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German Pages 2416 [2417] Year 2013
Schönfeld · Ditz Doppelbesteuerungsabkommen · Kommentar
.
Schönfeld · Ditz
Doppelbesteuerungsabkommen Kommentar herausgegeben von
Dr. Jens Schönfeld Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bonn Lehrbeauftragter an der Universität Osnabrück
Dr. Xaver Ditz Steuerberater in Bonn Lehrbeauftragter an der Universität Trier
2013
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Bearbeiter Christiane Bourseaux
Dr. Andreas Körner, LL.M. (Tax)
Steuerberaterin in Düsseldorf
Rechtsanwalt und Steuerberater, Steuerabteilungsleiter Finanzierung und Umwandlungssteuerrecht in Wolfsburg
Dr. Nadya Bozza-Bodden Richterin am Finanzgericht in Köln
Silke Bruns Regierungsdirektorin im Bundesministerium der Finanzen in Berlin
Prof. Dr. Steffen Lampert Juniorprofessor an der Universität Osnabrück
Dr. Christian Levedag
Ernst Czakert
Richter am Finanzgericht in Köln
Ministerialrat im Bundesministerium der Finanzen in Berlin
Dr. Daniel Liebchen
Dr. Xaver Ditz
Steuerberater in Bonn/Hamburg
Steuerberater in Bonn
Dr. Bettina Lieber
Dr. Ralf Dremel
Rechtsanwältin und Steuerberaterin in Düsseldorf
Rechtsanwalt und Steuerberater in Bonn
Dr. Carsten Meinert
Karsten Flüchter
Richter am Finanzgericht in Köln
Oberregierungsrat im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn
Prof. Dr. Carsten Pohl, LL.M. Professor an der Fachhochschule für Finanzen in Nordkirchen
Dr. Nils Häck Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bonn
Thomas Rauert
Dr. Christian Hick
Dr. Carsten Schlotter
Steuerberater in Bonn
Rechtsanwalt und Steuerberater in Bonn
Franz Hruschka Leitender Regierungsdirektor im Finanzamt in München
Prof. Dr. Heike Jochum Professorin an der Universität Osnabrück
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Hamburg
Dr. Jens Schönfeld Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bonn
Dr. Vassil Tcherveniachki Steuerberater in Bonn
Zitierempfehluog:
Verfasser in Schönfeld/Ditz, Art. 1 OECD-MA, Rz. 7
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi.e; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-23097-5 ©2013 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfält:igungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- nnd säure.&ei, alterungsbeständig und umweltfreundlich.
Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Das internationale Steuerrecht hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Waren es früher primär große (bekannte) Unternehmen, die grenzüberschreitende Aktivitäten in erheblichem Umfange entfalteten, gibt es heute fast kein Unternehmen mehr, das nicht internationale Berührungspunkte hat. Entsprechend müssen sich nicht nur die Unternehmen und ihre Berater, sondern auch die Finanzgerichte sowie die Finanzverwaltung in ihrer praktischen Arbeit immer stärker mit dem internationalen Steuerrecht auseinandersetzen. Neben dem Außensteuergesetz und den in allgemeinen Steuergesetzen enthaltenen international-steuerrechtlichen Vorschriften spielen dabei die von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen eine hervorgehobene Bedeutung. Lag der primäre Zweck dieser Abkommen früher (entsprechend ihrer Bezeichnung) darin, eine den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindernde Doppelbesteuerung zu vermeiden, die daraus resultieren kann, dass mehrere Staaten auf ein und dasselbe Steuersubstrat zugreifen, gewinnt man heute zunehmend das Gefühl, dass sich das Gewicht zunehmend hin zu einer Verhinderung der Doppelnichtbesteuerung verschiebt. Das künftig als Verhandlungsmuster dienende und am 18. April 2013 vorgestellte deutsche Musterabkommen belegt diese Entwicklung. Ungeachtet dessen ist es so, dass sich sowohl das Verhandlungsmuster als auch die deutsche Abkommenspolitik stark am Standard der OECD orientiert. Vor diesem Hintergrund steht das OECD-Musterabkommen im Zentrum des vorliegenden Kommentars. Die Idee bestand dabei darin, einen Kommentar zu schaffen, dem der schwierige Spagat zwischen wissenschaftlicher Gründlichkeit und praktischer Handhabbarkeit gelingt, ohne zugleich den Umfang eines Großkommentars anzunehmen. Das Autorenteam, bestehend aus namhaften Vertretern der Finanzgerichtsbarkeit, der Finanzverwaltung, der Beraterschaft und der Wissenschaft, hat sich diesem Anliegen verpflichtet. Die Autoren nähern sich zwar aufgrund ihrer jeweiligen Profession aus unterschiedlichen Richtungen der bearbeiteten Abkommensvorschrift. Eins eint aber alle, dass sie nämlich aufgrund ihrer praktischen Tätigkeit über eine große Sachnähe zu der jeweiligen Vorschrift verfügen. Der Leser unseres Kommentars wird daher neben den notwendigen theoretischen Überlegungen insbesondere die für die Praxis relevanten Probleme aus praktischer Hand aufbereitet finden. Der Aufbau der Kommentierung orientiert sich streng am Aufbau der einzelnen Vorschriften des OECD-MA. Die Kommentierung erfolgt Absatz für Absatz und Satz für Satz. Der Inhalt der einzelnen Randziffern wird durch fett hervorgehobene Schlagworte am Anfang des jeweiligen Absatzes umrissen. Diese Schlagworte wurden allerdings zugunsten der Übersichtlichkeit nicht in die Gliederung übernommen. Im Anschluss an die jeweilige Kommentierung der Vorschrift des OECD-MA folgt die Kommentierung der korrespondierenden Regelung in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen für ausgewählte Industriestaaten. Die Auswahl erfolgte danach, zu welchem Staat Deutschland wichtige Wirtschaftsbeziehungen unterhält (Belgien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Russland, Schweiz, Spanien und USA). Die Kommentierung der einzelnen Länderabkommen orientiert sich daran, dass zunächst die Abweichungen zum OECD-MA und sodann die daraus resultierenden Konsequenzen dargestellt werden. Neben dem OECD-MA und den einzelnen Länderabkommen enthält das Werk auch eine umfassende Kommentierung des EU-Amtshilfegesetzes (Anhang 1), des EU-Beitreibungsgesetzes (Anhang 2) sowie des Tax Information Exchange Agreement (Anhang 3). Trotz der zeitlichen Nähe der Veröffentlichung der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen zur Drucklegung des Kommentars konnten wir die gesamte deutsche Verhandlungsgrundlage kurzfristig im Zusammenhang erläutern und dem Kommentar als Anhang 4 beifügen. Es ist geplant, dass die deutsche Verhandlungsgrundlage
VII
Vorwort in den kommenden Auflagen innerhalb der einzelnen Kommentierungen der Vorschriften des OECD-MA berücksichtigt wird. Der Kommentierung des OECD-MA wurde im Grundsatz die Fassung zum 22. Juli 2010 zugrunde gelegt. Eine Ausnahme bildet Art. 7 (Unternehmensgewinne), der mit Blick auf die frühere deutsche Abkommenspraxis sowohl in seiner alten Fassung als auch in der des sog. „Authorized OECD Approach“ kommentiert worden ist. Zudem befindet sich Art. 26 (Informationsaustausch) auf dem Stand des Updates vom 18. Juli 2012. Die Länderabkommen sind zum Teil bereits in der Fassung kommentiert, in der sie demnächst erst in Kraft treten werden. Diese Vorgehensweise war notwendig geworden, weil einzelne Abkommen während der Erstellungsphase des Kommentars bereits abgeschlossen waren (bzw. wurden), aber deren Inkrafttreten nicht sicher prognostiziert werden konnte. In jedem Fall sollte aber vermieden werden, dass der Kommentar kurz nach seinem Erscheinen in Teilen überholt ist. Wir hoffen, in Ihrem Interesse gehandelt zu haben. Die deutsche Verhandlungsgrundlage ist auf dem Stand der am 18. April 2013 veröffentlichten Fassung. Abschließend möchten wir uns bei allen Beteiligten bedanken, die durch ihr Engagement das Entstehen des vorliegenden Kommentars überhaupt möglich gemacht haben. Hervorzuheben sind dabei natürlich die Autoren, die unter hohem zeitlichen und persönlichen Einsatz neben ihrer beruflichen und privaten Einbindung die vorliegenden Kommentierungen geschaffen haben. Besonders danken möchten wir auch unserem Lektor, Ass. iur. Michael Kunze, LL.M., der das Projekt von Anfang an mit großer Begeisterung vorangetrieben und begleitet hat. Und was wäre das Buch ohne Sie als Leser? Nur Papier zwischen Buchdeckeln. Daher sind Sie unbedingt aufgefordert, uns Ihre Wünsche und Anregungen mitzuteilen. Zögern Sie nicht, mit uns in die auch gegebenenfalls kritische Diskussion einzutreten. Das kann den Kommentar nur (noch) besser machen. Bonn, im endlich frühlingshaften April 2013 Dr. Jens Schönfeld und Dr. Xaver Ditz
VIII
Geleitwort Mit dem Schönfeld/Ditz stellt sich ein neuer Kommentar zu den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf dem Markt vor. Es ist der 1. Kommentar, den der Verlag Dr. Otto Schmidt auf diesem Gebiet herausbringt. Der neue Kommentar tritt in seinem Umfang und in seiner Konzeption (kein Loseblatt, Zugang im Internet) in Konkurrenz zu anderen, die in jüngerer Zeit zu der gleichen Thematik erschienen sind. Jeder, der auf diesem Gebiet tätig ist, kann dies nur begrüßen. Die Meinungsvielfalt belebt den Markt und gibt Denkanstöße für weitere Entwicklungen. Dies gilt auch aus der Sicht des Herausgebers eines Großkommentars zu den DBA. Jeder neu erscheinende Kommentar gibt die Gelegenheit, sich mit den in ihm vertretenen Auffassungen auseinanderzusetzen und gewisse Thesen weiterzuentwickeln. Letztlich ist deshalb für die Qualität eines Kommentars die Vielfalt der neuen Denkanstöße entscheidend, die er enthält. Der Schönfeld/Ditz kommentiert formell das OECD-MA entsprechend seinen 31 Artikeln einschließlich der Schlussklausel. Der OECD-MK ist zu jedem Artikel vollständig in englischer Sprache abgedruckt. Dieses Faktum erklärt sich aus dem Umstand, dass es bisher an einer offiziellen Übersetzung des OECD-MK in die deutsche Sprache fehlt. Die in anderen Kommentaren abgedruckten deutschen Übersetzungen gehen auf Privatinitiativen zurück und haben keinen amtlichen Charakter. Bekanntlich umfasst das deutsche Abkommensnetz zur Zeit 88 DBA, die im Verhältnis zu 93 Staaten anwendbar sind. Die zahlenmäßige Differenz erklärt sich damit, dass einige Abkommen (Russland, Jugoslawien, Tschechoslowakei) zu mehreren Nachfolgestaaten Anwendung finden. Es kommen Abkommen betreffend den Informationsaustausch hinzu. Der sich daraus ergebenden Problematik stellt sich der Schönfeld/Ditz in der Weise, dass am Ende eines jeden Artikels die Abweichungen in den deutschen DBA zu den wichtigsten Industriestaaten dargestellt und auf die sich daraus ergebenden Konsequenzen eingegangen wird. Es lohnt sich deshalb immer der Blick auf das Ende jeder Kommentierung. Hervorzuheben ist die von Schönfeld und Häck stammende und gut 80 Druckseiten umfassende Kommentierung der Systematik der DBA. Erwähnenswert erscheint ferner, dass Ditz den Art. 7 OECD-MA gewissermaßen zweimal kommentiert, nämlich einmal in der Fassung von 2008 und ein weiteres Mal in der Fassung von 2010 (AOA). Dies ist sicherlich eine Besonderheit des Schönfeld/Ditz. Bekanntlich hat das BMF eine deutsche Verhandlungsgrundlage für den Abschluss von DBA am 18.4.2013 mit Datum vom 11.3.2013 veröffentlicht. Ungeachtet der kurzen Zeitspanne nehmen die Kommentatoren immer wieder zu den Grundgedanken dieser Verhandlungsgrundlage Stellung, was den Wert des Schönfeld/Ditz deutlich steigen lässt. Es ist gewissermaßen der 1. Kommentar zu der deutschen Verhandlungsgrundlage. Im Übrigen umfassen die Kommentierungen auch Erläuterungen zu APA, EUAHiG, EUBeitrG, EU-Schiedskonvention und TIEA. Der Blick auf die Namen der insgesamt 22 Autoren belegt, dass sich hier Berater, Richter, Beamte, Wissenschaftler und Unternehmensangehörige zusammen gefunden haben. Dazu gehören der soeben zum Richter am BFH gewählte Dr. Christian Levedag, die Richter am FG Dr. Nadya Bozza-Bodden und Dr. Carsten Meinert, die Professoren Dr. Heike Jochum, Dr. Steffen Lampert und Dr. Carsten Pohl, der Ministerialrat Ernst Czakert, der Leitende Regierungsdirektor Franz Hruschka, die Regierungsdirektorin Silke Bruns und der Oberregierungsrat Karsten Flüchter. Aus dem Unternehmensbereich stammt der Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Andreas Körner aus Wolfsburg. Der Autorenkreis wird abgeschlossen durch Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer aus Bonn, Düsseldorf und Hamburg. Im Einzelnen handelt es sich um Christiane Bourseaux, Dr. Ralf Dremel, Dr. Nils Häck, Dr. Christian Hick, Dr. Daniel Liebchen, Dr. Bettina Lieber, Thomas Rauert, Dr. Carsten Schlotter, Dr. Vassil Tcherveniachki und nicht zuletzt die beiden Namensgeber des Kommentars, Dr. Jens Schönfeld und Dr. Xaver Ditz.
IX
Geleitwort Der Leser des Werkes kann von einer systematischen, gründlichen und dennoch kompakten Kommentierung des OECD-MA ausgehen, die die deutsche Verhandlungsgrundlage berücksichtigt. Es wird eine ausgewogene Sichtweise von Praxisfragen mit verlässlichen Problemlösungen angeboten. Der Kommentar wird seinen Platz in den Bibliotheken des deutschen Steuerrechts finden und einnehmen. Man kann nur hoffen und wünschen, dass die Autoren rechtzeitig zu einer 2. und 3. Auflage finden werden. In diesem Sinne wünscht der Unterzeichnete dem Kommentar den ihm gebührenden Erfolg. Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer Rechtsanwalt Steuerberater Vors. Richter am BFH a.D.
X
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Systematik
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen (Schönfeld/Häck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Artikel 1
Unter das Abkommen fallende Personen (Dremel) . . . . . . . .
93
Artikel 2
Unter das Abkommen fallende Steuern (Dremel) . . . . . . . . .
179
Artikel 3
Allgemeine Begriffsbestimmungen (Pohl) . . . . . . . . . . . . . . .
211
Artikel 4
Ansässige Person (Pohl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264
Artikel 5
Betriebstätte (Hruschka) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
317
Artikel 6
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Lieber) . . . . . . . . .
429
Artikel 7 (2008) Unternehmensgewinne (Ditz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
Artikel 7 (2010) Unternehmensgewinne (Ditz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
620
Artikel 8
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (Rauert) . . . .
666
Artikel 9
Verbundene Unternehmen (Ditz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
727
Artikel 10
Dividenden (Schönfeld) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
805
Artikel 11
Zinsen (Körner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
962
Artikel 12
Lizenzgebühren (Bozza-Bodden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1056
Artikel 13
Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Lieber) . . . . . .
1130
Artikel 14
Selbständige Arbeit (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1189
Artikel 15
Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Bourseaux/Levedag) . .
1217
Artikel 16
Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1312
Artikel 17
Künstler und Sportler (Schlotter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1333
Artikel 18
Ruhegehälter (Hick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1395
Artikel 19
Öffentlicher Dienst (Jochum/Lampert) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1454
Artikel 20
Studenten (Jochum/Lampert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1498
Artikel 21
Andere Einkünfte (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1521
Artikel 22
Vermögen (Tcherveniachki) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1556
Artikel 23A
Befreiungsmethode (Schönfeld/Häck) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1581
Artikel 23B
Anrechnungsmethode (Schönfeld/Häck) . . . . . . . . . . . . . . .
1581
Artikel 24
Gleichbehandlung (Bruns) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1690
Artikel 25
Verständigungsverfahren (Flüchter/Liebchen) . . . . . . . . . . .
1780
Artikel 26
Informationsaustausch (Czakert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1983
Artikel 27
Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern (Czakert) . . . . . . . .
2041
Artikel 28
Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen (Meinert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2070
Artikel 29
Erstreckung des räumlichen Geltungsbereichs (Meinert) . . . .
2088
Artikel 30
Inkrafttreten (Meinert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2100
Artikel 31
Kündigung (Meinert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2113 XI
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. AcP a.E. AEAO AEAStG AEUV a.F. AfA AG AktG Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA ArbG ArbN ArbnErfG ArGe Art. AStG ATE Aufl. AÜG AuslInvG AVR AWD Az.
andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Anwendungserlass zum Außensteuergesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Aktiengesetz Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Arbeitgeber Arbeitnehmer Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsgemeinschaft Artikel Außensteuergesetz Auslandstätigkeitserlass Auflage Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung Auslandsinvestmentgesetz Archiv des Völkerrechts (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Aktenzeichen
BaFin BAO BB BBergG BBEV Bd. BDI Begr. Beschl. BeSt betr. bevak BewG BewRGr BFH BFHE BFH/NV BGB BGBl.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesabgabenordnung (Österreich) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesberggesetz Beraterbrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Band Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beschluss Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (Zeitschrift) betreffend beleggingsvennootschap met vast kapitaal Bewertungsgesetz Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH BFH/NV (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II XIII
Abkürzungsverzeichnis BIFD BLIT BMVBS BMF BPT BR-Drucks. Bsp. BStBl. BT-Drucks. BTR Buchst. BV BVerfG bzgl. BZSt bzw.
Bulletin for International Fiscal Documentation Branch Level Interest Tax Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesministerium der Finanzen Branch Profits Tax Drucksachen des Bundesrates Beispiel Bundessteuerblatt Teil I, II oder III Drucksachen des Bundestages British Tax Review Buchstabe Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid Bundesverfassungsgericht bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise
C-Corp CDFI CFC CGI Coop Corp CPM CV CVoA
Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Controlled Foreign Company Général des impôts Coöperatie Corporation Comparable Profit Method Commanditaire Vennootschap Commanditaire Vennootschap op Andelen
DB DBA DEG ders. DE-VG d.h. dies. DK D/P/M D/P/P/M DRE DStJG
Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft derselbe Deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA das heißt dieselbe(n) Der Konzern (Zeitschrift) Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Disregarded Entity (US) Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Dispute Settlement Understanding Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift)
DStR DStRE DStZ DSU DSWR -E EAS EBIT EC Tax Review ECSD EFG EG EGBGB E/J/G/K ErbbauRG ErbStG XIV
(Gesetzes-) Entwurf Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) Earnings before interest and taxes European Communities Tax Review (Zeitschrift) European Convention on the Settlement of Disputes Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA Gesetz über das Erbbaurecht Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis EStB EStDV EStG EStR ET et al. EU EuGH EuGHE EuGH-URep EUSchK EuZW EWIV EWR EWS
Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuerrichtlinien European Taxation (Zeitschrift) et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungssammlung des EuGH EuGH-Umsatzsteuerreport EU-Schiedsverfahrenskonvention Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
f. FA FCP FCPR FCR F&E ff. FG FGO FinMin FinVerw. FIS-Status FlaggRG
Fn. Fondo Chiuso FR FRL FS FVerlV FVG F/W/B/S F/W/K FZA
folgende (eine Seite) Finanzamt Fonds commun de placement Fonds Commun de Placement à Risque Fondo capital riesgo Forschung und Entwicklung fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzministerium Finanzverwaltung Fonds d'Investissement Spécialisé Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe Flaggenrechtsverordnung Frotscher/Maas, Körperschaftsteuer/Gewerbesteuer/Umwandlungssteuer Fußnote Fondi Comuni de Investimento Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Funktionsverlagerungsverordnung Finanzverwaltungsgesetz Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland-Schweiz Freizügigkeitsabkommen
GA GATS GATT GAufzV GbR GebrMG gem. GenG GeschmMG GewStG GewStR ggf. G/K/G
Generalanwalt General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes Gebrauchsmustergesetz gemäß Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Geschmacksmustergesetz Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien gegebenenfalls Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA
FlRV F/M
XV
Abkürzungsverzeichnis GKKB GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GP GrEStG GrS GS GStB GuV Halbs. HB II HGB H/H/R H/H/Sp h.M. Hrsg. IAS IBFD ICSID i.d.F. i.d.R. i.d.S. i.e.S. IFA IFRS IGH i.H.v. Inc. INF
Gemeinsame konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) General Partnership Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gedächtnisschrift Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift) Gewinn- und Verlustrechnung Halbsatz Handelsbilanz 2 Handelsgesetzbuch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung herrschende Meinung Herausgeber
IRS i.S. ISR IStR ITPJ i.V.m. IWB
International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation Internation al Centre for Settlement of Investment Disputes in der Fassung in der Regel in dem Sinne im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Internationaler Gerichtshof in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) International Tax Review (Zeitschrift) Investitionsfondsrichtlinie (Österreich) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Service im Sinne Internationale Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung mit Internationale Wirtschafts-Briefe
JbFStR JStG JTPF jurisPR JV
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Jahressteuergesetz Joint Transfer Pricing Forum juris Praxisreport Joint Venture
Intertax InvFR InvG InvStG InvZulG IPO IPrax
XVI
Abkürzungsverzeichnis KAG Kap. KG KGaA KonsVerCHEV KonsVerNLDV KÖSDI K/S/M KStG KStR KunstUrhG KüSchV KWG
Kapitalanlagegesellschaft Kapitel Kommanditgesellschaft Kommanditgeselschaft auf Aktien Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung Deutsch-Niederländische Konsultationsvereinbarungsverordnung Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kunsturhebergesetz VO über die Küstenschifffahrt Gesetz über das Kreditwesen
LBO L/B/P lit. LLC LLLP LLP LP LoB Ltd. LuftVG
Leveraged Buy-Out Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Litera Limited Liability Company Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limited Partnership Limitation on Benefits Private Company Limited by Shares, Limited Luftverkehrsgesetz
MA m. Anm. MarkenG m.a.W. MEMAP MFN-Klauseln Mio. MoMiG
MTRL MüKo m.w.N. MwStSystRL
Musterabkommen mit Anmerkung(en) Markengesetz mit anderen Worten Manual on Effective Mutual Agreement Procedures (OECD) „Most favored nation“-Klauseln Million(en) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuersystemrichtlinie
n.F. NL Nr. NV NZG
neue Fassung Niederlande Nummer Naamloze Vennootschap Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OECD OECD-MA
Organization for Economic Cooperation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Organisation for European Economic Co-operation (Vorgängerorganisation der OECD) Oberfinanzdirektion offene Handelsgesellschaft Schweizerisches Obligationsrecht
MoRaKG
OECD-MK OEEC OFD OHG OR
XVII
Abkürzungsverzeichnis p.a. PartGG PatG PersG PIStB plc PLN PRICAF-Status Privak PSM PTLP
per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Patentgesetz Personengesellschaft Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Public Limited Company Polnischer Zloty Private equity à capital fixe Private Equity bevak Profit Split Method Publicly Traded Limited Partnership
RabelZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Rechnungsabgrenzungsposten Real Estate Investment Trust Reichsfinanzhof Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Regulated Investment Company Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Randzahl
RAP REIT RFH R/H/vL RIC RIW rkr. RL Rs. Rspr. RStBl. Rz. S S. S.A. Sàrl SC SCA Schr. SchRegO S-Corp SCR SCS SE SEStEG
SICAF SICAR SICAV SIF SIF-Status S/K/K Slg. SNC s.o. sog. Soparfi SpA SrC SRÜ StB Stbg XVIII
Schweden Seite, siehe Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Schreiben Schiffsregisterordnung Subchapter S Corporation Sociedad capital riesgo Société en Commandite Simple Societas Europea Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Société d'investissement à capital fixe Status Société d'investissement en capital à risque Société dinvestissement à capital variable Fonds dinvestissement spécialisé Spezialisierter Investmentfonds Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH Entscheidungen Société en nom collectif siehe oben so genannt Société de Participations Financieres Societa per Azioni Sociedad regular colecitva Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis StbJb StBp StEK StIGH StJ StuB StuW StVergAbG SWI
Steuerberater-Jahrbuch Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix, Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Ständiger Internationaler Gerichtshof Steuerjournal (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)
TIEA T/K TMTP TNI Tax TNMM TPG TPIR Tz.
Tax Information Exchange Agreement Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Notes International (Zeitschrift) Transactional Net Margin Method Transfer Pricng Guideline Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer
u.a. Ubg UmwG UmwStG Urt. US-MA UStG
unter anderem Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Urteil Musterabkommen der USA Umsatzsteuergesetz
v. VA VAG VAT V/B/E vE Vfg. vGA vgl. v.H. V/L VN-MA VO VWG vwt
vom, von Verwaltungsakt Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen Value added Tax Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise verdeckte Einlage Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung vergleiche vom Hundert Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Musterabkommen der Vereinten Nationen Verordnung Verwaltungsgrundsätze Der Wirtschaftstreuhänder (Zeitschrift)
W/A/D WEG WKBG W/M Wpg W/R/S
Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch Wohnungseigentumsgesetz Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Vertragsrechtskonvention
WÜD WÜK WÜRV WVK z.B. ZBstA
zum Beispiel Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.2004 XIX
Abkürzungsverzeichnis ZEV ZfZ ZHR ZiLiRL ZVglRWiss
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Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht EU-Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung
Gesamtliteraturverzeichnis Blümich/Elicker, EStG, KStG, GewStG, Anhang AStG und Nebengesetze, Kommentar, Loseblatt, München Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: D/P/P/M) Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: D/P/M) Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, München 2009 Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010 Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Berlin 2005 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: F/W/B/S) Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: F/W/K) Frotscher, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., München 2009 Frotscher, Praxiskommentar Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Frotscher/Maas, Praxiskommentar Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg (zit.: F/M) Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., München 2009 Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2009 Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin (zit.: G/K/G) Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011 Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., Heidelberg 2012 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: H/H/R) Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: H/H/Sp) Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 7. Aufl., München 2011 Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl., München 2008 Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., Köln 2013 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Heidelberg (zit.: K/S/M) Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 11. Aufl., München 2012 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Korn, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, München 2009 Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Loseblatt, Köln Lademann, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln
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Gesamtliteraturverzeichnis Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: L/B/P) Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 2. Aufl., München 2012 Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, München 2008 Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl., Köln 2012 Mössner/Fuhrmann, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., Herne 2011 Pahlke/König, Abgabenordnung, 2. Aufl., München 2009 Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013 Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Köln 2011; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 32. Aufl., München 2013 Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Loseblatt, Bonn (zit.: S/K/K) Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, Köln (zit.: T/K) Tipke/Lang, Steuerrecht, 21. Aufl., Köln 2013 Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 5. Aufl., München 2008 (zit.: V/L) Vögele/Borstell/Engler, Handbuch der Verrechnungspreise, 3. Aufl., München 2011 (zit.: V/B/E) Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Loseblatt, München 2013 Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006 (zit.: W/A/D) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010 (zit.: W/R/S) Wöhrle/Schelle/Gross, AStG-Kommentar, Loseblatt, Stuttgart (zit.: W/S/G)
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Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen A. Ziele von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Doppelbesteuerung . . . . . . 2. Ursachen und gesamtwirtschaftliche Folgen von Doppelbesteuerung . . . . . 3. Rechtspflicht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung? . . . . . II. Sachgerechte Verteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermeidung von „Doppelnichtbesteuerung“ kein generelles Vertragsziel von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abkommensrechtliche Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung . . . . . . . 3. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wirkungsweise von DBA . . . . . . . . . . . B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehung und Rechtscharakter . . . II. Historische Entwicklung des OECD-MA/OECD-MK . . . . . . . . . . . . . III. Aufbau und Struktur von OECD-MA und OECD-MK . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltungsbereich des Abkommens (Art. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriffsbestimmungen (Art. 3–5) . . . . 4. Besteuerung des Einkommens und Vermögens (Art. 6–22) . . . . . . . . . . . . . a) Systematisches . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt und Struktur der Verteilungsnormen im Überblick . . . . . . . 5. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A/B) . . . . 6. Besondere Bestimmungen (Art. 24–29) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schlussbestimmungen (Art. 30, 31) . . IV. Bedeutung von OECD-MA/OECDMK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zustandekommen, Revision und Beendigung von DBA . . . . . . . . . . . . I. Zustandekommen von DBA . . . . . . . 1. Mehrstufiger Entstehensprozess bis zum Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstmalige und rückwirkende Abkommenswirkung . . . . . . . . . . . . . II. Revision und Außerkrafttreten von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 1 4 8
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19 22 26 26 30 33 33 35 36 37 37 41 50 53 59 61
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D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Stand der deutschen DBA . . . . . . II. Deutsche Abkommenspolitik . . . . III. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . Gegenstand der Auslegung . . . . . . . . . Methodik der Auslegung von DBA . . . Vorrang abkommensautonomer Auslegung und Bedeutung des innerstaatlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelaspekte der Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung von DBA als völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . b) Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . c) Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung von Konsultationsvereinbarungen für die Auslegung von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 76 78
E. I. II. 1.
F. DBA und EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang des EU-Rechts . . . . . . . 2. Anwendung der allgemeinen EUrechtlichen Grundsätze auf DBA . . . . 3. DBA mit Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . a) Unberührtheitsklausel des Art. 351 AEUV für vorgemeinschaftliche Drittstaatsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortbestandsgarantie des Art. 64 AEUV für vor dem 31.12.1993 bestandene Beschränkungen . . . . . . . c) Weitere Einschränkung des Drittstaatenschutzes im Rahmen von Art. 63 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einwirkung primären Unionsrechtes auf DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abkommensberechtigung. . . . . . . . . . 2. Verteilungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methodenartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . 5. Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . III. Einwirkung sekundären Unionsrechts auf DBA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einwirkung EU-rechtlicher Abkommen zu Nicht-EU-Staaten auf DBA . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu EWR-Staaten . . . . . . . . 3. Verhältnis zur Schweiz . . . . . . . . . . . .
78 86 86 89 97
99 101 101 101 103 105
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G. DBA und innerstaatliches Steuerrecht, insbesondere „Treaty override“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
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Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
I. Verhältnis von DBA und (sonstigem) innerstaatlichen Steuerrecht . . . . . . . II. Treaty override. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Bedeutung . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zum Verfassungsrecht . . . . a) „Treaty override“ verstößt gegen Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . b) „Treaty override“ verstößt gegen Art. 25 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung als Missbrauchsvermeidungsnorm? . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zum EU-Recht . . . . . . . . . .
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H. „Missbrauch“ von DBA . . . . . . . . . . . I. Begriff und Arten der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA. . . II. Missbrauchsvermeidungsvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulässigkeit von Missbrauchsbekämpfungsvorschriften . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit im EU-Recht . . . . . . . . .
. 158 . 158 . 160 . 162 . 162 . 164
OECD-Musterkommentar FOREWORD This is the eighth edition of the condensed version of the publication entitled Model Tax Convention on Income and on Capital, first published in loose-leaf format in 1992 and periodically updated since then. This condensed version includes the text of the Model Tax Convention as it read on 22 July 2010 after the adoption of the eighth update by the Council of the OECD. Historical notes included in Volume I of the full-length version as well as the detailed list of tax conventions between OECD member countries and the background reports that are included in Volume II of the full-length version have not been reproduced in this version. Introduction 1. International juridical double taxation can be generally defined as the imposition of comparable taxes in two (or more) States on the same taxpayer in respect of the same subject matter and for identical periods. Its harmful effects on the exchange of goods and services and movements of capital, technology and persons are so well known that it is scarcely necessary to stress the importance of removing the obstacles that double taxation presents to the development of economic relations between countries. 2. It has long been recognised among the member countries of the Organisation for Economic Co-operation and Development that it is desirable to clarify, standardise, and confirm the fiscal situation of taxpayers who are engaged in commercial, industrial, financial, or any other activities in other countries through the application by all countries of common solutions to identical cases of double taxation. 3. This is the main purpose of the OECD Model Tax Convention on Income and on Capital, which provides a means of settling on a uniform basis the most common problems that arise in the field of international juridical double taxation. As recommended by the Council of the OECD,1 member countries, when concluding or revising bilateral conventions, should conform to this Model Convention as interpreted by the Commentaries thereon and having regard to the reservations contained therein and their tax authorities should follow these Commentaries, as modified from time to time and subject to their observations thereon, when applying and interpreting the provisions of their bilateral tax conventions that are based on the Model Convention. A. Historical background 4. Progress had already been made towards the elimination of double taxation through bilateral conventions or unilateral measures when the Council of the Organisation for European Economic Co-operation (OEEC) adopted its first Recommenda1 See Annex.
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Systematik
tion concerning double taxation on 25 February 1955. At that time, 70 bilateral general conventions had been signed between countries that are now members of the OECD. This was to a large extent due to the work commenced in 1921 by the League of Nations. This work led to the drawing up in 1928 of the first model bilateral convention and, finally, to the Model Conventions of Mexico (1943) and London (1946), the principles of which were followed with certain variants in many of the bilateral conventions concluded or revised during the following decade. Neither of these Model Conventions, however, was fully and unanimously accepted. Moreover, in respect of several essential questions, they presented considerable dissimilarities and certain gaps. 5. The increasing economic interdependence and co-operation of the member countries of the OEEC in the post-war period showed increasingly clearly the importance of measures for preventing international double taxation. The need was recognised for extending the network of bilateral tax conventions to all member countries of the OEEC, and subsequently of the OECD, several of which had so far concluded only very few conventions and some none at all. At the same time, harmonization of these conventions in accordance with uniform principles, definitions, rules, and methods, and agreement on a common interpretation, became increasingly desirable. 6. It was against this new background that the Fiscal Committee set to work in 1956 to establish a draft convention that would effectively resolve the double taxation problems existing between OECD member countries and that would be acceptable to all member countries. From 1958 to 1961, the Fiscal Committee prepared four interim Reports, before submitting in 1963 its final Report entitled Draft Double Taxation Convention on Income and Capital.1 The Council of the OECD adopted, on 30 July 1963, a Recommendation concerning the avoidance of double taxation and called upon the Governments of member countries, when concluding or revising bilateral conventions between them, to conform to that Draft Convention. 7. The Fiscal Committee of the OECD had envisaged, when presenting its Report in 1963, that the Draft Convention might be revised at a later stage following further study. Such a revision was also needed to take account of the experience gained by member countries in the negotiation and practical application of bilateral conventions, of changes in the tax systems of member countries, of the increase in international fiscal relations, and of the development of new sectors of business activity and the emergence of new complex business organisations at the international level. For all these reasons, the Fiscal Committee and, after 1971, its successor the Committee on Fiscal Affairs, undertook the revision of the 1963 Draft Convention and of the commentaries thereon. This resulted in the publication in 1977 of a new Model Convention and Commentaries.2 8. The factors that had led to the revision of the 1963 Draft Convention continued to exert their influence and, in many ways, the pressure to update and adapt the Model Convention to changing economic conditions progressively increased. New technologies were developed and, at the same time, there were fundamental changes taking place in the ways in which cross-borders transactions were undertaken. Methods of tax avoidance and evasion became more sophisticated. The globalisation and liberalisation of OECD economies also accelerated rapidly in the 1980s. Consequently, in the course of its regular work programme, the Committee on Fiscal Affairs and, in particular, its Working Party No. 1, continued after 1977 to examine various issues directly or indirectly related to the 1977 Model Convention. This work resulted in a number of reports, some of which recommended amendments to the Model Convention and its Commentaries.3 9. In 1991, recognizing that the revision of the Model Convention and the Commentaries had become an ongoing process, the Committee on Fiscal Affairs adopted the 1 Draft Double Taxation Convention on Income and Capital, OECD, Paris, 1963. 2 Model Double Taxation Convention on Income and on Capital, OECD, Paris, 1977. 3 A number of these reports were published and appear in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention.
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concept of an ambulatory Model Convention providing periodic and more timely updates and amendments without waiting for a complete revision. It was therefore decided to publish a revised updated version of the Model Convention which would take into account the work done since 1977 by integrating many of the recommendations made in the above-mentioned reports. 10. Because the influence of the Model Convention had extended far beyond the OECD member countries, the Committee also decided that the revision process should be opened up to benefit from the input of non-member countries, other international organisations and other interested parties. It was felt that such outside contributions would assist the Committee on Fiscal Affairs in its continuing task of updating the Model Convention to conform with the evolution of international tax rules and principles. 11. This led to the publication in 1992 of the Model Convention in a loose-leaf format. Unlike the 1963 Draft Convention and the 1977 Model Convention, the revised Model was not the culmination of a comprehensive revision, but rather the first step of an ongoing revision process intended to produce periodic updates and thereby ensure that the Model Convention continues to reflect accurately the views of member countries at any point in time. 11.1 Through one of these updates, produced in 1997, the positions of a number of non-member countries on the Model Convention were added in a second volume in recognition of the growing influence of the Model Convention outside the OECD countries (see below). At the same time, reprints of a number of previous reports of the Committee which had resulted in changes to the Model Convention were also added. B. Influence of the OECD Model Convention 12. Since 1963, the OECD Model Convention has had wide repercussions on the negotiation, application, and interpretation of tax conventions. 13. First, OECD member countries have largely conformed to the Model Convention when concluding or revising bilateral conventions. The progress made towards eliminating double taxation between member countries can be measured by the increasing number of conventions concluded or revised since 1957 in accordance with the Recommendations of the Council of the OECD. But the importance of the Model Convention should be measured not only by the number of conventions concluded between member countries1 but also by the fact that, in accordance with the Recommendations of the Council of the OECD, these conventions follow the pattern and, in most cases, the main provisions of the Model Convention. The existence of the Model Convention has facilitated bilateral negotiations between OECD member countries and made possible a desirable harmonization between their bilateral conventions for the benefit of both taxpayers and national administrations. 14. Second, the impact of the Model Convention has extended far beyond the OECD area. It has been used as a basic document of reference in negotiations between member and non-member countries and even between non-member countries, as well as in the work of other worldwide or regional international organisations in the field of double taxation and related problems. Most notably, it has been used as the basis for the original drafting and the subsequent revision of the United Nations Model Double Taxation Convention between Developed and Developing Countries,2 which reproduces a significant part of the provisions and Commentaries of the OECD Model Convention. It is in recognition of this growing influence of the Model Convention in nonmember countries that it was agreed, in 1997, to add to the Model Convention the positions of a number of these countries on its provisions and Commentaries. 15. Third, the worldwide recognition of the provisions of the Model Convention and their incorporation into a majority of bilateral conventions have helped make the 1 See Appendix I in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention for the list of these conventions. 2 United Nations Model Double Taxation Convention between Developed and Developing Countries, United Nations Publications, New York, first edition 1980, second edition 2001.
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Systematik
Commentaries on the provisions of the Model Convention a widely-accepted guide to the interpretation and application of the provisions of existing bilateral conventions. This has facilitated the interpretation and the enforcement of these bilateral conventions along common lines. As the network of tax conventions continues to expand, the importance of such a generally accepted guide becomes all the greater. C. Presentation of the Model Convention Title of the Model Convention 16. In both the 1963 Draft Convention and the 1977 Model Convention, the title of the Model Convention included a reference to the elimination of double taxation. In recognition of the fact that the Model Convention does not deal exclusively with the elimination of double taxation but also addresses other issues, such as the prevention of tax evasion and non-discrimination, it was subsequently decided to use a shorter title which did not include this reference. This change has been made both on the cover page of this publication and in the Model Convention itself. However, it is understood that the practice of many member countries is still to include in the title a reference to either the elimination of double taxation or to both the elimination of double taxation and the prevention of fiscal evasion. Broad lines of the Model Convention 17. The Model Convention first describes its scope (Chapter I) and defines some terms (Chapter II). The main part is made up of Chapters III to V, which settle to what extent each of the two Contracting States may tax income and capital and how international juridical double taxation is to be eliminated. Then follow the Special Provisions (Chapter VI) and the Final Provisions (entry into force and termination, Chapter VII). Scope and definitions 18. The Convention applies to all persons who are residents of one or both of the Contracting States (Article 1). It deals with taxes on income and on capital, which are described in a general way in Article 2. In Chapter II, some terms used in more than one Article of the Convention are defined. Other terms such as “dividends”, “interest”, “royalties” and “immovable property” are defined in the Articles that deal with these matters. Taxation of income and capital 19. For the purpose of eliminating double taxation, the Convention establishes two categories of rules. First, Articles 6 to 21 determine, with regard to different classes of income, the respective rights to tax of the State of source or situs and of the State of residence, and Article 22 does the same with regard to capital. In the case of a number of items of income and capital, an exclusive right to tax is conferred on one of the Contracting States. The other Contracting State is thereby prevented from taxing those items and double taxation is avoided. As a rule, this exclusive right to tax is conferred on the State of residence. In the case of other items of income and capital, the right to tax is not an exclusive one. As regards two classes of income (dividends and interest), although both States are given the right to tax, the amount of tax that may be imposed in the State of source is limited. Second, insofar as these provisions confer on the State of source or situs a full or limited right to tax, the State of residence must allow relief so as to avoid double taxation; this is the purpose of Articles 23 A and 23 B. The Convention leaves it to the Contracting States to choose between two methods of relief, i.e. the exemption method and the credit method. 20. Income and capital may be classified into three classes, depending on the treatment applicable to each class in the State of source or situs: – income and capital that may be taxed without any limitation in the State of source or situs,
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Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
– income that may be subjected to limited taxation in the State of source, and – income and capital that may not be taxed in the State of source or situs. 21. The following are the classes of income and capital that may be taxed without any limitation in the State of source or situs: – income from immovable property situated in that State (including income from agriculture or forestry), gains from the alienation of such property, and capital representing it (Article 6 and paragraph 1 of Articles 13 and 22); – profits of a permanent establishment situated in that State, gains from the alienation of such a permanent establishment, and capital representing movable property forming part of the business property of such a permanent establishment (Article 7 and paragraph 2 of Articles 13 and 22); an exception is made, however, if the permanent establishment is maintained for the purposes of international shipping, inland waterways transport, and international air transport (see paragraph 23 below); – income from the activities of artistes and sportsmen exercised in that State, irrespective of whether such income accrues to the artiste or sportsman himself or to another person (Article 17); – directors’ fees paid by a company that is a resident of that State (Article 16); – remuneration in respect of an employment in the private sector, exercised in that State, unless the employee is present therein for a period not exceeding 183 days in any twelve month period commencing or ending in the fiscal year concerned and certain conditions are met; and remuneration in respect of an employment exercised aboard a ship or aircraft operated internationally or aboard a boat, if the place of effective management of the enterprise is situated in that State (Article 15); subject to certain conditions, remuneration and pensions paid in respect of government service (Article 19). 22. The following are the classes of income that may be subjected to limited taxation in the State of source: – dividends: provided the holding in respect of which the dividends are paid is not effectively connected with a permanent establishment in the State of source, that State must limit its tax to 5 per cent of the gross amount of the dividends, where the beneficial owner is a company that holds directly at least 25 per cent of the capital of the company paying the dividends, and to 15 per cent of their gross amount in other cases (Article 10); – interest: subject to the same proviso as in the case of dividends, the State of source must limit its tax to 10 per cent of the gross amount of the interest, except for any interest in excess of a normal amount (Article 11). 23. Other items of income or capital may not be taxed in the State of source or situs; as a rule they are taxable only in the State of residence of the taxpayer. This applies, for example, to royalties (Article 12), gains from the alienation of shares or securities (paragraph 5 of Article 13), private sector pensions (Article 18), payments received by a student for the purposes of his education or training (Article 20), and capital represented by shares or securities (paragraph 4 of Article 22). Profits from the operation of ships or aircraft in international traffic or of boats engaged in inland waterways transport, gains from the alienation of such ships, boats, or aircraft, and capital represented by them, are taxable only in the State in which the place of effective management of the enterprise is situated (Article 8 and paragraph 3 of Articles 13 and 22). Business profits that are not attributable to a permanent establishment in the State of source are taxable only in the State of residence (paragraph 1 of Article 7). 24. Where a resident of a Contracting State receives income from sources in the other Contracting State, or owns capital situated therein, that in accordance with the Convention is taxable only in the State of residence, no problem of double taxation arises, since the State of source or situs must refrain from taxing that income or capital.
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Systematik
25. Where, on the contrary, income or capital may, in accordance with the Convention, be taxed with or without limitation in the State of source or situs, the State of residence has the obligation to eliminate double taxation. This can be accomplished by one of the following two methods: – exemption method: income or capital that is taxable in the State of source or situs is exempted in the State of residence, but it may be taken into account in determining the rate of tax applicable to the taxpayer’s remaining income or capital; – credit method: income or capital that is taxable in the State of source or situs is subject to tax in the State of residence, but the tax levied in the State of source or situs is credited against the tax levied by the State of residence on such income or capital. Special provisions 26. There are a number of special provisions in the Convention. These provisions concern: – the elimination of tax discrimination in various circumstances (Article 24); – the establishment of a mutual agreement procedure for eliminating double taxation and resolving conflicts of interpretation of the Convention (Article 25); – the exchange of information between the tax authorities of the Contracting States (Article 26); – the assistance by Contracting States in the collection of each other’s taxes (Article 27); – the tax treatment of members of diplomatic missions and consular posts in accordance with international law (Article 28); – the territorial extension of the Convention (Article 29). General remarks on the Model Convention 27. The Model Convention seeks, wherever possible, to specify for each situation a single rule. On certain points, however, it was thought necessary to leave in the Convention a certain degree of flexibility, compatible with the efficient implementation of the Model Convention. Member countries therefore enjoy a certain latitude, for example, with regard to fixing the rate of tax at source on dividends and interest and the choice of method for eliminating double taxation. Moreover, for some cases, alternative or additional provisions are mentioned in the Commentaries. Commentaries on the Articles 28. For each Article in the Convention, there is a detailed Commentary that is intended to illustrate or interpret its provisions. 29. As the Commentaries have been drafted and agreed upon by the experts appointed to the Committee on Fiscal Affairs by the Governments of member countries, they are of special importance in the development of international fiscal law. Although the Commentaries are not designed to be annexed in any manner to the conventions signed by member countries, which unlike the Model are legally binding international instruments, they can nevertheless be of great assistance in the application and interpretation of the conventions and, in particular, in the settlement of any disputes. 29.1 The tax administrations of member countries routinely consult the Commentaries in their interpretation of bilateral tax treaties. The Commentaries are useful both in deciding day-to-day questions of detail and in resolving larger issues involving the policies and purposes behind various provisions. Tax officials give great weight to the guidance contained in the Commentaries. 29.2 Similarly, taxpayers make extensive use of the Commentaries in conducting their businesses and planning their business transactions and investments. The Commentaries are of particular importance in countries that do not have a procedure for
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Systematik
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
obtaining an advance ruling on tax matters from the tax administration as the Commentaries may be the only available source of interpretation in that case. 29.3 Bilateral tax treaties are receiving more and more judicial attention as well. The courts are increasingly using the Commentaries in reaching their decisions. Information collected by the Committee on Fiscal Affairs shows that the Commentaries have been cited in the published decisions of the courts of the great majority of member countries. In many decisions, the Commentaries have been extensively quoted and analysed, and have frequently played a key role in the judge’s deliberations. The Committee expects this trend to continue as the worldwide network of tax treaties continues to grow and as the Commentaries gain even more widespread acceptance as an important interpretative reference. 30. Observations on the Commentaries have sometimes been inserted at the request of member countries that are unable to concur in the interpretation given in the Commentary on the Article concerned. These observations thus do not express any disagreement with the text of the Convention, but usefully indicate the way in which those countries will apply the provisions of the Article in question. Since the observations are related to the interpretations of the Articles given in the Commentaries, no observation is needed to indicate a country’s wish to modify the wording of an alternative or additional provision that the Commentaries allow countries to include in their bilateral conventions. Reservations of certain member countries on some provisions of the Convention 31. Although all member countries are in agreement with the aims and the main provisions of the Model Convention, nearly all have entered reservations on some provisions, which are recorded in the Commentaries on the Articles concerned. There has been no need for countries to make reservations indicating their intent to use the alternative or additional provisions that the Commentaries allow countries to include in their bilateral conventions or to modify the wording of a provision of the Model to confirm or incorporate an interpretation of that provision put forward in the Commentary. It is understood that insofar as a member country has entered reservations, the other member countries, in negotiating bilateral conventions with the former, will retain their freedom of action in accordance with the principle of reciprocity. 32. The Committee on Fiscal Affairs considers that these reservations should be viewed against the background of the very wide areas of agreement that has been achieved in drafting this Convention. Relation with previous versions 33. When drafting the 1977 Model Convention, the Committee on Fiscal Affairs examined the problems of conflicts of interpretation that might arise as a result of changes in the Articles and Commentaries of the 1963 Draft Convention. At that time, the Committee considered that existing conventions should, as far as possible, be interpreted in the spirit of the revised Commentaries, even though the provisions of these conventions did not yet include the more precise wording of the 1977 Model Convention. It was also indicated that member countries wishing to clarify their positions in this respect could do so by means of an exchange of letters between competent authorities in accordance with the mutual agreement procedure and that, even in the absence of such an exchange of letters, these authorities could use mutual agreement procedures to confirm this interpretation in particular cases. 34. The Committee believes that the changes to the Articles of the Model Convention and the Commentaries that have been made since 1977 should be similarly interpreted. 35. Needless to say, amendments to the Articles of the Model Convention and changes to the Commentaries that are a direct result of these amendments are not relevant to the interpretation or application of previously concluded conventions where the provisions of those conventions are different in substance from the amended Articles. However, other changes or additions to the Commentaries are nor-
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OECD-Musterkommentar
Systematik
mally applicable to the interpretation and application of conventions concluded before their adoption, because they reflect the consensus of the OECD member countries as to the proper interpretation of existing provisions and their application to specific situations. 36. Whilst the Committee considers that changes to the Commentaries should be relevant in interpreting and applying conventions concluded before the adoption of these changes, it disagrees with any form of a contrario interpretation that would necessarily infer from a change to an Article of the Model Convention or to the Commentaries that the previous wording resulted in consequences different from those of the modified wording. Many amendments are intended to simply clarify, not change, the meaning of the Articles or the Commentaries, and such a contrario interpretations would clearly be wrong in those cases. 36.1 Tax authorities in member countries follow the general principles enunciated in the preceding four paragraphs. Accordingly, the Committee on Fiscal Affairs considers that taxpayers may also find it useful to consult later versions of the Commentaries in interpreting earlier treaties. Multilateral convention 37. When preparing the 1963 Draft Convention and the 1977 Model Convention, the Committee on Fiscal Affairs considered whether the conclusion of a multilateral tax convention would be feasible and came to the conclusion that this would meet with great difficulties. It recognised, however, that it might be possible for certain groups of member countries to study the possibility of concluding such a convention among themselves on the basis of the Model Convention, subject to certain adaptations they might consider necessary to suit their particular purposes. 38. The Nordic Convention on Income and Capital entered into by Denmark, Finland, Iceland, Norway and Sweden, which was concluded in 1983 and replaced in 1987, 1989 and 1996,1 provides a practical example of such a multilateral convention between a group of member countries and follows closely the provisions of the Model Convention. 39. Also relevant is the Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters, which was drawn up within the Council of Europe on the basis of a first draft prepared by the Committee on Fiscal Affairs. This Convention entered into force on 1 April 1995. 40. Despite these two conventions, there are no reasons to believe that the conclusion of a multilateral tax convention involving all member countries could now be considered practicable. The Committee therefore considers that bilateral conventions are still a more appropriate way to ensure the elimination of double taxation at the international level. Tax avoidance and evasion; improper use of conventions 41. The Committee on Fiscal Affairs continues to examine both the improper use of tax conventions and international tax evasion. The problem is referred to in the Commentaries on several Articles. In particular, Article 26, as clarified in the Commentary, enables States to exchange information to combat these abuses.
1 The Faroe Islands is also a signatory of the 1989 and 1996 Conventions.
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Systematik
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
NON-OECD ECONOMIES’ POSITIONS ON THE OECD MODEL TAX CONVENTION Introduction 1. When, in 1991, the Committee on Fiscal Affairs adopted the concept of an ambulatory Model Tax Convention, it also decided that because the influence of the Model Tax Convention had extended far beyond the OECD member countries, the ongoing process through which the Model Tax Convention would be updated should be opened up to benefit from the input of non-OECD economies. 2. Pursuant to that decision, the Committee on Fiscal Affairs decided, in 1996, to organise annual meetings that would allow experts of member countries and some nonOECD economies to discuss issues related to the negotiation, application and interpretation of tax conventions. Recognising that non-OECD economies could only be expected to associate themselves to the development of the Model Tax Convention if they could retain their freedom to disagree with its contents, the Committee also decided that these countries should, like member countries, have the possibility to identify the areas where they are unable to agree with the text of an Article or with an interpretation given in the Commentary. 3. This has led to the inclusion in the Model Tax Convention of this section, which sets out the positions of a number of non-OECD economies on the Articles of the Model and the Commentary thereon. It is intended that this document will be periodically updated, like the rest of the Model Tax Convention, to reflect changes in the views of participating economies. 4. This section reflects the following non-OECD economies’ positions on the Model Tax Convention: Albania Belarus Croatia Gabon Indonesia Kazakhstan Malaysia Philippines Serbia Tunisia Vietnam
Argentina Brazil Democratic Republic of the Congo Hong Kong, China Israel Latvia Morocco Romania South Africa Ukraine
Armenia Bulgaria Estonia India Ivory Coast Lithuania People’s Republic of China Russia Thailand United Arab Emirates
5. Whilst these economies generally agree with the text of the Articles of the Model Tax Convention and with the interpretations put forward in the Commentary, there are for each economy some areas of disagreement. For each Article of the Model Tax Convention, the positions that are presented in this section indicate where a country disagrees with the text of the Article and where it disagrees with an interpretation given in the Commentary in relation to the Article.1 As is the case with the observations and reservations of member countries, no reference is made to cases where an economy would like to supplement the text of an Article with provisions that do not conflict with the Article, especially if these provisions are offered as alternatives in the Commentary, or would like to put forward an interpretation that does not conflict with the Commentary.
1 Indonesia and the People’s Republic of China wish to clarify expressly that in the course of negotiations with other countries, they will not be bound by their stated positions included in this section.
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A. Ziele von DBA
Rz. 1–3 Systematik
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen A. Ziele von DBA I. Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung 1. Begriff der Doppelbesteuerung Vermeidung von „Doppelbesteuerung“. DBA dienen als Bestandteil des Internatio- 1 nalen Steuerrechts1 primär der Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung2 in Form von bilateralen3 Vereinbarungen. Die Beschreibung des Phänomens der Doppelbesteuerung, dessen Systematik und Begriffsbedeutung i.e.S. ist Gegenstand umfangsreicher wissenschaftlicher Diskussionen, aus der eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffsbildungen und Abgrenzungsversuche hervorgegangen sind.4 Auch enthalten weder das OECD-MA noch die deutschen DBA eine explizite Definition der zu vermeidenden „Doppelbesteuerung“, auch wenn der Begriff an verschiedenen Stellen in den Abkommenstexten verwandt wird (vgl. die zweite Fußnote zu Rz. 3). Welche Art von „Doppelbesteuerung“ vermieden werden soll, folgt insoweit lediglich mittelbar aus den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen und angeordneten Rechtsfolgen der einschlägigen Abkommensvorschriften. Regelmäßig zielen die Vorschriften der DBA aber (nur) auf die Vermeidung sog. juristischer Doppelbesteuerungen (vgl. Rz. 2). Die Vertragsstaaten sind jedoch darin frei, (auch) Regelungen z.B. zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen (Rz. 2) zu treffen,5 wie etwa durch Art. 9.6 Für die Abkommensanwendung hat der Begriff der „Doppelbesteuerung“ als solcher nur eingeschränkte Bedeutung (Rz. 3). Juristische und wirtschaftliche Doppelbesteuerung. Unter juristischer Doppel- 2 besteuerung werden Sachverhalte verstanden, in denen zwei (oder mehrere) souveräne Staaten von demselben Steuerpflichtigen (Steuersubjekt) für denselben Steuergegenstand (Steuerobjekt) und in demselben Zeitraum eine gleichartige Steuer erheben.7 Besteuern zwei (oder mehrere) souveräne Staaten dasselbe Steuerobjekt, fehlt es aber an dem Merkmal der Steuersubjektidentität, wird regelmäßig von sog. wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (oder auch Doppelbelastung) gesprochen.8 Die Ursachen juristischer wie wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen sind vielfältig (Rz. 4 ff.). Bedeutung für die Abkommensanwendung. Für die Abkommensanwendung ha- 3 ben die verschiedenen Begriffe der Doppelbesteuerung nur eingeschränkte Bedeutung. Der Begriff der „Doppelbesteuerung“ ist kein Rechtsbegriff i.e.S., da die Vor1 Zum Begriff ausführlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 1.1 ff. 2 Vgl. Titel des OECD-MA 2010: „OECD-Musterabkommen 2010 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ und Titel des OECD-MA (E): „OECD-Musterabkommen für ein Abkommen zwischen (Staat A) und (Staat B) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern“. 3 An multilateralen DBA ist Deutschland nicht beteiligt (vgl. zu internationalen Beispielen Vogel in V/L5, Einl. Rz. 39). Soweit kein DBA zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung besteht, können Doppelbesteuerungen auch durch unilaterale (einseitige) innerstaatliche Anrechnung ausländischer Steuern (z.B. gem. § 34c EStG; § 26 Abs. 1 KStG) vermieden werden. 4 Differenziert wird z.B. zwischen formaler/materieller, subjektiver/objektiver, echter/unechter, eigentlicher/uneigentlicher, technischer, rechtlicher, juristischer, wirtschaftlicher, ökonomischer, horizontaler und vertikaler, direkter und indirekter Doppelbesteuerung, vgl. ausführlich Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.1. m.w.N. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1. 6 Eine Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen enthält Art. 9 OECD-MA bei Verrechnungspreiskonflikten, die durch sich überschneidende Gewinnerhöhungen bei verschiedenen Unternehmen und damit verschiedenen Steuerpflichtigen ausgelöst werden, vgl Art. 9 Rz. 5. 7 Vgl. Einleitung Nr. 1 OECD-MK; Vogel in V/L5, Einl. Rz. 2 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.2.; vgl. auch Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3 mit dem zusätzlichen Erfordernis einer „unangemessen hohen“ Besteuerung. 8 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. Rz. 2.
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Systematik Rz. 3–6
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
schriften der DBA nicht unmittelbar an das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Doppelbesteuerung eine Rechtsfolge knüpfen,1 auch wenn der Begriff an verschiedenen Stellen im Abkommen Verwendung findet.2 Für die Anwendung der DBA hat er daher keine unmittelbare Bedeutung.3 Vielmehr ist das Abkommen ausgehend von den in ihm umschriebenen Tatbeständen auszulegen. Das Ziel der DBA, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, kann aber zumindest mittelbar im Rahmen der teleologischen Auslegung einer Abkommensvorschrift, insbesondere unter Berücksichtigung der gebotenen Entscheidungsharmonie (vgl. Rz. 92) Bedeutung erlangen. Denn die Vermeidung der Doppelbesteuerung setzt – wie auch das Ziel der sachgerechten Verteilung der Steuergüter (Rz. 11) – voraus, dass beide Vertragsstaaten abkommensrechtliche Begriffe einheitlich und übereinstimmend auslegen. 2. Ursachen und gesamtwirtschaftliche Folgen von Doppelbesteuerung 4
Territorialitätsprinzip. Die Fiskalhoheit im Staatsgebiet ist Kernbestandteil staatlicher Souveränität. Völkerrechtlich ist der einzelne souveräne Staat in seinem Steuerfindungs- und Steuererhebungsrecht grds. nur durch das aus dem völkerrechtlichen Gebot internationaler Rücksichtnahme folgende Territorialitätsprinzip begrenzt. Danach ist die Ausdehnung der Besteuerung eines Staates ohne jegliche persönliche oder räumliche Verbindung (sog. „genuine link“)4 des zu besteuernden Sachverhalts zum besteuernden Staat unzulässig.5 Besteht eine entsprechende Verbindung, ist ein Staat grds. völkerrechtlich nicht daran gehindert, auch solche Sachverhalte sachlich der Besteuerung zugrunde zu legen, die grenzüberschreitende Anknüpfungspunkte aufweisen oder ausschließlich auf dem Territorium eines anderen Staates verwirklicht worden sind.6
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Ursachen juristischer Doppelbesteuerung. Juristische Doppelbesteuerung (dazu auch Rz. 2) wird ausgelöst, wenn gleichzeitig zwei (oder mehrere) Staaten im Rahmen dieser völkerrechtlichen Grenzen (Rz. 4) für einen Sachverhalt nach ihrem jeweiligen nationalen Steuerrecht Besteuerungsansprüche reklamieren und sich diese insoweit überschneiden.7 Grund hierfür ist regelmäßig, dass der jeweilige Steuerpflichtige im sog. Wohnsitzstaat mit seinen weltweiten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig ist (sog. Welteinkommensprinzip), jedoch bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt zugleich in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen (sog. Quellenstaat), der Besteuerung der Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unterliegt. Andererseits kann die Doppelbesteuerung auch ursächlich im Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten (z.B. durch Doppel- oder Mehrfachwohnsitz) sein, die die Einkünfte jeweils nach dem Welteinkommensprinzip besteuern möchten.
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Ursachen wirtschaftlicher Doppelbesteuerung. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung (dazu auch Rz. 2) kann sich durch eine in verschiedenen Staaten unterschiedliche Zurechnung von Einkünften bzw. Wirtschaftsgütern zu verschiedenen Steuersubjekten ergeben. Auslöser hierfür können Normen sein, die aus Gründen der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (z.B. § 39 AO) oder zur Vermeidung des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. § 42 AO) eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung anordnen. Daneben kann wirtschaftliche Doppelbesteuerung insbesondere bei Vereinbarungen zwischen miteinander verbun1 Vgl. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (137) m.w.N. 2 Der Begriff der „Doppelbesteuerung“ findet sich in den DBA nur an wenigen Stellen, z.B. dem Titel, ggf. der Präambel und dem sog. Methodenartikel. 3 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. Rz. 5; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 12.1.; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (137). 4 Z.B. durch einen Wohnsitz (§ 8 AO), den gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), die Staatsangehörigkeit, die Belegenheit von Vermögenswerten. 5 Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 88; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 463 ff.; Lehner, in FS Wassermeyer, 241 (244); Wassermeyer, DStJG Bd. 8 (1985), 49 (53 f.). 6 Vgl. stv. Epping/Gloria in Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 93. 7 Vgl. Grotherr in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 1, Rz. 33; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 7.
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A. Ziele von DBA
Rz. 6–10 Systematik
denen Unternehmen entstehen, wenn die beteiligten Unternehmen in zwei verschiedenen Staaten ansässig sind und (zumindest) einer der beiden Staaten losgelöst von den tatsächlichen Vereinbarungen abweichende Gewinnberichtigungen vornimmt.1 Wettbewerbsbeeinträchtigung durch Doppelbesteuerung. Doppelbesteuerung ist 7 insoweit wettbewerbsbeeinträchtigend, als sie ausländische Wettbewerber auf dem Inlandsmarkt („Kapitalimporteure“) und inländische Wettbewerber auf dem Auslandsmarkt („Kapitalexporteure“) benachteiligt.2 Die nicht überwälzbaren steuerlichen Mehrlasten verschlechtern die Wettbewerbssituation v.a. durch erschwerte Selbstund Fremdfinanzierungsmöglichkeiten zur Vornahme von Rationalisierungs- und Kapazitätserweiterungsmaßnahmen.3 Wünschenswerte Direktinvestitionen durch Inländer im Ausland unterblieben ebenso wie Direktinvestitionen durch Ausländer im Inland. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist daher auch von volkswirtschaftlichem Interesse, weil im Falle von Doppelbesteuerungen zumindest längerfristig das gesamtwirtschaftliche Wachstum und die damit verbundenen Steuermehreinnahmen verhältnismäßig geringer sind.4 3. Rechtspflicht zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung? Kein völkerrechtliches Gebot der Vermeidung von Doppelbesteuerung. Völker- 8 rechtlich besteht kein allgemeiner Rechtssatz, der eine Doppelbesteuerung verbieten würde. Lediglich das aus dem völkerrechtlichen Gebot internationaler Rücksichtnahme folgende Territorialitätsprinzip begrenzt den Besteuerungszugriff eines Staates völkerrechtlich auf die Sachverhalte, die zum besteuernden Staat einen Anknüpfungspunkt aufweisen (sog. „genuine link“, vgl. Rz. 4). In diesen Grenzen ist eine juristische wie wirtschaftliche Doppelbesteuerung völkerrechtlich unbedenklich. EU-Recht und Vermeidung von Doppelbesteuerung. Die negativen wettbewerb- 9 lichen Wirkungen von Doppelbesteuerung legen es eigentlich nahe, zumindest dem EU-Recht ein allgemeines Verbot der Doppelbesteuerung zu entnehmen. Das Primärund Sekundärrecht verpflichtet die Mitgliedsstaaten aber nur in engen Grenzen, eine Doppelbesteuerung zu verhindern (zu Einzelheiten vgl. Rz. 119 ff.). Verfassungsrechtliches Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Das 10 über Art. 3 GG gleichheitsrechtlich fundierte Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (sog. Leistungsfähigkeitsprinzip)5 entfaltet im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht seine Wirkung auch bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte.6 Die Beantwortung der Frage, ob eine Person mit einer bestimmten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit höher besteuert wird als eine Person, die die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufweist, kann nicht davon abhängen, ob die Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Inland oder Ausland belegen ist.7 Die universelle steuerliche Erfassung der weltweiten Einkünfte nach Maßgabe des Welteinkommensprinzips verlangt auch die Berücksichtigung der „internationalen Leistungsfähigkeit“ des Steuerpflichtigen, die durch zusätzliche, auf das Einkommen zu entrichtende ausländische Steuern gemindert wird. Die Vermeidung einer Doppelbesteuerung durch Berücksichtigung ausländischer Steuern im Rahmen der deutschen Besteuerung ist daher nicht lediglich eine im Ermessen des Staates stehende Zweckmäßigkeitserwägung, sondern über Art. 3 GG verfassungsrechtlich geboten.8 Dieses Gebot kann grds. im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens unilateral durch Anrechnung der ausländischen Steuern auf die im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht auf die fraglichen Einkünfte fallende Steuer (vgl. z.B. § 34c EStG) oder 1 2 3 4 5 6 7 8
Grotherr in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 1, Rz. 34. Vgl. stv. Rose, Internationales Steuerrecht6, 57 f. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.13. Rose, Internationales Steuerrecht6, 57 f. Stv. Lang in T/L, Steuerrecht20, § 4 Rz. 81 ff. Vgl. ausführlich Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 244 m.w.N. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 23. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 14.8 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (143 ff.); Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 23.
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Systematik Rz. 10–12
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
bilateral durch den Abschluss von DBA umgesetzt werden. Insoweit enthält das Verfassungsrecht keine besondere Vorgabe, die Doppelbesteuerung mit einer ganz bestimmten Maßnahme zu vermeiden. Greift im Einzelfall weder eine unilaterale noch eine bilaterale Vorschrift ist die Finanzverwaltung verpflichtet, Doppelbesteuerungen im Erlasswege (§§ 163, 227 AO) zu verhindern. Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht uneingeschränkt auf die Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht übertragen.1 Insoweit ist zu beachten, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip grds. auf die steuerliche Gesamtbelastung bezieht, nicht aber allein auf die Besteuerung im Quellenstaat. Ist Deutschland danach Quellenstaat, lässt sich die für die gleichheitsrechtliche Besteuerung notwendige Vergleichsprüfung aus deutscher Sicht kaum durchführen. In diesem Fall ist vielmehr der ausländische Wohnsitzstaat angehalten, die Doppelbesteuerung im Rahmen der dortigen unbeschränkten Steuerpflicht zu vermeiden.
II. Sachgerechte Verteilung des Steuersubstrats zwischen den Vertragsstaaten 11
Sekundäres Abkommensziel. Die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung durch DBA ließe sich (weitgehend) auch dadurch herstellen, dass entweder der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen (zur abkommensrechtlichen Ansässigkeit siehe Rz. 36) vollständig auf seine Besteuerungsansprüche zugunsten des Quellen- oder Belegenheitsstaates verzichtet oder umgekehrt der Quellen- oder Belegenheitsstaat seine Besteuerungsansprüche gegenüber dem Ansässigkeitsstaat vollständig zurücknimmt. Insbesondere Letzteres würde eine erhebliche Vereinfachung bedeuten, da nur die Frage der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen i.S.v. Art. 4 zu bestimmen wäre, eine besondere Bestimmung der Einkünfte und deren Herkunft aber regelmäßig nicht mehr erforderlich wären. Eine solche Verteilung wird jedoch als nicht sachgerecht empfunden. Vielmehr wird in den DBA ausgehend von der Intensität der Inanspruchnahme der Volkswirtschaft des Quellen- oder Belegenheitsstaates (sog. Äquivalenzprinzip) diesem entweder die uneingeschränkte,2 eine nur eingeschränkte3 oder keine4 Durchsetzung seines Besteuerungsanspruchs zugestanden. Insoweit dienen DBA nicht nur der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, sondern zielen ebenso auf eine von den Vertragsstaaten als sachgerecht empfundene Verteilung des Steuersubstrates.5
III. Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung 1. Vermeidung von „Doppelnichtbesteuerung“ kein generelles Vertragsziel von DBA 12
Gründe doppelter Nichtbesteuerung. Die Gründe doppelter Nichtbesteuerung in internationalen Sachverhalten, d.h. in Fällen, in denen die beteiligten Vertragsstaaten die fraglichen Einkünfte beide nicht besteuern, sind vielfältig.6 Im vorliegenden Zusammenhang sind jedoch nur solche relevant, die ihre Ursache (zumindest auch) in der Abkommensanwendung haben. Beruht eine doppelte Nichtbesteuerung hingegen darauf, dass die beiden Vertragsstaaten jenseits abkommensrechtlicher Regelungen bereits auf Basis ihrer innerstaatlichen Besteuerungsregime einen bestimmten Sachverhalt mit keiner Besteuerung belegen, ist eine Korrektur schon deshalb nicht angebracht, weil beide Vertragsstaaten bereits aus anderen innerstaatlichen Gründen den Sachverhalt für nicht besteuerungswürdig halten und daher auf Be1 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 26. 2 Z.B. (ggf. i.V.m. Art. 23A OECD-MA): Art. 6 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 (unbewegliches Vermögen); bei Eingreifen der sog. Betriebsstättenvorbehalte in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 (Unternehmensgewinne), Art. 10 Abs. 4 (Dividenden), Art. 11 Abs. 4 (Zinsen), Art. 12 Abs. 3 (Lizenzgebühren), Art. 13 Abs. 2 (Veräußerungsgewinne), Art. 21 Abs. 2 (andere Einkünfte). 3 Z.B. Art. 10 Abs. 2 (Dividenden), Art. 11 Abs. 2 (Zinsen). 4 Z.B. Art. 12 Abs. 1 (Lizenzgebühren), Art. 21 Abs. 1 (andere Einkünfte). 5 Stv. Flick in FS Spitaler, 151 (152). 6 Vgl. Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, 34 ff.; Hahn, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Länderbericht Deutschland, CDFI 89a, 2004, 325 (326).
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A. Ziele von DBA
Rz. 12–13 Systematik
steuerungsansprüche von vornherein verzichtet haben.1 Mögliche Ursache abkommensrechtlich bedingter doppelter Nichtbesteuerung kann das in den DBA angelegte2 Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung3 sein: Bei der Verteilung der Steuergüter durch die DBA wird grds. die Steuersouveränität der Vertragsstaaten respektiert und ein abkommensrechtlicher Steuerverzicht des einen Vertragsstaats nicht von Einzelheiten der Besteuerung im anderen Vertragsstaat abhängig gemacht, d.h., der Verzicht hängt nicht von der effektiven Besteuerung der fraglichen Einkünfte im anderen Vertragsstaat ab.4 Eine hieraus resultierende doppelte Nichtbesteuerung, weil z.B. der andere Vertragsstaat die Einkünfte bewusst nicht besteuert, wird vom verzichtenden Vertragsstaat hingenommen.5 Weiter können doppelte Nichtbesteuerungen etwa durch die unterschiedliche Auslegung des Abkommens, unterschiedliche Interpretationen auf Basis des innerstaatlichen Rechts (i.V.m. Art. 3 Abs. 2) oder die unterschiedliche Einordnung eines Sachverhalts unter das DBA (sog. negativer Qualifikationskonflikt6) entstehen. Keine generelle Abkommenszielsetzung. Es ist allgemein zu vermuten,7 dass die 13 an einem DBA beteiligten Vertragsstaaten regelmäßig8 kein Interesse daran haben, dass die auf die Vermeidung von Doppelbesteuerung zielenden DBA als Nebenfolge zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen, auch wenn diese bei Anerkennung des Verbots virtueller Doppelbesteuerungen (vgl. Rz. 12) teilweise bewusst in Kauf genommen wird. Vor diesem Hintergrund wird zunehmend versucht, den DBA auch eine generelle Zielsetzung i.S. einer Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen zuzuschreiben.9 Indes lässt sich den DBA jenseits spezieller abkommensrechtlicher Klauseln (vgl. Rz. 14 ff.) keine allgemeine Zielsetzung zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung entnehmen.10 Auch kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zur verfassungskonformen Auslegung eines DBA herangezogen werden, um eine doppel-
1 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 7. 2 Dies folgt u.a. aus Art. 23A Abs. 1, wonach die Einkünfte oder das Vermögen „nach diesem Abkommen“ in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden „können“, vgl. BFH v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402; v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319. 3 Vgl. Art. 23A Rz. 34 OECD-MK; BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319 (321) m.w.N.; Vogel in V/L5, Einl. Rz. 74 f., Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 7; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 11, 48, Art. 23A OECD-MA Rz. 46. 4 Vgl. Vogel, IStR 2007, 225. 5 In der deutschen Abkommenspolitik ist aber der verstärkte Trend zu erkennen, Steuerfreistellungen von der tatsächlichen Besteuerung der fraglichen Einkünfte im anderen Vertragsstaat abhängig zu machen. 6 Ein negativer Qualifikationskonflikt entsteht, wenn beide Vertragsstaaten einen Sachverhalt unterschiedlichen Vertragsnormen zuordnen und beide jeweils davon ausgehen, dass allein dem anderen Vertragsstat abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht bzgl. der fraglichen Einkünfte zusteht, vgl. Hahn, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Länderbericht Deutschland, CDFI 89a, 2004, 325 (326). 7 Vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 64/92, BFH/NV 1994, 11; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48. 8 Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn eine doppelte Nichtbesteuerung bewusst gewollt ist, z.B. bei Vereinbarung sog. tax sparing- oder matching-credit-Regelungen, nach denen der Ansässigkeitsstaat zum Anreiz bestimmter Investitionen einen höheren Betrag an Steuern des Quellenstaates anzurechnen hat, als der Quellenstaat nach dem DBA erheben darf; dazu Vogel in V/L5, Einl. Rz. 190. Auch sind doppelte Nichtbesteuerungen bei Schachteldividenden im DBA angelegt, wenn diese im Quellenstaat nicht besteuert werden können und der Ansässigkeitsstaat der dividendenempfangenden Gesellschaft diese freistellt. 9 Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 88; Benz/Kroon, IStR 2012, 910; Wichmann, FR 2011, 1082. Vgl. auch Haase in Haase, Einleitung II, Rz. 138: „Wenn aber im Einzelfall keine Doppelbesteuerung droht, sondern im Gegenteil weiße Einkünfte entstehen können, wird der Zweck des DBA verfehlt.“ 10 Lang, IWB 2011, 281 (282); Lang, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Generalbericht CDFI 89a, 2004, 21 (30 ff.); Lang, IStR 2002, 609 f.; Lehner, FR 2011, 1087 (1091); Lüdicke, FR 2011, 1077 (1078). Die Frage wurde von der International Fiscal Association (IFA) im Jahre 2004 auf ihrem Kongress in Wien erörtert, jedoch wurde eine entsprechende Abkommenszielsetzung durchweg verneint, vgl. die Länderberichte in CDFI, Bd. 89a, 2004, S. 123 ff.
Schönfeld/Häck
15
Systematik Rz. 13–14
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
te Nichtbesteuerung zu vermeiden.1 Zu sehen ist aber, dass auf Ebene der OECD durch eine geänderte Auslegung des Art. 23A Abs. 1 (vgl. Rz. 14) sowie durch den Vorschlag der Aufnahme einer dem neuen Art. 23A Abs. 4 entsprechende Klausel (vgl. Rz. 15) tendenziell versucht wird, doppelten Nichtbesteuerungen zumindest in Teilbereichen zu begegnen. Aus deutscher Sicht ist zu beobachten, dass bei Fehlen spezieller abkommensrechtlicher Normen (die aber zunehmend in deutschen DBA verankert werden) über innerstaatliche Regelungen in Form sog. Treaty overrides versucht wird, die Fälle doppelter Nichtbesteuerung zu verhindern (vgl. ausführlich Rz. 146 ff.). Die Feststellung, dass die Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung kein generelles Abkommensziel ist, hat insoweit hervorgehobene Bedeutung, als die Abkommensauslegung diesen Aspekt auch nicht unter teleologischen Aspekten berücksichtigen kann. 2. Abkommensrechtliche Vermeidung von Doppelnichtbesteuerung 14
„Neue“ Auslegung des Art. 23A Abs. 1. Für Fälle, in denen einerseits der Methodenartikel wegen Eingreifens einer Verteilungsnorm ohne abschließende Rechtsfolge2 (vgl. Rz. 38) anzuwenden ist und andererseits der jeweilige Anwenderstaat bei der gebotenen Auslegung der Verteilungsnorm mangels abkommensrechtlicher Definition sein innerstaatliches Steuerrecht gem. Art. 3 Abs. 2 heranzuziehen hat,3 soll eine doppelte Nichtbesteuerung durch eine bestimmte Auslegung des Art. 23A Abs. 1 („nach dem Abkommen im anderen Staat besteuert werden können“) vermieden werden können, wenn eine solche aufgrund eines sog. Qualifikationskonflikts droht.4 Nach insoweit geänderter Auffassung der OECD5 soll Art. 23A Abs. 1 so auszulegen sein, dass der Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen die Anwendung des Art. 23 Abs. 1 (Freistellungsmethode) davon abhängig macht, wie der Quellenstaat im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 aufgrund seines innerstaatlichen Rechts eine Verteilungsnorm anwendet. Diese Auslegung führt zu einer Verknüpfung der Anwendung des DBA durch den Ansässigkeitsstaat an die Qualifikation im Quellenstaat (sog. Qualifikationsverkettung6) dergestalt, dass der Ansässigkeitsstaat Art. 23A Abs. 1 (Freistellungsmethode) anzuwenden hat, wenn der Quellenstaat gem. Art. 3 Abs. 2 unter Zugrundelegung seines innerstaatlichen Rechts davon ausgeht, die Einkünfte nach dem DBA besteuern zu „können“. Umgekehrt soll der Ansässigkeitsstaat, wenn der Quellenstaat insoweit ein eigenes Besteuerungsrecht verneint, auch dann nicht die Einkünfte steuerfrei stellen, wenn er diese nach seinem innerstaatlichen Recht so einordnet, dass er sie freizustellen hätte.7 Die deutsche Finanzverwaltung hat diese Grundsätze übernommen8 und will sie – ebenso wie die OECD – auch auf vor der Veröffentlichung der geänderten Auffassung des OECD-MK abgeschlossene DBA anwenden. Eine derartige Rückwirkung ist indes abzulehnen, da diese Auffassung nicht Grundlage der Abkommensverhandlungen bei früher abgeschlossenen DBA war.9
1 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. 2 Für Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge greift die geänderte Auffassung indes nicht, da der Methodenartikel insoweit nicht zur Anwendung gelangt (vgl. Rz. 38). 3 Dazu Lang, IWB 2011, 281 (292). 4 Ausführungen zur internationalen Diskussion bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 112. 5 Art. 23 Rz. 32.6 OECD-MK (basierend auf dem OECD-Partnership Report von 1999, dazu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28 ff.); dem folgend Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 37; Vogel, IStR 2003, 523 (528 ff.); Reimer, IStR 2008, 551 (551 f.); Wolff, IStR 2004, 542 (549); abl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g und Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lang in FS Vogel, 907 (916 ff.). Dazu auch Lang, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Generalbericht CDFI 89a, 2004, 21 (46); Hahn, Doppelte Nichtbesteuerung, IFA-Länderbericht Deutschland, CDFI 89a, 2004, 325 (337); Hahn, IStR 2004, 542 (547 ff.). 6 Siehe zur Historie der Idee einer solchen abkommensrechtlichen Qualifikationsverkettung ausführlich Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 2009, 131 ff. 7 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 37; Hahn, IStR 2004, 542 (547 ff.). 8 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.3.3.2. 9 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g und Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lang, IStR 2000, 129 (134); Lang, IStR 2001, 536.
16
Schönfeld/Häck
A. Ziele von DBA
Rz. 14–17 Systematik
Grundsätzlich ist zwar zu sehen, dass sich die geänderte Auffassung von dem bisherigen Verständnis eines Verbots virtueller Doppelbesteuerung (vgl. Rz. 12) zugunsten eines eine doppelte Nichtbesteuerung vermeidenden Verständnisses entfernt. Die Regeln über das Verständigungsverfahren (Art. 25) zeigen aber, dass die Vertragsstaaten Qualifikationskonflikte für möglich halten. Auch der über die teleologische Auslegung zu entfaltende Grundsatz der Entscheidungsharmonie (vgl. Rz. 92) gebietet es nicht, eine derartige Auslegung i.S. einer Qualifikationsverkettung vorzunehmen.1 Angesichts des Wortlauts erscheint die von der OECD vorgenommene geänderte Auslegung aber möglich, sodass man letztlich die nach 2000 geschlossenen Abkommen sehr genau darauf hin wird untersuchen müssen, ob die Vertragsstaaten das o.g. Verständnis zugrunde legen wollten.2 Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Art von Qualifikationsverkettung an das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaats diesen in gewissem Umfang ermuntert und befähigt, seine Quellenbesteuerungsrechte auch mit abkommensrechtlicher Wirkung auszudehnen.3 Bestehen für die o.g. Qualifikationskonflikte eigenständige Abkommensregelungen, verbietet sich ein Rückgriff auf die o.g. Auslegung des Art. 23 Abs. 1 auch dann, wenn er wortgleich in das jeweilige Abkommen übernommen wurde.4 Ob die Vertragsstaaten eines deutschen DBA die „neue“ Auslegung rezipieren wollten, entscheidet ggf. im Einzelfall auch darüber, ob und inwieweit § 50d Abs. 9 EStG einen „Treaty override“ begründet oder nicht.5 Zu sehen ist aber in jedem Fall, dass die o.g. geänderte Auffassung nicht nur Fälle der doppelten Nichtbesteuerung vermeidet, sondern bei entsprechenden Qualifikationskonflikten auch Doppelbesteuerungen. Art. 23A Abs. 4. Mit Art. 23A Abs. 4 schlägt die OECD die Aufnahme einer Klausel 15 in DBA für Fälle vor, in denen der Quellenstaat die Einkünfte nicht besteuert, weil er von anderen Tatsachen ausgeht, oder das Abkommen anders auslegt als der Ansässigkeitsstaat. Für die deutsche Abkommenspraxis ist die Regelung bislang nahezu ohne Relevanz, da sie bisher kaum in deutschen DBA berücksichtigt wurde. Eine ähnliche Vorschrift enthält allerdings § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG, die diese internationale Entwicklung insoweit innerstaatlich (und unilateral) vorwegnimmt. Abkommensrechtliche Subject-to-tax-Klauseln. Subject-to-tax-Klauseln (z.T. 16 auch als Rückfallklauseln bezeichnet) vermeiden eine doppelte Nichtbesteuerung, indem sie eine abkommensrechtliche Verpflichtung zur Freistellung von Einkünften davon abhängig machen, dass der andere Vertragsstaat die fraglichen Einkünfte tatsächlich besteuert. Die in deutschen DBA vereinbarten Klauseln sind vielseitig, sie können sowohl für den Ansässigkeits- als auch den Quellenstaat6 vereinbart werden, umfassend oder auf einzelne Einkünfte beschränkt sein oder nur bei bestimmten Gründen für eine Nichtbesteuerung zur Anwendung gelangen. Abkommensrechtliche Switch-over-Klauseln. Switch-over-Klauseln ermöglichen 17 es dem Ansässigkeitsstaat, bei Anwendung des Methodenartikels (Art. 23A/B) u.a. zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung von der eigentlich vorgesehenen Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode zu wechseln, bspw. wenn in den Vertrags1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g und Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lang, IWB 2011, 281 (293). 2 Vogel in Haarmann (Hrsg.), Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1 (15 ff.). 3 Vgl. – aber zu Art. 6 Abs. 2 DBA-Österreich/Weißrussland – den Versuch Weißrusslands, sich als Belegenheitsstaat seine Besteuerungsbefugnisse zu sichern, indem Spielautomaten innerstaatlich generell dem „unbeweglichen Vermögen“ unterstellt wurden (gefunden bei Lang, IWB 2011, 281 [293]). 4 So sieht z.B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. a und b DBA-USA 2006 eine eigenständige Regelungen vor, die insoweit einen Rückgriff auf die Auslegung i.S.v. Art. 23 Rz. 32.1 ff. OECD-MA verbiete, vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 23 DBA-USA Rz. 159. 5 Kein Treaty override: Vogel, IStR 2007, 225 (227). 6 Angesprochen sind etwa Fälle, wenn die Einkünfte im anderen Vertragsstaat allgemein nicht besteuert werden, z.B. mangels Überweisung in den anderen Vertragsstaat nach den Regeln der sog. „remittance base“-Besteuerung (z.B. in Großbritannien), vgl. allgemein Vogel in V/L5, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18, 30.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 17–22
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
staaten Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet oder verschiedenen Personen zugerechnet werden und sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren beseitigen lässt. Neben solchen vergangenheitsbezogenen Switch-over-Klauseln finden sich in deutschen DBA auch zukunftsbezogene1 Klauseln, die zugunsten Deutschlands einen Vorbehalt enthalten, dem anderen Vertragsstaat im Wege der diplomatischen Notifikation Einkünfte mitzuteilen, auf die Deutschland künftig die Anrechnungsmethode anzuwenden beabsichtigt. Die diplomatische Notifikation setzt eine vorherige Konsultation voraus und wirkt grds. erst für Kalenderjahre, die nach der Notifikation beginnen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind eine entsprechende Notifikation und der damit erfolgende Übergang zur Anrechnungsmethode jedoch nur wirksam, wenn der Notifikation innerstaatlich eine entsprechende gesetzliche Grundlage zugrunde liegt.2 18
Sonstige Abkommensklauseln. Darüber hinaus finden sich in DBA weitere Klauseln, die (auch) der Vermeidung von doppelter Nichtbesteuerung dienen (können). Genannt sind einerseits sog. Aktivitätsklauseln,3 die für die Anwendung der Freistellungsmethode (v.a. bei Betriebsstätteneinkünften) voraussetzen, dass im Quellenstaat tatsächlich eine „aktive“ Wirtschaftstätigkeit ausgeübt wird.4 Doppelte Nichtbesteuerung wird auch bspw. durch Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz vermieden, der – rechtstechnisch – über den Begriff der (Nicht-)Ansässigkeit die Wirkung des DBA davon abhängig macht, dass der in der Schweiz an sich ansässige Steuerpflichtige dort nicht der privilegierten Pauschalbesteuerung nach dem Aufwand unterliegt.5 3. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Vermeidung von Doppelnichtbesteuerungen
19
Innerstaatliche Subject-to-tax- und Switch-over-Klauseln. Der deutsche Steuergesetzgeber versucht, abkommensrechtlich begründete doppelte Nichtbesteuerungen jenseits abkommensrechtlicher Regelungen durch innerstaatliche Normen zu begegnen. Insoweit kennt das innerstaatliche Steuerrecht sowohl eigene Subject-to-taxRegeln (z.B. § 50d Abs. 8 EStG) als auch Switch-over-Vorschriften (z.B. § 20 Abs. 2 AStG, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG).
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DBA-Auslegungsgesetze. Weiterhin bemüht der Gesetzgeber innerstaatliche Gesetze, um eine bestimmte Auslegung von DBA sicherzustellen, was im Fall des § 50d Abs. 10 EStG („Unternehmensgewinne“) jedoch wegen dessen zu kurz greifender Formulierung nicht zum gewünschten Ergebnis führen konnte.6
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Treaty Overrides. Regelmäßig bedient sich der Steuergesetzgeber in diesem Zusammenhang sog. „abkommensüberschreibender“ Vorschriften, sog. „Treaty overrides“, deren (verfassungs-)rechtliche Zulässigkeit indes (noch) nicht abschließend geklärt ist (vgl. ausführlich Rz. 146 ff.).
IV. Wirkungsweise von DBA 22
Beschränkungsfunktion. Jeder Staat hat – im Rahmen des Territorialprinzips (vgl. Rz. 4) – fußend auf seiner völkerrechtlichen Souveränität das originäre Recht, auch internationale Sachverhalte zu besteuern.7 Besteuerungsrechte und Besteuerungsansprüche eines Staates folgen dabei allein aus seinem innerstaatlichen Recht. DBA sind hingegen weder in der Lage, Besteuerungsrechte „zuzuteilen“, noch solche originär „zu begründen“.8 DBA setzten vielmehr erst dann an, wenn die Vertragsstaaten nach ihrem innerstaatlichen Steuerrecht Besteuerungsansprüche reklamieren. Sie 1 Zur Terminologie Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, 97 f. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Kanada Rz. 181; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA, Rz. 170/2; Krabbe in Wassermeyer, Art. 45 DBA-Dänemark Rz. 14. 3 Siehe zu den verschiedenen Typen von Aktivitätsklauseln die Aufstellung bei Wassermeyer in Wassermeyer, Anlage zu Art. 23A/B OECD-MA. 4 Dazu Wassermeyer, IStR 2000, 65. 5 Dazu Wassermeyer in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 156 ff. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138, dazu Häck, IStR 2011, 71. 7 Stv. Mössner in FS Seidl-Hohenfeldern, 403 (414). 8 Stv. Vogel, IStR 03, 524; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 44.
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Schönfeld/Häck
A. Ziele von DBA
Rz. 22–25 Systematik
verändern insbesondere nicht eine nach dem Recht eines Vertragsstaates bestehende persönliche (beschränkte oder unbeschränkte) Steuerpflicht. Im Kollisionsfall enthalten DBA insoweit lediglich wechselseitige Verzichte der Vertragsstaaten auf ihre innerstaatlich bestehenden Besteuerungsansprüche, indem sie sich wechselseitig verpflichten, ihre Besteuerungsansprüche nach Maßgabe der Vorschriften des anwendbaren DBA nicht oder nur in begrenzter Höhe zu erheben.1 DBA setzen den innerstaatlichen begründeten Besteuerungsansprüchen damit Schranken (Schrankenfunktion)2 und teilen das „Steuergut“ zwischen den Vertragsstaaten untereinander auf.3 Praktische Prüfungsfolge. Aus der vorstehenden Funktion der DBA folgt, dass bei 23 der Prüfung der Frage, ob ein deutsches Besteuerungsrecht für einen bestimmten Sachverhalt besteht, in einem ersten Schritt geprüft werden muss, inwieweit Deutschland nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht ein entsprechendes Besteuerungsrecht für sich beansprucht. Wird ein solches Besteuerungsrecht bereits nach dem innerstaatlichen Steuerrecht verneint, bedarf es keiner Prüfung von DBA, da ein nicht bestehender Besteuerungsanspruch keiner Beschränkung bedarf. Nur wenn Deutschland nach seinem innerstaatlichen Recht einen Besteuerungsanspruch bejaht, muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, inwieweit nach einem DBA dieser Besteuerungsanspruch beschränkt wird. self-executing-Wirkung. DBA sind zwar völkerrechtliche Verträge, die grds. ihre 24 Wirkung nur zwischen den beteiligten Völkerrechtssubjekten entfalten. Die in den DBA getroffenen Vereinbarungen enthalten indes nicht bloße Ermächtigungen, sondern räumen den Steuerbürgern unmittelbar Rechte und Pflichten ein (self-executing-Wirkung), da sie hinreichend bestimmt sind.4 Der Steuerbürger kann also die Beschränkungswirkung der DBA gegen die innerstaatlichen Besteuerungsansprüche unmittelbar selbst zur Geltung bringen. Aus Sicht des deutschen Steuerrechts wirken die DBA damit wie sachliche Steuerbefreiungen bzw. -ermäßigungen5 (zum Zustandekommen von DBA vgl. aber ausführlich Rz. 63 ff.). Rechtstechnische Umsetzung. Rechtstechnisch wird die Beschränkungsfunktion 25 durch die sog. Verteilungsnormen der Art. 6–22 mit abschließender Rechtsfolge oder im Zusammenwirken mit dem sog. Methodenartikel gem. Art. 23A und Art. 23B umgesetzt (vgl. Rz. 38).6 Die Beschränkung des nationalen Besteuerungsrechts durch das DBA erfolgt entweder durch einen (teilweisen) Besteuerungsverzicht eines der Vertragsstaaten im Wege der Freistellung oder durch Anrechnung der im anderen Vertragsstaat bzgl. der Einkünfte erhobenen Steuern auf die inländische Steuer. Für den auf seine Besteuerungskompetenzen ganz oder teilweise verzichtenden Vertragsstaat bedeutet dies, dass sein nach innerstaatlichem Steuerrecht bestehender Besteuerungsanspruch eingeschränkt oder aufgehoben wird.7 Eine vereinbarte Freistellung hängt – soweit keine ausdrücklichen Abkommensklauseln vorhanden sind – grds. nicht davon ab, ob der zur (vollständigen) Durchsetzung seines Besteuerungsanspruchs berechtigte Vertragsstaat von diesem tatsächlich Gebrauch macht (Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung, vgl. Rz. 12).
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Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 27; Debatin in FS Scherpf, 305 (306). Vgl. Debatin, RIW 1988, 727 (728); Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 51. BFH v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352. Vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 45; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 11; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.169. 5 Vgl. BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. 6 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.5; Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 6 Rz. 4. 7 BFH v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 98, 113.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 26–27
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK I. Entstehung und Rechtscharakter 26
Bedeutung der OECD für die Abkommenspolitik. Das Bedürfnis nach bilateralen Vereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung im internationalen Kontext besteht seit geraumer Zeit.1 Die Notwendigkeit international harmonisierter DBA erkennend hat die OECD – anknüpfend an die Vorarbeiten des Völkerbunds – basierend auf den Arbeiten des hierzu in 1956 speziell gebildeten Ausschusses (OECDSteuerausschuss) erstmals 1963 ein „Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und des Vermögens“ nebst einem erläuternden Kommentar vorgelegt.2 Seitdem hat die OECD das OECD-MA und den OECD-MK zunächst sporadisch, dann laufend fortentwickelt. Die OECD übernimmt mit dem OECD-Steuerausschuss die Rolle eines international anerkannten Forums zu Diskussionen über Fragen der internationalen Steuerpolitik. Sie entwickelt Leitlinien auf Gebieten, in denen eine internationale Koordinierung wünschenswert ist und befasst sich u.a. mit der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung und der Bekämpfung der Steuervermeidung und -hinterziehung.3 Daneben fördert die OECD mit dem OECD-Steuerausschuss den Dialog mit Nichtmitgliedsstaaten, um diese an die OECD-Grundsätze heranzuführen. Der OECD-Steuerausschuss tagt jährlich regelmäßig und wird dabei durch die Mitgliedsstaaten – i.d.R. durch die Leiter ihrer nationalen Steuerverwaltungen – vertreten. Die OECD hat neben dem für die Ertragsteuern relevanten OECDMA auch ein solches für die Besteuerung von Erbschaften entwickelt.4 Aus der Arbeit des OECD-Steuerausschusses ist 2002 auch das verfahrensrechtliche OECD-MA über den Informationsaustausch in Steuersachen (OECD-MA [Inf]) hervorgegangen,5 auf welches Deutschland v.a. in jüngerer Zeit bereits mehrfach zum Abschluss entsprechender Abkommen zurückgegriffen hat.6
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Rechtsnatur des OECD-MA/OECD-MK. Der den OECD-MA/OECD-MK fortentwickelnde OECD-Steuerausschuss ist zwar mit Vertretern der Mitgliedsstaaten besetzt, hat aber – ebenso wenig wie die OECD selbst – keine Entscheidungsbefugnis ggü. den Mitgliedsstaaten, sondern kann lediglich Empfehlungen der OECD an die Regierungen der Mitgliedsstaaten entwickeln.7 Das OECD-MA ist daher selbst kein völkerrechtlicher Vertrag.8 Es beinhaltet nur die Empfehlung an die potenziellen Vertragsstaaten, sich beim Abschluss von DBA an der Konzeption des OECD-MA zu orientieren. Gleiches gilt für den auf das OECD-MA bezogenen OECD-MK, der ebenfalls grds. nur die Empfehlung enthält, die Vorschriften der mit dem OECD-MA übereinstimmenden DBA entsprechend dem OECD-MK auszulegen (zur Bedeutung für die Auslegung eines DBA ausführlich Rz. 97).
1 Das erste bekannte DBA ist jenes zwischen Preußen und Sachsen v. 16.4.1989. 2 Zur historischen Entwicklung von DBA im Überblick vgl. ausführlich Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 75 ff.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.12. Begrüßenswert ist hierzu die Initiative des interdisziplinären „Arbeitskreis Steuergeschichte“, der sich die Erforschung des internationalen und interlokalen Steuerrechts seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Ziel gesetzt hat (Informationen unter: www.steuerge schichte.de). 3 Vgl. ausführlich zur Tätigkeit des OECD-Steuerausschusses Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 156. 4 OECD-Musterabkommen für ein Abkommen zwischen (Staat A) und (Staat B) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. 5 Dazu ausführlich Hendricks in Wassermeyer, MA-InfAust. 6 Vgl. die Übersicht im BMF v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017-04 (2013/0062878), BStBl. I 2013, 162 unter I. 4. 7 Stv. Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 40. 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34.
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Schönfeld/Häck
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK
Rz. 28–31 Systematik
Sprache des OECD-MA/OECD-MK. OECD-MA und OECD-MK werden offiziell 28 nur in englischer1 und französischer2 Sprache herausgegeben, eine offizielle deutsche Übersetzung existiert aktuell nicht.3 Hieraus können sich – soweit OECD-MA bzw. OECD-MK in der Rechtspraxis heranzuziehen sind (vgl. zum Einfluss von OECDMA/OECD-MK auf die Auslegung von DBA Rz. 97) – Rechtsunsicherheiten4 ergeben, denen nur durch die Berücksichtigung der englischen bzw. der französischen5 Originalfassung begegnet werden kann.6 Weitere Musterabkommen. Basierend auf dem OECD-MA hat der Wirtschafts- und 29 Sozialausschuss der UN 1979 die Erarbeitung des sog. „UN-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen einem Industriestaat und einem Entwicklungsland“ veranlasst (UN-MA). Eine Revision erfolgte in 2000.7 Das Abkommen berücksichtigt gegenüber dem OECD-MA in besonderem Maße die Bedürfnisse von Entwicklungsländern, indem zu deren Gunsten die Quellenbesteuerung gegenüber der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat (Industriestaat) ausgeweitet wird. Bei Verhandlungen mit den USA ist zu beachten, dass die USA ihren Vertragsverhandlungen über DBA regelmäßig das sog. US-Musterabkommen (USA-MA) zugrunde legen, welches zwar weitgehend auf dem OECD-MA basiert, jedoch umfangreichere Bestimmungen zu Bekämpfungen von Missbrauch sowie die Betonung des Staatsangehörigkeitsprinzips vorsieht.
