der öffentlichen Hand, durch Anpassung der Ausstellungsplanung und durch die Auf‌lösung von Rücklagen betriebliche Einschnitte vermieden werden, doch es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt 30 – 2022, im Jahr der sich aufeinanderstapelnden Krisen – noch nicht absehbar, ob und wann die Bundesmuseen wieder an die Ergebnisse vor Corona anschließen werden können. Im Fall des Belvedere kommt dem Wiedererwachen des Städtetourismus die größte Bedeutung zur Erreichung dieses Ziels zu. Der Kreis dieses Textes schließt sich also bei dem im Museumsentwicklungsplan 1998 erwähnten „sensiblen Touristenstrom“ 31, der die Hauptschlagader für die spektakuläre Entwicklung des Belvedere im ersten Fünftel des 21. Jahrhunderts darstellte (Abb. 6).

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Abb.  1 Museumsshop mit Klimt-MerchandiseArtikeln im Oberen Belvedere, 2022, Belvedere, Wien Abb.  2 Umbau des 20er Haus, Pressetermin mit Kulturministerin Claudia Schmied, Architekt Adolf Krischanitz und Direktorin Agnes Husslein-Arco, 10. 9. 2009, Foto : Niko Formanek

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Abb.  3 Internationale Tourist*innen im Belvederegarten, 25. 1. 2006, Foto : Karl Thomas

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Abb.  4 Der Kuss von Gustav Klimt als Anziehungspunkt für viele Tourist*innen, 2018, Belvedere, Wien Abb.  5 Besuchszahlen der Bundesmuseen (KHM, NHM, Belvedere und Albertina) von 2017 bis 2021 Abb.  6 Warteschlangen an den Ticketkassen des Oberen Belvedere, 15. 12. 2022, Bildarchiv des Belvedere, Wien

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NORA STERNFELD —— Kritische Nischen. Demokratisierungsprozesse in der jüngeren Geschichte des Belvedere

1 Vgl. schnittpunkt/Baur 2020  ; Sternfeld 2018. 2 Siehe dazu den Beitrag von Martin Fritz in diesem Band, S. 336– 343. 3 Denken wir an die ­Z eiten der Pandemie, als die Öffnung der ­I nstitutionen für die Bevölkerung trotz des ausbleibenden Tou­ rismus erst medial erstritten werden musste. 4 Vgl. die Ausstellung Pierre Gaudibert. Vers le musée du futur, ­M usée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 19. 5. 2021–8. 5. 2022.

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Eliten oder Massen ? Avantgarde oder Mainstream ? Mit diesen polarisierten Fragen werden öffentliche Debatten zur Öffnung der Museen gerne geführt. Es ist allerdings diskussionswürdig, ob es sich dabei wirklich um die richtigen Fragen handelt – adressieren diese doch nicht selten weniger eine Demokratisierung als vielmehr eine Managerialisierung der Institutionen. Aber wenn nicht diese, was sind dann die richtigen Fragen ? Und was hat das alles mit dem Belvedere zu tun, das mit seinen drei Standorten zwischen diesen Polen existiert ? Seit den 2000er-Jahren wird international ein neuer Museumsdiskurs immer lauter : Wir haben in diesem Zusammenhang viel über „das Museum der Zukunft“ 1 als Arena, Plattform und Kontaktzone gehört. Allerdings sind diese Schlagworte selbst, so demokratisch sie klingen, nicht immer frei von ökonomischen Interessen und treiben nicht nur demokratische institutionelle Strukturen voran. Denn in den neueren Museumsdiskursen treffen sich Ansprüche der Demokratisierung (denken wir an die Forderungen nach Öffnung, Diversität, Gender, Ökologie) mit solchen der Neoliberalisierung (denken wir an die Forderungen nach einem neuen Management, einem Shop, einem schicken Café). In Österreich waren ebenjene 2000er-Jahre der Zeitpunkt der sogenannten Ausgliederung, also der managerialen Strukturreform zur Vollrechtsfähigkeit der Bundesmuseen als Betriebe. Und seither erlebt das Belvedere einen Boom, einen Zuwachs an Besucher*innen.2 So könnte die jüngere Geschichte des Belvedere als Gesamtinstitution sehr gut als Beispiel für die Seite der Besucher*innenströme in den oben angesprochenen „polarisierten Fragen“ dienen. Wir könnten nun sagen, dass das Augenmerk auf die Vermarktung der Institution nicht unbedingt deren Demokratisierung förderlich ist.3 Und das stimmt wohl ebenso sehr, wie es – und das möchte ich in diesem Text versuchen – differenziert zu betrachten ist. Wir haben es also bei der Rede von der Öffnung der Institutionen ebenso wie bei der Forderung nach einem „Museum der Zukunft“, die sich übrigens seit den Anfängen des modernen Museums in regelmäßigen Abständen in Museumsdebatten wiederfinden lässt, vielleicht mit einer Wellenbewegung konservativer, kapitalistischer und demokratischer Tendenzen zu tun. Um mich jenen der Demokratisierung in der jüngeren Geschichte des Belvedere zu widmen, möchte ich bewusst die Buzzwords der Gegenwart beiseite lassen und mich anhand von drei Begriffen aus den 1970er-Jahren annähern. Dafür nehme ich Bezug auf eine fast vergessene Museumsgeschichte : 1967 rief der Kunsthistoriker, Kritiker und Kurator Pierre Gaudibert 4 im Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris (das 1961 in Paris eröffnet wurde) eine Abteilung ins Leben, die einer Demokratisierung des Museums und einer Demokratisierung der Gesellschaft verpflichtet sein sollte. Er gab ihr den ambitionierten Namen „Animation, Recherche, Confrontation“. Hans-Ulrich Obrist war

dort später – in den 1990er-Jahren – Kurator und prägte die Abteilung, die mit dem Kürzel ARC betitelt war. Ohne dass die meisten Leute wissen, was sich hinter der Abkürzung verbirgt – lässt sie sich doch seit den 1990er-Jahren als Akronym für „art contemporain“ lesen –, existiert die Abteilung bis heute. Die drei tragenden Begriffe, die in den späten 1960erJahren für ein „Museum der Zukunft“ standen, sind allerdings in Vergessenheit geraten : Bewegen, Forschen, Konfrontieren. Da sie aus meiner Sicht nicht an Aktualität verloren haben, zugleich in der Zeitgeschichte von Museen für Gegenwartskunst verankert und in Vergessenheit geraten sind, möchte ich in Auseinandersetzung mit dem Belvedere fragen, inwiefern sie sich aktualisieren und für eine Beschreibung von Demokratisierungsprozessen in der Gegenwart produktiv machen lassen. Bewegen : Public Program und Community Outreach am ­Belvedere 21 Mit „Animation“ bezeichnete Gaudibert die aktualisierende Aktivierung, die Teil der Auseinandersetzung seiner Abteilung im Museum werden sollte. Um 1968 ging es vielen Künstler*innen, Pädagog*innen, Aktivist*innen und eben auch Museumsmacher*innen darum, dass Institutionen nicht nur der Kontemplation, sondern einer Aktivierung der Öffentlichkeit dienen sollten. Das klingt heute wieder aktuell. Und tatsächlich war es das Jubiläum „fünfzig Jahre 1968“, das im Belvedere zum Anlass für die Etablierung eines Programms wurde,5 das Öffentlichkeit in einem politischen, demokratisierenden Sinne verstand und zunächst in sieben Teilen von Mai bis Dezember 2018 stattfinden sollte. Den Auftakt bildete eine Serie von Screenings und Gesprächen mit dem Titel „1968/2018. Where Has All the Spirit Gone ?“. Bereits in dieser Frage steckt eine gewisse Melancholie, denn die differenzierte Beschäftigung mit den Potenzialen der Demokratisierung im Neoliberalismus weiß um ihre eigene Eingebundenheit in diesen. Und so hat das neu ins Leben gerufene Public Program auch einen programmatischen Namen erhalten, der diese Ambivalenz explizit macht : Gemeinsame Wagnisse – die wörtliche Übersetzung des kapitalistisch-ökonomischen Begriffs „Joint Ventures“, also der Unternehmenskooperation. Die Anrufungen von 1968, hören wir in diesem ambivalenten Namen mit, sind längst Imperative des Unternehmerischen geworden, lassen sich aber vielleicht, so könnte die Einladung zum Wagnis lauten, in einem radikaldemokratischen Sinne gegenhegemonial umwerten und wiederaneignen : als Konvergenz von Kämpfen, als „Reinventing Utopian Thinking“ und „Reclaiming Democracy“ – wie zwei weitere Teile der Veranstaltungsreihe hießen. Und so schlägt diese eine Aktualisierung und Aktivierung mitten in den bestehenden Verhältnissen vor, weist eine 68er-Nostalgie zurück und fragt, was heute gemeinsam unternommen

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5 Bei einer Programm­ sitzung für das Jahr 2018 schlug Luisa Ziaja, Kuratorin für Gegenwartskunst am Belvedere, vor, das Thema „fünfzig Jahre 1968“ nicht in einer Ausstellung, sondern in einem sogenannten Public Program zu ­verhandeln.

6 Unter der Leitung von Christiane Erharter und Claudia Slanar. 7 Vgl. Gemeinsame Wagnisse, Public Program 2021, https://www.­b el vedere.at/sites/­default/ files/2021-06/Public% 20Program%202021. pdf (zuletzt besucht am 10. 11. 2022). 8 Ebenfalls von Christiane Erharter verantwortet. 9 https://www.belvedere. at/community-­o ut reach#OpenMic (zuletzt besucht am 10. 11. 2022).

Forschen : Research Center und das digitale Museum Auch wenn die institutionelle Beteuerung einer Demokratisierung bei sogenannten „öffentlichen Programmen“ und „Outreach“-Strategien am augenscheinlichsten ist, waren und sind es doch auch andere Aspekte, die ein Museum zu einer demokratischen Institution machen. Denn demokratische Öffentlichkeit ist nicht nur ein Eingeladenwerden in einen vorbestimmten Kontext, sondern auch die Möglichkeit, Prozesse und Geschichte nachzuvollziehen und kritisch zu verhandeln. So betraf die Publizitätsforderung bereits historisch wesentlich die Zugänglichmachung von Archivmaterial – und damit von institutionellen Entscheidungen. Auch kritische Forschung, also die Auseinandersetzung mit Sammlung und Archiv, mit den Provenienzen der Objekte und damit verbundenen Gewaltgeschichten, mit Lücken und Brüchen der machtvollen Narrationen, gehört in die Geschichte und die Gegenwart der Demokratisierung einer Institution. Seit 2009 gibt es am Belvedere ein Research Center, das mit viel Energie und großer Genauigkeit genau dies verfolgt. Neben der Dokumentation, Erschließung und Erforschung österreichischer Kunstgeschichte geht es dabei mit einer dezidierten Open-Content-Policy auch

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werden kann, ohne das Unternehmer*innentum ganz der Wirtschaftskammer zu überlassen (Abb. 1–2). Nach dem ersten Jahr wurde das Public Program zu einer fixen Programmschiene, es existiert mittlerweile seit fünf Jahren und findet in regelmäßigen Abständen jeweils zu unterschiedlichen Themen im Skulpturengarten des Belvedere  21 statt. Es hat dabei eine kuratorische Per­ spektive erhalten,6 die die Gegenwart und die Zukunft sozialer Kämpfe adressiert und gemeinsam mit Künstler*innen, Theoretiker*innen und Aktivist*innen öffentlich thematisiert : So geht es etwa um Fragen des guten Lebens für alle oder um eine Koexistenz der Arten aus den Blickwinkeln von Kunst, Ökologie, Feminismus und Aktivismus. Der Juni steht jedes Jahr unter dem Motto „Queering the Belvedere“. Einen Schwerpunkt bildete auch die öffentliche Auseinandersetzung mit den Jugoslawienkriegen und dem Genozid in Srebrenica unter dem Titel „Geschichten wiedererzählen“.7 Seit 2018 gibt es zudem ein Community-Outreach-Programm 8, bei dem in Zusammenarbeit mit Gruppen und Communities im sozialen und räumlichen Umfeld des Belvedere 21 kollaborative Interventionen in den öffentlichen Raum entstehen. Eine damit verbundene Veranstaltungsserie ist ein Open Mic im Garten des Belvedere 21 (Abb. 3). Hier machen Bürger*innen das Programm, das bisher aus „Präsentationen, Debatten, Reden, Spoken Word, Comedy, Textbeiträge(n) und musikalische(n) Darbietungen“ bestand.9

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Kritische Nischen

um die Zugänglichmachung von Daten (→ S. 353,  26  ) : von Archivalien, von den Ergebnissen und Dossiers der Provenienzforschung, von Publikationen und von gemeinfreien Werken. Eine damit verbundene wichtige Dimension einer demokratischen Institution ist die Auseinandersetzung mit Digitalität, die im Belvedere in der jährlichen Online-Konferenz „Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter“ zur Diskussion steht (Abb. 4). Dabei erhält die Frage nach den Commons eine Aktualisierung im Hinblick darauf, wem das Museum in Zukunft und in einer „Kultur der Digitalität“ 10 gehört. Konfrontieren : Ausstellungen, die den Kanon herausfordern Künstlerische Progressivität erwartete man in Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht unbedingt im Belvedere. Eher schon begegnen wir ihr in der Geschichte des 20er Haus, das 1962 als Museum des 20. Jahrhunderts im von Karl Schwanzer erbauten Pavillon am heutigen Standort des Belvedere 21 eröffnet wurde.11 Im Belvedere wiederum war es das Augarten Contemporary – zuerst eine Dependance im Atelier Gustinus Ambrosis im Augarten, in der ab den 1990er-Jahren kritische Projekte gezeigt wurden,12 zu erwähnen wäre hier etwa The Spring Project 13 (1995) –, das sich mitten in den damals aktuellen Diskursen und noch jungen neuen Medien verortete und Künstler*innen präsentierte, die nicht objekt-, sondern situationsbasiert arbeiteten, sowie tanzimat 14 (2010), eine Ausstellung, die auf das Prinz-Eugen-Jahr mit einer „osmanischen“ Gegen-Perspektive von Künstler*innen aus der Türkei, Bulgarien und Österreich reagierte. Im Belvedere 21 setzten sich dann monografische Ausstellungen wie Monumente. Dokumente von Simon Wachsmuth (2015/16) und Das Reich von Henrike Naumann (2020) mit Geschichte und Gegenwart sowie mit der Gefahr einer potenziellen Zukunft rechter Gewalt auseinander. Besonders in den Sammlungsausstellungen der letzten zehn Jahre – zuletzt Avantgarde und Gegenwart (2021) – fanden genaue und subtile, dabei nicht weniger markante und notwendige Befragungen und Neuformulierungen des Kanons statt. Präzise Zusammenstellungen von Werken aus der Sammlung und darüber hinaus befragten überlieferte Historisierungen und Kanonisierungen, verleugnete Kontinuitäten zur NS-Geschichte sowie koloniale Blicke. So gelang es immer wieder, die Sammlung neu zu sehen und sie mit ihren Brüchen und Leerstellen zu konfrontieren (Abb. 5). Fazit : zeitgenössisch zwischen Zahlen Demokratisierung stellt sich in der Gesamtschau auf das Belvedere als nicht sehr präsent dar. Aber sie findet doch in Nischen statt. Und dort

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10 Vgl. Stalder 2016. 11 Das Gebäude wurde 2002 vom Belvedere übernommen und nach einer umfassenden ­Renovierung 2011 als 21er Haus wiederer­ öffnet. 12 Ohne allerdings die ­S ituiertheit im ehemaligen Atelier Gustinus Ambrosis zu thema­ tisieren, das weiterhin Gedenkstätte für den im Austrofaschismus gerühmten und auch von Hitler gelobten Künstler war, wo neben anderen Stein- und Gipsskulpturen des Bildhauers auch HitlerBüsten gezeigt wurden. Die Ausstellung The Spring Project sprach diese Proble­ matik immerhin an, ohne sie aufzugreifen. Vgl. Guth/Michalka 1995, S. 6. 13 Kuratiert von Doris Guth und Matthias Michalka. 14 tanzimat, kuratiert von Eva Maria Stadler, Augarten Contemporary, 21. 1.–16. 5. 2010.

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Erweiterungen des Museums in den digitalen Raum Christian Huemer

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as Bild vom Kleinkind, das im Zoo an ein Aquarium tritt, um mit zwei Fingern das Fischlein auf dem vermeintli­ chen Display zu vergrößern, demonstriert eindrücklich, wie stark unsere Kulturtechniken von der digitalen Transformation geprägt sind. Mittlerweile ist eine Generation im Erwachsenenalter, die das Internet nicht ohne sortierende Algorithmen kennt, Lesen immer schon als Scrollen einer digitalen Schriftrolle verstand und Fernsehen als eine Abfolge automatisch startender Clips. Dementsprechend radikal verändern sich auch die Anforderungen an Museen, und zwar nicht erst seit dem Hereinbrechen der Coronapandemie, als die Präsenz im digitalen Raum plötzlich den einzigen Weg an die Öffentlichkeit darstellte. Bereits 1968 rollte anlässlich der Tagung „Computer und ihre möglichen Anwendungen im Museum“ ein riesiger IBM-System/360-Rechner als „­Trojanisches Pferd der Technologie“ ins Metropolitan Museum of Art in New York. 1 Im Belvedere wie in vielen anderen Museen begann die ­D igitalisierungsoffensive bei der Sammlung. Laut Kulturbericht 2001 sollte der gesamte Objektbestand des Hauses digital fotografiert werden : „Durch die Verknüpfung der entstehenden Bilddatenbank mit einer Bestandsdatenbank entsteht ein digitales Museum, das in Zukunft der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich werden soll.“ 2 Das Projekt resultierte aus der IT-Initiative eFit Austria, mit welcher das Bundesministerium für ­B ildung, Wissenschaft und Kultur (bm:bwk) jene bildungspolitischen Ziele umzusetzen suchte, die 2002 als eEurope-Aktionsplan auf einem EU-Gipfel im portugiesischen Feira beschlossen worden waren. Mit einer Anschubfinanzierung von 1 240 000 Euro konnte von November 2002 bis Oktober 2006 ein beachtlicher Teil der Sammlung digitalisiert und in der relationalen Datenbank TMS (The Museum System) systematisch erschlossen werden. Die Stärke der Sammlung Online des Belvedere liegt in der hohen Qualität der (Meta-)Daten und der intensiven Verschlagwortung der Bilder nach wissenschaftlichen Regelsystemen wie ICONCLASS und MIDAS. Dies erlaubt Suchanfragen nach Motiven wie Normandie, Nebel, Grau, nach Gefühlen wie Liebe, Trauer, Einsamkeit oder nach Bildorganisation wie Rückenfigur, tiefer Horizont et cetera. Seit 2018 bekennt sich das Belvedere als erstes Kunstmuseum Österreichs zu einer Open-ContentPolicy, welche gemeinfreie Werke der Sammlung in Druckqualität kostenfrei zum Download bereitstellt (Abb. 1). Die Ermöglichung eines freien, offenen und vernetzten Zugangs zum kulturellen Erbe ist seither ein zentrales Anliegen, was sich etwa auch im

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1 Hoving 1968, S. VI. 2 Kulturbericht 2001, ­Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien 2002, S. 69 ; Knickmeier 2008.

Launch eines Open-Access-E-Journals, des Belvedere Research Journal, manifestiert. Im Zuge der digitalen Transformation hat sich die Rolle des Museums grundsätzlich verändert, geht es doch mittlerweile nicht mehr vordringlich um die Präsentation von Kunstobjekten, sondern vielmehr um die Produktion von Kunsterfahrungen, wobei das Pub­likum im Sinne eines participatory turn aktiv eingebunden werden will. Unter dem Schlagwort „Metaverse“ entstehen gegenwärtig Welten, die für soziale Interaktion geschaffen sind, in welcher Menschen sich als Avatare in Echtzeit treffen und über ihre Erfahrungen austauschen. Selbst wenn diese Utopie zu diesem ­Z eitpunkt noch nirgendwo vollumfänglich realisiert ist, experimentieren viele Kultureinrichtungen in diese Richtung. Das Belvedere beispielsweise hat 2020 den Prunkstall beim Unteren Belvedere digital gescannt und einen interaktiven 3-D-Schauraum für Werke aus dem Mittelalter generiert. Auch künstliche Intelligenz kommt vermehrt zum Einsatz, sei es bei der automatisierten ­Transkription von handschriftlichen Quellen im Archiv, der Suche von inhaltlich und formal ähnlichen Bildern in der Sammlung oder der Rekonstruktion von v­ erlorenen Kunstwerken. Im Rahmen einer Kooperation mit Google Arts & Culture wurden durch den Einsatz von maschi­ nellem Lernen die nur als Schwarz-Weiß-Fotos und in historischen Beschreibungen überlieferten Fakultätsbilder von Gustav Klimt ­d igital rekoloriert (Abb. 2). Seinen „erfolgreichen Einstieg ins Metaverse“ verkündete das Belvedere im Februar 2022 mit der ­A usgabe von zehntausend Stück NFTs (Non-Fungible Tokens) nach Klimts Kuss, die durch ein digi­t ales Echtheits- und Eigentums­z ertifikat als unikale Sammlerstücke käuf‌lich erwerbbar wurden (→ S. 365, Abb. 5). Einer kontinuierlichen Reflexion der institutionellen Bedingungen stellt sich das Belvedere seit 2019 mit der jedes Jahr im Jänner stattfindenden Tagung „Das Kunstmuseum im digi­t alen Zeitalter“ – deren Online-Ausgabe im Jubiläumsjahr mehr als eintausend ­A nmeldungen aus 56 Ländern und fünf Kontinenten verzeichnete (→ S. 352, Abb. 4) .

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Abb. 1 Symbolbild für die Open-Content-Policy der Sammlung Online, Belvedere, Wien

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Abb. 2 Mithilfe künstlicher Intelligenz rekolorierte SchwarzWeiß-Fotografie des 1945 verbrannten Gemäldes Jurisprudenz von Gustav Klimt (1900–07), Belvedere / Image by Google2019

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hat sie Dimensionen, die über die reine Integration von gerade trendigen marginalisierten Positionen hinausgehen und auch die Veröffentlichung der Forschung sowie die kritische Auseinandersetzung mit Geschichte betreffen. Gemeinsam mit dem Public Program und den kritischen Kooperationen mit lokalen Akteur*innen bilden diese forschenden und kuratorischen Ansätze demokratische Elemente einer Institution, die nicht nur sich selbst populär zu vermarkten versteht, sondern vielleicht oft gerade im Schatten des Marketing in den letzten Jahren ernsthafte, oft subtile, aber nicht weniger wichtige Neuperspektivierungen gegen den Strich vornimmt.

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Abb.  1 Gemeinsame Wagnisse. Eine Veranstaltungsreihe zur Relevanz von 1968 in der Gegenwart, 21. 9. 2018, Belvedere, Wien Abb.  2 Podiumsdiskussion anlässlich von Gemeinsame Wagnisse. Eine Veranstaltungsreihe zur Relevanz von 1968 in der Gegenwart, 26. 5. 2018, Belvedere, Wien Abb.  3 Open Mic – Das öffentliche Mikrofon mit Schudini The Sensitive (musikalische Begleitung : Verena Dengler), ein Programm des Community Outreach im Rahmen des Belvedere-Sommerfests, 15. 7. 2022, Belvedere, Wien

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Abb.  4 Internationale Online-Konferenz Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter, 17.  bis 21. 1. 2022

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Abb.  5 Ausstellung Avantgarde und Gegenwart im Belvedere 21, 2022, Belvedere, Wien

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Museale Selbstbilder auf dem Prüfstand Luise Reitstätter, Anna Frasca-Rath

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as Selbstbild eines Museums zeigt sich in „Ego-Dokumenten“ 1 – von rechtlichen Rahmentexten über Leitgedanken von Direktor*innen in Geschäftsberichten und Hauspublikationen bis hin zu zeitgenössischen MissionStatements. Im Projekt „Recht auf Museum ? “ standen solche textlichen Selbstbeschreibungen im Hinblick auf museale Öffentlichkeitskonzepte im Fokus der Analyse von fünf Wiener Museen. 2 Während die Archivforschung über die Dokumente Diskursverschiebungen in der Beziehung der Institutionen zur Öffentlichkeit zu greifen suchte, erhob die Feldforschung unter anderem, wie diese Dokumente von Bürger*innen nach dem Besuch der Dauerausstellungen in den Museen wahrgenommen werden. 3 Drei kurze Textauszüge sowie Reaktionen auf diese (in Form von Übereinstimmungsraten und Kommentaren) geben im Folgenden Einblick, wie das Belvedere zu verschiedenen Zeiten konzipiert wurde und heute erfahren wird. „[Die] hauptsächliche Aufgabe [der Staatsgalerie] wird jene sein, die allgemeine Kunstentwicklung vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart in ihren wesentlichen […] Phasen durch große typische Beispiele der schöpferischen […] Kräfte zur Darstellung zu bringen“, heißt es im 1911 verfassten Memorandum des Direktors Friedrich Dörnhöffer zum Sammlungsprogramm. Die Frage „Wie sehr stimmt diese Beschreibung mit Ihrer heutigen Museumserfahrung überein ? “ wird von den Befragten grundsätzlich zustimmend beantwortet („sehr“ 28 Prozent und „eher“ 46,4 Prozent). Ergänzende Kommentare zum angestrebten Ziel einer guten historischen Darstellung mit großen Beispielen verweisen einerseits auf die nach wie vor als gültig empfundene Konzeption des Museums als repräsentatives Schaubild einer genealogischen Kunstgeschichte. Andererseits verdeutlichen dissonante Reaktionen, dass der Anspruch eines solchen Überblicks bei einem selektiven Rundgang durch das Museum (mit weiteren Standorten), einer Fokussierung auf österreichische Größen wie Klimt und Schiele sowie nur vereinzelt präsentierter Gegenwartskunst im Oberen Belvedere schwierig einzulösen sei. Auch der Textverweis auf „schöpferische Kräfte“ im Sinne eines Geniekults wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen. „So widmen wir uns heute […] der Mission, die großartigen [Werke] österreichischer Künstlerinnen und Künstler zu erforschen und entsprechend zu würdigen. Dies geschieht [unter anderem] über ein vielschichtiges Angebot von Ausstellungen, in denen wir

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1 So werden in der histo­ rischen Forschung ­Dokumente wie Tagebücher, Briefe oder Prozessakten bezeichnet, in denen eine ­Person sich selbst in ihrem Umfeld verortet beziehungsweise dargestellt wird. Im Verständnis von Institutionen als Organismen mit einer eingeschriebenen Identität wird dieser Terminus hier auf museale Textquellen, die zeitspezifische Standortbestimmungen ermöglichen, übertragen. 2 Belvedere, Haus der ­Geschichte Österreich, Kunsthistorisches ­Museum Wien, MAK – Museum für an­ gewandte Kunst und Volkskundemuseum Wien. 3 Für eine kompakt gefasste Projektübersicht und Ergebnisdarstellung siehe Reitstätter/ Galter 2022.

stets darum bemüht sind, die heimische Kunst in einem internationalen Kontext zu präsentieren.“ Diese Museumsmission formuliert Direktorin Agnes Husslein-Arco im Jahr 2016/17 im Belvedere Magazin und schreibt damit interessanterweise mehr als einhundert Jahre nach dem 1911 verfassten Memorandum die (nationale) Kunstpräsentation über „großartige“ Beispiele mit der Ergänzung einer internationalen Kontextualisierung fort. Der Anstieg in der starken Übereinstimmung mit der heutigen Museumserfahrung („sehr“ 39,9 Prozent und „eher“ 30,4 Prozent) mag in der zeitge­ mäßen sprachlichen Formulierung begründet sein. Ein Blick auf die Kommentare zeigt jedoch, dass der Umsetzung des Erforschens und entsprechend Würdigens sowie der internationalen Kontextua­ lisierung auch widersprochen wird, indem Besucher*innen die ­g ebotenen Kontextinformationen in der Ausstellung als nicht ausreichend betrachten. „Kunst ist für alle. […] Mit lebensnahen Themen und aktuellen Fragestellungen kommunizieren wir glaubwürdig, verständlich und dialogorientiert. Für unsere Besucher*innen eröffnen sich neue Sichtweisen und Handlungsspielräume. Sie verlassen das Museum reicher, als sie es betreten haben.“ So heißt es im aktuellen Leitbild des Belvedere, nachzulesen auf dessen Website. Dieses Zitat erzielt den höchsten Wert bei der starken Übereinstimmung mit der Wahrnehmung der Befragten nach dem Museumsbesuch („sehr“ 41,1 Prozent und „eher“ 29,8 Prozent). Bei näherer Betrachtung der Rückmeldungen zeigen sich jedoch klare Unterschiede in den Reaktionen auf einzelne Bestandteile des Statements. So wird auf die inklusive Intention des Passus „Kunst ist für alle“ vorwiegend mit der Nennung von Ausschlussmechanismen wie hohen Eintrittspreisen, benötigtem Vorwissen oder nicht mitgedachten Personengruppen geantwortet. „Sie verlassen das Museum reicher, als sie es betreten haben“ erhält im Sinne einer transitorischen Erfahrung hingegen überwiegend positive Rückmeldungen, denn es sei, wie eine Besucherin meint, „immer wieder bereichernd, bedeutende Werke zu sehen“. Der Wunsch, „lebensnahe Themen und aktuelle Fragestellungen“ anzusprechen, zeigt sich in Kunstmuseen mit einer konventionell reduzierten Werkpräsentation wie im Oberen Belvedere grundsätzlich als schwer einlösbar. Besucher*innen geben zwar häufig an, Neues gelernt zu haben (72 Prozent), aber deutlich seltener, zum eigenen Denken (57,7 Prozent) oder gar zum Aktivwerden und Ausprobieren (11,9 Prozent) angeregt worden zu sein. Das Obere Belvedere wird vielmehr im Sinne einer klassischen Kunstinstitution wahrgenommen – „schön“, „interessant“ und „beeindruckend“ lauten die drei am häufigsten genannten Eigenschaftswörter zur Charakterisierung des Museums nach dem Besuch. Aus dieser kurzen Zusammenschau von Museumskonzeptionen und -erfahrungen ergibt sich somit das Bild einer Institution, welche über die Polaritäten überblickshafte Sammlungspräsentation versus inhaltliche Vertiefung sowie ästhetische Bildung versus aktuelle Themensetzung in Kontinuitäten und Konfliktlinien charakterisiert werden kann. Deutlich werden in dieser diskursiven Verschränkung auch identitätspolitische Herausforderungen von Diversität und Demokratisierung, die das Kunstmuseum im Aushandlungsprozess zwischen klassischem Repräsentationsapparat und dem aktuell gesteigerten Wunsch nach gesellschaftlicher Relevanz zu lösen hat.

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STELLA ROLLIG im Gespräch mit WOLFGANG ULLRICH

Stella Rollig : Ich würde provokant sagen, dass es in zwei Bereichen der Gesellschaft das größte rhetorische Brimborium gibt : in der Politik – und in der Welt der Museen. In der Welt der Museen begleitet uns nun tatsächlich schon lange die Metapher der Öffnung. Mir ist gerade in letzter Zeit eine ungeheure Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufgefallen. Ich nenne zwei Museen der letzten Jahre – das von Renzo Piano gebaute Whitney Museum in New York und David Chipperfields Zubau für das Kunsthaus Zürich. Beider Architektur ist wenig einladend. In Chipperfields äußerlich strengem, beinahe abweisendem Bau muss man eine steile Treppe erklimmen, um die Ausstellungsräume zu erreichen. Das Foyer des Whitney ist laut und unübersichtlich und reüssiert gerade mal als Ort des Ticketverkaufs. Das Whitney behauptet, Teil seiner Nachbarschaft zu sein. Tatsächlich besteht diese Nachbarschaft heute nur noch aus einem erweiterten Konsumangebot für Museumsbesucher*innen, aus Coffeeshops und Boutiquen. Im Übrigen gibt es den Wunsch nach einer Öffnung des Museums schon länger als das spätbürgerliche Museum. Wenn ich an die russische Revolutionskunst denke, dann findet man mit dem Aufruf, die Museen und Paläste zu stürmen, auch da schon all diese Formulierungen. Und man kann noch weiter zurückgehen – und an das Belvedere denken, aber auch an andere höfische Museen. Das Belvedere ist eines der ältesten Museen der Welt, es wurde kurz vor Maria ­T heresias

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Perspektiven 2023

Wolfgang Ullrich : Manchmal frage ich mich, ob Museen aktuell den größten Strukturwandel in ihrer ganzen Geschichte erleben. Oder übertreibt man das vielleicht aus heutiger Perspektive ? Wenn man wie du einem dreihundert Jahre alten Haus vorsteht, lässt sich das sicher besser beurteilen. Fraglos sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr viele neue Aufgaben, Ansprüche und Erwartungen an Museen herangetragen worden. So wird mittlerweile erwartet, dass ein Museum möglichst viele Menschen erreicht, ja idealerweise niemanden mehr ausschließt. Es soll sich unterschiedlichsten Milieus öffnen und sich nicht nur über Sammeln, Konservieren, Forschen definieren. Vor ein paar Jahren habe ich einen Text über neuere Museumsbauten geschrieben und mir dafür Ausschreibungen und vor allem Texte von Architekturbüros angesehen, in denen diese ihre Entwürfe erklären. Dabei fiel mir auf, dass in jedem Text von Öffnung die Rede ist, meist in mehrfacher Hinsicht : Wir öffnen den Bau zur Stadt, wir öffnen uns für ein breiteres Publikum, wir öffnen die Sammlungen. Dann bin ich dem ein bisschen nachgegangen und habe festgestellt, dass auch in museumsprogrammatischen Texten der 1970erJahre schon immer eine Öffnung proklamiert wird. Über ein halbes Jahrhundert ist das Leitbild also dasselbe geblieben, was den Schluss zulässt, dass vielleicht doch noch gar nicht so viel passiert ist. Oder ist viel passiert, und man hat nur aus Bequemlichkeit die Metapher nicht geändert ?

Tod in den späten 1770er-Jahren als Gemäldegalerie für alle, auch die ­sogenannten niederen Stände, geöffnet.

WU : Ohne Eintritt ? SR : Ja, die Gemäldegalerie war an drei Wochentagen bei freiem Eintritt zu besuchen. Eine Dienstmagd, die für Kost und Logis gearbeitet hat, hätte wohl kein Eintrittsgeld bezahlen können. Eine Öffnung des Museums für alle gibt es also schon seit etwa 250 Jahren. Zugleich aber produziert das Museum die immer gleichen Ausschlussmechanismen. Alle Maßnahmen, diese zu unterbinden oder ihnen gegenzusteuern, sind wichtig, sind notwendig, aber nur begrenzt erfolgreich. Es ist eine Sisyphusarbeit für alle, die in Museen arbeiten und denen diese Öffnung ein Anliegen ist. Nun sehen wir uns seit einigen Jahren in einem immer neuen Set von sowohl selbst auferlegten als auch von außen oktroyierten Ansprüchen, die zunehmend komplexer werden und von der Digitalisierung bis zur Diversifizierung der Publikumsgruppen reichen. Dem gerecht zu werden und etwa auch die Ansprüche minoritärer Gruppen überhaupt erst einmal zu erkennen führt zu vielen neuen Aufgaben. WU : Ich finde interessant, dass du skeptisch bist, ob eine Öffnung des Museums wirklich jemals erfolgreich durchgeführt werden kann. Woran liegt das ? SR : Lass mich mit dem Positiven beginnen. Es funktioniert in kleinen Schritten und in relativ kleinen Tätigkeitsbereichen. Ich verdeutliche das anhand unseres Hauses. Wir haben, wie andere Museen auch, ein intensives Programm der Kunstvermittlung. Außerdem gibt es eine eigene Kuratorin für Community Outreach (→ S. 307,  22  ). Wir haben ein Nachbarschaftsforum. Und wir haben zum Beispiel jährlich ein Programm, das nennt sich „Queering the Belvedere“ (→ S. 309, Abb. 1). Es entwickelte sich aus dem jährlichen Pride Month im Juni, der mittlerweile international begangen wird und an dem wir uns seit Jahren stark und sichtbar beteiligen. In dieses Programm werden alle unsere Standorte einbezogen. Auch in der Kunst des Mittelalters kann zum Beispiel nach queeren Spuren gesucht werden. Eine andere aktuelle Programmschiene heißt „30 Jahre nach Srebrenica“, mit ihr sprechen wir die bosnische Community in Wien an. Hier ist mittlerweile die zweite Generation erwachsen und spielt im kulturellen Leben Wiens eine wichtige Rolle. Und dabei entsteht wirklich ein Community-Spirit. Da sprechen wir aber von fünfzig bis hundert teilnehmenden Leuten. Das wird bei einem Haus, das bis zu Corona insgesamt 1,7 Millionen Besucher*innen im Jahr hatte, kaum als Tätigkeit nach außen wahrgenommen. Insofern meine ich, es geht in kleinen Schritten, in kleinen Bereichen.

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SR : Da sind wir wirklich in einem großen Umbruch. So ist es etwa fast unmöglich, Kunsthistoriker*innen zu finden, die, wie es so schön heißt, digital affin sind und auch mit Datenbanken umgehen können, ja die verstehen, was es bedeutet, kunstgeschichtliche Forschung in die digitale Welt zu übersetzen. Mich erschreckt, wenn ich sehe, wie wenig in den Curricula der Universitäten darauf eingegangen wird. Seit den 1990erJahren werden überall neue Kurator*innen-Lehrgänge erfunden, oft mit sehr hohen theoretischen Ansprüchen. Das ist ganz wichtig und super. Aber die Tatsache, dass dann die beste Ausbildung als Kunsthistoriker*in den Anforderungen der Arbeit im Museum nicht wirklich genügt, weil du dieses Wissen auch rausbringen musst – und zwar gerade auch digital und zudem auf verschiedenen Kanälen –, heißt doch, dass völlig neue Curricula entwickelt werden müssen. Die gesamte Ausbildung muss reformiert werden. WU : Die Digitalisierung des Museums siehst du offenbar als eine der anspruchsvollsten Herausforderungen in der Gegenwart und auch für die nächste Zeit an. Ich würde da noch unterscheiden. So gibt es einerseits die Formen von Digitalisierung, die sich um die Website herum entfalten. Ihr am Belvedere etwa habt große Teile der Sammlung inzwischen digital verfügbar gemacht (→ S. 349,  25 ). Man kann natürlich auch Vermittlungsprogramme und Weiteres über die Website laufen lassen. Andererseits meint Digitalisierung für Museen mittlerweile aber auch vermehrt, dass man die sozialen Medien bedient. Da stellt sich dann immer wieder die Frage, auf welchen dieser Medien man sich engagiert und wie stark man sich engagiert. Was erwartet man sich davon ? Geht es nur um eine Erweiterung der Marketingmaßnahmen, die man dann eben auch auf Instagram oder TikTok betreibt ? Oder geht es darum, darin wichtige Vermittlungsplattformen zu sehen ? Und wie ist überhaupt das Verhältnis zwischen der Website und den sozialen Medien ? SR : Es ist unmöglich, all das zu leisten, was man gerne machen würde, wenn man sich etwa am Metropolitan Museum misst, wo Max Hollein mit seinem Team sämtliche Formate von Bildung bis zu spielerischer Beteiligung anbietet. Allerdings beschäftigt das Met in der Digitalabteilung mehr als fünfzig Personen, bei uns sind es fünf. Wir haben 2020

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Perspektiven 2023

WU : Ich würde hier gerne noch mal nachfragen. Es ist ja nicht so leicht, so etwas wie queere Spuren in mittelalterlicher Kunst zu verfolgen. Um die Ansprüche verschiedener Minderheiten erfüllen zu können, braucht man entweder mehr oder anders geschultes Personal als bisher. Da aber die Etats vermutlich nicht so wie die Ansprüche steigen, muss man woanders kürzen. Oder man muss doppelt so viele Aufgaben mit derselben Menge an Personal erfüllen.

eine Digitalredaktion mit Kolleg*innen, die alle ziemlich jung sind, zusammengestellt. Sie haben wir gefragt : Was findet ihr cool, was findet ihr gut, was würdet ihr entsorgen, was würdet ihr stattdessen lieber machen ? Das wurde dann ein langer Prozess. Am Ende wurde entschieden, welche Formate zu uns passen und welche nicht. Neu entwickelt wurde etwa das „Belvedere ABC“, in dem es zentral – aber nicht nur – um Kunstwerke geht. „J“ zum Beispiel steht darin für Jogging, weil der Belvederegarten für viele Wiener*innen eine beliebte Joggingstrecke ist (Abb. 2). Die Intention ist klar : Man versucht, Leute für das Museum zu interessieren, die es bis jetzt vielleicht nur von außen kennen.