II. Historische Entwicklung des OECD-MA/OECD-MK Bedeutung der historischen Entwicklung für die Abkommensanwendung. Die his- 30 torische Entwicklung des OECD-MA und noch viel mehr des OECD-MK hat für die Abkommensanwendung und insbesondere die Auslegung von DBA eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Betrachtet man einerseits die erhebliche faktische Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA (vgl. Rz. 97) und berücksichtigt man andererseits die vom BFH in diesem Zusammenhang lediglich befürwortete statische Berücksichtigung nur der jeweils zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des jeweiligen DBA bestehenden Fassung des OECD-MA/OECD-MK (vgl. Rz. 98) wird deutlich, dass der Rechtsanwender bei Auslegungszweifeln gezwungen sein kann, eine ganz bestimmte frühere Fassung von OECD-MA/OECD-MK heranzuziehen. Die maßgebliche Fassung ist jedoch wegen der z.T. mehrjährigen Dauer von Abkommensverhandlungen ggf. schwierig oder gar nicht mehr feststellbar, da dies auch regelmäßig nicht in den Abkommensdokumenten oder den Materialen vermerkt wird.8 Bisherige Entwicklung. In 1963 veröffentlichte die OECD erstmals ein Muster- 31 abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens (OECD-MA 1963) nebst erläuterndem Musterkommentar. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Mitgliedsstaaten und deren Steuersystemen erfolgte 1977 eine Totalrevision des OECD-MA (OECD-MA 1977) und des Musterkommentars.9 Die Grundstruktur des OECD-MA 1963 wurde im Wesentlichen beibehalten.10 Dies gilt auch für die nachfolgenden Teilrevisionen des OECD-MA, welches seit 1992 – ebenso wie der OECD-MK – nicht mehr periodisch umfassend revidiert, sondern
1 OECD-MA 2010: Model Tax Convention on Income and on Capital – Condensed Version (July 2010). 2 OECD-MA 2010: Modèle de convention fiscale concernant le revenu et la fortune: Version abrégée (juillet 2010). 3 Lediglich zum OECD-MA 2003 hat das BMF eine deutsche Übersetzung herausgegeben (BMF v. 18.2.2004 – IV B 6-S 1315-8/04, BStBl. I 2004, 286). 4 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 2008, 22. 5 Zwischen beiden Sprachfassungen besteht grds. Gleichrangigkeit, vgl. Lang, IStR 2011, 403 (409). 6 Haase in Haase, AStG/DBA, Einleitung II Rz. 3. 7 Vgl. dazu Krabbe, IStR 2000, 618. 8 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitk, 2008, 22. 9 Dazu Debatin, RIW 1978, 374. 10 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.14.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 31–34
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
nach dem Konzept der OECD1 einem laufenden Revisionsprozess unterliegt, der zu Änderungen von einzelnen Punkten des OECD-MA und/oder des OECD-MK in Abständen von ca. zwei bis drei Jahren führt. Teilrevidierte Fassungen des OECD-MA bzw. OECD-MK von unterschiedlichem Gewicht wurden 1992,2 1994,3 1995,4 1997,5 2000,6 2002,7 2003,8 2005,9 200810 und 201011 veröffentlicht. Naturgemäß wird der OECD-MK häufiger und einschneidender als das OECD-MA selbst geändert. Da sich eine Änderung des OECD-MA regelmäßig erst mit einer Verzögerung von Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, in der Abkommenspraxis niederschlägt,12 werden die Änderungen des OECD-MK von der OECD zunehmend genutzt, um die Steuerpolitik der Mitgliedsstaaten zu beeinflussen, auch wenn der BFH eine dynamische Berücksichtigung der Änderungen des OECD-MK bei zuvor abgeschlossenen DBA – entgegen der Ansicht der OECD und der deutschen Finanzverwaltung – grds. ablehnt (vgl. ausführlich Rz. 98). 32
Ausblick. Nach derzeitigem Stand ist das nächste Update des OECD-MK für 2014 vorgesehen. Änderungen sollen hier v.a. den Begriff der Betriebsstätte (Art. 5) betreffen. Die OECD tendiert hier zu einer zunehmend erweiternden Auslegung des Betriebsstättenbegriffs. Der OECD-Steuerausschuss hat zu seinem im Internet veröffentlichten Diskussionsentwurf seines Berichts zum Betriebsstättenbegriff13 eine Konsultation durchgeführt, die zu einer Fülle von Stellungnahmen geführt hat. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen letztlich Eingang in den OECD-MK 2014 finden werden.
III. Aufbau und Struktur von OECD-MA und OECD-MK 1. Überblick 33
OECD-MA und OECD-MK. Das OECD-MA ist in sieben Abschnitte mit – nach Streichung von Art. 14 – 30 Artikeln geordnet und in seiner Grundstruktur seit dem OECDMA 1963 kaum verändert worden. Das aktuelle OECD-MA ist auf dem Stand von Oktober 2010.14 Zunächst wird der Geltungsbereich des Abkommens festgelegt (Abschn. I), anschließend werden einige Ausdrücke des Abkommens definiert (Abschn. II). Der Hauptteil besteht in den Abschnitten III–V, die festlegen, inwieweit die beiden Vertragsstaaten jeweils Einkünfte und Vermögen besteuern können (Abschn. III und IV) und wie die Doppelbesteuerung vermieden werden soll (Abschn. V). Daran schließen sich die besonderen Bestimmungen (Abschn. VI) und die Schlussbestimmungen (Abschn. VII) an. Der OECD-MK enthält einen einleitenden Teil und im Übrigen Kommentierungsteile zu den einzelnen Abkommensbestimmungen in fortlaufender Nummerierung.
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Vorbehalte bzw. Bemerkungen der Mitgliedsstaaten. Aus der Verschiedenartigkeit der Mitgliedsstaaten und deren innerstaatlichen Steuersystemen folgt, dass nicht sämtliche in der OECD vertretenen Mitgliedsstaaten allen Empfehlungen im OECD-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. Einleitung Nr. 9 und 11 OECD-MK. Hierzu Krabbe, StJb 1993/94, 31; Lüthi/Kolb, IWB 1992/19, Fach 10, Gruppe 2, 875. Hierzu Kolb/Lüthi, IWB 1994/23, Fach 10, Gruppe 2, 1059. Hierzu Lüthi, SWI 1996, 11. Vgl. dazu Aigner/Züger, SWI 1998, 225. Hierzu Krabbe, IStR 2000, 196. Hierzu Kolb, IWB 2002/21, Fach 10, Gruppe 2, 1655. Hierzu Krabbe, IStR 2003, 253. Hierzu Kolb, IWB 2005/19, Fach 10, Gruppe 2, 1911. Hierzu Kolb, IWB 2009/2, Fach 10, Gruppe 2, 2049; Jirousek, ÖStZ 2009, 195. Hierzu Digeronimo/Kolb, IWB 2011, 26. Als besondere Änderung ist die Neufassung des Art. 7 durch das OECD-MA 2010 zu nennen, vgl. ausführlich Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757. 12 Vgl. Waldhoff, StJB 2005/2006, 161 (162). 13 OECD, Interpretation and Application of Article 5 (Permanent Establishment) of the OECD Model Tax Convention, Public Discussion Draft, Paris, 12 October 2011; dazu Hoor, IStR 2012, 17; Bendlinger, SWI 2011, 531. 14 Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2010.
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Schönfeld/Häck
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK
Rz. 34–37 Systematik
MA und OECD-MK uneingeschränkt folgen. Die Mitgliedsstaaten notifizieren insoweit dem OECD-Steuerausschuss ggü. ihre Vorbehalte (gegenüber Artikeln des OECDMA) und Bemerkungen (gegenüber dem OECD-MK), die im OECD-MK jeweils am Ende der jeweiligen Kommentierung einer Abkommensbestimmung festgehalten werden. 2. Geltungsbereich des Abkommens (Art. 1 und 2) Art. 1 und 2. Abschn. I des OECD-MA umschreibt den persönlichen (Art. 1) und 35 sachlichen (Art. 2) Geltungsbereich des DBA. Beide Vorschriften werden durch den in Art. 29 bestimmten räumlichen Geltungsbereich ergänzt. DBA gewähren nicht allen Steuerpflichtigen, sondern nur den in ihren persönlichen Anwendungsbereich fallenden Steuerpflichtigen Schutz vor Doppelbesteuerungen. Persönlich abkommensberechtigt i.S.v. Art. 1 sind „Personen“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, die in einem oder in beiden Vertragsstaaten i.S.v. Art. 4 ansässig sind. Besondere Probleme bereitet die Frage der Abkommensberechtigung von Personengesellschaften (vgl. Art. 1 Rz. 40 ff.). Sachlich zielt das DBA auf die unter Art. 2 fallenden Steuern, wodurch im Wesentlichen die Steuern vom Einkommen und Vermögen, aus deutscher Sicht auch regelmäßig die Gewerbesteuer, erfasst sind. 3. Begriffsbestimmungen (Art. 3–5) Art. 3–5. Abschn. II des OECD-MA enthält mit seinen Art. 3–5 „vor die Klammer“ ge- 36 zogene Definitionen abkommensrechtlicher Begriffe, die an mehreren Stellen des OECD-MA Verwendung finden. So definiert Art. 3 Abs. 1 u.a. den für die Abkommensberechtigung nach Art. 1 maßgeblichen Ausdruck der „Person“ („natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen“). Eine Vorschrift von besonderer Bedeutung für die Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe enthält Art. 3 Abs. 2, wonach die vom Abkommen selbst nicht definierten Ausdrücke anhand des innerstaatlichen Steuerrechts des Anwenderstaates zu bestimmen sind, soweit der (Abkommens-)Zusammenhang nichts anderes erfordert (vgl. Rz. 80). Art. 4 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine abkommensberechtigte „Person“ in einem der Vertragsstaaten für Zwecke des Abkommens „ansässig“ ist. Die Ansässigkeit der Person hat regelmäßig entscheidende Bedeutung für die Anwendung der Verteilungsnormen (Art. 6–22) und des Methodenartikels (Art. 23A/B). Zunächst sieht Art. 4 Abs. 1 eine direkte Anknüpfung an das innerstaatliche Steuerrecht vor. Insoweit ist eine Person in einem Vertragsstaat „ansässige Person“, wenn sie nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Für den Fall, dass die abkommensrechtliche Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 in beiden Staaten erfüllt ist, nehmen Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 nach Maßgabe eines abgestuften Kriterienkatalogs eine Entscheidung allein für Zwecke des Abkommens vor, in welchem der beiden Vertragsstaaten die abkommensberechtigte Person als ansässig gilt (sog. „tie-breaker“-Regelung). Art. 5 sieht schließlich eine Definition des Begriffs der „Betriebsstätte“ vor, dem v.a. wesentliche Bedeutung im Rahmen der sog. Betriebsstättenvorbehalte der Verteilungsnormen (vgl. Art. 7 Abs. 1, Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 14 Abs. 1) zukommt. 4. Besteuerung des Einkommens und Vermögens (Art. 6–22) a) Systematisches Allgemeines. Abschn. III und IV des OECD-MA enthalten die sog. Verteilungsnor- 37 men1 in Bezug auf die Besteuerung des Einkommens (Art. 6–21, vgl. Rz. 41–48) und des Vermögens (Art. 22, vgl. Rz. 49). Sie bilden den Hauptbestandteil des OECD-MA und 1 Der Begriff ist allgemein und v.a. international gebräuchlich (vgl. stv. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 71; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.211; krit. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1; Debatin, DB 1985, Beilage Nr. 23, 2: „Verzichtsnorm“), hat aber keinen eigenständigen rechtlichen Gehalt. Er beschreibt vielmehr die allgemeine Wirkungsweise der DBA.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 37–39
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
treffen eine (Vor-)Entscheidung über die abkommensrechtliche Be- oder Einschränkung des innerstaatlich begründeten Besteuerungsanspruchs eines Vertragsstaats (vgl. ausführlich Rz. 38) und die Verteilung des Steuerguts zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat. Das OECD-MA kennt eine Vielzahl nicht mit dem innerstaatlichen Steuerrecht übereinstimmender Einkunftsarten (Art. 6–8 und Art. 10–21, dazu näher Rz. 41 ff.), die zudem in einem besonderen Rangverhältnis zueinander stehen. Die eigene Begriffssprache und die selbständigen Einkunftsarten der Verteilungsnormen dürfen nicht ohne Weiteres durch Anleihen aus dem innerstaatlichen Recht ausgefüllt werden. Begriffliche Übereinstimmungen zwischen Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht eines Vertragsstaates dürfen nicht dazu verleiten, den Abkommensbegriff mit dem des innerstaatlichen Rechts gleichzusetzen. Insoweit ist grds. die vorrangig abkommensautonome Auslegung zu beachten (vgl. dazu Rz. 78). 38
Kategorien von Verteilungsnormen. Die Verteilungsnormen entscheiden entweder selbst (Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge1) oder i.V.m. dem sog. Methodenartikel gem. Art. 23A/B (sog. Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge2) darüber, ob und in welchem Umfang der innerstaatlich begründete Besteuerungsanspruch eines Vertragsstaates durch das DBA eingeschränkt wird. Welcher Kategorie eine Verteilungsnorm zugehörig ist, entscheidet sich nach deren Wortlaut, der entweder die abschließende Rechtsfolge anordnet (z.B. Art. 12 Abs. 1: „Lizenzgebühren […] können nur3 im anderen Staat besteuert werden“) oder offenlässt (z.B. Art. 11 Abs. 1 OECD-MA: „Zinsen […] können4 im anderen Staat besteuert werden“). Fällt eine Verteilungsnorm in die erste Kategorie, ergibt sich für den nicht berechtigten Vertragsstaat zwingend die Beschränkung seines nationalen Besteuerungsanspruchs durch Steuerfreistellung (abschließende Rechtsfolge). Nur bei Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge kommt der Methodenartikel (vgl. Rz. 50 ff.) zur Anwendung, der entscheidet, ob der Ansässigkeitsstaat eine Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungs- oder Anrechnungsmethode zu vermeiden hat. Die Einordnung einer Verteilungsnorm in die eine oder andere Kategorie hat daher besondere Relevanz, da nur bei den Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht durch die Freistellungs-, sondern ggf. die Anrechnungsmethode gesichert wird, ggf. nur für diese Einschränkungen für eine Steuerfreistellung vorgesehen sein können (z.B. Aktivitätsvorbehalte) und zudem die geänderte Ansicht der OECD zur Auslegung des Art. 23A Abs. 1 nur Bedeutung erlangt, wenn der Methodenartikel überhaupt Anwendung findet. Die Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge richten sich insoweit sowohl an den Quellen- als auch den Ansässigkeitsstaat, da sie für beide (unmittelbar bzw. mittelbar) eine abschließende Rechtsfolge anordnen. Hingegen zielen die Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge insoweit allein auf den Quellenstaat, als sie nur für diesen eine Beschränkung oder Bestätigung seines innerstaatlich begründeten Besteuerungsanspruch enthalten, sich hingegen die Rechtsfolge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen aus dem Methodenartikel (vgl. Rz. 50 ff.) ergibt.
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„Ansässigkeitsstaat“ und „Quellenstaat“. Regelmäßig werden die Vertragsstaaten bei Anwendung eines DBA als „Wohnsitzstaat“5 (Staat, in dem die abkommensberechtigte Person ansässig ist) und „Quellenstaat“ bzw. „Belegenheitsstaat“ (Staat, aus dem die Einkünfte „stammen“ oder das einkünftegenerierende Vermögen belegen ist) bezeichnet. Der Begriff des „Wohnsitzstaats“ ist insoweit irreführend, als der Wohnsitz des Steuerpflichtigen für die Abkommensanwendung nicht automatisch mit der abkommensrechtlichen Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 korrespondiert (vgl. zu Art. 4 Rz. 36) und Gesellschaften keinen „Wohnsitz“ haben können, aber grds. abkommens1 Auch als vollständige Verteilungsnormen bezeichnet, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.212. 2 Auch als unvollständige Verteilungsnormen bezeichnet, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.213. 3 Kursiv nicht im Original. 4 Kursiv nicht im Original. 5 Vgl. z.B. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.230.
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Schönfeld/Häck
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK
Rz. 39–42 Systematik
berechtigt sind. Insoweit empfiehlt sich, anstelle des Begriffs des „Wohnsitzstaats“ die Bezeichnung „Ansässigkeitsstaat“ zu verwenden. Weiter ist zu beachten, dass die Unterscheidung zwischen „Ansässigkeitsstaat“ und „Quellenstaat“ suggeriert, dass die Verteilungsnormen nur dann zur Anwendung gelangen, wenn der eine Vertragsstaat als „Ansässigkeitsstaat“ und der andere Vertragsstaat als „Quellenstaat“ qualifiziert. Insoweit ist aber zu sehen, dass die Verteilungsnormen auch durchaus Sachverhalte erfassen können, in denen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat identisch sind (z.B. Anwendung des Art. 15 Abs. 1 bei ausschließlicher Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat).1 Kein inneres System der Verteilungsnormen. Die Verteilungsnormen bzgl. der Be- 40 steuerung des Einkommens (Art. 6–22) folgen keinem inneren System, ihre Reihenfolge ist vielmehr historisch bedingt.2 Zwar lassen sich bestimmte inhaltlich zusammenhängende Gruppen bilden (z.B. tätigkeitsbezogene Einkünfte: Art. 7, Art. 8, Art. 15, Art. 16; vermögensnutzungsbezogene Einkünfte: Art. 6, Art. 10–12; veräußerungsbezogene Einkünfte: Art. 13),3 bestimmte Einkunftsarten sind aber derart speziell (z.B. Art. 20), dass sich eine schlüssige Systematisierung nur schwer herstellen lässt. b) Inhalt und Struktur der Verteilungsnormen im Überblick Art. 6 (Unbewegliches Vermögen). Zu den Einkünften aus „unbeweglichem Ver- 41 mögen“ i.S.v. Art. 6 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge, Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) zählen grds. sämtliche Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3) wie etwa Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte, aber auch solche aus Land- und Forstwirtschaft sowie der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen (dann aber Art. 13 Abs. 1 als lex specialis). Fallen solche Einkünfte im Rahmen eines Unternehmens an, geht Art. 6 dem Art. 7 vor (Art. 6 Abs. 4). Als Besonderheit knüpft Art. 6 Abs. 2 die Bestimmung des Begriffs des „unbeweglichen Vermögens“ an den des nationalen Rechts des Belegenheitsstaates an, enthält also eine dynamische Verweisung auf dessen innerstaatliches Steuerrecht. Art. 7–9 (Unternehmensgewinne u.a.). Art. 7 enthält mit den Unternehmensgewin- 42 nen die wichtigste abkommensrechtliche Einkunftsart. Er umfasst nach der Aufhebung von Art. 14 a.F. (selbständige Arbeit) auch die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die über die Definitionen „Unternehmen“ und „Geschäftstätigkeit“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h) in die „Unternehmensgewinne“ einbezogen werden. Art. 7 sieht für Unternehmensgewinne vor, dass diese im Grundsatz der Besteuerung durch den Staat, in dem der Unternehmer ansässig ist, obliegen (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Etwas anderes gilt jedoch über den sog. Betriebsstättenvorbehalt dann, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Einkünfte dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, 2 HS., Satz 2, Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge, Freistellungsmethode). Besondere Bedeutung für das Rangverhältnis des Art. 7 zu anderen Verteilungsnormen enthält die Subsidiaritätsklausel des Art. 7 Abs. 4, nach dem insbesondere (die Rechtsfolgen der) Art. 6, Art. 10–12 und Art. 214 vorrangig vor (der des) Art. 7 anzuwenden sind, selbst wenn die fraglichen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6), die Dividenden (Art. 10), Zinsen (Art. 11), Lizenzgebühren (Art. 12) oder andere Einkünfte zu den Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 „gehören“. Insoweit lässt sich von einer abkommensspezifischen isolierenden Betrachtungsweise5 sprechen, die aber anderen Regeln folgt als die der isolierenden Betrachtungsweise i.S.v. § 49 Abs. 2 EStG. Die VorVgl. hierzu Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 92. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 87. Vgl. auch Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 87. Art. 21 soll trotz seines Auffangcharakters dem Art. 7 insoweit vorgehen, vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 355; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 175; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.233; a.A. Buciek in F/W/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 865. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor. Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.214; Debatin in FS Scherpf, 305 (315); Amann, DB 1997, 796 (797). 1 2 3 4
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 42–44
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
rangigkeit dieser Verteilungsnormen wird jedoch wieder zurückgenommen, wenn die Einkünfte einer Betriebsstätte in einem Vertragsstaat zuzurechnen sind und – wie bei Dividenden (Art. 10 Abs. 4), Zinsen (Art. 11 Abs. 4), Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 3) und anderen Einkünften (Art. 21 Abs. 2) – ein Betriebsstättenvorbehalt die Anwendung von Art. 7 reaktiviert. Das Betriebsstättenprinzip in Form der Betriebsstättenvorbehalte ist besonderer Ausdruck des Kompromisses bei der Verteilung des Steuerguts, der einem Vertragsstaat v.a. dann sein Besteuerungsrecht belassen soll, wenn bei ihm eine besondere Inanspruchnahme seiner Volkswirtschaft zu beobachten ist. Weiter ist Art. 7 in seinem Anwendungsbereich in engem Zusammenhang mit Art. 8 und Art. 9 zu sehen. Art. 8 (Seeschiffahrt, Binnenschiffahrt und Luftfahrt) enthält für Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrtzeugen Sonderverteilungsnormen zugunsten des Vertragsstaats, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 8 Abs. 1, Abs. 2, Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Auch Art. 8 geht Art. 7 vor (vgl. Art. 7 Abs. 4). Art. 9 (Verbundene Unternehmen) umschreibt – insoweit besondere Verteilungsnorm innerhalb der Art. 6–22 – keine eigenständige Einkunftsart, sondern enthält eine Gewinnberichtigungsnorm für die aus Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen generierten Gewinne. Art. 9 dient auch der Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerungen (vgl. Art. 9 Rz. 5). 43
Art. 10–12 (Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren). Gemeinsames Merkmal der eng verwandten Art. 10–12 ist, dass sie die Besteuerung von Erträgen aus der Nutzungsüberlassung bestimmter Wirtschaftsgüter (Kapitalvermögen: Art. 10, 11; „geistiges“ Vermögen: Art. 12) zum Gegenstand haben. Rechtsfolgenseitig kommt es bei Dividenden i.S.v. Art. 10 und Zinsen i.S.v. Art. 11 (Verteilungsnormen mit offener Rechtsfolge; Anrechnungsmethode, Art. 23A Abs. 2) im Ergebnis regelmäßig zu einer Teilung des Steuerguts zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat, die sich daraus ergibt, dass der Besteuerungsanspruch des Quellenstaates in der Höhe begrenzt wird (Art. 10 Abs. 2: 5 % bzw. 15 %; Art. 11 Abs. 2: 10 %) und der Ansässigkeitsstaat diese ausländische Steuer bei Geltendmachung seines eigenen Besteuerungsanspruchs anrechnet (Art. 23A Abs. 2). Für Lizenzgebühren setzt sich allein der Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaats durch (Art. 12 Abs. 1; Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Zu beachten sind aber die jeweiligen Betriebsstättenvorbehalte (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3). Sind danach die den Einkünften aus der Nutzungsüberlassung zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 im Quellenstaat zuzurechnen, wird der grds. subsidiär anwendbare Art. 7 reaktiviert (vgl. zum Rangverhältnis Rz. 42) und es kommt zu einem vollständigen Besteuerungszugriff durch den Quellen- bzw. Betriebsstättenstaat. Besondere Bedeutung erlangt dann die Frage, wann das zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut „tatsächlich“ der Betriebsstätte zuzurechnen ist (vgl. Art. 10 Rz. 201 ff., Art. 11 Rz. 85 ff. und Art. 12 Rz. 127 ff.). Gemeinsam ist den Art. 10–12 die Voraussetzung, dass der „Nutzungsberechtigte“ im anderen Vertragsstaat ansässig ist. Hierdurch soll Abkommensmissbräuchen vorgebeugt werden, die sich durch Zwischenschaltung abkommensberechtigter „Durchlaufstellen“ ergeben könnten.
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Art. 13 (Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen). Art. 13 enthält eine eigenständige Verteilungsnorm betr. die abkommensrechtliche Behandlung von Gewinnen aus der Veräußerung von Vermögen. Veräußerungsgewinne sind danach zwar grds. nicht nach den anderen Verteilungsnormen zu beurteilen, die z.B. die Besteuerung der Erträge aus Nutzungsüberlassungen des Vermögens regeln. Es zeigt sich aber, dass Art. 13 bewusst die gleichen Rechtsfolgen zeitigt, wie die entsprechenden Einkunftsklauseln betr. die Besteuerung der „laufenden“ Erträge.1 Art. 13 Abs. 1 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge; Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) teilt die Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen i.S.v. Art. 6 – ebenso wie Art. 6 für die laufenden Einkünfte – abkommensrechtlich dem Belegenheitsstaat zu (Belegenheitsprinzip). Gleiches gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die überwiegend auf im anderen Vertragsstaat belegenem, unbeweglichem Ver1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 1.
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Schönfeld/Häck
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK
Rz. 44–46 Systematik
mögen beruhen (Art. 13 Abs. 4). Gewinne aus der Veräußerung des einer Betriebsstätte zuzurechnenden Vermögens werden gem. Art. 13 Abs. 2 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge; Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) – ebenso wie durch Art. 7 für laufende Einkünfte – dem Betriebsstättenstaat zugewiesen (Betriebsstättenprinzip). Art. 13 Abs. 3 (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge) folgt insoweit den Besteuerungsfolgen für laufende Einkünfte i.S.v. Art. 8 (Besteuerung durch Geschäftsleitungsstaat). Art. 13 Abs. 5 (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge) folgt Art. 21 i.S. einer Auffangklausel (Besteuerung durch Ansässigkeitsstaat). Art. 14 a.F. (selbständige Arbeit). Die gesonderte Verteilungsnorm für Einkünfte 45 aus selbständiger Arbeit in Art. 14 wurde durch das OECD-MA 2000 aufgehoben und ist – wegen der inhaltlichen Nähe – über die Definitionen „Unternehmen“ und „Geschäftstätigkeit“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h) in die „Unternehmensgewinne“ i.S.v. Art. 7 einbezogen worden. Art. 15–19 und 28 (Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit u.a.). Das OECD-MA 46 enthält mit den Art. 15–19 verschiedene Vorschriften, die für die Besteuerung von „Vergütungen aus unselbständiger Tätigkeit“ relevant sind. Dabei betreffen die Art. 15 (Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit), Art. 18 (Ruhegehälter) und Art. 19 (Öffentlicher Dienst) ausschließlich Einkünfte aus aktueller oder früherer unselbständiger Tätigkeit, während die von Art. 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen) und Art. 17 (Künstler und Sportler) erfassten Einkünfte solche bestimmter Personengruppen betreffen, die sowohl aus unselbständiger als auch aus selbständiger Tätigkeit herrühren können. Art. 28 (Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen) enthält selbst keine eigene Einkunftsart und ist auch nicht abkommensrechtliche Verteilungsnorm, sondern stellt lediglich klar, dass die aus Art. 37 WÜD1 und Art. 49 und 71 WÜK2 folgenden steuerrechtlichen Privilegien des diplomatischen und konsularischen Personals ungeachtet des DBA erhalten bleiben. Jedoch folgt durch Art. 28 eine praktisch nicht unerhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 19 für Vergütungen aus unselbständiger Arbeit im öffentlichen Dienst. Art. 15 enthält für Vergütungen für unselbständige Tätigkeiten in Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 eine ähnliche Grundkonzeption wie Art. 7. Grundsätzlich sieht Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 eine Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge zugunsten des Ansässigkeitsstaat der tätig werdenden Person vor (Wohnsitzprinzip). Dieses wird jedoch zugunsten des anderen Vertragsstaates suspendiert, wenn die Tätigkeit in diesem ausgeübt wird (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2). In diesem Fall führt Art. 15 Abs. 1 Satz 2 (Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge; Freistellungsmethode, Art. 23A Abs. 1) zu einer Besteuerung im Tätigkeitsstaat (Arbeitsortprinzip) und zu einer Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat, wenn – was sich aus Art. 15 Abs. 2 im Umkehrschluss ergibt – der Arbeitnehmer sich im Staat des Arbeitsortes innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten an mehr als 183 Tagen aufgehalten hat oder die Vergütungen von einem Arbeitgeber, für einen Arbeitgeber oder von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung im Staat des Arbeitsortes gezahlt worden sind. Für die Einkünfte aus der unselbständigen Arbeit an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrtschiffes im internationalen Verkehr sieht Art. 15 Abs. 3 eine vorrangige Sonderregelung vor, die rechtsfolgenseitig Art. 8 und Art. 13 Abs. 3 entspricht (vgl. Rz. 42 und Rz. 44). Art. 16 enthält eine besondere Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen, die grds. vom Sitzstaat der jeweiligen Gesellschaft als Quellenstaat besteuert werden können, während der Ansässigkeitsstaat nach Art. 23A Abs. 1 die Einkünfte freistellt. Art. 17 ist besondere Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge für die Einkünfte von Künstlern und Sportlern, unabhängig davon, ob diese selbständig oder unselbständig tätig werden. Stets ist Art. 17 vorrangig vor den allgemein anwendbaren Regeln für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Art. 7) bzw. unselbständiger Tätigkeit (Art. 15) anzuwenden. Gemäß Art. 17 kann der Staat sein Besteuerungsrecht durchsetzen, in dem die Künstler oder Sportler ihre Tätigkeit
1 Wiener Übereinkommen für diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961, BGBl. II 1964, 957. 2 Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen v. 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1585, BGBl. II 1971, 1285.
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Systematik Rz. 46–49
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
persönlich ausüben (Tätigkeitsstaat), der andere Vertragsstaat stellt die Einkünfte steuerfrei (Art. 23A Abs. 1). Art. 18 spricht für Ruhegehälter aus einer ehemaligen unselbständigen Tätigkeit dem Ansässigkeitsstaat die abkommensrechtliche Besteuerungsbefugnis zu (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge), unabhängig davon, wo die frühere unselbständige Tätigkeit ausgeübt wurde. Art. 19 statuiert in Abs. 1 Buchst. a das sog. Kassenstaatsprinzip, nach dem Vergütungen für im öffentlichen Dienst geleistete unselbständige Arbeit dem Staat zur Besteuerung zugewiesen werden, der die fraglichen Vergütungen zahlt (Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Der Ansässigkeitsstaat ist nur zur Besteuerung berufen, wenn die Arbeit im Ansässigkeitsstaat geleistet wird, die dort ansässige Person dessen Staatsangehörigkeit besitzt oder sie aus anderen Gründen als zur Arbeitsausübung in diesem Staat ansässig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Buchst. b, Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge). Handelt es sich bei den fraglichen Einkünften ihrer Art nach um Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, ist das besondere Rangverhältnis der Art. 15–19 zueinander zu beachten. Soweit Art. 15 Anwendung findet, ist zu beachten, dass normintern Abs. 3 dem Abs. 1 vorgeht. Fallen die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unter einen der Art. 16–19, sind diese als lex specialis stets vorrangig vor Art. 15. Dies ergibt sich einerseits aus Art. 15 selbst („vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19“), andererseits für Einkünfte unselbständiger Künstler und Sportler aus Art. 17 Abs. 1 („ungeachtet der Artikel 7 und 15“). Art. 18 ist für Ruhegehälter aus einer ehemaligen Tätigkeit im öffentlichen Dienst subsidiär zu Art. 19 Abs. 2 („vorbehaltlich des Artikels 19 Absatz 2“). Art. 19 Abs. 3 ordnet wiederum für Vergütungen aus einem Arbeitsverhältnis mit einem gewerblichen Betrieb der öffentlichen Hand den Vorrang der Art. 15, 16, 18 an. Art. 19 findet insoweit keine Anwendung, soweit die Vergütungen den aus Art. 37 WÜD und Art. 49 und 71 WÜK folgenden steuerrechtlichen Privilegien des diplomatischen und konsularischen Personals unterfallen (Art. 28). 47
Art. 20 (Studenten). Art. 20 enthält eine Sonderregelung für Zahlungen, die Studenten, Praktikanten oder Lehrlinge für ihren Unterhalt, ihr Studium oder ihre Ausbildung erhalten und enthält insoweit eine besondere Form einer Verteilungsnorm, als nicht dem Ansässigkeitsstaat oder Quellenstaat das Steuergut zugeteilt, sondern lediglich die Steuerfreistellung der Zahlungen im Aufenthaltsstaat (Gastland) angeordnet wird. Art. 20 greift selbst dann, wenn der Aufenthaltsstaat weder Quellennoch Ansässigkeitsstaat ist. Hintergrund der Regelung ist die Förderung des Ausbildungsaustausches zwischen den Staaten, indem verhindert wird, dass die Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen durch eine Besteuerung im Aufenthaltsstaat gemindert werden.1
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Art. 21 (andere Einkünfte). Art. 21 Abs. 1 enthält in Form einer Verteilungsnorm mit abschließender Rechtsfolge eine Auffangklausel zugunsten des Ansässigkeitsstaates für die Einkünfte, die nicht in den Anwendungsbereich der speziellen Verteilungsnormen i.S.v. Art. 6–20 fallen („Einkünfte, die in den vorstehenden Artikeln nicht behandelt wurden“). Dies sind – neben sehr speziellen Einkünften und Einkünften aus dem Ansässigkeitsstaat – v.a. sog. Drittstaateneinkünfte, d.h. solche, die nicht unter die speziellen Verteilungsnormen fallen, soweit diese nur Einkünfte aus einem der beiden Vertragsstaaten als Quellen- oder Ansässigkeitsstaat erfassen. Die Besonderheit von Drittstaateneinkünften besteht darin, dass Art. 21 die Besteuerungsbefugnis nur bilateral zwischen den beiden Vertragsstaaten regeln kann, die beide nicht Quellenstaat der Einkünfte sind. Insoweit steht die durch Art. 21 vorgesehene Besteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaats ihrerseits unter dem Vorbehalt eines etwaigen DBA mit dem Quellenstaat. Art. 21 Abs. 2 enthält einen sog. Betriebsstättenvorbehalt zugunsten der Anwendung von Art. 7.
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Art. 22 (Vermögen). Abschn. IV des OECD-MA bildet mit Art. 22 eine die Verteilungsnormen i.S.v. Art. 6–21 ergänzende Verteilungsnorm für die Besteuerung des Vermögens. Im Aufbau ähnelt Art. 22 dem Art. 13. Art. 22 Abs. 1 weist für unbewegliches Vermögen dem Belegenheitsstaat die Besteuerungsbefugnis zu, Art. 22 Abs. 2 für bewegliches Betriebsstättenvermögen dem Betriebsstättenstaat. Für Seeschiffe und 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.468.
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Schönfeld/Häck
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK
Rz. 49–52 Systematik
Luftfahrtschiffe stellt Art. 22 Abs. 3 Rechtsfolgenidentität zu Art. 8, 13 Abs. 3 und 15 Abs. 3 her (Besteuerungsbefugnis des Geschäftsleitungsstaats). Art. 22 Abs. 4 ordnet für das übrige Vermögen die Besteuerungsbefugnis des Ansässigkeitsstaats an.1 5. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A/B) Bedeutung der sog. Methodenartikel. Abschn. V enthält mit Art. 23A (Befreiungs- 50 methode) und Art. 23B (Anrechnungsmethode) die sog. Methodenartikel. Die Methodenartikel sind im Zusammenhang mit den Verteilungsnormen (Art. 6–22) zu sehen und vermeiden eine Doppelbesteuerung für die Fälle, in denen eine Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge zur Anwendung gelangt, also die Verteilungsnorm zwar eine Entscheidung darüber trifft, welche Besteuerungsbefugnisse dem Quellenstaat verbleiben, nicht aber, wie die Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat vermieden wird (dazu Rz. 38).2 Die Methodenartikel richten sich daher ausschließlich an den Vertragsstaat, in dem die abkommensberechtigte Person i.S.v. Art. 1, die die fraglichen Einkünfte bezieht, ansässig i.S.v. Art. 4 ist (Ansässigkeitsstaat). Die Methodenartikel des OECD-MA sind als alternative Empfehlungen an die Vertragsstaaten zu sehen, die Vermeidung der Doppelbesteuerung aus Sicht des Ansässigkeitsstaat im fraglichen DBA konzeptionell entweder durch die Befreiungsmethode i.S.v. Art. 23A Abs. 1 oder die Anrechnungsmethode i.S.v. Art. 23B zu vermeiden (daher die Bezeichnung als „A“ und „B“). In der Abkommenspraxis finden sich aber regelmäßig Methodenartikel, die beide Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung kombinieren, d.h. für bestimmte Einkünfte die Anrechnung, für die übrigen Einkünfte die Freistellung vorsehen. Befreiungsmethode (Art. 23A). Die Befreiungsmethode (i.d.R. als Freistellungs- 51 methode bezeichnet) i.S.v. Art. 23A sieht grds. einen Besteuerungsverzicht des Ansässigkeitsstaats zugunsten des Quellenstaats vor, indem der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte, die der andere Vertragsstaat unter Anwendung der maßgeblichen Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge besteuern kann, freistellt. Die Freistellungsmethode verfolgt das Prinzip der sog. Kapitalimportneutralität.3 Ob der Quellenstaat von seiner Besteuerungsbefugnis tatsächlich Gebrauch macht, ist nach dem eindeutigen Wortlaut nicht erforderlich (Vermeidung virtueller Doppelbesteuerung, vgl. Rz. 12). Art. 23A Abs. 3 belässt dem Ansässigkeitsstaat aber das Recht, die freizustellenden Einkünfte im Rahmen der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen bzw. Vermögen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (auch als sog. Progressionsvorbehalt bezeichnet). Art. 23 Abs. 2 sieht jedoch speziell für Einkünfte i.S.v. Art. 10 (Dividenden) und Art. 11 (Zinsen) nicht die Freistellung, sondern die Anrechnung der Steuer des Quellenstaats vor, um die insoweit bezweckte Teilung des Steuerguts (vgl. Rz. 11) methodisch umzusetzen. Art. 23 Abs. 4 will für bestimmte Konstellationen eine doppelte Nichtbesteuerung vermeiden, indem der Ansässigkeitsstaat trotz grds. Freistellung der fraglichen Einkünfte diese besteuern darf, wenn der Quellenstaat aus Gründen unterschiedlicher Sachverhaltsinterpretation oder Sachverhaltsdeutung die Einkünfte tatsächlich nicht besteuert. Anrechnungsmethode (Art. 23B). Nach der Anrechnungsmethode i.S.v. Art. 23B 52 werden die im Ausland auf die ausländischen Einkommens- bzw. Vermögensteile gezahlten Steuern auf die im Inland nach dem Welteinkommensprinzip zu berechnende Gesamteinkommensteuer angerechnet. Insoweit werden die Einkünfte zumindest auf das Besteuerungsniveau des Ansässigkeitsstaates „hochgeschleust“. Damit wird
1 Art. 22 hat für die deutsche Abkommenspraxis derzeit praktisch keine Bedeutung, vgl. Art. 22 Rz. 7. 2 Verteilungsnormen mit abschließender Rechtsfolge enthalten hingegen selbst die Entscheidung über die Vermeidung der Doppelbesteuerung, vgl. Rz. 38. Insoweit haben die Methodenartikel allenfalls deklaratorischen Charakter, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.512 m.w.N. 3 Vgl. dazu ausf. Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 19 ff.
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Systematik Rz. 52–55
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
das Prinzip der sog. Kapitalexportneutralität verwirklicht.1 Art. 23B enthält selbst keine detaillierten Vorschriften, wie die Anrechnung rechtstechnisch erfolgen soll. Dies bleibt dem nationalen Steuerrecht des jeweiligen Vertragsstaates überlassen. 6. Besondere Bestimmungen (Art. 24–29) 53
Gleichbehandlungsgebot (Art. 24). Das abkommensrechtliche Gleichbehandlungsgebot bzw. Diskriminierungsverbot (Art. 24) zielt auf Staatsangehörige (Art. 24 Abs. 1, Abs. 2), Betriebsstätten von Unternehmen des anderen Vertragsstaates (Art. 24 Abs. 3), die Abzugsfähigkeit von Schulden und Betriebsausgaben, wenn Gläubiger oder Empfänger im anderen Vertragsstaat ansässig sind (Art. 24 Abs. 4) und auf Kapital- und Personengesellschaften (Art. 24 Abs. 5). Das Diskriminierungsverbot umfasst nicht nur die in Art. 2 genannten Steuern, sondern solche jeder Art und Bezeichnung (Art. 24 Abs. 6). Den Diskriminierungsverboten ist gemein, dass sie sich nicht auf die Abkommensanwendung als solche beziehen, sondern primär auf die Anwendung innerstaatlichen Steuerrechts auf die in Art. 24 Abs. 1–5 einbezogenen Personen bzw. Sachverhalte.
54
Verständigungsverfahren (Art. 25). Art. 25 sieht z.B. bei Zweifeln und Fragen über die Auslegung und Anwendung des Abkommens sog. Verständigungsverfahren i.e.S. (Art. 25 Abs. 1, Abs. 2), Konsultationsverfahren (Art. 25 Abs. 3) und Schiedsverfahren (Art. 25 Abs. 3) vor, um eine Doppelbesteuerung auf verfahrensrechtlicher Ebene zwischenstaatlich zu beseitigen. Das antragsgebundene Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1, Abs. 2 soll den Steuerpflichtigen vor einer abkommenswidrigen Besteuerung eines Vertragsstaats im Einzelfall schützen. Art. 25 Abs. 1 regelt die Einleitung des Verständigungsverfahrens, Art. 25 Abs. 2 dessen Durchführung, falls die zuständige Behörde die Doppelbesteuerung nicht allein beseitigen kann. Die Vertragsstaaten sind im Verständigungsverfahren jedoch nicht gezwungen, sich auf eine die Doppelbesteuerung vermeidende Vorgehensweise zu einigen. Art. 25 Abs. 3 sieht die Möglichkeit von Konsultationen der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten nicht für Einzelfälle vor, sondern wenn allgemeine Anwendungsprobleme oder Regelungslücken allgemeiner Art im DBA zutage treten. Das in Art. 25 Abs. 5 geregelte, antragsgebundene zwischenstaatliche Schiedsverfahren ist nicht als eigenes Verfahren vorgesehen, sondern ist vielmehr Teil des Verständigungsverfahrens nach Abs. 1 und 2. Es dient der Verfahrensbeschleunigung und soll zu einer verbindlichen Entscheidung über die im Verständigungsverfahren i.e.S. offengebliebenen Punkte führen.
55
Informationsaustausch (Art. 26). Grenzüberschreitende Sachverhalte sind für einen Staat insoweit problematisch, als sein Recht, selbst Informationen hierzu zu beschaffen, grds. an den Staatsgrenzen endet (Territorialitätsprinzip). Art. 26 regelt den für eine effektive Durchsetzung abkommensrechtlicher Regelungen als Bestandteil internationaler Amtshilfe notwendigen Informationsaustausch in Steuersachen zwischen den Finanzverwaltungen der jeweiligen Vertragsstaaten. Sind die Voraussetzungen erfüllt, besteht ein völkerrechtlicher Anspruch auf Unterstützung durch den anderen Vertragsstaat im Wege des Informationsaustausches. Art. 26 Abs. 1 enthält insoweit eine sog. große Auskunftsklausel, die nicht lediglich einen Auskunftsverkehr zur Durchsetzung des jeweiligen DBA vorsieht (sog. kleine Auskunftsklausel), sondern auch einen solchen zur Durchführung des innerstaatlichen Steuerrechts. Art. 26 Abs. 2 sieht eine völkerrechtliche Geheimhaltungsverpflichtung der Vertragsstaaten bzgl. der erhaltenen Informationen vor. Art. 26 Abs. 3 und Abs. 5 setzen dem Informationsaustausch insoweit Grenzen, als ein Vertragsstaat nicht verpflichtet ist, Maßnahmen zur Informationserlangung zu ergreifen, die nach innerstaatlichem Recht unzulässig sind (Buchst. a), rechtswidrig erlangte Informationen weiterzugeben (Buchst. b) oder Steuerinformationen weiterzugeben, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis preisgeben würden oder deren Erteilung der öffentlichen Ordnung widerspräche (Buchst. c). Art. 26 Abs. 4 stellt klar, dass die Informationsbeschaffung un-
1 Vgl. dazu ausf. Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 19 ff.
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Schönfeld/Häck
B. Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK
Rz. 55–62 Systematik
abhängig davon erfolgt, dass der ersuchte Vertragsstaat die Information auch für Zwecke des nationalen Steuerrechts benötigt. Amtshilfe (Art. 27). Art. 27 ergänzt die nach Art. 26 vorgesehene internationale 56 Amtshilfe in Form des Informationsaustausches um die internationale Amtshilfe bei der Erhebung der Steuern, d.h. der Vollstreckung bzw. Beitreibung. Art. 27 Abs. 1 enthält die Grundregel über die Verpflichtung zur gegenseitigen Beitreibungshilfe. Art. 27 Abs. 2 definiert den Steueranspruch, für den gegenseitige Vollstreckungshilfe in Betracht kommt. Art. 27 Abs. 3 konkretisiert die Voraussetzungen des Vollstreckungsersuchens. Art. 27 Abs. 4 sieht die Unterstützung des anderen Vertragsstaates zur Einleitung von Sicherheitsmaßnahmen eines Steueranspruchs vor, wenn eine Erhebung des Steueranspruchs selbst noch nicht in Betracht kommt. Art. 27 Abs. 5 enthält Regelungen zu Verjährungsfristen und etwaiger staatlicher Vorrechte. Art. 27 Abs. 6 schließt ein verfahrensrechtliches Vorgehen gegen Bestehen, Gültigkeit und Höhe des Steueranspruchs im ersuchten Vertragsstaat aus. Fallen die Voraussetzungen eines Vollstreckungsersuchens nachträglich weg, richten sich die Rechtsfolgen nach Art. 27 Abs. 7. Art. 27 Abs. 8 enthält schließlich – ähnlich wie in Art. 26 Abs. 2 – Grenzen der Vollstreckungshilfe. Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen (Art. 28). 57 Art. 28 enthält lediglich eine Klarstellung, dass die – aus Art. 37 WÜD1 und Art. 49 und 71 WÜK2 folgenden – steuerrechtlichen Privilegien des diplomatischen und konsularischen Personals auf Basis allgemeiner völkerrechtlicher Regeln oder besondere Übereinkünfte ungeachtet des DBA erhalten bleiben. Der Vorrang wirkt sich v.a. ggü. Art. 19 aus (vgl. Rz. 46). Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs (Art. 29). Art. 29 ergänzt Art. 1 58 (persönlicher Anwendungsbereich) und Art. 2 (sachlicher Anwendungsbereich) um eine eigene Regelung zum räumlichen Geltungsbereich eines DBA, der sich nicht zwingend auf das ganze Gebiet eines Vertragsstaates erstrecken muss. 7. Schlussbestimmungen (Art. 30, 31) Inkrafttreten (Art. 30). Art. 30 sieht Regelungen zum Inkrafttreten des DBA vor 59 (vgl. ausführlich Rz. 68). Kündigung (Art. 31). Art. 31 sieht Regelungen zur Kündigung des DBA vor (vgl. 60 ausführlich Rz. 72).
IV. Bedeutung von OECD-MA/OECD-MK Keine rechtlich unmittelbare Bindungswirkung. Die unmittelbare rechtliche Be- 61 deutung des OECD-MA und OECD-MK ist im Verhältnis zu seiner tatsächlichen Bedeutung für die Abkommensverhandlungen und die Auslegung bestehender DBA eher gering. Als reine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten (vgl. Rz. 27) enthält weder das OECD-MA noch der OECD-MK eine weitergehende rechtliche Bindungswirkung. Hohe rechtsfaktische Bedeutung. Die einzigartige Bedeutung des OECD-MA und 62 OECD-MK drückt sich einerseits durch deren faktische Berücksichtigung der Vertragsstaaten bei den Abkommensverhandlungen aus. Die Vertragsstaaten legen den Vertragsverhandlungen regelmäßig Konzeption, Aufbau und Formulierungen des OECD-MA (oder eines der anderen MA) zugrunde und weichen nur punktuell von diesen ab.3 Aus diesem Grunde kommt dem erläuternden OECD-MK eine besondere Bedeutung bei der Auslegung von DBA zu (vgl. ausführlich Rz. 97).
1 Wiener Übereinkommen für diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961, BGBl. II 1964, 957. 2 Wiener Übereinkommen für konsularische Beziehungen v. 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1585, BGBl. II 1971, 1285. 3 Vgl. Lang, IStR 2011, 403.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 63–67
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
C. Zustandekommen, Revision und Beendigung von DBA I. Zustandekommen von DBA 1. Mehrstufiger Entstehensprozess bis zum Inkrafttreten 63
Rechtsnatur der DBA und Rechtsquellen des Zustandekommens. DBA sind völkerrechtliche Verträge, die grundsätzlich zwischen zwei selbständigen Völkerrechtssubjekten abgeschlossen werden.1 Ihr Zustandekommen als völkerrechtliche Verträge richtet sich nach den Regeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) v. 23.5.1969.2 Die innerstaatliche Verbindlichkeit der DBA hingegen wird erst durch das gem. Art. 59 Abs. 2 GG notwendige Zustimmungsgesetz bewirkt (vgl. Rz. 67). Im Einzelnen ergeben sich folgende Phasen bis zum Inkrafttreten eines DBA:
64
Vertragsverhandlungen. Die Vertragsverhandlungen werden durch entsandte Verhandlungsdelegationen, i.d.R. Ministerialbeamte des BMF, auf Grundlage einer vom Bundespräsidenten (Art. 59 Abs. 2 GG) erteilten Verhandlungsvollmacht geführt. Um sprachliche Missverständnisse möglichst zu vermeiden, erfolgt zunächst die Einigung auf eine Verhandlungssprache. In dieser wird sodann ein Abkommenstext ausverhandelt. Zum Abkommenstext gehören neben dem eigentlichen Haupttext auch z.B. die vereinbarten Schlussprotokolle und Briefwechsel.3
65
Paraphierung. Den Abschluss der Vertragsverhandlungen bildet die sog. Paraphierung (vgl. Art. 10 Buchst. b WÜRV), bei der zwei Exemplare des Textes von den Delegationsleitern Blatt für Blatt mit ihren Namenszeichen (Paraphe) versehen und dadurch als authentisch festgelegt werden. Anschließend erfolgt die Ausarbeitung der paraphierten Fassungen in den jeweiligen Landessprachen, soweit sie nicht Verhandlungssprache waren. Überwiegend werden die DBA in den Landessprachen beider Vertragsstaaten abgeschlossen. Möglich ist aber auch die Vereinbarung, dass eine Fassung in einer dritten Sprache (z.B. englisch) verbindlich sein soll. Materiellrechtlich führt die Paraphierung nur dazu, dass die beteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben verpflichtet sind, den Vertrag in angemessener Zeit den entscheidungsbefugten Stellen vorzulegen.4 Eine weitergehende verbindliche Verpflichtung ist hiermit noch nicht verbunden.
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Unterzeichnung. Die Phase der Verhandlungen wird durch den Vertragsschluss abgeschlossen. Die Unterzeichnung des Abkommenstextes erfolgt durch einen vom Bundespräsidenten (vgl. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 GG) bevollmächtigten Vertreter. Mit der Unterzeichnung verpflichten sich die Vertragsstaaten nach innerstaatlichem Recht, das für den verbindlichen Abschluss des Vertrags erforderliche Verfahren einzuleiten. Hingegen leitet sich auch aus der Unterzeichnung noch keine Rechtspflicht zum Abschluss des DBA ab.5
67
Rechtsanwendungsbefehl durch Vertrags- bzw. Zustimmungsgesetz. Aus deutscher Sicht bedarf das DBA der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Zustimmungsvorbehalt soll eine Umgehung der Gesetzgebungskompetenz der Legislative durch völkerrechtliche Verträge, die von der 1 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 45; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.19. 2 BGBl. II 1985, 926. Das WÜRV ist in Deutschland am 20.8.1987 in Kraft getreten (BGBl. II 1987, 757). Jedoch wurden die Vorschriften des WÜRV als gem. Art. 25 Abs. 2 GG verbindliches Völkergewohnheitsrecht bereits zuvor beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge beachtet, vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.20; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 39; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 68 f.; a.A. (wohl) BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 3 Das Absetzen vom Hauptteil erfolgt z.B., weil die Texte als weniger wichtig betrachtet werden oder nur einen Vertragsstaat betreffen. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.20. 5 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 50.
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Schönfeld/Häck
C. Zustandekommen, Revision und Beendigung von DBA
Rz. 67 Systematik
Exekutive abgeschlossen werden, verhindern. Das Gesetzgebungsverfahren richtet sich nach Art. 76 ff. GG. Bundestag und Bundesrat können dem DBA nur in Gänze ihre Zustimmung oder Ablehnung erteilen, sie haben kein einseitiges Änderungsrecht;1 Änderungsanträge sind gem. § 82 Abs. 2 GOBT unzulässig. Insoweit legt die Bundesregierung den Entwurf des Vertragsgesetzes (auch als Zustimmungsgesetz bezeichnet) den gesetzgebenden Körperschaften (Bundestag, Bundesrat, Art. 105 Abs. 3 GG) mit dem zustimmungsbedürftigen Abkommenstext (einschl. etwaiger Protokolle und Briefwechseln) vor.2 Das Vertragsgesetz zum Abkommen wird im Bundestag verabschiedet, der Bundesrat muss zustimmen (Art. 78 GG). Das Vertragsgesetz wird vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet (Art. 82 GG). Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zeitigt, dass DBA als völkerrechtliche Verträge nicht wie übrige Steuergesetze im parlamentarischen Verfahren beraten werden, sondern dass das mit dem anderen Vertragsstaat ausgehandelte DBA den mitwirkungsverpflichteten Bundesorganen als ausformulierter Text ohne Änderungsmöglichkeiten zur Zustimmung vorgelegt wird.3 Entsprechend besteht für die Mitglieder der beteiligten Bundesorgane ein gewisser Druck, die ggf. langwierig ausverhandelten Vertragstexte trotz etwaiger Bedenken gegen Regelungen im Detail „durchzuwinken“.4 Die parlamentarische Kontrolle ist daher sehr begrenzt, zumal die Abkommensverhandlungen selbst mehr oder weniger „im Geheimen“ stattfinden. Zur Behebung dieses Defizits wird die Einrichtung eines „Abkommenspolitischen Beirats“ vorgeschlagen.5 Materiellrechtlich ist fraglich, ob das Vertragsgesetz das DBA selbst im Wege eines Vollzugs- bzw. Rechtsanwendungsbefehls innerstaatlich für vollziehbar erklärt (sog. Vollzugstheorie6) oder die Zustimmung das DBA als völkerrechtlichen Vertrag in innerstaatliches Recht umwandelt, d.h. transformiert (sog. Transformationstheorie7).8 Rechtstechnische Bedeutung kann die Unterscheidung für die Frage des innerstaatlichen Rangs und der Auslegung von DBA erlangen.9 Das BVerfG scheint trotz uneinheitlicher Spruchpraxis in jüngerer Zeit zur Vollzugstheorie zu tendieren.10 Der BFH spricht regelmäßig von „Transformation“.11 Für die Vollzugstheorie spricht, dass sie ohne Hilfserwägungen begründen kann, dass für die Auslegung von DBA grds. die völkerrechtlichen Auslegungsmaßstäbe Anwendung finden.12 Gegen die Transformationstheorie spricht auch, dass die Bestimmungen des Vertrags innerstaatlich unabhängig von der Ratifikation des DBA (vgl. Rz. 68) Geltung erlangen würden.13 Das deutsche Vertragsgesetz enthält insoweit zutreffend nur einen Anwendungsbefehl,
1 Stv. Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 55. 2 Soweit Besonderheiten des Abkommens in einer sog. Denkschrift niedergelegt werden, entspricht dies der amtl. Begr. von Gesetzesvorlagen, ist also nicht Abkommensbestandteil, sondern lediglich Erläuterungstext, vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 53. 3 Ausführlich Lehner in Kirchhof/Birk/Lehner, Steuern im Verfassungsstaat: Symposion zu Ehren von K. Vogel aus Anlass seines 65. Geburtstags, 1996, 95 (mit Diskussion). 4 Die parlamentarische Zustimmung wurde erst einmal versagt, vgl. zum DBA-Türkei den Bundesratsbeschluss v. 18.12.1975, BR-Drucks. 678/75, 1. 5 Vgl. Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 6. 6 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 61; Drüen inT/K, § 2 AO Rz. 28. 7 Insoweit wird das Zustimmungsgesetz häufig als „Transformationsgesetz“ bezeichnet, vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 11; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 569. 8 Die Kontroverse fußt letztlich auf den völkerrechtlich verschiedenen Theorien zum Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht (dazu stv. Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 35). Die Vollzugstheorie basiert grds. auf dem dualistischen Konzept, wonach es sich bei Völkerrecht und nationalem Recht um zwei verschiedene Rechtsordnungen handelt. Die Transformationstheorie knüpft an das monistische Konzept an, nach dem Völkerrecht und innerstaatliches Recht Teile einer einheitlichen Rechtsordnung darstellen. 9 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 28. 10 Ausführlich Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 35. 11 Vgl. stv. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 20011, 156. 12 Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 36. 13 Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 45.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 67–70
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
durch den das DBA als solches innerstaatlich anwendbar wird.1 Anders als „transformiertes“ Recht behält das DBA damit seinen originär völkerrechtlichen Charakter. 68
Ratifikation und Austausch der Ratifikationsurkunden (Inkrafttreten des DBA). Art. 30 Abs. 1 und Abs. 2 setzen für das Inkrafttreten des DBA die Ratifikation und den Austausch der Ratifikationsurkunden voraus. Die Ratifikation ist die Erklärung, dass der Vertragsstaat an den in der betreffenden Urkunde wiedergegebenen Text völkerrechtlich gebunden ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Art. 11 WÜRV). Die Erklärung wird aus deutscher Sicht durch den Bundespräsidenten abgegeben (vgl. Art. 59 Abs. 1 Satz 2 GG). Der Austausch der Ratifikationsurkunde bildet den letzten Akt des förmlichen, mehrphasigen Vertragsabschlussverfahrens. Hieran ist in den deutschen DBA i.d.R. auch das Inkrafttreten geknüpft, von dem die zeitliche Anwendung (vgl. Rz. 69) des DBA jedoch zu unterscheiden ist. Der Tag, an dem das Abkommen wirksam wird, wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. 2. Erstmalige und rückwirkende Abkommenswirkung
69
Erstmalige Anwendung. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBA (vgl. Rz. 68) ist der Zeitpunkt zu unterscheiden, ab dem das DBA materiell anzuwenden ist, d.h., ab welchem Stichtag oder ab welchem Veranlagungszeitraum es materielle Wirkungen entfalten soll. Die DBA sehen i.d.R. insoweit eine ausdrückliche Regelung vor, z.T. wird der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung für bestimmte Abkommensnormen oder Steuererhebungsformen (z.B. Quellensteuern) unterschiedlich geregelt.
70
Rückwirkende Anwendung. Häufig sehen DBA (oder ggf. das Zustimmungsgesetz) – ausgehend von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens – eine rückwirkende erstmalige Anwendung vor. Völkerrechtlich ist dies zwischen den Vertragsstaaten unproblematisch, auch wenn gem. Art. 28 WÜRV völkerrechtliche Verträge grds. nicht bei Sachverhalten gelten, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags abgeschlossen sind. Innerstaatlich sind jedoch die durch das BVerfG gesetzten verfassungsrechtlichen Grenzen der Rückwirkung belastender Rechtsnormen zu beachten. Während eine Rückwirkung zugunsten des Steuerpflichtigen zulässig ist,2 wäre eine den Steuerpflichtigen belastende (echte) Rückwirkung grds. verfassungswidrig.3 Dies folgt aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen ist ab dem Zeitpunkt, in dem der Bundestag das Vertragsgesetz beschlossen hat (vgl. Rz. 67), nicht mehr schutzwürdig.4 Liegen zwischen dem Gesetzesbeschluss und dem Inkrafttreten des DBA (vgl. Rz. 68) jedoch mehrere Jahre, kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen wieder aufleben.5 Der BFH hat ein schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen auch nach einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren verneint.6 Möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnend enthalten zahlreiche deutsche Vertragsgesetze zu den DBA-Rückwirkungsvorschriften, wonach Steuern nicht erhoben oder ggf. zu erstatten sind, soweit der Steuerpflichtige durch die Rückwirkung eine Mehrbelastung erfährt.7
1 Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 61; Vogel in Haarmann (Hrsg.), Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1 (6 f.). 2 Soweit das Wirksamwerden eines DBA oder der maßgebliche Zeitpunkt ungewiss sind, soll die Steuer vorläufig festgesetzt werden, wenn das Abkommen rückwirkend zugunsten des Stpfl. wirken könnte (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AO. 3 Allg. zur Rückwirkungsproblematik Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 18 ff. 4 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628. 5 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628. 6 Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I B 122/93, BStBl. II 1994, 155. Zu Recht ablehnend Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 20a. 7 Vgl. im Überblick Liesenfeld in V/L5, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 16.
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Schönfeld/Häck
D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik
Rz. 71–73 Systematik
II. Revision und Außerkrafttreten von DBA Revision von DBA. Aus Sicht eines oder beider Vertragsstaaten kann nach Inkraft- 71 treten des DBA das Bedürfnis entstehen,1 das bestehende DBA zu ergänzen oder zu ändern.2 Führen die Revisionsverhandlungen zu einer partiellen Änderung bestehender DBA-Vorschriften, wird diese in einem Revisionsprotokoll festgehalten. Ergänzungen bestehender DBA jenseits der Änderung der jeweiligen Abkommensnormen erfolgen in einem Zusatzprotokoll. In beiden Fällen setzt deren völkerrechtliche Verbindlichkeit wie innerstaatliche Umsetzung die Einhaltung des für den Neuabschluss eines DBA geltenden Verfahrens (vgl. Rz. 67) voraus. Gleiches gilt, wenn die Revisionsverhandlungen auf ein Revisionsabkommen zielen, welches das bestehende DBA ersetzt. In diesem Fall tritt das alte DBA außer Kraft, ggf. mit der Option für den Steuerpflichtigen, das alte DBA für einen Übergangszeitraum weiter anzuwenden.3 Außerkrafttreten von DBA. Völkerrechtlich ist das Außerkrafttreten eines DBA auf 72 Basis vertraglicher Bestimmungen (z.B. auflösende Bedingung, Zeitablauf,4 Kündigung) oder einvernehmlicher Aufhebung denkbar (vgl. Art. 54 WÜRV). Als vertraglicher Erlöschensgrund ist i.d.R. nur die Kündigung auf Grundlage einer Kündigungsklausel (Art. 31) vorgesehen,5 wovon jedoch selten Gebrauch gemacht wird,6 um einen vertragslosen Zustand zu vermeiden. Kommt es zu einer Kündigung, besteht zur Vermeidung von Doppelbesteuerung die Möglichkeit, das gekündigte DBA auch in der vertragslosen Zeit weiter anzuwenden7 oder die Wirksamkeit eines neu verhandelten DBA auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung des alten DBA zurückzubeziehen. Auch der Untergang eines Staates kann zum Erlöschen eines DBA führen, soweit nicht über das völkerrechtliche Prinzip der Kontinuität ein Fall der Staatennachfolge eintritt.8
D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik I. Stand der deutschen DBA Stand der deutschen DBA mit den wichtigsten Industriestaaten. Deutschland un- 73 terhält derzeit mit mehr als 90 Staaten DBA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen9 und verfügt damit über ein engmaschiges Netz von DBA, insbesondere mit allen wichtigen Industriestaaten.10 Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten sind ganz unterschiedlichen Alters und bauen dementsprechend auf verschiedenen Versionen des OECD-MA auf, was insbesondere auch für die Heranziehung des OECD-MK bei der Abkommensauslegung von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. Rz. 97). Das DBA-Belgien datiert – aufbauend auf dem OECD-MA 1963 – v. 11.4.196711 und wurde nur durch Zusatzabkommen v. 5.11.200212 und Ände1 2 3 4 5 6
7 8 9 10
11 12
Gründe können z.B. maßgebliche Änderungen des innerstaatlichen Steuersystems sein. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.24. Vgl. z.B. Art. 32 Abs. 3 DBA-USA. Vgl. zum DBA-Vereinigte Arabische Emirate Ruge in Haase, Art. 31 OECD-MA Rz. 13. Aus abkommenspolitischer Sicht dazu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 15. Z.T. werden auch Mindestlaufzeiten vorgesehen, in denen ein DBA unkündbar ist, vgl. nur Art. 33 Abs. 1 DBA-USA (Mindestlaufzeit von fünf Jahren). Deutschland hat bislang das DBA-Brasilien zum 31.12.2005 (vgl. dazu Schaumburg/Schulz, IStR 2005, 794 ff.) und das ErbSt-DBA mit Österreich zum 31.12.2007 (Verlängerungsabkommen v. 6.11.2008, BGBl. II 2009, 715) gekündigt. So geschehen nach Kündigung des DBA-Argentinien, vgl. BMF v. 18.3.1974 – IV C 2-S 1301 Argentinien-4/74, BStBl. I 1974, 131. Dazu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.27 m.w.N. Vgl. zum Überblick über die deutschen DBA zum 1.1.2013 BMF v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017–04 (2013/0062878), BStBl. I 2013, 162. Nach der Einschätzung in diesem Kommentar sind dies die DBA mit Belgien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Russland, Schweiz, Spanien, USA. BGBl. II 1969, 17. BGBl. II 2003, 1615. Zu den Änderungen Kaefer, IWB 2004/11, Fach 3, Gruppe 2, 1119, Stenten, IStR 2005, Beihefter, Länderbericht, zu Nr. 21/2005, 3.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 73
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
rungsprotokoll v. 21.10.20101 geringfügig angepasst. Das DBA-China (ohne Hongkong und Macau) ist v. 10.6.1985.2 Ein Revisionsabkommen ist am 12.7.2011 paraphiert worden.3 Das DBA-Frankreich v. 21.7.19594 ist durch Revisionsprotokoll v. 9.6.1969,5 Zusatzabkommen v. 28.9.19896 und Zusatzabkommen v. 20.12.20017 erheblich modifiziert worden. Das DBA-Indien datiert v. 19.6.1995,8 Neuverhandlungen finden offenbar noch nicht statt, wohl aber Sondierungsgespräche.9 Das DBA-Italien stammt v. 18.10.1989,10 es besteht zudem ein gesondertes Amtshilfeabkommen v. 9.6.1938.11 Das DBA-Japan v. 22.4.196612 ist durch Änderungsprotokolle v. 17.4.197913 und v. 17.2.198314 erheblich geändert worden. Der Eintritt vom Sondierungs- in das formelle Verhandlungsstadium zu einem Revisionsabkommen des DBA-Japan steht unmittelbar bevor.15 Das DBA-Kanada datiert v. 19.4.2001.16 Das v. 23.8.195817 stammende DBA-Luxemburg wurde durch Ergänzungsprotokoll v. 15.6.197318 und Änderungsprotokoll v. 11.12.200919 modifiziert. Am 9.9.2011 wurde ein Revisionsabkommen paraphiert,20 welches am 23.4.2012 unterzeichnet wurde.21 Das DBA-Niederlande datiert in seiner ursprünglichen Form v. 16.6.1959,22 hat aber durch drei Zusatzprotokolle v. 13.3.1980,23 21.5.199124 und 4.6.200425 erhebliche Änderungen erfahren. Am 12.4.2012 wurde ein neues Revisionsabkommen unterzeichnet.26 Das DBA-Österreich v. 24.8.200027 wird durch das Änderungsprotokoll v. 29.12.201028 ergänzt. Das DBARussische Föderation stammt v. 29.5.199629 und wurde durch Änderungsprotokoll v. 15.10.200730 geringfügig geändert. Das DBA-Schweiz v. 11.8.197131 ist das bislang am häufigsten geänderte bzw. ergänzte deutsche DBA. Modifikationen erfolgten insoweit 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
27 28 29 30 31
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Gesetzgebungs- und Ratifikationsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. BGBl. II 1986, 446. Dazu Höffken, IWB 1986/22, Fach 6, Gruppe 2, 37; Manke, DStZ 1985, 263. BMF v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017-04 (2013/0062878), BStBl. I 2013, 162. BGBl. II 1961, 397. Dazu Debatin, AWD 1961, 33. BGBl. II 1970, 717. BGBl. II 1990, 770. Dazu Krabbe, RWP 1991/1202 SG 2.1, 431; Viegener, IWB 1991/23, Fach 5, Gruppe 2, 821. BGBl. II 2002, 2370. Dazu Wagner, IWB 2002/4, Fach 3, Gruppe 2, 1013. BGBl. II 1996, 706. Dazu Schieber, IStR 1997, 12; Grotherr, IWB 1997/19, Fach 6, Gruppe 2, 59; Govind, IStR 1997, 652; Lobis, IStR 1993, 111. Vgl. BMF v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017-04 (2013/0062878), BStBl. I 2013, 162. BGBl. II 1990, 743. Dazu Krabbe, RWP 1990/1194 SG 2.1, 401; Mayr, IWB 1992/24, Fach 5, Gruppe 2, 343; Mayr, IWB 2010, 731. RGBl. 1939 II, 124, BGBl. II 1956, 2154. BGBl. II 1967, 871. Dazu Debatin, DB 1967, 787; Menck, AG 1967, 218; Sass, AWD 1967, 145. BGBl. II 1980, 1182. BGBl. II 1984, 194. Vgl. Wichmann, FR 2011, 1082 (1085). BGBl. II 2002, 671. Dazu Hensel, IWB 2002/6, Fach 8, Gruppe 2, 209. BGBl. II 1959, 1269. BGBl. II 1978, 109. BGBl. II 2010, 1150. Dazu Steichen/Böing, IStR 2012, 104. Vgl. BMF v. 22.1.2013 – IV B 2 - S 1301/07/10017-04 (2013/0062878), BStBl. I 2013, 162. Im Internet abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de. BGBl. II 1960, 1781. Dazu Debatin, DB 1960, 1108; Debatin, AWD 1960, 57. BGBl. II 1980, 1150. BGBl. II 1991, 1428. BGBl. II 2004, 1653. Dazu Jumpertz/Oblau, RIW 2005, 917; Prokisch, IWB 2006/20, Fach 5, Gruppe 2, 441. Das am 12.4.2012 unterzeichnete DBA-Niederlande ist durch zwei Notenwechsel mit Wirkung ab Unterzeichnung korrigiert worden. Es handelt sich um Korrekturen in Artikel 13 Abs 2 Nr. XVI (1) des Protokolls zum Abkommen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10.8.2012 (BR-Drucks. 479/12) enthält die korrigierte Fassung des Abkommens. BGBl. II 2002, 734. Dazu Loukota, SWI 1999, 422; Hensel, IWB 2001/21, Fach 5, Gruppe 2, 549. BGBl. II 2011, 1209. Dazu Geuenich/Lang, IWB 2011, 210. BGBl. II 1996, 2710. Dazu Kempf/Straubinger, IStR 1998, 564; Koslow, IWB 2000/24, Fach 5, Gruppe 2, 75. BGBl. II 2008, 1398 (u.a. Neuregelung des Informationsaustausches). BGBl. 1972, 1021. Dazu Baranowski, INF 1972, 136, Debatin, DStZ/A 1972, 385; Flick, StBp. 1971, 225; Hangarter, AG 1971, 325; Hillert, BB 1972, 1543; Kreile, BB 1971, 1227.
Schönfeld/Häck
D. Deutsche DBA und Abkommenspolitik
Rz. 73–74 Systematik
durch Protokolle v. 30.11.1978,1 v. 17.10.19892 und 21.12.1992,3 das Revisionsprotokoll v. 12.3.20024 und das Änderungsprotokoll v. 27.10.2010.5 Das DBA-Spanien v. 5.12.19666 ist durch das am 3.2.2011 unterzeichnete7 und am 18.10.2012 in Kraft getretene Revisionsabkommen abgelöst worden. Das DBA-Vereinigtes Königreich v. 30.3.20108 hat kürzlich das vorherige ältere DBA v. 26.4.1964,9 geändert durch Revisionsprotokoll v. 23.3.1970,10 abgelöst. Das DBA-Vereinigte Staaten (USA) v. 29.8.198911 wurde durch umfangreiches Änderungsprotokoll v. 1.6.200612 geändert und die Neufassung am 4.6.2008 bekannt gemacht.13
II. Deutsche Abkommenspolitik Deutsche Abkommenspolitik. Abkommensübergreifende Leitlinien einer deut- 74 schen Abkommenspolitik14 lassen sich angesichts der Fülle deutscher DBA und deren unterschiedlichen Alters bisher nur schwer ausmachen. Die jüngere deutsche Abkommenspolitik zeigt aber verstärkt das Bestreben, durch geeignete (abkommensrechtliche) Maßnahmen doppelte Nichtbesteuerungen von vornherein zu vermeiden. Insbesondere ist bei der für die deutsche Wirtschaft wesentlichen Frage15 der grds. Beibehaltung der sog. Freistellungsmethode16 zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen zu beobachten, dass diese z.T. in neueren Abkommen zugunsten der sog. Anrechnungsmethode aufgegeben wird.17 Hierin soll jedoch keine grundlegende Änderung der deutschen Abkommenspolitik zu sehen sein, vielmehr handele es sich um Ausnahmefälle bei DBA mit Staaten, die keine oder nur sehr niedrige Steuern erheben 1 BGBl. II 1980, 751. Dazu Klempt, DStZ 1980, 150. 2 BGBl. II 1990, 766. Dazu Krabbe, RWP 1991/1207 SG 9.4, 37. 3 BGBl. II 1993, 1886. Dazu Geiger/Hartmann/Alscher, IStR 1994, 9; Kempermann, FR 1994, 564. 4 BGBl. II 2003, 67. Dazu Kubaile, PISTB 2003, 209. 5 BGBl. II 2011, 1090. Dazu Jacob, SAM 2011, 170; Engler, NWB 2011, 787. 6 BGBl. II 1966, 9. 7 Dazu Bisle, PISTB 2011, 163; Strunk/Plattes, Stbg 2011, 443. 8 BGBl. II 2010, 1333. Dazu Bahns/Sommer, IStR 2011, 201; Büttgen/Kaiser/Raible, BB 2011, 862; Dörr, IWB 2010, 411; Häuselmann, Ubg 2010, 347. 9 BGBl. II 1966, 358. 10 BGBl. II 1971, 45. 11 BGBl. II 1991, 354. Dazu Jacob, IWB 1992/1 Fach 8, Gruppe 2, 113; Debatin, DB 1990, 598. 12 BGBl. II 2006, 1184. Dazu Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland/USA, 2009; Jacob, IStR 2011, 45 und 98; Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837. 13 BGBl. II 2006, 611 und 851. 14 Vgl. dazu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 1 ff.; Müller-Gatermann, FR 2012, 1032 ff.; Lüdicke, FR 2011, 1077 ff.; Lehner, FR 2011, 1087 ff.; Wichmann, FR 2011, 1082 ff. 15 Die ökonomischen Vor- und Nachteile von Anrechnungs- und Freistellungsmethode sind vielfältig (ausführlich Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 65 ff.). Die durch die Freistellungsmethode verwirklichte Kapitalimportneutralität vermeidet aber v.a. für die exportstarke deutsche Wirtschaft Wettbewerbsnachteile im Ausland, die durch das regelmäßig höhere deutsche Steuerniveau entstehen könnten. Kapitalimportneutralität zielt auf die Wettbewerbsneutralität in dem (ausländischen) Staat, in dem die ausländische Geschäftstätigkeit unterhalten wird. Nach Maßgabe der Kapitalimportneutralität sollen die Aktivitäten auf dem ausländischen Markt auch dem dort geltenden ausländischen Steuerniveau unterliegen, d.h., es soll das Steuerniveau des Staates zur Anwendung gelangen, in dem das Kapital investiert ist. Hingegen zielt Kapitalexportneutralität auf die Wettbewerbsneutralität im Ansässigkeitsstaat, d.h. auf die Steuerverhältnisse des Staates, aus dem das im Ausland investierte Kapital stammt. Nach Maßgabe der Kapitalexportneutralität muss es für einen inländischen Investor unter steuerlichen Gesichtspunkten unerheblich sein, ob er sein Kapital im Inland oder im Ausland investiert. Rechtstechnisch wird die Kapitalexportneutralität durch die Anrechnungsmethode verwirklicht, die Kapitalimportneutralität durch die Freistellungsmethode (ausführlich Jacobs/Endres/Spengel in Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 19 ff.). 16 Im Koalitionsvertrag v. 26.10.2009 hatten sich CDU/CSU und FDP darauf geeinigt, grds. an der Freistellung ausländischer Unternehmenseinkünfte festzuhalten. 17 Vgl. Art. 22 Abs. 1 DBA-Vereinigte Arabische Emirate 2010; Art. 22 Abs. 1 DBA-Zypern 2011.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 74–75
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
bzw. mit denen keine die Freistellungsmethode flankierenden Mechanismen zur Vermeidung doppelter Nichtbesteuerungen vereinbart werden konnten.1 Für diese Einschätzung sprechen andere jüngere Abkommen, in denen die Freistellungsmethode vereinbart wurde.2 Das am 12.4.2012 unterzeichnete Revisionsabkommen mit den Niederlanden enthält für die Anwendung der Freistellungsmethode eine Subject-to-taxKlausel,3 wenn Deutschland Ansässigkeitsstaat ist. Den auf OECD-Ebene zu beobachtenden Entwicklungen in Richtung einer Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs (vgl. hierzu Art. 5 Rz. 18 f.) steht Deutschland hingegen reserviert gegenüber.4 Bei künftig abgeschlossenen DBA wird zu beobachten sein, ob Deutschland insbesondere die Neufassung des Art. 7 mit seinen Änderungen, die er durch den „Authorized OECD Approach (AOA)“ erfahren hat, umsetzt. Zur Verbesserung des Streitbeilegungsmechanismus der DBA sollen künftig vermehrt Schiedsklauseln (vgl. Art. 25 Abs. 5) in die DBA integriert werden.5
III. Deutsches Muster-DBA 75
Entwicklung eines deutschen Musterabkommens. Bestrebungen zur Vereinheitlichung der deutschen DBA und der deutschen DBA-Politik6 haben zur Entwicklung einer „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ vom 17.4.20137 in der Art eines deutschen Muster-DBAs geführt, welches nach Bedarf geändert oder ergänzt werden soll (siehe zum Inhalt des deutschen Muster-DBA im Einzelnen die Kommentierung in Anhang 4 Rz. 1 ff.). Das deutsche Musterabkommen soll als Grundlage für neue Abkommensverhandlungen dienen, die deutsche Verhandlungsposition stärken und möglichst zu einem abkommensübergreifend einheitlichen Wortlaut führen.8 International legen insbesondere die USA ihr eigenes Abkommensmuster den Abkommensverhandlungen zugrunde. Ob ein solches Muster-DBA angesichts der unterschiedlichen Rechtsordnungen der Vertragsparteien und der ggf. unterschiedlichen wirtschaftlichen Position des anderen Vertragsstaats (Industriestaat, Schwellenland, Entwicklungsland) opportun ist, dürfte allerdings Zweifeln begegnen (vgl. hierzu auch ausführlich Anhang 4 Rz. 1 ff.).
E. Auslegung von DBA Literatur: Blumenwitz, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge unter besonderer Berücksichtigung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Becker/Lerche/Mestmäcker (Hrsg.), Wanderer zwischen Musik, Politik und Recht, FS für Kreile, Baden-Baden 1994, 73; Blumenwitz, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Heft 18), 1995, 5; Clausen, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter Berufung auf die Zweifelsfallregelung, DB 2001, 2515; Debatin, Auslegungsmaximen zum internationalen Steuerrecht, RIW 1969, 477; Debatin, Qualifikationsprobleme im Doppelbesteuerungsrecht, FR 1979, 493; Debatin, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Fischer (Hrsg.), Unternehmung Steuern, FS für Scherpf, Berlin 1983, 305; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB Beilage 23/1985, 1; Debatin, Zu einigen Fragen des Internationalen Steuerrechts, DB 1986, 510; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, DStZ/A 1987, 211; Debatin, Doppel1 Wichmann, FR 2011, 1082 f. 2 Vgl. z.B. zum DBA-Türkei 2011, Schnädter/Kirchhof, IStR 2012, 247 (251). 3 Art. 22 Abs. 1 Buchst. a: „[…] Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die Einkünfte aus den Niederlanden ausgenommen, die nach diesem Abkommen tatsächlich in den Niederlanden besteuert werden […]“. 4 Vgl. die abgegebene Bemerkung zu Rz. 4.5 in Rz. 45.7–45.9 OECD-MK; vgl. auch Wichmann, FR 2011, 1082 (1084 f.). 5 Ausf. Wichmann, FR 2011, 1082 (1085 f.). 6 Vgl. zu einem deutschen Muster-DBA bereits Lüdicke, Überlegungen zur deutschen Abkommenspolitik, 2008, 6; Lüdicke, FR 2011, 1077 (1079); vgl. auch den Diskussionsbericht zum 40. Berliner Steuergespräch „DBA-Politik der Bundesregierung“ bei Richter/Welling, FR 2011, 1092 (1093 ff.); Müller-Gatermann, FR 2012, 1032 ff. 7 Abrufbar auf den Internetseiten des BMF. 8 Vgl. Müller-Gatermann, FR 2012, 1032.
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Schönfeld/Häck
E. Auslegung von DBA
Systematik
besteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR Beihefter 23/1992, 1; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Drüen, Bindungswirkung von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, IWB 2011, 360; Flick, Zur Auslegung von Normen des internationalen Steuerrechts, in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, FS für Spitaler, Köln1958, 151; Gloria, Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der LexFori-Klausel für ihre Auslegung, RIW 1986, 970; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 1988; Hahn, Gedanken zum Grundsatz der sog. Entscheidungsharmonie, IStR 2012, 941; Hahn, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen: Der Grundsatz der Entscheidungsharmonie im Crash-Test, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer – Internationales Steuerrecht – Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer zum 65. Geburtstag, München 2005, 631; Ismer, DBA-Konkretisierung durch die Exekutive?, IStR 2009, 366; Jirousek, Kritische Anmerkungen zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1998, 112; Kerath, Maßstäbe zur Auslegung und Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des Verständigungsverfahrens, Berlin 1995; Klebau, Einzelprobleme bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1985, 125; Kluge, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, AWD 1975, 90; Lampert, Die dynamische Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Beachtung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen, IStR 2012, 513 Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2009; Lang, Keine Bedeutung der jüngeren Fassung des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Interpretation älterer Doppelbesteuerungsabkommen, IWB, Fach 10, Gruppe 2, 120; Lang, Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992, 104; Lang, Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, Haben die die Änderungen der OECD-Kommentare für die Auslegung älterer DBA Bedeutung?, SWI 1995, 412; Lang, Grundsatzerkenntnisse des VwGH zur DBA-Auslegung, SWI 1996, 427; Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 283; Lang, Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 129; Lang, Qualifikationskonflikte im Recht de Doppelbesteuerungsabkommen, in Lehner/Vogel (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS für Vogel, Heidelberg 2000, 908; Lang, Wer hat das Sagen im Steuerrecht, Die Bedeutung des OECD-Steuerausschusses und seiner Working-Parties, ÖStZ 2006, 203; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, Die Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts für die DBA-Auslegung in der jüngeren Rechtsprechung des VwGH, SWI 2007, 199; Lang, Art. 3 Abs. 2 OECD-MA und die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2011, 281; Lang, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen und authentische Vertragssprachen, IStR 2011, 403; Lang, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Planungssicherheit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., 2011, 1865; Lehner, in Kessler/Kröner/Köhler (Hrsg.), Konzernsteuerrecht, 2. Aufl., München 2008, § 6 Rz. 4; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelnichtbesteuerung durch Rechtsverordnungen, IStR 2011, 733; Lenz, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI XLII (1960), 107; Mössner, Die Auslegung mehrsprachiger Staatsverträge, Archiv des Völkerrechts, Bd. 15 (1971/1972), 273; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Böckstiegel (Hrsg.), Völkerrecht – Recht der Internationalen Organisationen – Wirtschaftsrecht, FS für Seidl-Hohenveldern, Köln u.a. 1988, 403; Pohl, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der jüngeren Rechtsprechung des BFH, RIW 2012, 677; Pöllath, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (deutsche DBA), CDFI LXXVIIla (1993), 327; Pöllath, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge aus der Sicht der Steuerpraxis, in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Heft 18), 1995, 29; Prokisch, Fragen der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1994, 52; Reimer, Seminar F: Die sog. Entscheidungsharmonie als Maßstab für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2008, 551; Reimer, Der Rechtsvergleich im Internationalen Steuerrecht, in Lehner (Hrsg.), Reden zum Andenken an Klaus Vogel, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 29, 2010, 89; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407; Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165; Strobl, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung ausländischer Rechtsordnungen, in Knobbe-Keuk/Klein/Moxter (Hrsg.), Handelsrecht und Steuerrecht, FS für Georg Döllerer, 1988, 635; Vogel, Aktuelle Fragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1978, 1021; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Auslegung, StuW 1982, 111 und 286; Vogel, Abkommensvergleich als
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Systematik Rz. 76–77
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
Methode bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, StbJb 1983/84, 373; Vogel, Zu einigen Fragen des Internationalen Steuerrechts, DB 1986, 507; Vogel, Über Entscheidungsharmonie, in Klein/Stihl/Wassermeyer (Hrsg.), Unternehmen Steuern, FS für Hans Flick, 1997, 1043; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Vogel, Transnationale Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2003, 523; Vogel, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Haarmann (Hrsg.), Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1; Vogel/Prokisch, Generalbericht zum Thema „Interpretation on Double Taxation Conventions, CDFI LXXVlII a (1993), 19; Waldhoff, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen: Zweck und Rolle des OECD-Kommentars, StbJb 2005/2006, 161; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen durch den Bundesfinanzhof, StuW 1990, 404; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des BFH, SWI 1992, 171; Wassermeyer, Der Künstlerbegriff im Abkommensrecht, IStR 1995, 555; Wassermeyer, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge – Haltung des BFH, in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, 1995, 19; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Auslegung von DBA durch die Finanzverwaltung, IStR 1995, 49; Weber-Fas, Prinzipien der Abkommensinterpretation im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1982, 803; Wolff, Generalthema I: Doppelte Nicht-Besteuerung, IStR 2004, 542; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.
I. Gegenstand der Auslegung 76
DBA als Auslegungsgegenstand. Folgt man der sog. Vollzugstheorie (Rz. 67), lässt sich widerspruchsfrei begründen, dass das DBA selbst Gegenstand der Auslegung ist und damit die Auslegung völkerrechtlichen Auslegungsmethoden (Art. 31 ff. WÜRV, dazu Rz. 89 ff.) unterworfen ist.1 In der Konsequenz der Transformationstheorie wäre das Zustimmungsgesetz Auslegungsgegenstand,2 jedoch wird auch insoweit auf völkerrechtliche Auslegungsmethoden zurückgegriffen. Gegenstand des DBA sind alle seine Bestandteile, die Gegenstand des Ratifikationsverfahrens waren und vom deutschen Vertragsgesetz umfasst sind, wie regelmäßig etwa Zusatz- und Schlussprotokolle, Noten- oder Briefwechsel, nicht aber einseitige Verhandlungsprotokolle,3 Denkschriften4 und (sonstige) Materialen.5 Letztere Dokumente sind zwar nicht Gegenstand der Auslegung, sie stellen aber Hilfsmittel für die Auslegung von Abkommensbestimmungen i.S.v. Art. 31 Abs. 2 WÜRV dar, jedenfalls soweit in ihnen die gemeinsamen Vorstellungen der Vertragspartner wiedergegeben werden.6
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Maßgebliche Sprachfassung. DBA werden grds. in den jeweiligen Landessprachen der Vertragsstaaten, mitunter auch noch in einer dritten Sprache7 (dann i.d.R. englisch8) abgefasst. Die Sprachfassungen und deren Verbindlichkeiten werden stets in der Schlussklausel am Ende eines DBA festgelegt. Verständigen sich die Vertragsstaaten nicht ausdrücklich für den Fall unterschiedlicher Auslegung auf eine Abkom1 Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 8; Debatin in FS Scherpf, 305. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 64; Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 7. 3 Vgl. aber BFH v. 6.2.1991 – I R 125/90, DB 1991, 1708 zum Verhandlungsprotokoll v. 18.6.1971 zum DBA-Schweiz, wonach auch der Inhalt eines Verhandlungsprotokolls, welches nicht Gegenstand des deutschen Vertragsgesetzes war, jedoch dem deutschen Gesetzgeber bei der der Ratifizierung vorgelegen hat, inhaltlich für die Auslegung verbindlich sein könne. Die widerspruchslose Übernahme müsse als Zustimmung des Gesetzgebers zum Inhalt des Verhandlungsprotokolls verstanden werden. 4 Henkel, in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 39. 5 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 41. 6 Henkel, in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 39; Klebau, RIW 1985, 125 (133). 7 Z.B. das in deutscher, französischer und niederländischer Sprache abgefasste DBA-Belgien, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. Gleiches gilt für das in deutscher, englischer und französischer Sprache abgefasste DBA-Kanada. 8 Das DBA-Indien ist in deutscher, in Hindi und in englischer Sprache abgefasst, wobei zwar jeder Wortlaut verbindlich ist, bei unterschiedlicher Auslegung aber der englische Wortlaut maßgebend ist (vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Indien Rz. 10). Für das in Deutsch, Japanisch und Englisch abgefasste DBA-Japan gilt Entsprechendes.
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E. Auslegung von DBA
Rz. 77–78 Systematik
menssprache als allein verbindliche,1 so sind sämtliche Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich (vgl. Art. 33 Abs. 1 WÜRV).2 Die Vertragsstaaten sind zwar bemüht, die verschiedenen Sprachfassungen aufeinander abzustimmen, sodass von einer Vermutung ihrer Deckungsgleichheit ausgegangen werden kann (Art. 33 Abs. 3 WÜRV).3 Dennoch ist zu sehen, dass sich einzelne Worte nicht ohne Weiteres in eine andere Sprache übersetzen lassen, ohne dass hiermit ein gewisser Bedeutungswandel verbunden ist.4 Daher darf sich die Auslegung nicht auf die Fassung in der Sprache des Anwenderstaates beschränken,5 wovon auch Art. 33 Abs. 4 WÜRV offensichtlich ausgeht.6 Hinzu kommt, dass die DBA regelmäßig dem OECD-MA nachgebildet sind und damit ggf. zunächst eine Übersetzung des OECD-MA in die jeweiligen Landessprachen erfolgt. Insoweit stellt sich die Frage, inwieweit ggf. auch die englisch- und französischsprachigen Originalfassungen des OECD-MA bei der Auslegung heranzuziehen sind.7 Ist die englische oder französische Sprache eine der von den Vertragsparteien vereinbarten, authentischen Sprachen und ist eine dem OECD-MA nachgebildete Klausel auszulegen, wird man der englischen bzw. französischen Sprachfassung des DBA eine höhere Bedeutung zumessen müssen, wenn sich zwischen den authentischen Sprachfassungen ein Bedeutungsunterschied i.S.v. Art. 33 Abs. 4 ergibt.8 Ist weder die englische noch die französische Sprache „authentisch“, kann die Berücksichtigung der Originalfassungen nur über andere Auslegungsregeln (z.B. Art. 31 Abs. 4 WÜRV) erfolgen.9
II. Methodik der Auslegung von DBA 1. Vorrang abkommensautonomer Auslegung und Bedeutung des innerstaatlichen Rechts Abkommensautonome Auslegung. Selbst dann, wenn man – von der monistischen 78 Theorie ausgehend – DBA und innerstaatliches Recht als verschiedene Bestandteile einer einheitlichen Rechtsordnung begreift, so bilden DBA doch einen geschlossenen Regelungskreis, der für seine Zwecke eigene vom innerstaatlichen Recht zu trennende Begriffe verwendet.10 Entsprechend sind die „Begriffe aus einem Doppelbesteuerungsabkommen zunächst eigenständig, das heißt also abkommensrechtlich, auszulegen und zu verstehen“.11 Insoweit sind DBA primär aus sich selbst heraus auszulegen (sog. abkommensautonome Auslegung12), wobei diejenige Auslegung anzustreben ist, die am ehesten die Aussicht hat, in beiden Vertragsstaaten akzeptiert zu werden (sog. Effektivitätsgrundsatz, ausführlich Rz. 92). Die Vertragsparteien sind aber in der Ausgestaltung des DBA insoweit frei, als sie für die Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe einen Rückgriff auf das jeweilige Verständnis des innerstaatlichen Rechts des einen oder anderen Vertragsstaats anordnen können. Eine solch spezifische Abkommensregelung allgemeiner Natur enthält Art. 3 Abs. 2, der in praktisch allen deutschen DBA rezipiert wurde.13 Art. 3 Abs. 2 sieht in ganz bestimmten Fällen eine Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe anhand des innerstaatlichen Rechts
1 So z.B. DBA-Indien (englisch), DBA-Japan (englisch). Zu einem Praxisfall vgl. Philipowski, DB 2001, 1112. 2 Verbindlichkeit der beiden jeweiligen Landessprachen z.B.: DBA-China, DBA-Frankreich, DBA-Vereinigtes Königreich, DBA-Italien, DBA-Niederlande, DBA-Russische Föderation, DBA-Spanien, DBA-USA. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 83. 4 Lang, IStR 2011, 403. 5 BFH v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486. 6 Lang, IStR 2011, 403 (404). 7 Vgl. dazu Lang, IStR 2011, 403 ff. 8 Lang, IStR 2011, 403 (406). 9 Ausführlich Lang, IStR 2011, 403 (407 ff.). 10 Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 45; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 6. 11 BFH v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053; v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672. 12 Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFH/NV 2011, 135; Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 45; Debatin in FS Scherpf, 305 (306). 13 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 126 ff.
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Systematik Rz. 78–82
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
des Anwenderstaates vor, wenn sich anhand vorrangiger abkommensautonomer Auslegung ein abkommensrechtliches Verständnis nicht ausmachen lässt (ausführlich zur Bedeutung des innerstaatlichen Rechts für die Abkommensauslegung vgl. Rz. 80). 79
Anwendung völkerrechtlicher Auslegungsregeln. Aufgrund des Charakters von DBA als völkerrechtliche Verträge, denen per Zustimmungsgesetz der (innerstaatliche) Rechtsanwendungsbefehl erteilt wurde (vgl. Rz. 67), sind bei der Abkommensanwendung die Auslegungsregeln des Abschnitts 3 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) maßgeblich (vgl. ausführlich Rz. 89 ff.).1 Eine originäre Auslegung von DBA nach innerstaatlichen Auslegungsregeln, die in der Konsequenz der Transformationstheorie maßgeblich wären,2 stünde der von den Vertragsstaaten beabsichtigten effektiven Abkommensanwendung insoweit entgegen, als die innerstaatlichen Auslegungsregeln der Vertragsparteien sich voneinander unterscheiden können.3 Sehen die Auslegungsregeln des einen Vertragsstaats bspw. eine strenge Bindung an den Wortlaut vor, berücksichtigt der andere Vertragsstaat (wie z.B. in Deutschland) aber auch z.B. teleologische Aspekte, ließe sich eine einvernehmliche Auslegung häufig nicht herstellen.
80
Bedeutung des nationalen Steuerrechts für die Abkommensauslegung. Das Gebot abkommensautonomer Auslegung der DBA (vgl. Rz. 78) ist ein grundsätzliches, jedoch kein generelles Gebot in dem Sinne, dass innerstaatliches Steuerrecht für die Auslegung von DBA keine Bedeutung hätte. Zwar zielen DBA auf die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung und eine gerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten (dazu Rz. 1, 11). Auch erfordert dies eine möglichst einheitliche Anwendung des DBA in den Vertragsstaaten, die durch Rückgriffe auf die (ggf. unterschiedlichen) Begriffsbestimmungen des nationalen Rechts der Vertragsstaaten unterlaufen werden könnte. Das DBA bezieht aber das innerstaatliche Steuerrecht eines Vertragsstaates für die Auslegung eines abkommensrechtlichen Begriffes aber teilweise ausdrücklich mit ein (z.B. Art. 6 Abs. 2 Satz 1) oder erklärt es für maßgeblich, „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ (Art. 3 Abs. 2). Für die Bedeutung des innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von DBA lassen sich zum Verständnis folgende Fallgruppen unterscheiden:
81
Fallgruppe 1: DBA definiert einen Abkommensbegriff selbst. Enthält das DBA selbst die Definition eines im Abkommen verwendeten Begriffs (z.B. Definitionen des Art. 3 und Art. 5; „Zinsen“, Art. 11 Abs. 3; „Lizenzgebühren“, Art. 12 Abs. 2) ist allein dieser maßgeblich. Selbst wenn das innerstaatliche Recht eigenständige Definitionen des Begriffs bereithält (z.B. „Lizenzgebühren“ i.S.v. § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b EStG), ist allein auf die eigenständige Abkommensdefinition abzustellen. Insoweit verbietet sich auch ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind („jeder im Abkommen nicht definierte Begriff“). Das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaates kann aber ggf. wiederum zur Auslegung der Merkmale herangezogen werden, die eine abkommensrechtliche Definition verwendet, soweit der Abkommenszusammenhang nichts anderes fordert (Art. 3 Abs. 2). Insoweit ist regelmäßig zu beobachten, dass zwar eine Definitionsnorm den definitorischen Rahmen bildet, die zur Definition verwendeten Begriffe aber ihrerseits nur unter Heranziehung des innerstaatlichen Rechts ausgefüllt werden können (z.B. Begriff der „Lizenzgebühren“ in Art. 12 Abs. 24).
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Fallgruppe 2: DBA verweist zur Auslegung eines Abkommensbegriffs ausdrücklich auf das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaats. DBA können aber auch auf eine eigenständige Definition verzichten und zur Bestimmung eines abkommens1 Stv. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 39 m.w.N. 2 Vgl. Flick in FS Spitaler, 151 (153). 3 Vgl. Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 6 Rz. 20; Vogel in Haarmann, Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Forum der Internationalen Besteuerung 2004 (Bd. 26), 1 (4). 4 Vgl. zur Heranziehung des innerstaatlichen Rechts im Rahmen abkommensrechtlicher Definitionen Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 32.
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E. Auslegung von DBA
Rz. 82–84 Systematik
rechtlichen Begriffs ausdrücklich auf die Bestimmungen des nationalen Rechts eines Vertragsstaates verweisen. So hat gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaats zukommt, indem das Vermögen liegt (sog. Belegenheitsstaat). Zu beachten ist aber, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 2 („[Unbewegliches Vermögen] umfasst in jedem Fall“) selbst wiederum eine abkommensrechtliche (Teil-)Definition enthält. Der Dividendenartikel sieht in Art. 10 Abs. 3 z.T. eine Definition nach Fallgruppe 1 vor, erfasst unter ausdrücklicher Einbeziehung des innerstaatlichen Rechts des Quellenstaats als Dividenden aber auch „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleich gestellt sind.“ In den auf dem OECD-MA 1963 aufbauenden DBA findet sich eine vergleichbare Regelungstechnik auch für den Begriff der „Zinsen“ (Art. 11 Abs. 3 OECD-MA 1963).1 Fallgruppe 3: DBA definiert den Begriff nicht ausdrücklich selbst, der Begriff hat 83 aber auch keine Entsprechung im materiellen innerstaatlichen Steuerrecht des maßgeblichen Vertragsstaates. Soweit das DBA Ausdrücke verwendet, aber nicht eigenständig definiert (z.B. „Sportler“ i.S.v. Art. 17), kann (denklogisch) und darf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaates nicht zur Auslegung des Begriffs herangezogen werden, wenn dieses den Begriff nicht kennt.2 In diesem Fall bleibt es dabei, dass der Begriff ausschließlich abkommensautonom nach völkerrechtlichen Auslegungsregeln (vgl. Rz. 87 ff.) auszulegen ist.3 Fallgruppe 4: DBA definiert den Begriff nicht ausdrücklich selbst, der Begriff hat 84 aber eine Entsprechung im materiellen innerstaatlichen Steuerrecht des Anwenderstaates. Enthält das DBA selbst keine Definition eines bestimmten Begriffs, findet sich aber im Steuerrecht4 des Anwenderstaates („lex fori“) eine begriffliche Entsprechung, ist der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 eröffnet,5 der für diese Fälle unter gewissen Voraussetzungen eine Heranziehung des innerstaatlichen Rechts zur Auslegung eines abkommensrechtlich nicht definierten Begriffs erlaubt. Danach hat „bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat […], wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat.“ Methodisch ist angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts und Normzusammenhangs nicht abschließend geklärt, ob bei fehlender Abkommensdefinition ein Begriff zunächst vorrangig nach dem innerstaatlichem Recht des Anwenderstaates auszulegen ist, und nur dann, wenn der „Zusammenhang“ Gründe hierfür bietet, von dieser (innerstaatlichen) Definition abgewichen werden kann (sog. landesrechtliche Theorie6), oder stets zunächst eine vorrangige Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang des Abkommens erfolgen muss, und nur für den Fall, dass sich aus dem „Zusammenhang“ keine eindeutige Lösung ergibt, ein Rückgriff auf die Begriffe des innerstaatlichen Steuerrechts in Betracht kommt (sog. völkerrechtliche Theorie7). Der Rspr. des BFH ließ sich insoweit
1 So z.B. Art. 11 Abs. 2 DBA-Schweiz, dazu Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 37 ff., 43. 2 BFH v. 6.10.1993 – I R 63/93, BStBl. II 1994, 318. Vgl. auch BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207, zum Begriff der „ständigen Wohnstätte“ in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz. 3 Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 6 Rz. 24. 4 Zur umstr. Frage, ob es sich auch nach der Teilrevision des Art. 3 Abs. 2 in 1995 um einen Begriff des nationalen Steuerrechts handeln muss oder – soweit ein solcher nicht besteht – auch ein solcher des sonstigen Rechts sein kann: Kommentierung zu Art. 3 Rz. 77 m.w.N. 5 Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 88. 6 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 42; Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 81 f.; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 95. 7 BFH v. 15.1.1971 – III R 125/69, BStBl. II 1971, 379; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 30.5.1990 – I R 179, 86; BStBl. II 1990, 6; Erhard in F/W/K, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 182; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 97 ff.; Debatin in FS
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Systematik Rz. 84
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
keine einheitliche Linie entnehmen, vielmehr entschied der BFH im Einzelfall, ob eine Auslegung vorrangig anhand des Abkommens oder anhand des nationalen Rechts des Anwenderstaates erforderlich ist.1 Jüngeren Judikaten ist aber die Position des BFH zu entnehmen, dass abkommensrechtliche Begriffe zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens, sodann nach dem Sinne und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens und schließlich nach den Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts auszulegen sind.2 Regelmäßig werden beide Ansichten zwar zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen, insbesondere da auch die eher landesrechtlich Orientierten die Formel „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ weit auslegen, sodass hierzu neben der Vertragsurkunde und etwaigen Zusatzdokumenten z.B. auch das OECD-MA und der OECD-MK gehören.3 Jedoch soll von der Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Steuerrechts nur abgewichen werden, wenn der Zusammenhang „gewichtige Gründe“ für ein Abweichen hergibt.4 Es verbleiben daher zumindest Randbereiche, in denen – folgte man der landesrechtlichen Theorie – die teleologische Auslegung des Abkommens und damit auch der Grundsatz der Effektivität (vgl. Rz. 92) sich nicht in Gänze entfalten könnten.5 Die Möglichkeit eines teleologischen Defizits des Auslegungsergebnisses würde grds. dadurch verstärkt, dass Art. 3 Abs. 2 nach h.M. inhaltlich eine dynamische Verweisung enthält, sodass stets das zum Zeitpunkt der Abkommensanwendung jeweils geltende innerstaatliche Recht maßgeblich ist, d.h. nicht jenes, welches zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand.6 Der Steuergesetzgeber könnte versucht sein, durch (verdeckte) „DBA-Auslegungsgesetze“ gewünschte Auslegungsergebnisse abkommensrechtlich zu legitimieren. Auch lässt sich ggf. nur schwer die Frage beantworten, wann der Zusammenhang einen „gewichtigen“ Grund für eine Abstandsnahme von einer Auslegung durch das innerstaatliche Recht bietet. Dies alles spricht bereits grds. gegen eine methodisch vorrangige Anwendung des innerstaatlichen Rechts über Art. 3 Abs. 2. Zudem ist zu sehen, dass Art. 3 Abs. 2 als Teil des Abkommens selbst nach den Auslegungsmethoden der Art. 31 ff. WÜRV auszulegen ist,7 sodass auch der Inhalt des Art. 3 Abs. 2 u.a. anhand des Sinn und Zwecks des Abkommens bestimmt werden muss. Die Vertragsstaaten zielen mit dem DBA auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung und die gerechte Verteilung der Steuergüter, was nach dem Willen der Vertragsparteien eine möglichst einheitliche Auslegung des DBA erfordert, der aber eine verstärkt dem innerstaatlichen Recht zugewandte Interpretation entgegenstehen wird.8 Es bietet sich daher an, den Begriff des „Zusammenhangs“ über das o.g. Verständnis und das des Art. 31 WÜRV hinaus zu verstehen und den Gliedsatz „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ in dem Sinne zu interpretieren, dass dieser letztlich nur eine Klarstellung bedeutet, dass ein Abkommensbegriff zunächst – von dem Willen einer einheitlichen Auslegung geleitet – vorrangig unter Anwendung der abkommensrechtlichen Auslegungsmethoden (vgl. Rz. 86 ff.) auszulegen ist9 und nur dann über Art. 3 Abs. 2 ein Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Anwen-
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Scherpf, 305 (311); Debatin, AWD 1969, 477 ff., 484 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6 ff.); Klebau, RIW 1985, 125 (126); Gloria, RIW 1986, 970 (975 f.); Strobl in FS Döllerer, 635 (642, 644 f.); Flick in FS Spitaler, 151 (163). Vg. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 81 und die Beispiele aus der Rspr. bei Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD Rz. 94 und Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 64 ff. Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFH/NV 2011, 135. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; Kluge, Internationales Steuerrecht4, Rz. R 56. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; dagegen Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 42. Vgl. dazu, dass Art. 3 Abs. 2 eine Ausnahme zum Gebot der Entscheidungsharmonie sei Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2008, § 6 Rz. 25. Vgl. Vogel in V/L5, Einleitung DBA, Rz. 184 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 92. Vgl. Mössner in FS für Seidl-Hohenveldern, 403 (423). Siehe schon Flick in FS Spitaler, 151 (152): „Das Prinzip der einheitlichen Auslegung fordert also eine möglichst weitgehende Auslegung aus dem Doppelbesteuerungsabkommen.“ Vgl. Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1876); Lang, IWB 2011, 281 (287). Der BFH (v. 26.5.2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767) spricht vom „Sinnzusammenhang des Abkommens“.
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Schönfeld/Häck
E. Auslegung von DBA
Rz. 84–87 Systematik
derstaates erfolgt, wenn dieses Vorgehen ergebnislos ist oder Zweifel verbleiben.1 Zu beachten ist hierbei, dass die vorrangige abkommensrechtliche Auslegung (der „Zusammenhang“) eines Begriffs auch ergeben kann, dass die Vertragsstaaten die Begriffsbestimmung anhand des innerstaatlichen Rechts vornehmen wollten.2 In diesem Fall bedarf es dann nicht einmal eines Rückgriffs auf Art. 3 Abs. 2. So lässt sich bereits dem Abkommenszusammenhang entnehmen, dass die Begriffe betr. die steuerliche Bemessungsgrundlage (z.B. „Gewinne“, „Einkünfte“, „Vergütungen“) mit dem innerstaatlichen Verständnis des Anwenderstaates korrespondieren sollen. Vor diesem Hintergrund verbleibt Art. 3 Abs. 2 nur eine sehr geringe Bedeutung,3 nämlich die, dass innerstaatliches Recht nur subsidiär heranzuziehen ist und es insoweit auf das Steuerrecht (d.h. nicht des sonstigen Rechts) des Anwenderstaates ankommt. Prüfungsreihenfolge. Unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 2 ergibt sich daher 85 für die Bestimmung eines abkommensrechtlichen Begriffs folgende Prüfungsreihenfolge: (i) Ausdrückliche Begriffsdefinition des Abkommen, (ii) Bestimmung anhand des „Zusammenhangs“ des Abkommens gem. Art. 31 ff. WÜRV, (iii) Begrifflichkeiten des innerstaatlichen Rechts des Anwenderstaates. Für die ersten beiden – an sich zusammengehörigen – Punkte richtet sich die Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV, bei der Anwendung innerstaatlichen Rechts kommen hingegen grds. innerstaatliche Auslegungsregeln zur Anwendung. 2. Einzelaspekte der Auslegung von DBA a) Auslegung von DBA als völkerrechtliche Verträge Grundsätzliches. Völkerrechtliche Auslegungsmethoden weichen nicht wesentlich 86 von denen der deutschen Rechtslehre ab, die bei der Auslegung von Steuergesetzen durch die Judikative und die Exekutive anzuwenden sind. Völkerrechtliche Verträge unterscheiden sich von den einseitig rechtsetzenden Gesetzen jedoch dadurch, dass sich bei ihrer Entstehung zwei grds. gleichberechtigte Vertragsparteien gegenüberstehen, die im völkerrechtlichen Vertrag ihren übereinstimmenden Willen niederlegen (wollen). Aus diesem Grund kennt das Völkerrecht mit der den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien berücksichtigenden, sog. authentischen Interpretation eine weitere Auslegungsmethode, die jedoch im Rahmen von DBA nur sehr eingeschränkte Berücksichtigung finden kann (ausführlich Rz. 93). Die völkerrechtlichen Auslegungsmethoden sind in Art. 31 ff. WÜRV kodifiziert. Anwendung von Art. 31 ff. WÜRV. Deutschland hat das WÜRV erst am 30.4.1970 un- 87 terzeichnet, und es findet seit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes v. 3.8.19854 am 20.8.19875 auch innerstaatlich unmittelbare Anwendung. Der BFH geht insoweit in Übereinstimmung mit Art. 4 WÜRV davon aus, dass die Art. 31 ff. WÜRV nur auf DBA anzuwenden sind, die nach Inkrafttreten des WÜRV völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt haben.6 Zu berücksichtigen ist aber, dass die in Art. 31 ff. WÜRV niedergelegten Grundsätze auf (nach Art. 25 GG verbindliches) Völkergewohnheitsrecht zurückgehen7 und eine entsprechende Anwendung der Art. 31 ff. WÜRV sich auch für die zeitlich älteren DBA anbietet. Da die meisten der wichtigsten Industriestaaten dem WÜRV beigetreten sind, gelten auch für diese die Art. 31 ff. WÜRV bei der Auslegung der DBA als völkerrechtliche Verträge unmittelbar. Zu sehen ist aber auch, dass ein-
1 Vgl. BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFH/NV 2011, 135; v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; Lang, IWB 2011, 281 (287); Debatin in FS Scherpf, 305 (311); Strobl, in FS Döllerer, 635 (642). 2 Vgl. Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 56; Lang, IWB 2011, 281 (289 f.). 3 Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (291): „kaum Bedeutung“; weitergehend Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (426): Norm sei „überflüssig“. 4 BGBl. II 1985, 926. 5 BGBl. II 1987, 757. 6 BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. 7 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 210; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 2010, 58; Vogel, StbJb 1983/84, 373 (374).
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Systematik Rz. 87–88
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
zelne Staaten das WÜRV schon nicht unterzeichnet1 oder jedenfalls nicht ratifiziert haben.2 Insoweit könnte es zu Auslegungsdivergenzen kommen, wenn das WÜRV im anderen Vertragsstaat auch nicht als vorrangig bindendes Völkergewohnheitsrecht akzeptiert würde. Völkerrechtlich wird jedoch davon ausgegangen, dass die Auslegungsregeln der Art. 31 ff. WÜRV bereits vor deren Inkrafttreten gelten und auch in Staaten zur Auslegung heranzuziehen sind, die die WÜRV nicht ratifiziert haben.3 88
Text der Art. 31 ff. WÜRV. Die deutsche Übersetzung der offiziellen englischen und französischen Fassungen der Art. 31–33 WÜRV im Zustimmungsgesetz vom 3.8.19854 lautet: Abschnitt 3 Auslegung von Verträgen Art. 31 Allgemeine Auslegungsregel (1) Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. (2) Für die Auslegung eines Vertrags bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen a) jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde; b) jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde. (3) Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise zu berücksichtigen a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen; b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht; c) jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz. (4) Eine besondere Bedeutung ist einem Ausdruck beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Art. 32 Ergänzende Auslegungsmittel Ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses, können herangezogen werden, um die sich unter Anwendung des Artikels 31 ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Artikel 31 a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt oder b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt. Art. 33 Auslegung von Verträgen mit zwei oder mehr authentischen Sprachen (1) Ist ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden, so ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise maßgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll. (2) Eine Vertragsfassung in einer anderen Sprache als einer der Sprachen, deren Text als authentisch festgelegt wurde, gilt nur dann als authentischer Wortlaut, wenn der Vertrag dies vorsieht oder die Vertragsparteien dies vereinbaren. (3) Es wird vermutet, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben. (4) Außer in Fällen, in denen ein bestimmter Text nach Absatz 1 vorgeht, wird, wenn ein Vergleich der authentischen Texte einen Bedeutungsunterschied aufdeckt, der durch die Anwendung der Artikel 31 und 32 nicht ausgeräumt werden kann, diejenige Bedeutung zugrunde gelegt, die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt.
1 2 3 4
Frankreich, Indien. USA, vgl. dazu Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 37. Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 11. BGBl. II 1985, 926.
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E. Auslegung von DBA
Rz. 89–90 Systematik
b) Auslegungsmethoden Überblick. Art. 31 Abs. 1 WÜRV enthält die Grundregel der völkerrechtlichen Aus- 89 legungsmethoden, wonach diese nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen sind. Art. 31 Abs. 2 WÜRV umschreibt, was als „Zusammenhang“ in diesem Sinne gelten soll. Insoweit ist ausgehend von seinem Wortlaut ein abkommensrechtlicher Begriff zunächst im Hinblick auf seine „gewöhnliche Bedeutung“ zu ergründen (grammatikalische Auslegung, vgl. Rz. 90), was jedoch im Gesamtzusammenhang des Abkommens zu sehen ist (systematische Auslegung, vgl. Rz. 91). Teleologische Aspekte sind ebenfalls zu berücksichtigen („im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.“), insbesondere in ihren Ausprägungen der Effektivität und der Entscheidungsharmonie (vgl. Rz. 92). Art. 31 Abs. 3 WÜRV stellt die authentische Interpretation des Vertrags durch spätere „Übereinkünfte“ oder eine spätere „Übung“ der Vertragsstaaten der grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung gleich, bei der Übertragung auf DBA sind jedoch Besonderheiten zu beachten (vgl. Rz. 93). Eine besondere Bedeutung soll einem Begriff beizulegen sein, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben (Art. 31 Abs. 4 WÜRV). Hieraus lassen sich ebenso Ansätze einer historischen Auslegungsmethode ableiten (vgl. Rz. 94) wie aus Art. 32 WÜRV, wonach die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses zumindest als ergänzende Auslegungsmittel herangezogen werden können, um das im Wege der grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung gefundene Ergebnis zu bestätigen oder um die Begriffsbedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Art. 31 WÜRV unklar bleibt bzw. zu sinnwidrigen Ergebnissen führt. Art. 33 WÜRV sieht eine Regelung zum Umgang mit den bei völkerrechtlichen Verträgen häufig auftretenden, mehreren authentischen Sprachfassungen vor (dazu Rz. 77). Ob und inwieweit auch eine abkommensvergleichende Auslegungsmethode anzuerkennen ist, ist fraglich (vgl. Rz. 95). Grammatikalische Auslegung. Ausgangspunkt der Auslegung von DBA ist der 90 Wortlaut in seiner „gewöhnlichen Bedeutung“ (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Bei in verschiedenen Sprachen abgefassten DBA sind die Besonderheiten des Art. 33 WÜRV zu beachten (vgl. dazu Rz. 77). Die Anknüpfung an die „gewöhnliche Bedeutung“ zeigt, dass die völkerrechtliche Auslegung einem objektiven Ansatz folgt, wonach der im Vertragstext objektivierte Parteiwille maßgeblich ist und nicht der subjektive Parteiwille, der im Vertrag keinen Niederschlag gefunden hat.1 Der Begriff der „gewöhnlichen Bedeutung“ meint den gewöhnlichen fachsprachlichen Inhalt des Begriffs,2 wobei die „gewöhnliche Bedeutung“ aus einer internationalen – zumindest die beiden Vertragsstaaten verbindenden – Perspektive heraus zu bestimmen ist. Verwenden die Vertragsparteien einen Begriff mit einer international „gewöhnlichen Bedeutung“, ist davon auszugehen, dass ihnen diese bekannt war und sie diese im Zweifel übernehmen wollten.3 Grundsätzlich ist die „gewöhnliche Bedeutung“ maßgeblich, wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorherrschte. Etwas anderes ließe sich allenfalls annehmen, wenn die Auslegung ergibt, dass sich nach dem Willen der Vertragsparteien die Begriffsbedeutung dynamisch entwickeln soll.4 Bei der Bestimmung der „gewöhnlichen Bedeutung“ kommt v.a. dem im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA vorzufindenden Inhalt des OECD-MK ein besonderes Gewicht zu (vgl. ausführlich Rz. 97). Wollen die Parteien einen vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichenden Sinngehalt regeln, muss dies hinreichend deutlich im Vertragstext oder im Sinnzusammenhang zum Ausdruck kommen.5 Denn einem abkommensrechtlichen Ausdruck ist nur dann
1 Vgl. BFH v. 24.4.1975 – I R 204/73, BStBl. II 1975, 604; Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 6, 23. 2 Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 2010; Vogel, StbJb 1983/84, 373 (376). 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78. 4 So ggf. bei Oberbegriffen, deren Bedeutung sich durch den technischen Fortschritt wandelt, vgl. Lampert, IStR 2012, 513. 5 Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 6 Rz. 21.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 90–92
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
eine besondere Bedeutung beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben (Art. 31 Abs. 4 WÜRV). 91
Systematische Auslegung. Die Erschließung der „gewöhnlichen Bedeutung“ eines abkommensrechtlichen Begriffs hat im Zusammenhang, in dem er verwendet worden ist, zu erfolgen (Art. 31 Abs. 1 WÜRV). Im Allgemeinen ist unter „Zusammenhang“ i.V.m. einem Vertragstext die Bedeutung eines Begriffs in einem Satz oder Gesamttext zu verstehen.1 Zu dem „Zusammenhang“ zählen nach Art. 31 Abs. 2 WÜRV nicht nur der Vertragstext einschließlich der Präambel und der Anhänge, sondern auch jede auf den Vertrag bezogene Vereinbarung beider Parteien, wenn diese anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde (Art. 31 Abs. 2 Buchst. a WÜRV), und jede Urkunde, die von einer Vertragspartei anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von der anderen Vertragspartei als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde. Speziell bei DBA gehören danach neben den einzelnen Artikeln und der Präambel regelmäßig auch Schlussprotokolle sowie Brief- und Notenwechsel zum „Zusammenhang“. Ein einseitiges Dokument, wie z.B. eine von einem Vertragsstaat allein angefertigte Denkschrift, zählt hingegen nicht dazu. Die systematische Auslegung kommt insoweit z.B. dann zum Tragen, wenn innerhalb dieses Zusammenhanggefüges erst der Quervergleich aufzeigt, was der eine oder andere Abkommensbegriff meint.2
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Teleologische Auslegung. Teleologische Auslegung meint auch im völkerrechtlichen Kontext die Auslegung eines Begriffs gem. seinem Ziel und Zweck („im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“). DBA zielen auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung (vgl. Rz. 1) und die sachgerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten (vgl. Rz. 11). Während die Vermeidung der Doppelbesteuerung generelle Zielsetzung für die Verteilungsnormen und den Methodenartikel ist, ist den Verteilungsnormen selbst zu entnehmen, welche Verteilung des Steuerguts bei den jeweiligen Einkunftsarten von den Vertragsstaaten als „sachgerecht“ angesehen wurde. Letzteres kann unmittelbar auf die Auslegung eines Abkommensbegriffs Einfluss nehmen.3 Im Hinblick auf Art. 25 Abs. 1–3 (Verständigungsverfahren, Konsultationsverfahren) ließe sich gegen die Fruchtbarmachung einer Zielsetzung der Vermeidung von Doppelbesteuerungen bei der teleologischen Auslegung hingegen zwar anführen, die DBA selbst gingen davon aus, dass im Einzelfall auch nach Anwendung der Verteilungsnormen und des Methodenartikels eine Doppelbesteuerung verbleiben könne. Dies allein spricht aber nicht grds. dagegen, die Zielsetzung der Vermeidung der Doppelbesteuerung dennoch bei der Auslegung der Verteilungsnormen und des Methodenartikels zu berücksichtigen.4 Zwar hilft diese als generelles Abkommensziel bei der Auslegung eines abkommensrechtlichen Begriffs nicht unmittelbar weiter. Ihre Berücksichtigung im Rahmen der teleologischen Auslegung erschöpft sich daher darin, dass sie die rechtsanwendenden Organe der Exekutive und Judikative eines Vertragsstaats dazu anhält, diejenige Auslegung zu wählen, die am ehesten Aussicht hat, auch im anderen Vertragsstaat akzeptiert zu werden. Denn nach dem der teleologischen Auslegung entstammenden und völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsgrundsatz der Effektivität (effet utile)5 gebührt bei auslegungsfähigem Wortlaut derjenigen Auslegung der Vorzug, mit der das Vertragsziel und sein Rege1 Vgl. Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 9. 2 Debatin in FS Scherpf, 305 (308). 3 Vgl. bspw. BFH v. 18.7.2001 – I R 26/01, BStBl. II 2002, 401 zur einschränkenden Auslegung des „Künstler“begriffs in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 DBA-Österreich auf vortragende Künstler: „Vielmehr ergab sich diese Auslegung auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Sie besteht darin, das Besteuerungsrecht für bestimmte Berufsgruppen, die aufgrund der mit der Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und vielfachen Einnahmemöglichkeiten im Wohnsitzstaat hinsichtlich der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit oftmals nur schwer steuerlich erfasst werden können, dem Tätigkeitsstaat zuzuweisen, für den die praktischen Schwierigkeiten der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte in der Regel geringer sind.“ 4 Für eine Berücksichtigung im Rahmen teleologischer Auslegung: Debatin in FS Scherpf, 305 (307); dagegen: Henkel, in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 33. 5 Vgl. Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 16.
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E. Auslegung von DBA
Rz. 92 Systematik
lungszweck bestmöglich erreicht werden.1 Der Effektivitätsgrundsatz ist auch bei der Auslegung von DBA zu berücksichtigen.2 Die Vertragsziele der Vermeidung der Doppelbesteuerung und der gerechten Verteilung der Steuergüter können im Einzelfall aber nur erreicht werden, wenn die fragliche Bestimmung des DBA durch die rechtsanwendenden Organe der Exekutive und Judikative beider Vertragsstaaten übereinstimmend ausgelegt werden. Als Ausfluss des Effektivitätsgrundsatzes und Ausprägung der teleologischen Interpretation3 lässt sich die Verpflichtung der Judikative und Exekutive, bei der Rechtsanwendung diejenige Auslegung zu wählen, die am ehesten Aussicht hat, auch im anderen Vertragsstaat akzeptiert zu werden, als Gebot einer auf Entscheidungsharmonie angelegten Auslegung verstehen.4 Der BFH nimmt v.a. in der jüngeren Rspr.5 den Grundsatz der Entscheidungsharmonie im Rahmen der Abkommensanwendung auf.6 Er zitiert ihn v.a. im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Verständigungsvereinbarungen im Rahmen der Auslegung.7 Der II. Senat des BFH8 hat ihn (ergänzend) sogar herangezogen, um ein zu einer doppelten Nichtbesteuerung führendes Auslegungsergebnis zu vermeiden.9 Insgesamt bleiben Inhalt und Grenzen einer auf Entscheidungsharmonie verpflichteten Auslegung
1 Vgl. Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 16; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 494, vgl. auch BFH v. 20.2.1979 – VII R 16/78, BStBl. II 1979, 268. Für DBA wurde schon früh das völkerrechtliche „Prinzip der einheitlichen Auslegung“ fruchtbar gemacht, vgl. schon Flick in FS Spitaler, 151 (158). 2 Strobl in FS Döllerer, 635 (641). 3 Ebenso an die teleologische Auslegung anknüpfend Reimer, IStR 2008, 551 (554); wohl auch BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399; v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; a.A.: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78: „Eine völkerrechtliche oder gar innerstaatliche Rechtsgrundlage für ein entspr. Gebot ist nicht zu erkennen.“ 4 Verkürzt regelmäßig als Gebot der Entscheidungsharmonie bezeichnet, vgl. Vogel, in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 114; Vogel in FS Flick, 1043; Vogel, IStR 2003, 523 (525); Vogel, StuW 1982, 111 (122); Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 6 Rz. 24; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 210; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.68; Mössner in FS Seidl-Hohenfelder, 403 (406); Prokisch, SWI 1994, 52; Reimer, IStR 2008, 551 (554); Strobl in FS Döllerer, 635 (645 f.); BFH v. 24.3.1999 – I R 144/97, BFHE 188, 315 (322); v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFHE 191, 18 (22); kritisch bzw. ablehnend Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 671 f.; Wassermeyer, IStR 1998, 491; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECDMA Rz. 78; Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 36; Hahn in FS Schaumburg, 631, 643. 5 Noch offenlassend BFH v. 9.10.1985 – I R 128/80, BStBl. II 1988, 810. 6 BFH v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637 („Ein anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt würden, und damit der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonie entgegenwirken.“); v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387: „Es gilt der Grundsatz der Entscheidungsharmonie“; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326. 7 Vgl. BFH v. 13.6.2012 – I R 41/11, BFH/NV 2012, 1722; v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. 8 Vgl. BFH v. 10.8.2006 – II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326 (unter II.8.b.bb.): „Auch der Grundsatz der Entscheidungsharmonie, der die Auslegung von DBA prägen kann (BFH-Urt. v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFHE 191, 18, BStBl. II 2000, 605, unter II.3.d cc) spricht für den Vorrang des Zinsartikels. Denn bei der von der Klägerin vertretenen Einbeziehung der Zinsen in den Unternehmensgewinn würden die Zinseinkünfte und die Darlehensforderungen in keinem der beteiligten Staaten einkommen- und vermögensteuerlich erfasst (dazu Debatin, BB 1992, 1181, 1185): In Frankreich findet keine Besteuerung statt, weil Darlehensverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter dort auch steuerrechtlich zugrunde gelegt werden, die Gesellschaft den Zinsaufwand als Betriebsausgaben abziehen kann (vgl. dazu auch die Sachverhaltsdarstellung im BFHUrt. v. 19.5.1993 – I R 60/92, BFHE 171, 293, BStBl. II 1993, 714) und der – nicht in Frankreich ansässige – Gesellschafter die korrespondierenden Einnahmen nicht in Frankreich versteuern muss. In Deutschland fände ebenfalls keine Besteuerung statt, wenn die Zinsen als Teil des Unternehmensgewinns wegen des Betriebsstättenprinzips des Art. 4 DBA Frankreich 1959/1969 vom deutschen Besteuerungsrecht auszunehmen wären.“ 9 Dieser Begründungsansatz ist indes abzulehnen, da die Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung grds. nicht Abkommenszielsetzung ist und daher keine hierauf gerichtete, einheitliche Auslegung erfordert.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 92
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
aber im Detail vage.1 Der BFH sollte insoweit Gelegenheiten nutzen, einem Gebot der Entscheidungsharmonie Konturen zu verleihen.2 Eine generelle Bindung der rechtsanwendenden Organe der Judikative und Exekutive des einen Vertragsstaats an eine in dem anderen Vertragsstaat geübte Praxis, lässt sich sicherlich nicht annehmen.3 Dies würde bedeuten, auch einer unzutreffenden Auslegung durch das Gericht des anderen Vertragsstaats eine erhöhte Autorität beizumessen, nur weil sie früher ergangen ist.4 Vielmehr kann nur dann, wenn nach Auslegung anhand des Wortlauts,5 der Systematik und ggf. anderer teleologischer Aspekte unterschiedliche Auslegungen eines Abkommensbegriffs möglich sind, derjenigen der Vorzug gegeben werden, die (voraussichtlich) zu einer Entscheidungsharmonie in beiden Vertragsstaaten führt.6 Eine vom Wortlaut losgelöste Vertragsinterpretation ist daher selbst dann nicht zulässig, wenn dies zur Entscheidungsharmonie führen würde.7 Das Gebot der Entscheidungsharmonie erlaubt insoweit keine generelle Qualifikationsverkettung.8 In diesen Grenzen kann eine auf Entscheidungsharmonie angelegte Auslegung dazu führen, dass z.B. der BFH einer (Auslegungs-)Entscheidung des (höchsten) Steuergerichts des anderen Vertragsstaates folgen müsste, auch wenn eine andere Auslegung möglich wäre.9 Eine effektive Berücksichtigung des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie erfordert aber eine intensive Beschäftigung mit der Abkommenspraxis des anderen Vertragsstaates, insbesondere ausländische Gerichtsentscheidungen zu bestimmten Abkommensbegriffen.10 Anhaltspunkte in der Rspr. des BFH, dass dieser Entscheidungen ausländischer Gerichte des anderen Vertragsstaates zur eigenen Entscheidungsfindung einbezieht, lassen sich aber – soweit ersichtlich – nicht finden.11 Der BFH nimmt auf ausländische Gerichtsentscheidungen im Rahmen seiner Entscheidungen auch bei Auslegungsfragen zwar gelegentlich Bezug,12 dies aber nur, um ein eigenes Auslegungsergebnis zu bestätigen, weniger, um die ausländische Entscheidung im Wege der Entscheidungsharmonie zu rezipieren. Dieser Befund ist v.a. den praktischen Grenzen einer Entscheidungsharmonie geschuldet. Während sich die Abkommenspraxis z.B. in der Schweiz oder Österreich auch im Gesamtkontext deren innerstaatlichen Rechts noch verhältnismäßig leicht verfolgen lässt, stößt eine Erforschung z.B. der indischen Abkommensrealität naturgemäß bereits bei der Informationsbeschaffung an Grenzen.13 Dies berechtigt jedoch nicht, eine grundsätzliche Verpflich-
1 Zutr. Hahn, IStR 2012, 941 ff. 2 S. zuletzt BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BFH/NV 2012, 1905. Die Vorinstanz (FG Nürnberg v. 14.12.2010 – 1 K 1955/2008, EFG 2011, 981) hatte ihre Entscheidungsbegründung in weiten Teilen auf das Gebot der Entscheidungsharmonie gestützt. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78. 4 Vgl. Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (406). 5 Insoweit wird häufig bereits unter Heranziehung des OECD-MK die „gewöhnliche Bedeutung“ eines Begriffs hergeleitet werden können, was schon auf dieser Ebene eine einheitliche Auslegung gewährleistet. Vgl. zur Bedeutung von OECD-MA und OECD-MK ausführlich Rz. 97. 6 Henkel, in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 44. 7 Vgl. (wohl enger) auch BFH v. 9.10.1985 – I R 128/80, BStBl. II 1988, 810, wonach der Grundsatz der Entscheidungsharmonie nicht zu einer Auslegung eines Gesetzes zulasten eines Steuerpflichtigen führen könne, die von der abweicht, wie sie sich nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ergibt. Dies gelte auch dann, wenn die sich aus den allgemeinen Grundsätzen ergebende Auslegung im Zusammenhang mit der Praxis der Steuerverwaltung des anderen Vertragsstaates zu Ungereimtheiten führt und die Besteuerungspraxis des anderen Vertragsstaates durch dessen Gerichte bestätigt wurde. Diese Handhabung würde Art und Umfang der Besteuerung von den Entscheidungen der Steuerverwaltung bzw. der Steuergerichte des anderen Vertragsstaates abhängig machen, was nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung möglich wäre. 8 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BFH/NV 2012, 1905. 9 Vgl. zu Einzelheiten Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 119 f. 10 Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, 77; Reimer, IStR 2008, 551; Prokisch, SWI 1994, 52 (55). 11 Vgl. auch den Befund von Reimer, IStR 2008, 551 (552). 12 Vgl. BFH v. 25.5.1970 – I R 109/68, BStBl. II 1970, 660. 13 Vgl. Vogel, StuW 1982, 111 (119 ff.), vgl. auch Hahn, jurisPR-SteuerR 24/2011 Rz. 5: „[…] besteht das praktische Bedenken gegen den Grundsatz der Entscheidungsharmonie naturge-
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Schönfeld/Häck
E. Auslegung von DBA
Rz. 92–93 Systematik
tung des Rechtsanwenders auf eine an Entscheidungsharmonie orientierte Auslegung im o.g. Sinne zu verneinen. Authentische Auslegung. Authentische Interpretation meint eine übereinstim- 93 mend durch die Vertragsparteien vorgenommene Auslegung eines Abkommensbegriffs, die sich in entsprechenden gemeinsamen oder übereinstimmenden Erklärungen der Vertragsparteien („spätere Übereinkunft“, Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WÜRV) oder durch eine ständige gleichartige Praxis der Vertragsparteien („spätere Übung“, Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WÜRV) ausdrückt und die bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge in gleicher Weise wie der abkommensrechtliche „Zusammenhang“ zu berücksichtigen ist (vgl. einleitender Satz des Art. 31 Abs. 3 WÜRV). Maßgeblich für die authentische Interpretation ist der sich in einer nach Abkommensabschluss in einer „späteren Übung“ oder „späteren Übereinkunft“ wiederfindende, übereinstimmende Wille der Vertragsparteien, der naturgemäß bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze nicht zur Anwendung kommen kann. „Vertragspartei“ ist grds. der Vertragsstaat in seiner Gesamtheit, weshalb die Frage berechtigt ist, ob die Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten durch eine tatsächliche Übung oder den Abschluss von Auslegungsvereinbarungen überhaupt in der Lage sind, als „Vertragsparteien“ i.S.v. Art. 31 Abs. 3 WÜRV aufzutreten.1 Um Art. 31 Abs. 3 WÜRV auch bei DBA einen Anwendungsbereich zu belassen, wird man insoweit als „Vertragspartei“ die jeweils den Vertragsstaat repräsentierende rechtsanwendende Gewalt (v.a. Exekutive) verstehen können. Die authentische Auslegung in Form von Auslegungsvereinbarungen oder übereinstimmender Abkommenspraxis ist bei der Abkommensanwendung aber nur zu berücksichtigen,2 sofern sie nicht dem Wortlaut des Abkommens als „Grenzmarke“ zuwiderläuft.3 Eine vom Abkommenswortlaut abweichende übereinstimmende Interpretation würde zwar die beiden Vertragsstaaten untereinander binden, wegen des verfassungsrechtlichen Zustimmungsvorbehalts bedarf es jedoch für die Bindung der Gerichte an eine solche vertragsändernde Interpretation der parlamentarischen Legitimation gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. Rz. 67).4 „Spätere Übung“ und „spätere Übereinkünfte“ können daher nur abkommensrechtliche Berücksichtigung finden, wenn sie eine nach dem Wortsinn mögliche Interpretation beinhalten. Soweit den Abkommensverhandlungen eine bestimmte Motivation zugrunde gelegen haben sollte und sich diese im Abkommenstext nicht niedergeschlagen hat, ist sie für die Auslegung damit ebenso unbeachtlich wie eine darauf beruhende anderweitige Abkommenspraxis.5 Gegenüber den übrigen Auslegungsmethoden kommt der authentischen Auslegung letztlich nur dort eine Bedeutung zu, wo im Rahmen der Wortlautgrenze nicht nur eine einzige Interpretation möglich ist. „Spätere Übung“ meint – in Abgrenzung von der „späteren Übereinkunft“ – eine ohne gemeinsame Vereinbarung bestehende tatsächliche Praxis der Vertragsstaaten, einen abkommensrechtlichen Begriff in gleicher Weise auszulegen, wobei grds. Akte aller drei Gewalten in Betracht kommen.6 Eine ständige Praxis lässt sich objektiv z.B. an inhaltlich gleichen Verwaltungsschreiben in den beiden Vertragsstaaten feststellen.7 Eine „Übung“ setzt zumindest auch eine gewisse zeitliche Dauer der übereinstimmenden Abkommenspraxis der Vertragsstaaten voraus, die jedenfalls bei mehr als zwei Jahrzehnten anzunehmen ist.8 „Spätere Übereinkünfte“ sind Auslegungsvereinbarungen zwischen den Vertragsparteien, die grds. im Rahmen der authentischen Auslegung zu berücksichtigen sind, wenn sie sich im Rahmen der
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mäß darin, dass die Kenntnis der jeweils anderen Rechtsordnung und auch deren Erwerb aus Anlass eines konkreten Verfahrens schlechterdings nicht erwartet werden kann.“ Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (284). Für eine generell nur sehr eingeschränkte Bedeutung Lang, IWB 2011, 281 (284). BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 27.8.2008 – I R 64/07, BStBl. II 2009, 97; v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778; v. 25.10.2006 – I R 18/04, BFH/NV 2007, 875; v. 22.4.1998 – I R 54/96, BFH/NV 1998, 1290. Vgl. auch stv. BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 209. BFH v. 22.4.1998 – I R 54/96, BFH/NV 1998, 1290. Vgl. Ismer, IStR 2009, 366 (369). Siehe z.B. BFH v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778. BFH v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778.
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Systematik Rz. 93–95
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
Wortlautgrenze halten. In diesem Zusammenhang1 können grds. auch Konsultationsvereinbarungen i.S.v. Art. 25 Abs. 3 zu berücksichtigen sein.2 Widerspricht eine Konsultationsvereinbarung indes dem Abkommenswortlaut, kann sie aus deutscher Sicht für die Gerichte und damit den Steuerpflichtigen nur Verbindlichkeit entfalten, wenn sie zu positivem und mit dem Abkommen gleichrangigem Recht erhoben wird. Der vom Gesetzgeber durch das JStG 2010 eingefügte § 2 Abs. 2 AO n.F. erfüllt diese Funktion jedoch nicht (vgl. ausführlich Rz. 100). Die Frage nach dem Verhältnis von „späterer Übung“ und „späterer Übereinkunft“ kann relevant werden, wenn der Abkommenswortlaut zumindest für zwei verschiedene Interpretationen offen ist und die Vertragsstaaten von einer zunächst ausgedrückten „späteren Übung“ bzw. „späteren Übereinkunft“ durch eine nachfolgende „spätere Übereinkunft“ bzw. „spätere Übung“ abweichen wollen. Da eine „spätere Übung“ bzw. „spätere Übereinkunft“ ein gewichtiges und objektives Indiz dafür bieten, wie die Parteien den Vertrag einvernehmlich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verstanden haben wollten,3 ist insoweit eine spätere „Übung/Übereinkunft“, die in inhaltlichem Widerspruch zu einer zuvor bereits ausgedrückten „Übung/Übereinkunft“ steht, nicht anzuerkennen. 94
Historische Auslegung. Bei der Abkommensauslegung sind auch Aspekte einer historischen, die Entstehungsgeschichte des Abkommens berücksichtigenden Auslegungsmethode zu beachten. Zwar scheint Art. 32 WÜRV („Ergänzende Auslegungsmittel“) den „vorbereitenden Arbeiten“ und den „Umständen des Vertragsabschlusses“ nur eine sehr eingeschränkte, subsidiäre Bedeutung bei der Abkommensinterpretation beizumessen. Jedoch kann gem. Art. 31 Abs. 4 WÜRV einem Begriff eine besondere Bedeutung beigelegt werden, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Lässt sich der Entstehungsgeschichte ein solcher Wille eindeutig belegbar entnehmen, ist dieser entsprechend – soweit den Rahmen der Wortlautgrenze haltend – bei der Auslegung besonders zu gewichten.4
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Abkommensvergleichende Auslegung. DBA sind zwar regelmäßig Ergebnis individueller, mitunter zäher und langwieriger Abkommensverhandlungen. Häufig orientieren sich die Verhandler aber nicht nur an bekannten Formulierungen des OECD-MA, sondern eigener, im Laufe der Abkommenshistorie entwickelter Standardformulierungen des eigenen Abkommenskatalogs. Dies führt zu der Frage, ob Vergleiche mit konkreten anderen DBA5 der beteiligten Vertragsstaaten für die Auslegung des einzelnen DBA bedeutsam sein können.6 Dies ist in sehr eingeschränktem Maße zu bejahen. So können die bei Vertragsabschluss bereits bestehenden DBA, die den Vertragsparteien vorlagen, Fachsprache gebrauchen, die die „gewöhnliche Bedeutung“ (Art. 31 Abs. 1 WÜRV) des auszulegenden Abkommensbegriffs bestimmt.7 Parallelabkommen sind jedoch nicht Bestandteil des von Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher umschriebenen „Zusammenhangs“. Möglich erscheint aber, den Gedanken von „Treu und Glauben“ (Art. 31 Abs. 1 WÜRV) fruchtbar zu machen, wenn sich eine besondere Klausel in weiteren Abkommen eines Vertragsstaaten befindet,8 der Vertragsstaat jedoch, bei Vertragsschluss objektiv erkennbar unerwartet, in dem fraglichen DBA von der ansonsten abkommensübergreifend einheitlich vorgenommen Auslegung abwei-
1 Völkerrechtlich ist jedoch nicht abschließend geklärt, ob es sich bei Konsultationsvereinbarungen um „spätere Übereinkünfte“ handelt, vgl. Glaser, Internationale Verwaltungsbeziehungen, 2010, 111 f. 2 Vgl. BFH v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; Hardt in Wassermeyer, Art. 26 DBA-Schweiz Rz. 206; Ismer, IStR 2009, 366 (369); Schröder, IStR 2009, 48 (50). 3 Vgl. auch BFH v. 25.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778. 4 Vgl. zutreffend Lang, IWB 2011, 281 (283). 5 Das OECD-MA ist hingegen selbst nur Empfehlung, nicht aber Abkommen (zur Bedeutung von OECD-MA/OECD-MK. 6 Ausführlich zu dieser Frage Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 140; Vogel, StbJB 1983/84, 373 ff.; Reimer in Lehner (Hrsg.), Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, 89; Ansätze auch schon bei Flick in FS Spitaler, 151 (160). 7 Vgl. Vogel, StbJb 1983/84, 373 (379). 8 Vgl. Bsp. bei Reimer in Lehner (Hrsg.), Reden zum Andenken an Klaus Vogel, 2010, 89.
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Schönfeld/Häck
E. Auslegung von DBA
Rz. 95–97 Systematik
chen will. Eine sorgfältige abkommensvergleichende Auslegung setzt ggf. eine aufwendige Analyse der Entwicklung einzelner Klauseln in Parallelabkommen voraus, die naturgemäß an praktische Grenzen stoßen wird. Der BFH stellt z.T. auch abkommensvergleichende Überlegungen an, dies allerdings dahin gehend, dass in späteren DBA ausdrücklich aufgenommene Klauseln nicht den Umkehrschluss zulassen, dass ein solches Ergebnis nicht auch durch Auslegung in DBA gefunden werden könne, die eine solche Klausel nicht enthalten.1 Rangverhältnis der Auslegungsmethoden. Die Methoden der grammatikalischen 96 (vgl. Rz. 90), systematischen (vgl. Rz. 91) und teleologischen Auslegung stehen grds. gleichrangig nebeneinander.2 Dies lässt sich bereits der Überschrift des Art. 31 WÜRV („Allgemeine Auslegungsregel“) entnehmen, die verdeutlicht, dass die Auslegung ein einheitlicher Vorgang unter Anwendung dieser Auslegungsmethoden ist.3 Auch eine Vorrangigkeit des Wortlauts lässt sich nicht feststellen,4 der Wortlaut bildet aber die „Grenzmarke“ der Auslegung,5 da zu vermuten ist, dass die Vertragsparteien dem Vertrag nur einen Inhalt beimessen wollten, der im Wortlaut zumindest eine Stütze findet.6 Abzustellen ist dabei nicht isoliert auf den Wortlaut der auszulegenden Vorschrift, sondern vielmehr auf seine Bedeutung im Zusammenhang des gesamten Vertrags.7 Die von Art. 31 Abs. 3 WÜRV angesprochene authentische Auslegung ist in den engen Grenzen, in denen sie relevant werden kann (vgl. Rz. 93), ebenfalls gleichrangig.8 Soweit sich Ansatzpunkte für eine historische Interpretation (vgl. Rz. 94) oder auch abkommensvergleichende Auslegung (vgl. Rz. 95) in Art. 31 Abs. 1 verorten lassen, sind diese ebenfalls auslegungsmethodisch gleichrangig. Im Rahmen des Auslegungsvorgangs sind die sich ergänzenden Auslegungsmittel sämtlich zu berücksichtigen und ggf. zu gewichten.9 c) Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA OECD-MK und Art. 31 ff. WÜRV. Wegen des reinen Empfehlungscharakters be- 97 steht weder eine völkerrechtliche Verpflichtung für die Vertragsstaaten, dem OECDMA zu folgen, noch kommt den Ausführungen des OECD-MK eine unmittelbare Verbindlichkeit für die Auslegung eines DBA zu,10 es sei denn, Letzteres ist in einem DBA ausdrücklich vereinbart worden. Die Bedeutung des OECD-MK für die Auslegung von DBA entscheidet sich damit regelmäßig danach, ob dessen Ausführungen im Rahmen der primären Auslegungsmittel i.S.v. Art. 31 WÜRV11 Berücksichtigung finden, oder ihm als Auslegungshilfe i.S.v. Art. 32 WÜRV12 nur subsidiäre Bedeutung zukommt. Jedenfalls dann, wenn ein DBA dem OECD-MA in Aufbau, Konzeption und Formulierungen entspricht und die Vertragsstaaten keine Auslegungsvorbehalte oder Bemerkungen gegenüber dem OECD-MK angebracht haben, spricht eine wider-
1 Vgl. z.B. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/08, BStBl. II 2008, 793. 2 Vgl. Wassermeyer in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Bd. 18), 1995, 19 (21). Vgl. aber zur Anwendung des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie, wenn nach Anwendung der übrigen Auslegungsmethoden unterschiedliche Auslegungen möglich sind, Rz. 92. 3 Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 12. 4 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.63. 5 BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234; v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78. 6 Vgl. Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 23. 7 Lehner in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht2, § 6 Rz. 21. 8 A.A. Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 31: „Auslegungshilfe“. 9 Wassermeyer in Vogel (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht (Bd. 18), 1995, 19 (21). 10 Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 40. 11 Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 126; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECDMA Rz. 44; Henkel, in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.78; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (30 f.). 12 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 115; Pohl, RIW 2012, 677 (678).
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Systematik Rz. 97–98
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
legbare Vermutung1 dafür, dass die zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA vorhandenen Ausführungen des OECD-MK (zur Frage der „dynamischen“ Heranziehung des OECD-MK vgl. Rz. 98) entweder bereits die „gewöhnliche Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 1 WÜRV verkörpern,2 oder diese eine von den Vertragsparteien gewollte „besondere Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 4 WÜRV darstellen.3 Hingegen sind OECDMA/OECD-MK weder Übereinkünfte noch Urkunden i.S.v. Art. 31 Abs. 2 Buchst. a und b WÜRV,4 noch kann der OECD-MK als solcher als authentische Interpretation i.S.v. Art. 31 Abs. 3 WÜRV dienen, da er insbesondere keine „spätere Übereinkunft“ zwischen den Vertragsparteien ist.5 Der BFH gesteht dem OECD-MK regelmäßig nur eine subsidiäre Bedeutung zu, ohne Art. 32 WÜRV als Rechtsgrundlage zu benennen. Er zieht die Ausführungen des OECD-MK nur heran, um ein Auslegungsergebnis zu bekräftigen6 oder soweit andere Auslegungsgrundsätze nicht zum Erfolg führen.7 Keine Bedeutung erlangen die Ausführungen des OECD-MK stets dann, wenn sich diese nicht innerhalb der Wortlautgrenze eines Abkommensbegriffs halten. Der OECD-MK ist bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage, abkommensändernd zu wirken,8 da eine Abkommensänderung stets des Durchlaufens des parlamentarisch notwendigen Verfahrens i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bedarf.9 Keine Relevanz entfalten die Ausführungen des OECD-MK auch, wenn im konkreten DBA eine Formulierung in einem erkennbaren Gegensatz zum OECD-MA stehen soll oder wenn sie in der Absicht einer abweichenden Regelung vereinbart wurde.10 Die von der OECD zu bestimmten Themen veröffentlichten OECD-Berichte können grds. erst für die Auslegung herangezogen werden, wenn sie Eingang in den OECD-MK gefunden haben11, es sei denn, sie verkörpern bereits die „gewöhnliche Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 1 WÜRV12 oder stellen eine von den Vertragsparteien gewollte „besondere Bedeutung“ i.S.v. Art. 31 Abs. 4 WÜRV dar. 98
Dynamische Berücksichtigung des OECD-MK? Der OECD-MK13 und die deutsche Finanzverwaltung14 gehen davon aus, dass der OECD-MK in seiner jeweils geltenden Fassung auch zur Auslegung früher abgeschlossener Abkommen herangezogen werden kann und muss.15 Eine solche dynamische Berücksichtigung des OECD-MK16 bei der Abkommensauslegung begegnet keinen Bedenken, wenn es sich um reine Klarstellungen handelt, die lediglich das schriftlich festhalten, was bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses übereinstimmende Meinung der Vertragsparteien 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51; Haase in Haase, Einleitung II Rz. 65; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.77; Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (857). 2 Vgl. Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 126 m.w.N.; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34 („hohes Maß internationaler Übereinstimmung“); Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42. 3 Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 126; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECDMA Rz. 44; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.78; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (30 f.). 4 Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 125; a.A. wohl Henkel, in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42. 5 A.A. wohl Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 212. 6 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 7 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91; BStBl. II 1992, 937. 8 Dies gilt sowohl für die Fassung des OECD-MK zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses als auch für spätere Fassungen. 9 Vgl. stv. Rojahn in von Münch/Kunig6, Art. 59 GG Rz. 64. Zum Verfahren vgl. Rz. 67]. 10 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51. 11 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602, dazu Pohl, RIW 2012, 677 (679). 12 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 126 m.w.N.; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34 („hohes Maß internationaler Übereinstimmung“); Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 42. 13 Vgl. Einleitung Nr. 31 OECD-MK. 14 Vgl. Wichmann, FR 2011, 1082 (1083 f.). 15 So auch Teile des Schrifttums, vgl. Haase in Haase, Einleitung II Rz. 71; Henkel in G/K/G, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 25. 16 Vgl. Beispiele bei Waldhoff, StbJb 2005/2006, 161 (165 ff.).
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Schönfeld/Häck
E. Auslegung von DBA
Rz. 98–99 Systematik
war. In diesem Fall bleibt der OECD-MK aber ohnehin bedeutungslos, da die „klargestellte“ Auslegung bereits zuvor im Wege der primären Auslegungsmethoden gewonnen werden konnte.1 Unzulässig ist in jedem Fall die Berücksichtigung jeglicher Auslegung des OECD-MK, die sich nicht im Rahmen der Wortlautgrenze des auszulegenden Abkommensbegriffs hält (vgl. Rz. 97). Für die Frage der dynamischen Auslegung mithilfe des OECD-MK verbleiben damit Fälle wortlautkonformer, revidierter Auffassungen und Stellungnahmen zu Fragestellungen, die sich bisher nicht stellten (z.B. aufgrund technologischen Fortschritts).2 In beiden Fällen kann als Rechtsgrundlage einer dynamischen Berücksichtigung des OECD-MK nicht auf Art. 31 Abs. 3 Buchst. a und b WÜRV Bezug genommen werden, da allein die Änderung des OECDMK/OECD-MA keine spätere Übereinkunft oder tatsächliche Übung „zwischen den Vertragsstaaten“ ist.3 Auch wenn mit einer dynamischen Betrachtung ggf. sich ändernden Lebenssachverhalten besser entsprochen werden kann,4 ist grds. zu vermuten, dass die Vertragsstaaten bei Vertragsschluss ihren Formulierungen nur den Inhalt haben beimessen wollen, der den seinerzeit existierenden Fassungen des OECD-MK entsprach.5 Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein dynamisches Verständnis zwischen den Vertragsstaaten ausdrücklich vereinbart wurde. Findet sich eine solche Vereinbarung nicht, kann – mit dem BFH6 – nur die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des DBA geltende Fassung des OECD-MK zur Auslegung herangezogen werden.7 Änderungen des OECD-MK entfalten daher ihre Wirkung (wenn überhaupt) bei der Abkommensauslegung lediglich für künftig abzuschließende DBA.8 d) Bedeutung von Konsultationsvereinbarungen für die Auslegung von DBA Konsultationsvereinbarungen und Auslegung von DBA. Konsultationsverfahren 99 i.S.v. Art. 25 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 sind darauf gerichtet, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen entstehen, im gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen sowie Regelungslücken in DBA zu schließen. Sie sollen Rechtsfragen ohne Bezug auf einen konkreten Einzelfall (anders als in sog. Verständigungsverfahren, Art. 25 Abs. 1, 2) regeln. Konsultationsverfahren zielen auf eine gleichmäßige Anwendung und Auslegung der DBA. Deutschland hat fußend auf den dem Art. 25 Abs. 3 entsprechenden Klauseln bereits in der Vergangenheit zahlreiche zwischenstaatliche Konsultationsvereinbarungen, insbesondere in Form von Auslegungsvereinbarungen, getroffen. Sie können, sofern sie sich innerhalb der Wortlautgrenze halten, als „spätere Übereinkunft“ (Art. 31 Abs. 2 Buchst. a WÜRV) im Wege der authentischen Auslegung fruchtbar gemacht werden (vgl. ausführlich Rz. 93. Darüber hinaus ging die Finanzverwaltung davon aus, dass Konsultationsvereinbarungen nicht lediglich die nachgeordneten Behörden bzw. die Vertragsstaaten binden würden, sondern auch die Gerichte.9 Für eine derartige Bindungswirkung bedürften die Konsultationsvereinbarungen aber einer parlamentarischen Legitimation
1 Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (286); Lang, ÖStZ 2006, 209. 2 Vgl. Lampert, IStR 2012, 513. 3 Vgl. Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1870 f.); a.A. Pohl, RIW 2012, 677 (679); Wichmann, FR 2011, 1082 (1083 f.). 4 Henkel in G/K/G, Grundlagen OECD-MA, Abschn. 4 Rz. 25. 5 Vgl. Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 127; Lang, IWB 2011, 281 (286); Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1872); Günkel/Lieber, FR 2000, 853 (858). 6 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488; v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154. 7 H.M. Lang in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 1865 (1870 ff.); Lang/ Stefaner in Wassermeyer, Vor Art. 1 DBA-Österreich Rz. 18; differenzierend Lampert, IStR 2012, 513 ff. 8 Vgl. Lang, IStR 2007, 606 (608); Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.79; a.A. Krabbe, FR 2001, 129 (131). 9 Vgl. BT-Drucks. 17/2249, 86; vgl. BMF v. 13.4.2010 – IV B 3-S 1301/10/10003 (2010/0245759), BStBl. I 2010, 353; Schröder, IStR 2009, 50; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 191.
Schönfeld/Häck
55
Systematik Rz. 99–100
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
nach Maßgabe des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG.1 Insoweit kam den Konsultationsvereinbarungen über deren etwaige Bedeutung als „spätere Übereinkunft“ keine entsprechende Bindungswirkung zu, insbesondere dann nicht, wenn sie im Kern vertragsändernden Inhalts waren. Angesichts der eindeutigen Positionierung des BFH2 bestand aus Sicht der Finanzverwaltung die Notwendigkeit, dem Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG entweder durch Verabschiedung der (jeweiligen) Konsultationsvereinbarung als Gesetz Geltung zu verschaffen oder eine entsprechende Ermächtigung gem. Art. 80 GG zu etablieren, wonach die Finanzverwaltung Konsultationsvereinbarungen als Rechtsverordnung erlassen kann. 100
Bedeutung des § 2 Abs. 2 AO n.F. Zu diesem Zweck wurde mit dem JStG 20103 in § 2 Abs. 2 AO n.F. eine Verordnungsermächtigung an das BMF zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen geschaffen, um künftig eine umfassende Bindungswirkung (auch gegenüber der Rspr. und dem Steuerpflichtigen) von Konsultationsvereinbarungen zu ermöglichen.4 Der Gesetzgeber hat insoweit einen Vorschlag aus dem Schrifttum5 zur Schaffung einer Verordnungsermächtigung in § 2 Abs. 2 AO aufgegriffen. Es bestehen jedoch verfassungsrechtliche Zweifel, ob die gewünschte umfassende Bindungswirkung von Konsultationsvereinbarungen durch § 2 Abs. 2 AO tatsächlich erzielt wird.6 Zwar greifen keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der Wirksamkeit der Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 2 Satz 1 AO durch.7 Zu sehen ist aber, dass Rechtsverordnungen in der Normenhierarchie rangmäßig unterhalb von Gesetzen im formellen Sinne angesiedelt sind und Änderungen bestehender Abkommen – ebenso wie deren Zustandekommen – der Form des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG (Zustimmungsgesetz) genügen müssen.8 Soweit eine auf § 2 Abs. 2 AO gestützte Rechtsverordnung inhaltlich eine Änderung eines DBA zum Gegenstand hätte, wäre diese als gesetzwidrige Rechtsverordnung nichtig.9 Jedenfalls müssen sich die auf der Verordnungsermächtigung des Art. 80 Abs. 1 GG erlassenen Konsultationsvereinbarungen im Rahmen des Regelungsprogramms eines DBA bewegen, d.h., § 2 Abs. 2 AO bietet keine Grundlage für die Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, die mit einer Änderung des DBA einhergehen, auf dem sie beruhen.10 Im Ergebnis bleibt damit die Regelung des § 2 Abs. 2 AO ohne erweiterte Wirkung, die eigentliche Zielsetzung, hierdurch v.a. doppelte Nichtbesteuerungen zu vermeiden, wird nicht erreicht.11 Erzielten Konsultationsvereinbarungen kommt daher auch weiterhin nur eine Bedeutung im Rahmen der authentischen Interpretation zu (vgl. Rz. 93).
1 BFH v. 10.7.1996 – I R 83/95, BStBl. II 1997, 341; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 11.11.2009 – I R 84/08, BStBl. II 2010, 390; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 154, 166; Vogel in V/L5, Einleitung OECD-MA Rz. 109, 200 f.; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 94; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 64; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 61; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.109; Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 209 f.; Ismer, IStR 2009, 366; Becker in Haase, Art. 25 OECD-MA Rz. 42; Lühn, BB 2009, 202; Portner, IStR 2008, 586. 2 Stv. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387. 3 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768 (1792). 4 Vgl. BT-Drucks. 17/2249, 86. 5 Vgl. Ismer, IStR 2009, 370 f. 6 Vgl. Brandis in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Schweiz, Rz. 8; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43b; Gosch in FS Spindler, 2011, 420 f.; Lehner, IStR 2011, 733; Hummel, IStR 2011, 397; Koops/Kossmann, DB 2010, Beilage 7, 41; Micker, IWB 2011, 67; Nacke, DB 2010, 1149; Drüen, IWB 2011, 360; positiv hingegen Bisle, IWB 2010, 794. 7 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e; a.A. Lehner, IStR 2011, 733 (739); vgl. auch Hummel, IStR 2011, 397 (398): notwendige „einengende Auslegung“. 8 Zutreffend Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43 f. 9 Drüen, in T/K, § 2 AO Rz. 43 f. 10 Vgl. Hummel IStR 2011, 397 (403). 11 Vgl. insgesamt Drüen, IWB 2011, 360 ff.
56
Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 101–104 Systematik
F. DBA und EU-Recht I. Grundlagen 1. Unmittelbare Geltung und Anwendungsvorrang des EU-Rechts Unmittelbare Geltung. Das Verhältnis des EU-Rechts zum nationalen Recht ist 101 durch die Grundsätze der unmittelbaren Geltung und des Vorranges des Unionsrechtes geprägt.1 Unmittelbare Geltung bedeutet dabei, dass das EU-Recht ohne „Umweg“ Rechtsbeziehungen zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten sowie zwischen der EU und den Staatsangehörigen der jeweiligen Mitgliedsstaaten, u.U. aber auch zwischen der EU und Drittstaaten begründet. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob dem einzelnen Marktteilnehmer durch das EU-Recht ein (ggf. klagbares) Recht verliehen wird. Der EuGH hat diese Kraft insbesondere dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG sowie mittlerweile sämtlichen Grundfreiheiten des AEUV (Warenverkehrsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsverkehrsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit) zuerkannt. Gleiches gilt für umsetzungsbedürftige RL, soweit deren Umsetzung zeitlich oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß erfolgte und die betreffende RL-Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist.2 Anwendungsvorrang. Anwendungsvorrang des EU-Rechts bedeutet schließlich, 102 dass die mit EU-Recht kollidierende nationale Rechtsvorschrift vom EU-Recht überlagert wird (im Übrigen bleibt die Regelung allerdings anwendbar, d.h. keine Nichtigkeit i.S. eines Geltungsvorranges). Im Ergebnis wird der Rechtsanwender dazu verpflichtet, das (ggf. entgegenstehende) nationale Recht so anzuwenden, dass der vom EU-Recht bezweckte Schutz des Marktteilnehmers erreicht wird.3 Diese Verpflichtung trifft nicht nur die nationalen Gerichte, sondern auch die nationalen Behörden. 2. Anwendung der allgemeinen EU-rechtlichen Grundsätze auf DBA Grundsatz. Nach deutschem Rechtsverständnis erlangen DBA als völkerrecht- 103 liche Verträge durch ein entsprechendes Zustimmungsgesetz den Rang einfachen Bundesrechts (vgl. Rz. 63 ff.). Es kann deshalb im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft sein, dass mit EU-Recht kollidierendes DBA-Recht ebenso wie anderes einfaches Steuerrecht von den in Rz. 101 ff. dargestellten Rechtswirkungen des EU-Rechts betroffen ist. Aber: partielle grundfreiheitliche Immunisierung der DBA. Diesem einfachen Be- 104 fund steht jedoch der Umstand gegenüber, dass nach der Rspr. des EuGH „die Mitgliedsstaaten befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen.“4 Damit dürften weite Teile der DBA – insbesondere die sog. Verteilungsnormen – unionsrechtlich „immunisiert“ sein.5 Darüber hinaus hat der EuGH in der Rs. „Kerkhaert und Morres“ angedeutet, dass sich zumindest aus den Grundfreiheiten
1 EuGH v. 5.2.1963, Rs. C-26/62 – Van Gend & Loos, EuGHE1963, I-1 (I-25); v. 15.7.1964, Rs. C-6/64 – Costa/ENEL, EuGHE 1964, I-1251 (I-1269). 2 Aus der steuerlichen Rspr. vgl. nur EuGH v. 17.10.1996 – Rs. C-291/94 und C-292/94 – Denkavit, VITIC und Vormeer, EuGHE 1996, I-5063 Rz. 37 ff. 3 Zu den Problemen bei gesetzesübersteigender Rechtsanwendung vgl. z.B. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 285 ff. m.w.N. 4 Vgl. EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793 Rz. 24 und 30; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161 Rz. 57; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819 Rz. 93; v. 19.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bouanich, EuGHE 2006, I-923 Rz. 49; v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006, I-1957 Rz. 47; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 44; v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, EuGHE 2006, I-9461 Rz. 54; v. 12.12.2006 – Rs. C-374/04 – ACT Group Litigation, EuGHE 2006, I-11673 Rz. 52; v. 14.12.2006 – Rs. C-170/05 – Denkavit Internationaal BV, EuGHE 2006, I-11949 Rz. 44; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107 Rz. 49. 5 Ferner zur „Immunisierungswirkung“ Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 530 ff.
Schönfeld/Häck
57
Systematik Rz. 104–105
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
des AEUV keine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten ergibt, ob und wie eine (juristische) Doppelbesteuerung zu vermeiden ist, die sich aus dem schlichten Zugriff zweier Mitgliedsstaaten auf ein und dasselbe Steuergut ergibt.1 Das kann von Bedeutung für eine etwaige grundfreiheitliche Immunisierung der in DBA enthaltenen Methodenartikel sein. Schließlich hat der EuGH in der Rs. „D“ zum Ausdruck gebracht, dass es DBA-Bestimmungen geben kann, die von dem übrigen Abkommen nicht losgelöst werden können, sondern einen integralen Bestandteil des DBA bilden und daher zu dessen allgemeiner Ausgewogenheit beitragen.2 Bei wortgetreuer Anwendung der Entscheidung müssten allerdings alle DBA-Vorschriften einer grundfreiheitlichen Überprüfung entzogen sein, weil sämtliche Regelungen eines DBA das Ergebnis eines reziproken Verhandlungsprozesses sind und deshalb nicht isoliert aus dem DBA herausgelöst werden können. Einem solchen Ergebnis stünde jedoch z.B. die Entscheidung des EuGH in der Rs. „de Groot“ entgegen, wonach eine nationale Regelung „unabhängig davon, ob sie in ein Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen worden ist“, den Grundfreiheiten entgegenstehen kann.3 Man wird deshalb die apodiktischen Ausführungen des EuGH in der Rs. „D“ gegenwärtig auf den speziellen Fall der streitgegenständlichen Inbound-Meistbegünstigung beschränken müssen.4 Es wäre auch merkwürdig, wenn die Mitgliedsstaaten den Verpflichtungen des Unionsrechts dadurch entgehen könnten, dass sie diskriminierende oder beschränkende steuerliche Regelungen (im Wege eines kollusiven Zusammenwirkens) einfach von der innerstaatlichen Ebene auf die DBA-Ebene heben. Ansonsten könnte in einem DBA auch unmittelbar vereinbart werden, dass der AEUV keine Anwendung findet. Das dürfte der EuGH aber vermutlich ebenso wenig hinnehmen, wie eine seine Rspr. ausdrücklich konterkarierende Regelung in einem DBA. 3. DBA mit Drittstaaten 105
Bedeutung des EU-Rechts im Verhältnis zu Drittstaaten-DBA. Die Grundsätze der unmittelbaren Geltung und des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts kommen nicht nur für DBA zwischen Mitgliedsstaaten zum Tragen, sondern gelten – im Umkehrschluss zu Art. 351 AEUV – auch für DBA mit Drittstaaten, soweit eine DBA-Vorschrift unionsrechtlich relevante Auswirkungen im Binnenmarkt zeitigt.5 So hat etwa der EuGH in der Rs. „Saint Gobain“ aus dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung abgeleitet, dass ein Mitgliedsstaat, auf dessen Territorium eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedsstaates eine Betriebsstätte gründet, dieser Betriebsstätte dieselben Abkommensvergünstigungen aus einem Drittstaaten-DBA gewähren muss, wie sie einer entsprechenden Tochtergesellschaft (anstelle einer Betriebsstätte) aus diesem DBA zu gewähren wären.6 Die Besonderheit der Entscheidung liegt allerdings darin, dass Anknüpfungspunkt für die grundfreiheitliche Prüfung der Niederlassungsvorgang des in einem Mitgliedsstaat ansässigen Stammhauses in einem anderen Mitgliedsstaat war, also ein innergemeinschaftlicher Vorgang. Geht es demgegenüber um die durch eine DBA-Regelung verursachte Beschränkung eines grenzüberschreitenden Engagements eines in einem Mitgliedsstaat ansässigen Marktteilnehmers in einem Drittstaat (und umgekehrt), kommt in erster Linie die den Kapitalverkehr mit Drittstaaten schützende Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) als primärrechtlicher
1 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 22; zu Recht kritisch Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 167 ff.; Rainer, Intertax 2007, 63 (64). 2 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, EuGHE 2005, I-5821 Rz. 62. 3 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819; ebenso bereits EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161. 4 A.A. möglicherweise BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 5 Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 281 ff.; Kluge, Internationales Steuerrecht4, Rz. R 98; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 139. 6 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161 Rz. 34 ff.
58
Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 105–109 Systematik
Prüfungsmaßstab in Betracht.1 Daneben können zwischen der EU und Drittstaaten abgeschlossene Assoziierungsabkommen von Bedeutung für die Anwendung und Auslegung von Regelungen in Drittstaaten-DBA sein (vgl. ausführlich Rz. 141 ff.). a) Unberührtheitsklausel des Art. 351 AEUV für vorgemeinschaftliche Drittstaatsabkommen Anwendungsbereich. Die Anwendung des Unionsrechts auf Drittstaaten-DBA er- 106 fährt eine erste generelle Einschränkung durch Art. 351 Abs. 1 AEUV.2 Danach werden „[d]ie Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1.1.1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitrittes zwischen einem oder mehreren Mitgliedsstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, […] durch diesen Vertrag nicht berührt.“ Die Regelung ist auch auf DBA anwendbar.3 Sie erfasst nur vorgemeinschaftliche Abkommen mit Drittstaaten, nicht auch vorgemeinschaftliche Abkommen zwischen nunmehrigen Mitgliedsstaaten.4 Regelungszweck. Durch die Regelung soll der Gefahr begegnet werden, dass sich 107 ein Mitgliedsstaat aufgrund des AEUV daran gehindert sieht, seinen Verpflichtungen aus einem vorgemeinschaftlichen Abkommen zu einem Drittstaat nachzukommen.5 Dies bedeutet zugleich, dass durch Art. 351 Abs. 1 AEUV lediglich das Recht des Drittstaates aus einem DBA sowie die damit korrespondierende Verpflichtung des Mitgliedsstaates dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts entzogen wird, nicht aber (umgekehrt) das Recht eines Mitgliedsstaats sowie die korrespondierende Verpflichtung des Drittstaats. Entsprechend kann sich ein Mitgliedsstaat nicht auf Art. 351 Abs. 1 AEUV berufen, wenn es darum geht, eine mit EU-Recht kollidierende Regelung aus einem Drittstaaten-DBA anzuwenden, die ihn zu einer diskriminierenden oder beschränkenden Maßnahme berechtigt. Will man diese Rechtsfolge nicht bereits dem Telos von Art. 351 Abs. 1 AEUV entnehmen, so ergibt sie sich jedenfalls aus der in Art. 351 Abs. 2 AEUV enthaltenen Verpflichtung. Zeitlich nachfolgende Änderungen. Nachträgliche Änderungen von unter Art. 351 108 Abs. 1 AEUV fallenden Alt-DBA sind zumindest insoweit schädlich, als das Alt-DBA durch ein Neu-DBA vollständig ersetzt wird und zwischen den Vertragsstaaten neue bedeutende Rechte und Pflichten entstehen.6 Wird ein Alt-DBA demgegenüber nur durch ein Protokoll ergänzt, kann die Prüfung von Art. 351 Abs. 1 AEUV im Einzelfall schwierig sein. Insbesondere ist es nicht fernliegend, die zur Fortbestandsgarantie des Art. 64 AEUV ergangene Rspr. auf Art. 351 Abs. 1 AEUV zu übertragen7 und damit auch substanziell identische sowie die unionskonforme Situation annähernde Neuregelungen unter Art. 351 Abs. 1 AEUV zu fassen. Maßgeblicher Zeitpunkt. Für die Bestimmung des nach Art. 351 Abs. 1 AEUV maß- 109 geblichen Zeitpunkts ist nach dem Wortlaut allein entscheidend, wann das Drittstaaten-DBA „geschlossen wurde“; irrelevant ist demgegenüber grds. dessen Inkrafttreten.
1 Vgl. z.B. EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz AG, EuGHE 2006, I-9521; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4051; v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, EuGHE 2007, I-151. 2 Ausführlich Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 280 ff., 421 ff. m.w.N. 3 Vgl. Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 49; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 280 ff., m.w.N. 4 EuGH v. 27.9.1988, Rs. C-235/87 – Matteucci, EuGHE 1988, I-5589. 5 EuGH v. 28.3.1995 – Rs. C-324/93 – Evans Medical und Macfarlan Smith, EuGHE 1995, I-563 Rz. 27; v. 14.1.1997 – Rs. C-124/95 – Centro Com, EuGHE 1997, I-81 Rz. 56. 6 Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-466/98 – Kommission/Vereinigtes Königreich, EuGHE 2002, I-9427 Rz. 29; v. 5.11.2002 – Rs. C-475/98 – Open Skies, EuGHE 2002, I-9797 Rz. 48. 7 Ebenso Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 428 f.
Schönfeld/Häck
59
Systematik Rz. 110–113 110
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
Rechtspflicht zur Behebung von Vertragskollisionen (Art. 351 Abs. 2 AEUV). Im Fall des Widerspruchs eines Drittstaaten-DBA mit EU-Recht begründet Art. 351 Abs. 2 AEUV zum einen die Pflicht der betroffenen Mitgliedsstaaten, alle geeigneten Mittel zu ergreifen, um die festgestellte Unvereinbarkeit zu beheben; zum anderen müssen die übrigen Mitgliedsstaaten erforderlichenfalls zu diesem Zweck Hilfe leisten und ggf. eine gemeinsame Haltung einnehmen. An der Verdrängung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ändert dies indes nichts.1 b) Fortbestandsgarantie des Art. 64 AEUV für vor dem 31.12.1993 bestandene Beschränkungen
111
Verhältnis zu Art. 351 AEUV. Dem Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit kann eine beschränkende Regelung schließlich generell gem. Art. 64 AEUV entzogen sein, wenn sie am 31.12.1993 bestanden hat. Dies wirft zunächst die Frage nach dem Verhältnis zu Art. 351 AEUV auf. Nach dem Wortlaut von Art. 64 Abs. 1 AEUV werden nur Beschränkungen erfasst, die „aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftsrechtlicher Rechtsvorschriften“ bestanden. Man könnte argumentieren, bei DBA handele es sich weder um einzelstaatliche noch um unionsrechtliche, sondern vielmehr um völkerrechtliche Regelungen. Dem dürfte aber jedenfalls aus deutscher Sicht entgegenstehen, dass DBA durch Zustimmungsgesetz zu einfachem Bundesrecht werden. Es handelt sich deshalb bei DBA um innerstaatliches Recht. Auch unter teleologischen Gesichtspunkten erscheint es sachgerecht, DBA-Regelungen in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 64 AEUV einzubeziehen, weil die Mitgliedsstaaten mit der Schaffung der Fortbestandsgarantie sicherlich eine für den Kapitalverkehr spezielle Regelung schaffen wollten, die abschließend Altbeschränkungen für zulässig erklärt.2
112
Zeitliche Voraussetzungen. In zeitlicher Hinsicht muss die betreffende DBA-Regelung bereits am 31.12.1993 „bestehen“. Anders als im Rahmen von Art. 351 AEUV kann man darüber streiten, wann eine DBA-Regelung besteht. Es sind mehrere Zeitpunkte denkbar. So könnte man auf die Veröffentlichung des Zustimmungsgesetzes im Bundesgesetzblatt, auf das Inkrafttreten des DBA (i.d.R. durch Austausch der Ratifikationsurkunden) oder auf die erstmalige Anwendung vor dem 31.12.1993 abstellen. Die Frage ist in der Rspr. des EuGH bislang nicht geklärt, die besseren Gründe sprechen jedoch für die erstmalige Anwendung, weil die betreffende Regelung dann die für die Versteinerungswirkung maßgebliche beschränkende Wirkung erstmals vor dem 31.12.1993 entfaltet hat. Eine weitere Frage ist die, ob eine DBA-Regelung auch dann von Art. 64 AEUV erfasst wird, wenn sie am 31.12.1993 bestanden hat, aber die von ihr ausgehende beschränkende Wirkung bis zu diesem Datum durch eine innerstaatliche Rechtsvorschrift neutralisiert wurde, und diese Rechtsvorschrift nach dem 31.12.1993 aufgehoben wurde.3 Vor dem 31.12.1993 erlassene Regelungen, die danach geändert wurden, können schließlich unter Art. 64 Abs. 1 AEUV fallen, wenn sie „im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmen oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung der gemeinschaftsrechtlichen Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildern oder beseitigen.“4
113
Inhaltliche Voraussetzungen. In inhaltlicher Hinsicht ist zu beachten, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV nur solche Beschränkungen schützt, die zu dem betreffenden Zeitpunkt „für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.“ Nach der Rspr. des EuGH muss im konkreten Sachverhalt ein solcher
1 Näher Petersmann/Spennemann in von der Groeben/Schwarze3, Art. 307 EG Rz. 8. 2 Im Ergebnis wohl auch Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 183. 3 Zu diesem Problem vgl. BFH v. 22.8.2006 – I R 116/04, BStBl. II 2006, 864. 4 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753 Rz. 196; v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4051 Rz. 41.
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Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 113–115 Systematik
Kapitalverkehrsvorgang gegeben sein.1 Es ist demgegenüber irrelevant, inwieweit die beschränkende DBA-Regelung nach ihrer Zielsetzung die Beschränkung eines derartigen Kapitalverkehrsvorgangs vor Augen hat. Es genügt deshalb z.B. nicht, wenn im konkreten Fall nur eine Portfoliobeteiligung gegeben ist; Art. 64 AEUV wäre nicht anwendbar. c) Weitere Einschränkung des Drittstaatenschutzes im Rahmen von Art. 63 AEUV Verhältnis der Kapitalverkehrsfreiheit zu anderen Grundfreiheiten. Eine weitere 114 Einschränkung erfährt der Drittstaatenschutz schließlich dadurch, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nach der Rspr. des EuGH hinter eine andere (hypothetisch anzuwendende) Grundfreiheit zurücktreten soll, wenn die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit lediglich die „unvermeidliche Konsequenz“ der Beschränkung der anderen Grundfreiheit ist.2 Die Frage, ob die Prüfung auf die konkrete Norm (Beschränkt die Regelung primär eine andere Grundfreiheit?) oder auf den konkreten Sachverhalt (Liegt im konkreten Fall eine Beschränkung einer anderen Grundfreiheit vor?) zielt, ist vom EuGH nunmehr dahin gehend entschieden worden, dass jedenfalls in Drittstaatenfällen auf die primäre Beschränkungsrichtung der konkreten Norm abzustellen ist.3 Der BFH hatte dies schon immer so gesehen.4 Beschränkt die fragliche nationale Regelung daher nach der Idee des Gesetzgebers in erster Linie eine andere Grundfreiheit (z.B. für wesentliche Beteiligungen5) und werden Kapitalverkehrsfreiheitsfälle zufällig miterfasst, dann tritt die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit als bloße zwangsläufige Folge der Beschränkung der anderen Grundfreiheit hinter diese zurück. Für den Drittstaatenschutz bleibt dann kein Raum. Selbst für den Fall des Eingreifens der Kapitalverkehrsfreiheit hat der EuGH aber zum Ausdruck gebracht, einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zuzuneigen, wonach aufgrund der fehlenden rechtlichen Integration von Drittstaaten (insbesondere fehlende Anwendung der Amtshilfe-RL) im Verhältnis zu Drittstaaten auf der Rechtfertigungsebene ggf. andere (und i.E. strengere) Maßstäbe angelegt werden können sollen.6 Hier können die Reichweite der im betreffenden DBA enthaltenen Auskunftsklausel sowie das konkrete Verhalten des DBA-Staats bzgl. des Informationsaustausches relevant sein.
II. Einwirkung primären Unionsrechtes auf DBA 1. Abkommensberechtigung Abkommensschutz und Ansässigkeit. Der Einwirkung durch das primäre Unions- 115 recht kann zunächst die in den DBA geregelte Frage ausgesetzt sein, wer in den Genuss einer Abkommensvergünstigung kommen kann (sog. Abkommensberechtigung). Nach Art. 1 können nur die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässigen Personen die in einem DBA enthaltenen Abkommensvergünstigungen beanspruchen. Art. 4 Abs. 1 bestimmt näher, wann eine Person in einem Vertragsstaat ansässig ist. Maßgeblich sind die Steuerpflicht im Vertragsstaat aufgrund des Wohnsitzes, der ständige Aufenthalt, der Ort der Geschäftsleitung oder aufgrund eines ähnlichen Merkmals. In der Regel handelt es sich dabei um die unbeschränkte Steuer1 EuGH v. 24.5.2007 – Rs. C-157/05 – Holböck, EuGHE 2007, I-4051 Rz. 31 ff.; v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753 Rz. 189 ff.; ebenso BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555. 2 EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz AG, EuGHE 2006, I-9521 Rz. 34 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 33; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107 Rz. 34. 3 EuGH v. 13.11.2012 – C-35/11, Test Claimants in the FII Group Litigation, noch nicht in Slg, mwN. 4 Vgl. nur BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, IStR 2012, 935, mwN. 5 Nach BFH liegt die Grenze bereits bei 10 %, was mit Blick auf die durch die Niederlassungsfreiheit geprägte MTRL wahrscheinlich nicht unbedingt fernliegend ist, vgl. BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, IStR 2012, 935. 6 EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, EuGHE 2006, I-11753 insbesondere Rz. 170 ff.
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Systematik Rz. 115–117
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
pflicht (zur Abgrenzung von Ansässigkeit und unbeschränkter Steuerpflicht vgl. Art. 4 Rz. 23 ff.). Beschränkt Steuerpflichtige kommen deshalb grds. nicht in den Genuss von Abkommensvergünstigungen. Die Differenzierung zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht und damit die Anknüpfung an die Ansässigkeit werden vom EuGH nicht per se als verdeckte Diskriminierung angesehen. Vielmehr stört er sich erst dann an einer aus dieser Unterscheidung folgenden Ungleichbehandlung, wenn sich beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Personen in vergleichbaren Situationen befinden.1 Die Frage muss im Einzelfall beantwortet werden. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH keinen Anstoß daran nimmt, wenn die Ansässigkeit als Anknüpfungspunkt herangezogen wird, um die betreffende Person mit ihrem Welteinkommen der inländischen Besteuerung zu unterwerfen.2 Ob das auch dann gilt, wenn der „Ansässige“ aufgrund z.B. eines vorangegangenen Wegzugs nur noch über geringe tatsächliche Verknüpfungen zum „Ansässigkeitsstaat“ verfügt, er aber gleichwohl der inländischen Besteuerung unterworfen wird (z.B. im Rahmen der erweitert unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht), ist im Schrifttum bezweifelt worden.3 Der Entscheidung des EuGH in der Rs. „van Hilten“4 wird allerdings teilweise eine Akzeptanz der erweitert unbeschränkten (Erbschaft-)Steuerpflicht entnommen.5 116
Wahlrecht zwischen Betriebsstätte und Tochtergesellschaft. Vor dem Hintergrund der Regelung in Art. 49 Abs. 2 Satz 2 AEUV hat der EuGH bereits mehrfach entschieden, dass es im Falle vergleichbarer Situationen verboten ist, die Betriebsstätte eines Gebietsfremden gegenüber einer gebietsansässigen natürlichen oder juristischen Person steuerlich zu diskriminieren.6 In der Rs. „Saint Gobain“ ist diese Sichtweise ausdrücklich auf abkommensrechtliche Vergünstigungen ausgedehnt worden.7 Anders gewendet: Diejenigen Abkommensvergünstigungen, die einer gebietsansässigen Person gewährt werden, müssen – ceteris paribus – auch unselbständigen Betriebsstätten gebietsfremder Personen offenstehen. Im Schrifttum ist daraus ein umfassendes Wahlrecht (i.S. einer steuerlichen Rechtsformneutralität) zwischen unselbständiger Betriebsstätte und selbständiger juristischer Person als Niederlassungsvehikel abgeleitet worden.8 Im Einzelnen ist allerdings noch ungeklärt, wieweit die Freiheit der Rechtsformwahl geht.9 Das gilt insbesondere für den Einfluss des EU-Rechts auf die Betriebsstättengewinnermittlung. Innerhalb der EU und der OECD geht allerdings ein deutlicher Trend dahin, auch für rein unternehmensinterne Leistungsbeziehungen die Betriebsstätte (fiktiv) einer selbständigen juristischen Person gleichzustellen. Die aus dieser Fiktion resultierenden Folgeprobleme sind nicht ohne Kritik geblieben.10
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Zurechnungs- und Qualifikationskonflikte. Im Bereich der Abkommensberechtigung ist ferner der Umstand von Interesse, dass es zu Zurechnungskonflikten (und damit verbundenen Doppelbesteuerungspotenzialen) kommen kann, wenn die beteiligten DBA-Staaten ein Rechtsgebilde unterschiedlich als transparent oder intransparent qualifizieren. Das ist z.B. bei einer belgischen CV der Fall, die nach belgischem Recht als Körperschaft behandelt wird, während Deutschland nach dem Rechtstypenvergleich eine KG annimmt. Aus EU-rechtlicher Sicht wird die Frage primär aus dem Blickwinkel des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung diskutiert.11 Es wird darauf
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Vgl. grundlegend EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225. Vgl. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837 Rz. 39. Vgl. Lang, IStR 2005, 289, 291; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 35 f. EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006, I-1957. Vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 449 f. Vgl. grundlegend EuGH v. 28.1.1986, Rs. C-270/83 – Avoir fiscal, EuGHE 1986, I- 273. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, EuGHE 1999, I-6161. Dazu ausführlich Schön, EWS 2000, 281 m.w.N. Vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 456 ff. Vgl. die von Wassermeyer, IStR 2004, 733, eingeleitete instruktive Diskussion, fortgeführt von Kroppen, IStR 2005, 74; Wassermeyer, IStR 2005, 84; Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, 76. Ausführlich Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 494 ff. m.w.N.
Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 117–118 Systematik
hingewiesen, dass das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nach der Rs. „Centros“ & Co.1 nicht nur bzgl. der gesellschaftsrechtlichen, sondern auch für die steuerliche Anerkennung ausländischer Rechtsgebilde greife. Zwar sei einzuräumen, dass die fehlende Anerkennung der von einer ausländischen Rechtsordnung geschaffenen Rechtssubjektivität im Steuerrecht (anders als im Gesellschaftsrecht) nicht per se den Niederlassungsvorgang unmöglich mache. Auch ergebe sich aus dem neu aufgenommenen Art. 4 Abs. 1a MTRL, dass zumindest im Anwendungsbereich der RL die Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung transparenter Rechtsgebilde eingeschränkt sei. Dies ändert jedoch (insbesondere außerhalb des Anwendungsbereichs der MTRL) nichts daran, dass durch die Nichtanerkennung die grenzüberschreitende Tätigkeit weniger attraktiv gemacht werden kann, zumal sich auch die MTRL als Sekundärrecht an den Grundfreiheiten messen lassen muss. Die entscheidende Frage ist dann die, ob die von der Nichtanerkennung ausgehende Beschränkung (z.B. aus Gründen der Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) gerechtfertigt sein kann. In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass in der Rs. „Columbus Container Services“2 der von § 20 Abs. 2 AStG ausgehende Übergang von der Freistellung zur Anrechnung genau einen solchen hybriden Rechtsträger (belgische CV) betraf. Die Frage der möglichen Pflicht zur Anerkennung der CV durch Deutschland wurde in der mündlichen Verhandlung eingehend diskutiert. Der EuGH hat im Urteil jedoch zum Ausdruck gebracht, dass das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung für die (grenzüberschreitende) steuerliche Qualifikation eines Rechtsträgers nicht eingreift. 2. Verteilungsnormen Befugnis zur freien Aufteilung der Besteuerungsrechte entbindet nicht von diskri- 118 minierungsfreier Ausübung dieser Besteuerungsrechte. Ausgehend von dem Umstand, dass es keinen EU-rechtlichen Bedenken begegnet, wenn jeder Vertragsstaat die Besteuerung des Welteinkommens für sich beansprucht (vgl. Rz. 115 ff.), ist es nur konsequent, dass das EU-Recht auch keine Kriterien dafür enthält, wie die Aufteilung dieses Besteuerungsrechts zwischen den Vertragsstaaten zu erfolgen hat. Es entspricht ständiger Rspr. des EuGH, „dass die Mitgliedsstaaten in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen befugt bleiben, insbesondere zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen“ (vgl. die Nachweise in Rz. 104). Und: Insoweit „ist es für die Mitgliedsstaaten nicht sachfremd, sich an der internationalen Praxis und den von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten MA zu orientieren.“3 Die in den Art. 6–21 enthaltenen Zuteilungsnormen dürften deshalb einer Nachprüfung durch den EuGH weitgehend entzogen sein, soweit sie sich mit der gegenseitigen Abgrenzung der Besteuerungsrechte befassen. Davon zu unterschieden ist die Frage, wie die einmal aufgeteilten Besteuerungsrechte auszuüben sind. Es entspricht ebenfalls ständiger Rspr. des EuGH, dass die Mitgliedsstaaten „[b]ei der Ausübung der in dieser Weise aufgeteilten Steuerhoheit […] verpflichtet [sind], den Gemeinschaftsvorschriften nachzukommen […] und insbesondere den Grundsatz der Inländerbehandlung von Staatsangehörigen der anderen Mitgliedsstaaten und ihrer eigenen Staatsangehörigen zu wahren, die von den durch den EG-Vertrag garantierten Freiheiten Gebrauch gemacht haben.“4 Anders gewendet: Die Befugnis zur freien Auftei-
1 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, EuGHE 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, EuGHE 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, EuGHE 2003, I-10155. 2 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 3 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 Rz. 24 u. 30; v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, EuGHE 2006, I-1957 Rz. 47; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409 Rz. 45. 4 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, EuGHE 2002, I-11819 Rz. 94.
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Systematik Rz. 118–120
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
lung der Besteuerungsrechte entbindet nicht von der Verpflichtung, die einmal aufgeteilten Besteuerungsrechte diskriminierungsfrei auszuüben.1 3. Methodenartikel 119
Doppelbesteuerung und EU-Recht. Neben den besonderen Problemen, die sich aus der Aufnahme von bestimmten Anti-Missbrauchsklauseln in Methodenartikeln ergeben, stellt sich die allgemeine Vorfrage nach dem Verhältnis von Doppelbesteuerung und EU-Recht. In der Rspr. des EuGH ist zunächst geklärt, dass aus dem – im AEUV nicht mehr enthaltenen! – Art. 293 EGV zwar die Verpflichtung an die Mitgliedsstaaten folgt, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung DBA abzuschließen; ein subjektives Recht kann der Einzelne daraus jedoch nicht für sich herleiten.2 Aus der Rspr. ergibt sich allerdings auch, dass eine (juristische oder wirtschaftliche) Doppelbesteuerung zumindest insoweit gegen die Grundfreiheiten verstößt (und diese damit den Einzelnen schützen), als deren Vermeidung vom betreffenden Mitgliedsstaat auf inländische Sachverhalte beschränkt wird, während grenzüberschreitende Sachverhalte einer Doppelbesteuerung ausgesetzt werden.3 Im Schrifttum ist ein solches grundfreiheitliches Verbot auch für den Fall gefordert worden, dass eine (juristische) Doppelbesteuerung allein aus dem Zusammenwirken zweier Steuerrechtsordnungen resultiert. Die Anrechnungsmethode soll danach den EU-rechtlichen Mindeststandard zur Vermeidung der Doppelbesteuerung darstellen. Begründet wird dies damit, dass von einem grenzüberschreitenden Engagement abgehalten wird, wenn der grenzüberschreitende Sachverhalt einer steuerlichen Kumulation durch den mehrfachen Zugriff auf ein und dasselbe Steuersubstrat ausgesetzt wird, während der reine Binnensachverhalt davon immanent verschont bleibt.4
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Kein grundfreiheitliches Verbot der Doppelbesteuerung nach „Kerkhaert und Morres“. Der EuGH ist dem in der Rs. „Kerkhaert und Morres“ nicht gefolgt.5 Danach schreibt das „Gemeinschaftsrecht […] bei seinem gegenwärtigen Stand und in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft keine allgemeinen Kriterien für die Verteilung der Kompetenzen der Mitgliedsstaaten untereinander vor.“6 Abgesehen von der MTRL,7 der EU-Schiedsverfahrenskonvention8 und der Zins- und Lizenzgebühren-RL9 sei „bis heute im Rahmen des Gemeinschaftsrechts keine Maßnahme der Vereinheitlichung oder Harmonisierung zum Zweck der Beseitigung von Doppelbesteuerungstatbeständen erlassen worden.“ Im Schrifttum ist das nicht ohne Kritik geblieben.10 Es ist auch in der Tat nicht ausgeschlossen, dass der EuGH bei der Vorlage eines entsprechenden Falls seine Ausführungen überdenkt. Denn in dem streitgegenständlichen Sachverhalt bestand (aufgrund der zusätzlichen Gewährung des avoir-fiscal) die Besonderheit, dass es in der Gesamtbelastung zu keiner Überbesteuerung kam, vielmehr der grenzüberschreitende Sachverhalt durch die Anrechnung der Quellensteuern gegenüber dem Binnensachverhalt bessergestellt worden
1 Zum Ganzen auch Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 439 ff. m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 12.5.1998 – RS. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 Rz. 14 ff.; zustimmend Forsthoff, IStR 2006, 509 ff.; Bron, IStR 2007, 431, 434; ausführlich z.B. Pistone, The Impact of Community Law on Tax Treaties: Issues and Solutions, 2002, 68 ff. jeweils m.w.N. 3 Vgl. zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C 319/02 – Manninen, EuGHE 2004, I-7477; v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, EuGHE 2007, I-1835. 4 So namentlich Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, 253 f.; Englisch, Intertax 2005, 323 ff.; vgl. auch die Analyse bei Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 131 ff. 5 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 15 ff. 6 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 22. 7 90/435/EWG, ABl.EG 1990 L 225, 6. 8 ABl.EG 1990 L 225, 10. 9 ABl.EG L 157, 38. 10 Vgl. Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 167 ff.
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Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 120–123 Systematik
wäre.1 Der EuGH selbst hat sich diese Möglichkeit scheinbar ausdrücklich offengehalten („in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens“). Gleichwohl wird man in rechtspraktischer Hinsicht die Entscheidung zunächst zur Kenntnis nehmen müssen. Die zunehmend zurückhaltendere Rspr. des EuGH im Bereich der Ertragsteuern spricht auch eher dafür, dass es bei diesem Ergebnis bleibt. Keine EU-rechtliche Präferenz für eine der Methoden zur Vermeidung der Doppel- 121 besteuerung. Trifft es zu, dass sich aus den Grundfreiheiten außerhalb einer diskriminierenden Anwendung einer Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung keine Verpflichtung ergibt, eine (juristische) Doppelbesteuerung zu vermeiden (Rz. 104), dann kann es auch keine grundfreiheitliche Präferenz für eine der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geben. Es kann deshalb dahinstehen, ob der EuGH einer solchen Präferenz bereits in der Rs. „Gilly“ eine Absage erteilt hat.2 Die vom Schrifttum gegen die Anrechnungsmethode wegen deren protektionistischen Charakters vorgebrachten Einwände haben den EuGH augenscheinlich nicht überzeugt.3 EU-rechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung der Anrechnungsmethode. 122 Soll nach der Rs. „Kerkhaert und Morres“ schon keine Verpflichtung bestehen, die Anrechnungsmethode als Mindeststandard zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorzusehen, dann kann deren Ausgestaltung erst recht keinen EU-rechtlichen Anforderungen ausgesetzt sein. In der Mehrzahl der Fälle wird allerdings der Ansässigkeitsstaat im reinen Binnensachverhalt für eine Vermeidung der Doppelbesteuerung über eine Anrechnung inländischer Steuern (ggf. mit Erstattungsmöglichkeit) sorgen (vgl. z.B. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Ist das der Fall, dann ergibt sich nicht nur eine entsprechende Verpflichtung im vergleichbaren grenzüberschreitenden Sachverhalt. Vielmehr muss die Anrechnungsmethode im grenzüberschreitenden Sachverhalt grds. so ausgestaltet sein, dass die Besteuerung des grenzüberschreitenden Sachverhalts im wirtschaftlichen Ergebnis nicht über die des Binnensachverhalts hinausgeht. Das kann dann problematisch sein, wenn die in einem DBA vorgesehene Anrechnungsmethode (ggf. über einen Verweis auf das innerstaatliche Recht) z.B. eine „percountry-limitation“ oder eine „per-item-limitation“ enthält, und wenn daraus resultierende Anrechnungsüberhänge einer Vor- oder Rücktragsfähigkeit entbehren.4 Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung. Sind die in einem anderen Ver- 123 tragsstaat erzielten Einkünfte nach einem DBA in Deutschland von der Besteuerung ausgenommen, so entspricht es insbesondere der ständigen Rspr. des I. Senats des BFH, dass die betreffende DBA-Vorschrift (i.d.R. die vereinbarte Freistellungsmethode) sowohl positive als auch negative Einkünfte erfasst.5 Für z.B. ein inländisches Stammhaus hat die Anwendung dieser „Symmetriethese“ die nachteilige Folge, dass die fehlende Berücksichtigung der ausländischen Betriebsstättenverluste im Rahmen der inländischen Veranlagung eine steuerliche Benachteiligung des ausländischen gegenüber dem vergleichbaren inländischen Engagement bewirken kann. Diese Ungleichbehandlung ist zwar als eine Beschränkung der einschlägigen Grundfreiheiten zu qualifizieren, der EuGH hat jedoch für ausländische Betriebsstättenverluste in 1 Vgl. die Berechnungen von GA Geelhoed, Schlussanträge v. 6.4.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 25. 2 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2793. 3 Vgl. hierzu Lehner in FS Wassermeyer, 2005, 241 ff.; Rädler, StuW 1960, 729 (731 ff.); Schönfeld, StuW 2005, 158 (160 f.); Terra/Wattel, European Tax Law, 2001, 159 f.; Vogel, IBFD-Bulletin 2002, 4 ff.; Wattel, Legal Issues of Economic Integration, 2/2004, 81 (89 f.); zusammenfassend Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 669 ff. 4 Zum Ganzen ausführlich Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 675 ff.; Schönfeld in F/W/B, Vor § 34c EStG Rz. 31 ff. (Stand: November 2005). 5 Vgl. BFH v. 28.6.2006 – I R 84/04, BStBl. II 2006, 861; v. 13.11.2002 – I R 13/02, IStR 2003, 314; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113 f.; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531 f.; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948 (949); v. 11.3.1970 – I B 50/68 u. I B 3/69, BStBl. II 1970, 569 (570 ff.); RFH v. 25.1.1933 – VI A 199/32, RStBl. 1933, 478; v. 26.6.1935 – VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358 f.; vgl. zur Diskussion mit zahlreichen Nachweisen aus dem Schrifttum den umfassenden Beitrag von Cordewener, DStJG Bd. 28 (2005), 255 ff. m.w.N.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 123–125
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
den Rs. „Lidl Belgium“1 und „Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt“2 entschieden, dass die Beschränkung gerechtfertigt werden kann. Im Ergebnis stehen daher nur sog. „finale Verluste“3 im Finalitätsjahr4 für eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung zur Verfügung. Ob dies auch für eine grenzüberschreitende Verrechnung von Verlusten ausländischer Tochter(kapital)gesellschaften gilt, hat den EuGH erstmals im Jahre 2005 in der Rs. „Marks & Spencer“ beschäftigt.5 Im Jahre 2010 hatte der EuGH erneut Gelegenheit, in der Rs. „X-Holding“6 die Diskussion um Verluste ausländischer Tochtergesellschaften weiter voranzubringen. Auch deutsche Finanzgerichte nutzten das Jahr 2010, um die deutschen Organschaftsregeln auf den EU-rechtlichen Prüfstand zu stellen.7 Die in der Sache wohl zutreffende, aber deutlich hinter den öffentlichen Erwartungen zurückbleibende Entscheidung des BFH v. 9.11.2010,8 wonach Verluste ausländischer Tochtergesellschaften allenfalls im Jahre ihrer Finalität für eine Verrechnung mit inländischen Gewinnen in Betracht kommen sollen, hat nur zum Teil zur Klärung der offenen Fragen beigetragen. Insoweit wird man die weitere Entwicklung abwarten müssen.9 4. Diskriminierungsverbot 124
Allgemeines. Art. 24 enthält einen eigenen abkommensrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Nichtdiskriminierung. Insoweit kann es zu gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen dem EU-rechtlichen Diskriminierungsschutz und Art. 24 kommen.10 So ist etwa einerseits denkbar, dass die Beseitigung der von einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift ausgehenden EU-rechtlichen Diskriminierung zugleich einen Verstoß gegen das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot beseitigt. Andererseits kann die Anwendung der abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote einen Verstoß gegen EU-Recht verhindern, ohne übermäßig in die Souveränität der Mitgliedsstaaten einzugreifen (sog. Subsidiaritätsprinzip).