WU : Kann man denn feststellen, was das bringt ? Bringt es wirklich neue Besucher*innen ? Bringt das eine andere Art von Feedback ? Und lernt ihr dadurch etwas über neue Möglichkeiten der Kunstvermittlung ? Oder was für ein Tool ist das letztlich ? SR : Es ist ein Kommunikationstool. Das Ziel ist, das Belvedere bekannter zu machen und neue Publikumsschichten weltweit anzusprechen. Auch neue Zugänge zur Kunst zu ermöglichen. Letzten Endes führt es dazu, dass mehr Leute ins Belvedere kommen. Und mit Menschen, die vielleicht noch nie da waren, in den Marmorsaal zu gehen und zu hören, wie sie sagen : Das ist ein Wahnsinn, das ist schön – das ist erhebend. WU : Ich würde noch mal gerne beim Schlagwort „J“ wie „Joggen“ einhaken. Dass man versucht, das Museum auch unter anderen Gesichtspunkten zu vermitteln, betrifft ja nicht zuletzt die Art und Weise, wie man die Kunstwerke selbst heute präsentiert. Es geht nicht mehr nur darum, etwas zu zeigen, weil es eine kunsthistorische Bedeutung hat und in den Kanon gehört, sondern man gibt immer noch weitere Begründungen, warum sich eine intensivere Beschäftigung damit lohnt. Man erörtert die Kunst, aber immer zugleich etwas anderes. Das scheint mir auch zu diesem Paradigmenwechsel zu gehören, dass das Museum heute andere Aufgaben hat. Es ist eben nicht mehr nur ein Kunsttempel, sondern soll ein gesellschaftlich vielfältig relevanter Ort sein. Aber das führt auch zu Konflikten, denn in dem Moment, in dem man sagt, dass es nicht nur um die Kunst geht, kommen Leute und beklagen, dass einzelne Exponate rassistisch oder sexistisch oder auf andere Weise zweifelhaft sind und eigentlich besser verschwinden sollten. Wie aber verhält man sich, wenn plötzlich das, was man zeigt, angreif‌barer als früher ist, weil es eben nicht mehr nur die hehre Kunst ist ? SR : Ja, das ist ein großes Spannungsfeld. Es genügt nicht mehr, zu sagen, dass ein Kunstwerk wichtig ist, weil hier das erste Mal die Zentralperspektive entwickelt oder ein neuer Stil erarbeitet wurde. In meinem Studium

S.

360

WU : Wenn es um Neuerwerbungen oder um das Konzipieren von Wechselausstellungen geht, achtest du dann auch darauf, dass etwas nicht nur aus kunstspezifischen Gründen wertvoll ist, sondern zugleich für einen anderen gesellschaftlichen Diskurs einen wichtigen Beitrag liefern kann ? SR : Ja, das ist der Anspruch. Und ich bewundere Kunsthistoriker*innen oder Kurator*innen, die das in Ausstellungen einlösen können. Wir hatten etwa eine Schau zum Wiener Biedermeier. Der Kurator hat es als eine Epoche vorgestellt, in der ungeheure soziale Gegensätze herrschten. Die Anschaulichkeit und Lebendigkeit der Malerei – ich nenne Ferdinand Georg Waldmüller als den berühmtesten Vertreter – hat lange Zeit dazu verführt, das Biedermeier als idyllisch wahrzunehmen und zu interpretieren, ja daraus eine Wohlfühlzeit zu machen. Der Kurator hat diese Darstellung gegen den Strich gebürstet, und es ist ihm gelungen, zu zeigen, dass die Wirklichkeit anders aussah – dass die Schulkinder etwa keine Schuhe anhatten, mit nackten Füßen herumliefen. Die sozialen Ungleichheiten des sogenannten Vormärz darzustellen – das halte ich für sehr erhellend. WU : Wo spürst du selbst eigentlich am ehesten, dass neuer Erwartungsdruck gegenüber dem Museum besteht ? Ist jetzt so etwas wie „Fridays

S.

361

Perspektiven 2023

habe ich gelernt und auch in den Museen vermittelt bekommen, was stilgeschichtlich an einem Werk besonders ist. Mich interessieren aber mehr die außerkünstlerischen Bezüge ! In welchem Kontext ist das Werk entstanden, unter welchen Lebensumständen hat die Künstlerin, der Künstler es geschaffen ? Mein Ruf bei den Kunsthistoriker*innen in unserem Team hat wahrscheinlich darunter gelitten, dass ich in unseren Objekttexten nichts über „pastose Malerei“ lesen will. Interessant wird es nämlich erst, wenn man gesellschaftsbezogene Netze aufspannt – und das, um es noch schwieriger zu machen, am besten mit nur achthundert Zeichen. Ich war kürzlich in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. Wie dort dieses Ziel mit kurzen Texten erreicht worden ist, stellt für mich ein beachtliches Beispiel dar. Es wird Bezug genommen auf die Zeit und die Stellung, die die jeweiligen Künstler*innen in ihr innehatten : Was wurde von ihnen erwartet, wie haben sie sich zu diesen Erwartungen verhalten ? Das müssen Kunsthistoriker*innen jetzt in den Blick nehmen. Es reicht aber nicht, solche Texte zu schreiben, sondern man muss entsprechend auch die Werke auswählen und zueinanderstellen. Das führt dazu – was ich immer besonders lohnend finde –, dass nicht mehr nur sogenannte Meisterwerke in der Schausammlung zu sehen sind, sondern auch Werke, die vielleicht nicht so gelungen sind oder die von Künstler*innen stammen, die in ihrer Zeit aus welchen Gründen auch immer wichtig waren, dann aber vergessen worden sind. Was früher als Depotware galt, ist es heute oft nicht mehr.

for Future“, wo es um ökologische Themen geht, stärker im Fokus ? Müsst ihr euch für Reisen, für Transporte mehr als noch vor ein paar Jahren rechtfertigen ? Oder stehen vor allem Minderheitenthemen im Zentrum ?

SR : Das ökologische Thema ist ganz groß. Museen sind ja a priori nicht unbedingt ökologieorientierte Einrichtungen. Der größte Energieverbrauch entsteht durch die Klimatisierung. Wir haben zwei Gebäude, die dreihundert Jahre alt sind. Wir haben dazu ein drittes Gebäude, das nie dauerhaft gedacht war, sondern als Pavillon für eine temporäre Weltausstellung. Es besteht aus Glas und Eisenträgern, ist schlecht isoliert, dabei denkmalgeschützt, aus dem kann man kein grünes Haus machen. Die Kunstwelt hat sich, durchaus auch infolge von Profitinteressen vieler Beteiligter, so entwickelt, dass wir heute überzogene Ansprüche in Bezug auf Klimatisierung bei Transporten haben. Was da an teuren Klimakisten gebaut wird, kostspielige Transporte, Leihgaben, die um die Welt geschickt werden … Da muss sich vieles ändern. Großen Druck erleben wir aber auch durch Anspruchsgruppen, die sich im Museum unterrepräsentiert sehen, hier sind vor allem People of Color aktiv. Es ist ein äußerst spannender, nicht nur harmonischer Austausch, der hier beginnt (Abb. 4). In diesem Zusammenhang muss man auf den Klassismus hinweisen, der sich im Museum wie in einem Brennglas zeigt. Die Personen aus der PoC-Community, die etwas vom Museum „wollen“, sind sehr gut – meistens akademisch – gebildet, verfügen über internationale Lebenserfahrung, Mehrsprachigkeit. Andere Gruppen, die wir erreichen und einladen möchten, müssen wir erst einmal auf uns aufmerksam machen. Besondere Rechtfertigung ist für den Schritt des Belvedere auf den NFT-Markt gefordert. Dass wir das erste Museum in Österreich waren, das ein NFT herausgebracht hat, hat uns neben internationaler Aufmerksamkeit auch Kritik eingetragen (Abb. 5). WU : Wegen des Energieverbrauchs ? SR : Ja, vor allem deswegen. Es gab ein Bündel von Argumenten, warum es verwerf‌lich sei, dass das Belvedere in den NFT-Markt einsteigt. Da gibt es ideologische Argumente, dass wir in einem unmoralischen, spekulativen Finanzmarkt mitmachen, der auf Verknappung, Eigentum und Ausschluss beruht. Darüber kann man debattieren. Aber man muss sagen, dass die wenigsten Menschen argumentativ und intellektuell gerüstet sind, um die globale Co-Abhängigkeit dieser Strukturen zu verstehen und zu kritisieren oder zu verteidigen. Daher wird gerne das ökologische Argument ins Feld geführt. Das nehmen wir aber auch ernst und sind dabei, einen CO2-Kompensationsplan auf die Beine zu stellen, weil wir die Flanke nicht offen lassen wollen. Besonders erfreulich ist, dass mit

S.

362

WU : Je mehr Geld sich mit NFTs erwirtschaften lässt, desto mehr kann man also mit den Eintrittspreisen runtergehen ? SR : Das wird leider nie möglich sein. Unser Klimt-NFT ist zwar sehr erfolgreich gestartet, wir haben innerhalb von ein paar Wochen viereinhalb Millionen Euro eingenommen. Aber wir haben deshalb keine überzogenen Fantasien. Der Kuss ist eben eines der berühmtesten Gemälde der Welt. Das kann man nicht mit jedem Bild wiederholen. Die Eintrittspreise, die von manchen als hoch empfunden werden, sind Teil der Ökonomisierung der Bundesmuseen seit ihrer Ausgliederung um das Jahr 2000. Sie machen einen wesentlichen Anteil unserer Einkünfte aus. WU : Die hohen Eintrittspreise machen aber wieder viel von dem zunichte, was man sonst an Öffnung erreicht. In dem Maß, in dem Museen in den letzten Jahrzehnten ihre Vermittlungsanstrengungen intensiviert haben, sind auch die Eintrittspreise gestiegen. Auf der einen Seite baut man also intellektuelle Barrieren ab, zugleich werden aber neue ökonomische Hemmschwellen geschaffen. SR : Wir haben große interne Diskussionen, die immer wieder auf den Wunsch der Kurator*innen und Kunstvermittler*innen abzielen, bestimm­te Programme kostenfrei anzubieten. Kostenfrei zugänglich sind zum Beispiel viele Veranstaltungen im Belvedere 21, also das Public Program (→ S. 351) und die Nachbarschaftsforen (Abb. 6). Da erwarten wir ja auch aktive Beteiligung. Ich selbst würde mir wünschen, dass Museen einfach frei zugänglich wären. Dass man – und das ist mein altmodisches Idealbild – immer mal reingehen und sich ein paar Bilder anschauen kann, und dann geht man wieder. Was uns in den nächsten Jahren wirklich gelingen muss, ist, einen gut durchdachten Umgang damit zu finden, wie wir die weit geöffnete Schere von Ansprüchen an Zugänglichkeit, Involvierung der Menschen, mehr Diversität und dem Status quo schließen. Dies zu leisten und gleichzeitig mit den traditionellen Aufgaben, die ich keinesfalls über Bord werfen möchte – Forschung und Bewahrung der Kunstwerke, Erweiterung der Sammlung –, umzugehen und das eine für das andere fruchtbar zu machen. Ich glaube, dass Kunsthistoriker*innen sehr viel lernen können,

S.

363

Perspektiven 2023

dem Merge im September 2022 der Minting-Prozess auf der EthereumBlockchain von „Proof of work“ auf „Proof of stake“ umgestellt wurde. Dadurch haben sich die CO2-Emissionen beim Minten von NFTs drastisch um 99,9 Prozent reduziert. Aber im Grunde haben wir mit den NFTs – ich muss den profanen Ausdruck verwenden – ein neues Geschäftsfeld erschlossen. Und da die Bundesmuseen angehalten sind, ihr Einkommen selbst zu erwirtschaften, war das doch eine ziemlich gute Idee.

wenn sie sich mit ihren Kolleg*innen aus der Kunstvermittlung oder vom Community Outreach mit offenen Ohren auseinandersetzen. Dass sie von ihnen viel über Fragen, Forschungsfragen lernen können, die an die Kunst zu stellen sind. Ich wünsche mir, dass alle unsere Aktivitäten auf emanzipierende Teilhabe abzielen und sich ausgehend von den Kunstwerken und der Identität des Belvedere vielfältige Konversationen entwickeln.

1

2

Abb.  1 Public Program „Queering the Belvedere“ ; Queer-History-Tour mit Historiker Andreas Brunner und Kuratorin Christiane Erharter, 12. 6. 2021, Belvedere, Wien Abb.  2 Das „Belvedere ABC“ als Facebook-Post : „J wie ‚Joggen‘ – Eine der spektakulärsten Laufstrecken Wiens ! 2 000 Schritte oder umgerechnet 1,3 km legen fleißige Jogger*innen bei einer Runde durch den Belvederegarten zurück“, 22. 6. 2022

3

Abb.  3 Das Belvedere trägt seit 2021 das Österreichische Umweltzeichen, ein Gütesiegel, mit dem sich auch Kulturinstitutionen zur Einhaltung von Umweltschutz- und Qualitätsstandards verpflichten.

Perspektiven 2023 4

Abb.  4 ÖMSUBM : Das Öster-

5

reichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music zu Gast im Belvedere 21, v. l. n. r. : Dalia Ahmed, Frieder Blume, Anta Helena Reck, Joana Tischkau, Elisabeth Hampe, 14. 5. 2022 Abb.  5 Zum Valentinstag 2022 wurde der Verkauf einer limitierten Auflage von zehntausend digitalen Ausschnitten aus Gustav Klimts Meisterwerk Der Kuss als NFTs gestartet, 2022, Belvedere, Wien Abb.  6 Community Outreach im Schweizergarten hinter dem Belvedere 21 mit der Installation Platz an der Sonne von Marlene Hausegger, 2020, Belvedere, Wien

6

S.

365

Appendix

S. 368 S. 374

S. 378 S. 388 S. 392 ← Eingang zum Oberen Belvedere, um 1935, Wien Museum

S. 396 S. 397 S. 398

Chronologie Visualisierung der Sammlungsbestände Bibliografie Personenregister Autor*innen Bildnachweis Abkürzungen Impressum

S.

368 – 373

Von der Sommerresidenz zum Museum

Chronologie

B

auherr des Belvedere ist Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736). Er kommt 19-jährig aus Paris an den Hof der Habsburger und macht unter drei Kaisern – Leopold I., Joseph I. und Karl VI. – eine steile Karriere als Feldherr. Seine persönliche Leidenschaft gilt vor allem der Architektur, der Kunst, der Natur und den Büchern. Die Gesamtanlage des Belvedere als repräsentative Sommerresidenz spiegelt mit Menagerie, Orangerie und Gemäldegalerie diese Interessen deutlich wider. Unter Maria Theresia und ihrem Sohn Joseph II. wird das Obere Belvedere erstmals als Gemäldegalerie genutzt. Bilder der kaiserlichen Sammlung werden nach Schulen geordnet ausgestellt. Damit ist ein wesentlicher Schritt zum Museum als öffentliche Bildungseinrichtung getan.

1

Jacob van Schuppen, Prinz Eugen von Savoyen nach der Schlacht von Belgrad am 16. August 1717, 1718, Belvedere, Wien, Leihgabe des Rijksmuseum Amsterdam

2

Martin van Meytens d. J., Maria Theresia als Königin von Ungarn, nach 1759, Belvedere, Wien, Dauerleihgabe des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung

Geburt Prinz ­Eugens von Savoyen in Paris.

1683 Feuertaufe Prinz Eugens am 12. Sep­ tember in der Schlacht am Kah­ lenberg gegen die Osmanen.

Erwerbung eines großen Grundstücks am Rennweg durch Prinz Eugen (Abb. 1), Erwei­ terungen folgen.

Veröffentlichung des BelvedereStichwerks nach Zeichnungen von Salomon Klei­ ner (→ S. 26,  2  ) – Doku­mentation der Anlage zu Leb­ zeiten des Prinzen Eugen.

1708

1736

Prinz Eugen wird Generalleutnant und damit mäch­ tigster Mann nach dem Kaiser.

Tod des Prinzen ­Eugen – seine Nichte Viktoria von Savoyen ist Allein­ erbin.

1712

1752

Baubeginn Unteres Belvedere, Archi­ tekt  : Johann Lucas von Hildebrandt.

Verkauf der Schloss­ anlage an Maria Theresia (Abb. 2), ab nun als „Belvedere“ bezeichnet.

1697

1717 Fertigstellung Un­ teres Belvedere – Baubeginn Oberes Belvedere.

1723 Fertigstellung ­Oberes Belvedere.

3

Martin Knoller, Joseph Rosa, 1791, Belvedere, Wien

Ab 1731

4

Heinrich Friedrich Füger, Selbstbildnis, 1807, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

1770 Maskenfest auf dem Belvedere-Areal ­anlässlich der Ver­ mählung von ­Erzherzogin Marie Antoinette mit dem späteren König Ludwig XVI. von Frankreich.

5

Joseph Rebell, Selbstbildnis, 1824/25, Belvedere, Wien

Das Belvedere als Museum

Appendix

1663

Errichtung des Belvedere

1776 Entschluss zur Überführung der k. k. Gemäldegalerie von der Wiener Stallburg ins Obere Belvedere unter der Leitung von Ga­ leriedirektor Joseph Rosa (Abb. 3), ab 1777 fixe Öffnungs­ zeiten und freier Eintritt.

1769–1805 Direktion Joseph Rosa (Abb. 3).

1789 Ausbruch der Fran­ zösischen Revo­ lution, 1793 Hinrichtung von Marie Antoinette.

1806–18 Direktion Heinrich Friedrich Füger (Abb. 4).

6

Franz Xaver Stöber nach Josef Danhauser, Peter Krafft, 1825/26, Belvedere, Wien

Chronologie

Prinz Eugen

1809

1891

Napoleonische Kriege, mehrfache Evakuierung der kaiserlichen Samm­ lungen, Abtransport von etwa vierhun­ dert Gemälden nach Frankreich (später Rückführung).

Eröffnung des neu errichteten Kunsthistorischen ­Museums, das ­Belvedere steht ­zeitweise leer.

Ab 1813

Ein Wohnsitz Ab 1898 Umbau des Oberen Belvedere zu Wohn­ zwecken für Thron­ folger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Familie, Architekt  : Emil ­Ritter von Förster.

Aufstellung von Kunstkammerobjek­ ten und Rüstungen (Ambraser Samm­ lung) sowie Antiken im Unteren Belve­ dere.

Von der Modernen Galerie bis heute

D

1824–28

ie 1903 im Unteren Belvedere eröffnete Moderne Galerie präsentiert die neuere österreichische Kunst im internationalen Kontext. Mit der Erweiterung und der Umbenennung in k. k. Österreichische Staatsgalerie 1911/12 soll die Entwicklung der österreichischen Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart gezeigt werden. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie werden im Zuge der Museumsreform ab 1919 die Sammlungen neu strukturiert und ihre Präsentation auf beide Belvedere-Schlösser ausgedehnt. Im Zweiten Weltkrieg sind einzelne Sammlungsteile bis August 1944 geöffnet. Die Bestände werden in Bergungsdepots ausgelagert. Erst 1953/54 sind alle Kriegsschäden behoben, und das Museum kann wiedereröffnet werden. Heute definiert sich das Belvedere als ein diskursiver Ort, an dem gesammelt, geforscht, bewahrt, ausgestellt und vermittelt wird.