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Inbound-Meistbegünstigung. Die Vermeidung einer abkommensrechtlichen Diskriminierung wird dabei vielfach vor dem Hintergrund der sog. „Meistbegünstigung“ diskutiert.11 Der BFH hat allerdings in ständiger Rspr. eine allgemeine Drittwirkung von Abkommen i.S. eines abkommensrechtlichen Meistbegünstigungsgebotes verneint.12 Nach Ansicht des BFH soll ein solches Gebot auch nicht aus dem EG-Recht hergeleitet werden können.13 Zumindest für den Fall der sog. Inbound-Meistbegüns-
1 EuGH v. 15.5.2008 – RS. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008, I-3601. 2 EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, EuGHE 2008, I-8061. 3 Zur Problematik der Finalität pars pro toto Schwenke, Verrechnung „finaler“ ausländischer Betriebsstättenverluste im Inland, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, 2011, 1 ff. m.w.N. 4 BFH v. 9.1.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524; dazu Gosch, BFH/PR 2011, 142; Heinsen, BB 2011, 614; Homburg, IStR 2011, 111; Lieber, jurisPR-SteuerR 15/2011 Anm. 1; Mitschke, IStR 2011, 185. 5 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837. 6 EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X-Holding, DStR 2010, 427. 7 FG Rh.-Pf. v. 17.3.2010 – 1 K 2406/07, EFG 2010, 802, das Revisionsverfahren wurde nach Rücknahme der Revision eingestellt, BFH-Beschluss v. 2.11.2010 – I R 34/1; FG Nds. v. 11.2.2010 – 6 K 406/08, EFG 2010, 815; Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 16/10. 8 BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524; dazu Gosch, BFH/PR 2011, 142; Heinsen, BB 2011, 614; Homburg, IStR 2011, 111; Lieber, jurisPR-SteuerR 15/2011 Anm. 1; Mitschke, IStR 2011, 185. 9 Die Problematik anhand zahlreicher Beispielsfälle darstellend Schönfeld, IStR 2012, 368. 10 Zum Nachfolgenden vgl. Lehner, IStR 2001, 329 (333); Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 19; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 27. 11 Ausführlich dazu Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 759 ff.; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 29 ff. jeweils mit zahlreichen Nachweisen. 12 Vgl. BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. 13 BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564.
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Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 125–127 Systematik
tigung entspricht das der Rspr. des EuGH in der Rs. „D“.1 Die apodiktischen Formulierungen des EuGH in der Rs. „D“ waren indes nicht entscheidungserheblich, weil die Diskriminierung des Herrn „D“ im Quellenstaat gegenüber Abkommensberechtigten eines anderen DBA weder unter das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV noch unter die Grundfreiheiten fiel. Das Unionsrecht schützt grundsätzlich nicht davor, dass Ausländer im Quellenstaat unterschiedlich behandelt werden. Aufgrund des „Inbound-Investments“ hatte sich Herr „D“ der DBA-rechtlichen Benachteiligung gegenüber anderen ausländischen Abkommensberechtigten im Quellenstaat bewusst ausgesetzt. Er musste sie deshalb zumindest vor den Grundfreiheiten hinnehmen. Outbound-Meistbegünstigung. Anders kann es demgegenüber liegen, wenn der 126 Ansässigkeitsstaat über unterschiedliche, nicht auf dem Grundsatz der Reziprozität beruhenden DBA-Vorschriften seine Ansässigen davon abhält, in einem bestimmten Mitgliedsstaat ein „Outbound-Investment“ zu tätigen. Im Schrifttum wird diese Konstellation zwar teilweise nicht als echter Fall des aus dem Völkerrecht stammenden Meistbegünstigungsgebots gesehen.2 Allerdings ist die Interessenlage aus unionsrechtlicher Perspektive vergleichbar: Ein Inländer begehrt für eine Investition in einem Staat A diejenige Abkommensbegünstigung von seinem Ansässigkeitsstaat, die er erhalten würde, wenn er sich in Staat B engagiert hätte.3 Die Forderung nach einer Outbound-Meistbegünstigung wurde insbesondere am Beispiel der DBA-Aktivitätsklauseln exemplifiziert: Es sei EU-rechtlich bedenklich, dass inländische Steuerpflichtige in vergleichbaren Situationen hinsichtlich ihrer Einkunftsquellen danach diskriminiert würden, ob diese aus einem DBA-Staat mit oder ohne Aktivitätsklausel stammen, weil die Investitionsentscheidung von nichtökonomischen Kriterien verzerrt werde. Dies widerspreche aber der ökonomisch fundierten Idee des Binnenmarkts, die Produktionsfaktoren an den Ort zu leiten, der deren effizientesten Einsatz gewährleistet. Der BFH hat diese Auffassung nicht geteilt und – nach unserer Auffassung in einem obiter dictum – ein EU-rechtliches Gebot der Outbound-Meistbegünstigung verneint.4 5. Missbrauchsbekämpfung Allgemeines. Einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA (zum Miss- 127 brauchsbegriff vgl. Rz. 158) wird in der Praxis dadurch begegnet, dass die DBA selbst oder – im Wege eines „Treaty override“ – das innerstaatliche Steuerrecht entsprechende Anti-Missbrauchsvorschriften bereithalten. Diese Vorschriften müssen sich jedoch insbesondere an den Grundfreiheiten des AEUV messen lassen. Die EU-rechtliche Zulässigkeit von Missbrauchsbekämpfungsvorschriften hängt dabei zunächst davon ab, ob diese diskriminierend (nur in grenzüberschreitenden Sachverhalten) oder nicht diskriminierend (in allen Fällen) sind.5 Sind die Missbrauchsbekämpfungsvorschriften nicht diskriminierend bzw. nicht beschränkend, so sind diese Vor1 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, EuGHE 2005, I-5821; vgl. dazu Cloer, EWS 2005, 423; Gosch, BFH-PR 2005, 390; Graaf/Janssen, EC Tax Review 2005, 173; Habers, International Tax Review 2005 (No. 8), 66; Kofler/Schindler, European Taxation 2005, 530; Lang, SWI 2005, 365; O’Shea, EC Tax Review 2005, 190; Schuch, EC Tax Review 2006, 6; van Thiel, Intertax 2005, 454; Thömmes, IWB 2004, Fach 11a, 799; Weber, Intertax 2005, 429; Weggenmann, RIW 2005, 717; ausführlich dazu der Tagungsband von Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung im Steuerrecht der EU-Staaten, 2006; sowie Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 764 ff. jeweils m.w.N. 2 Lehner, IStR 2001, 329 (336); Schuch, SWI 1996, 267. 3 Zur Outbound-Meistbegünstigung vgl. auch Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 32; Haslinger, SWI 2005, 170 (175 ff.); Lang, IStR 2005, 289 (295); Lang SWI 2005, 365 (373); Rödder/ Schönfeld, IStR 2005, 523 ff.; Schnitger, FR 2005, 1079 (1081 ff.); Wassermeyer, DStJG Bd. 19 (1996), 151 (162 ff.); ferner die ausführliche Analyse bei Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 808 ff. 4 BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564; kritisch dazu Rödder/Schönfeld, IStR 2006, 882. 5 Aus der großen Zahl der Beiträge dazu vgl. aus jüngerer Zeit z.B. Bergmann, StuW 2010, 246; Thiele, IStR 2011, 452 jeweils m.w.N.
Schönfeld/Häck
67
Systematik Rz. 127–129
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
schriften uneingeschränkt zulässig. Dies ist auch in der Sache nachvollziehbar, weil die EU-Grundfreiheiten nur dann die Anwendung einer nationalen Vorschrift hindern, wenn eine Diskriminierung oder eine Beschränkung dieser Grundfreiheiten gegeben ist.1 Auch diskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind grundsätzlich zulässig. Bis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. „Cadbury Schweppes“ war diese Einsicht allerdings nicht selbstverständlich. Bis dahin ging man davon aus, dass insbesondere typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die nur im grenzüberschreitenden Fall eingreifen, per se unzulässig sind. Mit der Entscheidung in der Rs. „Cadbury Schweppes“ stellte der EuGH allerdings klar, dass auch typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften grundsätzlich zulässig sind. Die Grenze ist jedoch das EU-rechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot, d.h., die typisierende Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Der EuGH folgert daraus, dass der Steuerpflichtige in jedem Einzelfall die Möglichkeit haben muss, den typisierten Missbrauchsvorwurf zu widerlegen (Stichwort: „wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit“).2 Denn gelingt ihm dieser Nachweis, ist auch die Anwendung einer (typisierenden) Missbrauchsbekämpfung nicht erforderlich. Außerhalb der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von DBA gibt es darüber hinaus einen Trend, die Anwendung rein innerstaatlicher Missbrauchsbekämpfungsvorschriften (z.B. §§ 7–14 AStG), die im Verdacht stehen, gegen EU-Recht zu verstoßen, über eine entsprechende DBA-Vorschrift abzusichern. Auch diese Vorgehensweise muss sich dem Anwendungsvorrang des EU-Rechts stellen. Im Einzelnen: 128
Allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO. Die allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO ist EU-rechtlich uneingeschränkt zulässig. Dies ist in der Sache auch nachvollziehbar, weil § 42 AO jedenfalls von seinem Wortlaut her eine nichtdiskriminierende Regelung ist. Hinzuweisen ist aber darauf, dass in der praktischen Rechtsanwendung kein unterschiedliches Missbrauchsverständnis in Abhängigkeit davon zugrunde gelegt werden darf, ob es um einen inländischen oder um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt geht. Wird ein solcher Unterschied gemacht, und zwar zulasten des grenzüberschreitenden Sachverhalts, dann kann diese Rechtsanwendungspraxis sehr wohl gegen die EU-Grundfreiheiten verstoßen mit der Folge, dass der Steuerpflichtige wiederum den Nachweis führen können muss, dass die von ihm gewählte Gestaltung keine rein künstliche Konstruktion bar jeder wirtschaftlichen Realität ist.
129
Anti-treaty-shopping-Klauseln. Die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen im Quellenstaat (insbesondere die Quellensteuerreduktion auf Dividenden und Zinsen) wird mitunter davon abhängig gemacht, dass die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Das wird entweder unmittelbar im DBA in einer sog. „Limitation-on-Benefits-clause“ (kurz „LoB-Clause“) niedergelegt oder in einer innerstaatlichen Anti-Treaty-Shopping-Regelung (z.B. § 50d Abs. 3 EStG) geregelt. Bei der EU-rechtlichen Prüfung muss man zunächst die Frage beantworten, ob derartige Regelungen die Grundfreiheiten beschränken (zur Kollision mit sekundärrechtlichen RL vgl. Rz. 142). Bezogen auf eine unmittelbar im DBA enthaltene LoB-Clause ist dabei darauf hinzuweisen, dass dann, wenn keine Ungleichbehandlung zum vergleichbaren inländischen Sachverhalt gegeben ist, eine Rüge durch die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person problematisch sein kann. Denn in diesem Fall bliebe nur eine Berufung darauf, dass möglicherweise in DBA mit Drittstaaten keine derartige Klauseln enthalten sind. Dies ist aber vor dem Hintergrund der Überlegungen zur Meistbegünstigung deshalb bedenklich, weil die Meistbegünstigung vom Quellenstaat verlangt wird, eine solche Inbound-Meistbegünstigung nach der EuGH-Rspr. aber nicht EU-rechtlich geboten sein soll (vgl. Rz. 125 f.). Für die innerstaatliche Anti-Treaty-Shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG wird im Schrifttum ganz überwiegend eine Verletzung der Grund-
1 Vgl. z.B. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 2 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 60 ff.
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Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 129–130 Systematik
freiheiten bejaht.1 Mit der – auf ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission zurückgehenden – Änderung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG2 sollten diese EU-rechtlichen Bedenken beseitigt werden. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dies gelungen ist.3 Kommt man dazu, dass von einer LoB-Clause oder anderweitiger Anti-Treaty-Shopping-Regelungen eine Beschränkung der Grundfreiheiten ausgeht, muss man sich dem Inhalt dieser Regelungen zuwenden.4 Hier kann es EU-rechtlich bedenklich sein, wenn die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person z.B. im Rahmen eines sog. „Base-Erosion-Tests“ dazu gezwungen wird, bestimmte Leistungen nur noch auf dem räumlichen Beschaffungsmarkt ihres Ansässigkeitsstaats einzukaufen.5 Bedenken kann auch ein „Active-Business-Test“ ausgesetzt sein, der die Inanspruchnahme einer Abkommensvergünstigung davon abhängig macht, dass die beanspruchende Person die (begünstigten) Einkünfte im Zusammenhang mit einer bestimmten aktiven gewerblichen Tätigkeit bezieht und dabei die Vermögensverwaltung ungeachtet der Tatsache generell ausschließt, dass nach der Rspr. des EuGH auch die (grenzüberschreitende) Vermögensverwaltung eine von den Grundfreiheiten geschützte Tätigkeit sein kann.6 Gleiches gilt, wenn der „ActiveBusiness-Test“ den Ort der Betätigung vorschreibt (z.B. nur im Ansässigkeitsstaat der die Abkommensvergünstigung beanspruchenden Person). Problematisch kann auch ein „Ownership-Test“ oder „Indirect-Ownership-Test“ sein, der die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der die Abkommensvergünstigung beanspruchenden Person räumlich beschränkt (z.B. auf Gesellschaften in einem der Vertragsstaaten). Der neue Art. 28 DBA-USA 2006 will diesen Bedenken im Rahmen eines „Derivative-Benefit-Tests“ dadurch begegnen, dass an der die Abkommensvergünstigung beanspruchenden Person auch Gesellschaften in anderen EU-/EWR-Staaten beteiligt sein können. Die vorgenannten Bedenken gegen die im Rahmen der Tests vorgenommenen Typisierungen können nur ausgeräumt werden, wenn im Einzelfall der Gegenbeweis durch die die Abkommensvergünstigung beanspruchende Person zulässig ist, dass keine missbräuchliche Inanspruchnahme des DBA vorliegt. In Art. 28 DBA-USA 2006 dürfte dieser Aufgabe die in Art. 28 Abs. 7 DBA-USA 2006 enthaltene „Gnadenklausel“ zukommen. Aktivitätsvorbehalte. Die Gewährung der Freistellung anstelle der Anrechnung 130 wird zunehmend (insbesondere im Verhältnis zu weniger starken Abkommenspartnern) davon abhängig gemacht, dass die freizustellenden Einkünfte das Ergebnis einer bestimmten „aktiven“ Tätigkeit sind (vgl. z.B. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a und b DBA-Schweiz). In deutschen DBA wird zu diesem Zweck vielfach auf den (überalterten) Aktiv-/Passivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG verwiesen. Im Schrifttum wurden hiergegen EU-rechtliche Bedenken erhoben.7 Begründet wurde dies damit, dass eine grenzüberschreitende Investitionsentscheidung durch derartige Aktivitätsklauseln verzerrt werde. Es erfolge eine – einem Binnenmarkt ohne Grenzen zuwiderlaufende – Diskriminierung nach dem Investitionsort. Der EuGH ist diesen Argumenten in der
1 Eckl, European Taxation 2007, 120 (124 f.); Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 42; Günkel/Lieber, DB 2007, 2197 (2199); Ritzer/Stangl, FR 2006, 757 (765). 2 Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) v. 7.12.2011, BStBl. I 2011, 2592. 3 Zu weiteren Einzelheiten der Neufassung vgl. Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80; Maerz/Guter, IWB 2011, 923; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857; Lüdicke, IStR 2012, 81. 4 Grundlegend Scherer, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1995, 139 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 500 ff. m.w.N. 5 Zu Art. 28 DBA-USA z.B. Becker/Thömmes, DB 1991, 566; Becker/Thömmes, ET 1991, 173; Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 (1973). 6 Vgl. nur EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. 7 Pars pro toto Lang, IStR 2005, 289 (295); Rödder/Schönfeld, IStR 2005, 523 (525 f.); zu einer ausführlichen Analyse vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 809 ff.; Schilcher in Lang/Schuch/Staringer, Tax Treaty Law and EC Law, 2007, 151 (182 ff.) jeweils m.w.N.; a.A. möglicherweise BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 130–132
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
Rs. „Columbus Container Services“1 nicht gefolgt. Begründet wurde dies u.a. damit, dass über den Wechsel von der Freistellung zur Anrechnung eine rein inländische Investition nicht schlechter als eine grenzüberschreitende Investition behandelt werde.2 Überzeugen kann dies zwar nur wenig, mit der Entscheidung des EuGH ist diese Diskussion aber wohl vorerst beendet, sodass auch Aktivitätsvorbehalte nicht gegen EU-Recht verstoßen werden. 131
Allgemeine Subject-to-tax-Klauseln. Allgemeine „Subject-to-tax-Klauseln“ stellen eine Abkommensvergünstigung unter den Vorbehalt der Besteuerung im anderen Staat (z.B. Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz). Unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH in der Rs. „Columbus Container Services“3 erscheint es fraglich, ob derartige Regelungen EU-rechtlichen Bedenken ausgesetzt sind. Denn soweit eine „Subject-to-tax-Klausel“ den möglicherweise bewussten Besteuerungsverzicht des anderen Vertragsstaats zum Anlass nimmt, um Abkommensvorteile zu versagen, ähnelt die Situation deutlich der in der Rs. „Columbus Container Services“ streitigen Vorschrift des § 20 Abs. 2 AStG. Ebenso wie sich § 20 Abs. 2 AStG an der (aus deutscher Sicht anstößigen) Niedrig- oder Nullbesteuerung stört und damit den Investor hinsichtlich seines Investitionsorts innerhalb des EU-/EWR-Raums diskriminiert, missfällt einer „Subject-to-tax-Klausel“ die Nichtbesteuerung im anderen Vertragsstaat. Der EuGH konnte dem keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten entnehmen. Selbst wenn man aber zu einer Beschränkung käme, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass der EuGH in Anlehnung an die in der Rs. „Marks & Spencer“4 auf der Rechtfertigungsebene herangezogene Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung in der „Keinmalbesteuerung“ eine Rechtfertigung erblickt.
132
Rückfallklauseln. Mitunter wird die Gewährung der Freistellungsmethode nicht von einer bestimmten Tätigkeit, sondern von der Besteuerung der Einkünfte im anderen Vertragsstaat abhängig gemacht (z.B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA 2006). Aus grundfreiheitlicher Sicht dürften die Ausführungen in Rz. 130 f. entsprechend gelten, sodass insoweit eine EU-rechtliche Kollision eher unwahrscheinlich erscheint. Daneben kann man aber auch an einen Verstoß gegen die MTRL denken, soweit der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der MTRL eröffnet ist.5 Art. 4 Abs. 1 MTRL räumt allerdings dem Staat der Muttergesellschaft ein Wahlrecht zwischen Anrechnungs- und Freistellungsmethode ein. Legt man die Regelung dahin gehend aus, dass bei Ausübung des Wahlrechts zur Freistellungsmethode gleichwohl im Einzelfall auf die Anrechnungsmethode übergegangen werden kann, dann dürfte ein Verstoß aus den in Rz. 130 dargelegten Gründen eher abzulehnen sein. Vorzugswürdig erscheint jedoch die Auslegung, dass sich der betreffende DBA-Staat für „Gewinnausschüttungen“ i.S.d. MTRL für eine der beiden Methoden entscheiden muss. Dies auch deshalb, weil Art. 4 Abs. 1 Spiegelstrich 2 MTRL erst auf Drängen derjenigen EG-Staaten aufgenommen wurde (z.B. Vereinigtes Königreich), die traditionell die Anrechnungsmethode praktizieren. Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, kann der Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 Spiegelstrich 1 MTRL nur unter Rückgriff auf den Missbrauchsvorbehalt des Art. 1 Abs. 2 MTRL geheilt werden. Dabei wird man allerdings zu berücksichtigen haben, dass Art. 1 Abs. 2 MTRL nicht davor bewahrt, die nationale Missbrauchsvorschrift verhältnismäßig auszugestalten. Im Einzelfall muss deshalb der Missbrauchsvorwurf entkräftet werden können. Steht der Rückfall unter dem Vorbehalt, dass die Dividenden bei der ausschüttenden Gesellschaft abzugsfähig sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der EuGH darin mit Blick auf die kritisch beurteilte Gefahr der doppelten Verlustnutzung in der Rs. „Marks & Spencer“6 einen Rechtfertigungsansatz sieht. Zwingend ist dies allerdings nicht, weil darin
1 2 3 4 5
Vgl. nur EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. In diese Richtung auch bereits Franck, IStR 2007, 489 ff. Vgl. nur EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995. EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837. Insbesondere „Gewinnausschüttungen“; so zu § 50d Abs. 9 EStG z.B. Wagner, NWB 2007 Fach 3, 14427. 6 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837.
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Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 132–135 Systematik
eine bewusste Entscheidung des anderen Vertragsstaats liegen kann, um z.B. günstige Finanzierungsbedingungen (typisch stille Beteiligung) zu schaffen. DBA-Vorbehalte zugunsten nationaler Anti-Missbrauchsvorschriften. In DBA fin- 133 det man zunehmend die Praxis, sich die Möglichkeit der Anwendung von solchen nationalen „Anti-Missbrauchsvorschriften“ zusichern zu lassen, die mit EU-Recht kollidieren (vgl. z.B. Art. 1 Abs. 6 DBA-USA 2006 zur Anwendung der §§ 7–14 AStG, wobei deren Nichtanwendung im Verhältnis zu Drittstaaten noch nicht abschließend geklärt ist). Zwar hat der EuGH in der Rs. „D“ zum Ausdruck gebracht, bei der Überprüfung von DBA-Regeln zurückhaltend zu sein, soweit die betroffene Regelung Ausdruck eines ausgewogenen „Geben und Nehmens“ ist (vgl. Rz. 90). Auch der BFH hat dies in einer jüngeren Entscheidung angedeutet.1 Allerdings erscheint es mehr als fraglich, ob sich Vertragsstaaten ihrer unionsrechtlichen Verpflichtungen einfach dadurch entziehen können, dass sie eine gegen EU-Recht verstoßende nationale Regelung über ein DBA zu immunisieren suchen. Wäre das möglich, dann könnte in einem DBA auch unmittelbar vereinbart werden, dass der EU-Vertrag keine Anwendung findet. Das dürfte der EuGH aber vermutlich nicht hinnehmen. Die einzig denkbare Rechtsfolge eines solchen DBA-Vorbehalts zugunsten nationaler Anti-Missbrauchsvorschriften ist deshalb die, dass eine durch diese Vorschrift ggf. verursachte DBAKollision beseitigt wird. Unilateraler Treaty override. Teilweise werden abkommensrechtliche Vergüns- 134 tigungen unter dem Schild der Missbrauchsbekämpfung einfach unilateral versagt. Man spricht dann von einem „Treaty override“. Der von dieser Praxis ausgehende Abkommensbruch begründet im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander einen Verstoß gegen den völkerrechtlichen Grundsatz des „pacta servanda sunt“. Darin wurde in der Vergangenheit ganz überwiegend auch ein Verstoß gegen – den im AEUV nicht mehr enthaltenen! – Art. 293 Spiegelstrich 2 EG-Vertrag gesehen.2 Dem Einzelnen nützt das allerdings wenig. Denn ungeachtet dessen, dass diese Vorschrift nicht mehr existiert, stellte sie lediglich objektives Recht dar, auf welches sich die Marktteilnehmer nicht berufen konnten. Deshalb hätten allenfalls die Mitgliedsstaaten oder die Europäische Kommission einen Treaty override im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH angreifen können. Damit war aber nicht wirklich zu rechnen. Soweit der Treaty override in seinen Wirkungen zu einer Doppelbesteuerung führt, könnte man darin zwar einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten sehen. Nach der Entscheidung in der Rs. „Kerckhaert und Morres“,3 in der ein unionsrechtliches Gebot zur Vermeidung der Doppelbesteuerung verneint worden ist, sollte man mit diesem Argument allerdings vorsichtig sein. Dies auch deshalb, weil die Doppelbesteuerung vielfach nicht ihre (alleinige) Ursache in dem Treaty override, sondern in der ggf. unzulänglichen (und i.E. diskriminierenden) Ausgestaltung der Anrechnungsmethode haben wird. Insoweit bleibt nur die Hoffnung, dass der Treaty override eine verfassungsrechtliche Ächtung erfährt.
III. Einwirkung sekundären Unionsrechts auf DBA Verhältnis von Richtlinien- und DBA-Recht. Für das Verhältnis von Richtlinien- 135 zum DBA-Recht gelten zunächst die Ausführungen zur unmittelbaren Geltung und zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts entsprechend (Rz. 86). Soweit eine transformierte Richtlinienbestimmung (oder soweit diese aufgrund eines Umsetzungsmangels unmittelbar gilt) ein „Mehr“ an Rechten gegenüber einer kollidierenden DBA-Regelungen gewährt, geht die Richtlinienbestimmung unmittelbar vor (z.B. Quellensteuerreduktion auf null nach MTRL gegenüber Quellensteuerreduktion auf 5 % nach DBA). Bleibt das in einer (transformierten) Richtlinienbestimmung niedergelegte Recht hinter einer entsprechenden DBA-Regelung zurück, so enthalten die RL zumeist einen Günstigkeitsvorbehalt zugunsten des DBA (vgl. z.B. Art. 9 Zins1 BFH v. 21.12.2005 – I R 4/05, BStBl. II 2006, 555. 2 Grundlegend Seer, IStR 1997, 520 ff.; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, 2000, 93 ff. m.w.N. 3 EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 135–137
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
und Lizenzgebühren-RL, wonach diese RL „nicht die Anwendung einzelstaatlicher oder bilateraler Bestimmungen [berührt], die über die Bestimmungen dieser RL hinausgehen und die Beseitigung oder Abschwächung der Doppelbesteuerung von Zinsen und Lizenzgebühren bezwecken“). Etwas ambivalent kann das Verhältnis des in Art. 7 Abs. 2 MTRL enthaltenen Vorbehalts zu DBA sein.1 Eine andere Frage geht dahin, ob eine in einer RL enthaltene Verpflichtung eine solche DBA-Regelung zu verdrängen vermag, die hinter der Richtlinienverpflichtung zurückbleibt (z.B. Pflicht zur Amtshilfe nach Amtshilfe-RL gegenüber kleiner Auskunftsklausel nach DBA). Soweit z.B. Art. 11 Amtshilfe-RL normiert, dass „[w]eitergehende Verpflichtungen zum Auskunftsaustausch nach anderen Rechtsvorschriften […] von den vorstehenden Bestimmungen unberührt bleiben“, besagt das noch nichts darüber, ob „geringere Verpflichtungen“ ebenfalls unangetastet bleiben. Allerdings wird man mit Blick auf den allgemeinen Telos der RL, einen Binnenmarkt ohne Grenzen zu schaffen, die Auffassung vertreten müssen, dass weitergehende (und damit der Schaffung des Binnenmarkts dienende) Richtlinienbestimmungen hinter dem Binnenmarktstandard zurückbleibendes Abkommensrecht verdrängen.2 136
Mutter-Tochter-RL. Die MTRL3 will Hindernisse beseitigen, die für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen von einer in einem Mitgliedsstaat ansässigen Tochtergesellschaft an eine im anderen Mitgliedsstaat ansässige Muttergesellschaft aus der Besteuerung im Quellen- und im Ansässigkeitsstaat resultieren können. Für den Quellenstaat enthält Art. 5 Abs. 1 MTRL dabei ein Quellenbesteuerungsverbot, wohingegen der Ansässigkeitsstaat gem. Art. 4 Abs. 1 MTRL zur wahlweisen Entlastung nach der Anrechnungs- oder Freistellungsmethode verpflichtet ist. Damit überlagert die MTRL die in Art. 10 und 23A OECD-MA enthaltenen DBA-Regelungen. Hinzuweisen ist darauf, dass der Telos des Quellenbesteuerungsverbots darin besteht, an die (grenzüberschreitende) Ausschüttungsentscheidung der Muttergesellschaft keine negativen Konsequenzen bei der Tochtergesellschaft (durch den Quellenstaat) zu knüpfen. Der Anwendungsbereich ist deshalb nicht auf Quellensteuern i.e.S. begrenzt, sondern kann auch für eine ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuer greifen, deren Schuldner die Tochtergesellschaft ist.4 Umgekehrt sollte Art. 5 Abs. 1 MTRL einer Regelung nicht entgegenstehen, die an eine Ausschüttung eine Steuerlast knüpft, soweit eine generelle Ausschüttungsverpflichtung besteht.5 Der Anwendungsbereich der MTRL ist i.Ü. nur für die im Anh. zur MTRL enumerativ aufgezählten Gesellschaften eröffnet, soweit die in Art. 3 MTRL enthaltenen weiteren Beteiligungsvoraussetzungen erfüllt sind (insbesondere Mindestbeteiligung). Die geänderte RL enthält nunmehr auch Regelungen unter Beteiligung von Betriebsstätten.6 Hinzuweisen ist auch auf den in Art. 1 Abs. 2 MTRL enthaltenen Vorbehalt zugunsten einzelstaatlicher oder vertraglicher Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Das kann insbesondere für die Zulässigkeit von Anti-Treaty-Shopping-Klauseln sowie für Aktivitätsvorbehalte und Subject-to-tax-Klauseln von Bedeutung sein. Art. 1 Abs. 2 MRL entbindet die Mitgliedsstaaten indes nicht davon, ihre Anti-Missbrauchsvorschriften verhältnismäßig auszugestalten (zum Gegenbeweis im Einzelfall vgl. Rz. 101). Für § 50d Abs. 3 EStG ist es dem Gesetzgeber bislang nicht gelungen, diesen Voraussetzungen gerecht zu werden.
137
Zins- und Lizenzgebühren-RL. Das Anliegen der Zins- und Lizenzgebühren-RL7 besteht darin, Zins- und Lizenzgebührenzahlungen zwischen verbundenen Unterneh1 Vgl. ausführlich Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 847 ff. 2 Zum Ganzen vgl. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 840 ff. 3 90/435/EWG, ABl.EG 1990 L 225, 6. 4 EuGH v. 4.10.2001 – Rs. C-294/99 – Athinaïki, EuGHE 2001, I-6797 Rz. 23 ff.; zu dieser Entscheidung vgl. Red., FR 2001, 1123 f.; Hahn, IStR 2002, 248 ff.; Kempf, DB 2005, 744 ff.; Lawall, IStR 2002, 204 ff.; Schnitger, GmbHR 2003, 1240 ff. 5 Dazu Lieber/Schönfeld, IStR 2006, 126 ff. 6 Vgl. ausführlich Bullinger, IStR 2004, 406. 7 2003/49/EG, ABl.EG 2003 L 157, 49.
72
Schönfeld/Häck
F. DBA und EU-Recht
Rz. 137–142 Systematik
men umfassend von der Besteuerung an der Quelle zu befreien (Art. 1 Zins- und Lizenzgebühren-RL). Damit werden Art. 11 und 12 OECD-MA überlagert. Zugleich wird den Mitgliedsstaaten die Chance genommen, im Anwendungsbereich der RL insbesondere auf Zinsen entsprechende Quellensteuern zu erheben. Ob sich die Mitgliedsstaaten der Konsequenzen ihres Handelns bewusst waren, als sie der RL zustimmten, darf bezweifelt werden. Nur ein Beleg für die Reparaturversuche ist die missglückte Regelung in § 8a KStG i.d.F. des UntStRefG 2008. Was unter Zinsen und Lizenzgebühren zu verstehen ist, regelt Art. 2 Zins- und Lizenzgebühren-RL, was ein verbundenes Unternehmen ist, Art. 3 Zins- und Lizenzgebühren-RL. Art. 4 Zins- und Lizenzgebühren-RL enthält einen Ausschluss für bestimmte Zins- und Lizenzgebühren (z.B. vGA). Der Missbrauchsvorbehalt ist in Art. 5 Zins- und Lizenzgebühren enthalten. Fusions-RL. Die FRL1 befasst sich mit der Steuerneutralität von grenzüberschrei- 138 tenden Umwandlungsvorgängen. Sie hat keinen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf DBA, sondern knüpft z.B. in Art. 3, 4 und 10 an das DBA-Recht an.2 Amtshilfe- und Beitreibungs-RL. In verfahrensrechtlicher Hinsicht werden die 139 DBA-Regelungen zum Informationsaustausch (Art. 26 OECD-MA) sowie zur Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steueransprüchen (Art. 27 OECD-MA) durch die Amtshilfe-RL3 sowie die Beitreibungs-RL4 überlagert. Schiedsverfahrenskonvention. Die vorgeschlagene RL zur Vermeidung der Dop- 140 pelbesteuerung für den Fall der Gewinnberichtigung zwischen verbundenen Unternehmen5 hätte über ein zwingendes Schiedsverfahren auf unionsrechtlicher Ebene erheblichen Einfluss auf das in Art. 25 geregelte Verständigungsverfahren gehabt. Dazu ist es allerdings nicht gekommen. Vielmehr ist die Frage auf vertraglicher Basis im Rahmen der Schiedsverfahrenskonvention geregelt worden.6 Auch dadurch wird Art. 25 allerdings in weiten Teilen überlagert.
IV. Einwirkung EU-rechtlicher Abkommen zu Nicht-EU-Staaten auf DBA 1. Allgemeines Assoziierungsabkommen. Neben dem EWR-Abkommen (Rz. 142) und dem Freizü- 141 gigkeitsabkommen mit der Schweiz (Rz. 144) gibt es noch andere sog. Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Drittstaaten, die mitunter Regelungen enthalten, welche ein den Grundfreiheiten des EU-Vertrags vergleichbares Schutzniveau entfalten. Dies muss allerdings in jedem Einzelfall anhand der konkreten Regelung des Assoziierungsabkommens geprüft werden. Kommt man zu einem positiven Ergebnis, dann sollten die in Rz. 101 ff. dargelegten Grundsätze auch für DBA mit derart assoziierten Gebieten gelten. Neben diesem mittelbaren Einfluss auf DBA mit Drittstaaten ist schließlich auch ein ummittelbarer Einfluss durch solche Assoziierungsabkommen denkbar, die – ähnlich z.B. der MTRL – bestimmte DBA-Regelungen überlagern. Insoweit gelten die Ausführungen zum Einfluss sekundären Unionsrechts auf DBA grds. entsprechend (Rz. 135 ff.). 2. Verhältnis zu EWR-Staaten EWR-Abkommen. Das wohl bedeutendste und weitreichendste Assoziierungs- 142 abkommen ist das am 1.1.1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum.7 Es wurde ursprünglich zwischen der EU und den EFTA-Staaten Liechtenstein, Österreich, Finnland, Schweden, Norwegen und Island geschlossen. Die Schweiz hatte das EWR-Abkommen ebenfalls unterzeichnet, jedoch nicht ratifi1 2 3 4 5 6 7
90/434/EWG, ABl.EG 1990 L 225, 1. Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 825. 77/799/EWG, ABl.EG 1977 L 336, 15. 76/308/EWG, ABl.EG 1976 L 073, 18. ABl.EG 1976 C 301, 4. 90/436/EWG, ABl.EG 1990 L 225, 10. ABl.EG 1994, L 1.
Schönfeld/Häck
73
Systematik Rz. 142–144
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
ziert. Mit dem Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur EU am 1.1.1995 entfaltet das EWR-Abkommen nur noch im Verhältnis zu den Nicht-EU-Mitgliedsstaaten Liechtenstein, Norwegen und Island eine entsprechende Relevanz. Die Bedeutung des EWR-Abkommens ist deshalb so groß, weil es den vier EU-Grundfreiheiten im Wesentlichen vergleichbare Freiheiten enthält.1 Deutsche Finanzgerichte haben sich dieser Auffassung ausdrücklich angeschlossen.2 Das BMF erkennt die Rechtswirkungen der Freiheiten des EWR-Abkommens nunmehr ebenfalls im Grundsatz an.3 Allerdings wurde vom BMF in der Vergangenheit regelmäßig eine Ausnahme für Liechtenstein gemacht, weil im Verhältnis zu diesem EWR-Staat weder die Amtshilfe-RL noch eine entsprechende Regelung nach einem DBA eingriff. Mit dem Informationsaustauschabkommen zwischen Deutschland und Liechtenstein dürfte diese Diskussion aber der Vergangenheit angehören. 3. Verhältnis zur Schweiz 143
Allgemeines. Die gescheiterte (Voll-)Assoziierung der Schweiz über das EWR-Abkommen wird nun über eine (Teil-)Assoziierung über verschiedene Abkommen zu ersetzen versucht.
144
Freizügigkeitsabkommen. Ab dem 1.6.2002 gilt das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen (FZA).4 Es enthält den Grundfreiheiten des EU-Vertrags zumindest ähnliche Freiheiten. Nach der Rspr. des BFH ist das FZA Bestandteil der Unionsrechtsordnung und stellt die Handlung eines Gemeinschaftsorgans dar.5 Damit nimmt der Abkommensinhalt, der für die Organe der Gemeinschaft (Union) und die Mitgliedsstaaten verbindlich ist (Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des EU-Rechts gegenüber nationalem Recht teil und bewirkt im Fall einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit. Über die Auslegung des Abkommens ist der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zuständig.6 In materieller Hinsicht hervorzuheben ist insbesondere die in Art. 2 i.V.m. Anh. I zu Art. 15 Abs. 1 FZA niedergelegte Niederlassungsfreiheit. Im Einzelnen ist allerdings die Reichweite der Niederlassungsfreiheit noch ungeklärt. So kann mit Blick auf den Wortlaut nicht ausgeschlossen werden, dass diese nur die Niederlassung natürlicher Personen, nicht aber auch die von juristischen Personen schützt. Auch ist noch nicht abschließend geklärt, ob Art. 2 i.V.m. Anh. I zu Art. 15 Abs. 1 FZA die Kraft zugebilligt werden kann, nicht nur für Inländergleichbehandlung im Zielstaat (z.B. Schweiz) zu sorgen, sondern auch dem Herkunftsstaat (z.B. Deutschland) verwehrt, grenzüberschreitende Investitionen in der Schweiz durch beschränkende Maßnahmen zu behindern. Im Schrifttum wird ein umfassendes Beschränkungsverbot vergleichbar dem der EU-Grundfreiheiten bejaht.7 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach Art. 16 Abs. 2 FZA für die Anwendung des FZA nur die vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (21.6.1999) ergangene Rspr. des EuGH zu berücksichtigen sein soll. Über nach diesem Datum ergangene Rspr. wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Freizügigkeitsabkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss (Art. 14 FZA) auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rspr. fest. Der BFH hat daraus geschlossen, dass unionsrechtliche Begriffe, die bereits Gegenstand einer Entscheidung des EuGH waren oder vom EuGH entwickelt worden sind, im 1 Vgl. EFTA-Gerichtshof v. 23.11.2004 – Rs. E-1/04 – Fokus Bank, IStR 2005, 55 ff. Rz. 23; EuGH v. 23.9.2003 – Rs. C-452/01 – Ospelt und Schlössle Weissenberg, EuGHE 2003, I-9743 Rz. 29. 2 Vgl. FG Hess. v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, EFG 2003, 1120 (1124 f.) rkr; FG Berlin v. 11.4.2005 – 8 K 8101/00, IStR 2005, 571 (573) rkr. 3 Zur Ausdehnung der Rspr. des EuGH in der Rs. „Cadbury Schweppes“ vgl. z.B. des BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 - S 1351 - 1/07, BStBl. I 2007, 99 Rz. 2. 4 ABl.EG 2002, L 114/6; dazu Kokott in FS Steinberger, 771 ff.; Reich/König, Europäisches Steuerrecht, 2006, 48 f.; Wölker/Grill in von der Groeben/Schwarze6, Vor Art. 39–41 EG Rz. 60. 5 BFH v. 23.6.2010 – I R 37/09, BStBl. II 2010, 895. 6 EuGH v. 30.4.1974 – Rs. C-181/73 – Haegemann, EuGHE 1974, I-449; v. 30.9.1987 – Rs. C-12/86 – Demirel, EuGHE 1987, I-3719; Cordewener, IStR 2008, 536. 7 z.B. Reich/König, Europäisches Steuerrecht, 2006, 48 f. m.w.N.
74
Schönfeld/Häck
G. DBA u. innerstaatliches Steuerrecht, insb. „Treaty override“
Rz. 144–146 Systematik
Rahmen des FZA nur dann in der Auslegung des EuGH zur Anwendung gebracht werden dürfen, wenn die EuGH-Entscheidung vor dem 21.6.1999 ergangen ist.1 Die Auffassung des BFH erscheint jedoch hochproblematisch. So ist bereits fraglich, warum Art. 16 Abs. 2 FZA den BFH von seiner originären Auslegungsverpflichtung entbinden soll. So wird der BFH z.B. den Begriff der „Niederlassungsfreiheit“ in eigener Kompetenz auszulegen haben. Eine andere Frage ist die, ob er dabei an die Rspr. des EuGH gebunden ist. Im Übrigen wäre bei Richtigkeit der Auffassung des BFH das FZA reine Makulatur, weil die wesentlichen Erkenntnisse zum Europäischen Steuerrecht erst nach dem 21.6.1999 gewonnen worden sein dürften. Zinsbesteuerungsabkommen. Das Zinsbesteuerungsabkommen (ZBstA) zwischen 145 der EU und der Schweiz v. 29.12.20042 enthält insbesondere Regelungen zum Steuerrückbehalt durch schweizerische Zahlstellen für Zinszahlungen an Nutzungsberechtigte in EU-Mitgliedsstaaten (Art. 1 ff. ZBstA), zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 9 ZBstA) sowie zum Informationsaustausch (Art. 10 ZBstA). Kollidierende Regelungen in Schweizer DBA mit EU-Staaten werden dadurch grds. überlagert (Art. 14 ZBstA). Anders als die Bezeichnung des Abkommens vermuten lässt, sieht Art. 15 Abs. 1 ZBstA ein für die Praxis wichtiges Quellenbeststeuerungsverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vor.3 Als Teil des Unionsrechts genießt das ZBstA gem. Art. 216 Abs. 2 EG Anwendungsvorrang vor den DBA. Aus Art. 15 Abs. 3 ZBstA ergibt sich indes, dass eine günstigere steuerliche Behandlung nach dem DBA unberührt bleibt. Die Bundesrepublik hat sich deshalb entschieden, von einer Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 ZBstA abzusehen.4 Die Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 ZBstA sind im Hinblick auf die zweijährige Mindestbeteiligung, den Beteiligungsumfang von mindestens 25 % sowie den Begriff der „Dividendenzahlung“ (keine vGA?) in der Tat wesentlich enger als Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz. Die Regelung wird damit in aller Regel keine weitergehende Quellensteuererleichterung im Verhältnis Deutschland-Schweiz schaffen. Sollte sich gleichwohl erweisen, dass sich aus Art. 15 Abs. 1 ZBstA im Einzelfall eine für den betroffenen Stpfl. günstigere Rechtsfolge ergibt, so wird dieser sich in Anlehnung an die Rspr. des EuGH zur fehlenden Umsetzung von RL nach Ablauf der Umsetzungsfrist (1.1.2005, vgl. Art. 17 Abs. 2 ZBstA) unmittelbar auf das ZBstA berufen können.
G. DBA und innerstaatliches Steuerrecht, insbesondere „Treaty override“ I. Verhältnis von DBA und (sonstigem) innerstaatlichen Steuerrecht DBA als einfaches Bundesrecht. Der normenhierarchisch dem einfachen Bundes- 146 recht zuzuordnende § 2 Abs. 1 AO sieht vor, dass Verträge mit anderen Staaten i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG über die Besteuerung – nach Erteilung des innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehls (vgl. Rz. 67) – den Steuergesetzen vorgehen sollen. Nach dem gesetzgeberischen Willen enthält § 2 Abs. 1 AO als Nachfolgerregelung des § 9 StAnpG die Klarstellung, „dass völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den innerstaatlichen Steuergesetzen haben und deshalb allein durch spätere innerstaatliche Gesetze nicht abgeändert werden können.“5 Indes stehen DBA als völkerrechtliche Verträge selbst nicht auf der Stufe des dem einfachen Bundesrecht vorrangigen Völkergewohnheitsrechts (Art. 25 Satz 2 GG), sondern stellen selbst nur einfaches Bundesrecht dar.6 § 2 AO ist als Norm im Rang eines einfachen Bundesgesetzes jedoch nicht in der Lage, einem – auf gleicher Rangebene stehenden – DBA die Vorrangigkeit vor anderen, insbesondere späteren innerstaatlichen Steuerrechtsregeln einzuräumen.
1 2 3 4 5 6
BFH v. 7.9.2011 – I B 157/11, BFH/NV 2012, 95. ABl.EG 2004 L 385, 30 (in Kraft getreten am 1.1.2005). Vgl. dazu Helbing/Wetli, Der Schweizer Treuhänder 2006, 959 ff.; Jung, ET 2006, 112. Vgl. BMF v. 28.6.2005 – IV B 1 - S 1316 - 42/05, BStBl. I 2006, 858. Vgl. Bericht und Antrag des Finanzausschusses v. 7.11.1975, BT-Drucks. 7/4292, 15. Vgl. stv. BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129.
Schönfeld/Häck
75
Systematik Rz. 147–149 147
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
Lösung von Normenkollisionen. Eine Kollision abkommensrechtlicher Regelungen mit (sonstigem) innerstaatlichem Steuerrecht ist zunächst grds. unter Beachtung der allgemeinen Regeln aufzulösen, d.h. nach den Grundsätzen, wonach stets der spezielle Rechtssatz dem gleichrangigen allgemeinen Rechtssatz (lex specialis derogat legi generali) und der spätere Rechtssatz dem gleichrangigen früheren Rechtssatz (lex posterior derogat legi priori) vorgeht.1 Letzteres gilt jedoch insoweit nicht uneingeschränkt, als Art. 25 GG die Völkerrechtsfreundlichkeit des GG betont und § 2 AO die allg. Vermutung verstärkt, dass der Gesetzgeber von völkerrechtlichen Pflichten nicht abweichen will.2 Hieraus ergibt sich jedenfalls, dass eine spätere allgemeine steuergesetzliche Norm der früheren völkerrechtlichen Vertragsnorm nicht (ohne Weiteres) vorgeht (lex generalis posterior non derogat legi speciali priori).3 Erforderlich ist vielmehr, dass der Gesetzgeber klar und zweifelsfrei deutlich macht, dass das Gesetz entgegenstehenden DBA vorgehen soll, wozu eine „formalrechtlich erforderliche Kenntlichmachung des Vorrangs“4 im Gesetz selbst notwendig ist. Ist dieses Erfordernis nicht erfüllt, gehen die DBA-Regelungen auch einem späteren Rechtssatz vor. Soweit – wie regelmäßig durch die Formulierung „ungeachtet des Abkommens“ (z.B. in § 50d Abs. 8, Abs. 9 EStG) – der Vorrang des späteren Rechtssatzes formalrechtlich betont wird, handelt es sich um ein „abkommensüberschreibende“ Vorschrift (sog. Treaty override). Die Erfüllung der formalen Voraussetzungen des spezielleren Gesetzes im o.g. Sinne bedeutet jedoch nicht zugleich, dass ein Treaty override materiell uneingeschränkt zulässig wäre. Vielmehr sprechen überzeugende Gründe gegen die Zulässigkeit derartiger Regelungen.
II. Treaty override 1. Begriff und Bedeutung 148
Begriff und rechtspolitische Bedeutung. Mit dem aus dem angelsächsischen Raum stammenden Begriff des „Treaty override“ wird die konfliktäre Situation beschrieben, in der sich eine im innerstaatlichen Recht geltende Norm eines DBA befindet, wenn eine von dieser Abkommensnorm gewährte begünstigende Rechtsfolge durch nachfolgende Akte des nationalen Steuergesetzgebers eingeschränkt oder beseitigt wird, kurzum späteres innerstaatliches Recht sich in Widerspruch zu einer DBA-Vorschrift setzt.5 Dies ist zunächst rechtspolitisch bedenklich, weil das Vorgehen der Bundesrepublik alle anderen Vertragspartner einlädt, in anderen Fällen ähnlich zu verfahren.6 Auf der Ebene des Völkerrechts scheint es so, dass der Verstoß faktisch sanktionslos bleibt. Zwar könnte man z.B. an eine Kündigung des gesamten DBA gestützt auf Art. 60 WÜRV oder auf eine Art. 30 OECD-MA nachgebildete Kündigungsklausel denken. Im Schrifttum wird aber zutreffend auf die gravierenden Auswirkungen hingewiesen, die eine Kündigung des gesamten Vertrags haben dürfte, weshalb eine solche Maßnahme fast nie in Betracht gezogen wird.7 Ein Treaty override begegnet jedoch nicht allein rechtspolitischen Bedenken, sondern dessen Zulässigkeit ist auch rechtlich bedenklich (vgl. Rz. 149 ff.). 2. Verhältnis zum Verfassungsrecht a) „Treaty override“ verstößt gegen Rechtsstaatsprinzip
149
Bindung der staatlichen Organe an völkerrechtliche Verpflichtungen. Bewirkt eine innerstaatliche Vorschrift einen als „Treaty override“ bezeichneten Abkommens1 2 3 4 5
Zu Einzelheiten Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1 ff. Stv. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1 ff. Stv. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.25. Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131; Gosch, IStR 2008, 413. In diesem Sinne das sog. „Treaty overriding“ definierend Kluge, Internationales Steuerrecht4, Rz. R 8; Mössner, Rechtsschutz bei Treaty Overriding, in Fischer (Hrsg.), Besteuerung internationaler Konzerne, 1993, 116. 6 Schwarz/Fischer-Zernin, MW 1992, 49; Tulloch, DB 1992, 1444. 7 Zu weiteren Maßnahmen vgl. Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 53 ff.; Vogt in Blümich, § 20 AStG Rz. 19 ff.
76
Schönfeld/Häck
G. DBA u. innerstaatliches Steuerrecht, insb. „Treaty override“
Rz. 149–151 Systematik
bruch, so ist dieser unter Zugrundelegung der aktuellen Rspr. des BVerfG mit Blick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltene Rechtsstaatsprinzip nur zulässig, soweit eine – vorliegend nicht ersichtliche – besondere Rechtfertigung vorgebracht werden kann. Dass ein Verstoß gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 Abs. 3 GG einer besonderen Rechtfertigung bedarf, lässt sich aus der neueren Rspr. des BVerfG ableiten. So stellte das Gericht in der „Görgülü“-Entscheidung1 die aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Verpflichtung aller staatlichen Organe zur Beachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention klar. Einleitend hob das BVerfG dabei hervor, dass aufgrund der „Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes das nationale Recht nach Möglichkeit so auszulegen ist, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht“ (a.a.O., unter C. I. 1. b).
Das BVerfG fügte sodann präzisierend hinzu, dass die vorgenannte Völkerrechtsfreundlichkeit ihre „Wirkungen nur im Rahmen des demokratischen und rechtsstaatlichen Systems des Grundgesetzes entfalte“; es widerspreche daher dem Ziel der Völkerrechtsfreundlichkeit nicht, „wenn der Gesetzgeber ausnahmsweise Völkervertragsrecht nicht beachtet, sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist.“
Hierauf aufbauend konstatierte das BVerfG in seinem „Alteigentümer“-Beschluss2 eine aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierende – allerdings durch die gleichzeitige Pflicht zur Achtung der Würde des Menschen und Beachtung der Grundrechte „kontrollierte“ – Bindung der deutschen Staatsorgane auch an das Völkervertragsrecht sowie eine Verpflichtung aller Staatsorgane, „die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen“ (a.a.O., unter C. I. 1. a, b).
Völkerrechtsbruch nur ausnahmsweise zur Verhinderung eines Verstoßes gegen 150 tragende Verfassungsgrundsätze zulässig. Damit ergibt sich mit noch größerer Deutlichkeit die grundsätzliche Erkenntnis, die der „Görgülü“-Entscheidung bereits im Umkehrschluss zu entnehmen war, dass nämlich „der Gesetzgeber von Verfassung wegen gehalten ist, Völkervertragsrecht zu beachten, wenn nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen vorliegen, von denen das BVerfG die Zulässigkeit der Abweichung vom Völkervertragsrecht abhängig macht.“3
Dies ist nach der obigen Formulierung des BVerfG dann der Fall, „sofern nur auf diese Weise ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abzuwenden ist.“
Was das Gericht dabei als tragende Verfassungsgrundsätze ansieht, hat es im „Alteigentümer“-Beschluss näher konkretisiert, nämlich insbesondere die Achtung der Menschenwürde und die Beachtung der Grundrechte. Gerade dies zeigt, dass es dem BVerfG im Ergebnis (ausschließlich) um einen einzelfallbezogenen Ausgleich von widerstreitenden Verfassungsprinzipien – völkervertragliche Bindung einerseits und tragende Verfassungsprinzipien andererseits – geht, d.h. um die Erzielung einer sog. „praktischen Konkordanz“.4 Regelmäßig keine besonderen Rechtfertigungsgründe ersichtlich. Wenn demnach 151 aber ein unilateraler Verstoß gegen Völkervertragsrecht nur zu dem Zweck zugelassen wird, „tragende Grundsätze der Verfassung“ wie etwa die Menschenwürde oder die Grundrechte zu schützen, dann stellt sich gerade im Hinblick auf DBA die Frage, unter welchen Umständen und Gesichtspunkten der Inhalt solcher Abkommen überhaupt zu einer Gefährdung derart grundlegender Verfassungsgrundsätze führen kann. In der Tat ist nicht ersichtlich, wodurch eine solche Gefährdung mittels eines – nach Art. 59 Abs. 1 GG immerhin unter Zustimmung der deutschen Gesetzgebungs1 2 3 4
BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, IStR 2005, 31. BVerfG v. 26.10.2004 – 2 BvR 955/00, 1038/01, NVwZ 2005, 560. So ausdrücklich Vogel, IStR 2005, 29 (30); ähnlich auch Hummel, IStR 2005, 35 (36). Vgl. Hummel, IStR 2005, 35 (36); Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (848).
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 151–153
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
organe abgeschlossenes – DBA ausgelöst werden könnte.1 Selbst wenn man – unzutreffenderweise – unterstellen würde, dass das Ziel steuerlicher Mehreinnahmen ein tragender Grundsatz der Verfassung sei, wäre die Umsetzung durch einen „Treaty override“ unverhältnismäßig. Entscheidend für das Kriterium der Geeignetheit und Erforderlichkeit muss hier die völkerrechtliche Perspektive sein. Mag man danach die Geeignetheit noch annehmen, so sind aber jedenfalls weniger einschneidende, mildere Mittel als ein Vertragsbruch denkbar. Völkerrechtlich adäquat wären entweder die vollständige Aufkündigung des DBA2 oder die punktuelle Lückenfüllung durch bilateral auszuhandelnde DBA-Änderungen oder Ergänzungsprotokolle3 sowie die Beseitigung von Unklarheiten durch Verständigungs- bzw. Konsultationsverfahren. 152
Jüngeres Schrifttum bejaht verfassungswidrigen „Treaty override“. Dementsprechend gehen im Anschluss an die o.a. neuere Rspr. des BVerfG (Rz. 149 ff.) die aktuellen Stimmen in der Literatur ganz überwiegend von einer Verfassungswidrigkeit eines „Treaty override“ aus.4 Auch Gosch5 geht der Frage grundlegend nach und weist ausdrücklich darauf hin, dass sich insoweit eine neue Entwicklung abzeichne. Vor dem Hintergrund der völkerrechtskonformen, milderen Reaktionsmöglichkeiten erachtet er die von der Literatur vorgebrachten Bedenken ausdrücklich für ernstzunehmend. Auch an anderer Stelle weist Gosch6 zur Verfassungswidrigkeit des Treaty override darauf hin, dass „neuere Entwicklungen in der Rspr. des BVerfG zu gewärtigen [sind], das sich in anderem Zusammenhang für eine prinzipielle Bindung an das Völkerrecht und für die Bejahung der internationalen Zusammenarbeit (Art. 25 GG) ausgesprochen hat, vorausgesetzt, im konkreten Fall sind die Grundrechte gewahrt. So gesehen stünden das Treaty override und die bisherige Dualtheorie aber möglicherweise auf tönernen Füßen.“ Daher sind aus Sicht des Autors „[d]ie bisherigen Positionen […] nicht zuletzt angesichts Art. 25, 59 Abs. 1 GG einerseits und des auf breiter Front zunehmenden Gebrauchmachens des Treaty overriding […] andererseits (endlich) in Frage zu stellen. Es ist Aufgabe der Rspr., dies voranzutreiben.“
153
Jüngere BFH-Entscheidungen deuten ebenfalls in diese Richtung. Der I. Senat des BFH deutete in jüngster Vergangenheit an, sich dieser Aufgabe anzunehmen.7 In beiden Entscheidungen bringt der BFH seine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines „Treaty override“ deutlich zum Ausdruck. Mit Beschl. v. 10.1.20128 hat der BFH dem BVerfG nunmehr ausdrücklich diese Frage gem. Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegt. Mit einer baldigen Klärung ist daher zu rechnen. Man sollte sich allerdings im Vorlagefall keine Illusionen machen. So überzeugend der Vorlagebeschluss auch ist, man wird nicht ausschließen können, dass das BVerfG in der Gefahr „weißer Einkünfte“ unter dem Blickwinkel des aus Art. 3 GG folgenden Gebots einer gleichmäßigen Besteuerung einen tauglichen Rechtfertigungsgrund diskutiert. Der BFH hat überzeugend dargelegt, dass dieses Argument zumindest im Vorlagefall eigentlich nicht verfängt.
1 2 3 4
5 6 7 8
Vgl. nur Vogel, IStR 2005, 29 (30). Vgl. Rust/Reimer, IStR 2005, 843 (848). Wie z.B. jenes zum DBA-Luxemburg v. 15.6.1973, BGBl. II 1978, 109. Vgl. Becker, NVwZ 2005, 289 (291); Elicker, Die Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2006, 56; Hummel, IStR 2005, 35 (36); Kempf/Bandl, DB 2007, 1377 (1380); Rust/Reimer, IStR 2005, 843; Stein, IStR 2006, 505 (508); Vogel, IStR 2005, 24; Vogel, IStR 2007, 225; Daragan, IStR 1998, 225; Schütz in Mössner/Fuhrmann, § 20 AStG Rz. 18 f.; wohl auch Rupp in Haase, § 20 AStG Rz. 25 ff.; a.A. Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324 ff., die bezweifelt, dass sich die auf die EMRK bezogenen Äußerungen des BVerfG auf DBA übertragen lassen; ferner Prokopf in S/K/K, § 20 AStG Rz. 70 f. Gosch, IStR 2008, 413 (414). Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 25. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056; Az. des BVerfG: 2 BvL 1/12.
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Schönfeld/Häck
G. DBA u. innerstaatliches Steuerrecht, insb. „Treaty override“
Rz. 154–157 Systematik
b) „Treaty override“ verstößt gegen Art. 25 GG Allgemeine Regeln des Völkerrechts genießen besonderen Schutz. Ein Treaty 154 override verstößt auch gegen Art. 25 GG. Nach Auffassung des BVerfG1 hat das Grundgesetz die öffentliche Gewalt programmatisch auf die internationale Zusammenarbeit (Art. 24 GG) und auf die europäische Integration (Art. 23 GG) festgelegt. Entsprechend betont das Gericht, dass das GG den allgemeinen Regelungen des Völkerrechts Vorrang gegenüber dem einfachen Gesetzesrecht einräumt und das Völkerrecht im Übrigen durch Art. 59 Abs. 2 GG in das System der Gewaltenteilung einordnet. Bereits diese Formulierung lässt erkennen, dass das BVerfG völkerrechtliche Regelungen als mit europarechtlichen Vorgaben gleichwertig ansieht. Zwei wesentliche Erkenntnisse sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung: Zum einen genießen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts einen besonderen Schutz, der durch einen Gesetzesvorrang institutionalisiert wird, zum anderen handelt es sich auch bei den „einfachen“ völkerrechtlichen Regelungen um eine besondere Rechtsmaterie. Diese Erkenntnis impliziert, dass eine Verletzung dieser Regelungen einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Vertragstreue als allgemeine Regel des Völkerrechts. Zu dem nach Art. 25 GG als 155 allgemeine Regeln des Völkerrechts geschützten Normenkomplex gehört anerkanntermaßen auch der Grundsatz des „pacta sunt servanda“, der damit Verfassungsrang erhält. Diesen Aspekt übersieht Brombach-Krüger,2 wenn sie Art. 25 GG auf DBA für nicht anwendbar hält. Vielmehr lässt sich aus diesem Grundsatz der Vertragstreue allgemein ableiten, dass eine völkerrechtliche Vertragsnorm (und ebenso das zugehörige nationale Zustimmungsgesetz) nicht im Nachhinein – jedenfalls nicht ohne besondere Rechtfertigung – durch eine einfachgesetzliche Maßnahme mit entgegenstehendem Inhalt entwertet werden kann.3 Diese innerstaatlich-verfassungsrechtliche Sichtweise steht in Übereinstimmung mit der Aussage von Art. 27 WÜRV4 für die Ebene des Völkerrechts, wonach sich eine Vertragspartei nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen kann, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen.5 Auch auf der Grundlage von Art. 25 GG ergibt sich damit hier die Verfassungswidrigkeit des von innerstaatlichen Vorschriften ausgehenden Treaty override. c) Rechtfertigung als Missbrauchsvermeidungsnorm? „Treaty override“ dient nicht der Vermeidung der missbräuchlichen Ausnutzung 156 von DBA. Aus den o.g. Gründen ist ein Treaty override in hohem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Ob die Missbrauchsbekämpfung mit Blick auf die aus Art. 3 GG folgende Verpflichtung des Staates, für eine Gewährleistung der gleichmäßigen Besteuerung zu sorgen, zu derart tragenden Verfassungsgrundsätzen gehört, darüber kann man sicherlich streiten. Bejaht man dies aber, dann muss dem Steuerpflichtigen als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots die Möglichkeit eingeräumt werden, den (ggf. typisierten) Missbrauchsvorwurf zu widerlegen (ausführlich zu diesem Grundsatz mit Beispielen vgl. Rz. 162 ff.).6 3. Verhältnis zum EU-Recht Verstoß gegen primäres Unionsrecht? Im Schrifttum wurde ganz überwiegend ein 157 Verstoß gegen Art. 293 Spiegelstrich 2 EG-Vertrag bejaht.7 Allerdings dürfte die Re-
1 In der „Görgülü“-Entscheidung, BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, IStR 2005, 31. 2 Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324, 329. 3 So zutreffend z.B. Stein, IStR 2006, 505 (508); in diesem Sinne wohl auch Gosch, IStR 2008, 413 (418). 4 Vom 23.5.1969, BGBl. II 1985, 926. 5 Vgl. zum Vorstehenden Gosch, IStR 2008, 413 und Stein, IStR 2006, 505. 6 Hey, DStJG Bd. 33, 139 ff.; Gabel, StuW 2011, 3 ff. 7 Grundlegend Seer, IStR 1997, 520; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000, 93 ff. m.w.N.; zur Bedeutung von Art. 293 EG für die DBAvgl. auch Pistone, The Impact of Community Law on Tax Treaties: Issues and Solutions, London 2002, 68 ff.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 157–159
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
gelung lediglich objektives Recht darstellen, auf welches sich der einzelne Unionsbürger grundsätzlich nicht berufen kann. Der EuGH hat dies jedenfalls in der Rs. „Gilly“ unzweideutig festgestellt.1 Deshalb dürften allenfalls die Mitgliedsstaaten oder die EU-Kommission ein „Treaty override“ im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH angreifen. Damit dürfte aber nicht wirklich zu rechnen sein. Im Übrigen deuten die apodiktischen Ausführungen des EuGH in der Rs. „Columbus Container Services“ darauf hin, dass sich der Gerichtshof auch dafür nicht berufen fühlt.2 Hinzu kommt, dass sich die Regelung des Art. 293 Spiegelstrich 2 EG-Vertrag im AEUV nicht mehr wiederfindet. Damit scheinen sich auch die Mitgliedsstaaten in dieser Angelegenheit einig zu sein.3 Wegen der weiteren Einzelheiten vgl. auch Rz. 134.
H. „Missbrauch“ von DBA I. Begriff und Arten der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA 158
Missbrauchsbegriff. Das Problem des Missbrauchs und dessen Vermeidung gehören mit zu den schillerndsten Problemen des Steuerrechts. Bevor man sich allerdings der Frage nähert, inwieweit die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA durch nationale Regelungen bekämpft werden darf, sollte man sich vergegenwärtigen, was überhaupt unter dem Begriff des Missbrauches zu verstehen ist. Außerhalb des Steuerrechts wird mit „Missbrauch“ im Allgemeinen ein funktionswidriger, Treu und Glauben widersprechender Gebrauch einer Sache oder eines Rechts beschrieben.4 Darin kommt bereits zum Ausdruck, dass es im Kern darum geht, ein gewährtes Recht zweckwidrig zu gebrauchen. Der Missbrauchsbegriff im deutschen Steuerrecht setzt dieses Verständnis noch wesentlich detaillierter um. Danach setzt Missbrauch eine rechtliche Gestaltung voraus, die gemessen an dem angestrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann.5 Darin kommt insbesondere zum Ausdruck, dass das Steuerrecht einem zivilrechtlichen Subsumtionsvorschlag nicht folgt, wenn die Gestaltungsmöglichkeiten des Zivilrechts ausschließlich dazu genutzt werden, Steuern zu mindern und dieses Ziel durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann. In einem ähnlichen Sinne versteht auch das Europäische Steuerrecht den Missbrauch. Danach ist eine missbräuchliche Praktik jede rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung, die zu dem Zweck errichtet wird, der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird.6 Im Kern geht es also dem europäischen Missbrauchsbegriff darum, dass die vom EU-Recht gewährten Grundfreiheiten nicht ihrem eigentlichen Zweck entsprechend genutzt werden, nämlich die europäischen Teilmärkte gegenseitig zu durchdringen, sondern nur deshalb in Anspruch genommen werden, um der in einem Mitgliedsstaat erhobenen Steuer zu entgehen. Auf einer ähnlichen Linie liegt das abkommensrechtliche Missbrauchsverständnis. Danach wird unter Missbrauch jede künstliche Rechtskonstruktion verstanden, die darauf gerichtet ist, in den Genuss von Steuervorteilen nach bestimmten innerstaatlichen Gesetzen bzw. von Steuererleichterungen nach den DBA zu kommen.7 In diesem weiten Sinne soll der Missbrauchsbegriff im Weiteren verwandt werden.
159
Erscheinungsformen. Hat man sich ein Bild davon gemacht, was unter dem Begriff des Missbrauchs zu verstehen ist, kann man sich der weiteren Frage zuwenden, 1 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, EuGHE 1998, I-2823 Rz. 14 ff. 2 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container Services, EuGHE 2007, I-10451 Rz. 47. 3 Vgl. auch Prokopf in S/K/K, § 20 AStG, Rz. 81 ff.; Schütz in Mössner/Fuhrmann, § 20 AStG Rz. 18 f. 4 Vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. IV (K-OZ), 1982, 688. 5 Vgl. z.B. BFH v. 17.11.1999 – I R 11/99, BStBl. II 2001, 822 m.w.N. 6 Grundlegend EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 55. 7 Vgl. Art. 1 Rz. 8 OECD-MK.
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Schönfeld/Häck
H. „Missbrauch“ von DBA
Rz. 159–161 Systematik
welche Erscheinungsformen der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA es gibt. Die wohl bekannteste Erscheinungsform ist das sog. „Treaty-Shopping“. Dabei handelt es sich um eine Gestaltung, die darauf angelegt ist, den Schutz eines DBA zu erlangen, welches an sich für den Steuerpflichtigen nicht gilt. Der Klassiker ist die Einschaltung einer abkommensberechtigten Person für das Erzielen bestimmter Einkünfte, etwa die Einschaltung einer Gesellschaft in einem Staat, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, welches Vorteile gewährt, die bei einem unmittelbaren Bezug der Einkünfte nicht zur Anwendung kämen. Ferner zu nennen ist das sog. „rule shopping“. Eine derartige Gestaltung ist darauf angelegt, die Voraussetzung einer bestimmten Verteilungsnorm eines DBA herbeizuführen, dessen Schutz der Steuerpflichtige an sich beanspruchen kann. Zu nennen ist hier z.B. der Versuch, in den Genuss des Zinsartikels anstelle des Dividendenartikels zu gelangen, weil der Zinsartikel nach dem deutschen DBA typischerweise kein Quellenbesteuerungsrecht vorsieht, wohingegen der Dividendenartikel typischerweise ein Quellenbesteuerungsrecht ermöglicht (ausgenommen Schachtelprivileg). Eine weitere Erscheinungsform der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA sind sog. Qualifikationskonflikte. Derartige Gestaltungen sind darauf angelegt, durch die unterschiedliche Anwendung eines DBA im Quellen- und Ansässigkeitsstaat einen Steuervorteil zu erlangen, der bei übereinstimmender Auslegung des DBA nicht entstanden wäre (Stichwort: „weiße Einkünfte“). Schließlich kann man auch die Einkünfteverlagerung darunter fassen, bei der es darum geht, Einkünfte in einen i.d.R. niedrig besteuernden DBA-Quellenstaat zu verlagern, für die der Ansässigkeitsstaat die Freistellungsmethode gewährt oder anderweitig an der Besteuerung gehindert ist (z.B. zivilrechtliche Abschirmwirkung ausländischer Rechtsträger).
II. Missbrauchsvermeidungsvorschriften Rechtsgrundlagen im DBA-Recht. So enthalten die deutschen DBA zunehmend 160 selbst Regeln, um eine aus Sicht der Abkommenspartner missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA zu verhindern. So werden z.B. bestimmte Rechtsträger generell von der Abkommensberechtigung ausgenommen, wenn im Zusammenhang mit diesen Rechtsträgern typischerweise unangemessene Gestaltungen verbunden sind. Zu nennen ist hier z.B. das neue DBA-Liechtenstein, welches Privatvermögenstrukturen liechtensteinischen Rechts, die ausschließlich der Mindestertragsteuer in Liechtenstein unterliegen, vom Abkommensschutz ausnimmt (z.B. Familienstiftungen).1 Zunehmend wird auch der Kreis der durch DBA begünstigten Personen mit Hilfe sog. „Limitation-on-Benefits“-Klauseln eingegrenzt. Die bekannteste und komplexeste Regelung enthält hier Art. 28 DBA-USA. In den DBA werden auch zunehmend Regelungen aufgenommen, um Qualifikationskonflikte zu verhindern (z.B. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA und Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Alt. 1 DBA-USA). Beliebt sind auch sog. „Subject-to-Tax“-Klauseln (z.B. Art. 23 Abs. 4 Buchst. b Alt. 2 DBA-USA), die die Anwendung der Freistellungsmethode davon abhängig machen, dass die freigestellten Einkünfte im Quellenstaat einer Besteuerung unterlegen haben. Echte Klassiker sind mittlerweile sog. Aktivitätsvorbehalte (z.B. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz), die die Freistellung davon abhängig machen, dass die freigestellten Einkünfte aus einer bestimmten aktiven Tätigkeit stammen. Damit will man verhindern, dass insbesondere bestimmte (mobile) betriebliche Teilfunktionen in eine Freistellungsbetriebstätte verlagert werden. Dann enthalten die DBA auch Öffnungsklauseln, die die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsbekämpfungsvorschriften ausdrücklich ermöglichen. So sieht z.B. Art. 1 Abs. 6 DBA-USA vor, dass Deutschland seine Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zur USA anwenden kann. Ist eine solche Öffnungsklausel enthalten, wird man nur schwerlich von einem „Treaty override“ sprechen können, weil dieser im DBA selbst angelegt ist. Rechtsgrundlagen im innerstaatlichen Steuerrecht. Im Bereich des innerstaatli- 161 chen Steuerrechts hat man zu unterscheiden zwischen der allgemeinen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO einerseits und den typisierenden Missbrauchs1 Vgl. Protokoll Nr. 2c zum DBA-Liechtenstein.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 161–163
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
bekämpfungsvorschriften andererseits. In diesem Zusammenhang ist deutlich zu erkennen, dass es der Gesetzgeber (auch bedingt durch die zurückhaltende Anwendung von § 42 AO durch die Rspr.) bevorzugt, missbräuchliches Verhalten zu typisieren und steuerlich entsprechend zu sanktionieren. Von diesen typisierenden Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind im Bereich des Internationalen Steuerrechts insbesondere zu nennen die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG, der Switch-over von der DBA-Freistellung zur Anrechnung nach § 20 Abs. 2 AStG, die Einkünftekorrektur bei verbundenen Unternehmen gem. § 1 AStG, die Anti-treaty-shopping- und Anti-directive-shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG sowie die Regelung zur Vermeidung von sog. „weißen Einkünften“ aufgrund von DBAQualifikationskonflikten nach § 50d Abs. 9 EStG. Die Aufzählung könnte weiter fortgesetzt werden, es sollen hier nur die praktisch wichtigsten Vorschriften genannt werden.
III. Zulässigkeit von Missbrauchsbekämpfungsvorschriften 1. Zulässigkeit im innerstaatlichen Recht 162
Missbrauchsbekämpfungsvorschriften ohne Treaty override. Was die Zulässigkeit von Vorschriften zur Bekämpfung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA anbelangt, so ist zunächst zwischen solchen Vorschriften zu unterscheiden, die einen sog. „Treaty override“ bewirken und solchen Vorschriften, von denen ein solcher völkerrechtsunfreundlicher Akt nicht ausgeht.1 Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die ohne einen „Treaty override“ auskommen (z.B. weil deren Anwendung im betreffenden DBA ausdrücklich zugelassen ist), sollen nach bislang ganz h.M. grds. zulässig sein. Es ist allerdings Hey2 und ihrer Schülerin Gabel3 zu verdanken, in jüngster Vergangenheit den Blick insoweit etwas geschärft zu haben. Sie haben sich mit überzeugenden Argumenten dafür ausgesprochen, die Zulässigkeit typisierender Missbrauchsbekämpfung stärker an den Grundrechten zu messen, insbesondere dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Möglichkeit des Nachweises einzuräumen, dass ihn der typisierte Missbrauchsvorwurf im konkreten Fall überhaupt nicht trifft. Dem kann nur beigepflichtet werden. Denn es drängt sich doch geradezu die Frage auf, warum das, was für die Grundfreiheiten des AEUV gilt, nicht auch für die Grundrechte des GG gelten soll. Hier wie dort geht es um die Gewährleistung von Freiheitsrechten. Und hier wie dort gibt es ein Verhältnismäßigkeitsgebot, welches überschießende Tendenzen typisierender Missbrauchsbekämpfungsvorschriften begrenzt. Im Verfassungsrecht ist es nur lediglich so, dass das BVerfG (anders als der EuGH) bislang nur sehr eingeschränkt einen Eingriff in die Grundrechte durch steuerliche Vorschriften bejaht (Stichwort: konfiskatorische Besteuerung). Insoweit kommt das BVerfG meist gar nicht zur Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hier könnte die Grundfreiheitsdogmatik des EuGH neue Anstöße für eine freiheitsfreundliche Auslegung des GG geben.
163
Missbrauchsbekämpfungsvorschriften mit Treaty overriding. Die vorstehenden Überlegungen gelten erst recht, wenn von der betreffenden Missbrauchsbekämpfungsvorschrift ein „Treaty override“ ausgeht. Bei der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ist aber zu beachten, dass die Grundrechte nicht schrankenlos gewährleistet werden (Rz. 148 ff.). Ob die Missbrauchsbekämpfung mit Blick auf die aus Art. 3 GG folgende Verpflichtung des Staates, für eine Gewährleistung der gleichmäßigen Besteuerung zu sorgen, zu derart tragenden Verfassungsgrundsätzen gehört, darüber kann man sicherlich streiten. Bejaht man dies aber, dann muss dem Steuerpflichtigen als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots die Möglichkeit eingeräumt werden, den (ggf. typisierten) Missbrauchsvorwurf zu widerlegen.
1 Vgl. hierzu auch grundlegend z.B. Gosch, IStR 2008, 413. 2 Hey, DStJG Bd. 33 (2010), 139 ff. 3 Gabel, StuW 2011, 3 ff.
82
Schönfeld/Häck
H. „Missbrauch“ von DBA
Rz. 164–169 Systematik
2. Zulässigkeit im EU-Recht Nichtdiskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Neben dem inner- 164 staatlichen Recht können der Missbrauchsbekämpfung auch (ggf. effektivere) Grenzen durch das (höherrangige) EU-Recht gesetzt sein,1 auch wenn der EuGH dem „Treaty override“ als solchem bislang (leider) keine Verletzung von EU-rechtlichen Vorgaben entnehmen konnte, und zwar grds. selbst dann nicht, wenn dies zu einer Doppelbesteuerung führt2 (Rz. 134 und 157). Sind typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften nicht diskriminierend bzw. nicht beschränkend, so sind diese Vorschriften EU-rechtlich uneingeschränkt zulässig. Dies ist auch in der Sache nachvollziehbar, weil die EU-Grundfreiheiten nur dann die Anwendung einer nationalen Vorschrift hindern, wenn eine Diskriminierung oder eine Beschränkung dieser Grundfreiheiten gegeben ist.3 Diskriminierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Auch diskriminierende 165 Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind grundsätzlich zulässig. Bis zur Entscheidung des EuGH in der Rs. „Cadbury Schweppes“ war diese Einsicht allerdings nicht selbstverständlich. Bis dahin ging man davon aus, dass typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften per se unzulässig sind. Mit der Entscheidung in der Rs. „Cadbury Schweppes“ stellte der EuGH allerdings klar, dass auch typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschriften grundsätzlich zulässig sind. Die Grenze ist jedoch das EU-rechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot, d.h. die typisierende Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was zur Zielerreichung erforderlich ist. Der EuGH folgert daraus, dass der Steuerpflichtige in jedem Einzelfall die Möglichkeit haben muss, den typisierten Missbrauchsvorwurf zu widerlegen (Stichwort: „wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit“).4 Denn gelingt ihm dieser Nachweis, ist auch die Anwendung einer (typisierenden) Missbrauchsbekämpfung nicht erforderlich. Allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO. Auch die allgemeine 166 Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO ist EU-rechtlich uneingeschränkt zulässig. Dies ist in der Sache auch nachvollziehbar, weil § 42 AO jedenfalls von seinem Wortlaut her eine nichtdiskriminierende Regelung ist. Hinzuweisen ist aber darauf, dass in der praktischen Rechtsanwendung kein unterschiedliches Missbrauchsverständnis in Abhängigkeit davon zugrunde gelegt werden darf, ob es um einen inländischen oder um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt geht. Wird ein solcher Unterschied gemacht, und zwar zulasten des grenzüberschreitenden Sachverhalts, dann kann diese Rechtsanwendungspraxis sehr wohl gegen die EU-Grundfreiheiten verstoßen mit der Folge, dass der Steuerpflichtige wiederum den Nachweis führen können muss, dass die von ihm gewählte Gestaltung keine rein künstliche Konstruktion bar jeder wirtschaftlichen Realität ist. EU-rechtliche Missbrauchsbekämpungsvorbehalte. Hinzuweisen ist ferner darauf, 167 dass das EU-Recht z.T. ausdrückliche Missbrauchsbekämpfungsvorbehalte zugunsten der Mitgliedsstaatlichen enthält (z.B. Art. 1 Abs. 2 MTRL). Fallbeispiele. Die vorstehenden Erkenntnisse sollen anhand der folgenden Bei- 168 spiele exemplifiziert werden: Fall 1: „Die grenzwertige Finanzierungsgesellschaft“ 169 Sachverhalt. Die deutsche D-AG ist alleinige Gesellschafterin der außerhalb der EU ansässigen FinCo. Letztere unterliegt mit ihren Zinseinkünften einer Besteuerung von 5 %. Dies bringt den Vorstand der D-AG auf die Idee, die FinCo mit einem Eigenkapital i.H.v. 1 Mrd. Euro auszustatten, welches der D-AG unmittelbar als langfristiges Darlehen zurückgegeben werden soll. Zur Abwicklung der Transaktion soll 1 Aus der großen Zahl der Beiträge dazu vgl. aus jüngerer Zeit z.B. Bergmann, StuW 2010, 246; Thiele, IStR 2011, 452 jeweils m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert und Morres, EuGHE 2006, I-10967 Rz. 15 ff.; zu Recht kritisch Englisch, IStR 2007, 67 ff.; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2007, 167 ff. 3 Vgl. z.B. EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, EuGHE 2007, I-10451. 4 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995 Rz. 60 ff.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 169
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
die FinCo in ihrem Ansässigkeitsstaat einen Raum in einer Anwaltskanzlei anmieten, den sie sich mit anderen Gesellschaften teilt. Einer der Anwälte soll zum Geschäftsführer der FinCo berufen werden, der die nötigen Dokumente ausfertigt, dann aber eigentlich nicht mehr viel zu tun hat. Mit dem Ansässigkeitsstaat der FinCo besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA mit Schachtelprivileg für Dividenden. Der Steuerberater Theo Vorsicht meint, der Plan könnte daran scheitern, dass die niedrigbesteuerten Zinsen der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG unterliegen. Zu Recht? Abwandlung: Wäre die Frage anders zu beurteilen, wenn die FinCo innerhalb der EU ansässig wäre? Lösungsvorschlag. Es ist in der Tat so, dass die Zinsen als niedrigbesteuerte, passive Einkünfte der sog. Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG unterliegen, d.h. die D-AG die von der FinCo erzielten Zinsen zu besteuern hat, und zwar unabhängig davon, ob diese Einkünfte bereits ausgeschüttet wurden oder nicht. Daraus resultiert nach ganz überwiegender Auffassung auch ein Konflikt mit DBA, wenngleich umstritten ist, welche DBA-Vorschrift konkret angesprochen ist.1 Durch § 20 Abs. 1 Halbs. 1 AStG sollen diese Bedenken gegen die Vereinbarkeit der §§ 7–14 AStG mit DBA zwar beseitigt werden. Folgt man aber der neueren Auffassung in Schrifttum und Rspr., die einen „Treaty override“ aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel eher kritisch sieht (Rz. 148 ff.), dann hilft auch der ausdrückliche einfachgesetzliche Hinweis darauf, dass der DBA-Konflikt unbeachtlich ist, nicht. Oder anders formuliert: Ein Konflikt mit höherrangigem Recht kann nicht dadurch beseitigt werden, dass das einfache Recht diesen Konflikt schlicht verneint. Der vom „Treaty override“ ausgehende verfassungsrechtliche Eingriff könnte vorliegend aber gerechtfertigt sein, wenn man die Hinzurechnungsbesteuerung mit Blick auf das aus Art. 3 GG folgende Gebot der gleichmäßigen Besteuerung für erforderlich hält (worüber man durchaus streiten kann). Bejaht man diese Rechtfertigungsmöglichkeit, dann muss dem Steuerpflichtigen als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots zumindest die Möglichkeit offenstehen, den typisierten Missbrauchsvorwurf zu widerlegen. Er müsste also anhand objektiver Kriterien darlegen, dass es sich – um auf den DBA-Missbrauchsbegriff zurückzukommen – bei der gewählten Gestaltung um keine künstliche Rechtskonstruktion handelt, die darauf gerichtet ist, in den Genuss von Steuervorteilen nach bestimmten innerstaatlichen Gesetzen bzw. von Steuererleichterungen nach den DBA zu kommen. Genau das könnte im vorliegenden Beispiel aber durchaus schwerfallen. Da die Hinzurechnungsbesteuerung nur gegenüber ausländischen, nicht aber auch gegenüber inländischen Kapitalgesellschaften erfolgt, ist darin zudem eine Beschränkung der EU-Grundfreiheiten zu sehen. Bei wesentlichen Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften wird es in erster Linie um eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gehen, ansonsten um eine solche der Kapitalverkehrsfreiheit. Bislang ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung im Verhältnis zu sog. Drittsaaten durch die (grds. auch den Kapitalverkehr mit Drittstaaten schützende) Kapitalverkehrsfreiheit gehindert ist.2 Jedenfalls in der Abwandlung kommt es darauf auch nicht an, weil die FinCo innerhalb der EU ansässig ist. Der EuGH hat dabei zur vergleichbaren Hinzurechnungsbesteuerung nach britischem Steuerrecht in der Rs. „Cadbury Schweppes“ entschieden, dass ein derartiger diskriminierender Durchgriff durch eine ausländische Kapitalgesellschaft gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt.3 Wie bereits gezeigt, muss der betroffene Steuerpflichtige aber die Möglichkeit haben nachzuweisen, dass die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft keine künstliche Konstruktion ist, die bar jeder wirtschaftlichen Realität ist. Der deutsche Gesetzgeber hat dieses Er1 Zum Streit vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 21 ff. m.w.N. 2 Vgl. zur Diskussion z.B. Gosch, BFH/PR 2011, 455; Lang, StuW 2011, 209; Zorn, IStR 2010, 190. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, EuGHE 2006, I-7995; zu dieser Entscheidung vgl. Gosch, BFH-PR 2006, 458; Hahn, IStR 2006, 667; Hahn/Heß, jurisPR-SteuerR 49/2006; Johnson, TNI 2006, 521; Kleinert, GmbHR 2006, 1055; Köhler/Eicker, DStR 2006, 1871; Körner, IStR 2006, 675; Kraft/Bron, IStR 2006, 614; Lieber, FR 2006, 993; Sedemund, BB 2006, 2119; Sheppard, TNI 2006, 164; Strunk/Kaminski, Stbg 2006, 588; Thömmes/Nakhai, NWB 2006, Fach 11a, 1065; Wassermeyer, DB 2006, 2050; Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, 1065; Wilke, PIStB 2006, 244.
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H. „Missbrauch“ von DBA
Rz. 169–170 Systematik
fordernis in § 8 Abs. 2 AStG versucht umzusetzen. Danach kann der inländische Steuerpflichtige die Hinzurechnungsbesteuerung dadurch vermeiden, dass er nachweist, dass die in einem EU/EWR-Staat ansässige Gesellschaft „einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat nachgeht“.1 Im obigen Beispiel könnte dieser Nachweis auch aus EU-rechtlicher Sicht durchaus schwerfallen. Denn mit dem Kriterium der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit soll gerade der entscheidende Aspekt der Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit zum Ausdruck gebracht werden. Oder anders formuliert: Der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass er mit der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft einen wirklichen wirtschaftlichen Niederlassungsvorgang in dem anderen Staat bewirken wollte. Es geht also um die von den EU-Grundfreiheiten zur Schaffung eines einheitlichen Binnenmarkts intendierte wirtschaftliche Verflechtung zu diesem anderen Staat. Das könnte hier durchaus problematisch sein, weil die ausländische Gesellschaft über nicht wirklich viel Personal verfügt und räumlich sowie von der Geschäftsausstattung her eher schwach erscheint. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft eigentlich nur sehr wenige Geschäftsvorfälle abzuwickeln hat, nämlich die Gewährung von Eigenkapital i.H.v. 1 Mrd. Euro mit anschließender Rückgewährung eines Darlehens von wiederum 1 Mrd. Euro. Danach passiert nicht wirklich viel in der Gesellschaft. Es fallen zwar Zinsen an, die auch zu verbuchen sind, vielleicht gibt es auch Kontoauszüge, die abzuheften sind, von wirklichem wirtschaftlichen Leben wird man allerdings kaum sprechen können. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings darauf, dass der BFH in der Folgeentscheidung zu der Rs. „Columbus Container Services“ zum Ausdruck gebracht hat, dass die Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 AStG gemessen an den EU-rechtlichen Vorgaben möglicherweise etwas zu eng sind, und dass bei Kapitalanlagentätigkeiten typischerweise nur wenig Substanz erforderlich ist.2 Auch bei namhaften Vertretern im deutschen Schrifttum zeichnet sich eine Tendenz ab, bei mobilen Finanzierungsfunktionen einen nur geringen Umfang an wirtschaftlicher Substanz als ausreichend zu erachten.3 Dies ist grds. auch sachgerecht, weil es diesen Funktionen immanent ist, nur wenig Substanz zu erfordern. Insoweit könnte eher eine theoretisch mögliche „Überausstattung“ einer Finanzierungsgesellschaft mit Substanz künstliche Züge annehmen. Man wird die weitere Entwicklung abwarten müssen. Fall 2: „Die bessere Dienstleistungsgesellschaft“ 170 Sachverhalt. Der D-AG aus Fall 1 ist das steuerliche Risiko doch zu hoch. Die FinCo soll besser innerhalb der EU ansässig sein und die Funktion einer konzerninternen Finanzierungsgesellschaft übernehmen. Zusätzlich sollen verschiedene Dienstleistungsfunktionen bei der FinCo angesiedelt werden, die diese auf Basis von cost-plus im Konzern erbringt. Die FinCo soll einen eigenverantwortlich handelnden Manager sowie weitere zwei Mitarbeiter erhalten. Die FinCo soll eigene Büroräume mit vollständiger Infrastruktur in ihrem Ansässigkeitsstaat anmieten. Besteht auch jetzt die Gefahr der Hinzurechnungsbesteuerung? Lösungsvorschlag. In diesem Fall liegt es mit der Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung anders: Die D-AG kann sehr wohl nachweisen, dass die FinCo einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Zum einen erbringt die Gesellschaft entsprechende Dienstleistungen im Konzern, zum anderen übernimmt sie auch die konzerninterne Finanzierung in der Gruppe. Zudem verfügt sie über entsprechende Büroräume mit vollständiger Infrastruktur und über entsprechende Mitarbeiter. Es kann daher eigentlich kein Zweifel bestehen, dass die Anwendung der §§ 7–14 AStG entweder durch § 8 Abs. 2 AStG oder, falls dieser zu eng ist, unmittelbar durch die Anwendung der EU-Grundfreiheiten gehindert ist. In der Praxis zeigt sich zwar, dass sich die Finanzverwaltung insbesondere im Umgang mit konzerninternen Finanzierungsgesellschaften nach wie vor schwertut. Nach der Schlussentscheidung des BFH
1 Zu den zahlreichen Problemen im Rahmen der Anwendung von § 8 Abs. 2 AStG vgl. z.B. Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 400 ff. 2 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774; v. 13.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. 3 So ausdrücklich Gosch in FS Reiß, 597 (608); in diese Richtung auch Schön in FS Reiß, 571 (589).
Schönfeld/Häck
85
Systematik Rz. 170–171
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
in der Rs. „Columbus Container Services“1 dürfte aber kein Zweifel mehr bestehen, dass derartige Finanzierungsgesellschaften den Schutz der Grundfreiheiten genießen. Aufgrund der Schutzwirkung der EU-Grundfreiheiten kommt es daher nicht darauf an, ob daneben auch das GG vor dem von den §§ 7–14 AStG ausgehenden „Treaty override“ schützt. Bei der hier bejahten Kollision mit dem Rechtsstaatsprinzip wäre dies aber selbst dann zu bejahen, wenn man den verfassungsrechtlichen Eingriff als gerechtfertigt ansehen würde. Denn nach dem vorliegenden Verständnis des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots und den deutlichen Parallelen zum EU-rechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot muss der Steuerpflichtige den (hier erbrachten) Gegenbeweis wirtschaftlicher Realität führen können. 171
Fall 3: „Die verunglückte Vertriebsbetriebsstätte“ Sachverhalt. Die deutsche D-AG unterhält in der Schweiz eine Vertriebsbetriebsstätte (SalesPE) für den dortigen Absatz ihrer Produkte. Zu diesem Zweck liefert die D-AG entsprechende Endprodukte in die Schweiz, wo diese von der SalesPE weiterverkauft werden. Die Kundenbetreuung und der Service erfolgen im Wesentlichen durch die SalesPE, teilweise wird sie dabei aber auch durch die D-AG unterstützt. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz sind Betriebsstättengewinne von der deutschen Besteuerung ausgenommen, soweit diese nachweislich aus dem „Handel […] unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr erzielt werden.“ Die Betriebsprüfung meint, diese Voraussetzungen seien zwar erfüllt, allerdings sei die Freistellung nach § 20 Abs. 2 AStG zu versagen, weil aufgrund der Mitwirkung der D-AG am Vertrieb die Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AStG nicht erfüllt seien. Zu Recht? Lösungsvorschlag. Die Frage dürfte jedenfalls nach dem Wortlaut von § 20 Abs. 1 Halbs. 2 AStG zu bejahen sein. Denn danach wird § 20 Abs. 2 AStG durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt. Im Kern heißt dies, dass dann, wenn nach Prüfung des DBA die Einkünfte abkommensrechtlich freizustellen sind, die Freistellung nicht gewährt wird, soweit die Voraussetzungen von § 20 Abs. 2 AStG erfüllt sind. Im Beispielsfall kommt einem dieses Ergebnis aber deshalb etwas merkwürdig vor, weil die Abkommenspartner des DBA-Schweiz im Aktivitätsvorbehalt des Art. 24 Abs. 1 DBA-Schweiz zum Ausdruck gebracht haben, unter welchen Voraussetzungen Betriebsstättengewinne der Freistellung oder der Anrechnung unterliegen sollen. § 20 Abs. 2 AStG lässt diese Wertung schlicht außer Betracht. Der „Treaty override“ ist hier also offensichtlich. Der daraus resultierende verfassungsrechtliche Konflikt lässt sich allerdings möglicherweise durch eine entsprechende verfassungskonforme Auslegung von § 20 Abs. 2 AStG beheben. Denn es erscheint nicht abwegig, den Aktivitätsvorbehalt in Art. 24 DBA-Schweiz als die speziellere Regelung mit der Folge anzusehen, dass ein Rückgriff auf § 20 Abs. 2 AStG nicht erfolgen darf. Insoweit lässt sich der Eingriff in verfassungsrechtlich verbürgte Rechte im Auslegungswege beseitigen. Auf die Frage der Rechtfertigung kommt es daher nicht mehr an. Selbst wenn man dem aber nicht folgen würde, dann bliebe es bei einem mit dem Rechtsstaatsprinzip kollidierenden „Treaty override“. Eine Rechtfertigung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG und dem daraus folgenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erscheint in diesem Zusammenhang nur schwer möglich, weil die Parteien des DBA-Schweiz eben in Art. 24 DBA-Schweiz abschließend zum Ausdruck gebracht haben, unter welchen Voraussetzungen schweizerische Betriebsstättengewinne in Deutschland besteuert werden dürfen. Jedenfalls würde aber auch hier der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einräumen, den durch § 20 Abs. 2 AStG typisierten Missbrauchsvorwurf im Einzelfall zu widerlegen. Im Beispielsfall dürfte das nicht schwerfallen, weil die gewählte Gestaltung keine künstliche Rechtskonstruktion darstellt.
1 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774; zu dieser Entscheidung vgl. Buciek, FR 2010, 397; Gebhardt, IWB 2010, 473; Gosch, BFH/PR 2010, 113; Jungbluth, EWiR 2010, 271; Lieber, IStR 2010, 142; Prinz, FR 2010, 378; Sydow, IStR 2010, 174.
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Schönfeld/Häck
H. „Missbrauch“ von DBA
Rz. 172 Systematik
Fall 4: „Zinsen sind doch nur Teufelszeug“ 172 Sachverhalt. Die D-AG ist auch alleinige Anteilseignerin der in der EU ansässigen FabricCo, die über ausreichend Eigenkapital verfügt. Für die Erweiterung einer Produktlinie gewährt die D-AG der FabricCo ein zinsloses Darlehen i.H.v. 1 Mio. Euro zum 1.1.2010. Nach ausländischem Recht wird das Darlehen als Fremdkapital anerkannt. Ein fremdüblicher Zins hätte 5 % p.a. betragen. Mit dem Ansässigkeitsstaat der FabricCo besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. In der Betriebsprüfung wird der Gewinn der D-AG für das Jahr 2010 um 50 000 Euro erhöht. Zu Recht? Abwandlung: Wäre die Frage anders zu beurteilen, wenn das Darlehen deshalb zinslos ausgereicht wurde, um eine bereits bestehende Krisensituation der FabricCo nicht weiter zu vertiefen? Lösungsvorschlag.1 Rechtsgrundlage für eine entsprechende Korrektur könnte vorliegend § 1 AStG sein. Danach gilt, dass eine Minderung deutscher Einkünfte, die daraus resultiert, dass zwischen nahe stehenden Personen vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Konditionen vereinbart worden sind, für deutsch-steuerliche Zwecke nicht anerkannt wird. Im Beispielsfall heißt dies, dass der fremdübliche Zins von 5 %, also ein Betrag von 50 000 Euro, einkünfteerhöhend bei der D-AG berücksichtigt wird. Aus abkommensrechtlicher Sicht wird man diese Korrektur wohl nicht beanstanden können, weil § 1 AStG lediglich die in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA enthaltene Berichtigungsmöglichkeit ins innerstaatliche Recht umsetzt und weil beide Regelungen ein ähnliches Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes haben. Da § 1 AStG ebenso wie die §§ 7–14 AStG nur bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen eingreift, stellt sich allerdings die Frage nach der EU-rechtlichen Zulässigkeit. Im Schrifttum war man sich lange einig, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine ungerechtfertigte Beschränkung der EU-Grundfreiheiten handelt.2 Der EuGH hat jedoch in der Rs. „Société de Gestion Industrielle SA“ für eine vergleichbare belgische Regelung zum Ausdruck gebracht, dass eine Abweichung von Fremdvergleichsgrundsatz ein Indiz dafür sein kann, dass es sich bei der gewählten Gestaltung um eine künstliche Konstruktion handelt.3 Daher ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich möglich, bei Abweichungen vom Fremdvergleichsgrundsatz typisierend einen entsprechenden Gestaltungsmissbrauch mit der Folge anzunehmen, die gewünschten steuerlichen Folgen für deutsch-steuerliche Zwecke nicht anzuerkennen. Allerdings gilt auch hier, dass der Steuerpflichtige den typisierten Missbrauchsvorwurf widerlegen können muss.4 Für § 1 Abs. 1 AStG wird jedoch mit guten Argumenten bezweifelt, ob diese Vorschrift den vorstehenden Rechtfertigungsmaßstäben genügt, weil diese keine ausdrückliche Regelung für den Gegenbeweis enthält.5 Zu diesem Ergebnis kann man selbst dann gelangen, wenn die Finanzverwaltung durch BMF-Schr. einen (ungeschriebenen) Gegenbeweis zuließe. Denn die von einer nationalen Vorschrift ausgehende Beschränkung kann nur durch eine verbindliche Regelung geheilt werden.6 Dazu gehören aber weder Billigkeitsmaßnahmen noch Verwaltungserlasse. Der BFH hält allerdings eine die EU-rechtlichen Vorgaben herstellende, geltungserhaltende Er-
1 Vgl. ausführlich zu einem ähnlichen Fall bereits Schönfeld, IStR 2011, 219. 2 Ganz h.M., vgl. hierzu z.B. grundlegend Glahe, IStR 2010, 870 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; hiergegen z.B. Naumann/Sydow/Mitschke, IStR 2009, 665. 3 EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – Société de Gestion Industrielle SA, EuGHE 2010, I-8; dazu Andresen, IStR 2010, 289; Becker/Sydow, IStR 2010, 195; Bron, EWS 2010, 80; Englisch, IStR 2010, 139; Glahe, IStR 2010, 870; Scheipers/Linn, IStR 2010, 469; Thömmes, IWB 2010, 107; so bereits auch EuGH v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, EuGHE 2007, I-2107 Rz. 81 ff.; dazu z.B. Englisch, SWI 2007, 398 (406); Schön, JbFStR 2009/2010, 43 (80 f.); Schönfeld, IStR 2007, 260. 4 EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – Société de Gestion Industrielle SA, EuGHE 2010, I-8. 5 So z.B. Bron, EWS 2010, 80 (82); Glahe, IStR 2010, 870 (876); Stadler/Bindl, DB 2010, 862 (867); Thömmes, IWB 2010, 107 (112); Thömmes, JbFStR 2010/2011, 79 (88); a.A. Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (198). 6 Vgl. EuGH v. 8.5.1990, Rs. C-175/88 – Biehl, EuGHE 1990, I-1779 Rz. 18; bestätigt in EuGH v. 26.10.1995 – Rs. C-151/94 – Kommission vs. Luxemburg, EuGHE 1995, I-3685 Rz. 18; v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, EuGHE 1995, I-225 Rz. 56 f.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 172–173
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
weiterung einer nationalen Vorschrift für zulässig.1 Dem dürfte aber – anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen – im Rahmen von § 1 AStG entgegenstehen, dass der Gesetzgeber bislang (bewusst) nichts unternommen hat, um einen EU-rechtskonformen Zustand herzustellen. In einem solchen Fall sollte der Weg zu einer geltungserhaltenden Auslegung versperrt sein, um ein legislatives Unterlassen nicht auch noch zu belohnen. Folgt man dennoch der Auffassung des BFH, dann müsste vorliegend die D-AG einen wirtschaftlichen Grund für die Zinslosigkeit des Darlehens an die FabricCo vorbringen können. Im Ausgangsfall hat die D-AG aber nichts dazu vorgetragen, warum sie der FabricCo ein unverzinsliches Darlehen gewährt hat. Die bloße Unterstützung für eine neue Produktlinie dürfte nicht ausreichen. Anders dürfte es demgegenüber bei der Abwandlung liegen. Das Darlehen in der Krise wird typischerweise als tauglicher Rechtfertigungsgrund dafür angesehen, die Rechtsfolgen des § 1 AStG abzuwenden.2 Das zinslose Darlehen in der Krise könnte man im Übrigen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht für gerechtfertigt halten, weil auch das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot – wie gezeigt – dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Gegenbeweises einräumt, und zwar auch dann, wenn kein „Treaty override“ gegeben ist. 173
Fall 5: „Die ärgerliche Kapitalertragsteuer“ Sachverhalt. Der in Monaco lebende Edelmetallhändler John Gold hält insgesamt 20 % der Anteile an der deutschen D-GmbH. Da er die deutsche Abgeltungsteuer für vollkommen überflüssig hält, hat er die Anteile über seine in der Schweiz ansässige CH-Trade AG erworben, die mit Edelmetallen handelt und über ein Büro sowie einen Mitarbeiter verfügt. Nach Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz ist Deutschland die Erhebung von Kapitalertragsteuer versagt. In 2010 schüttet die D-GmbH eine Dividende i.H.v. 10 Mio. Euro aus, wovon 25 % KapESt zzgl. SolZ einbehalten und abgeführt werden. Aus dem Handel mit Edelmetallen erzielt die CH-Trade AG in 2010 einen Umsatz von 700 000 Euro. Das BZSt verweigert die Erstattung der KapESt, weil dem das 10 %-Erfordernis aktiver Bruttoerträge gem. § 50d Abs. 3 Nr. 2 EStG entgegenstünde. John Gold meint, das verstoße gegen das DBA, jedenfalls aber gegen EU-Recht. Zu Recht? Lösungsvorschlag. Bei § 50d Abs. 3 EStG in der bis zum 31.12.2011 anzuwendenden Fassung handelt es sich im Grunde um die Komplementärvorschrift zu den §§ 7–14 AStG im Inbound-Fall. Geht es bei der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG darum, eine ungerechtfertigte Verlagerung von Steuersubstrat ins Ausland im Outbound-Fall zu verhindern, versucht § 50d Abs. 3 EStG das durch ein treaty- und directive-shopping gefährdete deutsche Quellenbesteuerungsrecht im Inbound-Fall zu sichern. Im Beispielsfall wird die Möglichkeit des directive-shoppings dadurch bewirkt, dass die in Monaco ansässige natürliche Person für deutsche Dividenden eine Schweizer Gesellschaft zwischenschaltet. Denn während bei unmittelbarem Bezug der deutschen Dividenden keine Möglichkeit besteht, eine Entlastung von KapESt nach einem DBA oder nach der MTRL in Anspruch zu nehmen, kommt die zwischengeschaltete Schweizer Gesellschaft für Ausschüttungen der D-GmbH sehr wohl in den Genuss eines DBA-Schachtelprivilegs nach Art. 10 Abs. 3 DBASchweiz, d.h. eine Kapitalertragsteuerherabsetzung auf null. Allerdings verlangte § 50d Abs. 3 EStG a.F. dafür im Rahmen des Freistellungs- bzw. Erstattungsverfahrens vor dem BZSt, dass die folgenden drei Voraussetzungen dargelegt und nachgewiesen werden: Zunächst dürfen für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaften wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht fehlen (§ 50 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG a.F.). Ferner muss die ausländische Gesellschaft mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahrs aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielen (§ 50 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F.) und die ausländische Gesellschaft muss mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen (§ 50 Abs. 3 1 So für den EU-rechtlich gebotenen Gegenbeweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im Rahmen von §§ 7–14 i.V.m. § 20 AStG: BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774; für die EU-rechtlich gebotene Stundung der Wegzugsteuer im Rahmen von § 6 AStG a.F.: BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524. 2 Vgl. z.B. Thömmes, JbFStR 2010/2011, 79 ff.
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Schönfeld/Häck
H. „Missbrauch“ von DBA
Rz. 173 Systematik
Satz 1 Nr. 3 EStG a.F.). Im Beispielsfall könnte es bereits am Vorliegen wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe für die Einschaltung der CH-TradeCo fehlen. Letztlich scheitert aber die Erstattung der KapESt daran, dass die CH-TradeCo nicht mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahrs aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt. Denn Dividenden von nicht strategisch geleiteten Kapitalgesellschaften (aktive Beteiligungsverwaltung) sollen nicht zu den aktiven Bruttoerträgen gehören.1 Zudem erzielt die CH-TradeCo in 2010 aus dem Handel mit Edelmetallen lediglich einen Umsatz von 700 000 Euro. Hätte sie mehr als 1 Mio. Euro erzielt, dann wären die Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. wohl erfüllt gewesen. Genau an dieser 10 %-Typisierung störte sich die EU-Kommission. In dem eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik2 machte sie geltend, bei diesem Erfordernis handele es sich um eine Typisierung, für die dem Steuerpflichtigen nicht die Möglichkeit des Gegenbeweises offensteht. Im Verhältnis zur Schweiz dürften diese Überlegungen zwanglos übertragen werden können, weil ein entsprechendes Quellenbesteuerungsverbot nicht nur aus Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz folgt, sondern auch aus Art. 15 des Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.2004 (ZBstA). Die EU-rechtlichen Bedenken haben den Gesetzgeber des BeitrRLUmsG3 in Abstimmung mit der EUKommission dazu bewogen, insbesondere die 10 %-Typisierung in § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. vollständig zu streichen.4 Ob das ein wirklicher Segen für die Steuerpflichtigen war, darf aber wohl bezweifelt werden. Im Beispielsfall ist die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG allerdings ohnehin noch nicht anwendbar, da diese erst für Ausschüttungen ab dem 1.1.2011 greift. Daher kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend eine Kapitalertragsteuerherabsetzung nach der Neufassung in Betracht kommt. John Gold muss lediglich nachweisen, dass es sich bei der CH-TradeCo um keine künstliche Konstruktion handelt, die bar jeder wirtschaftlichen Realität ist. Dieser Nachweis wird ihm sehr einfach gelingen, wenn er nachweisen kann, dass die D-GmbH in einer wirtschaftlichen Beziehung zur CH-TradeCo steht. Andernfalls könnte es aufgrund des geringen Beteiligungsumfangs schwierig werden. Aus abkommensrechtlicher Sicht ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Protokollerklärung Nr. 2 zu Art. 23 DBA-Schweiz die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG ausdrücklich zulässt. Insoweit bewirkt § 50d Abs. 3 EStG im Verhältnis zur Schweiz keinen „Treaty override“, was nach hier vertretener Auffassung aber nichts daran ändert, den durch § 50d Abs. 3 EStG typisierten Missbrauchsvorwurf als Ausfluss des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebots widerlegen zu können. Ob dies im Beispielsfall gelingt, hängt – wie gesagt – davon ab, inwieweit die D-GmbH in einer wirtschaftlichen Beziehung zur CH-TradeCo steht. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass selbst dann, wenn keine Kapitalertragsteuerherabsetzung nach § 50d Abs. 1 oder 2 EStG in Betracht kommt, die CH-TradeCo möglicherweise eine Veranlagung in Deutschland unter Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG begehren kann. Denn hätte John Gold anstelle einer Schweizer Gesellschaft eine deutsche Kapitalgesellschaft zwischengeschaltet, dann wäre eine solche Veranlagung unzweifelhaft möglich. Der EuGH hat daher auch nur folgerichtig entschieden, dass in dieser Ungleichbehandlung eine Beschränkung der Grundfreiheiten liegt.5 Da die Veranlagung unter Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG nicht an ein bestimmtes Mindestbeteiligungserfordernis geknüpft ist, dürfte die daraus resultierende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nach (umstrittener) Rspr. des BFH auch im Verhältnis zu Drittstaaten (hier:
1 Vgl. BMF v. 30.1.2006 – IV B 1 -S 2411 - 4/06, BStBl. I 2006, 166; zur Tätigkeit einer geschäftsleitenden Holding vgl. auch bereits RFH v. 9.5.1939 – I 413/38, RStBl. 1939, 1059; ferner z.B. BFH v. 17.9.2003 – I R 95, 98/01, BFH/NV 2004, 808. 2 Aktenzeichen: 2007/4435. 3 Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (BeitrRLUmsG) v. 7.12.2011, BStBl. I 2011, 2592. 4 Zu weiteren Einzelheiten der Neufassung vgl. sogleich Fall 6, sowie Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80; Maerz/Guter, IWB 2011, 923; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857; Lüdicke, IStR 2012, 81. 5 EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, IStR 2011, 840 m. Anm. Linn.
Schönfeld/Häck
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Systematik Rz. 173–174
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
Schweiz) gerügt werden können.1 Selbst ein EU-rechtskonform ausgestatteter § 50d Abs. 3 EStG dürfte dabei einer Kapitalertragsteuererstattung im Rahmen einer Veranlagung nicht entgegenstehen. Denn als Rechtsfolge verweigert § 50d Abs. 3 EStG lediglich eine materielle Kapitalertragsteuerherabsetzung nach einem DBA oder der MTRL, nicht aber eine solche nach innerstaatlichem Steuerrecht. 174
Fall 6: „Auf nichts ist mehr Verlass“ Sachverhalt. Die in der Schweiz ansässige CH-Holding AG gehört zu einem international agierenden Konzern. Die Anteile an der CH-Holding AG werden aus Gründen des ausländischen Steuerrechts von einer auf den Cayman Islands ansässigen Ltd. gehalten. In der CH-Holding AG wird das gesamte Europa-Engagement der Gruppe gebündelt. Neben Anteilen an EU-Produktions- und Vertriebsgesellschaften hält die EU-HoldCo auch eine Beteiligung von 20 % an einem deutschen Wettbewerber. Anders als bei den übrigen Beteiligungen kann die CH-Holding AG aufgrund der geringen Beteiligungsquote ihren Willen nicht aktiv gegenüber der D-GmbH durchsetzen. Aufgrund der Änderung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG will das BZSt die bestehende Freistellungsbescheinigung für Dividenden der D-GmbH zum 1.1.2011 widerrufen. Zu Recht? Lösungsvorschlag. Die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG hat nunmehr folgenden Wortlaut (Änderungen kursiv hervorgehoben): „(3) 1Eine ausländische Gesellschaft hat keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach Absatz 1 oder Absatz 2, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie 1. für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder 2. die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt oder 2. die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.“
Entscheidend ist danach künftig (stark vereinfacht), dass für jede Einkunftsquelle der ausländischen Gesellschaft, für die eine Kapitalertragsteuerherabsetzung begehrt wird, der Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit geführt werden muss. Im Beispielsfall muss die CH-Holding AG daher nachweisen, dass die Dividenden aus der D-GmbH auf einer eigenen Wirtschaftstätigkeit beruhen. Die Finanzverwaltung wird dies vermutlich verneinen. Denn in dem zu § 50d Abs. 3 EStG n.F. ergangenen BMF werden nur Dividenden aus sog. geleiteten Gesellschaften als aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammend anerkannt.2 Letzteren Nachweis kann die CH-Holding AG vorliegend nicht führen, da sie lediglich über 20 % der Anteile an der D-GmbH verfügt. Von einer Leitung der Gesellschaft kann also in Ermangelung einer entsprechenden Beteiligungsquote keine Rede sein. Ob diese Schlussfolgerung allerdings auch EU-rechtlichen Anforderungen standhält, erscheint durchaus zweifelhaft.3 Denn nach dem europäischen Missbrauchsverständnis geht es nur um die Ausschaltung rein künstlicher Konstruktionen, die bar jeder wirtschaftlichen Realität sind. Davon dürfte aber keine Rede sein, wenn ein ausländischer Konzern sein gesamtes europäisches Engagement in einer Holding bündelt. Diese Überlegungen gelten im Übrigen – wie gezeigt – nicht nur innerhalb der EU, sondern wegen Art. 15 des Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.2004 (ZBstA) jedenfalls auch im Verhältnis zur Schweiz. Schließlich gilt auch hier, dass die CH-Holding AG für Dividenden aus der deutschen D-GmbH eine Veranlagung unter
1 Vgl. BFH v. 26.11.2008 – I R 7/08, BFHE 224, 50 m.w.N.; v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; v. 26.11.2008 – I R 7/08, IStR 2009, 244; a.A. BMF v. 21.3.2007 – IV B 7 - G 1421/0, BStBl. I 2007, 302. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. 3 Vgl. dazu auch Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80; Maerz/Guter, IWB 2011, 923; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857; Lüdicke, IStR 2012, 81.
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Schönfeld/Häck
H. „Missbrauch“ von DBA
Rz. 174–176 Systematik
Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG verlangen kann (vgl. Fall 5). Aufgrund der fünfprozentigen „Wegelagerergebühr“ des § 8b Abs. 5 KStG ist diese Option allerdings schlechter als eine vollständige Kapitalertragsteuerherabsetzung nach § 50d EStG. Fall 7: „Der erfreuliche Qualifikationskonflikt“ 175 Sachverhalt. Die deutsche D-AG ist Gesellschafterin der in der EU ansässigen TargetCo, die Deutschland nach dem Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft behandelt, der ausländische Staat jedoch als Steuersubjekt. Die TargetCo unterhält in ihrem Ansässigkeitsstaat eine Betriebsstätte. Nach dem DBA mit dem Ansässigkeitsstaat der TargetCo nimmt Deutschland die Betriebsstätteneinkünfte von der deutschen Besteuerung aus; im Übrigen entspricht das DBA dem OECD-MA. Die D-AG veräußert ihren Anteil an der ausländischen Gesellschaft. Kann Deutschland den Veräußerungsgewinn besteuern? Lösungsvorschlag. Nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ist die abkommensrechtliche Freistellung von Einkünften nicht zu gewähren, wenn „der andere Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind.“
Der Wortlaut dieser Vorschrift ist vorliegend erfüllt. Es liegt ein klassischer Qualifikationskonflikt vor. Deutschland besteuert den Veräußerungsgewinn nicht, weil aus deutscher Sicht die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils vorliegt. Als ggf. anteilige Veräußerung einer Betriebsstätte stellt Deutschland diesen Gewinn gem. Art. 23 steuerfrei. Der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft sieht sich ebenfalls an einer Besteuerung gehindert. Dies ergibt sich daraus, dass der Ansässigkeitsstaat für steuerliche Zwecke keine transparente Personengesellschaft, sondern eine Kapitalgesellschaft erblickt. Für die Veräußerung des Anteils an der Gesellschaft bringt der Ansässigkeitsstaat daher die Regelung des Art. 13 Abs. 5 zur Anwendung, welche Deutschland das Besteuerungsrecht zuweist. Insoweit beruht die Nichtbesteuerung auf einer unterschiedlichen Anwendung des DBA. Genau diesen Fall will § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG regeln. Sieht man darin einen „Treaty override“, dann stellt sich die Frage, ob der dadurch bewirkte verfassungsrechtliche Eingriff zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung gerechtfertigt werden kann. Darüber wird man durchaus streiten können, weil Deutschland auch dann nicht besteuert hätte, wenn der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ebenfalls eine transparente Personengesellschaft angenommen hätte, er aber nur eine geringe Steuer von z.B. 1 % erhoben hätte. Insoweit erscheint es etwas wertungswidersprüchlich, die fehlende Besteuerung durch den ausländischen Staat, die letztendlich in dessen Verantwortungsbereich liegt, durch einen unilateralen Akt unter Berufung auf das Gebot gleichmäßiger Besteuerung nachholen zu wollen. Fall 8: „Irgendwo sind auch Grenzen“ 176 Sachverhalt. Die deutsche D-AG unterhält in Griechenland eine gewerbliche Betriebsstätte zur Herstellung von Solarmodulen. Beide Staaten gehen übereinstimmend davon aus, dass die in der Betriebsstätte anfallenden Einkünfte der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Sie wenden übereinstimmend Art. III DBA-Griechenland an. Nach griechischem Steuerrecht sind die Betriebsstätteneinkünfte steuerbefreit, um einen steuerlichen Anreiz für die Herstellung von Produkten zur Erzeugung regenerativer Energien zu geben. Die Förderung wird unabhängig von der Ansässigkeit der Investoren gewährt, also auch an Inländer. Die EU-Kommission hat die Förderung als Beihilfe genehmigt, um Griechenland wieder auf die Beine zu helfen. Kann Deutschland die Betriebsstätteneinkünfte dennoch besteuern? Ändert sich etwas, wenn die Steuerbefreiung nur Ausländern gewährt wird? Lösungsvorschlag. Die Frage ist zu verneinen. Es sind bereits die Voraussetzungen von § 50d Abs. 9 EStG nicht erfüllt. Denn der BFH hat in seinem Urt. v. 24.8.20111 bestätigt, dass § 50d Abs. 9 EStG keine allgemeine „Subject-to-Tax clause“ enthält. Es würde in der Sache auch etwas zu weit gehen, wenn Deutschland einen Steuervorteil, der nach ausländischem Recht ausdrücklich gewährt werden soll und von der Euro1 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165.
Schönfeld/Häck
91
Systematik Rz. 176–177
Systematik der Doppelbesteuerungsabkommen
päischen Kommission als Beihilfe genehmigt wurde, einfach eliminieren würde. Genau diese Frage stellt sich aber in der Abwandlung, wenn die Steuerbefreiung nur Ausländern gewährt wird. In diesem Fall greift nämlich § 50d Abs. 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG ein. Es darf bezweifelt werden, ob der damit verbundene „Treaty override“ gerechtfertigt werden kann. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass die Kommission die Steuerbefreiung als EU-rechtliche Beihilfe genehmigt hat. 177
Fazit zu den Fallbeispielen. Zusammenfassend kann danach festgehalten werden, dass die Bekämpfung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von DBA auch durch nationale Regelungen grds. zulässig ist. Bewirkt die Anwendung der Missbrauchsbekämpfungsvorschrift jedoch einen „Treaty override“, so ist darin mit zunehmenden Stimmen in Rspr. und Schrifttum ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Rechtsstaatsprinzip zu sehen. Dieser Verstoß kann zwar zum Schutz tragender Verfassungsgrundsätze gerechtfertigt sein, wozu in Grenzen auch die aus Art. 3 GG resultierende Gewährleistung einer gleichmäßigen Besteuerung gehört. Das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot gibt aber dem Steuerpflichtigen in jedem Einzelfall die Möglichkeit, den (ggf. typisierten) Missbrauchsvorwurf zu widerlegen. Dies sollte bei freiheitsfreundlicher Auslegung der Grundrechte selbst dann gelten, wenn die Anwendung der Missbrauchsbekämpfungsvorschrift keinen „Treaty override“ bewirkt. Ähnliches gilt aus EU-rechtlicher Sicht, auch wenn sich das EU-Recht an einem „Treaty override“ nicht zu stören scheint. Die Grundfreiheiten sollen nicht durch rein künstliche Konstruktionen zweckentfremdet werden können, um einer mitgliedsstaatlichen Besteuerung zu entgehen. Die betroffenen Steuerpflichtigen müssen aber in jedem Fall die Möglichkeit haben, den (ggf. typisierten) Missbrauchsvorwurf zu widerlegen, und zwar indem nachgewiesen wird, dass die gewählte Gestaltung gerade keine künstliche Konstruktion darstellt, sondern über die notwendige wirtschaftliche Realität verfügt. Insoweit besteht eine deutliche Parallele zwischen dem Schutz durch die EU-Grundfreiheiten und den Grundrechten des GG. Lediglich wenn man eine eher konservative Sicht einnimmt und sowohl das verfassungsrechtliche Kollisionspotenzial des „Treaty override“ als auch den Schutzgehalt der Grundrechte bestreitet, bieten die EU-Grundfreiheiten einen effektiveren Schutz vor überschießenden Typisierungsregeln als die deutschen Grundrechte, was aufgrund der Parallelen insbesondere im Bereich des Verhältnismäßigkeitsgebots nicht so recht nachvollziehbar ist. Die bisherigen Versuche des Gesetzgebers, die EU-rechtlichen Vorgaben umzusetzen (z.B. in § 8 Abs. 2 AStG oder in § 50d Abs. 3 EStG n.F.) erscheinen im Ergebnis nicht ausreichend, teilweise wird der Versuch auch erst gar nicht unternommen (z.B. in § 1 AStG).
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Schönfeld/Häck
Abschnitt I. Geltungsbereich des Abkommens Artikel 1
Unter das Abkommen fallende Personen Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht/Völkerrecht . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
.. . . . . . . .
. . . . . . .
B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens. . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Persönlicher Abkommensschutz – Ansässige Person im Sinne des OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick/Vertragsstaat . . . . . . . . . . . 2. Abkommensberechtigung natürlicher Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abkommensberechtigung juristischer Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abkommensberechtigung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übereinstimmende Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt . . . . c) Übereinstimmende Einordnung als transparente Einheit (Mitunternehmerschaft) . . . . . . . . . . . . d) Unterschiedliche Einordnung durch die beteiligten Staaten . . . . . aa) Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Position der OECD . . . . . . . . . . cc) Position der Rechtsprechung . dd) Position der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Eigene Auffassung . . . . . . . . . . e) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaates transparent . . . bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaates Steuersubjekt . f) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters . . aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaates transparent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2 3 4 4 8 12 21 21
26 26 31 34 40 40 43
44 50 50 52 54 57 58
61 61 65
68
68
bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaates Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Sitzstaat der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaates transparent . . . . . . bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaates Steuersubjekt . . . . cc) Besonderheit – Kommanditgesellschaft auf Aktien . . . . . . . 5. Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . 6. Sondervergütungen . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sonstige Personenzusammenschlüsse, Vermögensmassen . . . . . . . . . . . . . C. Missbrauch von DBA . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Missbrauchsbekämpfung im Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Missbrauchsbekämpfung im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des § 42 AO . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zum Abkommensrecht . b) Basisgesellschaften. . . . . . . . . . . . . 3. Spezielle Vorschriften zu Missbrauchsvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . a) § 50d Absatz 3 EStG . . . . . . . . . . . . b) § 50d Absatz 8 EStG . . . . . . . . . . . . c) § 50d Absatz 9 Nr. 1 EStG . . . . . . . . d) § 50d Absatz 9 Nr. 2 EStG . . . . . . . . e) § 50d Absatz 10 EStG . . . . . . . . . . . f) § 20 Absatz 2 AStG . . . . . . . . . . . . . g) Hinzurechnungsbesteuerung. . . . .
70
72 72 74 75 76 77 80 85 85 88 95 95 96 96 99 101 102 105 107 108 109 110 113
D. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . 116 E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
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117 117 117 118 119 119 120 121 121 122
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Art. 1 IV. 1. 2. V. 1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2.
Unter das Abkommen fallende Personen
Großbritannien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . .
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123 123 124 125 125 126 127 127 128 129 129 130 131 131 132 133 133 134
X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2. XIV. 1. 2. XV. 1. 2.
Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
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135 135 136 137 137 138 139 139 140 141 141 142 143 143 144 145 145 146
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 1 CONCERNING THE PERSONS COVERED BY THE CONVENTION 1. Whereas the earliest conventions in general were applicable to “citizens” of the Contracting States, more recent conventions usually apply to “residents” of one or both of the Contracting States irrespective of nationality. Some conventions are of even wider scope because they apply more generally to “taxpayers” of the Contracting States; they are, therefore, also applicable to persons, who, although not residing in either State, are nevertheless liable to tax on part of their income or capital in each of them. It has been deemed preferable for practical reasons to provide that the Convention is to apply to persons who are residents of one or both of the Contracting States. The term “resident” is defined in Article 4. Application of the Convention to partnerships 2. Domestic laws differ in the treatment of partnerships. These differences create various difficulties when applying tax Conventions in relation to partnerships. These difficulties are analysed in the report by the Committee on Fiscal Affairs entitled “The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships”,1 the conclusions of which have been incorporated below and in the Commentary on various other provisions of the Model Tax Convention. 3. As discussed in that report, a main source of difficulties is the fact that some countries treat partnerships as taxable units (sometimes even as companies) whereas other countries adopt what may be referred to as the fiscally transparent approach, under which the partnership is ignored for tax purposes and the individual partners are taxed on their respective share of the partnership’s income. 4. A first difficulty is the extent to which a partnership is entitled as such to the benefits of the provisions of the Convention. Under Article 1, only persons who are residents of the Contracting States are entitled to the benefits of the tax Convention entered into by these States. While paragraph 2 of the Commentary on Article 3 explains
1 Reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(15)-1.
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Art. 1
OECD-Musterkommentar
why a partnership constitutes a person, a partnership does not necessarily qualify as a resident of a Contracting State under Article 4. 5. Where a partnership is treated as a company or taxed in the same way, it is a resident of the Contracting State that taxes the partnership on the grounds mentioned in paragraph 1 of Article 4 and, therefore, it is entitled to the benefits of the Convention. Where, however, a partnership is treated as fiscally transparent in a State, the partnership is not “liable to tax” in that State within the meaning of paragraph 1 of Article 4, and so cannot be a resident thereof for purposes of the Convention. In such a case, the application of the Convention to the partnership as such would be refused, unless a special rule covering partnerships were provided for in the Convention. Where the application of the Convention is so refused, the partners should be entitled, with respect to their share of the income of the partnership, to the benefits provided by the Conventions entered into by the States of which they are residents to the extent that the partnership’s income is allocated to them for the purposes of taxation in their State of residence (see paragraph 8.8 of the Commentary on Article 4). 6. The relationship between the partnership’s entitlement to the benefits of a tax Convention and that of the partners raises other questions. 6.1 One issue is the effect that the application of the provisions of the Convention to a partnership can have on the taxation of the partners. Where a partnership is treated as a resident of a Contracting State, the provisions of the Convention that restrict the other Contracting State’s right to tax the partnership on its income do not apply to restrict that other State’s right to tax the partners who are its own residents on their share of the income of the partnership. Some states may wish to include in their conventions a provision that expressly confirms a Contracting State’s right to tax resident partners on their share of the income of a partnership that is treated as a resident of the other State. 6.2 Another issue is that of the effect of the provisions of the Convention on a Contracting State’s right to tax income arising on its territory where the entitlement to the benefits of one, or more than one, Conventions is different for the partners and the partnership. Where, for instance, the State of source treats a domestic partnership as fiscally transparent and therefore taxes the partners on their share of the income of the partnership, a partner that is resident of a State that taxes partnerships as companies would not be able to claim the benefits of the Convention between the two States with respect to the share of the partnership’s income that the State of source taxes in his hands since that income, though allocated to the person claiming the benefits of the Convention under the laws of the State of source, is not similarly allocated for purposes of determining the liability to tax on that item of income in the State of residence of that person. 6.3 The results described in the preceding paragraph should obtain even if, as a matter of the domestic law of the State of source, the partnership would not be regarded as transparent for tax purposes but as a separate taxable entity to which the income would be attributed, provided that the partnership is not actually considered as a resident of the State of source. This conclusion is founded upon the principle that the State of source should take into account, as part of the factual context in which the Convention is to be applied, the way in which an item of income, arising in its jurisdiction, is treated in the jurisdiction of the person claiming the benefits of the Convention as a resident. For States which could not agree with this interpretation of the Article, it would be possible to provide for this result in a special provision which would avoid the resulting potential double taxation where the income of the partnership is differently allocated by the two States. 6.4 Where, as described in paragraph 6.2, income has “flowed through” a transparent partnership to the partners who are liable to tax on that income in the State of their residence then the income is appropriately viewed as “paid” to the partners since it is to them and not to the partnership that the income is allocated for purposes of determining their tax liability in their State of residence. Hence the partners, in these circumstances, satisfy the condition, imposed in several Articles, that the income concerned is “paid to a resident of the other Contracting State”. Similarly the Dremel
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Art. 1
Unter das Abkommen fallende Personen
requirement, imposed by some other Articles, that income or gains are “derived by a resident of the other Contracting State” is met in the circumstances described above. This interpretation avoids denying the benefits of tax Conventions to a partnership’s income on the basis that neither the partnership, because it is not a resident, nor the partners, because the income is not directly paid to them or derived by them, can claim the benefits of the Convention with respect to that income. Following from the principle discussed in paragraph 6.3, the conditions that the income be paid to, or derived by, a resident should be considered to be satisfied even where, as a matter of the domestic law of the State of source, the partnership would not be regarded as transparent for tax purposes, provided that the partnership is not actually considered as a resident of the State of source. 6.5 Partnership cases involving three States pose difficult problems with respect to the determination of entitlement to benefits under Conventions. However, many problems may be solved through the application of the principles described in paragraphs 6.2 to 6.4. Where a partner is a resident of one State, the partnership is established in another State and the partner shares in partnership income arising in a third State then the partner may claim the benefits of the Convention between his State of residence and the State of source of the income to the extent that the partnership’s income is allocated to him for the purposes of taxation in his State of residence. If, in addition, the partnership is taxed as a resident of the State in which it is established then the partnership may itself claim the benefits of the Convention between the State in which it is established and the State of source. In such a case of “double benefits”, the State of source may not impose taxation which is inconsistent with the terms of either applicable Convention; therefore, where different rates are provided for in the two Conventions, the lower will be applied. However, Contracting States may wish to consider special provisions to deal with the administration of benefits under Conventions in situations such as these, so that the partnership may claim benefits but partners could not present concurrent claims. Such provisions could ensure appropriate and simplified administration of the giving of benefits. No benefits will be available under the Convention between the State in which the partnership is established and the State of source if the partnership is regarded as transparent for tax purposes by the State in which it is established. Similarly no benefits will be available under the Convention between the State of residence of the partner and the State of source if the income of the partnership is not allocated to the partner under the taxation law of the State of residence. If the partnership is regarded as transparent for tax purposes by the State in which it is established and the income of the partnership is not allocated to the partner under the taxation law of the State of residence of the partner, the State of source may tax partnership income allocable to the partner without restriction. 6.6 Differences in how countries apply the fiscally transparent approach may create other difficulties for the application of tax Conventions. Where a State considers that a partnership does not qualify as a resident of a Contracting State because it is not liable to tax and the partners are liable to tax in their State of residence on their share of the partnership’s income, it is expected that that State will apply the provisions of the Convention as if the partners had earned the income directly so that the classification of the income for purposes of the allocative rules of Articles 6 to 21 will not be modified by the fact that the income flows through the partnership. Difficulties may arise, however, in the application of provisions which refer to the activities of the taxpayer, the nature of the taxpayer, the relationship between the taxpayer and another party to a transaction. Some of these difficulties are discussed in paragraphs 19.1 of the Commentary on Article 5 and paragraphs 6.1 and 6.2 of the Commentary on Article 15. 6.7 Finally, a number of other difficulties arise where different rules of the Convention are applied by the Contracting States to income derived by a partnership or its partners, depending on the domestic laws of these States or their interpretation of the provisions of the Convention or of the relevant facts. These difficulties relate
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to the broader issue of conflicts of qualification, which is dealt with in paragraphs 32.1 ff. and 56.1 ff. of the Commentary on Article 23. Cross-Border Issues Relating to Collective Investment Vehicles 6.8 Most countries have dealt with the domestic tax issues arising from groups of small investors who pool their funds in collective investment vehicles (CIVs). In general, the goal of such systems is to provide for neutrality between direct investments and investments through a CIV. Whilst those systems generally succeed when the investors, the CIV and the investment are all located in the same country, complications frequently arise when one or more of those parties or the investments are located in different countries. These complications are discussed in the report by the Committee on Fiscal Affairs entitled “The Granting of Treaty Benefits with Respect to the Income of Collective Investment Vehicles”,1 the main conclusions of which have been incorporated below. For purposes of the Report and for this discussion, the term “CIV” is limited to funds that are widely-held, hold a diversified portfolio of securities and are subject to investor-protection regulation in the country in which they are established. Application of the Convention to CIVs 6.9 The primary question that arises in the cross-border context is whether a CIV should qualify for the benefits of the Convention in its own right. In order to do so under treaties that, like the Convention, do not include a specific provision dealing with CIVs, a CIV would have to qualify as a “person” that is a “resident” of a Contracting State and, as regards the application of Articles 10 and 11, that is the “beneficial owner” of the income that it receives. 6.10 The determination of whether a CIV should be treated as a “person” begins with the legal form of the CIV, which differs substantially from country to country and between the various types of vehicles. In many countries, most CIVs take the form of a company. In others, the CIV typically would be a trust. In still others, many CIVs are simple contractual arrangements or a form of joint ownership. In most cases, the CIV would be treated as a taxpayer or a “person” for purposes of the tax law of the State in which it is established; for example, in some countries where the CIV is commonly established in the form of a trust, either the trust itself, or the trustees acting collectively in their capacity as such, is treated as a taxpayer or a person for domestic tax law purposes. In view of the wide meaning to be given to the term “person”, the fact that the tax law of the country where such a CIV is established would treat it as a taxpayer would be indicative that the CIV is a “person” for treaty purposes. Contracting States wishing to expressly clarify that, in these circumstances, such CIVs are persons for the purposes of their conventions may agree bilaterally to modify the definition of “person” to include them. 6.11 Whether a CIV is a “resident” of a Contracting State depends not on its legal form (as long as it qualifies as a person) but on its tax treatment in the State in which it is established. Although a consistent goal of domestic CIV regimes is to ensure that there is only one level of tax, at either the CIV or the investor level, there are a number of different ways in which States achieve that goal. In some States, the holders of interests in the CIV are liable to tax on the income received by the CIV, rather than the CIV itself being liable to tax on such income. Such a fiscally transparent CIV would not be treated as a resident of the Contracting State in which it is established because it is not liable to tax therein. 6.12 By contrast, in other States, a CIV is in principle liable to tax but its income may be fully exempt, for instance, if the CIV fulfils certain criteria with regard to its purpose, activities or operation, which may include requirements as to minimum distributions, its sources of income and sometimes its sectors of operation. More frequently, CIVs are subject to tax but the base for taxation is reduced, in a variety of 1 Reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(24)-1.
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different ways, by reference to distributions paid to investors. Deductions for distributions will usually mean that no tax is in fact paid. Other States tax CIVs but at a special low tax rate. Finally, some States tax CIVs fully but with integration at the investor level to avoid double taxation of the income of the CIV. For those countries that adopt the view, reflected in paragraph 8.6 of the Commentary on Article 4, that a person may be liable to tax even if the State in which it is established does not impose tax, the CIV would be treated as a resident of the State in which it is established in all of these cases because the CIV is subject to comprehensive taxation in that State. Even in the case where the income of the CIV is taxed at a zero rate, or is exempt from tax, the requirements to be treated as a resident may be met if the requirements to qualify for such lower rate or exemption are sufficiently stringent. 6.13 Those countries that adopt the alternative view, reflected in paragraph 8.7 of the Commentary on Article 4, that an entity that is exempt from tax therefore is not liable to tax may not view some or all of the CIVs described in the preceding paragraph as residents of the States in which they are established. States taking the latter view, and those States negotiating with such States, are encouraged to address the issue in their bilateral negotiations. 6.14 Some countries have questioned whether a CIV, even if it is a “person” and a “resident”, can qualify as the beneficial owner of the income it receives. Because a “CIV” as defined in paragraph 6.8 above must be widely-held, hold a diversified portfolio of securities and be subject to investor-protection regulation in the country in which it is established, such a CIV, or its managers, often perform significant functions with respect to the investment and management of the assets of the CIV. Moreover, the position of an investor in a CIV differs substantially, as a legal and economic matter, from the position of an investor who owns the underlying assets, so that it would not be appropriate to treat the investor in such a CIV as the beneficial owner of the income received by the CIV. Accordingly, a vehicle that meets the definition of a widely-held CIV will also be treated as the beneficial owner of the dividends and interest that it receives, so long as the managers of the CIV have discretionary powers to manage the assets generating such income (unless an individual who is a resident of that State who would have received the income in the same circumstances would not have been considered to be the beneficial owner thereof). 6.15 Because these principles are necessarily general, their application to a particular type of CIV might not be clear to the CIV, investors and intermediaries. Any uncertainty regarding treaty eligibility is especially problematic for a CIV, which must take into account amounts expected to be received, including any withholding tax benefits provided by treaty, when it calculates its net asset value (“NAV”). The NAV, which typically is calculated daily, is the basis for the prices used for subscriptions and redemptions. If the withholding tax benefits ultimately obtained by the CIV do not correspond to its original assumptions about the amount and timing of such withholding tax benefits, there will be a discrepancy between the real asset value and the NAV used by investors who have purchased, sold or redeemed their interests in the CIV in the interim. 6.16 In order to provide more certainty under existing treaties, tax authorities may want to reach a mutual agreement clarifying the treatment of some types of CIVs in their respective States. With respect to some types of CIVs, such a mutual agreement might simply confirm that the CIV satisfies the technical requirements discussed above and therefore is entitled to benefits in its own right. In other cases, the mutual agreement could provide a CIV an administratively feasible way to make claims with respect to treaty-eligible investors (see paragraphs 36 to 40 of the report “The Granting of Treaty Benefits with Respect to the Income of Collective Investment Vehicles” for a discussion of this issue). Of course, a mutual agreement could not cut back on benefits that otherwise would be available to the CIV under the terms of a treaty. Policy issues raised by the current treatment of collective investment vehicles 6.17 The same considerations would suggest that treaty negotiators address expressly the treatment of CIVs. Thus, even if it appears that CIVs in each of the Con98
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tracting States would be entitled to benefits, it may be appropriate to confirm that position publicly (for example, through an exchange of notes) in order to provide certainty. It may also be appropriate to expressly provide for the treaty entitlement of CIVs by including, for example, a provision along the following lines: Notwithstanding the other provisions of this Convention, a collective investment vehicle which is established in a Contracting State and which receives income arising in the other Contracting State shall be treated, for purposes of applying the Convention to such income, as an individual who is a resident of the Contracting State in which it is established and as the beneficial owner of the income it receives (provided that, if an individual who is a resident of the first-mentioned State had received the income in the same circumstances, such individual would have been considered to be the beneficial owner thereof). For purposes of this paragraph, the term “collective investment vehicle” means, in the case of [State A], a [ ] and, in the case of [State B], a [ ], as well as any other investment fund, arrangement or entity established in either Contracting State which the competent authorities of the Contracting States agree to regard as a collective investment vehicle for purposes of this paragraph. 6.18 However, in negotiating new treaties or amendments to existing treaties, the Contracting States would not be restricted to clarifying the results of the application of other treaty provisions to CIVs, but could vary those results to the extent necessary to achieve policy objectives. For example, in the context of a particular bilateral treaty, the technical analysis may result in CIVs located in one of the Contracting States qualifying for benefits, whilst CIVs in the other Contracting State may not. This may make the treaty appear unbalanced, although whether it is so in fact will depend on the specific circumstances. If it is, then the Contracting States should attempt to reach an equitable solution. If the practical result in each of the Contracting States is that most CIVs do not in fact pay tax, then the Contracting States should attempt to overcome differences in legal form that might otherwise cause those in one State to qualify for benefits and those in the other to be denied benefits. On the other hand, the differences in legal form and tax treatment in the two Contracting States may mean that it is appropriate to treat CIVs in the two States differently. In comparing the taxation of CIVs in the two States, taxation in the source State and at the investor level should be considered, not just the taxation of the CIV itself. The goal is to achieve neutrality between a direct investment and an investment through a CIV in the international context, just as the goal of most domestic provisions addressing the treatment of CIVs is to achieve such neutrality in the wholly domestic context. 6.19 A Contracting State may also want to consider whether existing treaty provisions are sufficient to prevent CIVs from being used in a potentially abusive manner. It is possible that a CIV could satisfy all of the requirements to claim treaty benefits in its own right, even though its income is not subject to much, if any, tax in practice. In that case, the CIV could present the opportunity for residents of third countries to receive treaty benefits that would not have been available had they invested directly. Accordingly, it may be appropriate to restrict benefits that might otherwise be available to such a CIV, either through generally applicable anti-abuse or anti-treaty shopping rules (as discussed under “Improper use of the Convention” below) or through a specific provision dealing with CIVs. 6.20 In deciding whether such a provision is necessary, Contracting States will want to consider the economic characteristics, including the potential for treaty shopping, presented by the various types of CIVs that are prevalent in each of the Contracting States. For example, a CIV that is not subject to any taxation in the State in which it is established may present more of a danger of treaty shopping than one in which the CIV itself is subject to an entity-level tax or where distributions to non-resident investors are subject to withholding tax. Possible provisions modifying the treatment of CIVs 6.21 Where the Contracting States have agreed that a specific provision dealing with CIVs is necessary to address the concerns described in paragraphs 6.18 through 6.20, they could include in the bilateral treaty the following provision: Dremel
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a) Notwithstanding the other provisions of this Convention, a collective investment vehicle which is established in a Contracting State and which receives income arising in the other Contracting State shall be treated for purposes of applying the Convention to such income as an individual who is a resident of the Contracting State in which it is established and as the beneficial owner of the income it receives (provided that, if an individual who is a resident of the first-mentioned State had received the income in the same circumstances, such individual would have been considered to be the beneficial owner thereof), but only to the extent that the beneficial interests in the collective investment vehicle are owned by equivalent beneficiaries. b) For purposes of this paragraph: (i) the term “collective investment vehicle” means, in the case of [State A], a [ ] and, in the case of [State B], a [ ], as well as any other investment fund, arrangement or entity established in either Contracting State which the competent authorities of the Contracting States agree to regard as a collective investment vehicle for purposes of this paragraph; and (ii) the term “equivalent beneficiary” means a resident of the Contracting State in which the CIV is established, and a resident of any other State with which the Contracting State in which the income arises has an income tax convention that provides for effective and comprehensive information exchange who would, if he received the particular item of income for which benefits are being claimed under this Convention, be entitled under that convention, or under the domestic law of the Contracting State in which the income arises, to a rate of tax with respect to that item of income that is at least as low as the rate claimed under this Convention by the CIV with respect to that item of income. 6.22 It is intended that the Contracting States would provide in subdivision b)(i) specific cross-references to relevant tax or securities law provisions relating to CIVs. In deciding which treatment should apply with respect to particular CIVs, Contracting States should take into account the policy considerations discussed above. Negotiators may agree that economic differences in the treatment of CIVs in the two Contracting States, or even within the same Contracting State, justify differential treatment in the tax treaty. In that case, some combination of the provisions in this section might be included in the treaty. 6.23 The effect of allowing benefits to the CIV to the extent that it is owned by “equivalent beneficiaries” as defined in subdivision b)(ii) is to ensure that investors who would have been entitled to benefits with respect to income derived from the source State had they received the income directly are not put in a worse position by investing through a CIV located in a third country. The approach thus serves the goals of neutrality as between direct investments and investments through a CIV. It also decreases the risk of double taxation as between the source State and the State of residence of the investor, to the extent that there is a tax treaty between them. It is beneficial for investors, particularly those from small countries, who will consequently enjoy a greater choice of investment vehicles. It also increases economies of scale, which are a primary economic benefit of investing through CIVs. Finally, adopting this approach substantially simplifies compliance procedures. In many cases, nearly all of a CIV’s investors will be “equivalent beneficiaries”, given the extent of bilateral treaty coverage and the fact that rates in those treaties are nearly always 10–15 per cent on portfolio dividends. 6.24 At the same time, the provision prevents a CIV from being used by investors to achieve a better tax treaty position than they would have achieved by investing directly. This is achieved through the rate comparison in the definition of “equivalent beneficiary”. Accordingly, the appropriate comparison is between the rate claimed by the CIV and the rate that the investor could have claimed had it received the income directly. For example, assume that a CIV established in State B receives dividends from a company resident in State A. Sixty-five per cent of the investors in the CIV are individual residents of State B; ten per cent are pension funds established in 100
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State C and 25 per cent are individual residents of State C. Under the A–B tax treaty, portfolio dividends are subject to a maximum tax rate at source of ten per cent. Under the A–C tax treaty, pension funds are exempt from taxation in the source State and other portfolio dividends are subject to tax at a maximum tax rate of 15 per cent. Both the A–B and A–C treaties include effective and comprehensive information exchange provisions. On these facts, 75 per cent of the investors in the CIV – the individual residents of State B and the pension funds established in State C – are equivalent beneficiaries. 6.25 A source State may also be concerned about the potential deferral of taxation that could arise with respect to a CIV that is subject to no or low taxation and that may accumulate its income rather than distributing it on a current basis. Such States may be tempted to limit benefits to the CIV to the proportion of the CIV’s investors who are currently taxable on their share of the income of the CIV. However, such an approach has proven difficult to apply to widely-held CIVs in practice. Those States that are concerned about the possibility of such deferral may wish to negotiate provisions that extend benefits only to those CIVs that are required to distribute earnings currently. Other States may be less concerned about the potential for deferral, however. They may take the view that, even if the investor is not taxed currently on the income received by the CIV, it will be taxed eventually, either on the distribution, or on any capital gains if it sells its interest in the CIV before the CIV distributes the income. Those States may wish to negotiate provisions that grant benefits to CIVs even if they are not obliged to distribute their income on a current basis. Moreover, in many States, the tax rate with respect to investment income is not significantly higher than the treaty withholding rate on dividends, so there would be little, if any, residence State tax deferral to be achieved by earning such income through an investment fund rather than directly. In addition, many States have taken steps to ensure the current taxation of investment income earned by their residents through investment funds, regardless of whether the funds accumulate that income, further reducing the potential for such deferral. When considering the treatment of CIVs that are not required to distribute income currently, States may want to consider whether these or other factors address the concerns described above so that the type of limits described herein might not in fact be necessary. 6.26 Some States believe that taking all treaty-eligible investors, including those in third States, into account would change the bilateral nature of tax treaties. These States may prefer to allow treaty benefits to a CIV only to the extent that the investors in the CIV are residents of the Contracting State in which the CIV is established. In that case, the provision would be drafted as follows: a) Notwithstanding the other provisions of this Convention, a collective investment vehicle which is established in a Contracting State and which receives income arising in the other Contracting State shall be treated for purposes of applying the Convention to such income as an individual who is a resident of the Contracting State in which it is established and as the beneficial owner of the income it receives (provided that, if an individual who is a resident of the first-mentioned State had received the income in the same circumstances, such individual would have been considered to be the beneficial owner thereof), but only to the extent that the beneficial interests in the collective investment vehicle are owned by residents of the Contracting State in which the collective investment vehicle is established. b) For purposes of this paragraph, the term “collective investment vehicle” means, in the case of [State A], a [ ] and, in the case of [State B], a [ ], as well as any other investment fund, arrangement or entity established in either Contracting State which the competent authorities of the Contracting States agree to regard as a collective investment vehicle for purposes of this paragraph. 6.27 Although the purely proportionate approach set out in paragraphs 6.21 and 6.26 protects against treaty shopping, it may also impose substantial administrative burdens as a CIV attempts to determine the treaty entitlement of every single investor. A Contracting State may decide that the fact that a substantial proportion of the CIV’s investors are treaty-eligible is adequate protection against treaty shopping, Dremel
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and thus that it is appropriate to provide an ownership threshold above which benefits would be provided with respect to all income received by the CIV. Including such a threshold would also mitigate some of the procedural burdens that otherwise might arise. If desired, therefore, the following sentence could be added at the end of subparagraph a): However, if at least [ ] per cent of the beneficial interests in the collective investment vehicle are owned by [equivalent beneficiaries][residents of the Contracting State in which the collective investment vehicle is established], the collective investment vehicle shall be treated as an individual who is a resident of the Contracting State in which it is established and as the beneficial owner of all of the income it receives (provided that, if an individual who is a resident of the firstmentioned State had received the income in the same circumstances, such individual would have been considered to be the beneficial owner thereof). 6.28 In some cases, the Contracting States might wish to take a different approach from that put forward in paragraphs 6.17, 6.21 and 6.26 with respect to certain types of CIVs and to treat the CIV as making claims on behalf of the investors rather than in its own name. This might be true, for example, if a large percentage of the owners of interests in the CIV as a whole, or of a class of interests in the CIV, are pension funds that are exempt from tax in the source country under terms of the relevant treaty similar to those described in paragraph 69 of the Commentary on Article 18. To ensure that the investors would not lose the benefit of the preferential rates to which they would have been entitled had they invested directly, the Contracting States might agree to a provision along the following lines with respect to such CIVs (although likely adopting one of the approaches of paragraph 6.17, 6.21 or 6.26 with respect to other types of CIVs): a) A collective investment vehicle described in subparagraph c) which is established in a Contracting State and which receives income arising in the other Contracting State shall not be treated as a resident of the Contracting State in which it is established, but may claim, on behalf of the owners of the beneficial interests in the collective investment vehicle, the tax reductions, exemptions or other benefits that would have been available under this Convention to such owners had they received such income directly. b) A collective investment vehicle may not make a claim under subparagraph a) for benefits on behalf of any owner of the beneficial interests in such collective investment vehicle if the owner has itself made an individual claim for benefits with respect to income received by the collective investment vehicle. c) This paragraph shall apply with respect to, in the case of [State A], a [ ] and, in the case of [State B], a [ ], as well as any other investment fund, arrangement or entity established in either Contracting State to which the competent authorities of the Contracting States agree to apply this paragraph. This provision would, however, limit the CIV to making claims on behalf of residents of the same Contracting State in which the CIV is established. If, for the reasons described in paragraph 6.23, the Contracting States deemed it desirable to allow the CIV to make claims on behalf of treaty-eligible residents of third States, that could be accomplished by replacing the words “this Convention” with “any Convention to which the other Contracting State is a party” in subparagraph a). If, as anticipated, the Contracting States would agree that the treatment provided in this paragraph would apply only to specific types of CIVs, it would be necessary to ensure that the types of CIVs listed in subparagraph c) did not include any of the types of CIVs listed in a more general provision such as that in paragraph 6.17, 6.21 or 6.26 so that the treatment of a specific type of CIV would be fixed, rather than elective. Countries wishing to allow individual CIVs to elect their treatment, either with respect to the CIV as a whole or with respect to one or more classes of interests in the CIV, are free to modify the paragraph to do so. 6.29 Under either the approach in paragraphs 6.21 and 6.26 or in paragraph 6.28, it will be necessary for the CIV to make a determination regarding the proportion of holders of interests who would have been entitled to benefits had they invested di102
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rectly. Because ownership of interests in CIVs changes regularly, and such interests frequently are held through intermediaries, the CIV and its managers often do not themselves know the names and treaty status of the beneficial owners of interests. It would be impractical for the CIV to collect such information from the relevant intermediaries on a daily basis. Accordingly, Contracting States should be willing to accept practical and reliable approaches that do not require such daily tracing. 6.30 For example, in many countries the CIV industry is largely domestic, with an overwhelming percentage of investors resident in the country in which the CIV is established. In some cases, tax rules discourage foreign investment by imposing a withholding tax on distributions, or securities laws may severely restrict offerings to nonresidents. Governments should consider whether these or other circumstances provide adequate protection against investment by non-treaty-eligible residents of third countries. It may be appropriate, for example, to assume that a CIV is owned by residents of the State in which it is established if the CIV has limited distribution of its shares or units to the State in which the CIV is established or to other States that provide for similar benefits in their treaties with the source State. 6.31 In other cases, interests in the CIV are offered to investors in many countries. Although the identity of individual investors will change daily, the proportion of investors in the CIV that are treaty-entitled is likely to change relatively slowly. Accordingly, it would be a reasonable approach to require the CIV to collect from other intermediaries, on specified dates, information enabling the CIV to determine the proportion of investors that are treaty-entitled. This information could be required at the end of a calendar or fiscal year or, if market conditions suggest that turnover in ownership is high, it could be required more frequently, although no more often than the end of each calendar quarter. The CIV could then make a claim on the basis of an average of those amounts over an agreed-upon time period. In adopting such procedures, care would have to be taken in choosing the measurement dates to ensure that the CIV would have enough time to update the information that it provides to other payers so that the correct amount is withheld at the beginning of each relevant period. 6.32 An alternative approach would provide that a CIV that is publicly traded in the Contracting State in which it is established will be entitled to treaty benefits without regard to the residence of its investors. This provision has been justified on the basis that a publicly-traded CIV cannot be used effectively for treaty shopping because the shareholders or unitholders of such a CIV cannot individually exercise control over it. Such a provision could read: a) Notwithstanding the other provisions of this Convention, a collective investment vehicle which is established in a Contracting State and which receives income arising in the other Contracting State shall be treated for purposes of applying the Convention to such income as an individual who is a resident of the Contracting State in which it is established and as the beneficial owner of the income it receives (provided that, if an individual who is a resident of the first-mentioned State had received the income in the same circumstances, such individual would have been considered to be the beneficial owner thereof), if the principal class of shares or units in the collective investment vehicle is listed and regularly traded on a regulated stock exchange in that State. b) For purposes of this paragraph, the term “collective investment vehicle” means, in the case of [State A], a [ ] and, in the case of [State B], a [ ], as well as any other investment fund, arrangement or entity established in either Contracting State which the competent authorities of the Contracting States agree to regard as a collective investment vehicle for purposes of this paragraph. 6.33 Each of the provisions in paragraphs 6.17, 6.21, 6.26 and 6.32 treats the CIV as the resident and the beneficial owner of the income it receives for the purposes of the application of the Convention to such income, which has the simplicity of providing for one reduced rate of withholding with respect to each type of income. These provisions should not be construed, however, as restricting in any way the right of the State of source from taxing its own residents who are investors in the CIV. Clearly, these provisions are intended to deal with the source taxation of the CIV’s income Dremel
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and not the residence taxation of its investors (this conclusion is analogous to the one put forward in paragraph 6.1 above as regards partnerships). States that wish to confirm this point in the text of the provisions are free to amend the provisions accordingly, which could be done by adding the following sentence: “This provision shall not be construed as restricting in any way a Contracting State’s right to tax the residents of that State”. 6.34 Also, each of these provisions is intended only to provide that the specific characteristics of the CIV will not cause it to be treated as other than the beneficial owner of the income it receives. Therefore, a CIV will be treated as the beneficial owner of all of the income it receives. The provision is not intended, however, to put a CIV in a different or better position than other investors with respect to aspects of the beneficial ownership requirement that are unrelated to the CIV’s status as such. Accordingly, where an individual receiving an item of income in certain circumstances would not be considered as the beneficial owner of that income, a CIV receiving that income in the same circumstances could not be deemed to be the beneficial owner of the income. This result is confirmed by the parenthetical limiting the application of the provision to situations in which an individual in the same circumstances would have been treated as the beneficial owner of the income. Application of the Convention to States, their subdivisions and their wholly-owned entities 6.35 Paragraph 1 of Article 4 provides that the Contracting States themselves, their political subdivisions and their local authorities are included in the definition of a “resident of a Contracting State” and are therefore entitled to the benefits of the Convention (paragraph 8.4 of the Commentary on Article 4 explains that the inclusion of these words in 1995 confirmed the prior general understanding of most member States). 6.36 Issues may arise, however, in the case of entities set up and wholly-owned by a State or one of its political subdivisions or local authorities. Some of these entities may derive substantial income from other countries and it may therefore be important to determine whether tax treaties apply to them (this would be the case, for instance, of sovereign wealth funds: see paragraph 8.5 of the Commentary on Article 4). In many cases, these entities are totally exempt from tax and the question may arise as to whether they are entitled to the benefits of the tax treaties concluded by the State in which they are set up. In order to clarify the issue, some States modify the definition of “resident of a Contracting State” in paragraph 1 of Article 4 and include in that definition a “statutory body”, an “agency or instrumentality” or a “legal person of public law” [personne morale de droit public] of a State, a political subdivision or local authority, which would therefore cover wholly-owned entities that are not considered to be a part of the State or its political subdivisions or local authorities. 6.37 In addition, many States include specific provisions in their bilateral conventions that grant an exemption to other States, and to some State-owned entities such as central banks, with respect to certain items of income such as interest (see paragraph 13.2 of the Commentary on Article 10 and paragraph 7.4 of the Commentary on Article 11). Treaty provisions that grant a tax exemption with respect to the income of pension funds (see paragraph 69 of the Commentary on Article 18) may similarly apply to pension funds that are wholly-owned by a State, depending on the wording of these provisions and the nature of the fund. 6.38 The application of the Convention to each Contracting State, its political subdivisions, and local authorities (and their statutory bodies, agencies or instrumentalities in the case of bilateral treaties that apply to such entities) should not be interpreted, however, as affecting in any way the possible application by each State of the customary international law principle of sovereign immunity. According to this principle, a sovereign State (including its agents, its property and activities) is, as a general rule, immune from the jurisdiction of the courts of another sovereign State. There is no international consensus, however, on the precise limits of the sovereign immunity principle. Most States, for example, would not recognise that the principle applies to business activities and many States do not recognise any application of this 104
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principle in tax matters. There are therefore considerable differences between States as regards the extent, if any, to which that principle applies to taxation. Even among States that would recognise its possible application in tax matters, some apply it only to the extent that it has been incorporated into domestic law and others apply it as customary international law but subject to important limitations. The Convention does not prejudge the issues of whether and to what extent the principle of sovereign immunity applies with respect to the persons covered under Article 1 and the taxes covered under Article 2 and each Contracting State is therefore free to apply its own interpretation of that principle as long as the resulting taxation, if any, is in conformity with the provisions of its bilateral tax conventions. 6.39 States often take account of various factors when considering whether and to what extent tax exemptions should be granted, through specific treaty or domestic law provisions or through the application of the sovereign immunity doctrine, with respect to the income derived by other States, their political subdivisions, local authorities, or their statutory bodies, agencies or instrumentalities. These factors would include, for example, whether that type of income would be exempt on a reciprocal basis, whether the income is derived from activities of a governmental nature as opposed to activities of a commercial nature, whether the assets and income of the recipient entity are used for public purposes, whether there is any possibility that these could inure to the benefit of a non-governmental person and whether the income is derived from a portfolio or direct investment. Improper use of the Convention 7. The principal purpose of double taxation conventions is to promote, by eliminating international double taxation, exchanges of goods and services, and the movement of capital and persons. It is also a purpose of tax conventions to prevent tax avoidance and evasion. 7.1 Taxpayers may be tempted to abuse the tax laws of a State by exploiting the differences between various countries’ laws. Such attempts may be countered by provisions or jurisprudential rules that are part of the domestic law of the State concerned. Such a State is then unlikely to agree to provisions of bilateral double taxation conventions that would have the effect of allowing abusive transactions that would otherwise be prevented by the provisions and rules of this kind contained in its domestic law. Also, it will not wish to apply its bilateral conventions in a way that would have that effect. 8. It is also important to note that the extension of double taxation conventions increases the risk of abuse by facilitating the use of artificial legal constructions aimed at securing the benefits of both the tax advantages available under certain domestic laws and the reliefs from tax provided for in double taxation conventions. 9. This would be the case, for example, if a person (whether or not a resident of a Contracting State), acts through a legal entity created in a State essentially to obtain treaty benefits that would not be available directly. Another case would be an individual who has in a Contracting State both his permanent home and all his economic interests, including a substantial shareholding in a company of that State, and who, essentially in order to sell the shares and escape taxation in that State on the capital gains from the alienation (by virtue of paragraph 5 of Article 13), transfers his permanent home to the other Contracting State, where such gains are subject to little or no tax. 9.1 This raises two fundamental questions that are discussed in the following paragraphs: – whether the benefits of tax conventions must be granted when transactions that constitute an abuse of the provisions of these conventions are entered into (see paragraphs 9.2 and following below); and – whether specific provisions and jurisprudential rules of the domestic law of a Contracting State that are intended to prevent tax abuse conflict with tax conventions (see paragraphs 22 and following below).
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9.2 For many States, the answer to the first question is based on their answer to the second question. These States take account of the fact that taxes are ultimately imposed through the provisions of domestic law, as restricted (and in some rare cases, broadened) by the provisions of tax conventions. Thus, any abuse of the provisions of a tax convention could also be characterised as an abuse of the provisions of domestic law under which tax will be levied. For these States, the issue then becomes whether the provisions of tax conventions may prevent the application of the antiabuse provisions of domestic law, which is the second question above. As indicated in paragraph 22.1 below, the answer to that second question is that to the extent these anti-avoidance rules are part of the basic domestic rules set by domestic tax laws for determining which facts give rise to a tax liability, they are not addressed in tax treaties and are therefore not affected by them. Thus, as a general rule, there will be no conflict between such rules and the provisions of tax conventions. 9.3 Other States prefer to view some abuses as being abuses of the convention itself, as opposed to abuses of domestic law. These States, however, then consider that a proper construction of tax conventions allows them to disregard abusive transactions, such as those entered into with the view to obtaining unintended benefits under the provisions of these conventions. This interpretation results from the object and purpose of tax conventions as well as the obligation to interpret them in good faith (see Article 31 of the Vienna Convention on the Law of Treaties). 9.4 Under both approaches, therefore, it is agreed that States do not have to grant the benefits of a double taxation convention where arrangements that constitute an abuse of the provisions of the convention have been entered into. 9.5 It is important to note, however, that it should not be lightly assumed that a taxpayer is entering into the type of abusive transactions referred to above. A guiding principle is that the benefits of a double taxation convention should not be available where a main purpose for entering into certain transactions or arrangements was to secure a more favourable tax position and obtaining that more favourable treatment in these circumstances would be contrary to the object and purpose of the relevant provisions. 9.6 The potential application of general anti-abuse provisions does not mean that there is no need for the inclusion, in tax conventions, of specific provisions aimed at preventing particular forms of tax avoidance. Where specific avoidance techniques have been identified or where the use of such techniques is especially problematic, it will often be useful to add to the Convention provisions that focus directly on the relevant avoidance strategy. Also, this will be necessary where a State which adopts the view described in paragraph 9.2 above believes that its domestic law lacks the antiavoidance rules or principles necessary to properly address such strategy. 10. For instance, some forms of tax avoidance have already been expressly dealt with in the Convention, e.g. by the introduction of the concept of “beneficial owner” (in Articles 10, 11, and 12) and of special provisions such as paragraph 2 of Article 17 dealing with so-called artiste-companies. Such problems are also mentioned in the Commentaries on Article 10 (paragraphs 17 and 22), Article 11 (paragraph 12) and Article 12 (paragraph 7). 10.1 Also, in some cases, claims to treaty benefits by subsidiary companies, in particular companies established in tax havens or benefiting from harmful preferential regimes, may be refused where careful consideration of the facts and circumstances of a case shows that the place of effective management of a subsidiary does not lie in its alleged state of residence but, rather, lies in the state of residence of the parent company so as to make it a resident of that latter state for domestic law and treaty purposes (this will be relevant where the domestic law of a state uses the place of management of a legal person, or a similar criterion, to determine its residence). 10.2 Careful consideration of the facts and circumstances of a case may also show that a subsidiary was managed in the state of residence of its parent in such a way that the subsidiary had a permanent establishment (e.g. by having a place of management) in that state to which all or a substantial part of its profits were properly attributable. 106
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11. A further example is provided by two particularly prevalent forms of improper use of the Convention which are discussed in two reports from the Committee on Fiscal Affairs entitled “Double Taxation Conventions and the Use of Base Companies” and “Double Taxation Conventions and the Use of Conduit Companies”.1 As indicated in these reports, the concern expressed in paragraph 9 above has proved to be valid as there has been a growing tendency toward the use of conduit companies to obtain treaty benefits not intended by the Contracting States in their bilateral negotiations. This has led an increasing number of member countries to implement treaty provisions (both general and specific) to counter abuse and to preserve anti-avoidance legislation in their domestic laws. 12. The treaty provisions that have been designed to cover these and other forms of abuse take different forms. The following are examples derived from provisions that have been incorporated in bilateral conventions concluded by member countries. These provide models that treaty negotiators might consider when searching for a solution to specific cases. In referring to them there should be taken into account: – the fact that these provisions are not mutually exclusive and that various provisions may be needed in order to address different concerns; – the degree to which tax advantages may actually be obtained by a particular avoidance strategy; – the legal context in both Contracting States and, in particular, the extent to which domestic law already provides an appropriate response to this avoidance strategy, and – the extent to which bona fide economic activities might be unintentionally disqualified by such provisions. Conduit company cases 13. Many countries have attempted to deal with the issue of conduit companies and various approaches have been designed for that purpose. One solution would be to disallow treaty benefits to a company not owned, directly or indirectly, by residents of the State of which the company is a resident. For example, such a “look-through” provision might have the following wording: A company that is a resident of a Contracting State shall not be entitled to relief from taxation under this Convention with respect to any item of income, gains or profits if it is owned or controlled directly or through one or more companies, wherever resident, by persons who are not residents of a Contracting State. Contracting States wishing to adopt such a provision may also want, in their bilateral negotiations, to determine the criteria according to which a company would be considered as owned or controlled by non-residents. 14. The “look-through approach” underlying the above provision seems an adequate basis for treaties with countries that have no or very low taxation and where little substantive business activities would normally be carried on. Even in these cases it might be necessary to alter the provision or to substitute for it another one to safeguard bona fide business activities. 15. General subject-to-tax provisions provide that treaty benefits in the State of source are granted only if the income in question is subject to tax in the State of residence. This corresponds basically to the aim of tax treaties, namely to avoid double taxation. For a number of reasons, however, the Model Convention does not recommend such a general provision. Whilst this seems adequate with respect to a normal international relationship, a subject-to-tax approach might well be adopted in a typical conduit situation. A safeguarding provision of this kind could have the following wording: Where income arising in a Contracting State is received by a company resident of the other Contracting State and one or more persons not resident in that other Contracting State 1 These two reports are reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at pages R(5)-1 and R(6)-1.
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a) have directly or indirectly or through one or more companies, wherever resident, a substantial interest in such company, in the form of a participation or otherwise, or b) exercise directly or indirectly, alone or together, the management or control of such company, any provision of this Convention conferring an exemption from, or a reduction of, tax shall apply only to income that is subject to tax in the last-mentioned State under the ordinary rules of its tax law. The concept of “substantial interest” may be further specified when drafting a bilateral convention. Contracting States may express it, for instance, as a percentage of the capital or of the voting rights of the company. 16. The subject-to-tax approach seems to have certain merits. It may be used in the case of States with a well-developed economic structure and a complex tax law. It will, however, be necessary to supplement this provision by inserting bona fide provisions in the treaty to provide for the necessary flexibility (see paragraph 19 below); moreover, such an approach does not offer adequate protection against advanced tax avoidance schemes such as “stepping-stone strategies”. 17. The approaches referred to above are in many ways unsatisfactory. They refer to the changing and complex tax laws of the Contracting States and not to the arrangements giving rise to the improper use of conventions. It has been suggested that the conduit problem be dealt with in a more straightforward way by inserting a provision that would single out cases of improper use with reference to the conduit arrangements themselves (the channel approach). Such a provision might have the following wording: Where income arising in a Contracting State is received by a company that is a resident of the other Contracting State and one or more persons who are not residents of that other Contracting State a) have directly or indirectly or through one or more companies, wherever resident, a substantial interest in such company, in the form of a participation or otherwise, or b) exercise directly or indirectly, alone or together, the management or control of such company any provision of this Convention conferring an exemption from, or a reduction of, tax shall not apply if more than 50 per cent of such income is used to satisfy claims by such persons (including interest, royalties, development, advertising, initial and travel expenses, and depreciation of any kind of business assets including those on immaterial goods and processes). 18. A provision of this kind appears to be the only effective way of combatting “stepping-stone” devices. It is found in bilateral treaties entered into by Switzerland and the United States and its principle also seems to underly the Swiss provisions against the improper use of tax treaties by certain types of Swiss companies. States that consider including a clause of this kind in their convention should bear in mind that it may cover normal business transactions and would therefore have to be supplemented by a bona fide clause. 19. The solutions described above are of a general nature and they need to be accompanied by specific provisions to ensure that treaty benefits will be granted in bona fide cases. Such provisions could have the following wording: a) General bona fide provision “The foregoing provisions shall not apply where the company establishes that the principal purpose of the company, the conduct of its business and the acquisition or maintenance by it of the shareholding or other property from which the income in question is derived, are motivated by sound business reasons and do not have as primary purpose the obtaining of any benefits under this Convention.”
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b) Activity provision “The foregoing provisions shall not apply where the company is engaged in substantive business operations in the Contracting State of which it is a resident and the relief from taxation claimed from the other Contracting State is with respect to income that is connected with such operations.” c) Amount of tax provision “The foregoing provisions shall not apply where the reduction of tax claimed is not greater than the tax actually imposed by the Contracting State of which the company is a resident.” d) Stock exchange provision “The foregoing provisions shall not apply to a company that is a resident of a Contracting State if the principal class of its shares is registered on an approved stock exchange in a Contracting State or if such company is wholly owned – directly or through one or more companies each of which is a resident of the first-mentioned State – by a company which is a resident of the first-mentioned State and the principal class of whose shares is so registered.” e) Alternative relief provision In cases where an anti-abuse clause refers to non-residents of a Contracting State, it could be provided that the term “shall not be deemed to include residents of third States that have income tax conventions in force with the Contracting State from which relief from taxation is claimed and such conventions provide relief from taxation not less than the relief from taxation claimed under this Convention.” These provisions illustrate possible approaches. The specific wording of the provisions to be included in a particular treaty depends on the general approach taken in that treaty and should be determined on a bilateral basis. Also, where the competent authorities of the Contracting States have the power to apply discretionary provisions, it may be considered appropriate to include an additional rule that would give the competent authority of the source country the discretion to allow the benefits of the Convention to a resident of the other State even if the resident fails to pass any of the tests described above. 20. Whilst the preceding paragraphs identify different approaches to deal with conduit situations, each of them deals with a particular aspect of the problem commonly referred to as “treaty shopping”. States wishing to address the issue in a comprehensive way may want to consider the following example of detailed limitation-of-benefits provisions aimed at preventing persons who are not resident of either Contracting States from accessing the benefits of a Convention through the use of an entity that would otherwise qualify as a resident of one of these States, keeping in mind that adaptations may be necessary and that many States prefer other approaches to deal with treaty shopping: 1. Except as otherwise provided in this Article, a resident of a Contracting State who derives income from the other Contracting State shall be entitled to all the benefits of this Convention otherwise accorded to residents of a Contracting State only if such resident is a “qualified person” as defined in paragraph 2 and meets the other conditions of this Convention for the obtaining of such benefits. 2. A resident of a Contracting State is a qualified person for a fiscal year only if such resident is either: a) an individual; b) a qualified governmental entity; c) a company, if (i) the principal class of its shares is listed on a recognised stock exchange specified in subparagraph a) or b) of paragraph 6 and is regularly traded on one or more recognised stock exchanges, or (ii) at least 50 per cent of the aggregate vote and value of the shares in the company is owned directly or indirectly by five or fewer companies entitled to benefits under subdivision (i) of this subparagraph, provided that, in the Dremel
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case of indirect ownership, each intermediate owner is a resident of either Contracting State; d) a charity or other tax-exempt entity, provided that, in the case of a pension trust or any other organization that is established exclusively to provide pension or other similar benefits, more than 50 per cent of the person’s beneficiaries, members or participants are individuals resident in either Contracting State; or e) a person other than an individual, if: (i) on at least half the days of the fiscal year persons that are qualified persons by reason of subparagraph a), b) or d) or subdivision c) (i) of this paragraph own, directly or indirectly, at least 50 per cent of the aggregate vote and value of the shares or other beneficial interests in the person, and (ii) less than 50 per cent of the person’s gross income for the taxable year is paid or accrued, directly or indirectly, to persons who are not residents of either Contracting State in the form of payments that are deductible for purposes of the taxes covered by this Convention in the person’s State of residence (but not including arm’s length payments in the ordinary course of business for services or tangible property and payments in respect of financial obligations to a bank, provided that where such a bank is not a resident of a Contracting State such payment is attributable to a permanent establishment of that bank located in one of the Contracting States). 3. a) A resident of a Contracting State will be entitled to benefits of the Convention with respect to an item of income, derived from the other State, regardless of whether the resident is a qualified person, if the resident is actively carrying on business in the first-mentioned State (other than the business of making or managing investments for the resident’s own account, unless these activities are banking, insurance or securities activities carried on by a bank, insurance company or registered securities dealer), the income derived from the other Contracting State is derived in connection with, or is incidental to, that business and that resident satisfies the other conditions of this Convention for the obtaining of such benefits. b) If the resident or any of its associated enterprises carries on a business activity in the other Contracting State which gives rise to an item of income, subparagraph a) shall apply to such item only if the business activity in the first-mentioned State is substantial in relation to business carried on in the other State. Whether a business activity is substantial for purposes of this paragraph will be determined based on all the facts and circumstances. c) In determining whether a person is actively carrying on business in a Contracting State under subparagraph a), activities conducted by a partnership in which that person is a partner and activities conducted by persons connected to such person shall be deemed to be conducted by such person. A person shall be connected to another if one possesses at least 50 per cent of the beneficial interest in the other (or, in the case of a company, at least 50 per cent of the aggregate vote and value of the company’s shares) or another person possesses, directly or indirectly, at least 50 per cent of the beneficial interest (or, in the case of a company, at least 50 per cent of the aggregate vote and value of the company’s shares) in each person. In any case, a person shall be considered to be connected to another if, based on all the facts and circumstances, one has control of the other or both are under the control of the same person or persons. 4. Notwithstanding the preceding provisions of this Article, if a company that is a resident of a Contracting State, or a company that controls such a company, has outstanding a class of shares a) which is subject to terms or other arrangements which entitle its holders to a portion of the income of the company derived from the other Contracting State that is larger than the portion such holders would receive absent such terms or arrangements (“the disproportionate part of the income”); and
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b) 50 per cent or more of the voting power and value of which is owned by persons who are not qualified persons the benefits of this Convention shall not apply to the disproportionate part of the income. 5. A resident of a Contracting State that is neither a qualified person pursuant to the provisions of paragraph 2 or entitled to benefits under paragraph 3 or 4 shall, nevertheless, be granted benefits of the Convention if the competent authority of that other Contracting State determines that the establishment, acquisition or maintenance of such person and the conduct of its operations did not have as one of its principal purposes the obtaining of benefits under the Convention. 6. For the purposes of this Article the term “recognised stock exchange” means: a) in State A …; b) in State B …; and c) any other stock exchange which the competent authorities agree to recognise for the purposes of this Article. Provisions which are aimed at entities benefiting from preferential tax regimes 21. Specific types of companies enjoying tax privileges in their State of residence facilitate conduit arrangements and raise the issue of harmful tax practices. Where tax-exempt (or nearly tax-exempt) companies may be distinguished by special legal characteristics, the improper use of tax treaties may be avoided by denying the tax treaty benefits to these companies (the exclusion approach). As such privileges are granted mostly to specific types of companies as defined in the commercial law or in the tax law of a country, the most radical solution would be to exclude such companies from the scope of the treaty. Another solution would be to insert a safeguarding clause which would apply to the income received or paid by such companies and which could be drafted along the following lines: No provision of the Convention conferring an exemption from, or reduction of, tax shall apply to income received or paid by a company as defined under section … of the … Act, or under any similar provision enacted by … after the signature of the Convention. The scope of this provision could be limited by referring only to specific types of income, such as dividends, interest, capital gains, or directors’ fees. Under such provisions companies of the type concerned would remain entitled to the protection offered under Article 24 (non-discrimination) and to the benefits of Article 25 (mutual agreement procedure) and they would be subject to the provisions of Article 26 (exchange of information). 21.1 Exclusion provisions are clear and their application is simple, even though they may require administrative assistance in some instances. They are an important instrument by which a State that has created special privileges in its tax law may prevent those privileges from being used in connection with the improper use of tax treaties concluded by that State. 21.2 Where it is not possible or appropriate to identify the companies enjoying tax privileges by reference to their special legal characteristics, a more general formulation will be necessary. The following provision aims at denying the benefits of the Convention to entities which would otherwise qualify as residents of a Contracting State but which enjoy, in that State, a preferential tax regime restricted to foreignheld entities (i.e. not available to entities that belong to residents of that State): Any company, trust or partnership that is a resident of a Contracting State and is beneficially owned or controlled directly or indirectly by one or more persons who are not residents of that State shall not be entitled to the benefits of this Convention if the amount of the tax imposed on the income or capital of the company, trust or partnership by that State (after taking into account any reduction or offset of the amount of tax in any manner, including a refund, reimbursement, contribution, credit or allowance to the company, trust or partnership, or to any other
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person) is substantially lower than the amount that would be imposed by that State if all of the shares of the capital stock of the company or all of the interests in the trust or partnership, as the case may be, were beneficially owned by one or more residents of that State. Provisions which are aimed at particular types of income 21.3 The following provision aims at denying the benefits of the Convention with respect to income that is subject to low or no tax under a preferential tax regime: 1. The benefits of this Convention shall not apply to income which may, in accordance with the other provisions of the Convention, be taxed in a Contracting State and which is derived from activities the performance of which do not require substantial presence in that State, including: a) such activities involving banking, shipping, financing, insurance or electronic commerce activities; or b) activities involving headquarter or coordination centre or similar arrangements providing company or group administration, financing or other support; or c) activities which give rise to passive income, such as dividends, interest and royalties where, under the laws or administrative practices of that State, such income is preferentially taxed and, in relation thereto, information is accorded confidential treatment that prevents the effective exchange of information. 2. For the purposes of paragraph 1, income is preferentially taxed in a Contracting State if, other than by reason of the preceding Articles of this Agreement, an item of income: a) is exempt from tax; or b) is taxable in the hands of a taxpayer but that is subject to a rate of tax that is lower than the rate applicable to an equivalent item that is taxable in the hands of similar taxpayers who are residents of that State; or c) benefits from a credit, rebate or other concession or benefit that is provided directly or indirectly in relation to that item of income, other than a credit for foreign tax paid. Anti-abuse rules dealing with source taxation of specific types of income 21.4 The following provision has the effect of denying the benefits of specific Articles of the convention that restrict source taxation where transactions have been entered into for the main purpose of obtaining these benefits. The Articles concerned are 10, 11, 12 and 21; the provision should be slightly modified as indicated below to deal with the specific type of income covered by each of these Articles: The provisions of this Article shall not apply if it was the main purpose or one of the main purposes of any person concerned with the creation or assignment of the [Article 10: “shares or other rights”; Article 11: “debt-claim”; Articles 12 and 21: “rights”] in respect of which the [Article 10: “dividend”; Article 11: “interest”; Articles 12 “royalties” and Article 21: “income”] is paid to take advantage of this Article by means of that creation or assignment. Provisions which are aimed at preferential regimes introduced after the signature of the convention 21.5 States may wish to prevent abuses of their conventions involving provisions introduced by a Contracting State after the signature of the Convention. The following provision aims to protect a Contracting State from having to give treaty benefits with respect to income benefiting from a special regime for certain offshore income introduced after the signature of the treaty: The benefits of Articles 6 to 22 of this Convention shall not accrue to persons entitled to any special tax benefit under:
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a) a law of either one of the States which has been identified in an exchange of notes between the States; or b) any substantially similar law subsequently enacted. 22. Other forms of abuse of tax treaties (e.g. the use of a base company) and possible ways to deal with them, including “substance-over-form”, “economic substance” and general anti-abuse rules have also been analysed, particularly as concerns the question of whether these rules conflict with tax treaties, which is the second question mentioned in paragraph 9.1 above. 22.1 Such rules are part of the basic domestic rules set by domestic tax laws for determining which facts give rise to a tax liability; these rules are not addressed in tax treaties and are therefore not affected by them. Thus, as a general rule and having regard to paragraph 9.5, there will be no conflict. For example, to the extent that the application of the rules referred to in paragraph 22 results in a recharacterisation of income or in a redetermination of the taxpayer who is considered to derive such income, the provisions of the Convention will be applied taking into account these changes. 22.2 Whilst these rules do not conflict with tax conventions, there is agreement that member countries should carefully observe the specific obligations enshrined in tax treaties to relieve double taxation as long as there is no clear evidence that the treaties are being abused. 23. The use of base companies may also be addressed through controlled foreign companies provisions. A significant number of member and non-member countries have now adopted such legislation. Whilst the design of this type of legislation varies considerably among countries, a common feature of these rules, which are now internationally recognised as a legitimate instrument to protect the domestic tax base, is that they result in a Contracting State taxing its residents on income attributable to their participation in certain foreign entities. It has sometimes been argued, based on a certain interpretation of provisions of the Convention such as paragraph 1 of Article 7 and paragraph 5 of Article 10, that this common feature of controlled foreign companies legislation conflicted with these provisions. For the reasons explained in paragraphs 14 of the Commentary on Article 7 and 37 of the Commentary on Article 10, that interpretation does not accord with the text of the provisions. It also does not hold when these provisions are read in their context. Thus, whilst some countries have felt it useful to expressly clarify, in their conventions, that controlled foreign companies legislation did not conflict with the Convention, such clarification is not necessary. It is recognised that controlled foreign companies legislation structured in this way is not contrary to the provisions of the Convention. 24. [Deleted] 25. [Renumbered] 26. States that adopt controlled foreign companies provisions or the anti-abuse rules referred to above in their domestic tax laws seek to maintain the equity and neutrality of these laws in an international environment characterised by very different tax burdens, but such measures should be used only for this purpose. As a general rule, these measures should not be applied where the relevant income has been subjected to taxation that is comparable to that in the country of residence of the taxpayer. Remittance based taxation 26.1 Under the domestic law of some States, persons who qualify as residents but who do not have what is considered to be a permanent link with the State (sometimes referred to as domicile) are only taxed on income derived from sources outside the State to the extent that this income is effectively repatriated, or remitted, thereto. Such persons are not, therefore, subject to potential double taxation to the extent that foreign income is not remitted to their State of residence and it may be considered inappropriate to give them the benefit of the provisions of the Convention on such income. Contracting States which agree to restrict the application of the provisions of the Convention to income that is effectively taxed in the hands of these persons may do so by adding the following provision to the Convention: Dremel
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Where under any provision of this Convention income arising in a Contracting State is relieved in whole or in part from tax in that State and under the law in force in the other Contracting State a person, in respect of the said income, is subject to tax by reference to the amount thereof which is remitted to or received in that other State and not by reference to the full amount thereof, then any relief provided by the provisions of this Convention shall apply only to so much of the income as is taxed in the other Contracting State. In some States, the application of that provision could create administrative difficulties if a substantial amount of time elapsed between the time the income arose in a Contracting State and the time it were taxed by the other Contracting State in the hands of a resident of that other State. States concerned by these difficulties could subject the rule in the last part of the above provision, i.e. that the income in question will be entitled to benefits in the first-mentioned State only when taxed in the other State, to the condition that the income must be so taxed in that other State within a specified period of time from the time the income arises in the first-mentioned State. Limitations of source taxation: procedural aspects 26.2 A number of Articles of the Convention limit the right of a State to tax income derived from its territory. As noted in paragraph 19 of the Commentary on Article 10 as concerns the taxation of dividends, the Convention does not settle procedural questions and each State is free to use the procedure provided in its domestic law in order to apply the limits provided by the Convention. A State can therefore automatically limit the tax that it levies in accordance with the relevant provisions of the Convention, subject to possible prior verification of treaty entitlement, or it can impose the tax provided for under its domestic law and subsequently refund the part of that tax that exceeds the amount that it can levy under the provisions of the Convention. As a general rule, in order to ensure expeditious implementation of taxpayers’ benefits under a treaty, the first approach is the highly preferable method. If a refund system is needed, it should be based on observable difficulties in identifying entitlement to treaty benefits. Also, where the second approach is adopted, it is extremely important that the refund be made expeditiously, especially if no interest is paid on the amount of the refund, as any undue delay in making that refund is a direct cost to the taxpayer. Observations on the Commentary 27. Chile considers that some of the solutions put forward in the report “The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships” and incorporated in the Commentary can only be applied if expressly incorporated in a tax convention. 27.1 The Netherlands will adhere to the conclusions on the application of the Convention to partnerships incorporated in the Commentary on Article 1 and in the Commentaries on the other relevant provisions of the Convention only, and to the extent to which, it is explicitly so confirmed in a specific tax treaty, as a result of mutual agreement between competent authorities as meant in Article 25 of the Convention or as unilateral policy. 27.2 France has expressed a number of reservations on the report on “The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships”. In particular, France does not agree with the interpretation put forward in paragraphs 5 and 6 above according to which if a partnership is denied the benefits of a tax convention, its members are always entitled to the benefits of the tax conventions entered into by their State of residence. France believes that this result is only possible, when France is the State of source, if its internal law authorises that interpretation or if provisions to that effect are included in the convention entered into with the State of residence of the partners. 27.3 Portugal, where all partnerships are taxed as such, has expressed a number of reservations on the report on “The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships” and considers that the solutions put forward in that report should be incorporated in special provisions only applicable when included in tax conven-
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tions. This is the case, for example, of the treatment of the situation of partners of partnerships – a concept which is considerably fluid given the differences between States – that are fiscally transparent, including the situation where a third State is inserted between the State of source and the State of residence of the partners. The administrative difficulties resulting from some of the solutions put forward should also be noted, as indicated in the report itself in certain cases. 27.4 Belgium cannot share the views expressed in paragraph 23 of the Commentary. Belgium considers that the application of controlled foreign companies legislation is contrary to the provisions of paragraph 7 of Article 5, paragraph 1 of Article 7 and paragraph 5 of Article 10 of the Convention. This is especially the case where a Contracting State taxes one of its residents on income derived by a foreign entity by using a fiction attributing to that resident, in proportion to his participation in the capital of the foreign entity, the income derived by that entity. By doing so, that State increases the tax base of its resident by including in it income which has not been derived by that resident but by a foreign entity which is not taxable in that State in accordance with the Convention. That Contracting State thus disregards the legal personality of the foreign entity and therefore acts contrary to the Convention (see also paragraph 79 of the Commentary on Article 7 and paragraph 68.1 of the Commentary on Article 10). 27.5 Concerning potential conflicts between anti-abuse provisions (including controlled foreign company – CFC – provisions) in domestic law and the provisions of tax treaties, Ireland considers that it is not possible to have a simple general conclusion that no conflict will exist or that any conflict must be resolved in favour of the domestic law. This will depend on the nature of the domestic law provision and also on the legal and constitutional relationship in individual member countries between domestic law and international agreements and law. Also, Ireland does not agree with the deletion of the language in paragraph 26 (as it read until 2002), which stated: “It would be contrary to the general principles underlying the Model Convention and to the spirit of tax treaties in general if counteracting measures were to be extended to activities such as production, normal rendering of services or trading of companies engaged in real industrial or commercial activity, when they are clearly related to the economic environment of the country where they are resident in a situation where these activities are carried out in such a way that no tax avoidance could be suspected”. 27.6 Luxembourg does not share the interpretation in paragraphs 9.2, 22.1 and 23 which provide that there is generally no conflict between anti-abuse provisions of the domestic law of a Contracting State and the provisions of its tax conventions. Absent an express provision in the Convention, Luxembourg therefore believes that a State can only apply its domestic anti-abuse provisions in specific cases after recourse to the mutual agreement procedure. 27.7 The Netherlands does not adhere to the statements in the Commentaries that as a general rule domestic anti-avoidance rules and controlled foreign companies provisions do not conflict with the provisions of tax conventions. The compatibility of such rules and provisions with tax treaties is, among other things, dependent on the nature and wording of the specific provision, the wording and purpose of the relevant treaty provision and the relationship between domestic and international law in a country. Since tax conventions are not meant to facilitate the improper use thereof, the application of national rules and provisions may be justified in specific cases of abuse or clearly unintended use. In such situations the application of domestic measures has to respect the principle of proportionality and should not go beyond what is necessary to prevent the abuse or the clearly unintended use. 27.8 [Deleted] 27.9 Switzerland does not share the view expressed in paragraph 7 according to which the purpose of double taxation conventions is to prevent tax avoidance and evasion. Also, this view seems to contradict the footnote to the Title of the Model Tax Convention. With respect to paragraph 22.1, Switzerland believes that domestic tax rules on abuse of tax conventions must conform to the general provisions of tax conDremel
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ventions, especially where the convention itself includes provisions intended to prevent its abuse. With respect to paragraph 23, Switzerland considers that controlled foreign corporation legislation may, depending on the relevant concept, be contrary to the spirit of Article 7. 27.10 Mexico does not agree with the interpretation put forward in paragraphs 5 and 6 above according to which if a partnership is denied the benefits of a tax convention, its members are entitled to the benefits of the tax conventions entered into by their State of residence. Mexico believes that this result is only possible, to a certain extent, if provisions to that effect are included in the convention entered into with the State where the partnership is situated. Reservation on the Article 28. The United States reserves the right, with certain exceptions, to tax its citizens and residents, including certain former citizens and long-term residents, without regard to the Convention.
POSITIONS ON ARTICLE 1 (PERSONS COVERED) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. The Philippines reserves the right to tax its citizens in accordance with its domestic law. 2. Brazil reserves the right to extend coverage of the Convention to partnerships since partnerships are considered to be legal entities under its legislation. Position on the Commentary 3. Gabon, India, Ivory Coast, Morocco and Tunisia do not agree with the interpretation put forward in paragraphs 5 and 6 of the Commentary on Article 1 (and in the case of India, the corresponding interpretation in paragraph 8.8 of the Commentary on Article 4) according to which if a partnership is denied the benefits of a tax convention, its members are entitled to the benefits of the tax conventions entered into by their State of residence. They believe that this result is only possible, to a certain extent, if provisions to that effect are included in the convention entered into with the State where the partnership is situated.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 1 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1
Bestimmung des subjektiven Geltungsbereichs. Art. 1 bildet zusammen mit Art. 2 den I. Abschnitt des OECD-MA, der dessen Geltungsbereich festlegt. In diesem Zusammenhang beschreibt Art. 1 den subjektiven Geltungsbereich, d.h. es wird geregelt, auf wen das Abkommen Anwendung findet bzw. wer sich hierauf berufen kann. Damit ist auch die Frage verbunden, was unter einem Abkommen zu verstehen ist und welche Regelungen neben dem eigentlichen Abkommenstext zum Abkommen zu zählen sind. Art. 2 legt dagegen den sachlichen Geltungsbereich des Abkommens fest, d.h.,
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A. Grundaussagen der Vorschrift
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welche Steuern – bestimmt nach Steuerart und Steuergläubiger – in dessen Regelungsbereich einbezogen sind (vgl. Art. 2 Rz. 1 ff.). Inhaltlich abgerundet werden Art. 1 und 2 durch Art. 29. Dieser Artikel eröffnet die Möglichkeit, das Abkommen durch einfachen Notenaustausch auf andere Hoheitsgebiete zu erstrecken. Insoweit handelt es sich um eine vereinfachte Form der Vertragsänderung (vgl. Art. 29 Rz. 10 ff.).
II. Aufbau der Vorschrift Keine eigenständige Definition der maßgeblichen Begriffe. Der erste Artikel des 2 OECD-MA besteht lediglich aus einem Satz: „Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.“ Die einzelnen Begriffe definiert Art. 1 nicht selbst. Insoweit ist auf die Definitionen an anderen Stellen im Abkommen selbst bzw. über Art. 3 Abs. 2 auf Begriffe des nationalen Rechts der Vertragsstaaten zurückzugreifen (vgl. Art. 3 Rz. 58 ff.). Innerhalb des Abkommens sind hier insbesondere Art. 3 Abs. 1 Buchst. a (Begriff der „Person“) und Art. 4 (Begriff der „ansässigen Person“) von Bedeutung. Die Abgrenzung, ob für diese Begriffe auf das Recht der jeweiligen Vertragsstaaten zurückzugreifen ist, oder ob diesen eine eigenständige abkommensrechtliche Bedeutung zuzumessen ist, ist eine der Grundfragen für die Bestimmung des subjektiven Anwendungsbereichs. Streitig und höchst problematisch ist hierbei insbesondere die Behandlung von Rechtsgebilden (als Hauptanwendungsfall: Personengesellschaften), die von den Vertragsstaaten unterschiedlich als Steuersubjekte oder als steuerlich transparent angesehen werden (vgl. Rz. 50 ff. sowie Art. 3 Rz. 41 ff.).
III. Rechtsentwicklung Unveränderte Fassung seit OECD-MA 1963. Art. 1 ist seit der ursprünglichen Fas- 3 sung des OECD-MA 1963 unverändert geblieben. Indem das Abkommen grundsätzlich zur Bestimmung des subjektiven Anwendungsbereichs auf die Ansässigkeit der betroffenen Personen abstellt, hat sich die OECD von Anfang an insbesondere von der früher gängigen Praxis, auf die Staatsangehörigkeiten der betroffenen Personen abzustellen, abgewandt (vgl. Art. 1 Rz. 1 Sätze 1 und 3 OECD-MK).
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Ausgewählte Literatur (Treaty override): Brombach-Krüger, Treaty override aus europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht, Ubg 2008, 324; Cloer/Trinks, § 50d Abs. 8 verfassungskonform?, IWB 2012, 402; Cloer/Trinks, Einseitiges Überschreiben von DBA zulässig?, PIStB 2012, 173; Daragan, Treaty override und Rechtsstaatsprinzip, DB 2011, 2681; Frotscher, Zur Zulässigkeit des „Treaty-Override, FS Schaumburg (2009), 687; Gebhardt, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 in der europa- und verfassungsrechtlichen Kritik, IStR 2011, 58; Gebhardt, Grundlegendes zum Phänomen Tax Treaty Overriding im deutschen Internationalen Steuerrecht, Ubg 2012, 585; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413; Hahn, Treaty Overriding sine ira et studio, IStR 2011, 863; Hahn, Treaty-Override als Verfassungsverstoß, BB 2012, 1955; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Heeger, Das Verhältnis von Abkommensrecht und nationalem Steuerrecht, SWI 2011, 95; Hey, Nationale Missbrauchsvorschriften im Spannungsfeld von DBA und EU-Recht, Forum der Internationalen Besteuerung Bd. 35 (2009), 137; Hilbert, Unilaterale treaty-override-Regelungen bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, IStR 2012, 405; Jansen/Weidmann, Treaty Overriding und Verfassungsrecht, IStR 2010, 596; Kofler, Doppelbesteuerung und EU-Recht, IStR 2011, 668; Lehner, Treaty override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Mitschke, Das Treaty override zur Verhinderung einer Keinmalbesteuerung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2011, 2221; Musil, § 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte?, FR 2012, 149; Schwenke, Treaty override und kein Ende?, FR 2012, 443; Vogel, Völkerrechtliche Verträge und innerstaatliche Gesetzebung, IStR 2005, 29; Vogel, Wortbruch im Verfassungsrecht, JZ 1997, 161; Wichmann, Anmerkungen zur deutschen Abkommenspolitik, FR 2011, 1082.
1. Abkommensrecht Grundsatz. Art. 1 legt zusammen mit Art. 2 den Geltungsbereich des Abkommens 4 fest. Beide Vorschriften werden durch Art. 29 hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs des Abkommens ergänzt. Art. 1 eröffnet damit im Verhältnis zu den
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Art. 1 Rz. 4–6
Unter das Abkommen fallende Personen
folgenden Artikeln des OECD-MA deren Anwendungsbereich. Überschneidungen und Konkurrenzen zu diesen ergeben sich i.d.R. insoweit nicht. 5
Erweiterung des Anwendungsbereiches durch Art. 10 Abs. 5. Eine (scheinbare) Ausnahme von dem Grundsatz, dass der subjektive Anwendungsbereich des Abkommens von Art. 1 abschließend bestimmt wird, ist in Art. 10 Abs. 5 enthalten. Geregelt wird hier das Besteuerungsrecht an Dividenden, die eine Gesellschaft mit Sitz in dem einen Vertragsstaat ausschüttet und die ausschüttende Gesellschaft Gewinne aus dem anderen Vertragsstaat (z.B. durch eine dortige Betriebsstätte) erzielt. Nach Art. 10 Abs. 5 darf in diesen Fällen der Betriebsstättenstaat die Dividenden nicht besteuern, es sei denn, dass der Dividendenempfänger in diesem Vertragsstaat (dem Betriebsstättenstaat) ansässig ist. Art. 10 Abs. 5 schützt damit neben den Dividendenempfängern, die im Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft ansässig sind, auch Dividendenempfänger mit Ansässigkeit in einem Drittstaat vor einer Besteuerung im Betriebsstättenstaat.1 Der im Drittstaat ansässige Dividendenempfänger kann sich also in Bezug auf die Besteuerung dieser Dividenden gegenüber dem Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft eine Betriebsstätte unterhält, auf das zwischen diesem Staat (dem Betriebsstättenstaat) und dem Sitzstaat der Kapitalgesellschaft geschlossene Abkommen berufen, obwohl es sich bei dem Dividendenempfänger um keine in Art. 1 genannte Person handelt. Art. 10 Abs. 5 stellt somit eine Erweiterung des subjektiven Anwendungsbereichs dar, die mit der Umsetzung des Abkommens in innerstaatliches Recht wie das gesamte Abkommen Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung wird, auf die sich jedermann berufen können muss (vgl. Art. 10 Rz. 207 ff.).2
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Einschränkungen des Anwendungsbereiches. Wird zwischen zwei Staaten ein Abkommen geschlossen, mit dem Doppelbesteuerungen3 vermieden werden sollen (Doppelbesteuerungsabkommen – DBA), und werden auf Grund eines solchen Abkommens die Besteuerungsrechte der jeweiligen Staaten ganz oder zum Teil eingeschränkt, so kann dies auch immer die Begehrlichkeit wecken, durch künstliche Konstruktionen in den Anwendungsbereich dieses Abkommens zu gelangen – zum Beispiel durch Einschaltung von Basisgesellschaften oder durch eine künstliche Wohnsitzverlegung (vgl. Art. 1 Rz. 8 und 9 OECD-MK). Ebenso kann das Interesse bestehen, den zu besteuernden Sachverhalt so zu gestalten, dass eine bestimmte – für den Steuerpflichtigen in der Gesamtsteuerbelastung günstige – Verteilungsnorm erfüllt wird. Damit ist zu entscheiden, ab wann ein Missbrauch des Abkommens vorliegt bzw. unter welchen Voraussetzungen die beteiligten Steuerrechtsordnungen dem (gestalteten) Sachverhalt nicht mehr für die Besteuerung folgen müssen. Das OECD-MA enthält keine besonderen Vorschriften, die einem solchen Missbrauch entgegenstehen, wenngleich der Musterkommentar einzelne einschränkende Formulierungen, wie z.B. den Begriff des „Nutzungsberechtigten“ in Art. 10, 11 und 12 sowie die Regelung in Art. 17 Abs. 24 – als Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerumgehungen ansieht (vgl. Art. 1 Rz. 10 OECD-MK). Insoweit bleibt nur die Möglichkeit einer einschränkenden Auslegung des Abkommens (vgl. Art. 1 Rz. 9.3 und 9.4 OECD-MK). Außerhalb des OECD-MA bestehen verschiedene Versuche, missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken. Zunächst einmal enthalten verschiedene DBA explizite Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung5 (vgl. Rz. 88). Darüber hinaus haben die vertragsschließenden Staaten in ihr innerstaatliches Recht häufig weitere Missbrauchsbekämpfungsvorschriften auf1 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 3; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 253. 2 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 3; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 253; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 97 (Stand: September 2004); a.A. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 184 (Stand: August 2012) unter Hinweis auf BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; Gaffron in Haase2, Art. 10 OECD-MA Rz. 174. 3 Zum Begriff der „Doppelbesteuerung“ vgl. Systematik Rz. 1 ff. 4 Nach Art. 17 Abs. 2 können Einkünfte, die einem Dritten aus einer von einem Künstler oder Sportler in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübten Tätigkeit zufließen, ungeachtet der Art. 7 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Künstler oder Sportler die Tätigkeit ausübt (vgl. zu Einzelheiten Art. 17 Rz. 53 ff.). 5 Z.B. Art. 4 Abs. 6 und Art. 23 DBA-Schweiz, Art. 28 DBA-USA. Die Aufnahme von besonderen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften wird im OECD-MK ausdrücklich als sinnvoll angesehen,
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 6–9 Art. 1
genommen (vgl. Rz. 95 ff.). In Deutschland stellt sich neben verschiedenen speziellen Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung insbesondere die Frage der Anwendbarkeit von § 42 AO (vgl. Rz. 96 ff.) Diskriminierungsverbot des Art. 24. Die Diskriminierungsverbote des Art. 24 sind 7 unabhängig davon anwendbar, ob eine ansässige Person i.S. des Art. 1 betroffen ist. Art. 24 Abs. 1 stellt auf die Staatsangehörigkeit ab. Wie Art. 24 Abs. 1 Satz 2 klarstellt, gilt Art. 24 auch für Personen, die in keinem Vertragsstaat ansässig sind (vgl. Art. 24 Rz. 50 ff.). 2. EU-Recht/Völkerrecht Erstreckung des materiellen Steuerrechts auf Auslandssachverhalte. Nach all- 8 gemeinem Völkerrecht sind die Staaten dem Grunde nach nicht gehindert, auch Sachverhalte zu regeln, die außerhalb ihrer jeweiligen Staatsgebiete verwirklicht werden. Ein durchgängiges völkerrechtliches Territorialprinzip besteht nicht. Voraussetzung für die Regelungszuständigkeit ist allerdings, dass ein hinreichender Anknüpfungspunkt (sog. „genuine link“) besteht.1 Dieser allgemeine völkerrechtliche Grundsatz gilt nach h.M. auch für die Erhebung von Abgaben.2 Zulässigerweise kann der Staat hierzu an die Person des Steuerpflichtigen (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt) oder an die Einkunftsquelle anknüpfen. In diesem Rahmen hat der jeweilige Staat nach dem Völkerrecht ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht. Völkerrechtlich ergibt sich eine Beschränkung lediglich durch die bilateralen Abkommen, auf Grund derer die Besteuerungsrechte für bestimmte Einkünfte zwischen den vertragsschließenden Staaten verteilt werden. Ein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung gibt es nicht.3 Kein Verbot der Doppelbesteuerung nach Unionsrecht. Nach ständiger Rspr. des 9 EuGH fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten, jedoch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.4 Dabei akzeptiert das Unionsrecht die Koexistenz von unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht in den Mitgliedstaaten und die damit verbundene Gefahr möglicher Doppelbesteuerungen dem Grunde nach.5 Insbesondere ist eine Doppelbesteuerung nach inzwischen ständiger Rspr. des EuGH – schon vor Wegfall des Art. 293 2. Spiegelstrich EG durch den Vertrag von Lissabon – nicht europarechtswidrig und insbesondere nicht als Verstoß gegen die Grundfreiheiten zu werten.6 In Ermangelung unionsrechtlicher Regelungen bleiben die Mitgliedsstaaten befugt, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich
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insbesondere, wenn bestimmte Steuerumgehungstechniken festgestellt werden, vgl. Art. 1 Rz. 9.6 OECD-MK. Vgl. StIGH v. 7.9.1927, Series A, No. 10 S. 18 ff. Vgl. BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 369 ff.; v. 14.5.1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288, 309 ff.; BFH v. 26.4.1963 – III 237/58 U, BStBl. III 1963, 413; v. 18.12.1963 – I R 230/61 S, BStBl. III 1964, 253, 256 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 2.5; Lehner/ Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 457 (Stand: August 2000); Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.3; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, 24 f. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 2.5; Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 14. Vgl. auch – wenn auch ohne ausdrückliche Auseinandersetzung mit dem Völkerrecht: BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497, 498. Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, FR 2012, 25 [Rz. 45]; v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, IStR 2011, 840 [Rz. 44]; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, IStR 2009, 622 [Rz. 24], v. 13.12.2005 – I 10837 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19 [Rz. 29], jeweils m.w.N. Vgl. EuGH v. 13.12.2005 – I 10837 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19 [Rz. 39]; Kofler, IStR 2011, 668. Vgl. EuGH v. 15.4.2010 – C-96/08 – CIBA, HFR 2010, 774 [Rz. 27]; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, IStR 2009, 622 [Rz. 27]; v. 20.5.2008 – C-194/6 OESF, IStR 2008, 435 [Rz. 32]; v. 14.11.2006 – C-513/04 – Kerckhaert und Morres, IStR 2007, 66 [Rz. 22]. Kritisch insoweit Kofler, IStR 2011, 668.