Direktion Joseph Rebell (Abb. 5).

1829–56 Direktion Peter Krafft (Abb. 6).

1857–71 Direktion Erasmus von Engert (Abb. 7).

1871–92 Direktion Eduard Ritter von Engerth (Abb. 8).

7

8

Erasmus von Engert, um 1870, Belvedere, Wien

S.

370

Eduard Ritter von Engerth, Selbstbildnis, um 1855, Belvedere, Wien

9

Friedrich Dörnhöffer, um 1910, Belvedere, Wien

10

Franz Martin Haberditzl, um 1915, Privatarchiv

1909

1915

Nach 1918

Architekturent­ würfe Otto Wagners für eine „Galerie für Werke der Kunst unserer Zeit“.

Friedrich Dörn­ höffer, Kustos des Kupferstichkabi­ netts der k. k. Hof­ bibliothek, wird erster Direktor der Modernen Galerie (Abb. 9).

Der Leiter der Kup­ ferstichsammlung der k. k. Hof‌biblio­ thek Franz Martin Haberditzl wird ­Direktor der k. k. Österreichischen Staatsgalerie (Abb. 10).

Als Folge der ­­Museumsreform nach Hans Tietze (→ S. 187,  13  ) ­werden die Samm­ lungen in einer ­erweiterten Präsen­ tation im Oberen und im Unteren ­Belvedere ­gezeigt.

Gründung eines ­Komitees zur ­Errichtung einer ­Modernen Galerie, dem unter ­ande ren die Künstler Ed­ mund Hellmer, Carl Moll und Otto ­Wagner angehören.

1911/12 Umbenennung in k. k. Österreichische Staatsgalerie mit ­erweitertem Samm­ lungsanspruch, die Entwicklung der ­österreichischen Kunst vom Mittel­ alter bis zur Gegen­ wart zu präsentieren. Gründung des Österreichi­ schen Staatsgalerie­vereins.

1903 Eröffnung der Mo­ dernen Galerie als staatliches Museum mit der Gründungsintention der Prä­ sentation österrei­ chischer Kunst im internationalen Kontext. Provisori­ sche Einrichtung im Unteren Belvedere.

1913 Architekturent­ würfe Otto Wagners für ein neu zu ­bauendes „Haus der Kunst“.

1908 Gustav Klimts Ge­ mälde Der Kuss (­Liebespaar) wird für die Moderne ­Galerie erworben (→ S. 159,  11  ).

1917/18 Erzherzog Maximi­ lian Eugen, der ­Bruder des letzten Kaisers von Öster­ reich Karl I., wohnt mit seiner Familie im Oberen Belve­ dere.

1918 Ende des Ersten Weltkriegs. In die­ sem Jahr sterben Gustav Klimt, Egon Schiele, Koloman Moser, Ferdinand Hodler und Otto Wagner.

Ermordung von Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Sophie am 28. Juni in Sarajevo. Ausbruch des ­Ersten Weltkriegs. 12

Karl GarzarolliThurnlackh, um 1947, Belvedere, Wien

Bruno Grimschitz, o. J., Belvedere, Wien

S.

371

Umbenennung in Österreichische ­Galerie.

1923 Eröffnung des Ba­ rockmuseums im Unteren Belvedere.

1924 Die Galerie des 19. Jahrhunderts wird im Oberen ­Belvedere eröffnet.

1929 Die Moderne Gale­ rie als Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts wird in der Orange­ rie eröffnet. Im Kammergarten wird ein Skulpturen­ garten eingerichtet.

1914

11

1921

13

Fritz Novotny, o. J., Foto : Olga J. Norbin, Belvedere, Wien

14

Hans Aurenhammer, 1982, Foto : Elfriede Mejchar, Belvedere, Wien

Chronologie

1900

Appendix

1899

1938

1944/45

Ab 1945

1954

„Anschluss“ Öster­ reich­s an das na­ tionalsozialistische Deutsche Reich. Franz Martin Ha­ berditzl wird von den Nationalsozia­ listen seines Amtes enthoben. Sein langjähriger Stell­ vertreter Bruno Grimschitz (Abb. 11) wird Direktor der Österreichischen Galerie und bleibt bis 1945 im Amt. Die Moderne Gale­ rie in der Orangerie wird geschlossen.

Schließung der Ös­ terreichischen Gale­ rie aufgrund des „totalen Kriegsein­ satzes“. Das Obere und das Untere ­Belvedere werden durch Bomben­ treffer schwer be­ schädigt.

Wiederauf‌bau und Renovierung der BelvedereSchlösser.

Die Österreichische Galerie des 19. und 20. Jahrhunderts wird im Oberen Bel­ vedere eröffnet.

1939

1945 Ende des Zweiten Weltkriegs. Amts­ enthebung von Bruno Grimschitz als NS-Parteimit­ glied und Bestellung von Fritz Novotny zum interimisti­ schen Direktor.

In Europa bricht der Zweite Weltkrieg aus.

1939/40 Beginn der Luft­ schutz- und Ber­ gungsmaßnahmen. Schließung des ­Barockmuseums.

1943 Auf der Südseite des Oberen Belvedere wird ein Luftschutz­ bunker errichtet (→ S. 233).

15

S.

372

Karl GarzarolliThurnlackh wird zum ­Direktor der Österreichischen Galerie bestellt (Abb. 12).

1955 Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrags im Marmorsaal des Oberen Belvedere.

1951

1958–61

Erste museale Prä­ sentation der Öster­ reichischen Galerie nach Kriegsende mit der Ausstellung Neuerwerbungen 1947–1951 im Unte­ ren Belvedere.

Veranstaltung von Großausstellungen zur klassischen ­Moderne im Oberen Belvedere : Vincent van Gogh, Paul ­Cézanne, Paul Gau­ guin (→ S. 276–278).

1953

1960–68

Wiedereröffnung des Barockmuseums im Unteren Belve­ dere. Das Museum mittelalterlicher Kunst (→ S. 210) wird in der Orange­ rie eröffnet. Abgabe der internationalen Bestände an das Kunsthistorische Museum.

Direktion Fritz ­Novotny (Abb. 13).

1968–82 Direktion Hans ­Aurenhammer (Abb. 14).

1983–91 Direktion Hubert Adolph (Abb. 15).

1986 16

Hubert Adolph, 1980er-Jahre, Belvedere, Wien

1947

Gerbert Frodl, 2003, Belvedere, Wien

Rückübernahme der internationalen Bestände des 19. und 20. Jahrhun­ derts aus der Stall­ burg­galerie des Kunsthistorischen Museums.

2002

Seit 2017

Direktion Gerbert Frodl (Abb. 16).

Übergabe des 20er Haus (→ S. 325,  23  ) an die Österreichi­ sche Galerie Belve­ dere. Der Pavillon war von Karl Schwanzer für die Weltausstellung 1958 in Brüssel ent­ worfen worden.

Stella Rollig, ­Generaldirektorin.

Generalsanierung und Neupräsen­ tation der Samm­ lungen im Rahmen der sogenannten „Museumsmil­ liarde“ (→ S. 284).

2006

1998 Erlass des österrei­ chischen Kunst­ rückgabegesetzes und Beginn der Pro­ venienzforschung (→ S. 331,  24  ).

Restitution von fünf Gemälden Gustav Klimts, darunter die Goldene Adele, an die Erb*innen nach Adele und Ferdi­ nand Bloch-Bauer (→ S. 331,  24  ).

2000

2007–16

Ausgliederung der Österreichischen Galerie Belvedere als vollrechtsfähiges Museum.

Direktion Agnes Husslein-Arco (Abb. 17).

Wolfgang Berg­ mann, wirtschaft­ liche Geschäftsführung (Abb. 18).

2023 Dreihundert Jahre Oberes Belvedere. Ein Jahr im Zeichen des Jubiläums mit Ausstellungen und Veranstaltun­ gen zum runden Geburts­tag des Schlosses.

Chronologie

1994–97

Zusammengestellt von ­Bettina Bosin, Dagmar Diernberger, Katinka ­Gratzer-Baumgärtner, Maike Hohn, Georg ­L echner und Stefan Lehner

2011 Eröffnung des 21er Haus (seit 2017 ­Belvedere 21) als neuer Ausstellungs­ ort für zeitgenössi­ sche österreichische Kunst im interna­ tionalen Kontext.

17

Agnes Husslein-Arco, 2013, Foto : Natascha Unkart, Belvedere, Wien

S.

373

Appendix

1992–2006

18

Wolfgang Bergmann und Stella Rollig, 2022, Foto : Gianmaria Gava, Belvedere, Wien

S.

374 – 377

Visualisierung der Sammlungsbestände der Österreichischen Galerie Belvedere

Diese Grafik zeigt nach aktuellem Stand (Dezember 2022) die Dimensionen der sechs Sammlungsbereiche der Österreichischen Galerie Belvedere. Die Größe der Kreise orientiert sich an der Gesamtanzahl der Objekte. Die Aufteilung innerhalb eines Sammlungsbereichs erfolgt nach den darin vorhandenen Objektarten. Je häufiger eine Objektart innerhalb eines Bereichs vorkommt, desto größer wird ein Kreis dargestellt. Eine größere Vielfalt bei den Objektarten, wie beispielsweise in der Sammlung für zeitgenössische Kunst, resultiert in zahlreichen kleineren Kreisen.

Anzahl der Objekte 268

1074

Sammlungsbereiche

Die Balkendiagramme zeigen das Ranking der Objektarten im Vergleich der sechs Sammlungsbereiche. Die fünf häufigsten Objektarten innerhalb der Sammlung der Österreichischen Galerie Belvedere, nämlich Gemälde, Zeichnung, Skulptur, Fotografie und Druckgrafik, sind jeweils unter Angabe der Bestandszahlen hervorgehoben. Seltener vorkommende Objektarten wie z.B. Exlibris werden unter dem Begriff Varia zusammengefasst.



Sammlung Mittelalter und Renaissance



Sammlung Barock



Sammlung Klassizismus, Romantik und Biedermeier



Sammlung Historismus, Impressionismus und Klassische Moderne



Sammlung Zwischenkriegszeit, Kunst nach 1945



Sammlung Zeitgenössische Kunst

Sammlung Historismus, Impressionismus und Klassische Moderne

131

Gemälde

Gemälde

64

Skulptur

1606 848

Zeichnung

294

Skulptur

Varia

Appendix

Sammlung Mittelalter und Renaissance

Relief

Varia

Tafelbild (Flügelretabel)

Fotografie

72

Uhr

Druck

51

Keine Angabe

Relief

Brüstung

Standbild (Statuette) Keine Angabe

Türmchenuhr

3

0

Medaille

200

400

600

800

1000 1200

0

427

1500

2000

2014

Zeichnung

Skulptur

142

Gemälde

Druck

128

Skulptur

1359 665 271

Druck

Varia

71

Zeichnung

1000

Sammlung Zwischenkriegszeit, Kunst nach 1945

Sammlung Barock Gemälde

500

Varia Keine Angabe

Medaille Buch

Fotografie

Relief

Grafisches Blatt

Standbild (Statuette)

Collage

160

Werkzeug Assemblage

0

200

400

600

800

1000 1200

0

Sammlung Klassizismus, Romantik und Biedermeier 1147

Gemälde

544

500

1500

2000

Sammlung Zeitgenössische Kunst 767

Fotografie Gemälde

455

Varia

Zeichnung

448

Miniatur

Varia

Zeichnung

1000

Druck

45

Film

Skulptur

39

Objekt

Keine Angabe

Skulptur

Möbel

Druck

152 105

Installation Keine Angabe Collage

0

200

400

600

800

1000 1200

0

500

1000

1500

2000

Visualisierung der Sammlungsbestände

Zeichnung

Sammlungszugänge „zeitgenössischer“ Kunst (1811–1945) 1000 900 800 700 600 500 400 300 1902; 134

200

1912; 100

100

1934; 34 1945 1943 1941 1939 1936 1934 1932 1930 1928 1926 1924 1922 1920 1918 1916 1914 1912 1910 1908 1906 1904 1902 1900 1898 1896 1894 1892 1890 1888 1886 1884 1882 1880 1878 1875 1873 1869 1867 1864 1858 1855 1851 1849 1846 1844 1842 1838 1835 1832 1828 1811

0

Zugang „zeitgenössische“ Kunst

Zugang insgesamt

4

1902 1903

1904 134

1928

1929

1930 Zugangsarten

1941

1942

1943

Keine Angabe Ankauf Schenkung Tausch

Eine Museumsdatenbank erfüllt nicht zuletzt die wichtige Funktion eines digitalen Inventars. Der dokumentierte Zeitpunkt des Inventarzugangs in Kombination mit dem Sterbedatum einer*eines Künstler*in ermöglicht, festzustellen, ob ein Kunstwerk zu Lebzeiten einer Person Eingang in die Sammlung gefunden hat. Rückwirkend lässt sich so die Geschichte der Österreichischen Galerie Belvedere und ihrer Vorläuferinstitutionen unter dem Aspekt „zeitgenössisches Kunstsammeln“ betrachten. Die beiden Diagramme zeigen den Inventarzugang von „zeitgenössischer Kunst“ pro Jahr als schwarze Balken. Eine darüber in grauer Farbe verlaufende Trendlinie zeichnet den Gesamtinventarzugang nach.

Appendix

Sammlungszugänge „zeitgenössischer“ Kunst (1946–2021) 1000 900 800 700 600 500 400 2011; 271

300

2016; 209

200 100

2020

2018

2016

2014

2012

2010

2008

2005

2003

2001

1998

1996

1994

1992

1990

Zugang insgesamt

4

1951

1952

1953 134

1985

1986

1987 Zugangsarten

2017

2018

2019

Von den 14 345 Objekten der sechs Sammlungsbereiche lassen sich 2 508 Objekte (17,5 Prozent) in diese Kategorie einordnen. Weitere 7 747 Objekte (54 Prozent) fanden außerhalb der Lebzeiten der jeweiligen Künstler*innen Eingang ins Inventar. Bei den restlichen 4 090 Objekten (28,5 Prozent) sind das Jahr des Inventarzugangs und/oder das Sterbedatum unbekannt. Zu beachten ist, dass diese Visualisierung als rein quan­ titative Auswertung zu verstehen ist und keinerlei Wertung über die Qualität des jährlichen Sammlungszuwachses ­v ornimmt.

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Maximilian Kaiser Auswertungen mittels The Museum System™, RAWgraphs 2.0 beta

Visualisierung der Sammlungsbestände

1988

Zugang „zeitgenössische“ Kunst

1986

1984

1982

1980

1978

1976

1974

1972

1970

1968

1966

1964

1962

1960

1958

1956

1954

1952

1950

1948

1946

0

1988; 57

S.

378 – 387

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Belvedere, Wien), Wien 1960 Ausst.-Kat. Wien 1961 Kulturamt der Stadt Wien (Hg.), Paul Cézanne. 1939–1906 (Ausst.-Kat. ­Kulturamt der Stadt Wien im Oberen Belvedere, Wien), Wien 1961 Ausst.-Kat. Wien 1962 Werner Hofmann et al., Kunst von 1900 bis heute (Ausst.-Kat. Museum des 20. Jahrhunderts, Wien), Wien 1962 Ausst.-Kat. Wien 1969 Hans Aurenhammer (Hg.), Alltag und Fest im Mittel­ alter. Gotische Kunstwerke als Bilddokumente (Ausst.Kat. Österreichische ­Ga­lerie, Wien), Wien 1969 Ausst.-Kat. Wien 1970 Elfriede Baum/Dora Heinz/ Franz Windisch-Graetz, Kärntner Kunst des Mittel­ alters aus dem Diözesan­ museum Klagenfurt (Ausst.Kat. Österreichische Galerie, Wien), Wien 1970 Ausst.-Kat. Wien 1971 Kulturamt der Stadt Wien (Hg.), Oskar Kokoschka zum 85. Geburtstag (Ausst.-Kat. Kulturamt der Stadt Wien in der Österreichischen ­Galerie, Wien), Wien 1971 Ausst.-Kat. Wien 1973 Gert Ammann/Erich Egg, Spätgotik in Tirol. Malerei und Plastik von 1450 bis 1530 (Ausst.-Kat. Österrei­ chische Galerie, Wien), Wien 1973 Ausst.-Kat. Wien 1980 Hans Aurenhammer (Hg.), Die uns verließen. Öster­ reichische Maler und Bild­ hauer der Emigration und Verfolgung (Ausst.-Kat. ­Österreichische Galerie, Wien), Wien 1980 Ausst.-Kat. Wien 1983 Ernst Bacher/Eva FrodlKraft (Hg.), Glasmalerei des Mittelalters aus Österreich (Ausst.-Kat. Österreichische Galerie, Wien), Wien 1983 Ausst.-Kat. Wien 1986 Otto Mazal (Hg.), Biblio­ theca Eugeniana. Die Samm­ lungen des Prinzen Eugen von Savoyen (Ausst.-Kat.

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Südens (Ausst.-Kat. Belve­ dere, Wien), Köln 2022, S. 139–155 Grabner 2022d Sabine Grabner, „Joseph Rebells Leben“, in : dies./ Stella Rollig (Hg.), Joseph Rebell. Im Licht des Südens (Ausst.-Kat. Belvedere, Wien), Köln 2022, S. 187– 196 Griffiths 1994 Antony Griffiths, „Print Collecting in Rome, Paris and London in the Early Eighteenth Century“, in : Harvard University Art Museums Bulletin, 1994, S. 37–59 Grimschitz 1929 Bruno Grimschitz, „Die Moderne Galerie in Wien“, in : Der Cicerone. Halbmo­ natsschrift für die Interessen des Kunstforschers und Sammlers, 21. Jg., Heft 17, 1929, S. 481–487 Gröning 2021 Maren Gröning, „Flucht­ punkte der ‚entarteten Kunst‘ in Wien“, in : ­Ga­briele Anderl/Alexandra Caruso (Hg.), NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Innsbruck/Wien/ Bozen 2021, S. 80–89 Gross/Brauneis 2021 Raphael Gross/Wolfgang Brauneis (Hg.), Die Liste der „Gottbegnadeten“. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik, Mün­ chen 2021 Gruber 2008 Gerlinde Gruber, „‚En un mot j’ai pensé à tout‘. Das Engagement des Wenzel Anton von Kaunitz-­ Rietberg für die Neuauf­ stellung der Gemäldegalerie im Belvedere“, in : Jahrbuch des Kunsthistorischen ­Museums Wien, Bd. 10, 2008, S. 190–205 Guglia 1912 Eugen Guglia, Das There­ sianum in Wien. Vergangen­ heit und Gegenwart, Wien 1912 Gustavson 2012 Natalia Gustavson, Gemälde zwischen Krieg und Frieden. Untersuchungen zur österrei­ chisch-französischen Restau­ riergeschichte im Spannungs­ feld des „Napoleonischen“ Kunstraubes, Diss. Univer­ sität für angewandte Kunst Wien 2012 Guth/Michalka 1995 Doris Guth/Matthias ­Michalka, „Arbeitskonzept“ in : dies. (Hg.), The Spring

Appendix

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Husslein-Arco/Rainer/ Steinbrügge 2011 Agnes Husslein-Arco/Co­ sima Rainer/Bettina Stein­ brügge (Hg.), 21er Haus. Zurück in die Zukunft – Ein retrospektiver Blick auf ein Museum, Wien 2011 Husslein-Arco/Schoel­ ler 2011 Agnes Husslein-Arco/­ Katharina Schoeller (Hg.), Das Belvedere. Genese eines Museums, Weitra 2011 Ilg 1885 Albert Ilg, Franz Xaver Messerschmidt’s Leben und Werke. Mit urkundlichen Beiträgen von Johann Batka, Leipzig/Wien 1885 Ilg 1889 Albert Ilg, Prinz Eugen von Savoyen als Kunstfreund, Wien 1889 Ilg 1893 Albert Ilg, Georg Raphael Donner. Gedenkschrift zum 200. Jahrestage der Geburt des grossen österreichischen Bildhauers, Wien 1893 Iselt 2010 Kathrin Iselt, „Sonderbe­ auftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Mu­ seumsmann Hermann Voss (1884–1969), Wien/Köln/ Weimar 2010 Jakubec 2019 Ondřej Jakubec (Hg.), Karl von Lichtenstein-Castelcorno (1624–1695) : Bishop of Olo­ mouc and Central European Prince, Olomouc 2019 Jesse 2015 Kerstin Jesse, „Ein Inter­ mezzo in Wien 1947 bis 1949. Frankl und das Bel­ vedere“, in : dies./Agnes Husslein-Arco (Hg.), Ger­ hard Frankl. Rastlos (Ausst.Kat. Belvedere, Wien), Wien 2015, S. 45–59 Karner/Schütze/­ Telesko 2022 Herbert Karner/Sebastian Schütze/Werner Telesko (Hg.), Johann Bernhard Fi­ scher von Erlach (1656–1723) und die Architektur des euro­ päischen Barock, München 2022 Keil 2009 Robert Keil, Heinrich Fried­ rich Füger 1751–1818. Nur wenigen ist es vergönnt das Licht der Wahrheit zu sehen, Wien 2009 Kernbauer 2011 Eva Kernbauer, Der Platz des Publikums. Modelle für Kunstöffentlichkeit im 18. Jahrhundert, Köln 2011

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Appendix

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Appendix

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Appendix

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Bibliografie

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S.