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Art. 1 Rz. 9–11
Unter das Abkommen fallende Personen
oder einseitig festzulegen.1 Soweit zwischen den Mitgliedsstaaten allerdings ein DBA besteht, hat der EuGH hierin verschiedentlich einen tragfähigen Differenzierungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung gesehen. Hintergrund hierfür ist, dass bei bilateralen Vereinbarungen die Vermutung besteht, dass die Regelungen insgesamt ausgeglichen sind.2 Die europarechtlichen Diskriminierungsverbote dürfen daher nicht vorbehaltslos auf sämtliche Abkommensbestimmungen übertragen werden.3 Bestrebungen, ein multilaterales DBA zwischen den Mitgliedstaaten abzuschließen,4 haben sich als nicht durchsetzbar erwiesen und wurden bisher nicht umgesetzt. Einen mittelbaren Bezug zu den indirekten Steuern hat das Unionsrecht damit nur, soweit das sekundäre Unionsrecht – insbesondere also die zu den indirekten Steuern ergangenen RL – zu einer Änderung des innerstaatlichen Rechts geführt hat. Beispiele hierfür sind die sog. Mutter-Tochter-Richtlinie,5 die Zins- und LizenzRichtlinie6 und die Zinsrichtlinie.7 Im Verhältnis zu diesen Regelungen sind Überschneidungen und Konkurrenzen zu den DBA möglich. Der Steuerpflichtige kann sich hier jeweils auf die für ihn günstigere Regelung berufen. 10
Einwirkung des primären Unionsrechts auf DBA. Für die Abkommensberechtigung ist unter dem Blickwinkel des Europarechts zunächst von Interesse, dass Art. 1 auf die Ansässigkeit (und damit i.E. auf die unbeschränkte Steuerpflicht) der betreffenden Person abstellt. Dies dürfte allerdings nicht per se als verdeckte Diskriminierung anzusehen sein. Eine solche wird in der Regel vielmehr erst dann eintreten, wenn sich beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Personen in vergleichbaren Situationen befinden, aber ungleich behandelt werden (vgl. Systematik Rz. 115). Gleichfalls wird unter europarechtlichen Gesichtspunkten diskutiert, ob ein Mitgliedstaat nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gehalten ist, ein Rechtsgebilde eines anderen Mitgliedsstaates, das nach dessen Rechtsordnung steuerlich intransparent ist, ebenfalls als Steuersubjekt anzuerkennen (vgl. Systematik Rz. 117).
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Europarechtliche Zulässigkeit abkommensüberschreibender Vorschriften (Treaty override). Von der Frage eines unionsrechtlichen Verbots der Doppelbesteuerung zu unterscheiden ist die Frage, ob es europarechtlich zulässig ist, wenn sich ein Mitgliedsstaat durch ein innerstaatliches (Steuer-)Gesetz über ein mit einem anderen Mitgliedsstaat geschlossenes (bilaterales) Abkommen hinwegsetzt, also ein Treaty override stattfindet.8 Dies war in der Literatur umstritten. Seit der Entscheidung des EuGH i.S. „Columbus Container Services“ dürfte allerdings geklärt sein, dass ein Bruch eines zwischen den Mitgliedsstaaten geschlossenen bilateralen Vertrages nicht per se als Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben einzuordnen ist.9 Die Gesamtregelung muss allerdings europarechtskonform sein. Vor diesem Hintergrund hat der BFH im Schlussurteil zu Columbus Container Sevices entschieden, dass der in § 20 Abs. 2 AStG i.d. Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungs1 Vgl. EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, IStR 2011, 840 [Rz. 46 und 48]; v. 5.7.2005 – C-376/03 – D, IStR 2005, 483 [Rz. 52]; v. 12.12.2006 – C-374/04 – ACT, IStR 2007, 138 [Rz. 52]. 2 Vgl. EuGH v. 5.7.2005 – C-376/03 – D, IStR 2005, 483 [Rz. 61 und 62]; v. 12.12.2006 – C-374/04 – ACT, IStR 2007, 138 [Rz. 88 ff.]. 3 Vgl. Gosch, IStR 2008, 413, 420. 4 Vgl. dazu Lehner in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 255a m.w.N. 5 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 6 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 7 RL 2003/48/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006. 8 Zum Begriff und der Zulässigkeit eines Treaty override nach innerstaatlichem Recht vgl. Rz. 15 und Systematik Rz. 146 ff. 9 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – C-298/05 – Columbus Container Services, BFH/NV 2008, Beilage 2, 100 [Rz. 46 und 47]; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, IStR 2009, 622 [Rz. 22]. Vgl. auch Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324; Gosch, IStR 2008, 413. Kritisch: Kofler, IStR 2011, 668; Hey, Forum der Internationalen Besteuerung Bd. 35 (2009), 137, 152. Mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen von BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 [Rz. 22]. Zum Meinungsstand vor der EuGH-Entscheidung v. 6.12.2007: Bron, IStR 2007, 431; Kofler SWI 2006, 62; Musil, RIW 2006, 287 sowie Forsthoff, IStR 2006, 509 und Stein, IStR 2006, 505 andererseits.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 11–13 Art. 1
gesetzes v. 21.12.1993 enthaltene Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode wegen des darin enthaltenen Verweises auf die §§ 7 ff. AStG i.E. gegen Unionsrecht verstößt.1 Weicht ein Mitgliedsstaat einseitig durch innerstaatliche Regelungen von dem DBA ab, kann dies zudem bei schweren Verstößen die Ausgeglichenheitsvermutung erschüttern, was wiederum Auswirkungen darauf hat, ob ein DBA als Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung herangezogen werden kann (vgl. Rz. 9). 3. Innerstaatliches Recht Abkommen als Teil des innerstaatlichen Rechts. Der Abschluss eines DBA führt 12 nach deutschem Verständnis nicht dazu, dass das entsprechende Abkommen Teil der Rechtsordnung der Vertragsparteien wird. Zumindest nach deutschem Recht wird der völkerrechtliche Vertrag, den das Abkommen darstellt, frühestens mit dem Inkrafttreten des entsprechenden Zustimmungsgesetzes unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht. Das Abkommen in seiner Umsetzung durch das Zustimmungsgesetz steht damit grundsätzlich auf einer Stufe mit den anderen einfachgesetzlichen innerstaatlichen Rechtsnormen, insbesondere den Steuergesetzen.2 Die Frage, welche Rechtswirkungen das entsprechende Zustimmungsgesetz hat, ist nicht eindeutig geklärt. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass das Zustimmungsgesetz das Abkommen in innerstaatliches Recht transformiert – in diese Richtung scheint auch der BFH zu tendieren (mit der Folge, dass ausschließlich innerstaatliche Auslegungsgrundsätze zur Anwendung kommen).3 Nach anderer Auffassung stellt das Zustimmungsgesetz einen innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl für den Vertrag dar (Vollzugstheorie).4 Hiernach behält das Abkommen auch nach der Übernahme durch das Zustimmungsgesetz im Grundsatz seinen Charakter als völkerrechtlicher Vertrag und ist entsprechend auszulegen. In der Regel sollten allerdings auf Grundlage beider Ansätze vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können (vgl. auch Systematik Rz. 67).5 Allgemeine Steuerbefreiungen. Steuerbefreiungen des innerstaatlichen Rechts 13 (z.B. § 8b KStG) und abkommensrechtliche Freistellungen stehen im Grundsatz unabhängig nebeneinander und schließen sich wechselseitig nicht aus.6 Grundsätzlich geht die weitergehende Norm vor. Sind deren Voraussetzungen nicht erfüllt oder wird diese später aufgehoben, so lebt die bis dahin nachrangige Vergünstigung wieder auf. Im Ergebnis kommt es damit zu einer Meistbegünstigung (vgl. auch Systematik Rz. 125 f.). Ein allgemeiner Vorrang einer (weniger weit reichenden) innerstaatlichen Vorschrift ist nur dann anzunehmen, wenn die entsprechende Vorschrift des innerstaatlichen Rechts das Abkommensrecht ausdrücklich und klar erkennbar im Sinne eines Treaty override verdrängt (vgl. Rz. 15). Dies wird bei den allgemeinen Steuerbefreiungsvorschriften allerdings in der Regel auszuschließen sein.
1 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774 [Rz. 26 ff.]. Vgl. dazu z.B.: Gosch, BFH/PR 2010, 113; Lieber, IStR 2010, 142; Sydow, IStR 2010, 174; Schön, JbFfStR 2010/2011, 45 ff.; Prinz, FR 2010, 378. 2 Vgl. BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerGE 6, 309 (363); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 316 f.; BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129, 130; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781, 782; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 3.25. 3 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 [Rz. 37]; in diesem Sinne auch BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 [Rz. 31]; vgl. auch Gosch, IStR 2008, 413. 4 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 28 (Stand: Mai 2011); Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 61; vgl. auch: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 7a (Stand: Januar 2008). In verschiedenen Entscheidungen spricht der BFH allerdings von einer „Transformation in nationales Recht“. 5 Vgl. nur Jarass in Jarass/Pieroth11, Art. 25 GG Rz. 1a, der deshalb insoweit auch neutral von „Übernahme“ des völkerrechtlichen Vertrages spricht. 6 Vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131 [Rz. 14] zur Anwendung von § 8b KStG im Organkreis im Veranlagungszeitraum 2002; v. 22.6.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659; Hageböke, IStR 2009, 473; Schönfeld, IStR 2010, 658.
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Art. 1 Rz. 14–17
Unter das Abkommen fallende Personen
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Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Unabhängig von den zwischen den Staaten geschlossenen DBA steht es den Einzelstaaten frei, im Rahmen ihres innerstaatlichen Rechts Doppelbesteuerungen zu vermeiden oder abzumildern. Zu einem Anwendungskonflikt kommt es nach deutschem Recht hier allerdings nicht, weil der insoweit einschlägige § 34c Abs. 1 bis 3 EStG nicht anzuwenden ist, wenn die Einkünfte aus einem ausländischen Staat stammen, mit dem ein DBA besteht (§ 34c Abs. 6 Satz 1 EStG). § 34c Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 3 EStG sind jedoch (modifiziert) anzuwenden, soweit nach dem DBA die Doppelbesteuerung durch die Anrechnung der im Quellenstaat erhobenen Steuern vermieden wird – sog. Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 6 Sätze 2 ff. EStG). Sollte es hier zu Überschneidungen kommen, wäre die jeweils im konkreten Fall für den Steuerpflichtigen günstigere Norm anzuwenden (Meistbegünstigungsgebot).
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Abkommensüberschreibende Normen des innerstaatlichen Rechts (Treaty override). Anwendungskonflikte ergeben sich jedoch im Zusammenhang mit Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die die Anwendbarkeit der Abkommen einschränken sollen. Hinsichtlich des Zwecks eines solchen Treaty override kann zwischen – der Verhinderung von Missbräuchen (§ 50d Abs. 1 bzw. 2 i.V.m. Abs. 3 EStG; § 20 Abs. 2 AStG), – der Verhinderung von Keinmalbesteuerungen (§ 50d Abs. 8 EStG, § 50d Abs. 9 Nr. 1 und 2 EStG, § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG, § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG) und – der Sicherstellung von Besteuerungssubstrat (§§ 15 Abs. 1a, 15 Abs. 5 EStG, §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UmwStG, ggf. auch § 50d Abs. 10 EStG) unterschieden werden.1 Die Grenzen zwischen den ersten beiden Kategorien dürften allerdings fließend sein. So wird eine Gestaltung, die zu einer Keinmalbesteuerung führt (sog. „Weiße Einkünfte“) häufig den Vorwurf des Missbrauchs provozieren. Letztlich macht diese Unterscheidung aber dennoch Sinn, weil zumindest bei den Vorschriften, die der reinen Missbrauchsbekämpfung dienen, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt sein muss, den Missbrauchsvorwurf zu entkräften. Die Vermeidung von Keinmalbesteuerungen ist dagegen hiervon unabhängig.
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§ 2 Abs. 1 AO geht ins Leere. Konflikte zwischen den Regelungen des innerstaatlichen allgemeinen Steuerrechts und dem ins innerstaatliche Recht überführten Abkommen werden zwar dem Wortlaut nach durch § 2 Abs. 1 AO zugunsten der DBA entschieden, weil nach § 2 Abs. 1 AO völkerrechtliche Verträge i.S. des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG – und damit auch DBA – den Steuergesetzen vorgehen.2 Im Ergebnis hilft § 2 Abs. 1 AO allerdings nur eingeschränkt weiter, weil dieser als einfachgesetzliche Regelung kein Rangverhältnis zwischen Gesetzen der gleichen Normenhierarchie bestimmen kann; hierzu hätte es vielmehr einer Art. 25 Satz 2 GG entsprechenden Bestimmung bedurft.3
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Herrschende Auffassung. Auf Grundlage der grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Abkommensrecht und den (übrigen) Steuergesetzen geht die hergebrachte und wohl noch h.M. in Deutschland – wenn auch zum Teil mit erheblichen Differenzierungen – davon aus, dass innerstaatliche Gesetze, die einem DBA entgegenstehen, dem Grunde nach wirksam sind.4 Anwendungskonflikte sind danach im konkreten Einzelfall nach 1 Vgl. Gosch, IStR 2008, 413 (415); Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596; Lehner, IStR 2012, 389. 2 Nach dem Bericht des Finanzausschusses des Bundestages soll § 2 AO klarstellen, „dass völkerrechtliche Vereinbarungen, soweit sie innerstaatliches Recht geworden sind, Vorrang vor den innerstaatlichen Steuergesetzen haben und deshalb allein durch spätere innerstaatliche Gesetze nicht abgeändert werden, vgl. Finanzausschuss v. 7.11.1975, BT-Drucks. 7/4292, 15. 3 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 3 ff., 160 (Stand: September 2012); Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 28 (Stand: Mai 2011); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 8 und 12 (Stand: Januar 2008): Es steht im freien Ermessen des dt. Gesetzgebers, das Verhältnis zwischen Abkommensrecht und innerstaatlichem Recht wo auch immer zu regeln. 4 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 178 f. (Stand: September 2012); Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324; Frotscher in FS Schaumburg, 687; Hahn, IStR 2011, 863; Heger, SWI 2011, 95; Hey, Forum der Internationalen Besteuerung Bd. 35 (2009), 137, 151; Mitschke, DStR 2011, 2221; Musil, FR 2012, 149; Wichmann, FR 2011, 1082.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 17–18 Art. 1
den allgemeinen Regeln aufzulösen. Insbesondere führt der Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages nicht dazu, dass das den Vertragsbruch herbeiführende Gesetz verfassungswidrig und unwirksam ist. Dies entsprach bisher auch der Linie der Rspr.1 Diese Auffassung beruht im Wesentlichen darauf, dass sich der deutsche Gesetzgeber durch den Abschluss eines DBA zwar völkerrechtlich gebunden hat, er aber zumindest innerstaatlich nicht gehindert ist, den Vertrag entweder nicht (vollständig) umzusetzen oder ein einmal erlassenes Umsetzungsgesetz und damit das DBA durch ein anderes Gesetz aufzuheben oder zu überschreiben. Etwas anderes kann auch nicht aus dem Grundsatz des pacta sunt servanda hergeleitet werden. Dass ein Vertragspartner sich an geschlossene Verträge zu halten hat, stellt zwar eine allgemeine Regel des Völkerrechts dar, dies führt aber nicht dazu, dass der Inhalt eines völkerrechtlichen Vertrages seinerseits eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG wird.2 Zudem besteht die Vertragsbindung ausschließlich zwischen den Vertragsstaaten, so dass sich nur der jeweils andere Staat und nicht der einzelne Steuerpflichtige hierauf berufen kann.3 Auflösung von Konkurrenzen nach allgemeinen Regeln. Konkurrenzen zwischen 18 dem in innerstaatliches Recht überführten Abkommen und den weiteren Vorschriften des innerstaatlichen Rechts sind somit nach allgemeinen Regeln aufzulösen. Es gelten insbesondere die lex-posterior-Regel (Vorrang des jüngeren Gesetzes) und die lex-specialis-Regel (Vorrang des spezielleren Gesetzes) (vgl. auch Systematik Rz. 147). Über beiden Auslegungsregelungen schwebt allerdings die Völkerrechtsfreundlichkeit des GG. Dieses ist nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht entsteht.4 Diese Völkerrechtsfreundlichkeit des GG strahlt naturgemäß auch auf die einfachgesetzlichen Regelungen und damit auf die gesamte deutsche Rechtsordnung aus. Ein in deutsches Recht überführtes DBA ist daher – sofern sich aus dem anderen Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes ergibt – im Verhältnis zu den anderen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts als lex spezialis anzusehen.5 Daher kann ein Treaty override nur dann angenommen werden, wenn das „überschreibende“ Gesetz insoweit eine klare Anordnung trifft.6 Im Zweifel setzt sich also die Abkommensregelung durch. Diese Grundsätze führen zu Folgendem: Gesetze, die nach Inkrafttreten eines DBA erlassen werden, also einen echten Treaty override darstellen, stellen das spätere Gesetz dar und verdrängen damit nach der lex-posterior-Regel das frühere Gesetz (also hier das Abkommen). Aus dem grundsätzlichen Vorrang des Abkommenrechts auf Grund der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung ergibt sich aber einschränkend, dass das spätere innerstaatliche Gesetz ein bestehendes Abkommen nur verdrängen kann, wenn sich aus diesem Gesetz dessen Vorrang eindeutig ergibt.7 Innerstaatliche Gesetze, die vor einem neu abgeschlossenen oder geänderten DBA bereits in Kraft getreten sind, treten grundsätzlich hinter das DBA zurück. Hier greift sowohl die lex-posterior-Regel als auch in der Regel die lex specialis-Regel zu Gunsten des Abkommens. Das bestehende Gesetz bleibt nur dann anwendbar, wenn es sich ausnahmsweise im Verhältnis zum DBA als das speziellere Gesetz erweist. Hieran sind aber noch höhere Anforderungen zu stellen, als dann, wenn ein innerstaatliches Gesetz nach dem DBA in Kraft getreten ist. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Aushandlung der DBA die innerstaatliche Rechtslage im Blick zu haben
1 Vgl. nur BFH v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129. 2 Vgl. BVerfG v. 8.5.2007 – 2 BvM 1-5/03, 1, 2/06, BVerfGE 118, 124 [Rz. 31]; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5 (Stand: Mai 2011) m.w.N. 3 Vgl. Frotscher in FS Schaumburg, 687 (697). 4 Vgl. BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326 [Rz. 86]; v. 8.7.2010 – 2 BvR 2485/07 u.a., NJW 2011, 207 [Rz. 24]; v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 [Rz. 34]. 5 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 2 (Stand: Mai 2011) m.w.N. 6 BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131 [Rz. 15]; Gosch, IStR 2008, 413; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 2 m.w.N. (Stand: Mai 2011). 7 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 2 (Stand: Mai 2011).
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Art. 1 Rz. 18–20
Unter das Abkommen fallende Personen
hat und letztendlich nur Abkommen abschließen und umsetzen kann und darf, deren Rechtsfolgen er auch zu akzeptieren bereit ist. 19
Kritik an der herrschenden Auffassung. Im Anschluss an eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG, die mit der sog. Görgülü-Entscheidung begonnen hat,1 sowie diverser kritischer Stimmen in der Literatur,2 hat der BFH nunmehr seine bisherige Position aufgegeben und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Treaty override durch § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F. dem BVerfG vorgelegt.3 Nach Auffassung des BFH stellt ein Treaty override (konkret § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG 2002 n.F.) einen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen Völkervertragsrecht dar, so dass eine Verletzung des Grundrechts auf Einhaltung der verfassungsrechtlichen Ordnung vorliegt4 (vgl. auch Systematik Rz. 149 ff.).
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Stellungnahme. Auch wenn es durchaus wünschenswert wäre, der Unsitte des Gesetzgebers, sich im Steuerrecht in immer größerem Umfang über völkerrechtliche Verträge hinwegzusetzen, Schranken zu setzen, überzeugen die Argumente, die gegen die h.M. vorgebracht werden, für die Mehrzahl der zu betrachtenden Fälle nicht.5 Insbesondere wird sich ein Steuerpflichtiger nicht in allen Fällen eines Treaty override auf einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot berufen können (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG). Im Ausgangspunkt dürfte hier zunächst einmal weitgehend unstreitig sein, dass die Legislative frei ist, die von der Exekutive ausgehandelten Abkommen ganz oder teilweise in geltendes Recht umzusetzen und – zumindest im Grundsatz – auch frei sein muss, eine einmal getroffene Entscheidung später revidieren zu können. Andernfalls würde die Gesetzgebungskompetenz der Legislative insoweit weitgehend ausgehöhlt und an ihre Stelle eine faktische Rechtssetzungskompetenz der Exekutive treten bzw. es würden die Kompetenzen zukünftiger Parlamente mit sich ggf. auch ändernden Mehrheiten beschnitten werden. Gerade auch in der GörgülüEntscheidung betont das BVerfG, dass völkerrechtliche Verträge nicht unmittelbar innerstaatliches Recht werden, sondern der Umsetzung durch ein entsprechendes Gesetz bedürfen.6 Offen kann damit nur die Frage sein, ob sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm vom Grundgesetz (insbesondere von Art. 20 Abs. 3 GG) gesteckten Rahmens über bestehende Abkommen – sofern die entsprechenden Bindungen gelöst werden sollen – auch einseitig und nur in Teilen (z.B. durch ein Treaty override) hinwegsetzen kann oder deren Neuverhandlung bzw. Kündigung bewirken muss. Maßstab ist Art. 20 Abs. 3 GG. Dieser bindet den Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung und damit an den gesamten Normbestand des Grundgesetzes. Hierzu gehört – soweit hier von Interesse – zum einen der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, aber auch die in Art. 59 Abs. 2, 25 GG zum Ausdruck kommende Kompetenzverteilung zwischen Exekutive und Legislative, letztlich also der Parlamentsvorbehalt bzw. das Demokratieprinzip.7 Im Verhältnis 1 BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307. 2 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5a (Stand: Mai 2011); Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 204 f.; Daragan, DB 2011, 2681; Gosch, IStR 2008, 413; Hageböke, IStR 2009, 473; Jansen/Weidmann, IStR 2010, 596; Vogel, IStR 2005, 29. 3 Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949, 8 [Rz. 13]. Vgl. auch BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 [Rz. 37]. Offengelassen von BFH v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 [Rz. 24]; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 [Rz. 31]; v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556 [Rz. 17]. A.A. noch: BFH v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129. 4 Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949 [Rz. 13]. 5 Gl.A. auch: Brombach-Krüger, Ubg 2008, 324; Frotscher in FS Schaumburg, 687; Hahn, IStR 2011, 863; Heger, SWI 2011, 95; Hey, Forum der Internationalen Besteuerung Bd. 35, 137, 151; Mitschke, DStR 2011, 2221. 6 Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 [Rz. 31 und 34]. 7 Vgl. Schwenke, FR 2012, 443, 450. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Grundgesetz die Außenvertretung Deutschlands dem Kompetenzbereich der Exekutive zuordnet. Die Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages sind vor diesem Hintergrund nicht – auch nicht auf Grund des aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten allumfassenden Parlamentsvorbehaltes – in der Weise erweiternd auszulegen, dass die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschnitten und auf eine
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 20–21 Art. 1
zur EMRK und der Rspr. des EuGH für Menschenrechte hat das BVerfG dieses Spannungsverhältnis bislang dahingehend aufgelöst, dass – auch als Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes – völkerrechtliche Verträge auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes heranzuziehen sind.1 Das Grundgesetz sei nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht entstehe.2 Dies führt aber auch nach der Konzeption des BVerfG nicht dazu, dass sich jedermann auf jeden Völkerrechtsverstoß berufen kann. Hier besteht ein erheblicher Unterschied, ob insoweit ein Verstoß gegen die spezielleren Grundrechte oder ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gerügt wird.3 In letzten Fall dürfte – zumindest auf der Rechtfertigungsebene – noch ein eher weit zu bestimmender Handlungsspielraum des Gesetzgebers verbleiben, so dass nicht jeder Treaty override verfassungswidrig ist. Die Grenzen eines zulässigen Treaty override sind allerdings dort überschritten, wo in die Besteuerungsrechte des anderen Staates abkommenswidrig eingegriffen wird bzw. die entsprechende Regelung des deutschen Rechts zu einer definitiven Doppelbesteuerung führt.4 Ein solcher Eingriff wäre auch nicht gerechtfertigt. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber die (endgültige) Doppelbesteuerung durch sein vertragswidriges Verhalten international verursacht, weil sich der Steuerpflichtige i.d.R. gegenüber dem anderen Staat wegen des geschlossenen DBA nicht mehr auf die Doppelbesteuerung berufen kann.
B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens Ausgewählte Literatur: Konsultationsvereinbarungen: Drüen, Bindungswirkung von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen, IWB 2011, 360; Heeger, Das Verhältnis von Abkommensrecht und nationalem Steuerrecht, SWI 2011, 95; Hummel, Zur innerstaatlichen Bindungswirkung von auf Doppelbesteuerungsabkommen beruhenden Konsultationsvereinbarungen, IStR 2011, 397; Ismer, DBA-Konkretisierung durch die Exekutive, IStR 2009, 366; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen und Doppelnichtbesteuerungen durch Rechtsverordnungen, IStR 2011, 733.
I. Abkommen Begriff und Zustandekommen. Unter Abkommen i.S. des Art. 1 des OECD-MA ist 21 der zwischen den beteiligten Staaten geschlossene völkerrechtliche Vertrag zu verstehen. Der Vertragsschluss folgt im internationalen Kontext dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 (WÜRV)5 sowie den (Zuständigkeits-)Regelungen des GG (vgl. auch Systematik Rz. 63 ff.). Dabei sind in der Regel die folgenden Schritte zu unterscheiden: (1) Vertragsverhandlung: Völkerrechtliche Verträge werden durch Bevollmächtigte des Bundespräsidenten ausgehandelt, da dieser den Bund nach Art. 59 Abs. 1 GG völkerrechtlich vertritt und die Verträge mit ausländischen Staaten schließt. Konkret werden DBA in der Regel auf deutscher Seite von Vertretern des BMF zusammen mit Vertretern des Auswärtigen Amtes verhandelt.
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nicht funktionsgerechte Teilung der Staatgewalt hinauslaufen würde (BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvE 4/11, WM 2012, 1229 [Rz. 91]). Vgl. BVerfG v. 4.5.2011 – 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326 [Rz. 87 und 88]; v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 [Rz. 32]. Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 [Rz. 33]. Insbesondere ist mit dem Rechtstaatsprinzip auf Grund dessen „Weite und Unbestimmtheit“ bei der Prüfung von Grundrechtsverstößen „mit Behutsamkeit“ vorzugehen: BVerfG v. 17.6.2004 – 2 BvR 383/03, BVerfGE 111, 54 [Rz. 151]; v. 22.2.1994 – 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60 [Rz. 138]; v. 26.5.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, 250 [Rz. 65]; FG Bremen v. 10.2.2011 – 1 K 20/10(3), EFG 2011, 988 [Rz. 100], aufgehoben durch BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, DStR 2012, 689. Vgl. auch Jarass in Jarass/Pieroth11, Art. 20 GG Rz. 29. Vgl. Frotscher in FS Schaumburg, 687 (708); Wichmann, FR 2011, 1082, 1084. Vgl. Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen v. 23.5.1969 über das Recht der Verträge v. 3.8.1985, BGBl. II 1985, 926.
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Art. 1 Rz. 21–23
Unter das Abkommen fallende Personen
(2) Paraphierung: Nach Abschluss der Verhandlungen wird der Vertragstext durch Paraphierung des Abkommens bzw. dessen Unterzeichnung als authentisch und endgültig festgelegt. In der Regel werden DBA allerdings wegen Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG unter dem Vorbehalt der Ratifikation geschlossen werden. (3) Unterzeichnung: Die Unterzeichnung erfolgt durch einen vom Bundespräsidenten bevollmächtigten Vertreter (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 GG). Mit Vertragsschluss wird das Abkommen allerdings noch nicht unmittelbar geltendes Recht. Dies bedarf noch eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes. (4) Erlass eines Zustimmungsgesetzes: Nach Unterzeichnung des Abkommens wird das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren eingeleitet, das auf den Erlass eines Zustimmungsgesetzes gerichtet ist. Der Abschluss eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung führt nach deutschem Verständnis nicht dazu, dass das entsprechende Abkommen Teil der Rechtsordnung der Vertragsparteien wird. Zumindest nach deutschem Recht wird der völkerrechtliche Vertrag, den das Abkommen darstellt, erst mit dem Inkrafttreten des entsprechenden Zustimmungsgesetzes unmittelbar geltendes innerstaatliches Recht (vgl. Rz. 12). Grundsätzlich kann über das Zustimmungsgesetz nur die Zustimmung zu dem ausgehandelten Vertragstext erteilt werden bzw. – wenn ein entsprechendes Gesetz nicht die erforderlichen Mehrheiten erhält – das Inkrafttreten des Abkommens verhindert werden. Ein Zustimmungsgesetz, dass den entsprechenden Vertragstext abändert, ist aber innerstaatlich wirksam.1 (5) Ratifikation: Mit der Ratifikation bindet sich Deutschland völkerrechtlich. Dies erfolgt durch die Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde durch den Bundespräsidenten und den anschließenden Austausch der Ratifikationsurkunden. Damit tritt das DBA in Kraft, wobei in der Regel im jeweiligen Einzelabkommen selbst Regelungen über die erstmalige Anwendbarkeit enthalten sind. 22
Umfang des Abkommens. Zum Abkommen gehört zunächst der eigentliche Abkommenstext. In der Regel wird das Abkommen in den beiden Sprachen der Vertragsparteien geschlossen, die beide gleichermaßen verbindlich sind. Zum Teil ist der Abkommenstext zusätzlich noch in einer dritten verbindlichen Sprache (z.B. Englisch) verfasst. Häufig existieren neben dem eigentlichen Vertragstext aber auch weitere Dokumente (Zusatzprotokolle, Schlussprotokolle, Notenwechsel) mit erläuternden oder einschränkenden Regelungen. Diese sind Bestandteil des Abkommens, wenn dies ausdrücklich in den jeweiligen Dokumenten festgelegt ist und diese Ergänzungen zusammen mit dem Abkommenstext das Ratifizierungsverfahren durchlaufen haben, insbesondere Gegenstand des Zustimmungsgesetzes geworden sind. Zudem können einzelne Anwendungsfragen Gegenstand abstrakter Verständigungsund Konsultationsvereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten sein (vgl. Rz. 23). Einschränkungen und Modifikationen erfährt die Abkommensanwendung schließlich durch in letzter Zeit immer häufiger anzutreffende „überschreibende Regelungen des innerstaatlichen Rechts – sog. Treaty override (vgl. Rz. 11 sowie Rz. 15).
23
Konsultationsvereinbarungen nach § 2 Abs. 2 AO. Um Zweifel bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens zu beseitigen, sieht Art. 25 Abs. 3 Satz 1 sog. Konsultationsvereinbarungen vor (vgl. Art. 25 Rz. 193, 218 ff.). Hierbei handelt es sich um Vereinbarungen zwischen den Finanzverwaltungen der betroffenen Staaten über die Behandlung bestimmter, abstrakter Sachverhalte. Zu unterscheiden sind davon Verständigungsverfahren im engeren Sinne nach Art. 25 Abs. 1 und 2, die der Lösung von Konflikten im Einzelfall dienen. Völkerrechtlich sind die auf einer Art. 25 Abs. 3 entsprechenden Bestimmung geschlossenen Konsultationsvereinbarungen als Verwaltungsvereinbarungen wirksam und zwischen den beteiligten Staaten bindend. Innerstaatlich binden diese mit deren Veröffentlichung im Bundessteuerblatt die Finanzverwaltung. Umstritten war dagegen, ob hierdurch auch eine Bindung der Gerichte eintritt. Dies wurde zu Recht wegen des Gesetzesvorbehaltes des Art. 20 Abs. 3 GG zumindest dann verneint, wenn sich die entsprechende Vereinbarung außerhalb des Abkommenswortlautes bewegt; dieser stellt – so der BFH – in abschließender
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 6 (Stand: August 2008) unter Hinweis auf das DBA-Italien 1989 und BFH v. 28.12.1993 – I B 168/93, BFH/NV 1994, 692; v. 16.3.1994 – I R 140/93, BStBl. II 1994, 508.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 23–24 Art. 1
Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar.1 Die im Bundesteuerblatt veröffentlichte Vereinbarung hat innerstaatlich nur den Rang einer Verwaltungsvorschrift.2 Um die Bindungswirkung derartiger Vereinbarungen ohne ein formelles Transformationsgesetz zu gewährleisten, wurde durch das JStG 20103 § 2 Abs. 2 AO eingefügt. Danach wird das BMF ermächtigt, zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zu erlassen. Hiervon hat das BMF auch bereits Gebrauch gemacht.4 Eine Sonderregelung in Bezug auf die zeitliche Anwendbarkeit ist in Art. 97 Abs. 9 EGAO enthalten. Für Rechtsverordnungen, die vor dem 1.1.2011 als Bundesratsdrucksache veröffentlicht wurden, ist vorgesehen, dass diese bereits mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum 2010 erlassen werden können.5 Für die Verwaltung bleibt auf Grund der Selbstbindung der Verwaltung zunächst die zwischen den zuständigen Behörden geschlossene Konsultationsvereinbarung maßgeblich.6 Bindungswirkung. Ob das gesetzgeberische Ziel des § 2 Abs. 2 AO erreicht wurde, 24 ist allerdings zweifelhaft. Zunächst genügt die in § 2 Abs. 2 AO enthaltene Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Dies gilt zumindest dann, wenn die Vorschrift nicht in der Weise verfassungskonform ausgelegt wird, dass § 2 Abs. 2 AO nur zum Erlass solcher Rechtsverordnungen ermächtigt, die inhaltlich an das entsprechende DBA anknüpfen und sich innerhalb dessen Regelungsprogramms als äußerster Grenzlinie bewegen.7 Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergangene Rechtsverordnung innerhalb der innerstaatlichen Normenhierarchie als rein materielles Gesetz unterhalb der formalen Gesetze steht.8 Die Konsultationsvereinbarungsverordnungen können daher die durch ein formales Gesetz in innerstaatliches Recht umgesetzten DBA nicht ändern. I.E. bedeutet dies, dass die Gerichte an die durch Rechtsverordnung umgesetzten Konsultationsvereinbarungen nur insoweit gebunden sind, wie sich diese innerhalb des möglichen Rahmens des jeweiligen DBA bewegen.9 Um hierüber hinauszugehen, bedarf es letztlich wiederum eines Gesetzes i.S.d. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG. Durch § 2 Abs. 2 AO wurde somit nichts gewonnen, weil der BFH auch bisher die Konsultationsvereinbarungen bei der Abkommens-
1 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 13.6.2012 – I R 41/11, BStBl. II 2012, 880 [Rz. 16]; vgl. hierzu auch die Besprechung von Schwenke, ISR 2012, 55. 2 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43a (Stand: Mai 2011). 3 JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 4 Deutsch-Französische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2138; Deutsch-Schweizerische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2187; Deutsch-Belgische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2137; DeutschNiederländische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2183; DeutschÖsterreichische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2185; DeutschAmerikanische KonsultationsvereinbarungsVO v. 20.12.2010, BGBl. I 2010, 2136. Zuletzt zudem: Deutsch-Britische KonsultationsvereinbarungsVO v. 9.7.2012, BGBl. I 2012, 1483; Deutsch-Luxemburgische KonsultationsvereinbarungsVO v. 9.7.2012, BGBl. I 2012, 1484. 5 Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43d (Stand: Mai 2011) m.w.N. 6 Vgl. FM Saarl. v. 3.5.2011 – B/3-S 1301-9#007, 2011/34993, DStR 2011, 2354. 7 Vgl. Nacke, DB 2010, 1142 (1149); i.E. wohl auch Gosch in FS Spindler, 379 (421). Für die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung: Hummel, IStR 2011, 397 (400 ff.), differenzierend zwischen Fälle der Vermeidung der Doppelbesteuerung und den Fällen der Doppelnichtbesteuerung: Lehner, IStR 2011, 733 (738). Vgl. auch: Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e (Stand: Mai 2011); Drüen, IWB 2011, 360 (365) (verfassungsrechtlich zulässig). 8 Vgl. nur: Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43 f. (Stand: Mai 2011) m.w.N. 9 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e (Stand: Mai 2011); Drüen, IWB 2011, 360 (366 f.); Benecke/ Schnitger, IStR 2010, 432 (439], Micker, IWB 2010, 61 (67); A.A. Ismer, IStR 2009, 366 (370); wohl auch: Heger, SWI 2001, 95 (98).
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Art. 1 Rz. 24–25
Unter das Abkommen fallende Personen
auslegung – bis zur Grenze des Wortlautes des DBA – berücksichtigt hatte.1 Soweit die Verwaltung weiterhin Verständigungsvereinbarungen über abstrakte Sachverhaltsbehandlungen schließt und diese nicht in Rechtsverordnungen umgesetzt werden, gelten die Grundsätze der o.g. BFH-Rspr. unmittelbar weiter. 25
OECD-Musterkommentar. Der OECD-MK wird – wie auch das OECD-MA selbst – nicht Bestandteil der jeweiligen zwischen den Staaten abgeschlossenen Einzelabkommen, so dass er auch nicht durch das Zustimmungsgesetz in deutsches Recht überführt wird. Eine Bindungswirkung kommt dem OECD-MK somit nicht zu; diese tritt auch nicht nach Art. 25 GG ein. Insbesondere stellt der OECD-MK kein Völkergewohnheitsrecht dar.2 Bedeutung hat der OECD-MK allerdings bei der Auslegung des jeweiligen Abkommens. Ein Ansatzpunkt ist dabei Art. 31 Abs. 4 WÜRV (primäres Auslegungsmittel zur Bestimmung der besonderen Bedeutung eines Ausdrucks in einem völkerrechtlichen Vertrag).3 Darüber hinaus kann der OECD-MK als (sekundäres) ergänzendes Auslegungsmittel nach Art. 32 WÜRV herangezogen werden.4 Das gilt zumindest bei Abkommen zwischen zwei OECD-Staaten, die den Text des OECD-MA übernommen haben (Systematik Rz. 97 f.). In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Staaten die Ausführungen des OECD-MK kannten und umsetzen wollten. Auch der BFH zieht den OECD-MK regelmäßig zumindest zur Bestätigung des gefundenen Auslegungsergebnisses heran.5 Grenze ist auch hier aber der Wortlaut des in das deutsche Recht übernommenen Abkommens. Entsprechendes dürfte auch gelten, wenn mit einem Nichtmitgliedstaat der OECD ein DBA abgeschlossen wurde, dass erkennbar auf dem OECD-MA aufbaut.6 Spätere Änderungen des OECD-MA und des OECDMK haben dagegen keine unmittelbaren Auswirkungen. Entweder handelt es sich um klarstellende Regelungen – dann kann schon auf den OECD-MK im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA zurückgegriffen werden – oder die Auffassung der OECD im OECDMK hat sich geändert – dann kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsstaaten bei Abschluss des DBA eine derartige Änderung vorhergesehen haben und umsetzen wollten. Einer dynamischen Verknüpfung der DBA mit dem OECD-MK hat der BFH inzwischen eine Absage erteilt.7 Dies dürfte allerdings nur insoweit gelten, als dass dem OECD-MK eine Bindungswirkung zugesprochen wird, von der der BFH allerdings nicht ausgeht. Im Sinne einer Auslegungshilfe dürften auch Weiterentwicklungen des OECD-MK ergänzend heranzuziehen sein. Weitergehende Empfehlungen der OECD – insbesondere der sog. OECD-Partnership-Report 19998 vor der Neufas-
1 Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387 [Rz. 16]; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394 [Rz. 20]. 2 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.76; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: Januar 2008); Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42 (Stand: Mai 2011). 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.76; Schnitger/Rometzki in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Rz. 17.63; Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 126; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: Januar 2008), jeweils m.w.N. Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen vgl. Systematik Rz. 76 ff. Zur Bedeutung des OECD-MK vgl. Systematik Rz. 97 f. 4 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42 (Stand: Mai 2011) zum OECD-MA. 5 BFH v. 22.6.2011 – I R 103/10, BFH/NV 2011, 1785 [Rz. 16] zum DBA-Brasilien; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488 [Rz. 15] zum DBA-Schweiz; weitergehend ggf. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207 [Rz. 16 und Rz. 21] zum DBA-Schweiz. Zur Berücksichtigung der OECD-Positionen durch andere Gerichte vgl. M. Lang, IStR 2011, 1. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 54 (Stand: Januar 2008); a.A. BFH v. 14.3.1989 – IR 39/85, BStBl. II 1989, 599 zum DBA-Indien. 7 Inzwischen ständige Rspr.: BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 19] zum DBAUngarn; v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BFH/NV 2011, 920 zum DBA-Großbritannien [Rz. 21]; v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488 [Rz. 16] zum DBA-Schweiz, z.T. unter Hinweis auf BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 zum DBA-Spanien. Vgl. auch Lampert, IStR 2012, 513. 8 OECD, The Application of the OECD-Model Tax Convention to Partnerships v. 20.1.1999.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 25–26 Art. 1
sung des OECD-MK im Jahr 2000 – sind bei der Auslegung des jeweiligen Einzelabkommens ebenfalls nur sehr eingeschränkt verwertbar.1
II. Persönlicher Abkommensschutz – Ansässige Person im Sinne des OECD-MA Personengesellschaften (Auswahl): Brähler/Mayer, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften, IStR 2010, 678; Debatin, Subjektiver Schutz unter Doppelbsteuerungsabkommen, BB 1989, Beilage 2 zu Heft 3/1989; Diehl, Qualifikationskonflikte im Steuerrecht, FR 1978, 517; Engel/Hilbert, Besteuerung des Gewinnanteils des inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft, FR 2012, 394; Gosch, Internationale Qualifikationskonflikte, in Schaumburg/ Piltz (Hrsg.) Veräußerungsgewinne in Internationalen Steuerrecht (Forum der internationalen Besteuerung Band 27), Köln 2004, 103; Haase, Steuerrechtliche Wahlrechte bei DBA-Dreickssachverhalten, BB 2010, 673; Haase, Nochmals, Steuerliche Wahlrechte bei Dreieckssachverhalten, BB 2010, 1823; Heinsen, Behandlung von Dreieckssachverhalten unter Doppelbesteuerungsabkommen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1843; Hruschka, Das BMF-Schreiben zur Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften vom 16.4.2010, DStR 2010, 1357; Kluge, Die Anerkennung ausländischer Gesellschaften im deutschen Steuerrecht, DStR 1976, 365; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; M. Lang, Steuerlich transparente Rechtsträger und Abkommensberechtigung, IStR 2011, 1; M. Lang, Qualifikations- und Zurechnungskonflikte im DBA-Recht, IStR 2010, 114; M. Lang, Die abkommensrechtliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in Kleineidam (Hrsg.) Festschrift Lutz Fischer 1999, 713; Mensching, Die Limited Liabiliy Company (LLC) im Mienenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Prinz, Besteuerungsgrundsätze für hybride internationale Mitunternehmerschaften, FR 2012, 381 Richter, Einzelfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 544; Schmidt, Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht (Teil 1), Wpg 2002, 1134, (Teil 2), Wpg 2002, 1232; Spengel/Schaden/Wehrße, Besteuerung von Personengesellschaften in den 27 EU-Mitgliedstaaten und den USA – eine Analyse der nationalen Besteuerungskonzeptionen, StuW 2010, 44; Suchanek/Herbst, Status Quo zur Behandlung intransparent besteuerter ausländischer Personengesellschaften, Ubg 2011, 779; Vogel, Zur Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften, IStR 1999, 5; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Grundfragen internationaler Personengesellschaften im Abkommensrecht, FR 2010, 537; Wassermeyer, Steuerpflicht, Einkünfteerzielung und Abkommensberechtigung, in Kessler (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 897; Wassermeyer, Soll Deutschland die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften in seinen DBA verankern?, IStR 1999, 481; Weggenmann/Rödl, Sonderregelungen für Personengesellschaften in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 697.
1. Überblick/Vertragsstaat Person i.S. des OECD-MA. Um den persönlichen Anwendungsbereiches des Ab- 26 kommens zu bestimmen, stellt Art. 1 auf die „Person“ ab. Damit ist dieser Begriff neben der „Ansässigkeit“ zentral zur Bestimmung des Schutzbereiches des Abkommens. Art. 1 enthält hierfür allerdings keine eigenständige Definition, so dass auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b zurückzugreifen ist. Danach umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen (vgl. Art. 3 Rz. 10 ff.). Der Ausdruck „Gesellschaft“ bedeutet juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (vgl. Art. 3 Rz. 13 ff.). Im Ergebnis sind daher auch alle die Rechtsträger als Person im Sinne des Abkommens einzuordnen, die weder natürliche Person noch Personenvereinigung sind, die aber für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. So sind z.B. rechtsfähige Stiftungen Personen i.S. des Art. 1 (vgl. Art. 3 Rz. 2 OECD-MK). Darüber hinaus sind vom Begriff der Person auch alle anderen Personenvereinigungen umfasst. Darunter fallen als Hauptanwendungsfall die Personengesellschaften, die da-
1 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 19] zum DBA-Ungarn; Weggenmann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.42 f.; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.67.
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Art. 1 Rz. 26–28
Unter das Abkommen fallende Personen
mit i.d.R. auch aus deutscher Sicht abkommensrechtlich „Personen“ sind.1 Wird die Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat wie eine juristische Person besteuert, so ist sie „Gesellschaft“ i.S. des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b.2 27
Ansässigkeit i.S. des OECD-MA. Der andere wesentliche Begriff des Art. 1 ist der der „Ansässigkeit“, weil das Abkommen nur für diejenigen Personen gilt, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Wesentliches Kriterium hierfür ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1, ob diese Person in einem der Vertragsstaaten mit ihren Einkünften auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines vergleichbaren Merkmals in Bezug auf die im Abkommen genannten Steuern steuerpflichtig ist (vgl. Art. 4 Rz. 22 ff.). Wie die in Art. 4 Abs. 1 enthaltene Aufzählung zeigt, ist mit Steuerpflicht eine der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 EStG) vergleichbare Steuerpflicht gemeint (Inländerbesteuerung). Dem ist gleichgestellt, wenn eine Person als Haftungsschuldner für die Steuer einer anderen Person in Anspruch genommen wird und sich diese andere Person auf das DBA berufen könnte.3 Eine beschränkte Steuerpflicht (z.B. im Rahmen einer Quellenbesteuerung) reicht zur Begr. der Ansässigkeit dagegen nicht.4 Gleiches gilt für Objektsteuern, wie etwa die deutsche Gewerbesteuer (vgl. Rz. 42).5 Die Abkommensberechtigung einer Person bestimmt sich damit zumindest im Ergebnis auch nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht des Ansässigkeitsstaates dieser Person.6 Für natürliche und juristische Personen ist dies auch weitgehend unproblematisch. Umstritten sind aber die Fälle, in denen es zu einer unterschiedlichen Einordnung durch den Sitzstaat der Gesellschaft, den Quellenstaat und – soweit von den vorgenannten Staaten verschieden – den Anwenderstaat kommt. Dies betrifft insbesondere die steuerliche Behandlung der Personengesellschaften, weil das transparente Besteuerungskonzept, das Deutschland für diese Gesellschaften verfolgt, von einer Vielzahl von Steuerrechtsordnungen nicht geteilt wird (vgl. Rz. 50 ff.).
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Vertragsstaat als geographisches Element. Der subjektive Anwendungsbereich des OECD-MA hat schließlich auch ein geographisches Element. Abkommensberechtigt ist nur, „wer in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig“ ist. Was unter „Vertragsstaat“ zu verstehen ist, ist im OECD-MA nicht ausdrücklich definiert. Dies ist aber auch nicht notwendig. Vertragsstaaten des Abkommens sind die jeweiligen völkerrechtlichen Vertragspartner, also die Völkerrechtssubjekte, die das DBA abgeschlossen haben. Diese ergeben sich u.a. aus der Überschrift des jeweiligen DBA, ggf. auch aus dessen Präambel. In den deutschen DBA ist regelmäßig zudem in den jeweiligen Einzelabkommens (in der Regel in Art. 3 des entsprechenden DBA) eine ausdrückliche Definition der Vertragsstaaten enthalten. „Vertragsstaat“ und der „andere Vertragsstaat“ sind hiernach je nach Zusammenhang Deutschland oder jeweils der Vertragspartner. In der geographischen Abgrenzung umfasst der jeweilige Vertragsstaat zunächst einmal das jeweilige nach völkerrechtlichen Grundsätzen zu bestimmende Staatsgebiet innerhalb der hoheitlichen Grenzen. Neben den Landgebieten und den hiervon umschlossenen Gewässern, Kanälen und Binnenseen erstreckt sich dieses bei Staaten, die unmittelbar an internationale Gewässer angrenzen, auch auf das Küstenmeer.7 Zum Staatsgebiet gehören zudem Zollausschluss-
1 Vgl. BFH v. 14.12.1988 – I R 397/83, BStBl. II 1989, 317; Art. 2 Rz. 2 OECD-MK; Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (680); Richter, FR 2010, 544 (544); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECDMA Rz. 16 (Stand: Januar 2008); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Oktober 2009). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 (Stand: Januar 2008). 3 Vgl. BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECDMA Rz. 30 (Stand: März 2012). 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 29 (Stand: März 2001). 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Oktober 2010); Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 78. Aus indischer Sicht hatte das Income Tax Appelate Tribunal, Mumbai/Indien, die Abkommensberechtigung einer deutschen Personengesellschaft wegen der deutschen Gewebesteuerpflicht bejaht, vgl. Oepen/Münch, IStR 2009, 55. 6 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.173. 7 Ipsen, Völkerrecht5, § 23 Rz. 2.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 28–30 Art. 1
gebiete (nicht die Zollanschlussgebiete)1 und die Handelsschiffe, die unter der Flagge des betreffenden Staates fahren, solange sich diese nicht in den Gewässern eines anderen Staates befinden.2 Zum Staatsgebiet gehört zudem der Luftraum. Sofern ein Gebiet unter der gemeinsamen Gebietshoheit mehrerer Staaten steht (Kondominium), kann der Anwendungsbereich mehrerer Abkommen eröffnet sein. Für den Anwendungsvorrang gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl. zu § 34c EStG Rz. 14 sowie Systematik Rz. 125 f.). Im Verhältnis der Staaten, die sich die Gebietshoheit teilen, ist – sofern diese keine besondere Regelung vereinbart haben – ein Verständigungsverfahren durchzuführen.3 Ausweitungen des Inlandsbegriffes (Festlandssockel). Nicht zum deutschen 29 Staatsgebiet im völkerrechtlichen Sinn gehört der Festlandssockel. Allerdings steht Deutschland insoweit eine auf die Erforschung und die Ausbeutung der Naturschätze begrenzte Souveränität zu.4 Innerstaatlich hat Deutschland den steuerlichen Inlandsbegriff auf dieses Gebiet ausgeweitet, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet werden oder dieser der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dient (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG, § 1 Abs. 3 KStG). I.E. führt diese Ausweitung des Inlandsbegriffs jedoch schon nach innerstaatlichem Recht nicht dazu, dass z.B. auf einer Bohrinsel eine deutsche unbeschränkte Steuerpflicht begründet werden kann, weil ein dortiger (Wohn-)Sitz oder gewöhnlicher Aufenthalt nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der o.g. Tätigkeiten steht.5 Abkommensrechtlich gilt entsprechendes, so dass in diesem Gebiet eine Ansässigkeit nicht begründet werden kann. Zudem wäre eine einseitige Ausdehnung des subjektiven Anwendungsbereiches eines DBA zu Lasten des jeweiligen anderen Staates auch nicht zulässig (vgl. die Diskussion unter Rz. 58). In der Abkommenspraxis stellt sich diese Frage allerdings nicht, weil in den deutschen DBA der geographische Anwendungsbereich regelmäßig ausdrücklich bestimmt ist. Entweder wird in den Einzelabkommen der geographische Anwendungsbereich an die Geltung des deutschen innerstaatlichen Steuerrechts geknüpft oder in Anlehnung an den Inlandsbetriff nach innerstaatlichem Steuerrecht eigenständig definiert. Das Gebiet Deutschlands im Sinne des DBA soll sich danach auf das Hoheitsgebiet Deutschlands und das an das Küstenmeer angrenzende Gebiet des Meeresbodens, seines Meeresuntergrundes und der darüber befindlichen Wassersäule erstecken, soweit Deutschland in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften souveräne Rechte und Hoheitsbefugnisse zum Zwecke der Erforschung, Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen ausübt. Ansässigkeitsbescheinigung. Im Verfahren zur Erstattung der Quellensteuer bzw. 30 der Freistellung vom Quellensteuerabzug ist gem. § 50d Abs. 4 EStG die Ansässigkeit einer Person in einem Staat regelmäßig durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Ansässigkeitsstaates nachzuweisen (Ansässigkeitsbescheinigung). In Deutschland werden diese von den Finanzämtern ausgestellt. Entsprechende mit den ausländischen Finanzverwaltungen abgestimmte Vordrucke sind auf der Internetseite des BZSt abrufbar.6
1 Vgl. BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614. 2 Vgl. BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1986, 377; v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: März 2012). 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.187 zum deutsch-luxemburgische Kondominium über die Mosel, Sauer und Our. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 41 (Stand: März 2012). 4 Genfer Konvention über den Festlandsockel v. 29.4.1958, Proklamation der Bundesregierung über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockel v. 20.1.1964, BGBl. II 1964, 104. 5 Vgl. nur Gosch in Kirchhof11, § 1 EStG Rz. 6; Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 100 (Stand: August 2011); Heinicke in Schmidt32, § 1 EStG Rz. 30; a.A. Elbing in Blümich, § 1 EStG Rz. 138 (Stand: Februar 2012). 6 Zur Praxis der Finanzverwaltung bei der Ausstellung von Ansässigkeitsbescheinigungen vgl. OFD Frankfurt v. 12.4.2012 – S 2706 A 112-St 54, juris; OFD Frankfurt v. 17.1.2012 – S 0270
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Art. 1 Rz. 31–33
Unter das Abkommen fallende Personen
2. Abkommensberechtigung natürlicher Personen 31
Begriff der natürlichen Person. Da eine Definition der „natürlichen Person“ im OECD-MA nicht enthalten ist, muss insoweit nach allgemeinen Grundsätzen auf das Recht des das Abkommen anwendenden Vertragsstaates (Anwenderstaat) abgestellt werden. Entscheidendes Merkmal einer „Person“ ist dabei die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. In Abgrenzung zu den juristischen Personen, werden mit dem Begriff der natürlichen Person Menschen beschrieben. Das deutsche BGB ordnet die Rechtsfähigkeit für Menschen zwar nicht gesondert an, geht hiervon aber als selbstverständlich aus (vgl. § 1 BGB). Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt. Sie endet mit dem Tod. In diesen Randbereichen kann auch mittelbar das Recht des Wohnsitzstaates durchschlagen, weil von diesem Recht die Steuerpflicht der natürlichen Person und damit auch deren abkommensrechtliche Ansässigkeit bestimmt wird.1 Doppelansässigkeiten werden nach Art. 4 Abs. 2 aufgelöst (Art. 4 Rz. 59 ff.).
32
Steuerpflicht. Ansässig sind nur natürliche Personen, die in einem der Vertragsstaaten ansässig sind, also in einem Vertragsstaat auf Grund des Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes (…) oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig sind (Art. 4 Abs. 1 Satz 1). Im Ergebnis müssen für diese Personen die Voraussetzungen einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland bzw. die Voraussetzungen einer entsprechenden Steuerpflicht im Ausland vorliegen. Eine erweitert unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 und 3 EStG oder eine fiktive Steuerpflicht nach § 1a EStG reichen nicht aus.2 Etwas anderes gilt allerdings, wenn das jeweilige Einzelabkommen nur auf die unbeschränkte Steuerpflicht abstellt, ohne vorzugeben, auf welchen Umständen diese unbeschränkte Steuerpflicht beruhen muss.3
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Doppelansässigkeit aus Sicht des Quellenstaates (Drittstaat). Denkbar sind in diesem Zusammenhang auch Fallkonstellationen in denen die Anwendbarkeit eines Abkommens aus Sicht des Quellenstaates zu beurteilen ist und die Person, die die Einkünfte erzielt, in zwei unterschiedlichen Staaten ansässig ist (Beispiel: Lizenzzahlungen aus Deutschland an eine Person, die sowohl in Österreich als auch in der Schweiz ansässig ist). Hier hat der Steuerpflichtige – im Sinne einer Meistbegünstigung – ein Wahlrecht, auf welches DBA er sich im Verhältnis zum Quellenstaat beruft4 (im Beispielsfall entweder auf das DBA Deutschland-Österreich oder auf das DBA Deutschland-Schweiz). Insbesondere kommt es nicht darauf an, in welchem Staat die Person nach dem zwischen den beiden Ansässigkeitsstaaten geschlossenen Abkommen (im Beispiel: nach dem DBA Österreich-Schweiz) ansässig ist. Auch Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 führt zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ keine Person, „die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenen Vermögen steuerpflichtig ist“. Mit anderen Worten soll eine persönliche Steuerpflicht, die sich lediglich auf die aus diesem Staat stammenden Quellen erstreckt (sog. Territorialbesteuerung), keine Abkommensansässigkeit in diesem Staat begründen. Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 stellt aber ausschließlich auf die innerstaatlichen Vorschriften der Vertragsstaaten ab und kommt somit nur dann zur Anwendung, wenn sich die Territorialbesteuerung aus Bestimmungen des rein innerstaatlichen Rechts, d.h. aus der in-
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A-7-St 23, juris; OFD Rheinland v. 5.9.2011 – S 1300-2010/0007-St 121, juris; OFD Frankfurt v. 20.12.2010 – S 1301 A-86-St 58, juris; OFD Rheinland v. 28.5.2009 – S 1301-1018-St 152, juris. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Oktober 2010). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Oktober 2010). Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 42 (Stand: März 2001); Lehner in V/L5, Art. 4 OECDMA Rz. 78; Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 32 (Stand: Juni 2012). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 42 (Stand: März 2001); a.A. BMF v. 25.1.2000 – IV B 3 – S 1301 SCHZ – 1/00, IStR 2000, 188 zum DBA-Schweiz – Anwendbarkeit bestätigt durch BMF v. 27.3.2012 – IV A 2 - O 2000/11/10006, 2012/0060781, BStBl. I 2012, 370 (Lfd. Nr. 210). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 4 (Stand: März 2001); Haase, BB 2010, 673 (677).
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 33–35 Art. 1
nerstaatlichen Selbstbeschränkung ergibt.1 Eine auf einem DBA (z.B. mit einem Drittstaat) beruhende Beschränkung der Territorialbesteuerung ist demgegenüber unbeachtlich (vgl. Art. 4 Rz. 57).2 Dieser Auffassung folgt auch die deutsche Finanzverwaltung.3 Außerhalb von Deutschland wird die aufgeworfene Frage allerdings vereinzelt abweichend beantwortet.4 Auch nach dem Musterkommentar in der seit 2008 geltenden Fassung soll Artikel 4 Abs. 1 Satz 2 die Abkommensansässigkeit von Personen ausschließen, die in einem Vertragsstaat keiner umfassenden Besteuerung unterliegen, weil sie, obwohl sie dort nach dem Recht dieses Staates ansässig sind, nach einem Abkommen zwischen diesem Staat und einem anderen Staat als in dem anderen Staat ansässig gelten (vgl. Art. 4 Rz. 8.2 Satz 2 OECD-MK). 3. Abkommensberechtigung juristischer Personen Begriff der juristischen Person. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a sind neben den natür- 34 lichen Personen und allen anderen Personenvereinigungen auch Gesellschaften vom Begriff der Person umfasst. Unter Gesellschaft wiederum werden juristische Personen und andere Rechtsträger verstanden, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Nicht weiter definiert wird die „juristische Person“. Hierzu ist – wie bei den natürlichen Personen – auf das Recht des Anwenderstaates abzustellen. In Deutschland sind die der deutschen Körperschaftsteuer unterliegenden juristischen Personen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG aufgezählt. Zu nennen sind dabei insbesondere die Kapitalgesellschaften, also Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung; aber auch andere juristische Personen des privaten Rechts, wie etwa rechtsfähige Stiftungen.5 Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) nach § 5a GmbHG ist keine eigenständige Rechtform neben der GmbH, sondern stellt eine Variante dieser Rechtsform dar.6 Sie ist damit Kapitalgesellschaft und juristische Person und wird infolgedessen ebenfalls von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a erfasst. Quasi-juristische Personen. Gesellschaften und damit Personen i.S. von Art. 1 35 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sind auch Rechtsträger („Entities“), die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (sog. quasi-juristische Personen). Sowohl der deutsche als auch der englische Text des OECD-MA legen hierbei nahe, dass als quasi-juristische Personen nur solche Gebilde in Betracht kommen, die rechtsfähig sind. Eine solche Interpretation würde allerdings zu weit gehen, weil ansonsten für die Fallgruppe der quasi-juristischen Personen kein Anwendungsbereich gegeben wäre. Zu Recht besteht daher i.E. Einigkeit, dass es auf die Rechtsfähigkeit der jeweiligen Einheit nicht ankommt, sofern diese wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird (vgl. Art. 3 Rz. 20 ff.).7 Aus deutscher Sicht unterliegen der Körperschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG auch nichtrechtfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts. Hierunter fallen auch Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die ihren Ort der Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben und deshalb nach ausländischem Recht als aufgelöst gelten 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 45 (Stand: März 2001); Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 120 f.; Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 45 (Stand: März 2001); Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 121; Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 78; Lüdicke, in FS für Lutz Fischer (1999), 731(740 f.). Ebenso zur Parallele bei doppelansässigen Kapitalgesellschaften: Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999, 147 f. m.w.N. 3 Vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6-S 1300-367/06, BStBl. I 2006, 532 Rz. 8 zur steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den DBA „wenn … die Person nach deutschem Rechtsverständnis dort also nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegt“. 4 Vgl. die Nachweise bei Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 121. 5 Vgl. z.B. Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 83. 6 Vgl. OFD Münster v. 15.12.2008 – Kurzinfo KSt Nr. 011/2008 [n.V.]. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 25 (Stand: Januar 2008) sowie Art. 3 Rz. 19; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 15. Dies entspricht auch der Position des OECD-MK zu Art. 3 OECD-MA, wenn dort als Beispiel für einen Rechtsträger, der wie eine Kapitalgesellschaft besteuert wird, die Stiftungen genannt werden, ohne danach zu differenzieren, ob diese rechtsfähig sind oder nicht, vgl. Art. 3 Rz. 2 OECD-MK.
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Art. 1 Rz. 35–36
Unter das Abkommen fallende Personen
(vgl. Rz. 38). Zu fordern ist allerdings, dass die Vermögensmasse eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit besitzt.1 Gleiches gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG schließlich auch für die Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 36
Ausländische Rechtsgebilde. Für die Frage, ob ein ausländisches Rechtsgebilde aus deutscher Sicht ein Köperschaftsteuersubjekt ist, ist darauf abzustellen, ob dieses Rechtsgebilde unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG subsumiert werden kann. Diese Vorschrift bestimmt – abschließend2 – sowohl für die beschränkte als auch für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht die Grenze zwischen Rechtsgebilden, die als eigenständige Steuersubjekte der Körperschaftsteuer unterliegen, und steuerlich transparenten Personenvereinigungen, bei denen für die Besteuerung auf deren Gesellschafter abgestellt wird.3 Ausländische Rechtgebilde sind in diese Kategorien einzuordnen, wobei hierzu der Begriff der „Qualifikation“ eingebürgert hat.4 Diese Einordnung erfolgt auf Grundlage eines Typenvergleichs (Art. 3 Rz. 18; Art. 7 (2008) Rz. 74).5 Abzustellen ist darauf, ob das ausländische Rechtsgebilde einer deutschen Mitunternehmerschaft entspricht oder nach dem Gesamtbild seiner rechtlichen Ausgestaltung eher einem Körperschaftsteuersubjekt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG gleicht. Hierzu wurden von der Rspr. verschiedene Beurteilungsmerkmale entwickelt, die für ein Körperschaftsteuersubjekt sprechen und die auch von der Finanzverwaltung angewendet werden. Diese sind:6 – Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung, – beschränkte Haftung, – freie Übertragbarkeit der Anteile, – Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss), – Kapitalaufbringung, – unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft, – Gewinnverteilung und – formale Gründungsvoraussetzungen. Für eine Vielzahl von Gesellschaftsformen ausländischen Rechts hat die Finanzverwaltung in den Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen zudem ihre Auffassung niedergelegt, wie diese Gesellschaftsformen einzuordnen sind.7 Umfasst sind allerdings nur die jeweils typischen Ausgestaltungen der jeweiligen Rechtgebilde. Bei Abweichungen wird die Finanzverwaltung die Einordung im konkreten Einzelfall – d.h. insbesondere unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des jeweiligen Gesellschaftsvertrages – anhand der oben dargestellten Kriterien verproben.8 Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzungen gelten die allgemeinen Grundsätze. Die ausländische Kapitalgesellschaft besteht zumindest solange fort, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift.9
1 Vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388 [Rz. 10] zu einem Jersey-Trust. 2 Vgl. BFH v. 19.8.1958 – I 78/58 U, BStBl. III 1958, 468; v. 2.12.1970 – I R 122/68, BStBl. II 1971, 187; v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 3 Vgl. Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Rz. 4.5. 4 Zur Kritik an der Begrifflichkeit: Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 151 ff. 5 Grundlegend die sog. Venezuela-Entscheidung des RFH: RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; zur neueren Rspr. vgl.: BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 [Rz. 17 ff.]; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 [Rz. 13]; v. 6.6.2012 – I R 52/11, BFH/NV 2012, 1720 [Rz. 12] Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung: BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 unter 2.1. 6 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 [Rz. 20 ff.]; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 – S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411 (zur LLC); OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008 – S 2241 A – 107 – St 213, RIW 2009, 96; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 unter 2.1. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, geändert durch BMF v. 20.11.2000, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009, BStBl. I 2009, 888, Tabellen 1 und 2. 8 Vgl. OFD Frankfurt am Main v. 14.11.2008 – S 2241 A – 107 – St 213, RIW 2009, 96. 9 Vgl. BFH v. 28.1.2004 – I B 210/03, BFH/NV 2004, 670 [Rz. 8]; FG Münster v. 11.5.2011 – 9 V 3872/10 K, EFG 2011, 1443 [Rz. 18] rkr.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 37–38 Art. 1
Ansässigkeit. Bei den juristischen Personen bringt die Bestimmung der abkom- 37 mensberechtigten Person selten besondere Probleme mit sich, weil juristische Personen in der Regel nach allen betroffenen Rechtordnungen als eigenständiges Steuersubjekt und damit als ansässige Person einzuordnen sind. Das gilt auch im Fall einer ertragsteuerlichen Organschaft (§ 14 ff. KStG). Hier bleibt die Organgesellschaft ansässige Person.1 Zu einer abweichenden Einordnung durch die betroffenen Staaten kommt es bei Kapitalgesellschaften nur in Ausnahmefällen. Hier sind die Grundsätze der Auflösung von Einordnungskonflikten bei der abkommensrechtlichen Behandlung von Personengesellschaften entsprechend heranzuziehen (vgl. Rz. 40 ff.). Abgrenzungsfragen stellen sich jedoch bei den quasi-juristischen Personen (vgl. Rz. 35), weil sich die Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat nach dessen Recht „auf Grund des Wohnsitzes, des ständigen Aufenthaltes, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals“ ergeben muss (Art. 4 Abs. 1). Insbesondere bei den Zweckvermögen und ähnlichen Vermögensmassen ist es also erforderlich, dass diese eigenständig im Wirtschaftsleben in Erscheinung treten und im anderen Staat eine der Geschäftsführung vergleichbare Verwaltung dieses Vermögen erfolgt. Erforderlich aber auch ausreichend für die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat ist, dass die Kapitalgesellschaft oder quasi-juristische Person dort auf Grund der oben genannten Merkmale dem Grunde nach der Besteuerung unterliegt, also besteuert werden kann. Unerheblich ist es, wenn es – z.B. wegen einer Steuerbefreiung – tatsächlich nicht zu einer Besteuerung kommt (vgl. Art. 4 Rz. 25).2 Doppelansässige juristische Personen. Ist eine Kapitalgesellschaft nach auslän- 38 dischem Recht gegründet worden, hat aber ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt, so verliert sie ihre Abkommensberechtigung nicht. Soweit es sich um eine EU-Gesellschaft handelt, deren Gründungsstaat der Gründungstheorie folgt, muss Deutschland nach der Rspr. des EuGH diese Gesellschaft auch nach deren Zuzug weiterhin anerkennen.3 Die ausländische Kapitalgesellschaft bleibt juristische Person und damit auch Körperschaftsteuersubjekt. Sie bleibt aber auch dann Körperschaftsteuersubjekt und damit (ansässige) Person, wenn sie mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ihre Rechtsfähigkeit verliert. Nach der Rspr. des BFH kann eine nach Deutschland zugezogene ausländische Kapitalgesellschaft auch in diesem Fall in Deutschland wie eine juristische Person besteuert werden, mit der Folge, dass sie sich auf sämtliche von Deutschland geschlossene Abkommen berufen kann.4 Vorausgesetzt ist in beiden Fällen allerdings, dass die Gesellschaft nach dem Typenvergleich einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht (vgl. Rz. 36). Verlegt eine nach deutschem Recht gegründete Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) ihren Verwaltungssitz ins Ausland, so bleibt die Gesellschaft spätestens nach der Änderung von § 4a GmbHG bzw. § 5 AktG durch das MoMiG5 zumindest aus deutscher Sicht als juristische Person erhalten. Diese bleibt damit (ansässige) Person und abkommensberechtigt. Zur Auflösung von Doppelansässigkeiten aus Sicht des Quellenstaates vgl. Rz. 33.
1 Vgl. nur Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18c (Stand: Oktober 2009); Haase, IStR 2012, 659; Lüdicke, IStR 2011, 740. 2 Vgl. Art. 4 Rz. 8.2 OECD-MK; BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BFH/NV 2012, 1720 [Rz. 12] zum DBAFrankreich; FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 [Rz. 33 ff.] zum DBA-Frankreich; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 83; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 23 (Stand: Januar 2008), Art. 4 OECD-MA Rz. 25 (Stand: März 2001). A.A. FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 zum DBA-FRA (rkr.). International wird beides vertreten: Vgl. Art. 4 Rz. 8.3 OECD-MK. Vgl. i.Ü. auch die Ausführungen zu Investmentvermögen (Rz. 81). 3 Vgl. EuGH v. 9.3.1999 – C-212/97 – Centros, IStR 1999, 253; v. 5.11.2002 – C-208/00 – Überseering, IStR 2002, 809; v. 30.9.2002 – C-167/01 – Inspire Art, IStR 2003, 849; v. 16.12.2008 – C-210/06 – Cartesio, DStR 2009, 121. 4 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154 [Rz. 12]; v. 23.6.1993 – I R 31/92, BFH/NV 1994, 661 [Rz. 21]; v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972 [Rz. 18 ff.]; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Januar 2008). 5 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026.
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Art. 1 Rz. 39–41 39
Unter das Abkommen fallende Personen
Durchgriff. Da juristische Personen in der Regel abkommensberechtigt sind, kann es sich aus Sicht des Steuerpflichtigen anbieten, seine abkommensrechtliche Position durch Zwischenschaltung einer solchen juristischen Person zu verbessern. Aus Sicht der beteiligten Staaten kann es wiederum nahe liegen, unter bestimmen Bedingungen den Durchgriff durch derartige juristischen Personen anzuordnen und für die Abkommensanwendung auf die „dahinterstehenden Personen“ abzustellen. Dies ist insbesondere eine Frage der abkommensrechtlichen Anerkennung der dazwischengeschalteten juristischen Person (vgl. zu den sog. Basisgesellschaften Rz. 99 f.). 4. Abkommensberechtigung von Personengesellschaften a) Überblick
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Grundsätze. Ausgangspunkt jeder abkommensrechtlichen Beurteilung unter Einbeziehung von Personengesellschaften ist zunächst die steuerliche Einordnung des (ausländischen) Rechtsträgers als Kapital- oder Personengesellschaft. Das ist nach allgemeinen Grundsätzen auf Grundlage eines sog. Typenvergleichs zu entscheiden (vgl. Rz. 35). Liegt hiernach eine Personengesellschaft vor, so ist zu entscheiden, ob bzw. in welchem Umfang diese Personengesellschaft selbst abkommensberechtigt ist. Im Ausgangspunkt besteht hier weitgehende Einigkeit, dass Personengesellschaften als Personen im Sinne des Art. 1 einzuordnen sind; und zwar entweder als Gesellschaften im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b oder als andere Personenvereinigungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a.1 Ob eine Personengesellschaft darüber hinaus auch als in einem Vertragsstaat ansässige Person i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 und damit auch i.S.v. Art. 1 anzusehen ist, richtet sich danach, ob diese Personengesellschaft auf Grund eines der in Art. 4 Abs. 1 genannten Merkmale (z.B. auf Grund ihres Sitzes) in einem der Vertragsstaaten selbst der Besteuerung unterliegt – in diesem Fall ist sie zumindest aus Sicht dieses Staates ansässige Person (vgl. Art. 1 Rz. 5 Satz 1 OECD-MK). Ansonsten kann sich die Personengesellschaft selbst nicht auf ein DBA berufen, es sei denn im jeweiligen Abkommen ist eine entsprechende Sonderregelung enthalten (vgl. Rz. 49). Abkommensberechtigt sind in diesem Fall vielmehr die Gesellschafter der Personengesellschaft, und zwar im Grundsatz aus den Abkommen ihres Ansässigkeitsstaates (vgl. Art. 1 Rz. 5 Sätze 2 bis 4 OECD-MK).
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Einordnung von Personengesellschaften im internationalen Kontext. Die Kernproblematik grenzüberschreitender Fälle unter Beteiligung von Personengesellschaften im Abkommensrecht beruht darauf, dass die steuerliche Einordnung von Personengesellschaften international bereits nach den jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnungen nicht einheitlich ist (Art. 7 (2008) Rz. 67 ff.). Zum Teil wird – wie z.B. in Deutschland – für die Besteuerung auf die Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft abgestellt (sog. Transparenz- oder Mitunternehmerprinzip), während die Gesellschaft selbst nicht steuerpflichtig ist. Andere Steuerrechtsordnungen sehen die Personengesellschaft dagegen selbst als (körperschaft-)steuerpflichtige Einheit und damit als Steuersubjekt an. Zu einer Besteuerung der Gesellschafter kommt es in diesem Fall nur dann, wenn die Gewinne der Personengesellschaft von deren Gesellschafter entnommen werden. Abkommensrechtlich hat das folgende Konsequenzen: Verfolgen die beteiligten Staaten in Bezug auf die Personengesellschaft nach ihrem jeweiligen innerstaatlichen Recht identische Besteuerungskonzepte, so bereitet die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte in der Regel keine besonderen Schwierigkeiten. Schwierig und umstritten ist dagegen die abkommensrechtliche Beurteilung, wenn die beteiligten Staaten eine unterschiedliche Sichtweise haben. Im Kern stellt sich dann die Frage, ob der Staat, der das Abkommen anwendet (Anwenderstaat), für die Bestimmung der ansässigen Person an die Sichtweise des jeweils anderen Staates (Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, Sitzstaat der Personengesellschaft, Quellenstaat) gebunden ist und ob die1 Vgl. Art. 1 Rz. 4 Satz 3 OECD-MK sowie Art. 3 Rz. 2 Satz 5 OECD-MK. Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (680); in einer Vielzahl deutscher Abkommen ist allerdings auf die Aufnahme von „anderen Personenvereinigungen“ in der Begriffsdefinition für Person im Sinne des Abkommens verzichtet worden, vgl. dazu die Übersicht bei Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 23.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 41–44 Art. 1
se Einordnung auf die abkommensrechtliche Beurteilung, insbesondere die Einkünftezurechnung durchschlägt – abkommensorientierte Sichtweise. Zum Teil wird insoweit von einer subjektiven Qualifikationsverkettung gesprochen. Nach der Gegenposition entscheidet der jeweilige Staat zunächst autark unter Berücksichtigung der Wertungen des eigenen innerstaatlichen Steuerrechts über die abkommensrechtliche Zurechnung der von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte – anwenderstaatorientierte Sichtweise (vgl. zur abkommensorientierten und anwenderstaatorientierten Sichtweise Rz. 50 ff. und Art. 3 Rz. 41 f.). Werden diese Einkünfte nach innerstaatlichem Recht den Gesellschaftern zugerechnet, spielt die abkommensrechtliche Frage der Ansässigkeit der Personengesellschaft nur noch eine eingeschränkte Rolle, weil es ausschließlich darauf ankommt, ob sich die Gesellschafter als diejenigen, denen die Einkünfte steuerlich zuzurechnen sind, auf ein Abkommen berufen können. Keine Ansässigkeit wegen Gewerbesteuerpflicht. Eine Personengesellschaft ist 42 nicht schon deswegen in Deutschland ansässig i.S. der Art. 1, 4 Abs. 1 Satz 1, weil sie im Inland einen Gewerbebetrieb unterhält und damit gewerbesteuerpflichtig ist.1 Zwar ist die deutsche Gewerbesteuer in den sachlichen Anwendungsbereich wohl sämtlicher deutscher Abkommen einbezogen (vgl. Art. 2 Rz. 30); die Personengesellschaft unterliegt dieser Steuer aber nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals, wie es Art. 4 Abs. 1 Satz 1 verlangt. Der Besteuerung unterliegt vielmehr nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Für Zwecke der Gewerbesteuer können sich Personengesellschaften dagegen selbst auf das DBA berufen, sind also insoweit abkommensberechtigt.2 b) Übereinstimmende Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt Anwendung der für juristische Personen geltenden Grundsätze. Soweit sämtliche 43 betroffenen Staaten die Personengesellschaft einheitlich als Körperschaftsteuersubjekt einordnen, stellen sich in der Regel bei der Bestimmung der ansässigen und damit abkommensberechtigten Person keine besonderen Probleme. Es gelten insoweit die Grundsätze für die juristischen Personen. Die Personengesellschaft ist selbst als ansässige Person anzusehen und kann sich damit unmittelbar z.B. auf das zwischen ihrem Sitzstaat und einem Quellenstaat geschlossene DBA berufen. Aus Sicht des Ansässigkeitsstaates der Gesellschafter werden die von der Personengesellschaft erwirtschafteten Einkünfte in der Regel der Personengesellschaft selbst zuzurechnen sein. Zu einer Besteuerung auf der Ebene der Gesellschafter wird es somit nur kommen, wenn die Gewinne der Personengesellschaft an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Diese Ausschüttungen unterliegen dann abkommensrechtlich den jeweiligen Dividendenartikeln (Art. 10). c) Übereinstimmende Einordnung als transparente Einheit (Mitunternehmerschaft) Durchgriff auf die Gesellschafter. Weitgehend unproblematisch ist die abkom- 44 mensrechtliche Beurteilung zumindest in Zwei-Staaten-Fällen auch dann, wenn die Personengesellschaft von allen betroffenen Steuerrechtsordnungen übereinstimmend als transparent eingeordnet wird (Art. 7 (2008) Rz. 75). Die Personengesellschaft ist in diesen Fällen zwar ggf. als Person im Sinne des Art. 1 einzuordnen, mangels eigener Steuerpflicht ist sie aber nicht ansässige Person und kann sich daher nicht selbst auf das Abkommen berufen. Das entspricht der Auffassung der OECD und dürfte im Ergebnis auch nicht streitig sein. In diesen Fällen können sich die Ge1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Oktober 2010); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 25 und 46 (Stand: März 2001); Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 78. Für das DBA-Indien hatte das Income Tax Appelate Tribunal, Mumbai/Indien, allerding die Abkommensberechtigung einer deutschen Personengesellschaft auf Grund deren deutscher Gewebesteuerpflicht aus indischer Sicht bejaht, vgl. Oepen/Münch, IStR 2009, 55. 2 Vgl. BMF v. 16.5.2010 – IV B 2 – S 1300/09/100003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.1.1; Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358).
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Art. 1 Rz. 44–46
Unter das Abkommen fallende Personen
sellschafter unmittelbar auf das zwischen ihrem Ansässigkeitsstaat und dem jeweiligen Quellenstaat geschlossene Abkommen berufen. Zwar werden die Einkünfte zivilund handelsrechtlich von der (nicht steuerpflichtigen) Personengesellschaft erzielt und den Gesellschaftern insoweit nur ein Gewinnanteil zugerechnet; es entspricht aber allgemeiner Auffassung, dass wegen der steuerlichen Transparenz der Personengesellschaft deren Gesellschafter abkommensrechtlich die Einkünfte erzielen, die sich damit auf das Abkommen berufen können.1 Dem ist auch uneingeschränkt zuzustimmen. Daraus folgt auch: Eine Betriebsstätte der Personengesellschaft wird den Mitunternehmern zugerechnet (Art. 7 (2008) Rz. 68).2 Die Regelungen in einzelnen Abkommen, nach denen die für Unternehmensgewinne geltenden Artikel (Art. 7 OECD-MA) auch für Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft gelten (z.B. Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich), sind daher insoweit lediglich deklaratorisch. Ein eigenständiger Regelungsbereich kommt diesen Vereinbarungen jedoch zu, soweit hierin die Besteuerungsrechte an Sondervergütungen verteilt werden. 45
Vermögensverwaltende Gesellschaften. Der Begriff der Vermögensverwaltung ist im Zusammenhang mit der steuerlichen Beurteilung von Personengesellschaften innerstaatlich als Abgrenzung zur gewerblichen Tätigkeit zu sehen. Gewerblich ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Ungeschriebenes weiteres Tatbestandsmerkmal für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit ist, dass die Grenze zur Vermögensverwaltung überschritten sein muss. Ist dies nicht der Fall, ist die vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft keine Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Das Vermögen der Gesellschaft und die Einkünfte sind den Gesellschaftern gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen. Typisch sind Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§ 22 EStG i.V.m. § 23 EStG). Gewerblich ist die Tätigkeit als Besitzunternehmen innerhalb einer Betriebsaufspaltung. Als Gewerbebetrieb gilt zudem in vollem Umfang auch die Tätigkeit einer sog. infizierten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 EStG) sowie einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Abkommensrechtlich ist dagegen danach zu unterscheiden, ob die Personalgesellschaft Unternehmensgewinne erzielt oder sonstige Einkünfte. Diese Unterscheidung ist für das Abkommensrecht autonom vorzunehmen und nicht mit der innerstaatlichen Unterscheidung zwischen gewerblichen Einkünften und einer vermögensverwaltenden Tätigkeit gleichzusetzen (vgl. zur Darstellung des Meinungsstandes Art. 3 Rz. 30 ff.). Die nationalen Fiktionen – insbesondere die gewerbliche Prägung einer Gesellschaft oder die Betriebsaufspaltungsgrundsätze – haben abkommensrechtlich keine Bedeutung (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 54 ff.; a.A. Art. 3 Rz. 35). In Bezug auf die Bestimmung der Ansässigkeit der Personengesellschaft bestehen für vermögensverwaltende Personengesellschaften keine Besonderheiten. Auch die vermögensverwaltende Personengesellschaft ist „Person“ im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Buchst. a (andere Personenvereinigung). Mangels Steuerpflicht ist sie nach deutscher Sichtweise – wie auch die Mitunternehmerschaft – nicht ansässig im Sinne des Art. 4 Abs. 1. I.E. können sich damit die gleichen Qualifikationskonflikte wie bei einer Mitunternehmerschaft stellen, wenn der ausländische Staat die vermögensverwaltene Personengesellschaft selbst als steuerpflichtig und damit als ansässige Person ansieht.
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Praktische Auswirkungen des Transparenzprinzips. Das abkommensrechtliche Transparenzprinzip und der damit verbundene Durchgriff auf die Gesellschafter der Personengesellschaft bringt allerdings selbst bei einer übereinstimmenden Einordnung durch die verschiedenen Rechtsordnungen eine Reihe von Anwendungsproblemen mit sich. Diese treten insbesondere dann verstärkt auf, wenn an der Personengesellschaft eine Vielzahl von Gesellschaftern beteiligt und diese zudem noch in 1 Vgl. nur BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 [Rz. 15] zum DBA-Großbritannien; Art. 1 Rz. 5 sowie Rz. 6.4 OECD-MK; Art. 4 Rz. 8.4 Satz 2 OECD-MK. 2 Vgl. BMF v. 16.5.2010 – IV B 2 – S 1300/09/100003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.3; BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV, 2165 [Rz. 15] zum DBA-Großbritannien m.w.N.; Wassermeyer in W/S/R, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Rz. 2.8 sowie 2.10.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 46–48 Art. 1
unterschiedlichen Staaten ansässig sind. In der Praxis bedeutet das, dass im Verhältnis zum Quellenstaat eine Vielzahl von unterschiedlichen DBA mit ggf. einer jeweils unterschiedlichen Aufteilung der Besteuerungsrechte (insbesondere mit unterschiedlichen Quellensteuersätzen) zu beachten und formelle Anforderungen (Ansässigkeitsnachweise, Anträge) jeweils von den einzelnen Gesellschaftern zu erfüllen sind. Praktische Probleme treten auch auf, wenn die Personengesellschaft Einkünfte aus unterschiedlichen Quellenstaaten erzielt und Verteilungskonflikte zwischen den Quellenstaaten bestehen (z.B. Gewinnabgrenzungen zwischen Betriebsstätten in zwei unterschiedlichen Staaten). Sind die Gesellschafter in einem Drittstaat ansässig, so können Aufteilungskonflikte nicht durch eine Anwendung des zwischen den beiden Betriebsstättenstaaten bestehenden Abkommen (z.B. durch ein nach diesem Abkommen durchgeführten Verständigungsverfahren) gelöst werden, da dieses Abkommen mangels dort ansässiger Personen keine Anwendung findet. Derartige Konflikte sind daher jeweils bilateral nach dem zwischen dem Ansässigkeitsstaat und dem jeweiligen Quellenstaat geschlossenen Abkommen zu lösen. Ggf. kann sich der Gesellschafter der Personengesellschaft auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 24) berufen (Art. 24 Rz. 45). Der jeweils andere Betriebsstättenstaat ist allerdings formal in das Verfahren nicht einbezogen, so dass mögliche Gegenkorrekturen wiederum bilateral im Verhältnis zu diesem Staat durchzusetzen wären. Innerhalb der EU kann auf die EU-Schiedskonvention zurückgegriffen werden. Nach Art. 1 Abs. 2 EUSchiedskonvention gilt auch eine Betriebsstätte eines Unternehmens eines Vertragsstaates, die in einem anderen Vertragsstaat gelegen ist, als Unternehmen des Staates, in dem sie gelegen ist (Art. 7 (2008) Rz. 30; vgl. zur EU-Schiedskonvention auch Art. 25 Rz. 275 ff.). Da insoweit auf die abkommensrechtlichen Begriffe abzustellen ist, sind hiervon auch die Betriebsstätten umfasst, die durch eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern vermittelt wird. Ansässigkeitsbescheinigungen. Sofern wegen der Transparenz der Personengesell- 47 schaft auf die Abkommensberechtigung der einzelnen Gesellschafter abzustellen ist, bedeutet das, dass grundsätzlich jeder einzelne Gesellschafter eine Ansässigkeitsbescheinigung seines Wohnsitzfinanzamtes beantragen muss. Hierbei hat er anzugeben, dass er diese Bescheinigung als Gesellschafter einer Personengesellschaft benötigt. Die frühere Vereinfachungsregelung, nach der eine Ansässigkeitsbescheinigung auf den Namen der Personengesellschaft ausgestellt werden konnte, und einzelne Gesellschafter namentlich von der Gültigkeit ausgenommen wurden, wird nicht mehr praktiziert.1 Drei-Staaten-Sachverhalte. Echte Drei-Staaten-Sachverhalte liegen vor, wenn der 48 Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter, der Sitzstaat der Personengesellschaft und der Quellenstaat auseinanderfallen. Sehen in diesem Fall alle beteiligten Steuerrechtsordnungen die Personengesellschaft als steuerlich transparent an, sind für die Anwendung des Abkommens lediglich die Gesellschafter der Personengesellschaft als ansässige Personen einzuordnen. Der (abweichende) Sitzstaat der Personengesellschaft sowie andere Staaten kommen insoweit nur als Quellenstaaten in Betracht. Anwendbar aus Sicht des Quellenstaates ist damit jeweils nur das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene DBA. Das zwischen dem Drittstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene DBA findet keine Anwendung. Aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters kommt eine Anwendung sowohl des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft als auch des mit dem Drittstaat geschlossenen DBA (ggf. kumulativ) in Betracht. Daraus folgt: Aus Sicht des Drittstaates bestimmt sich das Besteuerungsrecht ausschließlich nach dem mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen DBA.2 Aus Sicht des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters sowie des Sitzstaats der Personengesellschaft ist dagegen auf Grundlage des zwischen diesen Staaten geschlossenen DBA zu differenzieren. Sind die (Drittstaaten)-Einkünfte nach dem zwischen den beiden vorge-
1 Vgl. OFD Rheinland v. 28.5.2009 – S 1301-1018-St 152, Rz. 6, juris. 2 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 29; Heinsen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1843 (1851).
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Art. 1 Rz. 48–49
Unter das Abkommen fallende Personen
nannten Staaten bestehenden DBA einer Betriebsstätte im Sitzstaat der Personengesellschaft zuzurechnen, so hat nach dem OECD-Konzept der Sitzstaat der Personengesellschaft im Verhältnis dieser Staaten zueinander das Besteuerungsrecht (entweder aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 oder aus Art. 21 Abs. 2).1 Das gilt auch dann, wenn dem konkreten DBA eine Art. 21 Abs. 2 entsprechende Regelung fehlt.2 Der Ansässigkeitsstaat wird diese Einkünfte in der Regel freizustellen haben, so dass eine ggf. vom Quellenstaat erhobene Quellensteuer dort nicht anrechenbar sein wird. Der Sitzstaat der Personengesellschaft darf die Drittstaateneinkünfte besteuern. Eine Anrechnung von Quellensteuern kommt hier – zumindest auf Grundlage eines DBA – ebenfalls nicht in Betracht, weil das zwischen dem Sitzstaat der Personengesellschaft und dem Drittstaat geschlossene DBA mangels Ansässigkeit der Personengesellschaft nicht angewendet werden kann.3 Im Grundsatz ist der Steuerpflichtige damit auf eine Anrechnung nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts des Sitzstaates der Personengesellschaft angewiesen. Deutschland als Sitzstaat der Personengesellschaft würde hier nach nationalem Recht die entsprechende Steuer gem. §§ 34c Abs. 1 bis 3, 50 Abs. 3 EStG anrechnen oder zum Abzug bringen.4 Darüber hinaus kann eine Anrechnungsverpflichtung aber auch aus den abkommens- und europarechtlichen Diskriminierungsverboten abgeleitet werden.5 Sind die Einkünfte dagegen keiner Betriebsstätte im Sitzstaat der Personengesellschaft zuzurechnen, so liegen aus Sicht des Sitzstaates der Personengesellschaft andere Einkünfte i.S. des Art. 21 Abs. 1 des mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommens vor, für die nach dem OECD-Konzept der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters und nicht der Betriebsstättenstaat (Sitzstaat der Personengesellschaft) das Besteuerungsrecht hat. Im Ergebnis gilt das sowohl für Einkünfte, die dem Grunde nach unter die Art. 10 bis 12 fallen,6 aber auch für Einkünfte aus Drittstaaten-Betriebsstätten7 und aus im Drittstaat belegenen Immobilien.8 Das Besteuerungsrecht richtet sich dann vorrangig nach dem zwischen dem Drittstaat (Quellenstaat) und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommen. 49
Abweichende Regelungen in einzelnen DBA. Obwohl das OECD-MA eine Regelung in Bezug auf die Behandlung der Personengesellschaften nicht vorsieht, hat die OECD die damit verbundenen Problemstellungen seit langem erkannt. Der OECDMK sieht daher für Personengesellschaften ausdrücklich die Möglichkeit vor, in den abzuschließenden Einzelabkommen eine ausdrückliche Regelung subjektiver Qualifikationskonflikte zu vereinbaren (vgl. Art. 4 Rz. 8.4 Satz 4 OECD-MK sowie Art. 3 Rz. 42). Dies entspricht auch der deutschen Abkommenspraxis in der einzelne DBA Personengesellschaften als ansässige Person im Sinne des Abkommens behandeln.9 1 Dafür, dass Art. 7 nicht erst auf Grund der Regelung des Art. 21 Abs. 2, sondern unmittelbar anwendbar ist: Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, 80, Fn. 109 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. 3 Vgl. Schänzle/Engel in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 5.164; Mick/Dyckmans in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 8.98. 4 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 380. 5 Vgl. zur Anwendung abkommens- bzw. europarechtlicher Diskriminierungsverbote z.B. Heinsen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1843 (1854); Schnitger/Rometzki in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 17.44 ff.; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, 103 ff. 6 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 46 ff.; Schnitger/Rometzki in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 17.24 ff. 7 In der Regel wird sich insoweit aber bereits kein Besteuerungsrecht im Rahmen der deutschen beschränkten Steuerpflicht der Gesellschafter der Personengesellschaft ergeben. 8 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 46 ff.; Schnitger/Rometzki in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 17.61 (insoweit unabhängig von einer Zurechnung zu einer Betriebsstätte). 9 Z.B. DBA-Belgien (vgl. dort Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 4 Abs. 1), DBA-Japan (vgl. dort Art. 7 Abs. 7), DBA-Kroatien (vgl. dort Art. 4 Abs. 4), DBA-Liberia (vgl. dort Abs. 4 und 5 des Protokolls), DBA-Mexiko (vgl. dort Abs. 1 des Protokolls), DBA-VAE (vgl. dort Art. 4 Abs. 1 Buchst. b).
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 49–50 Art. 1
Zum Teil wird dies in den Abkommen dahingehend ergänzt, dass eine Personengesellschaft zwar dem Grunde nach als im Geschäftsleitungsstaat ansässig gilt, die in den Art. 6 bis 21 vorgesehenen Beschränkungen aber nur gelten, soweit die Einkünfte dort der Besteuerung unterliegen.1 Eine Besteuerung in der Person der Gesellschafter reicht aus – die Personengesellschaft muss also nicht selbst steuerpflichtig sein, um sich auf das DBA berufen zu können.2 Auf Grundlage einer solchen Sonderregelung kann die Personengesellschaft daher selbst in eigenem Namen z.B. Anträge auf Entlastung von Quellensteuern stellen und es können für die Personengesellschaft entsprechende Ansässigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden. Auf die Besteuerung der Gesellschafter hat eine solche Regelung aber keine Auswirkung. Der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters wendet weiter seine innerstaatlichen Zurechnungsregelungen an,3 insoweit bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen. Das mit Portugal geschlossene DBA sieht – wie das alte DBA-Spanien (1966)4 – dagegen einen grundlegend anderen Lösungsansatz vor. Hiernach sind Personengesellschaften selbst nicht abkommensberechtigt, allerdings werden deren Gesellschafter hinsichtlich der Besteuerung ihrer Einkünfte und des Vermögens (aus) der Personengesellschaft so behandelt, als seien sie im Geschäftsleitungsstaat ansässig.5 Verbreitet sind zudem Regelungen, nach denen Personengesellschaften als „Staatsangehörige“ des jeweiligen Sitzstaates anzusehen sind.6 Eine solche Regelung führt alleine jedoch nicht dazu, dass die Personengesellschaft eine ansässige Person im Sinne des Abkommens wird. Die Personengesellschaft kann sich in diesen Fällen aber auf die Abkommensvorschriften berufen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, insbesondere auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24. d) Unterschiedliche Einordnung durch die beteiligten Staaten aa) Überblick Abkommensorientierte oder anwenderstaatorientierte Auslegung. Die Kernpro- 50 blematik grenzüberschreitender Fälle unter Beteiligung von Personengesellschaften beruht darauf, dass in einigen Rechtsordnungen – wie z.B. in Deutschland – die Personengesellschaft steuerlich als transparent angesehen und für die Besteuerung auf die Gesellschafter (Mitunternehmer) der Personengesellschaft abgestellt wird (sog. Transparenz- oder Mitunternehmerprinzip). Andere Steuerrechtsordnungen sehen die Personengesellschaft dagegen selbst als (körperschaft-)steuerpflichtige Einheit und damit als Steuersubjekt an. Liegt ein solcher Einordnungskonflikt (subjektiver Qualifikationskonflikt) vor (vgl. Art. 3 Rz. 42; Art. 7 (2008) Rz. 71 ff.), stellt sich die Frage, ob der jeweilige Anwenderstaat für die Bestimmung der ansässigen Person an die Sichtweise des jeweils anderen Staates (Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters, Sitz-
1 Eine solche Regelung findet sich z.B. jeweils in Art. 4 Abs. 4 folgender DBA: Albanien, Algerien; Island; Italien (dort in Abs. 2 des Protokolls), Polen, Slowenien, Syrien (nur für deutsche Personengesellschaften vgl. dort in Abs. 2 des Protokolls), Tadschikistan, Trinidat/Tobago (für eine in Trinidat/Tobago ansässige Personengesellschaft vgl. dort in Abs. 1 Buchst. b des Protokolls) – eine ausführliche Sonderregelung ist auch im DBA-Finnland (vgl. dort Art. 4 Abs. 4, Abs. 1 des Protokolls). 2 Vgl. Burmeister in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Algerien Rz. 6 (Stand: Juli 2009); Burmeister in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Syrien Art. 4 Rz. 5 (Stand: Mai 2011); Hirscher in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Slowenien Rz. 19 (Stand: Mai 2008); Krabbe in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Italien Rz. 22 und 24 (Stand: Mai 2005); Müller in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Island Rz. 4 ff. (Stand: Mai 2008). A.A. Reith in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Polen Rz. 22 (Stand: Oktober 2006). 3 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Italien Rz. 30 (Stand: Mai 2005). 4 Das am 18.10.2012 in Kraft getretene DBA-Spanien vom 3.2.2011 enthält insoweit keine Sonderregelung mehr. 5 Vgl. Art. 4 Abs. 4 DBA-Portugal bzw. Art. 4 Abs. 4 DBA-Spanien – eine Sonderregelung enthält auch das DBA-Schweiz in Art. 24 Abs. 1 Nr. 3 für den Fall, dass eine deutsche Personengesellschaft mit ausländischen Gesellschaftern Einkünfte aus der Schweiz erzielt; vgl. hierzu ausführlich Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 165 ff. (Stand: November 2012). 6 Vgl. nur z.B.: Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-China; Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Dänemark; Art. 3 Abs. 1 Buchst. h ii DBA-Georgien; Art. 3 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-Ghana; Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Indien; Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Indonesien.