388 – 391

Personenregister

Die fett gedruckten Seiten­ zahlen beziehen sich auf ­Abbildungen, die kursiv ge­ druckten auf Fundstellen in den Endnoten. Abdul Hamid II. (Sultan) 207 Adler, Jankel 230 Adolph, Hubert 328, 329, 372 Adrian, Marc 330 Ahmed, Dalia 365 Albani, Francesco 56, 62, 129 Albiker, Karl 251 Alt, Rudolf von 96–97, 138, 140, 181 Altdorfer, Albrecht 106 Altomonte, Martino 25, 51 Aman, Johann 99 Ambrosi, Gustinus 329, 330, 348 Amerling, Friedrich von 138, 140, 141, 171, 252, 253, 254 Andersen, Robin Christian 186, 191 Andréossy, Antoine-François 133 Andri, Ferdinand 250 Antoninus Pius (Kaiser) 208 Apin, Sigmund Jacob 72 Appiani, Andrea 139 Artaker, Marie 16 August II., genannt der Starke (Kurfürst) ­103–104, 107 August III. (Kurfürst) 104 Aurenhammer, Hans 206, 313, 327, 371, 372 Avramidis, Joannis 324 Bachofen-Echt, Elisabeth 249 Baldung, Hans 106 Baren, Jan Anton van der 205 Barlach, Ernst 242 Bartsch, Adam 69 Batoni, Pompeo 133 Batthyány, Graf Adam II. 47 Baudissin, Klaus Graf von 222, 230, 247 Baum, Elfriede 313 Beck, Gustav Kurt 322, 324 Beckmann, Max 323, 327 Behn, Fritz 250 Bellini, Giovanni 126 Bellotto, Bernardo 51 Benesch, Otto 188, 313, 314 Benndorf, Otto 207 Berge, Pieter van den 53, 59 Bergmann, Wolfgang 334, 373 Bernatzik, Wilhelm 140 Bernini, Gian Lorenzo 45 Bertoni, Wander 324

Beuys, Joseph 297, 317 Biggi, Francesco 42 Biljan-Bilger, Maria 324 Bisi, Luigi 139 Blaas, Carl 139 Blaha, Carl 337 Blaschke, Hanns 262, 264 Blau, Tina 247 Blauensteiner, Kurt (Sohn) 248, 260 Blauensteiner, Leopold (­Vater) 229, 248, 250, 259, 260, 266 Blauhorn, Josef 331, 332 Blickle, Ursula 333 Bloch-Bauer, Adele 159, 186, 267, 268, 331, 332, 373 Bloch-Bauer (Familie) 267 Bloch/Bloch-Bauer, Ferdi­ nand 195, 332, 373 Blume, Frieder 365 Blumka, Leopold 253 Boeckl, Herbert 255, 315, 322 Bonneval, Claude Alexandre Graf von 32 Bossaglia, Rossana 293 Bourgeois, Constant 133 Bourgeois, Louise 9 Boyet, Etienne (auch : Boyer ; Sohn) 68 Boyet, Luc Antoine (auch : Boyer ; Vater) 68 Brauer, Arik 327 Breicha, Otto 315 Brixen, Leonhard von 211 Brock, Bazon 317 Bronzino 126 Brožik, Václav 139, 142 Brueghel d. Ä., Jan 57, 129 Brunner, Andreas 364 Brus, Günter 330 Buchholz, Karl 251 Buchsbaum, Maria 316 Bürckel, Josef 229, 260, 261, 262 Burmann, Fritz 263 Burne-Jones, Edward 249 Buschbeck, Ernst 165 Bussi, Santino 41 Byrne, Gerard 330 Calames, Alexandre 139 Calder, Alexander 313 Canetti, Elias 314 Canon, Hans 139 Carache, Louis 71 Caravaggio, Michelangelo Merisi da 129 Carlone, Carlo Innocenzo 13, 25, 131, 143, 298 Castiglioni, Camillo 204 Celan, Paul 316 Černín (Adelsfamilie) 47 Cézanne, Paul 191, 230, 276, 313, 324, 372

Chagall, Marc 230 Chimani, Leopold 88–89 Chipperfield, David 357 Chlumetzky, Johann Freiherr von 180 Chvalkovský, František 228 Ciano, Galeazzo 228, 231 Cigoli, Ludovico Cardi da 126 Čižek, Franz 315 Clair, Jean 293, 294 Cordua, Joannes de 205 Corinth, Lovis 247, 255 Corot, Camille 196, 250 Corvinus, Johann August 20, 23, 33, 49, 60, 63 Cosway, Maria 109 Cotte, Robert de 74 Courbet, Gustave 252 Courtois, Jacques 55 Cranach d. Ä., Lucas 106, 211 Csáky, Stefan von 231 Czernin, Hubertus 249 Czernin, Rudolph Graf von 137 Danhauser, Josef 137, 139, 140, 369 Daun, Wirich Philipp Lorenz Graf von (Vizekönig) 53 Defregger, Franz 139 Degas, Edgar 250 Delacroix, Eugène 183 del Pò, Giacomo 13, 54, 55 de’ Medici, Anna Maria Luisa 104 Demus, Klaus 316, 324 Demus, Nani 316 Demus, Otto 314 Dengler, Verena 351 Denis, Michael 73, 115 Denon, Dominique-Vivant 106, 123, 133 Dertnig, Carola 305 Deutsch, Otto 172 Dies, Albert Christoph 137 Diesner, Gerhild 322 Dix, Otto 221 Dohnal, Johanna 317 Dollfuß, Engelbert 330 Donner, Georg Raphael 203, 205, 251 Dörnhöffer, Friedrich → Briefe 146 → als Galeriedirektor 176, 183–185, 371 → Porträts 201, 370 → Sammlungstätigkeit 211, 353 → zu Verein der Museums­ freunde 195 → Vortragstätigkeit 197 Dou, Gerrit 57, 62 Dreger, Moritz 175

Drimmel, Heinrich 316, 325 Dürer, Albrecht 106, 126 Dvořák, Max 179, 198 Dyck, Anthonis van 56, 62 Egger-Lienz, Albin 139, 142 Ehrlich, Georg 322 Eisenmenger, Rudolf ­Hermann 250, 257, 259, 260, 314, 318 Eitelberger, Rudolf 179 El Greco 183 Elias, Norbert 58 Emmanuel-Maurice de Lor­ raine, Prince D’Elbeuf 41–42 Engert, Erasmus von 100, 370 Engerth, Eduard Ritter von 140, 370 Ephrussi, Viktor 331 Erben, Tino 293 Erharter, Christiane 347, 364 Eugen, Prinz von Savoyen → zu Abhandlungen über 203 → Antiken- und Skulp­ turensammlung 41–42 → Apotheose des Prinzen Eugen von Savoyen 204 → Bataillenstücke von 133 → Belvedere-Bau und -­Ausstattung 8, 13, 25, 73–74, 111, 181, 196 → Biografie 45, 46–50, 368, 369 → Gärten 23 → über Gemäldegalerie von 84 → Keyßler über 31 → beim Kunsthändler 53, 59, 65 → Lady Marie über 32 → Mechel über 115 → Pöllnitz über 18 → Porträts 48, 368 → Porträtsammlung 66 → Prinz-Eugen-Aus­ stellung (1933) 196 → Prinz-Eugen-Jahr 348 → Prunkstall 208 → Sammlungstätigkeit ­53–59, 65–67, 68–70 → Stichwerk-Beauftragung 26, 58 → nach Tod von 111 → Winterpalais 160, 339 Fabiani, Max 181–182 Fanti, Gaetano 55 Feid, Josef 137 Felsövanyi, Gertrude 331, 332 Fendi, Peter 139 Ferdinand I. (Kaiser) 139 Ferdinand II. (Kaiser) 139 Ferdinand II. (Erzherzog) 93

Hattinger, Johann Bernhard 24 Hauer, Christa 317 Hauer, Josef Matthias 317 Hausegger, Marlene 365 Hausner, Rudolf 313, 327 Hayez, Francesco 139 Heem, Cornelis de 55 Hegenbarth, Josef 263 Heineken, Carl Heinrich von 69 Heinitz von Heinzenthal, ­Ignaz 73, 74 Heinz, Dora 316, 319 Heinz, Günther 316, 317, 319 Heise, Carl Georg 241 Hellmer, Edmund 371 Hevesi, Ludwig 181, 183 Hickel, Anton 138 Hilchenbach, Carl Wilhelm 122 Hildebrandt, Johann Lucas von 13, 25, 42, 49, 68, 369 Hitler, Adolf → zu Ambrosi 348 → Ausstellung Die Straßen Adolf Hitlers 242, 245 → im Belvedere 231 → „Perlenrede“ 259 → zur Politik von 244, 250, 261, 262, 263 → Reichskanzler-­ Ernennung 241 → und Thorak 328 Höchle, Johann Nepomuk 138 Hodler, Ferdinand 327, 371 Hoecke, Jan van den 98 Hoffmann, Alfred 260 Hoffmann, Josef 159, 184, 294 Hofmann, Werner 294, 314, 316, 325, 326, 327 Hohenbüchler, Christine 298 Hohenbüchler, Irene 298 Holbein d. J., Hans 57 Hollegha, Wolfgang 328 Hollein, Hans (Vater) 293, 315, 316 Hollein, Max (Sohn) 359 Hönig, Eugen 229 Honig, Vally (auch : HonigRoeren) 248 Hörmann, Theodor 179, 252 Hoy, Nikolaus van 51 Hrdlicka, Alfred 314, 315 Huanca, Donna 299 Huber, Wolfgang 212 Huchtenburgh, Jan van ­56–57 Huglinger, Anton 138 Hummel, Alexander 182 Hundertwasser, Friedens­ reich 314, 324 Husslein-Arco, Agnes 333, 334, 339, 342, 354, 373 Hutter, Wolfgang 327 Ignatius von Loyola (Heili­ ger) 112, 117 Ilg, Albert 203 Induno, Domenico 139 Jawlensky, Alexej von 322 Jelinek, Elfriede 315 Jettel, Eugen 140 Johann V. (König) 68

Johannes von Nepomuk (­Heiliger) 205 Joos, H + H 330 Joseph I. (Kaiser) 46, 368 Joseph II. (Kaiser) → Epigramm auf 115 → und Gemäldegalerie 14, 104, 111, 112, 114, 116, 368 → Kaunitz-Rietberg an 122 → La Clemence de Joseph II 117 → auf Mosaik 133 Jungwirth, Martha 315, 317 Kahnweiler, Henri 172 Kallir, Otto 253–254, 316 Kammerer, Marcel 229, 259 Kampl, Gudrun 290 Kandinsky, Wassily 230 Kánya, Koloman von 228 Kargl, Georg 318 Karl I. (Kaiser) 187, 371 Karl VI. (Kaiser) 42, 45, 46, 68, 73, 368 Karl Emanuel III. (König) 59 Kaunitz-Rietberg, Fürst Wenzel Anton von (Staatskanzler) 112, 113, 114, 115, 117, 122 Keidel, Helmut Sylvester 261, 266 Kende, Herbert 254 Kende, Melanie 254 Keyßler, Johann Georg 31, 38, 58 Kieslinger, Franz 253 Kleiner, Salomon → Gärten 23 → als Inspiration 16 → Oberes Belvedere 24, 27–30, 33–36, 39, 60 → Stadtpalais 26, 68, 70 → Stichwerk-Beauftragung und -Veröffentlichung 26, 58, 369 → Unteres Belvedere 20, 40, 43, 63 → Winterpalais 49, 73 Klenze, Leo von 106 Klimt, Gustav → Adele Bloch-Bauer I und II 159, 268, 331, 332 → Ausstellungen 9, 185, 196, 266–268, 288–289, 294, 321 → Beethovenfries 268, 277, 293 → zur Fokussierung auf 353 → Frühwerke 252 → Gemälde-Unterbringung im Krieg 251 → Gemälde-Vernichtung im Krieg 252, 268 → Jurisprudenz 350 → Klimt-Saal 159, 162–163 → Der Kuss, Ankauf ­159–160, 371 → Der Kuss (Liebespaar) 160, 293, 294, 340, 343 → Der Kuss als NFTs 350, 365 → in Lederer-Sammlung 249

Appendix

Giustiniani (Adelsfamilie) 129 Glück, Gustav 143, 211 Glückselig, Frederick 253 Glückselig, Max 253 Goebbels, Joseph 229, 260, 263 Goebel d. Ä., Carl Peter 138 Goebel d. J., Carl 91–92, 93, 94–95, 208 Goebel, Gottfried 313–314 Gogh, Vincent van → Ausstellungen 9, 191, 272, 313, 324, 372 → Deakzessions-Absage 230 → Die Ebene von Auvers 182, 190 Görtschacher, Urban 211 Gosebruch, Ernst 241 Gotthilf, Ernst 253 Goya, Francisco de 183 Gozzi, Marco 138 Graf, Franz 296, 317 Grassmann, Johann Jakob 39 Griffier d. Ä., Jan 58, 63 Grigoletti, Michelangelo 139 Grimschitz, Bruno → nach Amtsenthebung 321 → Briefe 232, 235–236, 256 → als Galeriedirektor 244, 248–249, 252, 260, 261, 331, 372 → und Klimt-Ausstellung (1943) 267 → zur Modernen Galerie 186 → Porträts 255, 371 → Sammlungspolitik 230, 247, 250–251, 257 → im Verein der Museums­ freunde 196 → Vortragstätigkeit 197 Grooth, Johann Nikolaus 116 Gross, Heinrich 314 Guarini, Giovanni Battista 56 Gurlitt, Hildebrand 230, 248 Güterbock, Georg 139 Gütersloh, Albert Paris 315 Guth, Doris 329, 348 Haberditzl, Franz Martin → Briefe 166, 256 → als Galeriedirektor 185, 194, 198, 203, 371 → Porträts 201, 370 → Ruhestand-Versetzung 248, 372 → Sammlungspolitik 186 → im Verein der Museums­ freunde 196 → Vortragstätigkeit 197 Habermas, Jürgen 15 Haberstock, Karl 186, 189 Hadrian (Kaiser) 208 Haerdtl, Oswald 261, 265 Hamilton, Philipp Ferdinand de 205 Hampe, Elisabeth 365 Handke, Peter 315 Harrach, Ferdinand Bona­ ventura Graf von 47 Hartel, Wilhelm Ritter von 180 Hartlaub, Gustav F. 241

Personenregister

Ferdinand III. (Großherzog) 125 Ferdinand (Kardinalinfant) 98 Feuerbach, Anselm 195, 228, 332 Feuerbach, Henriette 195 Fillitz, Hermann 316, 328 Firnberg, Hertha 277, 313 Fischel, Lilli 241 Fischer, Joseph 137 Fischer, Vinzenz 115, 116 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 45, 47, 49, 50 Forchondt, Guillaume 48 Förster, Emil Ritter von 370 Förster (Sectionsrath) 160 Fra Bartolomeo 126 Frankl, Christine 322 Frankl, Gerhart 316, 322 Franz I. (Kaiser) 134, 137, 138, 141 Franz I. Stephan (Kaiser) 204 Franz II./I. (Kaiser) 93, 125, 129, 211 Franz Ferdinand (Erzherzog) 15, 370, 371 Franz Joseph I. (Kaiser ; auch : Franz Josef ) → und Ambrosi 328 → Kaiser Franz Josef-Stadt­ museum 189 → Kunstförderung 14, 179, 180, 181, 186 → Sammlungstätigkeit 138, 139, 142, 207 → Umbenennungs-­ Genehmigung 195 Franz Xaver (Heiliger) 112 Freist, Greta 313–314 Frenkel, Vera 318 Freund, Wilhelm 331, 332 Friedrich II. (König) 104 Fries, Moritz Graf von 84 Frodl, Gerbert 328, 329, 330, 333, 372, 373 Frodl-Kraft, Eva 317 Frohner, Adolf 314, 315 Frueauf d. Ä., Rueland 129, 135, 211 Fuchs, Ernst 327 Füger, Heinrich Friedrich 120, 129–130, 131, ­133–135, 137, 196, 369 Führich, Joseph von 139, 140 Gallén-Kallela, Akseli 182 Garzarolli-Thurnlackh, Karl 206, 212, 321, 322–323, 324, 371, 372 Gatscha, Friedrich 155 Gaudibert, Pierre 345, 346 Gauermann, Friedrich 140 Gauguin, Paul 191, 278, 313, 324, 372 Gelatin (Künstlergruppe) 330 Gentileschi, Artemisia 55 Gerstl, Richard 322 Gillot, Claude 66 Gilpin, William 69 Giorgione 126 Girard, Dominique 25 Gironcoli, Bruno 315, 330

→ → →

im Museumsshop 342 Restitution 332, 373 Schausammlung (2016) 292, 295 → Tod 371 Klingemann, August 83 Klinger, Max → Christus im Olymp 157, 181 → Gemälde-Unterbringung im Krieg 251 → Hängungen 185 → Klinger-Saal 156 → Das Urteil des Paris 181, 182, 190, 252 Klocker, Hans 214 Knoller, Martin 116, 369 Kocherscheidt, Kurt 315 Koger, Nathalie 330 Koja, Stephan 328 Kokoschka, Oskar 221, 247, 314, 321, 322, 327 Kolbe, Georg 251 Kolig, Cornelius 330 Kollwitz, Käthe 242 Körner, Theodor 314 Kowanz, Brigitte 317 Krafft, Albrecht 137 Krafft, Peter 99, 131–132, 137, 138, 141, 369, 370 Kraft, Victor 317 Kramář, Karel 173 Kramář, Vincenc 172, 177 Krapf, Michael 206 Kraus, Gottlieb 332 Kreis, Wilhelm 229 Kreisky, Bruno 277, 313, 318 Krejci, Harald 297 Kremser Schmidt (Martin ­Johann Schmidt) 203, 205, 206 Krischanitz, Adolf 333, 342 Krystufek, Elke 318, 330 Kubišta, Bohumil 172, 177 Küchelbecker, Johann ­Basilius 37 Kupelwieser, Leopold 332 Kurusu, Saburō 231 Kurzböck, Joseph von 76, 124 Laib, Conrad 129, 211 Lamberg-Sprinzenstein, ­Anton Franz de Paula Graf von 84, 131 Lampi d. Ä., Johann Baptist 137 Lampi d. J., Johann Baptist 137–138 Lanckoroński-Brzezie, Graf Karl von 182, 195 Lange, Hans W. 254 Lanzi, Luigi 105 Laske, Oskar 250 Lassnig, Maria 314, 316, 317, 324, 328 Latzel d. Ä., Conrad 100 Lauder, Ronald 332 Laurentz, Johann Daniel 68, 72 Le Brun, Jean-Baptiste-Pierre 106 Lederer, Erich 293 Lederer (Familie) 267 Lederer, Serena 249

Le Fort du Plessy, Claude 55, 74, 111 Leherb, Helmut 327 Lehmden, Anton 327 Leisching, Eduard 198 Leopold I. (Kaiser) 46, 48, 368 Leopold II. (Kaiser) 133 Leopold Wilhelm (Erzher­ zog) 48, 51 Leskoschek, Axl 322 Lestrange, Gisèle 316 Lichtwark, Alfred 183 Liebermann, Max 222, 230, 247–248 Liechtenstein (Adelsfamilie) 48, 57 Liechtenstein, Fürst ­Johann I. Josef von 84 Liechtenstein, Fürst Johann von und zu 139, 182, 195 Liechtenstein, Johann Adam von 47 Liechtenstein-Kastelkorn, ­Jakob Ernst von (Fürst­ bischof ) 48 Loir, Luigi 200 Lombardi, Inés 318 Loos, Adolf 294 Lorenz, Hellmut 46 Löwy, Josef 98, 101 Lucius Verus (Kaiser) 208 Ludwig, Peter 316 Ludwig XIV. (König) 45, 46, 68, 74 Ludwig XVI. (König) 15, 369 Maciejowski, Marcin 330 Makart, Hans 181, 185, ­226–227, 251, 252 Manet, Édouard 195, 196, 250 Mantegna, Andrea 135 Marc Aurel (Kaiser) 208 Marc, Franz 242 Marchet, Gustav 159 Marchetti, Maria 293 Marcks, Gerhard 251, 257 Margreiter, Dorit 330 Maria Theresia (Regentin) → Belvedere-Ankauf mit Winterpalais 25, 49, 369 → Belvedere-Öffnung 8, 14, 357–358 → Gartenpalais-Erwerb 111 → Porträt 368 → Standbild 204 → und Theresianische ­Akademie 73 Marie Antoinette (Erz­ herzogin und Königin) 15, 111, 369 Marie, Lady Worthley ­Montague 32 Mariette, Jean (Vater) 65–66, 67, 68, 69 Mariette, Pierre Jean (Sohn) 65–66, 67, 68, 69, 70 Marlborough, Herzog von 47 Maron, Anton von 112 Martens, Georg von 84 Massart, Pierre de (genannt Rochefort) 66 Matejka, Viktor 313

Mathieu, Georges 317, 319 Matisse, Henri 9, 230 Mattielli, Lorenzo 45 Mauer, Otto (Monsignore) 316, 317 Maulbertsch, Franz Anton 50, 203, 205, 249 Maurer, Hubert 138 Maximilian Eugen (Erzher­ zog) 371 Mayer, Paul 9 Mechel, Christian von → zu Belvedere als ­Museum 13 → Gemäldegalerie-­ Verzeichniß 83, 117, 127 → Gemäldehängung und Katalog 14, 69, 70, ­104–105, 113–115, 121– 123, 124, 125 → Martens über 84 → Porträt 116 → als Vorbild 131–132 → Vorzeichnungen ­107–108 Mediz, Karl 152 Meijers, Debora J. 119 Meissner, Paul Traugott 99 Meister mit dem Binden­ schild 211 Meister von Großgmain 129, 211 Meister von Großlobming 213 Meister von Irrsdorf 211 Memling, Hans 135 Mendelssohn, Robert von 331 Menkes, Hermann 146 Merkel, Georg 322 Messerschmidt, Franz Xaver 203, 204, 205, 251 Meytens d. J., Martin van 111, 368 Michalka, Matthias 329, 348 Migliara, Teodolinda 139 Mignon, Abraham 55 Mikl, Josef 328 Molden, Otto 313 Moll, Balthasar Ferdinand 204 Moll, Carl (auch : Karl) → Ankäufe 160, 250 → Gemälde-Auswahl ­Wandermuseum 175 → in „Klimt-Gruppe“ 159 → Mein Atelier 189 → und Moderne Galerie 180, 183, 321–322, 371 Möller, Ferdinand 230 Monet, Claude 250, 282–283, 328 Montani, Gabriele 54 Moore, Henry 327 Morgenstern, Alice 332 Morgenstern, Josef 332 Moser, Koloman 159, 322, 371 Moser, Simon 313 Mühlmann, Kajetan 253, 261–262 Müller, Erich 324 Müller, Richard 221 Müllner, Josef 223

Munch, Edvard 200, 230, 255, 327 Mussolini, Benito 330 Muther, Richard 173 Muthspiel, Agnes 324 Nanteuil, Robert 67 Napoleon Bonaparte 106, 133 Naumann, Henrike 348 Neugebauer, Josef 140 Neumann, L. T. (Kunst­ händler) 332 Neuwirth, Arnulf 321, 323 Nigelli, Gottlieb 82 Nolde, Emil 243 Nostic (Adelsfamilie) 47 Novotny, Fritz → als Direktor 324, 327, 372 → interimistische Leitung 321–322, 331 → bei Kunsthistoriker*in­ nen-Treffen 319 → als Kustos 267 → und Moderne 313, 315–316 → Porträt 371 Oberhuber, Oswald 315, 317 Obrist, Hans-Ulrich 345–346 Oesterreich, Matthias 104, 108 Ölzelt von Newin, Anton 139 Opitz, Ferdinand 229 Oppenheim, Lisa 330 Oppenheimer, Felix Freiherr von 195, 196 Orley, Bernard van 129 Örley, Robert 229 Otto-Knapp, Silke 330 Overbeck, Friedrich 130–131 Ovid 56 Pacher, Michael 211 Pächt, Otto 314 Padovanino 56 Parodi, Domenico 42 Parrocel, Ignace Jacques 50, 56–57 Patinir, Joachim 135 Paul, Carole 15 Pauser, Sergius 313 Pelli Bencivenni, Giuseppe 105, 123, 125 Permoser, Balthasar 111, 204, 205, 251 Perugino, Pietro 106 Pettenkofen, August von 139, 181, 332 Petter, Anton 138 Pezzl, Johann 90, 120 Pfalz, Johann Wilhelm von der 104 Pfalz, Philipp Wilhelm von der 57 Pfauz, Gottfried 30 Pfeffel, Johann Andreas 26 Pfeiffer, François Joseph 117 Pforr, Franz 130–131 Philipp, Helga 315, 317 Piano, Renzo 357 Picasso, Pablo 172, 230, 314, 327 Pichler, Walter 315 Pietro Leopoldo (Groß­ herzog) 105 Piles, Roger de 55 Pillhofer, Josef 324

Himmelfahrt Mariae 133, 134 → Kardinalinfant Ferdi­ nand-Überarbeitung 98 → Kreis von 48 → Wunder des heiligen ­Ignatius von Loyola 117 Rudolf II. (Kaiser) 48 Rühm, Gerhard 314 Russ, Robert 140 Rust, Bernhard 230, 249–250 Sabarski, Serge 316 Sagadin, Maruša 306 Sallieth, Mathias de 117 Sauerlandt, Max 241 Savoy, Bénédicte 15 Savoyen, Prinzessin Viktoria von 25, 49, 53, 59, 73, 369 Schabus, Hans 330 Schaeffer, August 140 Schärf, Adolf 326 Scheffer von Leonhardshoff, Johann Evangelist 137 Scheibe, Richard 251 Schiele, Edith 161 Schiele, Egon → Ausstellungen 270, 275, 294, 321 → Bildnis der Frau des Künstlers, Edith Schiele 161 → Dr. Franz Martin Haber­ ditzl 201 → zur Fokussierung auf 353 → Gemälde-Unterbringung im Krieg 247–248, 251 → Kardinal und Nonne 314 → in Lederer-Sammlung 249 → Restitution 331, 332 → Tod 371 Schindler, Emil Jakob 139, 140, 251, 322 Schinkel, Karl Friedrich 106 Schinwald, Markus 330 Schirach, Baldur von 248, 250, 257, 259, 261, ­262–263, 267 Schlegel, Friedrich 106, 130 Schlögel, Franz 229 Schlosser, Ignaz 321 Schmeller, Alfred 325 Schmid, Georg 326 Schmidt, Gerhard 316, 317, 319 Schmidt, Martin Johann (­genannt Kremser Schmidt) 203, 205, 206 Schmied, Claudia 342 Schneider, Robert von 208 Schnorr von Carolsfeld, ­Ludwig Ferdinand 138, 140, 171, 332 Schödlberger, Johann Nepo­ muk 137, 138 Scholten, Rudolf 318 Schönberger, Lorenz Adolf 129 Schönborn (Adelsfamilie) 57 Schönborn, Friedrich Karl von 26 Schönborn, Lothar Franz von 26

Schoy, Johann Jakob 205, 209 Schuch, Carl 252 Schudini The Sensitive 306, 351 Schulz, Josef 174 Schuppen, Jacob van 48, 368 Schütz, Carl 78, 81, 117 Schwanzer, Karl 10, 316, 325, 326, 333, 348, 373 Schwarz, Heinrich 197, 248, 260, 315 Sedlmayr, Hans 255, 317 Segantini, Giovanni 182 Seligmann, Adalbert 179 Servaes, Franz 171, 182, 183 Seurat, Georges 191 Seyss-Inquart, Arthur 261, 262 Silbermann, Abraham 254 Silbermann, Elkan 254 Skreiner, Wilfried 315 Solimena, Francesco 13, 25, 53–54 Sophie von Hohenberg (­Herzogin) 371 Spritzer, Arnold 262 Stadler, Eva Maria 348 Stadler, Toni 257 Starhemberg (Adelsfamilie) 47 Steen, Frans van der 51 Steger, Milly 263 Steiner, Bernd 201 Steiner, Lilly 322 Steinfeld, Franz 140 Stenvert, Curt 314, 328 Sterk, Harald 327 Stix, Alfred 197, 321 Stöber, Franz Xaver 369 Strudel, Paul 204 Strutzmann, Rudi 331 Strzygowski, Josef 317 Stuppäck, Hermann 232, 259, 263 Sulzer, Johann Georg 113 Swieten, Gottfried van 69 Swoboda, Karl Maria 316 Szeni, Maria 316 Tamm, Franz Werner 55 Tasquil, Herbert 315, 317 Teleki von Szék, Pál 231 Terzoli, Maria Antonietta 55 Thelott, Jakob Gottlieb 28, 34–36, 40, 43 Thomas, Walter 250, 262, 263, 267 Thorak, Josef 314, 328, 335 Tietze, Hans → zu Museumsöffnung 193, 197 → Museumsreform 141, 185, 187–188, 203, 211, 371 → Porträt 187 Tintoretto, Jacopo ( Jacopo Robusti) 183 Tischkau, Joana 365 Tizian 55, 56, 61, 109, 124, 126 Toma, Matthias Rudolf 138 Tomasi di Lampedusa, ­Giuseppe 9 Tomaso, Prinz von SavoyenCarignan 56

Toulouse-Lautrec, Henri de 250, 327 Troger, Paul 205 Troyon, Constant 139 Trübner, Wilhelm 252 Trummer, Thomas 330 Tschudi, Hugo von 183, 184 VALIE EXPORT 291, 317, 330 Varnedoe, Kirk 293–294 Vermeer, Johannes 183 Voss, Hermann 230, 244 Waagen, Gustav Friedrich 100, 106 Wachsmuth, Simon 348 Wackenroder, Wilhelm Hein­ rich 106–107 Waehner, Trude 316 Wagenschön, Franz Xaver 203 Wagner, Hedwig 324 Wagner, Otto 151, 181, 189, 325, 371 Wagner-Rieger, Renate 316 Wagner von Wagenfels, Hanns Jacob 46 Waldmüller, Ferdinand Georg → Ausstellungen 138, 140, 171, 181, 251–252 → als Biedermeier-­Vertreter 361 → Erwerbungen und Schenkungen 137, 139, 195 → Am Fronleichnamsmorgen 196 → Restitution 248, 332 → Die Ruine Liechtenstein bei Mödling 142 Walpole, Robert 53 Walter, Marc 294 Wartenegg, Wilhelm von 135 Weibel, Peter 315, 317 Weinberger, Lois 330 Weinmüller, Adolf 253 Weinstein, Leopold 331 Weiwei, Ai 303–304 Welz, Friedrich 248 Wenger, Susanne 314, 317 Wessely, Karl Rudolf Ritter von 139, 142 West, Franz 302 Whiteread, Rachel 315 Wien, Norbert 160 Winckelmann, Johann ­Joachim 105, 121 Wolff, Jeremias 26 Wölff‌lin, Heinrich 317 Wotruba, Fritz 315, 333 Wouwerman, Philips 56 Wurzinger, Karl 139–140, 252 Zadrazil, Franz 280 Zaunschirm, Thomas 317 Zemb, Traute 324 Ziegler, Adolf 229 Zítek, Josef 174 Zix, Benjamin 133 Zobernig, Heimo 317, 330 Zomer, Jan Pietersz. 53, 56, 59, 65 Zuckerkandl, Berta 159, 166 Zuckerkandl, Victor 195

Appendix



Personenregister

Pintz, Philipp Gottfried 82 Pirchan, Emil 267 Poledna, Mathias 330 Pöllnitz, Baron Carl Ludwig von 18 Polsterer, Hilde 324 Pongratz, Peter 315 Popp, Alexander 259 Posse, Hans 244 Pötsch, Igo 229 Pozzetto, Marco 293 Prachensky, Markus 317 Primisser, Alois (Sohn) 93 Primisser, Johann Baptist (Vater) 93 Puccini, Tommaso 125 Rader-Soulek, Grete 317 Raffael da Urbino 68, 106, 109 Rainer, Arnulf 314, 324, 328 Rampley, Matthew 15 Rathenau, Walther 255 Rathkolb, Oliver 262 Rebell, Joseph → als Galeriedirektor 131, 132, 137–138, 143, 370 → Neapelansichten 137 → Sanierungskonzept 99 → Selbstbildnis 369 Reck, Anta Helena 365 Reichstein, Sascha 10 Reiter, Johann Baptist 140 Reithoffer, Ludwig von 139, 142 Rembrandt van Rijn 48, ­57–58, 62, 67, 68, 72 Reni, Guido 56, 61, 109 Renner, Karl 314, 330 Renner, Lois 330 Renoir, Pierre-Auguste 158, 196 Reynolds, Joshua 175 Ribbentrop, Joachim von 228, 231 Riedel, Friedrich Justus 113 Rieder, Wilhelm August 140 Riegl, Alois 317 Robinson, Sir Thomas 53 Robusti, Jacopo (genannt ­Jacopo Tintoretto) 183 Rochefort (Pierre de Massart) 66 Rochowanski, Leopold Wolf­ gang 315 Rodin, Auguste 9, 175 Rodtschenko, Alexander 8 Rollig, Stella 297, 334, 373 Romako, Anton 252, 321, 332 Rondinone, Ugo 330 Rosa, Joseph → als Galeriedirektor ­112–114, 119–120, 121, 123, 129, 132, 133 → zu Gemälde-Tausch 125 → Martens über 84 → Porträts 116, 369 → Sammlungs­ einrichtungen 124, 126 → Titelblatt und hand­ schriftl. Register 127 Rosa jr., Joseph 131 Rousseau, Jean-Jacques 32 Rubens, Peter Paul → Ausstellung (1903) 183 → Hängungen 38, 56, 112

S.

392 – 395

Autor*innen

Johanna Aufreiter Johanna Aufreiter ist seit 2018 wissen­ schaftliche Mitarbeiterin im Belvedere Research Center. Sie ist Mitglied des Tagungskomitees der jährlich stattfin­ denden Belvedere-Konferenz „Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter“. Johanna Aufreiter studierte Deutsche Philologie und Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz. Von 2006 bis 2013 arbeitete sie als Lehrbeauftragte und Universitätsassisten­ tin am Institut für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz. 2013 wechselte sie an die Universität Wien, wo sie bis 2017 als Universitäts­ assistentin und Leiterin des Labors für empirische Bildwissenschaft am Institut für Kunstgeschichte tätig war. 2017 promovierte sie zum Thema optische Theorien im Mittelalter. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen optische Theorien, empirische Bildwissenschaft, digitale Kunstgeschichte und Kunst des Mit­ telalters. Neben ihrer Lehre und ihrer Publikationstätigkeit ist sie seit 2006 als Vortragende bei Ausstellungser­ öffnungen tätig.

Björn Blauensteiner Björn Blauensteiner studierte Rechts­ wissenschaften und Kunstgeschichte in Wien, Utrecht, Berlin und Frank­ furt am Main. Von 2008 bis 2010 war er Stipendiat des Internationalen Forschungszentrums für Kulturwis­ senschaften (IFK), von 2010 bis 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator in der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien. Seit 2016 betreut er die Sammlung Mittelalter und Renaissance im Belvedere, wo er die Ausstellungen Rue­ land Frueauf d. Ä. und sein Kreis (2017) und Dürerzeit. Österreich am Tor zur Renaissance (2021) kuratierte. Sein Forschungsschwerpunkt ist die nord­ alpine Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts.

Brigitte Borchhardt-Birbaumer Brigitte Borchhardt-Birbaumer studierte Malerei und Grafik an der Hochschule für angewandte Kunst Wien sowie Kunstgeschichte, Archäo­ logie und Byzantinistik an der Universität Wien. Sie ist als Kunstwissen-

schaftlerin, Journalistin und Ausstellungskuratorin in Wien, München, Passau, Ulm, Sankt Pölten und Krems tätig und lehrt an der Universität Wien, an der Akademie der bildenden Künste Wien und am Max Reinhardt Seminar, Wien. Internationale Vor­ tragstätigkeit sowie zahlreiche Veröf­ fentlichungen und Texte für Ausstellungskataloge. 2007 wurde sie mit dem Art Critic Award ausgezeichnet. Brigitte Borchhardt-Birbaumer ist Jury- und Beiratsmitglied in zahlrei­ chen Institutionen und Museen. Seit 2009 gehört sie dem Aufsichtsrat des Kunsthistorischen Museums Wien an.

Thomas DaCosta Kaufmann Thomas DaCosta Kaufmann ist Frede­ rick Marquand Professor für Kunst und Archäologie an der Princeton University. Er ist ein international ange­ sehener Experte für die Kunst der Frühen Neuzeit in Mitteleuropa. Die europäische Kunst zwischen 1500 und 1800 untersucht er im globalen Kon­ text und hat damit maßgeblich zur jüngsten Diskussion um die World Art History beigetragen. Thomas DaCosta Kaufmann hat über 250 Beiträge und Rezensionen sowie 14 Bücher veröf­ fentlicht und fünf weitere herausgegeben. Er erhielt unter anderem den Mitchell Award für die beste kunsthis­ torische Publikation. Er war Fellow der American Academy in Rom und Berlin und des Netherlands Institute for Advanced Studies. Außerdem ist er Mitglied der Schwedischen, der Polni­ schen, der Lettischen und der Flämi­ schen Akademie der Wissenschaften. Er arbeitet an der Fertigstellung einer Biografie Rudolfs II. von Habsburg.

Christiane Erharter Christiane Erharter studierte Malerei und Grafik bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste Wien und postgradual Critical Studies an der Malmö Kunstakademie, Universi­ tät Lund. Seit 2018 ist sie als Kuratorin für Community Outreach und Public Program im Belvedere tätig. Zuvor arbeitete sie als Kuratorin und Projektmanagerin in der ERSTE Stiftung in Wien (2006–17), im Office for Con­ temporary Art Norway in Oslo (2002– 06) und als stellvertretende Leiterin in

der Galerie im Taxispalais in Inns­ bruck (2000–02). Zahlreiche Publika­ tionen (Auswahl) : Extending the Dialogue : Essays by Igor Zabel Award Laureates, Grant Recipients, and Jury Members, 2008–2014 (2016) ; Pink Labor on Golden Streets : Queer Art Practices (2015).