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Art. 1 Rz. 50–53
Unter das Abkommen fallende Personen
staat der Personengesellschaft, Quellenstaat) gebunden ist und diese Einordnung auf die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung durchschlägt (abkommensorientierte Sichtweise). Nach der Gegenposition entscheidet der jeweilige Staat zunächst autark unter Berücksichtigung der Wertungen des eigenen innerstaatlichen Steuerrechts über die Zurechnung der von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte (anwenderstaatorientierte Sichtweise). Sind nach dem Recht des Anwenderstaates die Einkünfte dem Gesellschafter zuzurechnen, ist auch für die abkommensrechtliche Prüfung auf diesen abzustellen. Die Personengesellschaft ist dagegen entweder mangels eigner Einkünfte bereits nicht (materiell) abkommensberechtigt oder die Abkommensberechtigung ist insoweit ohne Bedeutung.1 51
Folgen einer unterschiedlichen Einordnung. In der praktischen Auswirkung ist zwischen der Sicht des Ansässigkeitsstaates, des Quellenstaates und ggf. auch des Sitzstaates der Personengesellschaft zu unterscheiden. Für den Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter ist entscheidend, ob die Gesellschafter aus ihrer Beteiligung an der Personengesellschaft selbst ausländische Betriebsstätteneinkünfte erzielen (transparente Sichtweise) oder der Ansässigkeitsstaat nur ein Besteuerungsrecht im Rahmen des Art. 10 (Dividendenartikel) hat und daher nur im Ausschüttungsfall die erhaltenen Dividenden besteuern kann (intransparente Sichtweise). Aus Sicht des Quellenstaates ist die Einordnung der Personengesellschaft als transparent oder intransparent gleichfalls von Bedeutung. Hier ist insbesondere zu bestimmen, welches DBA anzuwenden ist. Ist die Personengesellschaft selbst ansässige Person und sind dieser auch die Einkünfte zuzurechnen, so ist das zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene Abkommen anzuwenden – bei Einkünften im Sinne der Art. 10 bis 12 muss die Personengesellschaft zudem „Nutzungsberechtigte“ sein. Können die Einkünfte abkommensrechtlich nicht der Personengesellschaft zugerechnet werden, so ist auf das zwischen dem Quellenstaat und den Sitzstaaten der Gesellschafter geltende DBA abzustellen. bb) Position der OECD
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Keine Regelung im OECD-MA. Obwohl – bzw. gerade weil – die aus den oben genannten Einordungskonflikten herrührenden Fragestellungen ausgesprochen komplex sind, enthält das OECD-MA hierzu keine Regelung. Allerdings sieht der OECDMusterkommentar ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten in den Einzelabkommen besondere Regelungen für die steuerliche Behandlung von Personengesellschaften aufnehmen können (vgl. Art. 4 Rz. 8.4 Satz 4 OECD-MK).
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Position der OECD im Musterkommentar bzw. im Partnership-Report 1999. Die OECD hat sich mit der Lösung von Einordnungskonflikten unter Beteiligung von Personengesellschaften insbesondere in dem OECD-Partnership-Report 1999 auseinandergesetzt, dessen Ergebnisse in den OECD-MK eingeflossen sind, ohne hier jedoch eine systematisch stringente und widerspruchsfreie Lösung anbieten zu können.2 Nach der Grundkonzeption der OECD ist der Quellenstaat im Grundsatz an die Einordung des Sitzstaates der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter gebunden, so dass es auf die steuerliche Einordung im Quellenstaat für die Abkommensanwendung nicht ankommen soll (Art. 1 Rz. 3 Satz 2 OECD-MK, Art. 4 Rz. 8.7 OECD-MK). Sind von dem Sachverhalt drei Steuerrechtsordnungen betroffen, weil die Gesellschafter nicht im Sitzstaat der Personengesellschaft, sondern in einem Drittstaat ansässig sind, kann es möglich sein, dass aus Sicht des Quellenstaates zwei Abkommen einschlägig sein können, nämlich das mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft und das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene Abkommen. In diesem Fall „doppelter Vorteile“ soll das Abkommen gelten, dass das Besteuerungsrecht des Quellenstaates am stärkten beschränkt (vgl. Art. 1 Rz. 6.5 OECD-MK). Insoweit gilt also der Grundsatz der Meistbegünstigung des Steuerpflichtigen (bzw. des Ansässigkeitsstaates). 1 Vgl. nur Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Rz. 6.7, wobei dieser seine Auffassung inzwischen z.T. revidiert hat, vgl. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (87). 2 Vgl. nur die Nachweise von M. Lang, IStR 2010, 114; M. Lang, IStR 2011, 1.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 53–55 Art. 1
Aus Sicht des Ansässigkeitsstaates der Gesellschafter unterscheidet die OECD zwischen Konflikten, die ihre Ursache in einer unterschiedlichen Einordnung der Einkünfte haben (objektive Qualifikationskonflikte) und Konflikten aus einer unterschiedlichen Einkünftezuordnung (subjektive Qualifikationskonflikte). Die Einordnung der Personengesellschaft als ansässige Person i.S. des Art. 1 ist nur für die subjektiven Qualifikationskonflikte von Bedeutung. Hier ist die OECD-Konzeption allerdings nur insoweit eindeutig, als dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nicht gehindert ist, die Gesellschafter mit dem Gewinn aus der Personengesellschaft zu besteuern, auch wenn der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als Körperschaftsteuersubjekt und damit als ansässige Person i.S. des Abkommens behandelt (vgl. Art. 1 Rz. 6.1 OECD-MK). Letztlich führt das dazu, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das Abkommen weitgehend autark und ohne Berücksichtigung der Einordnung der Personengesellschaft durch deren Sitzstaat oder den Quellenstaat anwendet. cc) Position der Rechtsprechung Keine Bindung an die Position der OECD. Der BFH betont in inzwischen gefestig- 54 ter Rspr., dass der OECD-MK und der OECD-Partnership-Report 1999 lediglich eine Hilfe für die Abkommensauslegung darstellen und – soweit überhaupt – nur frühestens ab der entsprechenden Neufassung des OECD-MK im Jahr 2000 beachtenswert sein können.1 Eine Bindung an die Position der OECD bzw. an den Musterkommentar besteht daher nicht. Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters. Auf dieser Grundlage hat 55 der BFH entschieden, dass dann, wenn Deutschland das Abkommen als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters anwendet, dies ausschließlich anwenderstaatorientiert zu erfolgen hat, so dass unabhängig von der steuerlichen Einordung der Personengesellschaft im Sitzstaat der Personengesellschaft oder Quellenstaat die deutsche transparente Sichtweise ausschlaggebend ist.2 Insbesondere ergebe sich – so der BFH – weder aus dem Abkommenstext noch aus dem Abkommenszweck ein stringentes Auslegungskonzept (…), wonach „auf der Ebene des Abkommens die Personengesellschaft einheitlich zu behandeln ist“ oder ein „Schluss von der Abkommensberechtigung (…) auf die (…) Einkunftsart“ gerechtfertigt sein soll.3 Für eine anwenderstaatorientierte Auslegung spräche auch Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, der bei der Klärung von nicht definierten Ausdrücken auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates verweise, wenn der Abkommenszusammenhang nichts anders einfordere.4 Offen lassen konnte der BFH bisher, ob diese Grundsätze auch für Abkommen gelten, die – anders als das der Entscheidung des BFH zu Grunde liegende DBA-Ungarn – nach der Neufassung des OECD-MK in Kraft getreten sind. Dies dürfte unter Berücksichtigung der bisherigen Rspr. allerdings zu bejahen sein. Zwar weist der BFH darauf hin, dass die Änderungen im OECD-MK frühestens für spätere Abkommen beachtenswert sein können und erteilt somit gleichzeitig der dynamischen Abkommensauslegung eine Absage, gleichzeitig wird aber betont, dass die Empfehlungen der OECD lediglich eine Hilfe für die Abkommensauslegung darstellen.5 Letztlich dürfte die vom BFH gefundene Lösung i.E. auch nicht den Grundsätzen des OECDMK widersprechen, da auch hiernach der Anwenderstaat nicht gehindert sein soll, die Gesellschafter mit dem Gewinn aus der Personengesellschaft zu besteuern, und
1 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 19] zum DBA-Ungarn. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 25. Auch die Rspr. anderer Rechtsordnungen sieht sich an die Positionen der OECD nur eingeschränkt gebunden, vgl. die Nachweise bei M. Lang, IStR 2011, 1. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 16] zum DBA-Ungarn; vgl. auch: BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 [Rz. 10] zum DBA-USA 1989; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 [Rz. 13] zum DBA-CSK m.w.N. 3 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 18] zum DBA-Ungarn unter Hinweis auf Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 539 bzw. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECDMA Rz. 38 sowie Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 191. 4 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 18] zum DBA-Ungarn. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 19] zum DBA-Ungarn.
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Art. 1 Rz. 55–57
Unter das Abkommen fallende Personen
zwar unabhängig davon, ob der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als Körperschaftsteuersubjekt und damit als ansässige Person i.S. des Abkommens behandelt (vgl. Art. 1 Rz. 6.1 OECD-MK sowie Rz. 53). 56
Deutschland als Quellenstaat. Zu der Frage, wie Einordnungskonflikte aus der Sicht des Quellenstellenstaates zu lösen sind, hat sich der BFH bisher nicht abschließend geäußert. Die zur Ansässigkeit, der abkommensrechtlichen Beurteilung und dem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg bei Ausschüttung an eine US-amerikanische „S-Corporation“ ergangene Entscheidung v. 20.8.2008 ist insoweit nicht aussagekräftig, weil die Entscheidung auf den Besonderheiten des DBA-USA 1989 beruht.1 Nach der zur abkommensrechtlichen Beurteilung aus der Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters ergangenen Entscheidung v. 25.5.2011 zum DBAUngarn scheint der BFH allerdings dahin zu tendieren, auch aus Sicht des Quellenstaates der anwenderstaatorientierten Sichtweise zu folgen.2 Eine solche Position hat der BFH auch in einer Entscheidung v. 20.12.2006 zum DBA-Großbritannien – wenn auch eher beiläufig – vertreten.3 Andererseits hat der BFH zur deutschen KGaA angenommen, dass für die Einkünftezurechnung im Ausgangspunkt vom innerstaatlichen Recht auszugehen sei; zumindest für das abkommensrechtliche Schachtelprivileg nach dem DBA-Frankreich a.F. soll sich das Abkommensrecht aber über diese materielle Zurechnung hinwegsetzen.4 Ob die KGaA in diesem Fall auch „Nutzungsberechtigte“ im Sinne der Regelungen im OECD-MA sein kann, hat der BFH wegen der Besonderheiten des DBA-Frankreich a.F. offengelassen.5 dd) Position der Finanzverwaltung
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Weitgehende Übernahme des OECD-Konzepts. Im Gegensatz zur Rspr. hat sich die deutsche Finanzverwaltung die Konzeption der OECD zumindest weitgehend zu Eigen gemacht. Entsprechend der Auffassung der OECD soll der Quellenstaat als Anwenderstaat für die abkommensrechtliche Beurteilung an die Einordnung des Sitzstaates der Personengesellschaft gebunden sein. Für Deutschland als Quellenstaat bedeutet das, dass die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte von deutschen Quellensteuern zu entlasten sind, wenn der Sitzstaat die Personengesellschaft als juristische Person ansieht oder diese wie eine solche besteuert. Die Entlastung wird in diesem Fall nach Maßgabe des zwischen Deutschland und dem Sitzstaat der Personengesellschaft bestehenden Abkommens gewährt; nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung aber nur, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind.6 Dies entspricht – wie § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG i.d.F. des Entwurfs eines JStG 20137 zeigt – auch dem Verständnis des Gesetzgebers. Daraus folgt auch, dass die Personengesellschaft in diesen Fällen als Nutzungsberechtigte im Sinne der Art. 10 bis 12 anzusehen ist. Soweit Deutschland das Abkommen als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters anzuwenden hat, erfolgt nach Auffassung der Finanzverwaltung – insoweit in Übereinstimmung mit der Position des BFH – i.E. die abkommensrechtliche Beurteilung ausschließlich anwenderstaatorientiert, so dass unabhängig von der steuerlichen Einordnung der
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Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234 zum DBA-USA 1989. Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 18] zum DBA-Ungarn. Vgl. BFH v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766 [Rz. 28] zum DBA-Großbritannien. Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919 [Rz. 25] zum DBA-Frankreich. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Rz. 75. 5 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919 [Rz. 26] zum DBA-Frankreich. 6 Vgl. BMF v. 16.5.2010 – IV B 2 – S 1300/09/100003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.1.2, ebenso BMF v. 24.1.2102 – IV B 3 – S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3. Im Ergebnis ergänzt die Finanzverwaltung in ihrem Schr. v. 16.5.2010 die Abkommen durch eine subject-to-tax-Klausel. Zur Kritik hieran vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 33. Diese Position der Finanzverwaltung wird z.T. als „systemwidrig aber pragmatisch“ angesehen, vgl. Hruschka, DStR 2010, 1357 (1358). 7 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. Vgl. zum ursprünglichen Gesetzesentwurf Salzmann, IWB 2012, 359.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 57–60 Art. 1
Personengesellschaft im Sitzstaat der Personengesellschaft oder Quellenstaat die deutsche Sichtweise ausschlaggebend ist.1 ee) Eigene Auffassung Differenzierende Sichtweise aus Sicht des Quellen bzw. Ansässigkeitstaates. 58 Letztlich wird sich ein vollständig widerspruchsfreies Konzept der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Kontext nicht entwickeln lassen, es sei denn, dass die betreffenden Staaten der steuerlichen Einordnung der jeweiligen Gesellschaft in einem der Staaten (z.B. im Sitzstaat) auch für das innerstaatliche Steuerrecht folgen. Dies würde aber eine vollständige Abkehr von dem bisherigen Verständnis in Deutschland bedeuten und zudem voraussetzen, dass sich ein solches Verständnis allgemein in der Staatengemeinschaft durchsetzen würde. Das dies in absehbarer Zeit erfolgen wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Auf Grundlage des geltenden Rechts ist es daher richtig, ausländische Gesellschaftsformen zumindest für die Anwendung des innerstaatlichen Rechts auf Grund des sog. Typenvergleichs einzuordnen (vgl. Rz. 36 und 40). Abkommensrechtlich ist eine Auslegung anzustreben, die der zwischen den Staaten vereinbarten Aufteilung der Besteuerungsrechte und dem Ziel, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, möglichst nahe kommt. Dies gebieten insbesondere die Vertragsauslegung sowie die Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung (vgl. Rz. 18 ff.). Hier ist daher wie folgt zu unterscheiden: Deutschland als Quellenstaat. Zumindest als Quellenstaat hat Deutschland eine 59 ausländische Personengesellschaft, die in ihrem Sitzstaat selbst als Steuersubjekt der Besteuerung mit (Körperschaft-)Steuer unterliegt, als ansässige Person im Sinne des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommens anzuerkennen. Dies zeigt auch nunmehr § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG i.d.F. des Entwurfes eines JStG 2013,2 ist aber auch aus allgemeinen Erwägungen heraus richtig: Wenn Deutschland gegenüber dem anderen Staat in einem DBA eine entsprechende Regelung aufgenommen hat, nach der eine Person in einem Vertragsstaat ansässig ist, wenn diese Person in diesem Staat z.B. auf Grund ihres Ortes der Geschäftsleitung steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 Satz 1), und dieses Abkommen in das deutsche Recht durch ein entsprechendes Gesetz überführt wurde, so ist Deutschland in Bezug auf die Verteilung der Besteuerungsrechte hieran gebunden. Dies folgt auch aus Art. 3, weil nach Absatz 2 dieses Artikel nur auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten abzustellen ist, wenn dieser im Abkommen nicht definiert ist bzw. der Zusammenhang nichts anderes erfordert (vgl. auch Art. 3 Rz. 68 ff.). Weist das Abkommen das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu, so darf Deutschland insoweit nicht besteuern bzw. ist hier auf ein Quellensteuerrecht beschränkt. Ob Deutschland die Personengesellschaft selbst nach eigenem innerstaatlichem Recht als steuerpflichtige Person ansieht bzw. seinerseits auf deren Gesellschafter abstellt, ist nicht mehr von Bedeutung. Aus der Anerkennung der Personengesellschaft als ansässige Person folgt zudem, dass sämtliche von dieser Person erzielten Einkünfte aus deutschen Quellen dem mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen unterfallen, und zwar auch dann, wenn deren Gesellschafter in einem anderen Staat ansässig sind. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, dass Deutschland zusätzlich durch das mit dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter geschlossene DBA in seinem Besteuerungsrecht beschränkt ist. Daher gilt ein Meistbegünstigungsprinzip. Deutschland kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Personengesellschaft nach innerstaatlichem Recht nicht in Deutschland steuerpflichtig und damit nicht selbst durch die Besteuerung belastet ist. Zumindest müssen sich die Gesellschafter der Personengesellschaft insoweit auf die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft berufen können. Deutschland als Ansässigkeitsstaat. Im Grundsatz greift der Vorrang der abkom- 60 mensrechtlichen Betrachtungsweise auch dann, wenn der Anwenderstaat der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ist. Hier ist aber zusätzlich zu beachten, dass der 1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.1. 2 Vgl. hierzu die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42.
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Art. 1 Rz. 60–61
Unter das Abkommen fallende Personen
Ansässigkeitsstaat mit seinem Durchgriff auf den Gesellschafter der Personengesellschaft letztlich das Besteuerungsrecht des Sitzstaates der Personengesellschaft nicht in Frage stellt. Stellt Deutschland als Ansässigkeitsstaat die von der Personengesellschaft erzielten Einkünfte (in Person des Gesellschafters) frei, liegt das auf der Hand. Aber auch dann, wenn Deutschland die entsprechenden Einkünfte nicht freistellt, wird die Aufteilung der Besteuerungsrechte i.E. nicht negiert. Voraussetzung ist dann aber, dass Deutschland eine auf die Gewinne der Personengesellschaft in deren Sitzstaat erhobene Steuer (einschließlich einer etwaigen Quellensteuer auf ausgeschüttete Gewinne) anrechnet. e) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Quellenstaat aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaates transparent 61
Grundsätze. Ausgehend von der anwenderstaatorientierten Sichtweise ist aus Sicht des Quellenstaates zunächst für die (innerstaatliche) Einkünftezurechnung auf das jeweilige innerstaatliche materielle Steuerrecht abzustellen. Diese Zurechnung ist auch für die Bestimmung des anzuwendenden Abkommens maßgebend, so dass aus der Sicht von Deutschland als Quellenstaat – entsprechend dem deutschen innerstaatlichen Rechtsverständnis – auch abkommensrechtlich nicht auf die Personengesellschaft, sondern auf deren Gesellschafter abzustellen ist.1 Formal bedeutet dies, dass z.B. Anforderungen, die das Abkommen an eine Entlastung von Quellensteuern oder an eine Freistellung sonstiger Einkünfte stellt, in der Person des jeweiligen Gesellschafters erfüllt sein müssen. Ggf. erforderliche Anträge sind von den Gesellschaftern zu stellen und (Ansässigkeits-)Nachweise von diesen zu erbringen. Sofern Quellensteuern zu erstatten sind, sind (grundsätzlich) die Gesellschafter erstattungsberechtigt. In diese Richtung dürfte derzeit der BFH tendieren.2 Insbesondere in Drei-Staaten-Sachverhalten führt diese Auffassung allerdings zu nicht auflösbaren Konflikten (vgl. Rz. 64). Auf Grundlage der hier favorisierten abkommensorientierten Sichtweise ist die Personengesellschaft als in ihrem Sitzstaat ansässige Person selbst abkommensberechtigt bzw. schlägt die Abkommensberechtigung der Gesellschaft auf die Gesellschafter durch.3 Dies entspricht auch der Auffassung von Wassermeyer, der dies jedoch dahingehend einschränkt, dass sich nur die Gesellschafter auf das mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossene Abkommen berufen können, die im diesem Staat selbst ansässig sind. Andernfalls soll das zwischen dem Ansässigkeitsstaat und Deutschland als Quellenstaat bestehende DBA anzuwenden sein (vgl. Rz. 65).4 Diese Einschränkung ist allerdings abzulehnen.5 Wenn sich Deutschland im Verhältnis zum Sitzstaat der Personengesellschaft verpflichtet hat, dessen Besteuerungsrecht in der Person der Personengesellschaft zu akzeptieren und auf das eigene Besteuerungsrecht zu verzichten, muss dies für den gesamten im Sitzstaat der Per1 In diesem Sinne: Kemperman in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.10; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.20; Richter, FR 2010, 544 (545); Diehl, FR 1978, 517 (523); Kluge, DStR 1976, 365 (367). So auch noch Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.7 und Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27a (Stand: Januar 2008), der seine bisherige Position in dieser Frage nunmehr aber zum Teil revidiert hat: Vgl. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (87). 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 18] zum DBA-Ungarn; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766 [Rz. 28] zum DBA-Großbritannien. 3 Zum Teil nur für die Beurteilung aus Sicht des Quellenstaates: Prokisch in V/L5, Art. 1 OECDMA Rz. 33; Brähler/Mayer, IStR 2010, 678 (681); Lüdicke, IStR 2011, 91 (97); Schmidt, IStR 2011, 413 (415 und 422); Schmidt, Wpg 2002, 1232 (1239). Vgl. schon: Debatin, BB 1989, Beilage 2, 8 ff.; Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (314); Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht9, 552 f.; Mahnke, JbFStR 1978/79, 333 (343 ff.); Piltz, Personengesellschaften, 134. Dies entspricht auch der Sichtweise der deutschen Finanzverwaltung und der OECD: Vgl. BMF v. 16.5.2010 – IV B 2 – S 1300/09/100003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.1.2, ebenso BMF v. 24.1.2102 – IV B 3 – S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171, Rz. 3; Art. 1 Rz. 5 Satz 1 OECD-MK sowie OECD-Partnership-Report, Bsp. 5. 4 Vgl. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (87). 5 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 33.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 61–64 Art. 1
sonengesellschaft besteuerten Gewinn gelten und nicht bloß für die Teile hiervon, die auf Gesellschafter in diesem Staat entfallen. Auswirkung des Abkommensrechts auf das innerstaatliche Recht. Zu beachten 62 ist, dass auch nach der abkommensorientierten Sichtweise das Abkommensrecht keinen Einfluss auf das innerstaatliche materielle Steuerrecht hat. Steuerpflichtig nach innerstaatlichem deutschem Steuerrecht bleiben also die Gesellschafter.1 Die ausländische Personengesellschaft bleibt transparent und unterliegt insbesondere nicht der deutschen beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Folge ist, dass nach der abkommensorientierten Sichtweise das Abkommensrecht und das innerstaatliche materielle Recht auseinanderlaufen. Dies wird bei der Frage der Erstattung einbehaltener Quellensteuer deutlich. Nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht handelt es sich bei dieser Steuer um eine Steuer der Gesellschafter der Personengesellschaft. Grundsätzlich sind daher nur diese und nicht die Personengesellschaft erstattungsberechtigt. Letztere ist zwar ansässige Person, es wurde aber keine Steuer für sie einbehalten. In Bezug auf einen von der Personengesellschaft geltend gemachten Erstattungsanspruch besteht somit innerstaatlich keine Rechtsgrundlage, weil für die Gesellschaft keine Steuer einbehalten wurde, deren Erstattung sie verlangen könnte. Erfolgt die Erstattung dennoch an die Personengesellschaft, stellt sich die daran anschließende Frage, ob die Gesellschafter aus eigenem Recht nochmals die Erstattung verlangen können.2 Diskutiert wurde vor diesem Hintergrund, diese Fragen über die Grundsätze einer gewillkürten Prozessstandschaft zu lösen3 oder im Erstattungsantrag der Gesellschaft zugleich den Verzicht der Gesellschafter auf Erstattung zu verlangen.4 Eine Lösung versucht nunmehr § 50d Abs. 1 Satz 10 i.d.F. des Entwurfes eines JStG 2013.5 Hiernach wird der Erstattungsbetrag ausdrücklich der Personengesellschaft zugesprochen, wenn diese im Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig ist. Steuerrechtlich wird also der Gesellschafter an der Durchsetzung seines Steuererstattungsanspruchs gehindert; dies ist aber gerechtfertigt, weil die Personengesellschaft zivilrechtlich Gläubigerin der Einkünfte ist und die einbehaltene Quellsteuer rechtlich und wirtschaftlich von dieser getragen wird. Deutschland als Betriebsstättenstaat. Ist Deutschland Betriebsstättenstaat, so 63 werden die unterschiedlichen Sichtweisen häufig zu vergleichbaren Ergebnissen führen, weil nach dem OECD-Konzept in der Regel der Quellenstaat (Betriebsstättenstaat) das Besteuerungsrecht für die in der Betriebsstätte erzielten Einkünfte hat. Auch Aktivitätsklauseln führen hier in der Regel nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung, weil Deutschland als Quellenstaat das Besteuerungsrecht behält und es nur auf der Ebene des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters bzw. des Sitzstaates der Personengesellschaft (auch) zu einer Besteuerung ggf. unter Anrechnung der deutschen Steuern kommt. Drei-Staaten-Sachverhalte. Echte Drei-Staaten-Sachverhalte (Dreieckskonstella- 64 tionen) ergeben sich aus Sicht des Quellenstaates dann, wenn die Gesellschafter der Personengesellschaft nicht im Sitzstaat der Personengesellschaft, sondern in einem Drittstaat ansässig sind. Hier sind drei Steuerrechtsordnungen betroffen, die in Bezug auf die steuerliche Beurteilung der Personengesellschaft zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Die anwenderstaatorientierte Sichtweise ist hier weitgehend unproblematisch anwendbar: Ist die Personengesellschaft aus Sicht des Quellenstaates transparent, so ist aus dessen Sicht für die Abkommensanwendung auf deren Gesellschafter abzustellen. Sind die Gesellschafter in einem Drittstaat ansässig, ist auf das zwischen dem Quellenstaat und dem Drittstaat bestehende Abkommen abzustellen.6 Das zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Personengesell1 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 33; Schmidt, IStR 2010, 413 (423). 2 Auf diese Problematik der abkommensorientierten Auslegung hat bereits Wassermeyer, IStR 1999, 481 hingewiesen. 3 I.E. ablehnend: Wassermeyer in FS Herzig 2010, 897 (899 f.). 4 Weggenmann/Rödl in FS Reiss 2008, 697 (708). 5 Vgl. hierzu die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. 6 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27 f.
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Art. 1 Rz. 64–65
Unter das Abkommen fallende Personen
schaft geschlossene Abkommen ist ohne Bedeutung. Insoweit kommt es weder auf die steuerliche Beurteilung durch den Sitzstaat der Gesellschaft noch durch den Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter an.1 Gleiches gilt, wenn der Gesellschafter der Personengesellschaft im Quellenstaat ansässig ist. Grundsätzlich liegt dann aus Sicht des Quellenstaates ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vor. Eine abkommensrechtliche Relevanz besteht nur dann, wenn die Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind. In diesem Fall richtet sich das Besteuerungsrecht nach dem zwischen dem Quellenstaat/Ansässigkeitsstaat und dem Betriebsstättenstaat bestehenden DBA. Problematisch an dieser Sichtweise ist, dass insbesondere in Drei-StaatenSachverhalten u.U. eine abkommenswidrige Doppelbesteuerung entstehen kann, wenn in Deutschland auf Grund des mit dem Ansässigkeitsstaat bestehenden Abkommens eine ggf. höhere Quellensteuer einzubehalten ist, als es nach dem mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen der Fall wäre. Der Sitzstaat der Personengesellschaft wird dagegen häufig nur die nach dem für ihn relevanten DBA einzubehaltene Steuer anrechnen. Dies hat auch Auswirkungen, wenn der Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft in Deutschland ansässig ist (unechter Dreiecksfall). Hier liegt nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise ein ausschließlicher Inlandssachverhalt vor. Eine Quellensteuerermäßigung scheidet aus.2 Zu anderen Ergebnissen kommt hier die abkommensorientierte Sichtweise: Hier ist zunächst die steuerliche Einordnung durch den Sitzstaat der Personengesellschaft entscheidend. Sofern diese in ihrem Sitzstaat selbst steuerpflichtig ist, hat der Quellenstaat (hier Deutschland) die Personengesellschaft als abkommensberechtigte Person anzuerkennen und das zwischen dem Quellstaat und dem Sitzstaat bestehende Abkommen anzuwenden; und zwar unabhängig davon, ob die Personengesellschaft nach dem innerstaatlichen Recht des Quellenstaates transparent oder intransparent ist. Die Verteilung der Besteuerungsrechte richtet sich dann nach dem zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Gesellschaft geschlossenen Abkommen. In Dreieckskonstellationen ist bei der abkommensorientierten Sichtweise zusätzlich noch die Beurteilung durch den Sitzstaat des Gesellschafters in die Überlegungen einzubeziehen. Sieht dieser die Personengesellschaft übereinstimmend mit deren Sitzstaat als Steuersubjekt an und besteuert dementsprechend erst Ausschüttungen an den Gesellschafter, bleibt es aus Sicht des Quellenstaates bei der Anwendung des zwischen dem Quellenstaat und dem Sitzstaat der Personengesellschaft geschlossenen Abkommen.3 Ist die Personengesellschaft dagegen aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters transparent und besteuert dieser den auf den Gesellschafter entfallenden Gewinnanteil, so soll aus der Sicht des Quellenstaates neben dem zum Sitzstaat der Personengesellschaft bestehenden Abkommen auch das mit dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene Abkommen Anwendung finden. Insoweit gilt der Grundsatz der Meistbegünstigung.4 Dies dürfte auch der Auffassung der Finanzverwaltung entsprechen.5 bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Quellenstaates Steuersubjekt 65
Grundsätze. Da aus deutscher Sicht Personengesellschaften durchgängig transparent besteuert werden, entsteht ein Einordnungskonflikt, in dem Deutschland als Quellenstaat eine Gesellschaft als intransparent besteuert, während der Sitzstaat
1 So jetzt auch Wassermeyer, IStR 2011, 85 (87). 2 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.22. 3 OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 8. Diese Grundsätze sind nach Auffassung der OECD auch anzuwenden, wenn – anders als in dem vorgenannten Beispiel – der Quellenstaat die Personengesellschaft als steuerlich transparent ansieht, vgl. OECD-Partnership-Report, Rz. 72. 4 Vgl. Art. 1 Rz. 6.5 OECD-MK; OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 9; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 33a (vgl. zur anderen Ansicht Rz. 61). 5 Zwar nennt die Finanzverwaltung diese Konstellation im BMF-Schr. v. 16.4.2010 nicht; die Finanzverwaltung führt allerdings ganz allgemein aus, dass – vorbehaltlich von Sonderfällen – den Grundsätzen des OECD-MK gefolgt werden soll (BMF v. 16.5.2010 – IV B 2 – S 1300/09/100003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.1.2.).
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 65–67 Art. 1
diese Gesellschaft als transparent ansieht, nur dann, wenn der ausländische Rechtsträger nach dem Typenvergleich in Deutschland als Kapitalgesellschaft einzuordnen ist, nach ausländischem Recht aber eine Personengesellschaft darstellt oder wie eine solche besteuert wird. Dem Grunde nach führen in dieser Fallkonstellation sowohl die anwenderstaatorientierte als auch die abkommensorientierte Sichtweise in einem ersten Schritt zu vergleichbaren Ergebnissen, weil nach beiden Sichtweisen die Einkünfte zwar der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind; diese ist aber in ihrem Sitzstaat nicht auf Grund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig und damit keine ansässige Person.1 Aus dem Blickwinkel einer rein anwenderstaatorientierten Sichtweise führt dies dazu, dass eine Quellensteuererstattung nicht möglich ist, weil die ausländische Gesellschaft nach innerstaatlichem Recht erstattungsberechtigt, aber mangels Steuerpflicht im Sitzstaat nicht abkommensberechtigt ist, während die Gesellschafter zwar abkommensberechtigt sind, aber nach deutschem innerstaatlichem Recht keinen materiellen Steuererstattungsanspruch haben.2 Zu einem identischen Ergebnis käme auch die abkommensorientierte Sichtweise. Die OECD sieht den Quellenstaat hier allerdings verpflichtet, für die Abkommensanwendung die Einkünfte den Gesellschaftern der Personengesellschaft zuzurechnen, so dass für diese ein Quellensteuerermäßigungsbzw. -erstattungsanspruch anzunehmen ist.3 Deutschland als Betriebsstättenstaat. Auch in dieser Konstellation sind die Fälle, 66 in denen die ausländische Gesellschaft in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält, in der Regel gut handhabbar. Hier dürfte sowohl nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise als auch nach der abkommensorientierten Sichtweise auf das zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter bestehende Abkommen abzustellen sein. Die ausländische Gesellschaft selbst ist mangels Steuerpflicht im Sitzstaat nicht abkommensberechtigt. Dass den Gesellschaftern nach der deutschen Sichtweise wegen der Intransparenz der ausländischen Gesellschaft keine Einkünfte zuzurechnen sind, kann insoweit nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Darauf wird es aber schließlich auch nicht ankommen, weil Deutschland nach dem OECDKonzept als Quellenstaat (Betriebsstättenstaat) das Besteuerungsrecht hat. Drei-Staaten-Sachverhalte. Dreieckskonstellationen führen aus Sicht von Deutsch- 67 land als Quellenstaat bei einer anwenderstaatorientierten Sichtweise dazu, dass eine Quellensteuerermäßigung bzw. -erstattung in Person der aus Sicht der anderen beteiligten Staaten transparenten ausländischen Gesellschaft ausscheidet. Die nach deutschem innerstaatlichem Recht erstattungsberechtigte Gesellschaft ist – mangels Steuerpflicht im Sitzstaat – nicht abkommensberechtigt, während die abkommensberechtigten Gesellschafter keinen materiellen Steuererstattungsanspruch haben.4 Bei einer abkommensorientierten Sichtweise dürfte dagegen eine Quellensteuerermäßigung zumindest dann anzunehmen sein, wenn auch der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die Personengesellschaft als transparent ansieht. I.E. unterscheiden sich Dreieckssachverhalte in dieser Fallgestaltung also nicht von einem Zwei-StaatenFall.5 Auch hier führt eine abkommensorientierte Sichtweise somit zu ausgewogeneren Ergebnissen. Ordnet der Ansässigkeitsstaat des Gesellschaftes die Personengesellschaft dagegen als intransparent ein, soll der Quellenstaat weder nach dem mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft noch nach dem mit dem Ansässigkeitsstaat
1 Vgl. nur Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.30 für die anwenderstaatorientierte Sichtweise und Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 35 für die abkommensorientierte Sichtweise. 2 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.30 (5.32). 3 Vgl. Art. 1 Rz. 6.3 OECD-MK und Art. 4 Rz. 8.4 OECD-MK sowie OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 4. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen auch Lang/Reich/Schmidt, IStR 2007, 1 (5). 4 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.38. 5 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.38.
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Art. 1 Rz. 67–68
Unter das Abkommen fallende Personen
des Gesellschafters geschlossenen Abkommen zu einer Quellensteuerermäßigung verpflichtet sein.1 f) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaates transparent 68
Grundsätze. Ist eine in Deutschland ansässige Person an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt und ist die Personengesellschaft aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft einzuordnen, so erzielt der Gesellschafter nach innerstaatlichem Recht Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, sofern die Personengesellschaft gewerbliche Einkünfte erzielt oder gewerblich geprägt oder infiziert ist; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so erzielt der Gesellschafter ggf. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 EStG), aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG). Für die abkommensrechtliche Beurteilung ist diese innerstaatliche Einkünftezurechnung – so die Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung2 – ebenfalls maßgebend, so dass in der Person des in Deutschland ansässigen Gesellschafters zu prüfen ist, unter welche Verteilungsnorm des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft (Quellenstaat) geschlossenen Abkommens die Einkünfte einzuordnen sind. Liegen Unternehmensgewinne vor, hat Deutschland diese – vorbehaltlich bestehender Aktivitätsvorbehalte – i.d.R. freizustellen.3 Dass der Sitzstaat die Personengesellschaft selbst als intransparent ansieht, ist nach dieser Konzeption für die deutsche Beurteilung irrelevant. Sind die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht erfüllt, etwa weil ein Aktivitätserfordernis nicht erfüllt ist oder weil die Personengesellschaft Einkünfte erzielt, für die der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat (z.B. Zinseinkünfte), so kommt es dem Grunde nach zu einer Doppelbelastung: Deutschland wird die Gewinne der Personengesellschaft in Person der Gesellschafter besteuern, während sie im Sitzstaat der Personengesellschaft (Quellenstaat) ebenfalls der Besteuerung, hier aber bei der Personengesellschaft, unterliegen werden. Allerdings ist die von der Personengesellschaft im Ausland gezahlte Körperschaftsteuer wie eine eigene Steuer auf die Einkommensteuer des Gesellschafters anzurechnen,4 so dass häufig keine abkommenswidrige Doppelbelastung eintreten wird (Anwendung der Anrechnungsmethode). Eine Doppelbesteuerung tritt aber dann ein, wenn dem Quellenstaat aus deutscher Sicht nur ein (beschränktes) Quellensteuerrecht zusteht. Deutschland wird dann nur die abkommensgemäß einbehaltene Steuer anrechnen.5 Auf Ausschüttungen der Personengesellschaft (nach deutscher Terminologie: Entnahmen) wird der ausländische Sitzstaat ggf. Quellensteuer erheben. Zu einer Besteuerung in Deutschland kommt es nicht mehr, weil insoweit kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist. Die Finanzverwaltung will hier die erhobene Quellensteuer nicht zur Anrechnung zulassen, weil die Ausschüttungen als steuerlich nicht relevante Entnahmen in Deutschland nicht besteuert werden.6 Das ist allerdings nicht konsequent, weil der Gesellschafter einerseits die von der Personengesellschaft gezahlte Steuer wie eine eigene Steuer anrechnen kann, eine Anrechnung der eigenen Steuer aber ausscheiden soll. Richtig wäre es, die auf Ausschüttungen entfallende (Quellen-)Steuer als zeitlich
1 Vgl. Schmidt, IStR 2010, 413 (422) unter Hinweis auf OECD Partnership-Report 1999, Bsp. 7. Vgl. auch OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 3 sowie Art. 1 Rz. 6.5 OECD-MK. Zur Kritik Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34d. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 [Rz. 16] zum DBA-Ungarn; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.1. In diesem Sinn auch: Richter, FR 2010, 544 (548 f.). 3 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.42. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.1. 5 Vgl. BFH v. 1.7.2009 – I R 113/08, BFH/NV 2009, 1992. 6 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.1.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 68–70 Art. 1
nachlaufende Steuer auf den Betriebsstättengewinn zu verstehen, mit der Möglichkeit zur Anrechnung durch den Gesellschafter auf die deutsche Steuer.1 Abkommensorientierte Auslegung. Eine abkommensorientierte Auslegung kommt 69 dagegen zu dem Ergebnis, dass die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft auf Grund der unbeschränkten Steuerpflicht im Sitzstaat auch für die abkommensrechtliche Einkünftezurechnung gilt.2 Danach hat Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters in Bezug auf die von der ausländischen Personengesellschaft erzielten Einkünfte kein Besteuerungsrecht, wenn die Gesellschaft zwar aus deutscher Sicht transparent, aus Sicht des Sitzstaates (Quellenstaat) aber intransparent und damit selbst Steuersubjekt ist. Bei genauer Betrachtung liegt dann ein Sachverhalt vor, der ausschließlich den Sitzstaat der Personengesellschaft (Quellenstaat) betrifft. Nach a.A. soll das Dividendenprinzip zur Anwendung kommen.3 Erzielt die Personengesellschaft Einkünfte, die auch bei anwenderstaatorientierter Betrachtung in Deutschland freizustellen sind, führen beide Sichtweisen zu ähnlichen Ergebnissen, insbesondere weil – insoweit nicht konsequent – auch bei abkommensorientierter Sichtweise die Einkünfte der Personengesellschaft in die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes einbezogen werden sollen (Progressionsvorbehalt).4 Unterschiede in der steuerlichen Beurteilung ergeben sich dann, wenn aus Sicht des Gesellschafterstaates die Voraussetzungen für eine Freistellung nicht vorliegen, z.B. bei Betriebsstätteneinkünften, für die ein im Abkommen vorgesehener Aktivitätsvorbehalt nicht erfüllt ist oder bei anderen Einkünften, hinsichtlich derer nach dem Abkommen der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat. Nach der abkommensorientierten Sichtweise hat Deutschland hier ausschließlich ein Besteuerungsrecht im Rahmen des Art. 10. Zu einer Besteuerung kommt es allerdings nicht, weil Entnahmen aus einer Personengesellschaft in Deutschland nicht der Besteuerung unterliegen und auch das Abkommensrecht nicht dazu führt, dass diese steuerlich als Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusehen sind.5 Nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise kann Deutschland diese Einkünfte dagegen – unter Anrechnung der ausländischen Steuer – besteuern (vgl. Rz. 68). bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Ansässigkeitsstaates Steuersubjekt Grundsätze. Ist die ausländische Gesellschaft aus deutscher Sicht intransparent, 70 z.B. weil sie nach dem Typenvergleich als Kapitalgesellschaft einzuordnen ist, sind die von der Gesellschaft erzielten Einkünfte nach deutschem Recht nicht in der Person des Gesellschafters zu besteuern. Dies folgt bereits aus innerstaatlichem Recht, weil insoweit in der Person des Gesellschafters kein Besteuerungstatbestand erfüllt ist, so dass es auf die Frage, ob Deutschland abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat, insoweit nur dann ankommt, wenn Deutschland auch Quellenstaat
1 Vgl. Weggenmann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.34. Wohl auch Richter, FR 2010, 544 (Fn. 29). Für eine entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 6 EStG, wenn Deutschland das Besteuerungsrecht an den ausländischen Betriebsstättengewinnen für sich in Anspruch nimmt: Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779 (783). 2 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34b; Schmidt, IStR 2010, 413 (426); Schmidt, Wpg 2002, 1232 (1235); Schmidt, IStR 1998, 14 (17 ff.). So auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 379 für den umgekehrten Fall der Beteiligung eines ausländischen Investors an einer deutschen Personengesellschaft aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 508. 4 So auf Grundlage einer abkommensorientierten Sichtweise: Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 539. A.A. (kein Progressionsvorbehalt): Weggenmann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht 2010, Rz. 8.48; Richter, FR 2010, 544 (548); Schmidt, Wpg 2002, 1232 (1235); Schild/Abele in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1735 (1752). Nach der Rspr. des BFH ist der Progressionsvorbehalt nicht nur auf Fälle beschränkt, in denen eine Steuerfreistellung auf dem jeweiligen Methodenartikel der DBA-beruht: Vgl. nur BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 [Rz. 16]. 5 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34b; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 539; Piltz, Personengesellschaften, 174.
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Art. 1 Rz. 70–72
Unter das Abkommen fallende Personen
ist.1 Besteuert werden erst Ausschüttungen der Gesellschaft, die nach innerstaatlichem Recht als Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzuordnen sind. Abkommensrechtlich liegen sonstige Einkünfte i.S. des Art. 21 vor; Art. 10 ist nicht erfüllt, weil die ausschüttende Gesellschaft mangels Steuerpflicht im Sitzstaat keine ansässige Person ist (vgl. Art. 10 Rz. 53).2 Dass der ausländische Sitzstaat (Quellenstaat) die Personengesellschaft als transparent einordnet und die Gesellschafter besteuert (soweit der Sitzstaat ein Besteuerungsrecht nach Art. 6 bis 21 hat), ist wiederum für die deutsche Besteuerung nicht relevant. Auch hier wird es häufig zu einer abkommenswidrigen Besteuerung kommen, weil der Sitzstaat der Personengesellschaft die Gewinne mit dem persönlichen Steuersatz der Gesellschafter besteuern wird, der i.d.R. wesentlich über dem Körperschaftsteuersatz liegt. Hinzu kommt dann zeitlich nachgelagert die Besteuerung der aus deutscher innerstaatlicher Sicht als Dividenden einzuordnenden Auskehrungen der Gesellschaft (ohne Quellensteueranrechnung). Nach der Gegenauffassung sind die von der Personengesellschaft erwirtschaften Gewinne abkommensrechtlich Unternehmensgewinne (vorausgesetzt diese entstehen in einer Betriebsstätte der Personengesellschaft). Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters hat diese Gewinne nach Maßgabe des mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft bestehenden Abkommens insgesamt freizustellen und zwar unabhängig davon, ob ein Teil dieser Gewinne nach innerstaatlichem Recht als Ausschüttungen einzuordnen ist.3 71
Drei-Staaten-Sachverhalte. Drei-Staaten-Sachverhalte aus Sicht des Ansässigkeitsstaates des Gesellschafters liegen vor, wenn die Personengesellschaft (auch) Einkünfte aus Quellen in Drittstaaten erzielt. Bei einer abkommensorientierten Sichtweise können hier zwei Abkommen zur Anwendung gelangen. Das Abkommen, dass mit dem Sitzstaat der Personengesellschaft kann Anwendung finden, wenn dort eine Betriebsstätte besteht, der die Drittstaateneinkünfte funktional zuzuordnen (Art. 7 (2008) Rz. 86)4 sind. Die Aufteilung der Besteuerungsrechte bestimmt sich hier nach Art. 21 (Andere Einkünfte). Darüber hinaus findet auch das zwischen Deutschland und dem Drittstaat geschlossene Abkommen Anwendung. Nach dem anwenderstaatorientierten Verständnis wäre die ausländische Gesellschaft aus deutscher Sicht abkommensrechtlich als intransparent einzuordnen. Damit hätte Deutschland auch für Drittstaateneinkünfte kein Besteuerungsrecht. Die Folgen unterscheiden sich damit nicht von den Zwei-Staaten-Sachverhalten (vgl. Rz. 68 bis 70). g) Auflösung von Einordnungskonflikten – Deutschland als Sitzstaat der Gesellschaft aa) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaates transparent
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Einkünfte aus deutschen Quellen. Sofern Deutschland Sitzstaat der Personengesellschaft ist und die Personengesellschaft – was gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Regel entspricht – für steuerliche Zwecke als transparent einzuordnen ist, kommen die anwenderstaatorientierte und die abkommensorientierte Sichtweise (vgl. hierzu Rz. 50) für Einkünfte, die einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind, in der Re-
1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.2; Richter, FR 2010, 544 (549 f.). 2 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263 [Rz. 16]; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.2; Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 129 Bsp. 2 (Stand: Januar 2009), Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 30 (Stand: August 2012). 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 379 für den umgekehrten Fall der Beteiligung eines im Ausland ansässigen Gesellschafters an einer deutschen Personengesellschaft; Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785) zur US-LLC; Mensching, IStR 2008, 687 (688) zur US-LLC. In diesem Sinne wohl auch Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34e. 4 Zur funktionalen Zuordnung vgl. nur BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; Haase/Brändel, Ubg 2010, 859; Goebel/Ungemach, IStR 2008, 643; Blumers, DB 2008, 1765; Suchanek/Herbst, IStR 2007, 620; Blumers, DB 2007, 312; Kinzl, IStR 2005, 693.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 72–74 Art. 1
gel zu identischen Ergebnissen. Nach beiden Auffassungen hat Deutschland das Besteuerungsrecht auch soweit die Gesellschafter im anderen Vertragsstaat ansässig sind und der andere Staat die deutsche Personengesellschaft steuerlich als intransparent ansieht. Nach der anwenderstaatorientierten Sichtweise folgt das aus dem zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossenen Abkommen (Art. 7 OECD-MA). Zu dem gleichen Ergebnis kommt hier die abkommensorientierte Sichtweise, weil auch nach dieser Auffassung die Personengesellschaft mangels Besteuerung in Deutschland selbst nicht abkommensberechtigt ist. Anders ist es, wenn die Gesellschaft Einkünfte aus deutschen Quellen erzielt, die der deutschen Betriebsstätte nicht funktional zuzuordnen sind (z.B. Ausschüttungen aus deutschen Kapitalgesellschaften). Die anwenderstaatorientierte Sichtweise führt dazu, dass das zwischen Deutschland (Quellenstaat) und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters geschlossene DBA anzuwenden ist, also Deutschland kein oder nur ein Quellensteuerrecht hat. Ggf. entsteht hierdurch ein „Besteuerungsaufschub“, wenn Deutschland eine Quellensteuerermäßigung, ggf. bis auf null, vornimmt, während der andere Staat die Einkünfte nach seinem innerstaatlichen Recht der Personengesellschaft zurechnet und daher den Gesellschafter erst besteuert, wenn dieser Ausschüttungen erhält.1 Die OECD kommt hier dagegen auf Grundlage der abkommensorientierten Sichtweise zu dem Ergebnis, dass Deutschland nicht zu einer Quellensteuerermäßigung verpflichtet ist.2 Dem wird allerdings – zu Recht – widersprochen. Auch wenn der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters nach seinem innerstaatlichen Recht die Personengesellschaft als intransparent ansieht, ist diese abkommensrechtlich keine ansässige Person, so dass auch bei einer abkommensorientierten Sichtweise weiterhin der Gesellschafter als Zurechnungssubjekt und Nutzungsberechtigter im Sinne des Abkommens anzusehen ist.3 Einkünfte aus nicht-deutschen Quellen. Denkbar ist schließlich, dass die deutsche 73 Personengesellschaft Einkünfte aus einem Drittstaat oder dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters erzielt. Für einen in Deutschland ansässigen Gesellschafter sind die Einkünfte nach innerstaatlichem Recht im Rahmen der unbeschränkten Einkommenbzw. Körperschaftsteuerpflicht zu erfassen. Abkommensrechtlich bestimmt sich das deutsche Besteuerungsrecht nach dem zwischen Deutschland und dem jeweiligen Quellenstaat geschlossenen DBA.4 Soweit die Gesellschafter der Personengesellschaft im Ausland ansässig sind, kommt es nach deutschem innerstaatlichem Recht nur zu einer Besteuerung, wenn die Voraussetzungen für eine beschränkte Steuerpflicht dieser Gesellschafter vorliegen, insbesondere, wenn diese Einkünfte einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Abkommensrechtlich ist insoweit das zwischen Deutschland als Betriebsstättenstaat und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bestehende DBA anzuwenden. In diesem Verhältnis handelt es sich um andere Einkünfte im Sinne des Art. 21 (vgl. Art. 21 Rz. 66 ff.). Für diese hat Deutschland (nur) unter den Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 das Besteuerungsrecht. Deutschland darf daher nur die Einkünfte besteuern, die funktional der deutschen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Nicht anwendbar ist dagegen das zwischen Deutschland als Betriebsstättenstaat und dem Quellenstaat geschlossene DBA. Erhebt dieser Quellenstaat (Drittsaat) auf die Einkünfte Quellensteuern im Rahmen des zwischen ihm und dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters bestehenden DBA, ist diese Quellensteuer nach innerstaatlichem deutschem Recht gem. §§ 34c Abs. 1 bis 3, 50 Abs. 3 EStG anzurechnen oder abzuziehen. (vgl. Rz. 48). Voraussetzung ist, dass diese Einkünfte, für die die Quellensteuern erhoben wurden, als Betriebsstätteneinkünfte der deutschen Besteuerung unterliegen. bb) Gesellschaft ist aus Sicht des Sitzstaates Steuersubjekt Maßgeblichkeit der deutschen Einordnung. Wenn eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland aus deutscher Sicht als Körperschaftsteuersubjekt einzuordnen ist, un1 2 3 4
Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.24. Vgl. Art. 1 Rz. 6.2 OECD-MK; OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 6. Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 34d. Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht 2010, Rz. 5.47.
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Art. 1 Rz. 74–76
Unter das Abkommen fallende Personen
terfallen sämtliche Einkünfte dieser Gesellschaft nach innerstaatlichem Recht der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht. Soweit die Einkünfte dieser Gesellschaft aus ausländischen Quellen stammen, bestimmt sich das deutsche Besteuerungsrecht aus dem zwischen Deutschland und dem Quellenstaat geschlossenen DBA. Konflikte entstehen hier, soweit Gesellschafter in einem Staat ansässig sind, der die deutsche Gesellschaft als steuerlich transparent ansieht und die entsprechenden Einkünfte der Personengesellschaft ebenfalls besteuern will. Hinsichtlich der Einkünfte aus deutschen Quellen ist Deutschland insoweit nicht zur Freistellung bzw. Quellensteuerermäßigung verpflichtet.1 Hinsichtlich der Einkünfte aus ausländischen Quellen bleibt es bei der Anwendbarkeit (nur) des zwischen Deutschland und dem Quellenstaat geschlossenen DBA. Aus Sicht des Quellenstaates kommt allerdings eine Anwendung sowohl des zwischen ihm und dem Sitzstaat der Personengesellschaft als auch eine Anwendung des zwischen ihm und dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter geschlossenen DBA in Betracht (vgl. dazu bereits unter Rz. 64). cc) Besonderheit – Kommanditgesellschaft auf Aktien 75
Deutsche KGaA. Besonderheiten sind bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien – „KGaA“ – mit Sitz in Deutschland zu beachten. Nach innerstaatlichem Recht unterliegt diese dem Grundsatz nach der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland; der Gewinnanteil des Komplementärs ist bei der KGaA allerdings abziehbar und von dem Komplementär bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu versteuern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Faktisch führt dies zu einer teilweisen Transparenz der KGaA. Dennoch hat der BFH die KGaA insgesamt, also hinsichtlich der gesamten Einkünfte dieser Gesellschaft, als abkommensberechtigte Person angesehen.2 Dementsprechend ist nach Auffassung des BFH auf Dividenden, die die deutsche KGaA im Streitfall von zwei französischen Kapitalgesellschaften erhalten hatte, das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. in vollem Umfang anzuwenden, also auch soweit der entsprechende Gewinnanteil auf den Komplementär (im Urteilsfall eine OHG mit natürlichen Personen als Gesellschafter) entfiel. Zwar sei es im Ausgangspunkt Sache des innerstaatlichen Rechts und nicht des Abkommensrechts, wem Einkünfte zuzurechnen sind, doch setze sich das Abkommensrecht für das Schachtelprivileg über diese materielle Zurechnung hinweg.3 Ob die KGaA darüber hinaus auch „Nutzungsberechtigte“ der erhaltenen Dividenden war, konnte der BFH auf Grund der Besonderheiten des DBA-Frankreich dagegen dahinstehen lassen. Die Finanzverwaltung hat inzwischen mit einem „Nichtanwendungsgesetz“ (§ 50d Abs. 11 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes4) reagiert. Danach wird die Freistellung von Dividenden, die beim Zahlungsempfänger nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, nur insoweit gewährt, als die Dividenden nach deutschem Steuerrecht nicht einer anderen Person zuzurechnen sind oder die Freistellung auch in dieser anderen Person als Zahlungsempfänger zu gewähren wäre. 5. Gewinne aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen
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Die abkommensrechtliche Beurteilung von Gewinnen aus der Veräußerung der Beteiligung an einer Personengesellschaft ist dem Grunde nach unabhängig davon zu beurteilen, ob die Personengesellschaft selbst als abkommensberechtigte Person einzuordnen ist oder nicht. Dass die Gewinne von den Gesellschaftern erzielt werden und diesen auch steuerlich zuzurechnen sind, ist hier – insoweit auch unabhängig 1 Vgl. Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht 2010, Rz. 5.24. Dies entsprich auch der Auffassung der OECD: Art. 1 Rz. 6.3 Satz 1 letzter Halbs. OECD-MK; OECD-Partnership-Report 1999, Bsp. 17. 2 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919 [Rz. 25] zum DBA-Frankreich. Vgl. dazu auch: Gosch, BFH//PR 2010, 457; Wassermeyer, Ubg 2011, 47. 3 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919 [Rz. 25] zum DBA-Frankreich. 4 Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften v. 8.5.2012, BGBl. I 2012, 1030.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 76–78 Art. 1
von den unterschiedlichen Besteuerungskonzepten der Vertragsstaaten – unproblematisch. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich abkommensrechtlich um die Veräußerung des (Betriebsstätten-)Vermögens der Personengesellschaft handelt (Art. 13 Abs. 1 bzw. 2) oder um die Veräußerung von Anteilen an einer intransparenten Gesellschaft (Art. 13 Abs. 4 bzw. 5). Hinsichtlich der Einzelheiten wird insoweit auf die Ausführungen zu Art. 13 verwiesen (vgl. Art. 13 Rz. 53 ff.). Ein mittelbarer Bezug zur Frage der Abkommensberechtigung von Personengesellschaft besteht aber deswegen, weil die Auffassung vertreten wird, dass dann, wenn die Personengesellschaft als ansässige Person im Sinne des Abkommensrechts einzuordnen ist, die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft selbst zuzuordnen sind und die Veräußerung der Anteile an der Personengesellschaft daher wie eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu werten ist.1 Sowohl die deutsche Finanzverwaltung als auch der BFH (dieser zunächst im Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz) gehen jedoch zu Recht davon aus, dass die Veräußerung des Anteils an einer Personengesellschaft abkommensrechtlich als Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter und nicht etwa die als davon zu unterscheidende Veräußerung der Personengesellschaftsanteile einzuordnen ist.2 Hier kann es zunächst einmal zu einer doppelten Besteuerung kommen, wenn der Ansässigkeitsstaat des veräußernden Gesellschafters die Personengesellschaft als intransparent ansieht und das Besteuerungsrecht aus Art. 13 Abs. 5 herleitet, während der Sitzstaat der Personengesellschaft diese als transparent einordnet und dementsprechend auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 1 bzw. 2 besteuern will. Die Doppelbesteuerung soll in diesen Fällen dadurch vermieden werden, dass der Ansässigkeitsstaat die Veräußerungsgewinne – entgegen seiner innerstaatlichen Wertung – freistellt oder die im Sitzstaat entstehende Steuer anrechnet.3 Um eine doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden, wurde Art. 23A Abs. 4 in das OECD-MA aufgenommen.4 In Deutschland wird eine solche doppelte Nichtbesteuerung nunmehr durch § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG vermieden (vgl. hierzu Rz. 107). 6. Sondervergütungen Unterschiedliche Einordnung von Sondervergütungen nach innerstaatlichem 77 Recht. Auch in Bezug auf die Beurteilung der von einer Personengesellschaft an ihren Gesellschafter gezahlten Vergütungen, z.B. für die Hingabe von Darlehen, für die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder für Tätigkeiten im Dienste der Gesellschaft, kann es zu unterschiedlichen Einordnungen durch die beteiligten Staaten kommen (Art. 7 (2008) Rz. 78 ff.). Während Deutschland derartige Vergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Sonderbetriebseinnahmen ansieht und diese den gewerblichen Einkünften des Gesellschafter zuweist, erkennt eine Vielzahl von Staaten Rechtsbeziehungen zwischen der Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter auch mit steuerlicher Wirkung an. Folge ist, dass diese Vergütungen den steuerlichen Gewinn der Personengesellschaft mindern und der Gesellschafter die Vergütungen nach den entsprechenden Vorschriften des jeweiligen Steuerrechts „privat“ zu versteuern hat. Ähnliche Effekte treten ein, wenn ein Staat eine dem deutschen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vergleichbare Vorschrift zwar dem Grunde nach kennt, die konkrete Personengesellschaft aber als intransparente Einheit (Kapitalgesellschaft) einordnet. Folgen für die abkommensrechtliche Beurteilung (objektiver Qualifikationskon- 78 flikt). Diese unterschiedliche Einordnung nach innerstaatlichem Recht findet ihre Parallele in der abkommensrechtlichen Beurteilung. Hier stellt sich die Frage, ob derartige Vergütungen zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7) oder zu anderen Einkünften (z.B. Art. 10, 11 oder 12) zu zählen sind. Nehmen die betroffenen Staaten die Einord1 Vgl. FG BW v. 2.11.2009 – 6 V 2234/09 nV, aufgehoben durch BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.2.1 i.V.m. Rz. 4.1.3.3.2; BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 [Rz. 17 ff.] zum DBA-Spanien. A.A. z.B. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (88); Schick, IWB 2011, 93 (96). 3 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 107 (Bsp. 14). 4 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 113.
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Art. 1 Rz. 78–79
Unter das Abkommen fallende Personen
nung unterschiedlich vor, so kann von (objektiven) Qualifikationskonflikten gesprochen werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Einordnungskonflikte im Vergleich zu den unter Rz. 50 diskutierten subjektiven Qualifikationskonflikten eine vollkommen unterschiedliche Grundlage haben. Während es bei den subjektiven Qualifikationskonflikten im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine Personengesellschaft als abkommenberechtigtes (Einkünfte-)Zurechnungssubjekt einzuordnen ist, stellt sich bei der Einordnung von Sondervergütungen die Frage der Zurechnung nicht. Entscheidend ist hier die Einordnung unter eine bestimmte Einkunftsart. 79
Unterschiedliche Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung. Bei der Lösung von Qualifikationskonflikten aus der unterschiedlichen Einordnung von Sondervergütungen verfolgen die deutsche Finanzverwaltung und der BFH unterschiedliche Konzepte und kommen vor diesem Hintergrund zu abweichenden Ergebnissen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gehören Sondervergütungen aus Sicht von Deutschland als Anwenderstaat zu den Unternehmenseinkünften, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen Inbound-Fall (Beteiligung eines ausländischen Gesellschafter an einer deutschen Personengesellschaft) oder um einen Outbound-Fall (Beteiligung eines inländischen Gesellschafters an einer deutschen Personengesellschaft) handelt.1 Für den Inbound-Fall beruft sich die Finanzverwaltung hierbei insbesondere auch auf den durch das JStG 2009 eingeführten § 50d Abs. 10 EStG.2 Insoweit beansprucht die Finanzverwaltung also grundsätzlich das volle deutsche Besteuerungsrecht im Rahmen des Art. 7. Im Outbound-Fall sind danach die Sondervergütungen ebenfalls den Unternehmensgewinnen zuzuordnen und auf Grund der in den meisten deutschen DBA vereinbarten Freistellungsmethode in der Regel von der Besteuerung in Deutschland freizustellen (Art. 23A Abs. 1); besteuert der Sitzstaat der Personengesellschaft (Betriebsstättenstaat) diese Vergütungen nicht, kann der Gesellschafter allerdings die im DBA angeordnete Freistellung nach § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG in Deutschland nicht in Anspruch nehmen.3 Der BFH geht dagegen zu Recht davon aus, dass Sondervergütungen auf Grund des Spezialitätenvorrangs den speziell geregelten Einkunftsarten zugehören und nicht ohne weiteres den Unternehmenseinkünften zuzurechnen sind;4 Voraussetzung ist vielmehr eine funktionale Zuordnung zur Betriebsstätte. Wie der BFH weiter zutreffend in wohl nunmehr ständiger Rspr. ausführt, kann sich die Finanzverwaltung im Ergebnis auch nicht auf § 50d Abs. 10 EStG berufen. Wie der BFH aufgezeigt hat, greifen die tatbestandlichen Erfordernisse dieser Gesetzesfiktion in vielfacher Hinsicht zu kurz, um eine unilaterale Umqualifizierung der abkommensrechtlich an sich gebotenen Einkünfteeinordnung zu erreichen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 80 ff.).5 7. Sonstige Personenzusammenschlüsse, Vermögensmassen Ausgewählte Literatur: Daragan, Die Zurechnung des Vermögens und der Erträge einer kontrollierten Liechtensteiner Stiftung, DB 2011, 2223; da Silva, Granting Tax Treaty Benefits to Collective Investment Vehicles: A Review of the OECD Report an the 2010 Amendments to the Model Tax Convention, INTERTAX 2011, 195; Fock, Investmentanlage und Doppelbesteuerungsschutz, RIW 2003, 118; Geuts/Jacob, Französische SICAV: Ansässigkeit nur bei Steuerpflicht – und was ist mit dem deutschem REIT?, IStR 2007, 737; Haase, Treaty Entitlement of Investment Funds: The German Perspective, INTERTAX 2011, 337; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertragund Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Hosp/Langer, Die liechtensteinische Familienstiftung: Nischenprodukt oder ernstzunehmende Alternative für den deutschen Investor?, BB 2011, 1948; Jacob/Link, Zur Abkommensberechtigung einer französischen SICAV, IStR 2012, 949; Kirchmayr, Collective Investment Vehicles, IStR 2011, 673; Meinhardt, Quellensteuerbelastung
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Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 5.1. JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 5.1. Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556 [Rz. 13] zum DBA-USA 1989; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 [Rz. 12] zum DBA-USA 1989; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 [Rz. 12 ff.] zum DBA-USA 1989. 5 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556 [Rz. 15] zum DBA-USA 1989; v. 8.11.2010 – I R 106/09, BFH/NV 2011, 365 [Rz. 12 ff.] zum DBA-USA 1989; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 [Rz. 17 ff.] zum DBA-USA 1989.
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 80–81 Art. 1
ausländischer Zinserträge trotz Doppelbesteuerungsabkommen beim Direkt- und Investmentanleger, DStR 2003, 1780; Rode/Neumann, Besteuerung von Erträgen aus intransparenten Publikums-Investmentvermögen bei Privatanlegern, FR 2012, 247; Sorgenfrei, Steuerlicher Transparenzgrundsatz und DBA-Berechtigung deutscher offener Investmentfonds, IStR 1994, 465; Staiger/Köth, Abkommensberechtigung einer französischen SICAV sowie des deutschen REIT, BB 2012, 2915; Teske, Zu einigen Steuerfragen im Umfeld der Investmentfonds, in Festschrift Flick 1997, 587; Vermeulen, Suggested Treaty Benefits Approaches for Collective Investement Vehicles (CIVs) and Ist Investors under the OECD MTC 2010 update, INTERTAX 2011, 248; von Löwe, Österreichische Privatstiftung mit Stiftungsbeteiligten in Deutschland, IStR 2005, 577; von Oertzen, Trust – the never-ending story, DStR 2002, 433; Wagner, Die Besteuerung des REIT, München 2010; Wienbracke, Die ertragsteuerliche Behandlung von trusts nach nationalem und nach DBA-Recht, RIW 2007, 201; Zinkeisen/Walter, Abkommensberechtigung von Investmentfonds, IStR 2007, 583.
Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Die Europäische wirt- 80 schaftliche Interessenvereinigung soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Personen, Gesellschaften und anderen juristischen Einheiten innerhalb der EU erleichtern. Rechtsgrundlage hierfür ist die VO über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV).1 Von einer Gesellschaft unterscheidet sich die EWIV hauptsächlich durch ihren Zweck, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern oder zu entwickeln, sowie die Ergebnisse dieser Tätigkeit zu verbessern; sie hat nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen (vgl. Art. 3 Abs. 1 EWIV-VO). Aus deutscher Sicht ist sie daher in der Regel keine Mitunternehmerschaft, sondern Hilfsgesellschaft.2 Abkommensrechtliche Einordnungskonflikte bestehen bei der EWIV nicht, weil nach Art. 40 EWIV-VO das Ergebnis der Tätigkeit der EWIV nur bei ihren Mitgliedern besteuert wird. Da alle Vertragsstaaten hieran gebunden sind, ist also – unabhängig von der Gewinnerzielungsabsicht der Vereinigung – steuerlich das Transparenzprinzip festgeschrieben. Investmentvermögen. Die Problematik der steuerrechtlichen Beurteilung von In- 81 vestmentvermögen ist – insbesondere im internationalen Kontext – zum einen in der Vielfalt der rechtlichen Ausgestaltungen der Investmentvermögen selbst und der (steuer-)rechtlichen Rahmenbedingungen in den einzelnen Staaten begründet. Investmentgesellschaften können als Kapital- oder Personengesellschaften, aber auch z.B. als stille Gesellschaft, Trust oder in Form eines gemeinschaftlichen Eigentums oder Sondervermögens organisiert sein. Darüber hinaus unterliegen Investmentvermögen in vielen Staaten einem zivil- und oder steuerrechtlichen Sonderregime. In Deutschland sind hier das InvG und das InvStG zu beachten.3 Im Anwendungsbereich des InvG kann das Investmentvermögen als Investmentaktiengesellschaft – InvestmentAG – nach §§ 96 ff. InvG oder als Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft – KAG – organisiert sein. Wird ein Sondervermögen gebildet, ist der Anleger nicht an der KAG, sondern auf vertraglicher Grundlage an dem Sondervermögen beteiligt (vgl. § 30 Abs. 1 bis 3 InvG). Steuerlich ist das InvStG zu beachten. Danach wird die Beteiligung an einem Investmentvermögen weitgehend der Direktinvestition gleichgestellt. Auf Ebene des Investmentvermögens gilt das Sondervermögen als Zweckvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, ist aber – wie die InvestmentAG – von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit (vgl. § 11 Abs. 1 InvStG). Für die Anleger stellen – sofern die Bekanntgabeverpflichtungen nach § 5 InvStG4 erfüllt werden – 1 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates v. 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, ABl. EG Nr. L 199, 1. Vgl. auch Gesetz zur Ausführung der EGW-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung v. 14.4.1989, BGBl. I 1988, 514, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 2 Vgl. zur Hilfsgesellschaft z.B. BFH v. 30.9.2003 – III R 5/00, BStBl. II 2003, 289; v. 28.10.1999 – III R 42/97, BFH/NV 2000, 747; BMF v. 12.2.2009 – IV C 6 – S 2246//08/10001, BStBl. I 2009, 398; Wacker in Schmidt32, § 15 EStG Rz. 327. 3 Vgl. aber die Bestrebungen zur Schaffung eines Kapitalanlagesetzbuches: Entwurf eines AIFMUmsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 17/12294 v. 6.2.2013. 4 Werden diese Verpflichtungen nicht erfüllt, erfolgt beim Kapitalanleger eine pauschalierte Ermittlung der Einkünfte. Anzusetzen sind dann die Ausschüttungen auf die Investmentanteile, der Zwischengewinn sowie 70 % des Mehrbetrages zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis (vgl. § 6 InvStG); vgl. dazu auch Rohde/Neumann, FR 2012, 247.
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Art. 1 Rz. 81
Unter das Abkommen fallende Personen
die ausgeschütteten sowie ausschüttungsgleichen Erträge und die Zwischengewinne Einkünfte aus Kapitalvermögen dar (§ 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Die ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge sind steuerfrei, soweit sie ausländische Einkünfte erhalten, auf deren Besteuerung Deutschland in einem DBA verzichtet hat (§ 4 Abs. 1 InvStG) bzw. es wird bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern die ausländische Quellensteuer angerechnet (§ 4 Abs. 2 und 3 InvStG). Mit den sich abkommensrechtlich stellenden Fragen hat sich die OECD nunmehr ausführlich im Musterkommentar auseinandergesetzt (vgl. Art. 1 Rz. 6.8 bis Rz. 6.34 OECD-MK). Vor dem Hintergrund, dass international kein einheitliches Verständnis über die Behandlung von Investmentvermögen besteht, wird angeregt, die Abkommensberechtigung bestimmter Publikums-Investmentvermögen in den Einzelabkommen zu verankern (vgl. Art. 1 Rz. 6.17 OECD-MK). Mangels einer solchen Regelung ist für Deutschland als Anwenderstaat die abkommensrechtliche Einordnung von Investmentvermögen insbesondere problematisch, wenn ein ausländisches Investmentvermögen aus deutschen Quellen Einkünfte erzielt und zu entscheiden ist, ob dieses Investmentvermögen als im anderen Staat ansässige Person i.S.d. Art. 1 und – im Anwendungsbereich des Art. 10 – zudem als Nutzungsberechtigter der Erträge anzusehen ist. Entscheidend hierfür ist im Rahmen des durchzuführenden Typenvergleichs1 zunächst die zivilrechtliche Ausgestaltung des ausländischen Investmentvermögens. Liegt eine Investmentgesellschaft (vergleichbar mit der deutschen InvestmentAG) vor, und ist diese in ihrem Sitzstaat selbst unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig2, so ist die Investmentgesellschaft aus deutscher Sicht eine im anderen Staat ansässige Person.3 Da Art. 1 i.V.m. Art. 4 für die Ansässigkeit nur auf die abstrakte unbeschränkte Steuerpflicht der Person abstellen, ist es insoweit unerheblich, ob die Investmentgesellschaft ggf. auf Grund einer § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG entsprechenden Norm im Ausland steuerbefreit ist.4 I.E. gilt dies auch, wenn das ausländische Inventmentvermögen mit einem deutschen Sondervermögen vergleichbar ist und das ausländische Steuerrecht dieses Sondervermögen auf Grund einer § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG vergleichbaren Regelung der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterwirft.5 Zwar ist das von der ausländischen KAG gebildete Sondervermögen zivil- und auch steuerrechtlich kein selbständiger Rechtsträger; die Bildung eines Sondervermögens ist aber ausreichend, um eine Person im Sinne des Abkommens anzunehmen, weil es insoweit nicht auf deren Rechtsfähigkeit ankommt (vgl. Rz. 35). Ob die ausländische Steuerpflicht unmittelbar angeordnet wird oder – entsprechend § 11 Abs. 1 InvStG – auf einer Fiktion beruht, ist dem Grunde nach für die abkommensrechtliche Beurteilung unerheblich, weil dies jeweils nur eine unterschiedliche Regelungstechnik darstellt. Da die unbeschränkte Steuerpflicht aber auf dem Ort der Geschäftsleitung oder einen ähnlichen Merkmal beruhen muss (vgl. Art. 4 Abs. 1), ist es erforderlich, dass die ausländische Steuerpflicht des Investmentsvermögens zumindest an eine (tatsächliche) Verwaltung dieses Vermögens in dem anderen Staat anknüpft, die mit der Geschäftsführung eines selbständigen Rechtsträgers vergleichbar ist. Zu berücksichtigen ist, dass die Abkommensberechtigung (auch) von Investmentvermögen in einzelnen Abkommen
1 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BFH/NV 2012, 1720 [Rz. 12] zur französischen SICAV; Jacob/ Link, IStR 2012, 949; Staiger/Köth, BB 2012, 2915. Auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 33b (Stand: März 2012). 2 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BFH/NV 2012, 1720 [Rz. 13] zur französischen SICAV. 3 Vgl. auch die Diskussion zu ausländischen intransparenten Personengesellschaften: Rz. 61. 4 Vgl. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, BFH/NV 2012, 1720 [Rz. 12]; FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 [Rz. 33 ff.] zum DBA-Frankreich; Englisch in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG 2010, § 11 InvStG Rz. 84; Zinkeisen/Walter, IStR 2007, 583 (583); Geurts/Jacob, IStR 2007, 737 (738); Meinhardt, DStR 2003, 1780 (1781), da Silva, INTERTAX 2011, 195 (200). Für die Abkommensberechtigung eines inländischen Zweckvermögens: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 33a (Stand: März 2012). A.A. FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 zum DBA-FRA (rkr.); in diesem Sinne auch unter Hinweis auf den OECD-MK: Haase, INTERTAX 2011, 337 (341); Kirchmayr, IStR 2011, 673 (675). Vgl. i.Ü. auch die allgemeinen Ausführungen unter Rz. 37. 5 Vgl. Kirchmayr, IStR 2011, 673 (674); Sorgenfrei, IStR 1994, 465 (468), Täske, in FS Flick 1997, 587 (597).
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B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abkommens
Rz. 81–84 Art. 1
in Abhängigkeit von der Anlegerstruktur beschränkt sein kann (sog. Limitation on Benefits-Klauseln, vgl. hierzu Rz. 89). Real Estate Investment Trusts (REITs). Ähnliche Fragen, wie bei den oben ange- 82 sprochenen Investmentgesellschaften, stellen sich auch bei den Real Estate Investment Trusts (REITs). Diese sind häufig auch international als Kapitalgesellschaften organisiert. In der Regel sind REITs somit abkomensrechtlich als eine „Person“ im Sinne des Art. 1 anzusehen. Soweit der REIT in seinem Sitzstaat der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterliegt, ist er auch ansässige Person. Allerdings sind REITs in der steuerlichen Konzeption unabhängig von ihrer Rechtsform insoweit (weitgehend) transparent, als die Gewinne auf Ebene des REIT steuerbefreit sind und die Erträge erst auf Ebene der Gesellschafter/Anleger besteuert werden. In Deutschland folgt die Steuerbefreiung der REITs aus § 16 REITG. Da Art. 1 i.V.m. Art. 4 für die Ansässigkeit nur auf die abstrakte unbeschränkte Steuerpflicht der Person abstellen, ist es insoweit – wie auch bei der Investmentgesellschaft ausgeführt – unerheblich, ob der REIT ggf. auf Grund einer § 16 Abs. 1 REITG entsprechenden Norm im Ausland steuerbefreit ist.1 Stille Gesellschaften. Stille Gesellschaften sind reine Innengesellschaften. Abkom- 83 mensrechtlich führt dies dazu, dass eine stille Gesellschaft selbst keine ansässige Person im Sinne des Art. 1 ist. Abkommensberechtigt sind damit nur der stille Gesellschafter bzw. der Geschäftsherr, sofern diese die Voraussetzungen einer ansässigen Person erfüllen. Im Übrigen ist zumindest aus deutscher Sicht zwischen der typisch stillen Gesellschaft und der atypisch stillen Gesellschaft zu unterscheiden. Einkünfte aus typisch stillen Gesellschaften stellen nach deutschem innerstaatlichem Recht Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG) dar; in den meisten deutschen Abkommen werden diese Einkünfte als Dividenden behandelt.2 Nach dem OECD-MA sind die Bezüge des (typisch) stillen Gesellschafters dagegen Zinsen i.S. des Art. 11.3 Einkünfte aus atypisch stillen Gesellschaften gehören nach innerstaatlichem Recht zu den Einkünften aus einer Mitunternehmerschaft (gewerblichen Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Abkommensrechtlich liegen nach deutscher Vorstellung Unternehmensgewinne vor (Art. 7).4 Insbesondere hier kann es international zu unterschiedlichen Zuordnungen innerhalb der Verteilungsnormen kommen – (objektive Qualifikationskonflikte). Stiftungen/Trusts. Stiftungen, die nach ihrem Heimatrecht rechtsfähig sind, un- 84 terliegen i.d.R. auch dort der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht. In Deutschland folgt dies aus § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. Abkommensrechtlich sind rechtsfähige Stiftungen somit ansässige Personen i.S.d. Art. 1. Nur ausnahmsweise ist das Vermögen einer solchen Stiftung einer anderen Person zuzurechnen. Das kann der Fall sein, wenn die Stiftung als Treuhänderin für diese andere Person agiert, etwa weil sich der Stifter das jederzeitige Weisungsrecht gegenüber den Organen der Stiftung sowie den jederzeitigen Widerruf der Stiftung vorbehalten hat.5 In ganz extremen Ausnahmefällen ist es zudem möglich, dass die Stiftung wegen eines Verstoßes gegen den ordre public nicht anzuerkennen ist.6 Ist die Stiftung auch steuerlich anzuerkennen, so erzielen die Begünstigten allenfalls im Fall der Auskehrung steuerpflich1 Vgl. Blaas/Ruoff in Seibt/Conradi, Handbuch REIT AG, Rz. 723; Helios in Helios/Wewel/Wiesbrock, REIT-Gesetz 2008, § 16 Rz. 26 (die DBA sollen hiernach aber lediglich für die in einem der Vertragsstaaten ansässigen Personen anwendbar sein); Wagner, Die Besteuerung des REIT 2010, 114 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 33e (Stand: März 2012). Vgl. i.Ü. auch die allgemeinen Ausführungen unter Rz. 37. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 unter 2.2.1.3. 3 Vgl. Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 165; Pöllath/Lohbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 63a; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.362. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 unter 2.2.1.2. 5 Vgl. BFH v. 22.12.2010 – I R 84/09, BFH/NV 2011, 1069 [Rz. 12]; Schütz, DB 2008, 603 (605); von Löwe, IStR 2005, 577 (579); kritisch: Daragan, DB 2011, 2223. 6 Vgl. zu einem Verstoß gegen den ordre public, wenn die Stiftung hauptsächlich der Steuerhinterziehung dient: OLG Düsseldorf v. 30.4.2010 – I-22 U 126/06, IStR 2011, 475. Kritisch: Lennert/ Blum, IStR 2011, 492.
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Art. 1 Rz. 84–86
Unter das Abkommen fallende Personen
tige Einkünfte. Ob diese Auskehrungen in Deutschland zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen, ist bisher umstritten; die Finanzverwaltung geht davon aus, dass insoweit § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfüllt ist.1 Eine entsprechende Regulierung ist ab dem Veranlagungszeitraum 2011 durch das JStG 20102 in § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG aufgenommen worden. Bei ausländischen Familienstiftungen ist zudem § 15 AStG zu beachten. Gleiches gilt im Grundsatz auch für nichtsrechtsfähige Stiftungen und Trusts, sofern diese im Ausland der unbeschränkten (Körperschaft-)Steuerpflicht unterliegen. Hier scheitert die Einordnung als abkommensberechtigte Person auch nicht an der fehlenden Rechtsfähigkeit der jeweiligen Stiftung bzw. des Trust (vgl. Rz. 35).3 Insbesondere bei einem Trust ausländischen Rechts stellt sich allerdings – vorbehaltlich etwaiger Sonderregelungen in dem konkret anzuwendenden DBA – die Frage, wem aus deutscher Sicht das Vermögen bzw. die Einkünfte zuzurechnen sind bzw. wer Nutzungsberechtigter i.S. der Art. 10 bis 12 ist. Eine Zurechnung des zivilrechtlich von den Trustees gehaltenen Vermögens kommt hier in Person des Settlors, der Anfallsberechtigten oder des Trusts selbst in Betracht.4 Sind die Erträge bzw. ist das Vermögen dem Settlor oder den Anfallsberechtigten zuzurechnen, so ist auch für die Abkommensanwendung auf diese Personen abzustellen. Auf die Ansässigkeit des Trusts kommt es in diesem Fall nicht weiter an.
C. Missbrauch von DBA Ausgewählte Literatur: Fischer, Zurechnung, Zugriff, Durchgriff – Aspekte einer Grundfrage des Steuerrechts, FR 2001, 1; Gabel, Spezielle Missbrauchsnormen und der allgemeine Gleichheitssatz, StuW 2011, 3; Holthaus, Systemwechsel in der Abkommenspolitik – tatsächliche Besteuerung im Vertragsstaat Voraussetzung für Freistellungen nach den neuen DBA, IStR 2012, 537; Kirchhain, Neues von der Zurechnungsbesteuerung, IStR 2012, 602; Linn, Steuerumgehung und Abkommensrecht, IStR 2010, 542; Marlock, Steuerliche Anerkennung einer Auslandsholding (Ort der Leitung, missbräuchliche Gestaltung, Hinzurechnungsbesteuerung), JbFfStR 2006/2007, 652; Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Oellerich, Die Abwehr des Abkommensmissbrauchs, IWB 2013, 33; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty-shopping, BB 1987, Beilage 14, 1; Ritzer/Stangl, Aktuelle Entwicklungen bei den steuerlichen Anforderungen an die Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, FR 2005, 1063; Thömmes, Abkommensberechtigung und „Limitation on Benefits“ (LOB)-Klauseln, IStR 2007, 577; Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 79; v. Busekist, Ort der Geschäftsleitung und missbräuchlicher Einsatz von Auslandsgesellschaften, GmbHR 2006, 132; Wassermeyer, Missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2000, 505.
I. Grundsätze 85
Ausgangspunkt Gestaltungsfreiheit. Ausgangspunkt jeder Überlegung zur Frage des Missbrauchs von DBA ist der Grundsatz, dass jedermann das Recht hat, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, wie es ihm am günstigsten erscheint. Insbesondere kann der Lebenssachverhalt durch den Steuerpflichtigen so ausgestaltet werden, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt.5 Entsprechend der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung folgt das Steuerrecht dem verwirklichten Sachverhalt. Dies gilt auch bei der Anwendung der DBA.
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Grenzen der Gestaltungsfreiheit (Missbrauch). Das Steuerrecht folgt der Gestaltung des Steuerpflichtigen allerdings dann nicht mehr, wenn diese Gestaltung als missbräuchlich anzusehen ist. Nach dem deutschen Rechtsverständnis ist das der 1 Vgl. BMF v. 27.6.2006 – IV B 7-S 2252-4/06, BStBl. I 2006, 417 ohne Differenzierung nach in- und ausländischen Stiftungen. 2 JStG 2010 v. 8.12.2010, BStBl. I 2010, 1768. 3 Vgl. speziell zum Trust: Wienbracke, RIW 2007, 201 (204). 4 Vgl. mit Ausführungen zu den Abgrenzungskriterien: BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388 [Rz. 14] zu einem Jersey-Trust; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727 [Rz. 22 ff.] zu einem US-Trust. 5 Vgl. BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622 [Rz. 47]; v. 29.11.1982 – GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272 [unter C.III]; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 2 (Stand: Oktober 2010).
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 86–88 Art. 1
Fall, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.1 Ähnliches gilt auch im Abkommensrecht. DBA sollen dazu dienen, durch die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie den Kapital- und Personenverkehr zu fördern (vgl. Art. 1 Rz. 7 OECD-MK). Ein Missbrauch liegt vor, wenn künstliche Rechtskonstruktionen gewählt werden, die darauf gerichtet sind, in den Genuss von Steuervorteilen nach bestimmten innerstaatlichen Gesetzen bzw. von Steuererleichterungen nach den DBA zu kommen (vgl. Art. 1 Rz. 8 OECD-MK). Die Erlangung der günstigeren Steuerposition muss Hauptzweck der Gestaltung sein (vgl. Art. 1 Rz. 9.5 OECD-MK). Die Grenze zur legitimen und anzuerkennenden Steuergestaltung ist dabei nicht immer leicht zu ziehen. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil im internationalen Kontext Gestaltungsmaßnahmen i.d.R. korrespondierende Auswirkungen auf verschiedene Rechtsordnungen haben. So zielen verschiedene Gestaltungsansätze darauf ab, das Steuersubstrat bewusst der einen – für den Steuerpflichtigen günstigen – Rechtsordnung zu unterstellen. Eine Gestaltung, die aus Sicht des einen Vertragsstaates missbräuchlich ist, kann daher aus Sicht des anderen Vertragsstaates durchaus als wirtschaftlich gerechtfertigt erscheinen. Auch vor diesem Hintergrund ist das Verständnis, wann eine Gestaltung missbräuchlich ist, in den einzelnen Staaten durchaus unterschiedlich entwickelt. Die Position einzelner Staaten kann dabei auch davon beeinflusst sein, ob die Gestaltungspraxis tendenziell eher versucht, Steuersubstrat in den Staat hinein- oder aus dem Staat hinauszuverlagern. Erscheinungsformen des Missbrauchs im Abkommensrecht. Gestaltungen im Be- 87 reich des Abkommensrechts lassen sich im Grundsatz in zwei Kategorien einteilen. Zunächst einmal kann die Gestaltung darauf gerichtet sein, überhaupt erst in den Anwendungsbereich eines bestimmten DBA zu gelangen. In der Regel wird hierzu eine abkommensberechtigte Gesellschaft zwischen die Einkunftsquelle und die nicht abkommensberechtigten Personen installiert. Insoweit wird von Treaty Shopping gesprochen. Einen Unterfall des Treaty Shopping stellen die sog. Stepping-Stone Gesellschaften dar. Hier wird in einem Staat, mit dem Deutschland ein geeignetes DBA geschlossen hat, eine Gesellschaft errichtet, die entsprechende Einkünfte aus Deutschland erzielt. Die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat der zwischengeschalteten Gesellschaft wird vermieden, indem dort entsprechende Betriebsausgaben kreiert werden. Die korrespondierenden Betriebseinnahmen fallen dann regelmäßig bei einer Gesellschaft an, die in einem Staat ansässig ist, in dem die Gewinne keiner oder nur einer geringen Besteuerung unterliegen und in dem idealerweise die quellensteuerfreie Ausschüttung dieser Gewinne gesichert ist. Die europarechtliche Parallele zum Treaty Shopping ist das Directive Shopping, mit dem durch die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft der Anwendungsbereich einer EU-RL erreicht werden soll. Die zweite Kategorie möglicher Missbrauchskonstellationen stellt das sog. Rule Shopping dar. Hierbei ist der Anwendungsbereich des DBA bereits in der Ausgangslage eröffnet. Durch die Gestaltung des Sachverhaltes soll aber eine (künstliche) Umqualifizierung von Einkünften erreicht werden, um die Voraussetzungen einer in diesem Abkommen vorgesehenen Verteilungsnorm zu erfüllen. Hier geht es entweder darum, das Besteuerungsrecht des Staates zu erlangen, der hieraus die für den Steuerpflichtigen günstigeren Besteuerungsfolgen zieht oder auch durch die bewusste Herstellung von Qualifikationskonflikten eine Besteuerung ganz zu vermeiden (sog. „weiße Einkünfte“).
II. Missbrauchsbekämpfung im Abkommensrecht OECD-MA und OECD-MK. Das OECD-MA selbst enthält keine bzw. nur in sehr eingeschränktem Umfang Regelungen zur Missbrauchsbekämpfung. So nennt der OECD-MK die Einführung des Begriffs „Nutzungsberechtigter“ in Art. 10, 11 und 12 sowie die besonderen Bestimmungen über Künstlergesellschaften in Art. 17 Abs. 2 1 Vgl. BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622 [Rz. 47]; vgl. auch § 42 Abs. 2 AO.
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Art. 1 Rz. 88–91
Unter das Abkommen fallende Personen
als Maßnahmen zur Vermeidung einiger Formen der Steuerumgehung (vgl. Art. 1 Rz. 10 OECD-MK). Darüber hinaus hat sich die OECD insbesondere auch im OECDMK intensiv mit möglichen Ansätzen zur Begegnung des Abkommensmissbrauchs auseinandergesetzt (vgl. Art. 1 Rz. 7 ff. OECD-MK). Der OECD-MK sieht die Gefahr des Missbrauchs von DBA insbesondere darin, dass die Steuerpflichtigen die Steuergesetze eines Staates missbrauchen, indem sie die Unterschiede der Steuergesetze der verschiedenen Länder ausnutzen. In diesem Fall sei es unwahrscheinlich, dass der betroffene Staat dann die Vorschriften eines DBA akzeptiert (vgl. Art. 1 Rz. 7.1 OECD-MK). Begegnet werden kann einer solchen missbräuchlich Inanspruchnahme eines Abkommens nach Auffassung der OECD entweder dadurch, dass der Vertragsstaat den Abkommensmissbrauch als Missbrauch des innerstaatlichen Rechts einstuft und dementsprechend die innerstaatlichen Missbrauchsvermeidungsvorschriften anwendet, oder indem der Vertragsstaat das Abkommen selbst (einschränkend) auslegt, um der missbräuchlichen Inanspruchnahme zu begegnen (vgl. Art. 1 Rz. 9.2 bzw. 9.3 OECD-MK). Beides stelle keinen Verstoß gegen das Abkommen dar (vgl. Art. 1 Rz. 9.4 OECD-MK; Art. 1 Rz. 20 OECD-MK). Auf dieser Grundlage enthält der OECD-MK auch Vorschläge für Regelungen zur Missbrauchsbekämpfung. 89
Deutsche Abkommenspraxis. In den von Deutschland abgeschlossenen Abkommen finden sich häufig Regelungen, die eine missbräuchliche Inanspruchnahme bzw. als nicht gerechtfertigt erscheinende Ergebnisse vermeiden sollen. Zu nennen sind hier insbesondere:
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Aktivitätsvorbehalte. Aktivitätsvorbehalte in den Methodenartikeln machen eine dem Grunde nach in dem jeweiligen Abkommen vorgesehene Freistellung insbesondere von Betriebsstätteneinkünften davon abhängig, dass die (Freistellungs-)Betriebsstätte bestimmte Aktivitätsanforderungen erfüllt. Sind die Anforderungen des Aktivitätsvorbehaltes nicht erfüllt, wird die Doppelbesteuerung durch die Anrechnung der ausländischen Steuer vermieden (Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode). Derartige Aktivitätsvorbehalte finden sich schon in einigen älteren Abkommen, die deutsche Abkommenspraxis geht aber in den neueren deutschen Abkommen immer häufiger dazu über, derartige Aktivitätsvorbehalte aufzunehmen. Darüber hinaus hat sich auch die Ausgestaltung der Aktivitätsklauseln verändert: Während die älteren Abkommen – sofern sie einen Aktivitätsvorbehalt enthalten – die Aktivitätserfordernisse eigenständig definieren, wird in den neueren Abkommen auf den Katalog des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6, Abs. 2 bzw. generell auf § 8 Abs. 11 des deutschen AStG verwiesen. Damit verliert auch § 20 Abs. 2 AStG zunehmend an Bedeutung (vgl. dazu Rz. 110 ff.). Im Ergebnis stellen die Aktivitätsvorbehalte eine spezielle Switch-Over-Klausel dar.2
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Limitation on Benefits-Klauseln. Während die USA in den von ihnen abgeschlossenen DBA in der Regel Klauseln vorsehen, nach denen bestimmte (juristische) Personen die Abkommensvorteile nicht gelten machen können (Limitation on Benefits-Klauseln), haben derartige Klauseln in der deutschen Abkommenspaxis nur eingeschränkt Eingang gefunden. Eine solche Klausel ist – entsprechend der US-amerikanischen Übung – z.B. in Art. 28 DBA-USA 2008 enthalten. Auch der OECD-MK schlägt die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den Einzelabkommen vor (vgl. Art. 1 Rz. 20 OECD-MK). Deutschland verlässt sich insoweit eher auf innerstaatliche Regelungen (insbesondere § 50d Abs. 3 EStG), zunehmend flankiert durch eine Vorbehaltsklausel für innerstaatliche Missbrauchsbekämpfungsvorschriften (vgl. Rz. 94). Allerdings sind in einzelnen deutschen DBA Regelungen enthalten, nach denen Personen unter den Voraussetzungen der jeweiligen Missbrauchsregelung nicht als in einem Staat ansässige Personen anzusehen sind, obwohl die regulären Ansässigkeitsvoraussetzungen (etwa entsprechend Art. 1 OECD-MA) vorliegen. Die „klassische“ Regelung ist hier Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz, wonach eine natürliche Person 1 So z.B. in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c des zwischen Deutschland und den Niederlanden geschlossenen DBA-v. 12.4.2012 (noch nicht in Kraft). 2 Vgl. zu Einzelheiten der Aktivitätsvorbehalte Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 ff.; Holthaus, IStR 2003, 632 ff.
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 91–95 Art. 1
dann nicht als in dem einen Vertragsstaat ansässig gilt, wenn sie dort nicht mit allen aus dem anderen Staat stammenden Einkünften den allgemein erhobenen Steuern unterliegt.1 Vergleichbare Wirkungen haben die Regeln über die sog. überdachende Besteuerung (z.B. Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz). Hier wird die Ansässigkeit einer Person in dem einen Staat zwar anerkannt, der andere Staat kann diese Person dennoch – unter Anrechnung der im anderen Staat gezahlten Steuern – unter bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die unbeschränkte Steuerpflicht besteuern.2 Subjekt-to-Tax-Klauseln. Derartige Klauseln machen die im dem jeweiligen Ab- 92 kommen im Grundsatz vorgesehene Freistellung/Steuerbefreiung von Einkünften oder auch eine Quellensteuerreduktion durch den einen Staat davon abhängig, dass der andere Staat sein Besteuerungsrecht auch tatsächlich ausübt und die Einkünfte dort der Besteuerung unterliegen. Besteuert der andere Staat diese Einkünfte nicht, so kann der erste Staat diese Einkünfte besteuern, jedoch nur im Rahmen seiner innerstaatlichen Vorschriften. Eine Anrechnung von Steuern des anderen Staates scheidet naturgemäß (mangels Erhebung solcher Steuern) aus.3 Switch-Over-Klauseln. Switch-Over-Klauseln sehen vor, dass der Wohnsitzstaat 93 unter den Bedingungen dieser Klausel eine drohende Doppelbesteuerung nicht nach der im Abkommen vorgesehenen Freistellungsmethode verhindern muss, sondern dass dieser Staat die Einkünfte unter Anrechnung der im anderen Staat abgeführten Steuern besteuern darf (Anrechnungsmethode). Ein wesentlicher Anwendungsbereich von Switch-Over-Klauseln sind die insbesondere in den neueren deutschen DBA enthaltenen Aktivitätsvorbehalte für die Freistellung von Betriebsstättengewinnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 239, 244, 248, 255, 258, 261, 268, 271, 274). Verhältnis zum innerstaatlichen Recht. Beinhaltet ein DBA eine ausdrückliche 94 Missbrauchsregelung, so werden im Anwendungsbereich dieser Missbrauchsregelungen die Missbrauchsvorschriften der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen verdrängt.4 Das gilt zumindest soweit, wie die jeweilige Vorschrift des innerstaatlichen Rechts nicht als Treaty override anzusehen ist. Zudem bleibt eine Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvermeidungsvorschriften außerhalb des Anwendungsbereichs der abkommensrechtlichen Missbrauchsregelung zulässig. Von einer eigenständigen abkommensrechtlichen Missbrauchsvorschrift zu unterscheiden sind Abkommensregelungen, die einen Vorbehalt für innerstaatliche Missbrauchsbekämpfungsvorschriften enthalten. Hier wird lediglich zwischen den Vertragspartnern vereinbart, gegenseitig eine Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften des jeweils anderen Staates zu akzeptieren. Dies entspricht auch der neueren deutschen Abkommenspraxis.5
III. Missbrauchsbekämpfung im innerstaatlichen Recht 1. Überblick Innerstaatliche Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung. Für die innerstaatli- 95 chen Regelungen zur Bekämpfung des Missbrauchs im Abkommensrecht ist – wie in rein innerstaatlichen Sachverhalten auch – zwischen generellen und speziellen Missbrauchsvorschriften zu unterscheiden. Als generelle Missbrauchsbekämpfungsvorschrift dürfte insbesondere § 42 AO zu nennen sein. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO können Steuergesetze nicht durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten umgangen werden. Liegt ein solcher Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstanden wäre. Zu beachten sind in der Prüfungsreihenfolge ggf. vorrangig aber auch § 41 AO (Scheingeschäfte) sowie die allgemeinen einkommensteuerlichen Zurechnungsgrundsätze. So kann sich z.B. bei der Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften die 1 2 3 4 5
Vgl. hierzu Wassermeyer in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 156 ff. (Stand: Juli 2000). Vgl. hierzu Wassermeyer in F/W/K, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 58 ff. (Stand: Juli 2000). Vgl. zur Neuausrichtung der Abkommenspolitik Holthaus, IStR 2012, 537. Vgl. BFH v. 19.12.2008 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA-Schweiz. So Art. 23 Abs. 1 DBA-Niederlande v. 12.4.2012 (noch nicht in Kraft).