Nora Fischer Nora Fischer ist Kunsthistorikerin in Wien mit den Forschungsschwer­ punkten Sammlungsgeschichte, Ordnung und Präsentation von Kunst in der Frühen Neuzeit und Wissen­ schaftsgeschichte. 2021 Herausgabe (mit Anna Mader-Kratky) des Ta­ gungsbandes Schöne Wissenschaften. Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien für das Institut für die Erforschung der Habsburger­ monarchie und des Balkanraumes (IHB) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2017–20 Mitarbeit an Das Wien[n]erische Diarium : Digitaler Datenschatz für die geisteswissen­ schaftlichen Disziplinen am Austrian Centre for Digital Humanities. 2013–17 Mitarbeit an diversen Projekten für das IHB zu Fragen einer spezifisch habsburgischen Repräsentation in der Frühen Neuzeit. 2013 Dissertation. 2009–12 Mitarbeit an Zur Geburt der Kunstgeschichte aus dem Geist des Mu­ seums am Kunsthistorischen Museum Wien. 2001–07 Forschungsprojekt Bil­ dertausch Florenz – Wien 1792–1821 am Da Ponte Institut, Wien.

Anna Frasca-Rath Anna Frasca-Rath ist Kunsthistorike­ rin mit Forschungsschwerpunkten in der europäischen Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit und der Moderne mit besonderem Blick auf Künstler*in­ nensozialgeschichte, transnationale Austauschprozesse in den Künsten sowie Material- und Materialitätsdis­ kurse. Nach dem Studium der Kulturwirtschaft in Passau und Florenz pro­ movierte sie 2015 an der Universität Wien. Seither hat sie mehrere Ausstel­ lungen kuratiert, unter anderem an der Royal Academy of Arts in London. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und arbeitete

Antoinette Friedenthal Antoinette Friedenthal ist unabhän­ gige Kunsthistorikerin. Nach Studium in Heidelberg, Berlin und London (Courtauld Institute of Art) sowie be­ rufspraktischen Erfahrungen an ver­ schiedenen Institutionen, darunter dem Department of Prints and Draw­ ings des British Museum, 1999 Promo­ tion an der Freien Universität Berlin mit einer Dissertation zu Selbstbildnis und Künstlerbild in der italienischen Renaissance. Wissenschaftliche Mit­ arbeiterin an der Bibliotheca Hertzi­ ana in Rom (1994–99), Research Scholar am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin (1999–2002), Lehrbeauftragte an der Freien Universität Berlin und an der Hochschule für Künste Bern. Ver­ öffentlichungen zu Themen des künst­ lerischen Selbstverständnisses, zu Fragen von Kunsthandel und Kenner­ schaft sowie zur kunsthistorischen Fach- und Wissenschaftsgeschichte. 2023 französische Edition der Korres­ pondenz von Jean und Pierre Jean ­Mariette, 1717–19. Derzeit arbeitet ­Antoinette Frieden­thal an einem Buch zu Genese und Funktion des Werkver­ zeichnisses oder Catalogue raisonné.

Martin Fritz Martin Fritz arbeitete nach einem Stu­ dium der Rechtswissenschaften als Organisator, Kurator und Projektleiter in den Bereichen bildende Kunst, Theater und Film in Wien. Danach war er Director of Operations für die Wiedereröffnung (1996–98) des P.S.1 Contemporary Art Center in New York, Geschäftsführer des Kunstpro­ jekts In Between der Expo 2000 in Hannover (1998–2000) und General­ koordinator der Manifesta 4 in Frankfurt am Main (2000–02). Seither widmet er sich als Kurator, Berater und Publizist den Arbeitsschwerpunk­ ten Kontext- und Institutionskunde, ortsspezifische Kunst und Stadt sowie Kulturmanagement und Kulturpolitik. Martin Fritz war von 2001 bis 2007 Mitglied des Vorstands der Internatio­ nal Foundation Manifesta und leitete von 2004 bis 2009 das Festival der Regionen. Zuletzt war er von 2016 bis 2020 Rektor der Merz Akademie und Vorsitzender des Württembergischen Kunstvereins in Stuttgart. Martin Fritz ist Lehrbeauftragter an der Kunstuniversität Linz und seit September 2022 Generalsekretär der Österreichi­ schen UNESCO-Kommission.

Thomas W. Gaehtgens Thomas W. Gaehtgens war von 1980 bis 2007 Professor für Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin. 1992

Sabine Grabner Sabine Grabner studierte Kunstge­ schichte an der Universität Graz und dissertierte über den Maler Josef Danhauser. Seit 1991 ist sie als Kurato­ rin im Belvedere für die Sammlungen des 19. Jahrhunderts zuständig. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Kunst des Biedermeier und des Klassizismus, dazu zahlreiche Publikationen und Ausstellungen, unter anderem zum Schaffen von Friedrich von Amerling, Josef Danhauser, Ferdinand Georg Waldmüller, Michael Neder und dem Landschaftsmaler Joseph Rebell. Sie betreut im Belvedere das WaldmüllerArchiv und arbeitet am Werkverzeich­ nis von Amerling.

Katinka Gratzer-Baumgärtner Katinka Gratzer-Baumgärtner studierte Restaurierung und Kunstgeschichte in Florenz und Wien. Seit 2007 ist sie in unterschiedlichen Funktionen im Archiv und im Research Center des Belvedere tätig. Als Mitglied der Kom­ mission für Provenienzforschung liegt ihr Schwerpunkt auf der systemati­ schen Erforschung des Kunstinventars, als Archivarin widmet sie sich zudem der Erschließung von Nachlässen so­ wie der wissenschaftlichen Recherche und der Beitragserstellung für Ausstel­ lungs- und Forschungsprojekte.

Cäcilia Henrichs Cäcilia Henrichs studierte von 2004 bis 2010 Germanistik, Kunstgeschichte und Anglistik an der RupertoCarola-Universität Heidelberg. Nach verschiedenen Stationen, unter ande­ rem als wissenschaftliche Mitarbeite­ rin am Sonderforschungsbereich 933 „Materiale Textkulturen“ in Heidel­ berg, absolvierte sie 2018/19 ein Volon­ tariat an der Staatsgalerie Stuttgart. 2021 schloss sie ihr Doktoratsstudium an der Universität Wien zum Thema Die Moderne Galerie im Belvedere in Wien von 1903 bis 1938 ab. Cäcilia Henrichs ist Dozentin an der Staatli­ chen Akademie der Bildenden Künste

Stuttgart sowie an der VHS Heilbronn und leitet die Mediathek Schwaigern.

Alice Hoppe-Harnoncourt

Appendix

organisierte er den XXVI. Internatio­ nalen Kongress für Kunstgeschichte in Berlin. Von 1992 bis 1996 nahm er die Präsidentschaft des Comité Inter­ national d’Histoire de l’Art (CIHA) wahr. Thomas W. Gaehtgens unter­ richtete 1995 als Gastprofessor und von 1998 bis 1999 als Professor des Europäischen Lehrstuhls am Collège de France, Paris. 1997 gründete er in Paris das Deutsche Forum für Kunstgeschichte, das er bis 2007 lei­ tete. Von 2007 bis 2018 war er Direktor des Getty Research Institute in Los Angeles. Seine Forschungsschwer­ punkte sind die französische Kunst und Architektur des 18. und 19. Jahr­ hunderts, amerikanische Kunst und die Geschichte des Museums.

Alice Hoppe-Harnoncourt arbeitet als Kunsthistorikerin in Wien. Auf das Studium der Kunstgeschichte in Wien folgte ein zweijähriges Internship am New Yorker Metropolitan Museum of Art mit Schwerpunkt auf technolo­ gischen Untersuchungen an Gemäl­ den. Von 2003 bis 2007 war sie als wissenschaftliche Assistentin bei Aus­ stellungen in der Albertina, Wien, sowie als Konsulentin für technologische Untersuchungen am Kunsthis­ torischen Museum Wien tätig. Von 2007 bis zuletzt wissenschaftliche Mitarbeiterin bei verschiedenen For­ schungs- und Publikationsprojekten des Kunsthistorischen Museums Wien, darunter „Katalog der deut­ schen Gemälde bis 1540“ sowie „The Panels by Pieter Bruegel the Elder“. 2022 erfolgte der Abschluss des Dokto­ ratsstudiums mit einer Dissertation zur kaiserlichen Gemäldegalerie im Belvedere um 1800.

Christian Huemer Christian Huemer ist Leiter des Belve­ dere Research Center. Er studierte Kunstgeschichte in Wien, Paris und New York, wo er zum Thema Paris – Vienna : Modern Art Markets and the Transmission of Culture (1873–1937) promovierte. Kuratorische Praktika am Solomon R. Guggenheim Museum und am Museum of Modern Art in New York. Er hatte Lehraufträge unter anderem am Hunter College in New York, am Sotheby’s Institute of Art in Los Angeles und an der Universität Wien. Von 2008 bis 2017 zeichnete Christian Huemer für die Weiterent­ wicklung der Getty Provenance Index®-Datenbanken verantwortlich. In diesem Zusammenhang organi­ sierte er Forschungsprojekte wie „Markt und Macht. Der Kunsthandel im ‚Dritten Reich‘“ (Publikation 2017) oder „London and the Emergence of a European Art Market, 1780–1820“ (Publikation 2019). Editor-in-Chief der Buchreihe Studies in the History of Collecting & Art Markets und Managing Editor des Belvedere Research Journal.

Georg Lechner Georg Lechner studierte Kunstge­ schichte an der Universität Wien. Seit 2009 ist er im Belvedere in der Samm­ lung Barock tätig. Zu seinen For­ schungs- und Publikationsschwerpunkten zählen neben der österreichi­ schen Barockmalerei im Allgemeinen die Porträtkunst, die Wechselwirkungen von Malerei und Druckgrafik sowie die Geschichte des Belvedere und seiner Sammlungen. Georg Lech­ ner kuratierte im Belvedere unter anderem folgende Ausstellungen :

Autor*innen

von 2020 bis 2022 für das Forschungs­ projekt „Recht auf Museum ?“ der Universität Wien.

Martin van Meytens d. J. (2014/15), Maria Theresia und die Kunst (2017), Der Kremser Schmidt. Zum 300. Ge­ burtstag (2018) und Johann Jakob Hart­ mann (2021).

Stefan Lehner Stefan Lehner, ausgebildeter Kinder­ gartenpädagoge, studierte Geschichte in Salzburg. Seit 2005 Mitarbeiter des Belvedere und seit 2007 wissen­ schaftlicher Mitarbeiter im Archiv des Belvedere, zeichnet er für die ­Erschließung von Nachlässen ver­ antwortlich. Kuratorische Mitarbeit an der Ausstellung Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst. Darüber hi­ naus arbeitete er an zahlreichen Kata­ logen, unter anderem Gustav Klimt und die Kunstschau 1908, Alfred Hrdlicka. Schonungslos !, Klimt/Hoff­ mann. Pioniere der Moderne, Gustav Klimt & Emilie Flöge. Fotografien und 150 Jahre Gustav Klimt. 2012/13 stu­ dierte er an der Schule Friedl Kubelka für künstlerische Photographie, Wien, unter der Leitung von Anja Manfredi.

Gernot Mayer Gernot Mayer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kunsthistorischen ­In­stitut der Universität Bonn. Er stu­ dierte Kunstgeschichte in Wien und Venedig. Seine Forschungsschwer­ punkte liegen auf der Kunst der Frü­ hen Neuzeit in Italien und Mitteleuropa sowie auf der Geschichte des Sammlungswesens, des Kulturtrans­ fers und der Kunstpa­tronage. Zu sei­ nen Publikationen zählen die Studie Kulturpolitik der Auf‌klärung. Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg (1711–1794) und die Künste (2021) sowie der ge­ meinsam mit Silvia Tammaro heraus­ gegebene Tagungsband Travelling Objects. Botschafter des Kulturtransfers zwischen Italien und dem Habsburger­ reich (2018).

schichte an der Technischen Universität Wien. Außerordentliche Universitätsprofessorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Wien und Lehrbeauftragte an der Universi­ tät Wien. Publikationen und For­ schungen im Bereich der österreichischen Kunst und Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere zu Künstlerinnen und Architektinnen, zu Ausstellungsgeschichte und -archi­ tektur, zur Architektur des OttoWagner-Spitals in Steinhof, zu Floren­ tiner Frauenklöstern von der Renais­ sance bis zur Gegenreformation, zu historischen Wiener Bank- und Börse­ bauten sowie zur NS-Kunstpolitik in Wien (gemeinsam mit Ingrid Holz­ schuh). Seit 2022 ist Sabine PlakolmForsthuber Mitglied des Kunstrückgabebeirats.

Georg Plattner Georg Plattner ist Direktor der Anti­ kensammlung und des Ephesos Museums des Kunsthistorischen Mu­ seums Wien. Er hat Klassische Ar­ chäologie, Alte Geschichte, Altertumskunde, Epigraphik und Papyrologie an der Universität Wien studiert und nach einem Forschungsaufenthalt in Rom 2003 sub auspiciis praesidentis promoviert. Seine Forschungsschwer­ punkte liegen im hellenistischrömischen Palmyra und insbesondere im römischen Ephesos. Georg Plattner hält Lehrveranstaltungen an der Universität Wien. Im Kunsthistori­ schen Museum kuratierte er Ausstel­ lungen zu Ephesos und Limyra, zur Porträtkunst (Starke Köpfe. Porträt[s] des Kunsthistorischen Museums, 2010), zur Kulturgeschichte des Weins (Kunst_voller_Wein, 2012), zu Skulptu­ ren des österreichischen Bildhauers Joannis Avramidis und im Jubiläums­ jahr 2014 zum römischen Kaiser Augustus (Väter Europas. Augustus und Karl der Große).

Monika Mayer Monika Mayer studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Volkskunde an den Universitäten Wien und Inns­ bruck. Seit 1992 ist sie wissenschaftli­ che Mitarbeiterin des Belvedere ; seit 1998 Leiterin des Archivs und der Provenienzforschung sowie Mitglied der Kommission für Provenienzfor­ schung. Kuratorische Tätigkeit sowie zahlreiche Publikationen und Vorträge zur Museumsgeschichte, zur Prove­ nienzforschung und zur Kunstpolitik in Austrofaschismus und Nationalsozialismus.

Sabine Plakolm-Forsthuber Sabine Plakolm-Forsthuber studierte Kunstgeschichte und Romanistik an der Universität Wien und der Uni­ versität Perugia ; 1986 Promotion an der Universität Wien, 2000 Habili­ tation im Fachbereich Kunstge­

Matthew Rampley Matthew Rampley ist außerordentli­ cher Professor am Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Masaryk-Univer­ sität in Brno. Er studierte Deutsch und Altgriechisch an der Oxford Univer­ sity und promovierte 1993 an der University of St Andrews zu deutscher Philosophie. Von 2010 bis 2019 unter­ richtete er an der University of Bir­ mingham. In seiner Lehre und Forschung beschäftigt er sich vor allem mit Kunst und Architektur in Mitteleuropa von 1800 bis 2000, zeitgenössi­ scher Kunst und Kunstkritik, Ästhetik und Kunstphilosophie. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zäh­ len The Seductions of Darwin : Art, Evo­ lution and Neuroscience (2017), The Vienna School of Art History : Empire and the Politics of Scholarship, 1847– 1918 (2013), Nietzsche, Aesthetics and

Modernity (2000). Darüber hinaus ist Matthew Rampley Mitherausgeber des Journal of Art Historiography.

Luise Reitstätter Luise Reitstätter ist Kulturwissen­ schaftlerin. Sie forscht und lehrt zu Praktiken der modernen und der zeit­ genössischen Kunst, zu Museologie und Ausstellungstheorie sowie zu Methoden der empirischen Sozialfor­ schung. Nach kuratorischer Tätigkeit im internationalen Kunstbetrieb ­w ur­de sie 2013 mit einer Studie zur Ausstellung als Handlungsraum in So­ ziologie und Kulturwissenschaft pro­ moviert. Seither arbeitet sie in zahlreichen Forschungsprojekten, etwa zu Sehnsuchtsbildern vom Land, zu Sprache und Inklusion im Museum, zu digitaler Kunstvermittlung oder zu Commons-Bewegungen. Seit 2017 ist Luise Reitstätter als Post-Doc am In­ stitut für Kunstgeschichte der Uni­ versität Wien tätig und leitet dort das Labor für empirische Bildwissen­ schaft. Zudem verantwortet sie das Forschungsprojekt „Recht auf Mu­ seum ?“ als Teil ihrer Habilitation zu Fragen einer zeitgemäßen und gesell­ schaftlich relevanten Museumspraxis.

Stella Rollig Stella Rollig ist seit Jänner 2017 Gene­ raldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin des Belvedere. Sie studierte Germanistik und Kunst­ geschichte an der Universität Wien und war als Kunstpublizistin tätig (unter anderem ORF, Der Standard). Von 1994 bis 1996 war Stella Rollig österreichische Bundeskuratorin für bildende Kunst, in dieser Zeit grün­ dete sie auch Depot. Kunst und Diskus­ sion im MuseumsQuartier Wien. Von 2004 bis 2016 leitete die Ausstel­ lungsmacherin das Lentos Kunstmu­ seum Linz, ab 2011 zusätzlich das Nordico Stadtmuseum Linz. Neben ihrer kuratorischen Tätigkeit lehrte Stella Rollig an zahlreichen Instituten.

Claudia Slanar Claudia Slanar studierte Kunstge­ schichte in Wien sowie Aesthetics and Politics und Creative Writing am California Institute of the Arts. Seit 2014 ist sie Kuratorin des Ursula Blickle Video Archivs und des Blickle Kinos im Belvedere 21 in Wien sowie seit 2018 (gemeinsam mit Christiane Erharter) Kuratorin des Public Pro­ gram. Claudia Slanar ist Autorin und Mitherausgeberin von Veröffent­ lichungen zu zeitgenössischer Kunst, Film und Video, darunter Monogra­ fien zum Filmemacher James Benning und zum Künstler Lukas Marxt. Sie beschäftigt sich immer wieder mit Raumtheorien, mit Fictocriticism, fe­ ministischer Biografieschreibung so­

Wolfgang Ullrich Franz Smola Franz Smola ist seit 2017 Kurator für die Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Belvedere. Von 2009 bis 2017 war er als Sammlungs­ kurator im Leopold Museum, Wien, tätig. Von 2013 bis 2015 übte er dort auch die Funktion des interimisti­ schen museologischen Direktors aus. Smola kuratiert und kokuratiert regel­ mäßig Ausstellungen zum Themen­ schwerpunkt internationale klassische Moderne, etwa Alberto Giacometti. Pio­ nier der Moderne (Leopold Museum, Wien, 2014/15) oder Wolfgang Paalen. Der österreichische Surrealist in Paris und Mexiko (Belvedere, Wien, 2019/20) sowie zum Themenschwerpunkt Wien um 1900. Zuletzt erarbeitete Smola die Schau Klimt. La Secessione e l’Italia (Museo di Roma, 2021/22).

Nora Sternfeld Nora Sternfeld ist Kunstvermittlerin und Kuratorin. Sie ist Professorin für Kunstpädagogik an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Von 2018 bis 2020 war sie documenta Pro­ fessorin an der Kunsthochschule Kassel, von 2012 bis 2018 Professorin für Curating and Mediating Art an der Aalto University in Helsinki. Da­ rüber hinaus ist sie Co-Leiterin des postgradualen Masterlehrgangs für Ausstellungstheorie und -praxis / ecm – educating, curating, managing an der Universität für angewandte Kunst Wien, im Kernteam von schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis und seit 2011 Teil von freethought, Plattform für Forschung, Bildung und Produk­ tion (London). In diesem Zusammen­ hang war sie auch eine der künstlerischen Leiter*innen der Bergen Assembly 2016 und ist seit 2020 Fellow am BAK, basis voor actuele kunst (Utrecht). Nora Sternfeld publiziert zu zeitgenössischer Kunst, Bildungstheorie, Ausstellungen, Geschichts­ politik und Antirassismus.

Silvia Tammaro Silvia Tammaro studierte Architektur und Kunstgeschichte in Turin und Wien. Sie hat mit einer Arbeit über die Entstehung, Ausstrahlung und Rezep­ tion des Theatrum Sabaudiae und den kulturellen Austausch zwischen Turin und Wien promoviert. Seit 2020 leitet sie ein Forschungsprojekt über die ­savoyischen Botschafter in Wien und deren Kunstpatronage und Sammel­ tätigkeit. Weiters liegen ihre For­ schungsschwerpunkte in den Bereichen italienische Kunst und Architek­

Wolfgang Ullrich war von 2006 bis 2015 Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und lebt seither als Kunstwissen­ schaftler und freier Autor in Leipzig. Er forscht und publiziert zu Ge­ schichte und Kritik des Kunstbegriffs, zu bildsoziologischen Themen sowie zu Konsumtheorie. Er ist Mitheraus­ geber der Buchreihe Digitale Bildkultu­ ren. Jüngste Buchpublikationen : Selfies. Die Rückkehr des öffentlichen Lebens (2019) ; Feindbild werden. Ein Bericht (2020) ; Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie (2022).

Leonhard Weidinger Leonhard Weidinger ist Historiker. Seit 2005 im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung Provenienz­ forscher im MAK – Museum für ange­ wandte Kunst, Wien, Mitarbeit an mehreren Online-Projekten. 2011–13 und 2016/17 Mitarbeit am Projekt „German Sales“ des Getty Research Institute, Los Angeles. 2017–19 Mit­ arbeit an Projekten am Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München. ­2014–18 Vorstandsmitglied, 2017–18 Vor­sitzender des Arbeitskreises Pro­ venienzforschung e. V. Zahlreiche Pu­ blikationen und Produktionen in verschiedenen Medien. Lehraufträge an der Universität Wien. Forschungs­ schwerpunkte : österreichische Kultur­ geschichte im 19. und 20. Jahrhundert, digitale Medien in der Geschichts­ wissenschaft.

Christian Witt-Dörring Christian Witt-Dörring hat in Wien Kunstgeschichte und Archäologie stu­ diert. Er war von 1979 bis 2004 Leiter der Möbelsammlung am MAK – Öster­ reichisches Museum für angewandte Kunst in Wien und von 1999 bis 2018 Kurator an der Neuen Galerie New York. Sein Fachgebiet ist die Ge­ schichte des Möbels und des Innen­ raums mit einem Schwerpunkt auf dem 19. und dem 20. Jahrhundert. Neben einer umfassenden Vortragsund Lehrtätigkeit zu kunst- und kul­ turhistorischen Themen kuratierte er eine Reihe wichtiger Ausstellungen wie Dagobert Peche und die Wiener Werkstätte, Der Preis der Schönheit. 100 Jahre Wiener Werkstätte, Viennese Silver : Modern Design 1780–1918, Koloman Moser. Designing modern Vienna, Wege der Moderne. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen und Josef Hoffmann 1870–1956. Fortschritt durch Schönheit.

Luisa Ziaja Luisa Ziaja ist Kunsthistorikerin, Kuratorin, Autorin. Sie ist seit Dezem­ ber 2022 Chef‌k uratorin der Österrei­ chischen Galerie Belvedere, wo sie seit 2013 als Kuratorin für Zeitgenössische Kunst tätig war. Seit 2006 ist sie CoLeiterin des postgradualen Master­ lehrgangs für Ausstellungstheorie und -praxis / ecm an der Universität für ­angewandte Kunst Wien. Von 2004 bis 2012 setzte sie als freie Kuratorin mehrjährige Forschungs- und Ausstel­ lungsprojekte um ; von 2000 bis 2004 war sie in der Generali Foundation Wien tätig. Sie unterrichtete an ver­ schiedenen Hochschulen und ist Auto­ rin und Mitherausgeberin zahlreicher Ausstellungskataloge und Sammel­ bände, u.a. der Publikationsreihe cura­ ting. ausstellungstheorie & praxis in der Edition Angewandte / de Gruyter. In ihrer kuratorischen und diskursi­ ven Arbeit beschäftigt sie sich u. a. mit dem Verhältnis von Gegenwartskunst, Gesellschaft und (Geschichts-)Politik sowie mit der Geschichte und Theo­ rien des Ausstellens.

Christoph Zuschlag Christoph Zuschlag studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Archäolo­ gie in Heidelberg und Wien. 1991 Promotion. 1991–98 Assistenz am Kunsthistorischen Institut der Univer­ sität Heidelberg. 2002 Habilitation. 2003–06 wissenschaftlicher Mitarbei­ ter an der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin. 2007–18 Professor für Kunstgeschichte und Kunstvermittlung an der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau. Seit 2018 Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Professur für Kunstge­ schichte der Moderne und der Gegen­ wart mit Schwerpunkt Provenienzforschung / Geschichte des Sammelns am Kunsthistorischen Institut der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn. Forschungsschwer­ punkte : Kunst der Moderne und der Gegenwart, Kunst des Informel, Geschichte der Kunstinstitutionen und der Kunstkritik, Kunst und Kunst­ politik im Nationalsozialismus, Provenienzforschung.

Appendix

tur des 17. und 18. Jahrhunderts, Wechselbeziehungen zwischen Literatur und bildender Kunst sowie Kunst- und Kulturtransfer zwischen Italien und dem Habsburgerreich.

Autor*innen

wie mit Reenactment als künstlerischwissenschaftlicher Praxis. Ab 2024 übernimmt Claudia Slanar gemeinsam mit Dominik Kamalzadeh die Inten­ danz der Diagonale – Festival des ­österreichischen Films.

S.

396 – 397

Bildnachweis

Albertina, Wien : S. 71 (Abb. 5–7), 72 (Abb. 9), 96 ; Alice Hoppe-Harnoncourt : S. 135 (Abb. 2) ; Anna Blau : S. 291 ; APA-Grafik/picturedesk.com : S. 343 (Abb. 5) ; Architekturzentrum Wien, Sammlung : S. 265 ; Architekturzentrum Wien, Sammlung, Foto : Margherita Spiluttini : S. 286, 335 (Abb. 4) ; Archiv Silvia Tammaro : S. 61 (Abb. 4) ; Aus : 1810. La politique de l’amour. ­Napoléon I. et Marie-Louise à Com­ piègne (Ausst.-Kat. Musée ­national du Palais impérial de Compiègne), Paris 2010, S. 25 : S. 133 ; Aus : Acier Stahl Steel, 23. Jg., März 1958/Österreichisches Staats­ archiv, Archiv der Republik, Zl. 235624/1958 : S. 326 (Abb. 1) ; Barbara Gindl/APA/picturedesk.com : S. 289 ; Barbara Pflaum/brandstaetter images/ picturedesk.com : S. 319 (Abb. 5) ; Birgit und Peter Kainz, Wien ­Museum : S. 293 ; bpk | Bayerische Staatsbibliothek | Heinrich Hoffmann : S. 228, 231 ; Bundesdenkmalamt, Wien : S. 73, 239 ; Burghauptmannschaft Österreich, Wien, Planarchiv : S. 99 ; Centre Pompidou, 1986 ; Conception graphique : Marc Walter, Arbook : S. 294 (Abb. 3) ; Courtesy National Gallery of Art, ­Washington : S. 196 (Abb. 2) ; Detroit Institute of Arts : S. 62 (Abb. 8) ; Digital image, The Museum of ­Modern Art, New York/Scala, ­F lorence : S. 191 (Abb. 9) ; Digitalisiert nach einem Exemplar des Dorotheum, Wien : S. 254 (Abb. 1) ; Digitalisiert vom Institute of Czech Literature, Czech Academy of Sciences : S. 177 (Abb. 3) ; eSeL (Lorenz Seidler) : S. 297, 351 (Abb. 1 & 2), 364 (Abb. 1) ; Eva Würdinger : S. 42, 364 (Abb. 3) ; Gebietsbetreuung Stadterneuerung, Stadt Wien : S. 308 (Abb. 2) ; Gemäldegalerie der Akademie der ­bildenden Künste Wien : S. 189 (Abb. 1), 369 (Abb. 4) ; Gerald Haenel/laif/picturedesk.com : S. 290 ; Gianmaria Gava : S. 373 (Abb. 18) ; Herbert Pfarrhofer/APA/picturedesk. com : S. 332 ;

Historisches Museum Basel, Peter Portner : S. 116 (Abb. 3) ; Karl Thomas/Allover/picturedesk.com : S. 342 (Abb. 3) ; KHM-Museumsverband : S. 98, 101, 117 (Abb. 4), 134, 135 (Abb. 3), 207, 208 ; Künstlerhaus, Wien, Archiv : S. 266 (Abb. 5), 268 (Abb. 1) ; Kunst-Lichtbildanstalt Julius Scherb : S. 268 (Abb. 2) ; LIECHTENSTEIN. The Princely Col­ lections, Vaduz–Vienna, Samm­ lungen Online : S. 51 (Abb. 3) ; MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien : S. 319 (Abb. 5) ; MAK – Museum für angewandte Kunst, Wien/Georg Mayer : S. 225 ; MiC – Musei Reali, Galleria Sabauda : S. 62 (Abb. 5 & 6), 63 (Abb. 10) ; Michael Huey : S. 74 ; Mirko Sirotek, Wien : S. 319 (Abb. 4) ; mumok, Wien : S. 326 (Abb. 2) ; Musée des Beaux-Arts de Dijon/Hugo Martens : S. 61 (Abb. 3) ; Natascha Unkart : S. 296, 373 (Abb. 17) ; National Gallery in Prague : S. 177 (Abb. 4) ; Niko Formanek : S. 342 (Abb. 2) ; Nora Fischer : S. 124 (Abb. 2 & 3), 126 ; ÖMSUBM : S. 365 (Abb. 4) ; ÖNB, Wien : S. 49, 70 (Abb. 2), 71 (Abb. 3 & 4), 85, 86, 127 (Abb. 5 & 6), 142 (Abb. 6), 160 (Abb. 2), 162, 190 (Abb. 5), 201 (Abb. 5), 226, 237, 257 (Abb. 8 & 9), 318 (Abb. 2), 319 (Abb. 3), 326 (Abb. 3 & 4) ; ÖNB, Wien/Blaha : S. 318 (Abb. 1) ; ÖNB, Wien/Otto Schmidt : S. 229 ; ÖNB, Wien/Rudolf Herrmann : S. 221 ; ÖNB, Wien : 397.456-A, Titelseite : S. 72 (Abb. 8) ; Österreichisches Staatsarchiv : S. 100, 216, 224, 266 (Abb. 3 & 4) ; Ouriel Morgensztern : S. 302, 306, 343 (Abb. 4), 351 (Abb. 3), 365 (Abb. 5 & 6) ; Photographic Archive, The Museum of Modern Art Archives, New York/ Mali Olatunji : S. 294 (Abb. 4) ; Privatarchiv/Watzek Photo : S. 370 (Abb. 10) ; Rijksmuseum Amsterdam, CC0 1.0 : S. 59, 117 (Abb. 5) ; Ritter, R 203 ; Scan : Belvedere, Wien : S. 214 (Abb. 3) ; RMN-Grand Palais (musée du Louvre)/ Adrien Didierjean : S. 62 (Abb. 7) ; Rudi Blaha/AP/picturedesk.com : S. 282 ; Sächsisches Staatsarchiv Hauptstaats­ archiv Dresden : S. 107 (Abb. 1) ;

Scherl/SZ-Photo/picturedesk.com : S. 245 (Abb. 1) ; Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden/­ Ingrid Geske : S. 41 ; Techt Hans/APA/picturedesk.com : S. 283 ; The Getty Research Institute, Special Collections, Los Angeles : S. 107 (Abb. 2), 108 (Abb. 3) ; The Trustees of the British Museum : S. 51 (Abb. 4), 109 ; UC Berkeley, Bancroft Library : S. 245 (Abb. 2) ; UNHCR_Ina Aydogan : S. 303 ; Votava/brandstaetter images/picture desk.com : S. 275, 277, 278, 294 (Abb. 2) ; Wien Museum, Wien : S. 117 (Abb. 6) ; Wien Museum, Wien, CC0 : S. 26, 70 (Abb. 1), 76, 81, 151, 189 (Abb. 2), 366 ; Wienbibliothek im Rathaus, A-39548 : S. 124 (Abb. 1) ; Wienbibliothek im Rathaus, A-92213 : S. 264 ; Wienbibliothek im Rathaus, Druck­ schriftensammlung : S. 88 ; Wiener Stadt- und Landesarchiv : S. 233, 234 ; Wiener Stadt- und Landesarchiv, Presse- und Informationsdienst : S. 276 ; Wikimedia, CC by 3.0 : S. 174, 331 ; Wolfgang Thaler : S. 292, 335 (Abb. 4) ;

Falls nicht anders angegeben : Belve­ dere, Wien Belvedere, Wien/Image by Google 2019 : S. 350 (Abb. 2) ; Belvedere, Wien, Foto : Carmen ­Müller : S. 214 (Abb. 5) ; Belvedere, Wien, Foto : Johannes Stoll : S. 50, 51 (Abb. 2), 91, 92, 94, 116 (Abb. 1), 142 (Abb. 5), 160 (Abb. 3), 190 (Abb. 4), 191 (Abb. 8), 201 (Abb. 4), 255 (Abb. 3), 298, 299, 301, 304, 305, 308 (Abb. 1), 309, 310, 342 (Abb. 1), 343 (Abb. 6), 352 (Abb. 5), 368 (Abb. 2) ; Belvedere, Wien, Foto : Stefan Lehner/ Johannes Stoll : S. 89 ; Belvedere, Wien, Foto : Stefan Lehner : S. 154 ; Belvedere, Wien, Foto : Valerie Weber : S. 364 (Abb. 2) ;

Vorlagen aus : → Architekt Krischanitz ZT GmbH, Umbau und Erweiterung 21er Haus Wien, Ansicht SW (Detail), 2011 → Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Aufriss der Gar­ tenfassade (Detail), 1736, Biblio­ thek des Belvedere, Wien → Johann August Corvinus nach Salomon Kleiner, Prospekt des Gartens des Prinzen Eugen und der angrenzenden Gärten des Salesia­ nerinnenklosters und des Palais Schwarzenberg (Detail), 1731, Bi­ bliothek des Belvedere, Wien

© Bildrecht, Wien 2023 für Carola Dertnig, Rudolf Hermann Eisen­ menger, Franz Graf, Christine und Irene Hohenbüchler, Gerhard Marcks, Georges Mathieu, ­Maruša Sagadin Herbert Boeckl © Herbert-BoecklNachlass, Wien VALIE EXPORT © VALIE EXPORT/ Bildrecht, Wien 2023

Archive / Institutionen → AdB Archiv des Belvedere, Wien → BMF Bundesministerium für Finanzen → BMU Bundesministerium für Unterricht → KHM Kunsthistorisches Museum Wien → ÖG Österreichische Galerie → ÖNB Österreichische Nationalbibliothek → ÖStA Österreichisches Staatsarchiv • AdR Archiv der Republik ° BMI Bundesministerium für Inneres ° BMU Bundesministerium für Unterricht ° ZNsZ RSthOe Zivilakten NS-Zeit, Reichsstatthalter Österreich • AVA Allgemeines Verwaltungsarchiv ° BMU Bundesministerium für Unterricht ° FHKA Finanz- und Hof ‌kammerarchiv • HHStA Haus-, Hof- und Staatsarchiv ° HBA Hof‌bauamt ° OKäA Oberstkämmereramt → RdbK Reichskammer der bildenden Künste → UAAbKW Universitätsarchiv der Akademie der bildenden Künste Wien → WStLA Wiener Stadt- und Landesarchiv → Zl. Zahl

Österreichische Galerie Belvedere (Bezeichnung ab 2000) Kurzform : Belvedere Frühere Bezeichnungen : → Moderne Galerie (ab 1903) → k. k. Österreichische Staatsgalerie (ab 1911/12) → Österreichische Galerie (ab 1921)

Bildnachweis, Abkürzungen

Cover

Abkürzungen

Appendix

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Impressum

Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst Publikation Herausgeber*innen : Stella Rollig, Christian Huemer Autor*innen : Johanna Aufreiter, Björn ­Blauensteiner, Brigitte BorchhardtBirbaumer, Thomas DaCosta ­Kaufmann, Christiane Erharter, Nora Fischer, Anna Frasca-Rath, ­Antoinette Friedenthal, Martin Fritz, Thomas W. Gaehtgens, Sabine ­Grabner, Katinka Gratzer-­ Baumgärtner, Cäcilia Henrichs, Alice Hoppe-Harnoncourt, Christian Huemer, Georg Lechner, Stefan ­L ehner, Gernot Mayer, Monika Mayer, Sabine Plakolm-Forsthuber, Georg Plattner, Matthew Rampley, Luise Reitstätter, Stella Rollig, Claudia ­Slanar, Franz Smola, Nora Sternfeld, Silvia Tammaro, Wolfgang Ullrich, Leonhard Weidinger, ­Christian ­Witt-Dörring, Luisa Ziaja, Christoph Zuschlag Konzeption : Christian Huemer Redaktionsteam : Christian Huemer, Eva Lahnsteiner → Kapitel 1 : Georg Lechner → Kapitel 2 : Georg Lechner, Sabine Grabner → Kapitel 3 : Stefan Lehner, Monika ­Mayer → Kapitel 4 : Monika Mayer → Kapitel 5 : Luisa Ziaja, Monika Mayer Bildredaktion : Eva Lahnsteiner, Stefan Lehner, Carmen Müller Grafische Gestaltung : Marie Artaker Designassistenz und Satz : Kevin Mitrega, Schriftloesung Übersetzung (Englisch – Deutsch) : Wilfried Prantner (DaCosta Kaufmann, Rampley) Lektorat : Katharina Sacken Personenregister : Jutta Mühlenberg Publikationsmanagement & Herstellung : Eva Lahnsteiner, Beba Pikall-Kotyza Content & Production Editor für den Verlag : Katharina Holas, Birkhäuser Verlag, A-Wien Bildbearbeitung : Pixelstorm, Wien Druck und Bindung : Gugler GmbH, Melk/Donau

Papier : Surbalin seda & glatt mintgrün, 135 g/m², Munken Lynx, 120 g/m², Pergraphica Timid Grey, 120 g/m² Schriften : GT Super Text, Korpus Grotesk, Apoc, Lithops Dieser Forschungsband erscheint begleitend zur Ausstellung Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst vom 2. Dezember 2022 bis 7. Jänner 2024 in der Orangerie des Belvedere, Wien. Kurator*innen der Ausstellung : Björn Blauensteiner, Sabine Grabner, Kerstin Jesse (Konzeptmitarbeit), Alexander Klee, Georg Lechner, Stefan Lehner, Monika Mayer und Luisa Ziaja Generaldirektorin, wissenschaftliche Geschäftsführerin : Stella Rollig Wirtschaftlicher Geschäftsführer : Wolfgang Bergmann Ausstellungsmanagement und Sammlungsverwaltung : Stephan Pumberger Ausstellungsproduktion : Sarah Kronschläger Ausstellungsarchitektur : studio-itzo, Wien Chef ‌k uratorin : Luisa Ziaja Kunstvermittlung : Michaela Höß Kommunikation & Marketing : Katharina Steinbrecher Besucher*innenservice : Margarete Stechl Research Center : Christian Huemer Restaurierung : Stefanie Jahn Belvedere Prinz Eugen-Straße 27 1030 Wien www.belvedere.at Alle Rechte vorbehalten Gedruckt in Österreich Library of Congress Control Number : 2023931558 Bibliografische Information der ­Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek ­verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abruf‌bar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Verviel­ fältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs­weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Straf‌b estimmungen des Urheberrechts. ISBN 978-3-11-118620-7 (deutsche Verlagsauf ‌lage) e-ISBN (PDF) 978-3-11-118660-3 ISBN 978-3-11-118631-3 (englische Verlagsauf ‌lage) ISBN 978-3-903327-45-0 (deutsche Museumsauf ‌lage) ISBN 978-3-903327-46-7 (englische Museumsauf ‌lage) © 2023 Belvedere, Wien, Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, ­Künstler*innen und Autor*innen www.degruyter.com