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Art. 1 Rz. 95–97
Unter das Abkommen fallende Personen
Frage stellen, ob das zivilrechtlich auf die ausländische Kapitalgesellschaft übertragene Vermögen auch in deren wirtschaftlichem Eigentum steht oder ob hier z.B. ein Scheingeschäft oder ein (verdecktes) Treuhandverhältnis anzunehmen ist. Beides wird aber eher die Ausnahme sein. Ein weiterer Aspekt bei „zwischengeschalteten“ ausländischen Gesellschaften ist die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung (§ 10 AO; Art. 4 Abs. 3 MA). Entscheidend ist hierfür der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Ist die zwischengeschaltete Gesellschaft nur mit einigen wenigen Funktionen ausgestattet, so gewinnen die mit diesen Funktionen einhergehenden einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen für die Bestimmung des Ortes der Geschäftsleitung naturgemäß relativ höhere Bedeutung. Neben den generellen Missbrauchsvorschriften wurde in das deutsche Recht im Laufe der Zeit eine Vielzahl spezieller Vorschiften aufgenommen, mit denen aus Sicht des deutschen Gesetzgebers missbräuchliche Gestaltungen bzw. eine Nicht- oder Geringbesteuerung verhindert werden sollen. Zu nennen sind hier insbesondere § 50d Abs. 3 EStG, § 50d Abs. 8 und 9 EStG sowie § 20 Abs. 2 AStG. Letztlich gehört in diesen Kontext auch die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) sowie die Zurechnung des Einkommens (zukünftig ggf. der Einkünfte1) ausländischer Familienstiftungen (§ 15 AStG). Diese zuletzt genannten Vorschriften stellen allerdings vorrangig keine Vorschriften zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen im Abkommensrecht dar, sondern ermöglichen den Durchgriff des deutschen Fiskus durch an sich intransparente Einheiten. 2. Anwendung des § 42 AO a) Verhältnis zum Abkommensrecht 96
Grundsätze. Bei der Ausdehnung der allgemeinen Missbrauchsvorschriften des innerstaatlichen Rechts auf das Abkommensrecht ist zu berücksichtigen, dass das Abkommen, also der ins deutsche innerstaatliche Recht überführte völkerrechtliche Vertrag, dem Grunde nach einem eigenständigen Regelungskreis angehört und daher zunächst aus sich selbst heraus auszulegen und zu interpretieren ist. Damit stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Missbrauchsvorschriften des innerstaatlichen Rechts auf die Anwendung des Abkommens übertragen werden können, wenn das Abkommen hierzu keine besondere Regelung vorsieht (vgl. dazu nachfolgend unter Rz. 97 ff.). Insbesondere in den neueren deutschen Abkommen ist allerdings eine Regelung enthalten, nach der das Abkommen nicht so auszulegen ist, als hindere es einen Vertragsstaat, seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung anzuwenden.2 Damit wird der Anwendungsbereich der innerstaatlichen Vorschriften für das DBA explizit eröffnet. Ist in dem anzuwendenden Abkommen eine eigene Missbrauchsregelung enthalten, so werden die innerstaatlichen Vorschriften zur Missbrauchsvermeidung von der spezielleren Abkommensregelung verdrängt.3 Das kann allerdings nur in dem Anwendungsbereich der entsprechenden Missbrauchsvorschrift gelten, es sei denn, aus dem Gesamtzusammenhang der Missbrauchsregelungen in dem konkreten Abkommen wäre erkennbar, dass eine abschließende Regelung vereinbart wurde. Hiervon wird allerdings regelmäßig nicht auszugehen sein.
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Anwendung von § 42 AO im Abkommensrecht – Rechtsprechung. Die Rspr. wendet § 42 Abs. 1 AO dem Grunde nach auch dann im Abkommensrecht an, wenn das entsprechende Abkommen – im Gegensatz zur neueren deutschen Abkommenspra-
1 Vgl. zu der geplanten Neufassung des § 15 AStG durch das JStG 2013 Kirchhain, IStR 2012, 602. 2 Vgl. aus der jüngeren deutschen Abkommenpraxis z.B.: Art. 29 DBA-Algerien, Art. 28 DBAAserbaidschan, Abs. 8 des Protokolls zum DBA-Belarus, Abs. 17 des Protokolls zum DBA-Belgien, Art. 28 DBA-Bulgarien; Art. 28 DBA-Georgien; Art. 29 DBA-Ghana, Art. 29 Abs. 6 DBAKanada, Abs. 3 des Protokolls zum DBA-Kirgisistan, Art. 27 Abs. 1 DBA-Korea. Überwiegend wird diese Regelung dahingehend ergänzt, dass dann, wenn die Anwendung der Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung zu einer Doppelbesteuerung führen, ein Verständigungsverfahren einzuleiten ist. 3 Vgl. BFH v. 19.12.2008 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA-Schweiz.
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 97–98 Art. 1
xis – keine entsprechende Öffnungsklausel enthält.1 Allerdings hat diese Rspr. insoweit eine Modifikation erfahren, weil der BFH nunmehr betont, dass Missbrauchsvorschriften des konkret anzuwendenden Abkommens in ihrem Anwendungsbereich die Missbrauchsvorschriften der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen verdrängen.2 Nach inzwischen wohl gesicherter Rspr. ist § 42 AO auch auf beschränkt Steuerpflichtige anzuwenden.3 Ein Missbrauch setzt aus deutscher Sicht aber immer voraus, dass durch die missbräuchliche Gestaltung eine niedrigere Steuer entsteht, als sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung ausgelöst worden wäre. Die „Umgehung“ einer ausländischen Steuer wird von § 42 AO nicht erfasst.4 Kritik. Gegen die Anwendung von § 42 AO bei der abkommensrechtlichen Beurtei- 98 lung grenzüberschreitender Sachverhalte ist in der Literatur seit langem Kritik geäußert worden.5 Im Kern beruht diese Kritik darauf, dass ein DBA Ausdruck des Willens der beteiligten Staaten ist, Doppelbesteuerungen zu vermeiden und vor diesem Hintergrund die Besteuerungsrechte zwischen den Staaten aufzuteilen. Greift einer der Staaten einseitig auf Grundlage innerstaatlicher Missbrauchsvermeidungsvorschriften in diese Verteilung ein, so wird dies in der Regel zu einer „Störung der abkommensimmanenten Regelungshomogenität“ führen.6 Zudem besteht international bei weitem keine Einigkeit darüber, wann eine Gestaltung steuerlich anzuerkennen ist und wann nicht. Die sich hier stellenden Wertungsfragen werden z.T. unter dem Begriff Missbrauch, Steuerumgehung oder Substance over Form diskutiert, ohne dass hier bisher international einheitliche Kriterien entwickelt wurden. Insoweit wird es häufig so sein, dass eine Gestaltung, die aus der Sicht des einen Staates missbräuchlich ist (weil das Besteuerungsrecht dieses Staates umgangen wird) aus der Sicht des anderen Staates ohne weiteres anzuerkennen ist (weil ein Besteuerungsrecht erst begründet wird).7 In der Sache nach besteht allerdings Einigkeit, dass nicht jede Gestaltung für Zwecke der Anwendung der DBA anzuerkennen ist und die Rechtsordnung nicht jeder nur steuerlich motivierten Gestaltung des Steuerpflichtigen folgen muss. Soweit ein Rückgriff auf nationale Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung abgelehnt wird, wird dies mit allgemein anerkannten Rechtgrundsätzen begründet. Zwischen den meisten Staaten bestehe Übereinstimmung, dass ein „gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten unbeachtlich“ ist und „offensichtlich nur steuerlich motivierte Gestaltungen ohne sinnvollen Geschäftszweck“ steuerrechtlich nicht anzuerkennen sind.8 Grundsätzlich erscheint aber ein Rückgriff auf § 42 AO vor dem Hintergrund der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung eher gerechtfertigt zu sein, als der Hinweis auf allgemeine Rechtsgrundsätze, zumal sich ein allgemeiner staatenübergreifender Missbrauchsbegriff am Ende wohl nicht bestimmen lassen wird. Aller1 Vgl. BFH v. 23.10.2002 – I R 39/01, BFH/NV 2003, 289; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, IStR 2000, 182; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; v. 29.9.1976 – I R 171/75, BStBl. II 1977, 259; v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513. In diesem Sinne auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.145; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1, 4 ff. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2008 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619 zum DBA-Schweiz. 3 Vgl. BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978 [Rz. 12]; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 [Rz. 14]; v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235 [Rz. 19]. Vgl. auch BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04, BStBl. II 2006, 118 [Rz. 27]; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.154. 4 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.147; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1, 9 ff. 5 So soll § 42 AO nur Anwendung finden, wenn auch der andere Vertragsstaat eine entsprechende innerstaatliche Missbrauchsvorschrift kenne: Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 79 (93 f.). Nach Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 57 f. (Stand: Januar 2008) kommt § 42 AO nur zur Anwendung, wenn insoweit zumindest stillschweigend auf deutsches Recht verwiesen wird. 6 Vgl. Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 571 (Stand: Juni 2009). So auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.148, der allerdings die Auffassung vertritt, dass diese Störung auf Grund der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung und der Gesetzesbestimmtheit hinzunehmen ist. 7 Vgl. z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 59 (Stand: Januar 2008). 8 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 190. Vgl. auch Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 90; Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 20 (Stand: März 2008).
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Art. 1 Rz. 98–99
Unter das Abkommen fallende Personen
dings sind innerstaatlichen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften in den Abkommenskontext einzupassen. Insbesondere sind die Vertragspartner nicht befugt, ohne weiteres die nach dem Abkommen vorgesehene Verteilung der Besteuerungsrechte auf Grundlage eines Missbrauchsverdiktes einseitig zu verändern; und zwar auch nicht mit dem Argument einer innerstaatlichen Zuordnungsentscheidung, indem nicht der tatsächlich verwirklichte, sondern ein fiktiver Sachverhalt der Besteuerung unterworfen wird. Letztlich greifen hier zumindest im Ergebnis ähnliche Erwägungen, wie sie für die Beurteilung eines Treaty override anzustellen sind (vgl. dazu Rz. 15 ff.) b) Basisgesellschaften 99
Rechtsprechungsentwicklung. Die Rspr. zur Anerkennung von ausländischen Kapitalgesellschaften hat in den letzten Jahren eine erhebliche Entwicklung vollzogen. In der älteren Rspr. hat der BFH die „Zwischenschaltung“ einer ausländischen Kapitalgesellschaft nur anerkannt, wenn für die Einschaltung dieser Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe bestanden und die Gesellschaft zudem eine eigene wirtschaftliche Aktivität entfaltet hat.1 Es bestehe eine tatsächliche Vermutung, dass dann, wenn für die Zwischenschaltung einer Gesellschaft in einem Niedrigsteuerland keine plausiblen Gründe angeführt werden können, hiermit eine Steuerumgehung beabsichtigt sei.2 Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe hat die Rspr. z.B. bejaht, wenn die ausländische Gesellschaft als Spitze oder zum Aufbau eines weltweit operierenden Konzerns3 oder dem Erwerb wirtschaftlich gewichtiger Beteiligungen im Basisstaat oder in Drittstaaten4 dienen sollte. Nicht beachtlich sind: Steuerersparnis, Sicherung von Vermögen in Krisenzeiten oder die Haftungsbegrenzung.5 In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, ob die Gesellschaft mit ausreichendem Eigenkapital ausgestattet oder von ihrem Gesellschafter fremdfinanziert wird.6 Eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn sich die Gesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt und nicht nur formal in die Einkünfterzielung einbezogen ist.7 Voraussetzung hierfür ist eine eigene ausreichende personelle und sachliche Ausstattung. Die zwischengeschaltete Gesellschaft muss selbst das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen.8 Eine Gesellschaft, die lediglich an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist und hier ausschließlich die Rechte eines Gesellschafters wahrnimmt (keine geschäftsleitende Holding), sollte danach keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfalten.9 Von dieser Sichtweise hat sich der BFH allerdings – zumindest innerhalb der EU – mit Urteilen v. 19.1.200010 bzw. v. 25.2.200411 (Dublin-Docks I bis III) sowie v. 31.5.200512 (Hilversum II) zum Teil gelöst. Ausgehend davon, dass die Rspr. des BFH es letztlich noch nie als Rechtsmissbrauch qualifiziert habe, wenn „ein Steuerpflichtiger – aus welchen Gründen auch immer – zwischen sich und einer Einkunftsquelle eine inländische Kapitalgesellschaft schaltet 1 Vgl. z.B. BFH v. 29.7.1976 – VIII R 41/74, BStBl. II 1977, 261; v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; v. 29.7.1976 – VIII R 55/72, BStBl. II 1977, 266; v. 29.7.1976 – VIII R 116/72, BStBl. II 1977, 268. 2 Vgl. BFH v. 2.6.1992 – VIII R 8/89, BFH/NV 1993, 416; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496. 3 Vgl. BFH v. 29.7.1976 – VIII R 41/74, BStBl. II 1977, 261. 4 Vgl. BFH v. 2.6.1992 – VIII R 8/98, BFH/NV 1993, 416; v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263. 6 Vgl. BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163. 7 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 439. 8 Vgl. BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163. 9 Vgl. BFH v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; v. 29.7.1976 – VIII R 55/72, BStBl. II 1977, 266. 10 Vgl. BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, IStR 2000, 182. 11 Vgl. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 12 Vgl. BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04, BStBl. II 2006, 118 mit Nichtanwendungserlass in Bezug auf die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG: BMF v. 30.1.2006 – IV B 1-S 2411-4/06, BStBl. I 2006, 166.
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 99–101 Art. 1
und alle sich hieraus ergebenden Konsequenzen zieht“,1 lasse es sich schwerlich rechtfertigen, die entsprechende Zwischenschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften innerhalb der EU als Missbrauch i.S. des § 42 Abs. 1 AO zu behandeln.2 Missbräuchlich könne die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft allenfalls dann sein, „wenn sie lediglich vorübergehend erfolgt und nur zu dem Zweck bestimmt ist, anderweitig drohenden steuerlichen Belastungen zu entgehen.“3 Entscheidend war nach Auffassung des BFH, dass die zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften innerhalb eines ansonsten wirtschaftlich aktiv tätigen Konzerns aus wirtschaftlichen Gründen und dauerhaft ausgegliedert worden waren. Seien diese Voraussetzungen gegeben, soll es für die steuerrechtliche Anerkennung unschädlich sein, wenn die Gesellschaften abgesehen von ihrer Geschäftsführung über kein Personal und auch über keine Geschäftsräume verfügten.4 Folgen der geänderten Rechtsprechung. Auf Grundlage der geänderten Rspr. ist 100 nunmehr klar, dass die Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft – wie im Inland letztlich auch – nur dann steuerlich nicht anzuerkennen ist, wenn diese ausschließlich steuerlich motiviert ist. Die „Zwischenschaltung“ einer ausländischen Kapitalgesellschaft ist vor diesem Hintergrund zumindest dann auch steuerrechtlich anzuerkennen, wenn die Gesellschaft auf Dauer angelegt ist und die wirtschaftlichen Folgen im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvermögen trägt. Das kann z.B. auch bei der Implementierung einer Zweckgesellschaft (single-purpose-Gesellschaft) gegeben sein. Die (formal verstandene) Ausstattung mit personeller und sachlicher Substanz (angestelltes Personal, gemietete Büroräume, Telekommunikationseinrichtungen) ist dagegen nicht entscheidend. Die Gesellschaft muss allerdings in die Lage versetzt sein, die nach ihrem Gesellschaftszweck auszuübenden Funktionen auch tatsächlich wahrzunehmen. Dazu können die Berufung eines handlungsfähigen Geschäftsführers (personelle Ausstattung) sowie die Mitnutzung von Büroräumen einer anderen Konzerngesellschaft (sachliche Ausstattung) ausreichen. Praktisch dürften von dem Verdikt des § 42 AO nur echte Briefkastenkonstruktionen erfasst werden. Dies betrifft die Implementierung einer substanz- und wirtschaftlich funktionslosen Gesellschaft im Ausland, insbesondere dann, wenn die Beteiligten ansonsten weder persönliche noch wirtschaftliche Anknüpfungspunkte zu dem Staat der Zwischengesellschaft haben. Richtigerweise verlagert sich somit die Diskussion weg von der letztlich konturlosen grundsätzlichen Nichtanerkennung ausländischer Kapitalgesellschaften im Rahmen des § 42 AO (Basisgesellschaften) zur Anwendung spezieller Vorschriften zur Missbrauchsvermeidung (insbesondere § 50d Abs. 3 EStG) bzw. zur Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG). Im Ergebnis dürfte auch die Finanzverwaltung dies akzeptiert haben. Der zur Entscheidung v. 31.5.2005 ergangene Nichtanwendungserlass argumentiert ausschließlich auf Grundlage des § 50d EStG.5 3. Spezielle Vorschriften zu Missbrauchsvermeidung Diverse innerstaatliche Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung. Der deutsche 101 Gesetzgeber hat inzwischen eine Vielzahl an speziellen Vorschriften zur Vermeidung von missbräuchlichen Gestaltungen im Abkommensrecht in das innerstaatliche Steuerrecht aufgenommen. Nachfolgend soll hier lediglich ein Überblick gegeben
1 So BFH v. 23.10.1996 – I R 55/95, BStBl. II 1998, 90; vgl. auch BFH v. 15.10.1998 – III R 75/97, BStBl. II 1999, 119. Zu der Frage des Gestaltungsmissbrauch in rein deutschen Sachverhalten vgl. z.B. Jehke, DStR 2010, 677. 2 Vgl. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14 [Rz. 24]. Anders noch z.B. im Verhältnis zur Schweiz: BFH v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339: Die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung sei dadurch gerechtfertigt, dass durch die Einschaltung einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland eine Steuerersparnis erstrebt wird, die in der Regel endgültig ist. Durch die Einschaltung einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft werde dagegen die Besteuerung in der Regel nur hinausgeschoben. 3 Vgl. BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14 [Rz. 25]. 4 Vgl. BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04, BStBl. II 2006, 118 [Rz. 30]; v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 5 Vgl. BMF v. 30.1.2006 – IV B 1-S 2411-4/06, BStBl. I 2006, 166.
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Art. 1 Rz. 101–103
Unter das Abkommen fallende Personen
werden. Hinsichtlich der Einzelheiten ist auf die steuerrechtliche Spezialliteratur zu verweisen. a) § 50d Absatz 3 EStG Ausgewählte Literatur: Dorfmüller, Die aktive Beteiligungsverwaltung – Eine kritische Analyse der Erfordernisse des BMF-Schreibens zu § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 423; Fischer/Dorfmüller, Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften nach § 50d Abs. 3 EStG, Ubg 2012, 162; Gebhardt/Moser, Zur Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG im Kontext des neuen DBA-Niederlande – Hilversum II reloaded?, IStR 2012, 607; Kraft/Gebhardt, Ist die Treaty Shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG de lege ferenda unions- und abkommensrechtskompatibel?, DB 2012, 80; Lehner, Treaty override im Anwendungsbereich des § 50d EStG, IStR 2012, 389; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 24.1.2012: Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG), IStR, 2012, 148; Lüdicke, Der missratene § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 81; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 23.5.2012 […]: Entlastungsberichtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG); Entscheidung des EuGH zu Streubesitzdividenden vom 20.10.2011 (C-284/09), IStR 2012, 540; Maerz/Guter, Die Neufassung des § 50d Abs. 3 EStG, IWB 2011, 923; Musil, § 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte? FR 2012, 149; Richter, Substanzanfordernisse für ausländische Holding- und Zweckgesellschaften, BB 2012, 1643; Schönfeld, Missbrauchsvermeidung und Sondervergünstigungen im Lichte des Europarechts, IStR 2012, 215; Wiese, Entlastung ausländischer Gesellschaften von deutscher Quellensteuer, GmbHR 2012, 376.
102
Allgemeines. Die Finanzverwaltung hat zu § 50d Abs. 3 mit Schr. v. 24.1.2012 ausführlich Stellung genommen.1 § 50d Abs. 3 EStG soll missbräuchlichen Gestaltungen in Bezug auf die Vermeidung deutscher Quellensteuern entgegensteuern. Insbesondere soll verhindert werden, dass Steuerpflichtige, denen eine Entlastung von deutschen Quellensteuern nach einem DBA oder §§ 43b, 50g EStG nicht zustehen würde, diese Entlastung durch die Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft erreichen können. Dabei werden die Grundsätze der ursprünglichen Rspr. zu den Basisgesellschaften aufgenommen. Anders als bei einer Basisgesellschaft wird die ausländische Gesellschaft allerdings dem Grunde nach anerkannt; ihr wird „nur“ die Quellensteuerentlastung verwehrt. Ausgenommen aus dem Anwendungsbereich von § 50d Abs. 3 EStG sind ausländische börsennotierte Gesellschaften sowie Gesellschaften, die unter das InvStG fallen (§ 50d Abs. 3 Satz 5 EStG).
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Tatbestandsvoraussetzungen. Die Entlastung von deutschen Quellensteuern wird nach § 50d Abs. 3 EStG einer ausländischen Gesellschaft versagt, wenn weder eine persönliche noch eine sachliche Entlastungsberechtigung vorliegt. Die persönliche Entlastungsberechtigung ist nicht gegeben, soweit an der Gesellschaft Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten. Hier kann es also auch zu einer teilweisen Versagung der Entlastung kommen. Die sachliche Entlastungsberechtigung fehlt, soweit (1) die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen und (2) in Bezug auf die nicht eigenwirtschaftlichen Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb im allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt oder (3) § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG Anwendung findet. Positiv formuliert ist eine vollständige Entlastung von Quellensteuern im Rahmen des § 50d Abs. 3 EStG damit in folgenden Fällen gegeben:2 – An der ausländischen Kapitalgesellschaft sind ausschließlich Personen beteiligt, denen die Entlastungsberechtigung selbst zustehen würde oder – die ausländische Kapitalgesellschaft erzielt ausschließlich Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit oder
1 Vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 – S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171. 2 Vgl. Loschelder in Schmidt32, § 50d EStG Rz. 47. Zu einzelnen Fallgruppen vgl.: Systematik Rz. 173 und 174.
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 103–106 Art. 1
– es liegen in Bezug auf die schädlichen Bruttoerträge wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft vor und die Gesellschaft nimmt mit einem für ihren Geschäftszeck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil oder – die ausländische Gesellschaft ist börsennotiert oder unterliegt dem InvStG. Vereinbarkeit mit EU-Recht sowie Abkommens- und EU-Rechtmäßigkeit. § 50d 104 Abs. 3 EStG ist eine spezielle Vorschrift zur Vermeidung des Missbrauchs von Quellensteuerfreistellungen bzw. -ermäßigungen auf Grundlage von DBA bzw. europarechtlicher Vorgaben (insbesondere der Mutter-/Tochter-Richtlinie). Der Steuerpflichtige soll sich nicht auf eine in einem entsprechenden DBA oder einer EU-RL vorgesehene Quellensteuerreduzierung berufen können, wenn er die entsprechenden Voraussetzungen nur durch Zwischenschaltung einer im Übrigen funktionslosen Gesellschaft erfüllt. Die Vorschrift stellt somit dem Grunde nach ein Treaty- bzw. Directive-Overriding dar. Damit stellt sich zunächst einmal die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 3 EStG (vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Treaty overrides Rz. 15 ff.). Dem Grunde nach ist eine Vorschrift, die wie § 50d Abs. 3 EStG missbräuchliche Gestaltungen zur Erlangung von Quellensteuerfreistellungen oder -ermäßigungen bekämpfen soll, europarechtlich zulässig. Insbesondere sieht die Mutter-/Tochter-Richtlinie ausdrücklich innerstaatliche Missbrauchsregelungen vor. Allerdings können unionsrechtlich dem Grunde nach nur gänzlich funktionslose „Briefkästen“ unbeachtlich bleiben. Zumindest muss dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines Gegenbeweises im Einzelfall offen stehen (vgl. zu den einzelnen, bedenklichen Konstellationen: Systematik Rz. 173 f.). b) § 50d Absatz 8 EStG Steuerfreie Lohneinkünfte unbeschränkt Steuerpflichtiger. § 50d Abs. 8 EStG be- 105 trifft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger erzielt. Für diese wird die DBA-Freistellung nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Es handelt sich somit um eine innerstaatliche Rückfallklausel/subjekt-to-tax-Klausel. Auch zu § 50d Abs. 8 EStG hat die deutsche Finanzverwaltung ausführlich Stellung genommen.1 Nur kurz sei auf Folgendes hingewiesen: Der Nachweis der Zahlung der festgesetzten Steuern ist grundsätzlich durch Vorlage des Steuerbescheids der ausländischen Behörde sowie – nach Auffassung der Finanzverwaltung – eines Zahlungsbelegs (Überweisungs- bzw. Einzahlungsbeleg der Bank oder der Finanzbehörde) zu erbringen. Ausnahmsweise soll eine hinreichend bestimmte Bescheinigung des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Arbeitgebers ausreichend sein.2 Der Verzicht des ausländischen Staates auf das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht ist ebenfalls von dem Steuerpflichtigen nachzuweisen. Dies gilt naturgemäß nur, wenn der Verzicht des ausländischen Staates nicht ohnehin feststeht.3 Bis auf weiteres ist nach Auffassung der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Einkommensteuer auch ohne das Erbringen von Nachweisen zu gewähren, wenn der maßgebende, nach deutschem Recht ermittelte Arbeitslohn in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt nicht mehr EUR 10 000 beträgt.4 Der BFH hat dem BVerfG inzwischen die Frage vorgelegt, ob § 50d Abs. 8 EStG als sog. Treaty override verfassungswidrig ist5 (vgl zum Treaty override auch ausführlich Rz. 15 ff.). Verhältnis zu § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG. Hat der ausländische Staat auf das Besteue- 106 rungsrecht verzichtet (etwa indem die entsprechenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht in den Katalog der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte auf1 2 3 4 5
Vgl. BMF v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411-2/05, BStBl. I 2005, 821. Vgl. BMF v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411-2/05, BStBl. I 2005, 821 Rz. 2.1.2. Vgl. BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, BFH/NV 2012, 682 [Rz. 12]. Vgl. BMF v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411-2/05, BStBl. I 2005, 821 Rz. 4.2. Vgl. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056.
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Art. 1 Rz. 106–108
Unter das Abkommen fallende Personen
genommen worden sind), so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zu § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG. Der BFH hat hierzu entschieden, dass § 50d Abs. 8 EStG gegenüber § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG die speziellere Vorschrift ist und diese damit verdrängt.1 Dies entsprach auch bisher der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung.2 Für die in den o.g. BFH-Verfahren streitigen Einkünfte des in Deutschland ansässigen Flugpersonals irischer Fluggesellschaften hat dieser Streit ab dem Veranlagungszeitraum 2011 auf Grund einer Änderung des irischen innerstaatlichen Steuerrechts an Bedeutung verloren.3 Im Übrigen wendet die Finanzverwaltung dieses Urt. über den Einzelfall hinaus nicht an.4 Derzeit wird diskutiert, eine entsprechende Nichtanwendungsregelung in § 50d EStG aufzunehmen.5 c) § 50d Absatz 9 Nr. 1 EStG 107
Nach § 50 Abs. 9 Nr. 1 EStG wird die in einem Abkommen vorgesehene Freistellung ausländischer Einkünfte nicht gewährt, wenn der andere Staat das DBA so anwendet, dass die Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz besteuert werden können. Umfasst von § 50 Abs. 9 Nr. 1 EStG sind nur in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtige. Die Nichtbesteuerung bzw. die begrenzte Besteuerung muss auf der Anwendung von „Bestimmungen des Abkommens“ beruhen. Unschädlich ist es somit, wenn die Nichtbesteuerung bzw. die begrenzte Besteuerung auf innerstaatlichen Vorschriften des anderen Staates beruht.6 d) § 50d Absatz 9 Nr. 2 EStG
108
Nach dieser Vorschrift scheidet eine dem Grunde nach durch ein DBA angeordnete Freistellung aus, wenn die Einkünfte in dem anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Im Gegensatz zu § 50d Abs. 9 Nr. 1 EStG behandelt § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG also nicht die unterschiedliche Auslegung des DBA. Geregelt wird der Fall, in dem das Besteuerungsrecht nach übereinstimmender Einschätzung dem anderen Staat zugewiesen wird, dieser das Besteuerungsrecht jedoch nach innerstaatlichem Recht nicht ausübt. Dabei reicht allerdings nicht jede Nichtbesteuerung aus. Die Nichtbesteuerung muss vielmehr in der (nur) beschränkten Steuerpflicht der einkünfteerzielenden Person begründet sein; es muss also in Bezug auf die konkret zu beurteilenden Einkünfte eine Besserstellung dieser Person im Verhältnis zu den in dem jeweiligen Staat unbeschränkt Steuerpflichtigen gegeben sein. Sind bestimmte Einkünfte bereits nach allgemein geltenden Regelungen in dem jeweiligen Staat nicht steuerbar oder steuerpflichtig, so sind die Voraussetzungen von § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG nicht erfüllt. § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG gilt im Übrigen nicht für Dividenden, die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, es sei denn, die Dividenden sind bei der Ermittlung des Gewinns der ausschüttenden Gesellschaften abgezogen worden (§ 50d Abs. 9 Satz 2 EStG). e) § 50d Absatz 10 EStG Ausgewählte Literatur: Häck, Zur Auslegung des § 50d Abs. 10 EStG durch den BFH, IStR 2011, 71; Kammeter, § 50d EStG in der Fassung des JStG 2009 und Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, BFH/NV 2012, 682 [Rz. 13]. Vgl. nur Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 41 f. m.w.N. Vgl. BMF v. 5.12.2012 – IV B 2 – S 2411/10/10003, BStBl. I 2012, 1248. Vgl. OFD Frankfurt v. 18.12.2012 – S 1301 A IE.04-St 56, n.v. Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum JStG 2013 v. 13.12.2012, BT Drucks. 17/11844, 6. Vgl. zur Diskussion auch: Sedemund/Hegner, IStR 2012, 315; Möhrle/ Groschke, IStR 2012, 610; Sedemund, IStR 2011, 613 sowie zum Gesetzgebungsverfahren die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. 6 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 [Rz. 29]; v. 5.3.2008 – I R 54, 55/07, BFH/NV 2008, 1479 [Rz. 22]. Das gilt auch, wenn die Nichtbesteuerung auf einem Vollzugsdefizit beruht: FG Münster v. 16.2.2009 – 9 K 463/04 K, F, EFG 2009, 1222 (rkr.).
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 109–111 Art. 1
S. 1 Nr. 2 EStG, IStR 2011, 35; Mitschke, Abkommensrechtliche Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG 2002 n.F., FR 2011, 182; Pohl, Abkommensrechtliche Sondervergütungsregelungen im Lichte aktueller Rechtsprechung, IWB 2012, 120, Wassemeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85.
Regelung zu Sondervergütungen. Hintergrund des § 50d Abs. 10 EStG ist, dass Son- 109 dervergütungen nach Auffassung des BFH1 abkommensrechtlich auf Grund des Spezialitätenvorrangs zu den speziell geregelten Einkunftsarten zugehören und nicht ohne weiteres den Unternehmenseinkünften des Art. 7 zuzurechnen sind (vgl. Rz. 79). § 50d Abs. 10 EStG stellt den Versuch dar, die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung gesetzlich festzuschreiben. Vom Regelungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG umfasst werden sowohl Sondervergütungen, die ein unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter von seiner ausländischen Personengesellschaft erhält als auch Sondervergütungen, die ein beschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter von seiner inländischen Personengesellschaft erhält. Voraussetzung ist allerdings, dass das konkret anzuwendende Abkommen keine ausdrückliche Bestimmung hinsichtlich derartiger Vergütungen enthält. Rechtsfolge des § 50d Abs. 10 EStG ist, dass diese Vergütungen für Zwecke des Abkommens ausschließlich als Unternehmensgewinne gelten. Insoweit enthält § 50d Abs. 10 EStG also eine gesetzliche Fiktion. Diese soll rückwirkend in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen gelten (§ 52 Abs. 59a Satz 8 EStG). Der BFH hat allerdings inzwischen mehrfach entschieden, dass § 50d Abs. 10 EStG ins Leere geht, weil zwar ggf eine (Um)Qualifikation der Sondervergütungen in Unternehmensgewinne erfolge, die Betriebsstättenzurechnung hiervon aber nicht betroffen sei. Diese sei abkommensautonom und unabhängig vom innerstaatlichen Recht vorzunehmen.2 Auch hier bestehen Tendenzen, die Regelung neu zu fassen.3 f) § 20 Absatz 2 AStG Allgemeines. § 20 Abs. 2 AStG ordnet an, dass niedrig besteuerte Einkünfte aus 110 passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 und 3 AStG) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, in Deutschland auch dann nicht von der Besteuerung freizustellen sind, wenn das entsprechende Abkommen eine solche Freistellung vorsieht (z.B. weil in dem entsprechenden Abkommen kein Aktivitätsvorbehalt enthalten ist). In diesem Fall ist die Doppelbesteuerung vielmehr durch die Anrechnung der hierauf gezahlten ausländischen Steuern zu vermeiden (Switch-Over-Klausel). § 20 Abs. 2 AStG ist also dann nicht einschlägig, wenn die in einer ausländischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte bereits nach dem konkret anzuwendenden Einzelabkommen nicht freizustellen sind, etwa weil die Voraussetzungen eines dort enthaltenen Aktivitätsvorbehaltes nicht gegeben sind. Tatbestandsvoraussetzungen. Regelungstechnisch stellt der insoweit verunglück- 111 te § 20 Abs. 2 AStG die ausländische Betriebsstätte zunächst einer ausländischen Kapitalgesellschaft gleich. Die Freistellung der aus der Betriebsstätte erzielten Einkünfte ist ausgeschlossen, wenn die betreffenden Einkünfte unter Berücksichtigung dieser Annahme als Zwischeneinkünfte nach §§ 7–14 AStG steuerpflichtig wären. Wegen des Verweises auf die §§ 7–14 AStG ist § 20 Abs. 2 AStG zunächst einmal nur erfüllt, wenn unbeschränkt Steuerpflichtige „zu mehr als der Hälfte“ an der Betriebsstätte beteiligt sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AStG). Das ist immer dann der Fall, wenn ein inländisches Stammhaus eine ausländische Betriebsstätte unterhält (100 %-Beteiligung). Wird die ausländische Betriebsstätte durch eine Personalgesellschaft vermittelt, können Zwischeneinkünfte nur vorliegen, wenn am Ende des Wirtschaftsjahres der Personengesellschaft, in dem die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG 1 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556 [Rz. 13] zum DBA-USA 1989; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 [Rz. 12] zum DBA-USA 1989; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 [Rz. 12 ff.] zum DBA-USA 1989. 2 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 [Rz. 18 ff.]; v. 8.11.2010 – I R 106/09, BFH/NV 2011, 365 [Rz. 13]. Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 45. 3 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum JStG 2013 v. 13.12.2012, BT Drucks. 17/11844, 6 sowie zum Gesetzgebungsverfahren die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42.
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Art. 1 Rz. 111–113
Unter das Abkommen fallende Personen
bezogen wurden (maßgebendes Wirtschaftsjahr), mehr als 50 % der Anteile oder der Stimmrechte an der Personengesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 AStG).1 Auf die Beteiligung des einzelnen Steuerpflichtigen kommt es nicht an. § 20 Abs. 2 AStG ist also auch dann einschlägig, wenn ein Steuerpflichtiger z.B. zu 0,5 % am Vermögen einer ausländischen Personengesellschaft beteiligt ist, sofern nur insgesamt mehr als die Hälfte der Beteiligung am Vermögen von Steuerinländern gehalten wird. Werden in der ausländischen Betriebsstätte Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielt, so ist § 7 Abs. 6 AStG zu beachten. Hier reicht also eine Beteiligung von 1 % an der Personengesellschaft aus. Weitere Voraussetzung ist, dass in der ausländischen Betriebstätte niedrig besteuerte Zwischeneinkünfte erzielt werden. Wann eine Niedrigbesteuerung vorliegt, ist in § 8 Abs. 3 AStG geregelt (Steuerbelastung von weniger als 25 %). Das kann dann problematisch sein, wenn die Betriebsstätteneinkünfte natürlichen Personen zuzurechnen sind, weil diese häufig im Ausland nach einem progressiven Tarif besteuert werden. Zwischeneinkünfte sind auf Grund des in § 20 Abs. 2 AStG enthaltenen Verweises sämtliche Einkünfte mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 AStG genannten. Da der dort enthaltene Katalog auf selbständige Kapitalgesellschaften und die ihnen nahestehenden Personen ausgerichtet ist, passt dieser auf Betriebsstätteneinkünfte z.T. nicht oder nur eingeschränkt.2 Eine Sonderregelung haben Dienstleistungen, für die sich die Gesellschaft eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters oder einer dem Gesellschafter nahestehenden Person bedient, erfahren (§ 8 Abs. 5 Buchst. a AStG). Diese sind nach § 20 Abs. 2 Satz 3 AStG ausdrücklich aus dem Katalog der schädlichen passiven Einkünfte ausgenommen. 112
Vereinbarkeit mit EU-Recht. Der von § 20 Abs. 2 AStG angeordnete Wechsel von der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode hin zur Anrechnungsmethode ist – so der EuGH ausdrücklich zu § 20 Abs. 2 AStG in der Rs. Columbus Container Services – mit dem EU-Recht vereinbar.3 Wie der BFH in dem hierzu ergangenen Schlussurteil entschieden hat, ist damit allerdings die unionsrechtliche Problematik des § 20 Abs. 2 AStG noch nicht erschöpft: Zumindest solange § 20 Abs. 2 AStG den Übergang zur Anrechnungsmethode von einer konkreten (fiktiven) Steuerpflicht gem. § 7 ff. AStG – als Rechtsgrundverweisung – abhängig mache, müsse im Lichte der Niederlassungsfreiheit dem Steuerpflichtigen der Gegenbeweis in Bezug auf den Missbrauchsvorwurf („Motivtest“) möglich sein.4 Damit hat sich der BFH einer in weiten Teilen des Schrifttums vertretenen Auffassung angeschlossen.5 Auf dieser Grundlage geht auch der nunmehr in § 20 Abs. 2 AStG enthaltene Einschub „ungeachtet des § 8 Abs. 2“ ins Leere.6 g) Hinzurechnungsbesteuerung
113
Grundsätze. Mit der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 bis 14 AStG hat der Gesetzgeber insbesondere auch auf die Einschaltung von Kapitalgesellschaften im niedrigbesteuernden Ausland (sog. Basisgesellschaften) reagiert. Als Basisgesellschaften sind solche ausländischen Körperschaften anzusehen, die keiner aktiv werbenden Geschäftstätigkeit nachgehen und ihr Einkommen im Sitz bzw. Geschäftsleitungsstaat nicht oder nur gering versteuern. Vorbehaltlich der Annahme von Treuhandgestaltungen (§ 39 AO) bzw. Scheingeschäften (§ 41 AO) sowie einer Anwendung von § 42 AO (zu Basisgesellschaften vgl. Rz. 99 f.), sind diese Körperschaften als eigene Steuersubjekte zu behandeln und schirmen im Grundsatz hinsichtlich der im Ausland verwirklichten Tatbestände vor dem deutschen Steuerzugriff ab. Die deutsche Hinzurechnungs1 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774 [Rz. 20]; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 123 [Stand: Juli 2011]. 2 Vgl. dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 125 ff. [Stand: Juli 2011]. 3 Vgl. EuGH v. 6.12.2007 – C-298/05 – Columbus Container Services, BFH/NV 2008, Beilage 2, 100; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, 2009, 24 f. 4 Vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774 [Rz. 25 ff.]. 5 Vgl. die Nachweise in BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774 [Rz. 24]. 6 Vgl. dazu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 152 ff. [Stand: Juli 2011].
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C. Missbrauch von DBA
Rz. 113–115 Art. 1
besteuerung erkennt die Existenz der ausländischen Gesellschaft als solche dem Grunde nach an und greift für die Besteuerung auf deren in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter in Form einer fiktiv angenommenen Dividendenerzielung zu. Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt also nur dann zur Anwendung, wenn das Vermögen und das Einkommen der Kapitalgesellschaft dieser nach allgemeinen Grundsätzen zuzurechnen ist. Im Verhältnis zu § 42 AO bedeutet dies, dass die Frage eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten vor der Hinzurechnungsbesteuerung zu prüfen ist; der Anwendungsbereich von § 42 AO wird umgekehrt allerdings wieder eingeschränkt, als dass die Vorschrift am Gesetzeszweck der §§ 7 ff. AStG zu messen ist.1 Hieran hat sich auch durch § 42 Abs. 2 AO nichts geändert.2 Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung. Die Hinzurechnungsbesteuerung 114 nach §§ 7–14 AStG setzt voraus, dass an einer ausländischen Körperschaft zu mehr als die Hälfte Gesellschafter beteiligt sind, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind, und diese Körperschaft Zwischengesellschaft für die von ihr erzielten Einkünfte ist (§ 7 Abs. 1 AStG). Zwischengesellschaft ist eine ausländische Gesellschaft für Einkünfte, die im Ausland einer niedrigen Besteuerung gem. § 8 Abs. 3 AStG (Steuerbelastung unter 25 %) unterliegen und die nicht in dem Katalog des § 8 Abs. 1 AStG ausdrücklich als aktiv genannt sind. Eine Ausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung wird in § 8 Abs. 2 AStG für Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in der EU oder einem EWR-Staat gemacht. Hier scheidet eine Hinzurechnungsbesteuerung aus, wenn die unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter nachweisen, dass die Gesellschaft insoweit einer „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat“ nachgeht. Hintergrund des § 8 Abs. 2 AStG ist die Cadbury Schweppes-Entscheidung,3 in der der EuGH die britischen CFC-Regelungen für europarechtswidrig erachtet hat: Es laufe der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) zuwider, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedsstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einer Niedrigbesteuerung in dem anderen Mitgliedsstaat unterliegen. Eine solche Maßnahme sei nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn dies rein künstliche Gestaltungen betreffe, die dazu bestimmt seien, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Ein steuerlicher Durchgriff scheidet daher aus, wenn die beherrschte Gesellschaft tatsächlich im Aufnahmemitgliedsstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht. Die deutsche Finanzverwaltung reagierte auf diese Entscheidung für das deutsche Recht zunächst mit dem BMF-Schr. v. 8.1.2007.4 Mit dem JStG 2008 wurde schließlich § 8 Abs. 2 AStG eingeführt. Darüber hinaus gilt: Sofern die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter ist, kommt eine Hinzurechnungsbesteuerung schon in Betracht, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger an der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt ist (§ 7 Abs. 6 Satz 1 AStG). Die Hinzurechnungsbesteuerung greift auch für nachgeschaltete Zwischengesellschaften (vgl. § 14 AStG). Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung. Sind die Voraussetzungen der Hin- 115 zurechnungsbesteuerung erfüllt, so sind die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag) und gehören bei diesen zu den Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Sie gelten unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), auf einen tatsächlichen Zufluss oder die Möglichkeit, einen solchen herbeizuführen, kommt es nicht an. Auf den Hinzurechnungsbetrag sind die Vorschriften des sog. Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG), der besondere Steuersatz nach § 32d EStG sowie § 8b Abs. 1 KStG nicht anzuwenden (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Der Steu-
1 Vgl. BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222 [Rz. 16 ff.]; v. 19.1.2000 – I R 117/97, IStR 2000, 182. 2 Vgl. BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50 [Rz. 24]. 3 Vgl. EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, BFH/NV 2007 Beilage 4, 365. 4 BMF v. 8.1.2007 – IV B 4 – S 1351/1/07, BStBl. I 2007, 99.
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Art. 1 Rz. 115–122
Unter das Abkommen fallende Personen
erpflichtige kann sich insoweit auch nicht auf ein DBA berufen. Die Vorschriften der §§ 7 bis 18 AStG werden durch die Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht berührt (§ 20 Abs. 1 AStG). Die Hinzurechnung ist auf Gewinne beschränkt. Eine Hinzurechnung von Verlusten erfolgt nicht (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 5 AStG).
D. Deutsches Muster-DBA 116
Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 117
Art. 1 DBA-Belgien. Art. 1 DBA-Belgien entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen
118
Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 119
Art. 1 DBA-China. Art. 1 DBA-China entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen
120
Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 121
Weitergehender Formulierung. Art. 1 DBA-Frankreich unterscheidet sich von Art. 1 OECD-MA insoweit, als dass im Art. 1 DBA-Frankreich der Zweck des Abkommens ausdrücklich definiert ist. Durch das Abkommen soll vermieden werden, dass die in einem Vertragsstaat ansässigen Personen doppelt zu Steuern herangezogen werden, die nach dem Rechte dieser Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Departments, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden (Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich). Damit bestimmt Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich auch zugleich den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens, der im OECD-MA Gegenstand des Art. 2 ist. Der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens wird zudem in Art. 1 Abs. 2 und 3 DBA-Frankreich weiter konkretisiert. Der persönliche Anwendungsbereich des Abkommens wird in Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich ebenfalls bestimmt, indem die Doppelbesteuerung für die „in einem Vertragsstaat ansässigen Personen“ vermieden werden soll. 2. Konsequenzen
122
Keine inhaltlichen Abweichungen in der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs. Inhaltlich ergeben sich aus Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich im Vergleich zu Art. 1 OECD-MA keine Abweichungen. Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich stellt insoweit ebenfalls auf die Person und deren Ansässigkeit in einem Vertragsstaat ab, ohne 174
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E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 122–131 Art. 1
die Begriffe „Person“ und „Ansässigkeit“ zu definieren. Auch hier ist somit auf die weiteren Regelungen im Abkommen bzw. das innerstaatliche Verständnis der Vertragspartner zurückzugreifen. Wenn Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich nur auf die in einem Vertragsstaat ansässigen Personen abstellt und nicht – wie das OECD-MA – auch die in beiden Vertragsstaaten ansässigen Personen ausdrücklich in den persönlichen Anwendungsbereich einbezieht, so ist darin ebenfalls keine inhaltliche Abweichung zum OECD-MA zu sehen. Dass das DBA-Frankreich auch für diese Personen gilt, ist selbstverständlich.1 Konsequenterweise werden die Fälle der Doppelansässigkeit auch in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Frankreich gem. den auch im OECD-MA enthaltenen Regelungen aufgelöst.
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Großbritannien. Art. 1 DBA-Großbritannien entspricht Art. 1 OECD- 123 MA. 2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
124
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 125
Art. 1 DBA-Indien. Art. 1 DBA-Indien entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
126
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 127
Art. 1 DBA-Italien. Art. 1 DBA-Italien entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
128
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 129
Art. 1 DBA-Japan. Art. 1 DBA-Japan entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
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VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 131
Art. 1 DBA-Kanda. Art. 1 DBA-Kanada entspricht Art. 1 OECD-MA.
1 Kramer in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Frankreich Rz. 4 (Stand: Oktober 2002).
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Art. 1 Rz. 132–139
Unter das Abkommen fallende Personen
2. Konsequenzen 132
Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
IX. Luxemburg1 1. Abweichungen zum OECD-MA 133
Art. 1 DBA-Luxmburg 2012. Art. 1 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 1 OECDMA. 2. Konsequenzen
134
Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
X. Niederlande2 1. Abweichungen zum OECD-MA 135
Art. 1 DBA-Niederlande 2012. Art. 1 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen
136
Hinzuweisen ist darauf, dass in Abschn. I Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Niederlande 2012 eine besondere Regelung zu Personen enthalten ist, die aus Sicht des einen Staates steuerlich transparent sind, deren Einkünfte aber im Sinne der Steuergesetze des Sitzstaates wie Einkünfte oder Gewinne einer ansässigen Person behandelt werden. In diesem Fall folgt das Abkommensrecht der Behandlung durch den Sitzstaat. In anderen Fällen subjektiver Qualifikationskonflikte suchen die Behörden der Vertragsstaaten im Rahmen des Art. 25 DBA-Niederlande 2012 nach Lösungen, um eine Doppelbesteuerung bzw. eine nicht dem Abkommen entsprechende Besteuerung zu vermeiden. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass Einkünfte (teilweise) nicht der Besteuerung unterliegen.3
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 137
Art. 1 DBA-Österreich. Art. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen
138
Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 139
Art. 1 DBA-Russland. Art. 1 DBA-Russland entspricht Art. 1 OECD-MA.
1 Im Zeitpunkt der Drucklegung lag nur die unterzeichnete, aber noch nicht ratifizierte Fassung des neuen DBA mit Luxemburg vor. 2 Im Zeitpunkt der Drucklegung lag nur die unterzeichnete, aber noch nicht ratifizierte Fassung des neuen DBA mit den Niederlanden vor. 3 Vgl. Spierts/Stevens, IWB 2012, 322. Zur Umsetzung deutscher Innerstaatlicher Anti-Missbrauchsregelungen: Prang/Willkommen, IWB, 2012, 337.
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E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 140–145 Art. 1
2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu 140 Art. 3 und 4 verwiesen. Es sind insbesondere die besonderen Regelungen zur Ansässigkeit in Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz zu beachten.
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 141
Art. 1 DBA-Schweiz. Art. 1 DBA-Schweiz entspricht Art. 1 OECD-MA. 2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
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XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 1 OECD-MA.
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2. Konsequenzen Keine. Hinsichtlich etwaiger Sonderregelungen wird auf die Kommentierung zu Art. 3 und 4 verwiesen.
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XV. USA Ausgewählte Literatur: Bahns/Keuthen, Behandlung im Entlastungsverfahren nach § 50d EStG – Reichweite des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, IStR 2010, 750; Endres/Wolff, Musterfälle zum revidierten deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2006, 721; F. Jacob, Das revidierte DBA-USA (Teil II), IStR 2011, 98; Schönfeld, Der neue Artikel 1 DBA-USA – Hinzurechnungsbesteuerung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften steuerlich transparenter Rechtsträger, IStR 2007, 274; Wolff/Eimermann, Neuerungen im DBA-USA, Änderungsprotokoll vom 1. Juni 2006 zum DBA-USA 1989 und dem Protokoll dazu, IStR 2006, 837.
1. Abweichungen zum OECD-MA Weitergehender Formulierung. Art. 1 Abs. 1 DBA-USA stimmt in der Formulie- 145 rung weitgehend mit Art. 1 OECD-MA überein. Im Text des DBA-USA ist lediglich der Einschub – „soweit es [das Abkommen] nichts anders vorsieht“ – enthalten. Dies ist aber eine Selbstverständlichkeit. Zusätzlich sind in Art. 1 DBA-USA aber in den Absätzen 2 bis 7 diverse Regelungen enthalten, die über das OECD-MA hinausgehen. Art. 1 Abs. 2 DBA-USA bestimmt, dass das Abkommen Steuerbefreiungen und -ermäßigungen, Freibeträge oder Steuerabzugsbeträge oder andere Vergünstigungen nicht einschränkt. Damit wird lediglich der allgemeine Grundsatz klargestellt, dass ein DBA die nach innerstaatlichem Steuerrecht bestehenden Besteuerungstatbestände nicht erweitert bzw. keine neuen begründet.1 Art. 1 Abs. 3 DBA-USA enthält unter Buchst. a den Vorrang des in Art. 25 DBA-USA geregelten Verständigungsverfahren vor weiteren Instrumentarien zur Streitschlichtung. Buchst. b definiert – sehr weitgehend – die Maßnahmen, die dem Verständigungsverfahren unterliegen. Art. 1 Abs. 4 und 5 DBA-USA enthalten eine Einschränkung des Abkommensschutzes für US-Steuerbürger (Abs. 4) bzw. bestimmte Ausnahmen hiervon (Abs. 5). Aufgrund dieser Saving Clause sind die USA berechtigt, ihre Gebietsansässigen und Staatsangehörigen weitgehend ungeachtet des Abkommens nach allgemeinen Regeln zu besteuern. Vergleichbares gilt für ehemalige Staatsbürger oder langfristige Aufenthaltsberechtigte der Vereinigten Staaten für einen Zeitraum von 10 Jahren nach dem Verlust dieses Status (Art. 1 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA). Eine entsprechende Ausnahmeregelung aus deutscher Sicht besteht nicht; diese würde auch weitgehend leerlaufen, weil das deutsche Steuerrecht für die Besteuerung nur in sehr 1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 10 und 71 (Stand: Mai 2011).
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Art. 1 Rz. 145–146
Unter das Abkommen fallende Personen
eingeschränkten Ausnahmefällen auf die Staatsangehörigkeit abstellt (z.B. für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG). Umgekehrt ist in Art. 1 Abs. 6 DBA-USA aber bestimmt, dass das Abkommen eine Anwendung der §§ 7 bis 14, 15 und 20 des deutschen Außensteuergesetzes nicht entgegensteht. Eintretende Doppelbesteuerungen sind ggf. in einem Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-USA aufzulösen. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthält schließlich eine Sonderregelung für transparente Rechtsgebilde. Danach gelten die Einkünfte, die ein Rechtsgebilde erzielt, das in einem Vertragsstaat (dem Quellenstaat) steuerlich transparent ist, als Einkünfte einer in dem anderen Staat ansässigen Person, wenn dieser andere Staat die Einkünfte als Einkünfte einer dort ansässigen Person zuordnet und besteuert. 2. Konsequenzen 146
Beschränkungen bzw. Erweiterungen des persönlichen Anwendungsbereichs. Im Grundsatz stellt Art. 1 Abs. 1 DBA-USA – wie auch das OECD-MA – für den persönlichen Anwendungsbereich auf die „Person“ und deren „Ansässigkeit“ ab. Insoweit bestehen im Ausgangspunkt also keine Besonderheiten. Allerdings schränkt Art. 1 Abs. 4 DBA-USA den Anwendungsbereich des Abkommens für bestimmte Fälle wieder ein. Derartige Regelungen (wenn auch mit anderen Voraussetzungen) finden sich auch in anderen Abkommen, nicht immer aber in Art. 1. Eine besondere Regelung der Abkommensberechtigung ist zudem in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA enthalten.1 Artikel 1 Abs. 7 DBA-USA soll einerseits verhindern, dass Quellensteuerermäßigungen nach dem Abkommen zu gewähren sind, wenn der Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, die die Einkünfte erzielt, die Gesellschaft steuerlich als transparent ansieht und deshalb die von der (hybriden) Gesellschaft erzielten Einkünfte dort tatsächlich keiner Besteuerung unterliegen; andererseits sollen für Einkünfte, die von einer solchen Gesellschaft erzielt werden, die Akommensvergünstigungen gewährt werden, wenn diese Einkünfte im Sitzstaat der Gesellschaft der Besteuerung unterliegen.2 Die Regelung zielt damit vorrangig auf Rechtsträger ab, die von dem einen Vertragsstaat als steuerlich transparent und von dem anderen Vertragsstaat als steuerlich intransparent eingeordnet werden. Den sich hieraus ergebenden Qualifikationskonflikt löst Art. 1 Abs. 7 DBA-USA auf, indem der Quellenstaat an die Einkünftezurechnung des Ansässigkeitsstaates gebunden ist, wenn dieser nach allgemeinen innerstaatlichen Regelungen die Einkünfte einer dort ansässigen Person zuordnet.3 Dabei fingiert Art. 1 Abs. 7 DBA-USA nicht die Ansässigkeit der einkünfterzielenden (hybriden) Gesellschaft4, sondern stellt auf deren Gesellschafter ab. Ansässig im Sinne des DBA sind damit nur die im anderen Staat ansässigen Gesellschafter, sofern diesen die Einkünfte zuzurechnen sind. Entscheidend ist die Einkünftezurechnung. Auf eine tatsächliche Besteuerung bzw. Steuerbelastung kommt es nicht an.5
1 Vgl. ausführlich: Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 105 ff. (Stand: Mai 2011). 2 Vgl. Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750. 3 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 112 (Stand: Mai 2011); Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (751); Endres/Wolff, IStR 2006, 721 (728); F. Jacob, IStR 2011, 98 (99); Schönfeld, IStR 2007, 274 (276); Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (838). 4 Vgl. FG Köln v. 24.4.2012 – 2 K 3928/09, GmbHR 2012, 1026 m. Anm. Renger/Faller, nrkr. (Az. des BFH: I R 48/12). Vgl. auch Anger/Wagemann, IStR 2012, 648. 5 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 112 (Stand: Mai 2011); Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (751); Endres/Wolff, IStR 2006, 721 (728); F. Jacob, IStR 2011, 98 (99); Schönfeld, IStR 2007, 274 (276); Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (838).
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Artikel 2
Unter das Abkommen fallende Steuern (1) Dieses Abkommen gilt, ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung, für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. (2) Als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gelten alle Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. (3) Zu den bestehenden Steuern, für die das Abkommen gilt, gehören insbesondere a) (in Staat A): … b) (in Staat B): … (4) Das Abkommen gilt auch für alle Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten teilen einander die in ihren Steuergesetzen eingetretenen bedeutsamen Änderungen mit. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht/Völkerrecht . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
..
1
. . . . . . .
. . . . . . .
1 5 6 7 7 10 11
B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Absatz 1) . . . . . . . . . . . I. Umfasste Steuerarten . . . . . . . . . . . . II. Art der Steuererhebung . . . . . . . . . . III. Steuergläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
12 12 14 16
.. .. ..
19 19 20
. . . . .
. . . . .
24 28 28 35 37
D. Katalog der in den Geltungsbereich des Abkommens fallenden Steuern (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Künftige Steuern gleicher oder ähnlicher Art (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . .
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F. Deutsches Muster-DBA. . . . . . . . . . . .
44
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
45 45 45 50
C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . I. Grundaussage . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bemessungsgrundlagen „Einkommen“ und „Vermögen“ . . . . . . . . . . . IV. Einzelne Steuerarten . . . . . . . . . . . . 1. Steuern vom Einkommen . . . . . . . . 2. Steuern vom Vermögen . . . . . . . . . . 3. Sonstige Steuern . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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. . . .
. . . .
II. 1. 2. III. 1. 2. IV. 1. 2. V. 1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2. X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2.
China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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51 51 55 58 58 62 63 63 67 68 68 72 73 73 78 79 79 83 84 84 88 90 90 94 95 95 99 101 101 106 107 107 112 113 113 118
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Art. 2
Unter das Abkommen fallende Steuern
XIV. Spanien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 119 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
XV. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 124 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 2 CONCERNING TAXES COVERED BY THE CONVENTION 1. This Article is intended to make the terminology and nomenclature relating to the taxes covered by the Convention more acceptable and precise, to ensure identification of the Contracting States’ taxes covered by the Convention, to widen as much as possible the field of application of the Convention by including, as far as possible, and in harmony with the domestic laws of the Contracting States, the taxes imposed by their political subdivisions or local authorities, to avoid the necessity of concluding a new convention whenever the Contracting States’ domestic laws are modified, and to ensure for each Contracting State notification of significant changes in the taxation laws of the other State. Paragraph 1 2. This paragraph defines the scope of application of the Convention: taxes on income and on capital; the term “direct taxes” which is far too imprecise has therefore been avoided. It is immaterial on behalf of which authorities such taxes are imposed; it may be the State itself or its political subdivisions or local authorities (constituent States, regions, provinces, départements, cantons, districts, arrondissements, Kreise, municipalities or groups of municipalities, etc.). The method of levying the taxes is equally immaterial: by direct assessment or by deduction at the source, in the form of surtaxes or surcharges, or as additional taxes (centimes additionnels), etc. Paragraph 2 3. This paragraph gives a definition of taxes on income and on capital. Such taxes comprise taxes on total income and on elements of income, on total capital and on elements of capital. They also include taxes on profits and gains derived from the alienation of movable or immovable property, as well as taxes on capital appreciation. Finally, the definition extends to taxes on the total amounts of wages or salaries paid by undertakings (“payroll taxes”; in Germany, “Lohnsummensteuer”; in France, “taxe sur les salaires”). Social security charges, or any other charges paid where there is a direct connection between the levy and the individual benefits to be received, shall not be regarded as “taxes on the total amount of wages”. 4. Clearly a State possessing taxing powers – and it alone – may levy the taxes imposed by its legislation together with any duties or charges accessory to them: increases, costs, interest, etc. It has not been considered necessary to specify this in the Article, as it is obvious that in the levying of the tax the accessory duties or charges depend on the same rule as the principal duty. Practice among member countries varies with respect to the treatment of interest and penalties. Some countries never treat such items as taxes covered by the Article. Others take the opposite approach, especially in cases where the additional charge is computed with reference to the amount of the underlying tax. Countries are free to clarify this point in their bilateral negotiations. 5. The Article does not mention “ordinary taxes” or “extraordinary taxes”. Normally, it might be considered justifiable to include extraordinary taxes in a model convention, but experience has shown that such taxes are generally imposed in very special circumstances. In addition, it would be difficult to define them. They may be extraordinary for various reasons; their imposition, the manner in which they are
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Art. 2
OECD-Musterkommentar
levied, their rates, their objects, etc. This being so, it seems preferable not to include extraordinary taxes in the Article. But, as it is not intended to exclude extraordinary taxes from all conventions, ordinary taxes have not been mentioned either. The Contracting States are thus free to restrict the convention’s field of application to ordinary taxes, to extend it to extraordinary taxes, or even to establish special provisions. Paragraph 3 6. This paragraph lists the taxes in force at the time of signature of the Convention. The list is not exhaustive. It serves to illustrate the preceding paragraphs of the Article. In principle, however, it will be a complete list of taxes imposed in each State at the time of signature and covered by the Convention. 6.1 Some member countries do not include paragraphs 1 and 2 in their bilateral conventions. These countries prefer simply to list exhaustively the taxes in each country to which the Convention will apply, and clarify that the Convention will also apply to subsequent taxes that are similar to those listed. Countries that wish to follow this approach might use the following wording: 1. The taxes to which the Convention shall apply are: a) (in State A): ………… b) (in State B): ………… 2. The Convention shall apply also to any identical or substantially similar taxes that are imposed after the date of signature of the Convention in addition to, or in place of, the taxes listed in paragraph 1. The competent authorities of the Contracting States shall notify each other of any significant changes that have been made in their taxation laws. As mentioned in paragraph 3 above, social security charges and similar charges should be excluded from the list of taxes covered. Paragraph 4 7. This paragraph provides, since the list of taxes in paragraph 3 is purely declaratory, that the Convention is also to apply to all identical or substantially similar taxes that are imposed in a Contracting State after the date of signature of the Convention in addition to, or in place of, the existing taxes in that State. 8. Each State undertakes to notify the other of any significant changes made to its taxation laws by communicating to it, for example, details of new or substituted taxes. Member countries are encouraged to communicate other significant developments as well, such as new regulations or judicial decisions; many countries already follow this practice. Contracting States are also free to extend the notification requirement to cover any significant changes in other laws that have an impact on their obligations under the convention; Contracting states wishing to do so may replace the last sentence of the paragraph by the following: The competent authorities of the Contracting States shall notify each other of any significant changes that have been made in their taxation laws or other laws affecting their obligations under the Convention. 9. [Deleted] Reservations on the Article 10. Canada, Chile and the United States reserve their positions on that part of paragraph 1 which states that the Convention should apply to taxes of political subdivisions or local authorities. 11. Australia, Japan and Korea reserve their position on that part of paragraph 1 which states that the Convention shall apply to taxes on capital. 12. Greece holds the view that “taxes on the total amounts of wages or salaries paid by enterprises” should not be regarded as taxes on income and therefore will not be covered by the Convention.
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Art. 2 Rz. 1
Unter das Abkommen fallende Steuern
POSITIONS ON ARTICLE 2 (TAXES COVERED) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article Paragraph 1 1. Wherever the terms “capital” and “movable property” appear in the Convention, Belarus reserves the right to replace these terms, which do not exist in its domestic law, by “property” and “property other than immovable property” respectively. 2. Brazil reserves its position on that part of paragraph 1 which states that the Convention should apply to taxes of political subdivisions or local authorities, as well as on the final part of the paragraph which reads “irrespective of the manner in which they are levied”. 3. Since they have no tax on capital, Brazil and Indonesia reserve the right not to include any reference to such tax in paragraph 1. 4. Romania reserves the right to include taxes imposed on behalf of administrativeterritorial units. 5. South Africa reserves its position on that part of paragraph 1 which states that the Convention should apply to taxes of local authorities. Paragraph 2 6. Brazil wishes to use, in its conventions, a definition of income tax that is in accordance with its constitutional legislation. Accordingly, it reserves the right not to include paragraph 2 in its conventions. 7. Armenia, Latvia, Lithuania, Romania and Tunisia hold the view that “taxes on the total amounts of wages or salaries paid by enterprises” should not be regarded as taxes on income and therefore reserve the right not to include these words in paragraph 2. 8. Ukraine reserves its position on that part of paragraph 2 which states that the Convention shall apply to taxes on capital appreciation.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 2 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1
Bestimmung des sachlichen Geltungsbereichs. Art. 2 bestimmt im Wesentlichen den sachlichen Geltungsbereich des DBA und ergänzt insoweit Art. 1. Abgestellt wird dabei auf die Steuerart und den Steuergläubiger. Dies betrifft aber nur die Teile des Abkommens, die die Verteilung der Besteuerungsrechte und die Methode der Vermeidung der Doppelbesteuerung regeln. Nicht von Art. 2 bestimmt ist der Geltungsbereich der Diskriminierungsverbote (Art. 24), des Informationsaustausches (Art. 26) und der Amtshilfe bei der Erhebung der Steuern (Art. 27). Der Geltungsbereich dieser Artikel ist gesondert geregelt und im Grundsatz auch weiter gefasst. Art. 2 ist wie folgt aufgebaut: Art. 2 Abs. 1 und 2 enthalten eine abstrakte Definition der Steuern, auf die das DBA Anwendung finden soll. In Art. 2 Abs. 3 sind dann die konkreten Steuern benannt. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 erweitert den Anwendungsbereich des Abkommens schließlich auf künftige Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art, die neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Satz 2 des Absatzes 4 sieht eine gegenseitige Information über Änderungen in den Steuergesetzen vor.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2–5 Art. 2
Unter das Abkommen fallende Steuern. Sachlich sind vom OECD-MA die Steuern 2 von Einkommen und vom Vermögen umfasst. Welche Steuern und Steuerarten unter das DBA fallen, hängt im Wesentlichen von dem innerstaatlichen Steuerrecht der Vertragsstaaten ab. Auf die Art der Steuererhebung kommt es nach dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 ausdrücklich nicht an.1 Der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens umfasst nach Art. 2 gleichermaßen sowohl jährlich wiederkehrende als auch einmalig erhobene Veranlagungssteuern und Quellensteuern von beschränkt sowie unbeschränkt steuerpflichtigen Personen. Einerseits zeigt sich aus der Definition der Steuern, dass die Staaten keine allgemeine Vermeidung der Doppelbesteuerung beabsichtigen,2 andererseits soll – so die OECD – der Anwendungsbereich des Abkommens soweit als möglich ausgedehnt sein (vgl. Art. 2 Rz. 1 OECD-MK). Bedingt durch die Unterschiede in den Steuerrechtsordnungen der jeweiligen Vertragsstaaten sind Vorbehalte und Textabweichungen innerhalb von Art. 2 einzelner DBA enthalten.3 Nicht in den sachlichen Anwendungsbereich einbezogen sind Verkehrund Verbrauchsteuern sowie Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. Persönlicher Geltungsbereich in Bezug auf den Steuergläubiger. In Ergänzung zu 3 Art. 1, der den persönlichen Anwendungsbereich aus Sicht des Steuerschuldners regelt, bestimmt Art. 2 zusätzlich den persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens in Bezug auf den Steuergläubiger. Die Steuern müssen für Rechnung eines der Vertragsstaaten oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, um den Anwendungsbereich des Abkommens zu eröffnen. Im Ergebnis wird der sachliche Anwendungsbereich damit auch durch ein persönliches Element, nämlich die Person des Steuergläubigers, bestimmt. Als Hauptbeispiel für eine Abgabe, die nicht unter das Abkommen fällt, ist die in Deutschland für Rechnung der Religionsgemeinschaften erhobene Kirchensteuer zu nennen. Systematischer Zusammenhang. Als allgemeiner Teil des OECD-MA stellt Art. 2 4 zusammen mit Art. 1 die Anwendungsvoraussetzung für die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen der Art. 6 ff. und den sog. Methodenartikeln des § 23A/B dar.
II. Aufbau der Vorschrift Art. 2 Abs. 1 umschreibt abstrakt den sachlichen Geltungsbereich des DBA. Da- 5 nach gilt das DBA ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaats oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. In Art. 2 Abs. 2 werden die zentralen Anknüpfungspunkte „Steuern von Einkommen und Vermögen“ bestimmt. Ergänzend hierzu sieht Art. 2 Abs. 3 vor, dass die Vertragsstaaten die Steuern, auf die das Abkommen anzuwenden ist, konkret bezeichnen. Auch wenn Art. 2 Abs. 3 nicht abschließend zu verstehen ist, orientiert sich die praktische Abkommensanwendung zunächst an dieser Aufzählung; und zwar auch deshalb, weil diese Aufzählung Rückschlüsse auf die Auslegung der in Art. 2 Abs. 1 und 2 verwendeten Begriffe zulässt. Art. 2 Abs. 4 trägt schließlich dem Umstand Rechnung, dass das Steuerrecht der Staaten kein statischer Zustand und einem ständigen Wechsel unterworfen ist. Dem müssen sich auch internationale Regelungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen anpassen. Vor diesem Hintergrund akzeptiert Art. 2 Abs. 4 die Möglichkeit der Vertragsstaaten, neben den oder an Stelle der im Zeitpunkt der Unterzeichnung des
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 1 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 7. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 1 (Stand: Mai 2006). 3 Vorbehalte hinsichtlich der Geltung auch für Steuern der Gebietskörperschaften aufgrund fehlender Bindungsmöglichkeiten ihrer Gliedstaaten haben z.B. die USA, Kanada und Australien erklärt. Textabweichungen sind z.B. zu finden in DBA mit den ehemaligen Ostblockstaaten, in denen Vertragspartner aufgrund der zentralistischen Führungsstruktur nur der jeweilige Vertragsstaat ist. Japan hingegen beschränkt die Wirkung der DBA in Bezug auf die japanischen Steuern auf die Steuern von Einkommen und nimmt damit die Vermögensbesteuerung aus dem Geltungsbereich der DBA aus. Nach dem DBA-Niederlande sind die Vermögensteuern insgesamt ausgenommen.
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Art. 2 Rz. 5–9
Unter das Abkommen fallende Steuern
Abkommens bestehenden Steuern neue Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art zu erheben und erklärt das Abkommen auch auf diese Steuern für anwendbar. In Art. 2 Abs. 4 Satz 2 ist schließlich eine gegenseitige Information der Vertragsstaaten über die in ihren Steuergesetzen eingetretenen bedeutsamen Änderungen vorgesehen.
III. Rechtsentwicklung 6
Keine wesentlichen Änderungen seit OECD-MA 1963. Art. 2 hat seit seiner ursprünglichen Fassung in 1963 keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich seines Regelungsinhalts erfahren. Die in der Fassung des OECD-MA 1977 eingeführten sprachlichen Änderungen in Abs. 1 von „für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten“ zu „für Rechnung eines Vertragsstaats“, in Abs. 3 von „Zu den zur Zeit bestehenden Steuern …“ zu „Zu den bestehenden Steuern …“ und in Abs. 4 Satz 1 von „Steuern gleicher oder ähnlicher Art, die künftig neben den zur Zeit bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhobenen werden“ zu „Steuern gleicher oder im wesentlichen ähnlicher Art, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden“ hatten eine rein klarstellende und präzisierende Funktion. Auch die Streichung des Satzes 2 in Art. 2 Abs. 4 in der Fassung des OECD-MA 2000, wonach Gesetzesänderungen stets zum Ende des Jahres mitzuteilen waren, brachte keine wesentliche inhaltliche Änderung mit sich.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 7
Grundsatz. Art. 2 legt zusammen mit Art. 1 den Geltungsbereich für wesentliche Teile des Abkommens fest. Beide Vorschriften werden durch Art. 29 hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs des Abkommens ergänzt. Art. 1 und 2 bilden damit eine Anwendungsvoraussetzung für die nachfolgenden Verteilungsnormen (Art. 6 bis 22) und die Methodenartikel (Art. 23A/B), ohne sich mit diesen Artikeln zu überschneiden oder mit diesen zu konkurrieren. Zwischen Art. 2 und den Verteilungsnormen besteht jedoch eine Wechselwirkung, weil der sachliche Anwendungsbereich des OECD-MA durchaus durch die Ausgestaltung der Verteilungsnormen konkretisiert werden kann. Dies zeigt sich u.a. an Art. 22. Dort erfolgt zwar keine ausdrückliche Abgrenzung zu den Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern sowie zu den Steuern auf Vermögensübergänge. Diese sind aber als eigenständige Steuerarten aus dem Begriff der Steuern auf Vermögen i.S. dieses Abkommens auszuscheiden (vgl. Art. 22 Rz. 1 OECD-MK sowie Art. 22 Rz. 1).
8
Diskriminierungsverbote, Informationsaustausch, Amtshilfe bei der Steuererhebung. Der sachliche und zum Teil auch der persönliche Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote (Art. 24), des Informationsaustausches (Art. 26) und der Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern (Art. 27) sind in den jeweiligen Artikeln besonders bestimmt. Diese Sonderregelungen sind damit im Verhältnis zu Art. 2 lex spezialis. Für die Diskriminierungsverbote ist in Art. 24 bereits eine Sonderregelung hinsichtlich des subjektiven Anwendungsbereiches im OECD-MA enthalten. Angeknüpft wird insoweit nicht an eine ansässige Person, sondern an die Staatsangehörigkeit (vgl. Art. 1 Rz. 7). Art. 24 Abs. 6 enthält schließlich eine Ausnahme zu Art. 2 für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches. Danach gilt Art. 24 ungeachtet des Art. 2 für Steuern jeder Art und Bezeichnung. Gleiches gilt für den Informationsaustausch (vgl. Art. 26). Dieser soll in Bezug auf Steuern jeder Art und Bezeichnung, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, erfolgen (vgl. Art. 26 Abs. 1 Satz 1). In Art. 26 Abs. 1 Satz 2 ist zudem ausdrücklich klargestellt, dass der Informationsaustausch durch Art. 1 und 2 nicht eingeschränkt ist; auch die Amtshilfe bei der Erhebung von Steuern nach Art. 27 ist durch Art. 1 und 2 nicht eingeschränkt (vgl. Art. 27 Abs. 1 sowie Art. 26 Rz. 2 OECDMK und Art. 27 Rz. 4 OECD-MK).
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Verständigungsverfahren. Den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 kann nur eine „Person“ stellen. Zwar ist im OECD-MA nicht aus184
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B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 9–12 Art. 2
drücklich vorgesehen, dass die antragstellende Person in einem der Vertragsstaaten ansässig sein muss, dies ergibt sich aber schon daraus, dass sie den Fall der zuständigen Behörde des Staates, in dem sie ansässig ist, unterbreiten muss (vgl. Art. 25 Abs. 1). Zudem ist Voraussetzung für ein Verständigungsverfahren, dass eine abkommenswidrige Besteuerung in der Person des Antragsstellers geltend gemacht wird. Insoweit kann ein Verständigungsverfahren nur hinsichtlich der Steuern eingeleitet werden, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Dieser ist wiederum nach Art. 2 zu bestimmen (vgl. zu Einzelheiten Art. 25 Rz. 31 ff.). 2. EU-Recht/Völkerrecht Steuersouveränität der Mitgliedstaaten bei direkten Steuern. Da der sachliche 10 Anwendungsbereich des OECD-MA auf die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen beschränkt ist, ergeben sich nur mittelbare Überschneidungen zum Europarecht. Dies folgt daraus, dass der abkommensrechtliche Begriff der Steuern vom Einkommen und Vermögen weitgehend deckungsgleich mit dem Begriff der direkten Steuern sein dürfte. Im Bereich dieser Steuern ist der Einfluss des Europarechts auf die Steuergesetzgebung und Steuererhebung wegen des in Art. 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzips eher gering. Die direkten Steuern unterfallen im Grundsatz der uneingeschränkten Steuersouveränität der Mitgliedsstaaten; die Mitgliedsstaaten müssen ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.1 Insbesondere bleiben die Mitgliedsstaaten befugt, zur Beseitigung der Doppelbesteuerung die Kriterien für die Aufteilung ihrer Steuerhoheit vertraglich oder einseitig festzulegen.2 Einen mittelbaren Bezug zu den direkten Steuern hat das Unionsrecht aber soweit das sekundäre Unionsrecht – insbesondere also die zu den direkten Steuern ergangenen Richtlinien – zu einer Änderung des innerstaatlichen Rechts geführt hat. Beispiele hierfür sind die Mutter-Tochter-Richtlinie,3 die Zins- und Lizenz-Richtlinie4 und die Zinsrichtlinie.5 Im Verhältnis zu diesen Regelungen sind Überschneidungen und Konkurrenzen zu den DBA möglich. Der Steuerpflichtige kann sich hier jeweils auf die für ihn günstigere Regelung berufen (vgl. zu Einzelheiten Art. 1 Rz. 8 ff.). 3. Innerstaatliches Recht Abkommen als Teil des innerstaatlichen Rechts. Zu den Fragen, ob und ab wann 11 ein völkerrechtlicher Vertrag – hier ein DBA – Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung wird, in welchem Rangverhältnis ein völkerrechtlicher Vertrag zu den innerstaatlichen Normen steht, welche Grundsätze bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge heranzuziehen sind und wie Kollisionskonflikte zu lösen sind, wird auf die Kommentierung zu Art. 1 verwiesen. (Vgl. Art. 1 Rz. 10 ff.).
B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Absatz 1) I. Umfasste Steuerarten Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Nach Art. 2 Abs. 1 gilt das Abkom- 12 men für Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden. Was unter Steuern vom Einkommen und vom Vermögen zu fassen ist, ist in Art. 2 Abs. 2 näher ausgeführt, jedoch nicht im Sinne einer abschließenden Definition, sondern letztlich nur 1 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, FR 2012, 25 [Rz. 45]; v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, IStR 2011, 840 [Rz. 44]; v. 12.2.2009 – C-128/08 – Damseaux, IStR 2009, 622 [Rz. 24], v. 13.12.2005 – I 10837 – Marks & Spencer, IStR 2006, 19 [Rz. 29], jeweils m.w.N. 2 Vgl. EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, IStR 2011, 840 [Rz. 46 und 48]; v. 5.7.2005 – C-376/03 – D, IStR 2005, 483 [Rz. 52]; v. 12.12.2006 – C-374/04 – ACT, IStR 2007, 138 [Rz. 52]. 3 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 4 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 5 RL 2003/48/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006.
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Art. 2 Rz. 12–15
Unter das Abkommen fallende Steuern
als generalklauselartige Umschreibung (vgl. Rz. 24 ff.).1 Für die Auslegung des Begriffs der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen kann zudem auf die Verteilungsnormen der Art. 6 bis 21, 22 zurückgegriffen werden,2 da zwischen der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens und der Reichweite der Verteilungsnomen naturgemäß eine Wechselwirkung besteht. Art. 2 Abs. 3 sieht schließlich eine Aufzählung der unter das DBA fallenden Steuern vor. Nach der Vorstellung der OECD sollen in Art. 2 Abs. 3 des jeweiligen Einzelabkommens die im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens geltenden Steuern benannt werden (vgl. Art. 2 Rz. 6 Satz 1 OECD-MK). Auch wenn diese Aufzählung nicht erschöpfend sein soll und insbesondere als Veranschaulichung der vorstehenden Absätze gedacht ist (vgl. Art. 2 Rz. 6 Sätze 2 und 3 OECD-MK), spricht der erste Anschein dafür, dass sie bei Abschluss des Abkommens vollständig war.3 In Zweifelsfällen kann diese Aufzählung somit als Auslegungshilfe für die Bestimmung der unter das Abkommen fallenden Steuern dienen. In der praktischen Rechtsanwendung ist daher zunächst zu prüfen, ob die in Frage kommende Steuer in der Aufzählung des Art. 2 Abs. 3 des jeweiligen Einzelabkommens enthalten ist. Diese Steuern sind auf jeden Fall vom Schutzbereich des Abkommens umfasst. Auch wenn der Begriff der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen im OECD-MA nicht umfassend definiert ist, ist dieser vorrangig abkommensorientiert, also „aus sich heraus“, auszulegen.4 Dabei ist aber auch nicht zu verkennen, dass zum einen durch die Aufzählung in Art. 2 Abs. 3 wiederum auf die Steuern des jeweiligen innerstaatlichen Rechts verwiesen wird und zum anderen, dass die in Art. 2 Abs. 1 und 2 verwendeten Begriffe selbst wiederum nicht im OECD-MA definiert sind (zur fehlenden Definition des Steuerbegriffs vgl. Rz. 20 ff.). 13
Keine Gegenseitigkeitsklausel. Eine Gegenseitigkeitsklausel ist im OECD-MA nicht vorgesehen. Für die Frage, ob eine für Rechnung des einen Vertragsstaates erhobene Steuer vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst ist, ist es somit unerheblich, ob der jeweils andere Vertragsstaat ebenfalls eine solche oder eine vergleichbare Steuer erhebt.
II. Art der Steuererhebung 14
Keine Begrenzung auf die Art der Steuererhebung. Die Art der Steuererhebung ist für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens ohne Bedeutung. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 („ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung“). Damit ist es unerheblich, ob die betreffenden Steuern als Veranlagungssteuern (z.B. die deutsche Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer) oder als Quellensteuern (z.B. die deutsche Lohn- und Kapitalertragsteuer) erhoben werden. Ebenfalls ist nicht entscheidend, wie das Verfahren der Steuererhebung ausgestaltet ist und durch wen die Steuern erhoben werden. Damit unterfallen auch Steuern, die durch Privatpersonen erhoben werden (etwa beim Steuerabzug an der Quelle), dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind.5
15
Erforderlichkeit eines Bezugspunktes der Steuerbemessungsgrundlage zum Einkommen oder zum Vermögen. Aus der Formulierung „ohne Rücksicht auf die Art der Erhebung“ folgt zudem, dass eine Steuer bereits dann eine Steuer vom Einkommen oder vom Vermögen ist, wenn deren Bemessungsgrundlage nur einen – weit gefassten – Bezug zum Einkommen oder zum Vermögen hat.6 Ein mittelbarer Bezug reicht aus, so dass etwa der deutsche Solidaritätszuschlag zur Einkommen- und Körperschaft-
1 2 3 4
Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 10 (Stand: Mai 2006). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 (Stand: Mai 2006). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006); Lang in FS Loukota, 265 ff. 5 Vgl. Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 10 (Stand: 6. Erg.Lfg. 2000). 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Mai 2006).
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B. Sachlicher Anwendungsbereich des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 15–17 Art. 2
steuer ebenfalls als Steuer von Einkommen anzusehen ist. Ausreichend für die Einordnung als Steuer vom Einkommen ist zudem, wenn die Steuerbemessungsgrundlage nur eine Teilgröße der Einkommensermittlung darstellt, weil sie z.B. als Bruttogröße bereits vor steuerwirksamen Abzügen (wie Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Pauschbeträgen) die Grundlage der Steuerbemessung bildet.1 Schließlich ist auch ohne Belang, ob bei der Ermittlung der Steuerschuld ein fester oder progressiver Steuersatz nach der Grund- oder Splittingtabelle angewendet wird.2
III. Steuergläubiger Vertragsstaat. Indem Art. 2 Abs. 1 auf die Steuern abstellt, die für Rechnung eines 16 Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, wird der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens (auch) an die Person des Steuergläubigers geknüpft. Was unter den Begriffen „Vertragsstaat“ oder „Gebietskörperschaften“ zu verstehen ist, ist im OECD-MA nicht definiert. Hinsichtlich der Vertragsstaaten ist dieses auch nicht erforderlich. Vertragsstaaten des DBA sind die völkerrechtlichen Vertragspartner des Einzelabkommens, also die Völkerrechtssubjekte, die das DBA geschlossen haben. Wer das ist, ergibt sich u.a. aus der Überschrift des jeweiligen DBA, ggf. auch aus dessen Präambel. In den deutschen DBA ist regelmäßig zudem in den jeweiligen Einzelabkommen (dort in Art. 3) eine ausdrückliche Definition der Vertragsstaaten enthalten (vgl. Art. 1 Rz. 2). Im Unterschied zu Art. 1, der auf die Ansässigkeit einer Person in einem der Vertragsstaaten abstellt, ist in Art. 2 Abs. 1 der Vertragsstaat ausschließlich in seiner Funktion als Hoheitsträger und Steuergläubiger angesprochen, so dass es hier – anders als bei der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs in Art. 1 – auf die geographische Ausdehnung des Vertragsstaates nicht ankommt. Gebietskörperschaften. Auch der Begriff der Gebietskörperschaft ist im Abkom- 17 men nicht weiter definiert, so dass insoweit auf das jeweilige innerstaatliche Recht des Anwenderstaates abzustellen ist (vgl. Art. 3 Abs. 2 sowie Art. 3 Rz. 58 ff.). Insbesondere aus den englischen und französischen Texten des OECD-MA wird aber deutlich, dass taugliche Steuergläubiger sämtliche Untergliederungen des Vertragsstaates mit eigener Steuerhoheit3 sein können. Die jeweilige Untergliederung (im deutschen Text: Gebietskörperschaft) muss also Teil des Vertragsstaates sein.4 In Deutschland gehören die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zu den Gebietskörperschaften (vgl. Art. 28, 105 GG). Die deutschen Länder besitzen allerdings auf Grund ihrer originären Staatsqualität einen verfassungsrechtlichen Sonderstatus. Vor diesem Hintergrund sind die Länder in einer Vielzahl der deutschen DBA – deklaratorisch – gesondert als taugliche Steuergläubiger genannt. Die Religionsgemeinschaften sind dagegen – auch soweit diese als öffentlich-rechtliche Körperschaften organsiert sind – in Deutschland unabhängig und nicht in den Staat eingegliedert. Daher fallen die Kirchensteuern nicht unter das Abkommen, auch wenn sie auf der abgeleiteten staatlichen Finanzhoheit beruhen (vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV).5 Mittelbar wirkt sich die in den Abkommen vorgenommene Aufteilung der Besteuerungsrechte aber letztendlich auch auf die Kirchensteuer aus,
1 So ist z.B. die Bemessungsgrundlage der Kapitalertragsteuer (§ 43a Abs. 2 Satz 1 EStG), der Lohnsteuer (§ 38a EStG) und mit Einschränkungen der Quellensteuer nach § 50a EStG eine Bruttogröße. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 17 (Stand: Mai 2006). 3 Vgl. Art. 2 Rz. 2 OECD-MK, mit einer beispielhaften Aufzählung der in Frage kommenden Gebietskörperschaften; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 10. Besonderheiten gelten insoweit z.B. im Verhältnis zu den USA und Kanada, weil diese Bundesstaaten die Teilstaaten völkerrechtlich nicht zu verpflichten vermögen, vgl. Rz. 83, 127. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Mai 2006). 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 8; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.189.
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Art. 2 Rz. 17–20
Unter das Abkommen fallende Steuern
weil diese nach einem Prozentsatz der Einkommensteuer ermittelt wird (vgl. § 51a EStG).1 18
Ertragshoheit. Wenn Art. 2 Abs. 1 auf Steuern abstellt, die „für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden“, bedeutet dies, dass der Vertragsstaat oder dessen Gebietskörperschaften die Ertragshoheit über diese Steuer haben müssen. Auf eine ggf. abweichende Gesetzgebungs- und/oder Verwaltungshoheit2 kommt es nicht an.3 Die Ertragshoheit muss auch nicht ausschließlich entweder dem Vertragsstaat oder dessen Gebietskörperschaften zustehen, damit die entsprechende Steuer von dem sachlichen Anwendungsbereich des OECD-MA umfasst ist. In den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens fallen auch die Steuern, die dem Vertragsstaat und seinen Gebietskörperschaften gemeinsam oder in einem bestimmten Aufteilungsverhältnis zueinander zustehen.
C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Absatz 2) I. Grundaussage 19
Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Art. 2 Abs. 2 umschreibt die in Abs. 1 angesprochenen Steuern vom Einkommen und vom Vermögen als solche Steuern, die vom Gesamteinkommen, vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Einkommens oder des Vermögens erhoben werden, einschließlich der Steuern vom Gewinn aus der Veräußerung beweglichen und unbeweglichen Vermögens, der Lohnsummensteuern sowie der Steuern vom Vermögenszuwachs. Eigenständige Definitionen der Begriffe „Steuern“, „Einkünfte“ und „Vermögen“ gibt Art. 2 Abs. 2 jedoch nicht vor. Art. 2 Abs. 2 stellt lediglich klar, dass eine Steuer vom Einkommen und vom Vermögen auch dann vorliegt, wenn die Steuer auf Teile vom Einkommen bzw. vom Vermögen erhoben wird. Zudem bedient sich die Vorschrift der beispielhaften Aufzählung der den Steuern der Vertragsstaaten zugrunde liegenden Bemessungsgrundlagen, um eine lückenlose Einbeziehung der in den Verteilungsnormen des Abkommens verankerten Einkünftetatbestände sicherzustellen.
II. Steuerbegriff 20
Keine abkommensrechtliche Legaldefinition des Steuerbegriffs. Der Begriff der „Steuern“ ist – wie die weiteren in Art. 2 Abs. 2 genannten Begriffe – nicht weiter im Abkommen definiert. Die hier enthaltene beispielhafte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern bzw. deren Bemessungsgrundlagen stellt nur eine Auslegungshilfe dar, ohne den Steuerbegriff abschließend festzulegen.4 Auch aus der Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens in Abs. 1 auf solche Steuern, welche auf der staatlichen Finanzhoheit beruhen und dem Vertragsstaat oder seinen Gebietskörperschaften zufließen, lässt sich eine abkommensrechtliche Definition des Steuerbegriffs nicht unmittelbar herleiten. Dem Grunde nach stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der in Art. 2 verwendete Steuerbegriff nach dem jeweiligen nationalen Recht des Anwenderstaates auszulegen ist (vgl. Art. 3 Rz. 82 f.).5 In diesem Fall wäre aus deutscher Sicht auf § 3 Abs. 1 AO abzu1 Vgl. auch Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 18 (Stand: Grundwerk); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 8; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.447. 2 So liegt z.B. in Deutschland die Gesetzgebungshoheit für Steuern vom Einkommen und Vermögen nach Art. 105 Abs. 2, 72 Abs. 2 GG grundsätzlich beim Bund, die Verwaltungshoheit gem. Art. 108 Abs. 2 GG bei den Ländern und die Ertragshoheit gem. Art. 106 Abs. 2, 3 und 5 GG teilweise beim Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden. 3 Vgl. Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 7; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 21 (Stand: Mai 2006); a.A. wohl Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 16 f. (Stand: September 2009) ohne weitere Begründung. 4 Vgl. Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 13; Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 19 (Stand: September 2009); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 18. 5 So: Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 19; Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 (Stand: 6. Erg.Lfg. 2000).
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C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Absatz 2)
Rz. 20–22 Art. 2
stellen. Danach sind Steuern solche Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nach der Gegenposition ist der Begriff der Steuern in Art. 2 Abs. 2 bereits legaldefiniert1 bzw. abkommensautonom auszulegen, weil er nicht mit dem entsprechenden deutschen verfassungsrechtlichen und finanzwissenschaftlichen Begriff gleichgesetzt werden könne.2 Vielmehr diene der Begriff der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen allein der internen Verständigung und der Kompetenzverteilung beider Vertragsstaaten in Bezug auf die Vermeidung einer gleichzeitigen Besteuerung desselben Gegenstandes mit einer gleichartigen Steuer bei demselben Steuerpflichtigen. Daher sei der Steuerbegriff gem. Art. 31 Abs. 1 WVK nach seiner gewöhnlichen Bedeutung und unter Einbeziehung der Verteilungsnormen (Art. 6 bis 22) abkommensrechtlich „aus sich heraus“ auszulegen. Ein Rückgriff auf das innerstaatliche Rechts über Art. 3 Abs. 2 sei weder zulässig noch notwendig.3 Eigener Standpunkt. Der dargestellte Meinungsstreit ist ein eher theoretischer.4 21 Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich ein allgemeiner, staatenübergreifender Steuerbegriff letztlich nicht ermitteln lassen wird. Ob in diesem Zusammenhang § 3 Abs. 1 AO zur Ausfüllung des Begriffs „gewöhnliche Bedeutung“ i.S. des Art. 31 Abs. 1 WVK und damit mittelbar zur Grenzziehung des abkommensrechtlichen Steuerbegriffs verwendet wird,5 oder ob § 3 Abs. 1 AO über Art. 3 Abs. 2 mit der Maßgabe einer weiten, dem Abkommenszweck genügenden Auslegung, Anwendung findet,6 dürfte zu weitgehend identischen Ergebnissen führen. § 3 Abs. 1 AO stellt damit für Deutschland als Anwenderstaat neben der Aufzählung der dem Steuerzugriff zugrundliegenden Steuerbemessungsgrundlagen (vgl. Art. 2 Abs. 2) und der in Art. 2 Abs. 3 enthaltenen Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuerarten eine Richtschnur für die Ermittlung des Inhalts, der Grenzen und des Verständnisses des abkommensrechtlichen Steuerbegriffs dar. Merkmale des Steuerbegriffs. Wesentliches Merkmal einer Steuer ist – unabhängig 22 von dem oben dargestellten Meinungsstreit – zunächst die „Geldleistungspflicht“ als Abgrenzungsmerkmal zu Naturalabgaben und Dienstleistungen. Um eine Steuer zu sein, muss die Abgabe zudem vorrangig der öffentlichen Einnahmeerzielung dienen und darf keine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates an den Steuerbürger darstellen. Das Merkmal der „Einnahmenerzielungsabsicht“ grenzt die Steuern von z.B. Geldstrafen und Geldbußen ab.7 Das Merkmal des „fehlenden Zusammenhangs zwischen der Geldleistung und einer darauf beruhenden Gegenleistung“ dient als Abgrenzungsmerkmal z.B. zu Sozialversicherungsabgaben (vgl. Art. 2 Rz. 3 OECD-MK)8 sowie zu Gebühren und Beiträgen.9 Die außerordentlichen Steuern sind in Art. 2 nicht ausdrücklich genannt.10 Soweit jedoch die in Art. 2 genannten Merkma1 So aus österreichischer Sicht Lang in FS Loukota, S. 269. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 24 (Stand: September 2009). 3 Vgl. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 24 (Stand: September 2009). 4 Vgl. auch Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 14. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 24 (Stand: September 2009). 6 Vgl. Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 f. (Stand: 6. Erg.Lfg. 2000). 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 19; Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 7a (Stand: Januar 2012). Eine – auch vorrangige – Lenkungsfunktion ist für den Steuerbegriff dagegen unschädlich, vgl. Seer in T/L21, § 2 Rz. 10. 8 Vgl. Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 16; Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 21; Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 19 (Stand: Grundwerk). 9 Vgl. Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 16; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006). 10 Nach Auffassung der OECD-MK wäre es grundsätzlich gerechtfertigt, die außerordentlichen Steuern in das OECD-MA einzubeziehen. Allerdings sei es schwierig, diese Steuern zu definieren. Es sei daher den Vertragsstaaten überlassen, entweder den Anwendungsbereich des Ab-
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Art. 2 Rz. 22–24
Unter das Abkommen fallende Steuern
le vorliegen und Bemessungsgrundlage das Einkommen oder das Vermögen ist, fallen unter den Steuerbegriff i.S. des Art. 2 sowohl ordentliche, d.h. vom Staat zur Finanzierung hoheitlicher Aufgabe ohne eine zeitliche Begrenzung erhobenen Steuern, als auch außerordentliche Steuern, die insbesondere für einen besonderen Zweck des Allgemeininteresses, für einen bestimmten Zeitraum oder mit einem besonderen Steuersatz zusätzlich zu den ordentlichen Steuern erhoben werden.1 Unter das Abkommen fallen gleichermaßen direkte Steuern, als auch die Steuern, die der Konzeption nach auf Dritte überwälzt werden sollen (indirekte Steuern). Unerheblich ist zudem, ob es sich um Sach- oder Personensteuern handelt.2 Ebenso zu den Steuern gehören Abgaben, denen ein latenter Erstattungs- bzw. Verrechnungsanspruch des Steuerpflichtigen, z.B. aufgrund bestimmter Körperschaftsteueranrechnungsverfahren verschiedener Staaten, anhaftet.3 23
Steuerliche Nebenabgaben (Nebenleistungen). Steuerliche Nebenabgaben sind nach dem Verständnis des OECD-MK beispielhaft Zuschläge, Kosten Zinsen usw. (vgl. Art. 2 Rz. 4 OECD-MK). Übertragen auf das deutsche Recht sind damit die steuerlichen Nebenleistungen nach § 3 Abs. 4 AO umfasst. Hierzu gehören u.a. Verzögerungsgelder (§ 146 Abs. 2b AO), Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zuschläge gem. § 162 Abs. 4 AO, Zinsen (§§ 233 bis 237 AO), Säumniszuschläge (§ 240 AO), Zwangsgelder (§ 329 AO) sowie Kosten (§§ 89, 178, 337 bis § 345 AO). Dem Grunde nach stellen diese steuerlichen Nebenleistungen keine Steuern in dem oben dargestellten Sinne dar.4 Insbesondere werden diese Abgaben nicht im Wesentlichen zur Einnahmeerzielung erhoben; sie haben vielmehr einen Sanktions- oder Gebührencharakter bzw. sollen Zinsvorteile abschöpfen. Der OECD-MK führt hierzu aus, dass Nebenabgaben von dem zur Besteuerung berechtigten Staat erhoben werden können. Es sei selbstverständlich, dass für die Erhebung von Nebenabgaben dieselben Bestimmungen gelten, wie für die eigentliche Steuer (vgl. Art. 2 Rz. 4 OECD-MK). Daraus folgt richtigerweise, dass ein Vertragsstaat (nur) für die Einkünfte, für die er nach dem Abkommen ein Besteuerungsrecht hat, auch die entsprechenden Nebenabgaben erheben darf. Dies führt aber nicht dazu, dass es sich bei den Nebenabgaben um „Steuern“ handelt. Daher ist ein Vertragsstaat z.B. berechtigt, in Bezug auf die Einkünfte, hinsichtlich derer dieser Staat auf ein Quellensteuerrecht beschränkt ist (vgl. Art. 10 Abs. 2, Art. 11, Art. 12 Abs. 1), die Nebenabgaben auch über die im Abkommen vorgesehenen Höchststeuersätze hinaus zu erheben.5 Umgekehrt sind die Vertragsstaaten nicht verpflichtet, von dem anderen Vertragsstaat erhobene Nebenabgaben auf die eigene Steuer zur Anrechnung zu bringen, wenn das DBA dem Grunde nach eine Anrechnung der ausländischen Steuer vorsieht.
III. Bemessungsgrundlagen „Einkommen“ und „Vermögen“ 24
„Einkommen“ und „Vermögen“. Art. 2 Abs. 2 definiert weder den Begriff des „Einkommens“ noch den des „Vermögens“,6 sondern begnügt sich mit der Umschreibung
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kommens auf ordentliche Steuern zu beschränken oder auf außerordentliche Steuern auszudehnen oder schließlich besondere Bestimmungen vorzusehen (vgl. Art. 2 Rz. 5 OECD-MK). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 48 (Stand: Mai 2006); Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 18; Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 14 ff. (Stand: Grundwerk). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 25 (Stand: Mai 2006). Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 19; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Mai 2006); Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 13 (Stand: Grundwerk). Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 51 (Stand: Mai 2006). A.A. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 20; Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 19; Gold in S/K/K, Art. 2 OECDMA Rz. 31 (Stand: September 2009) spricht insoweit von einer Sonderform der Steuererhebung, betont aber andererseits, dass steuerliche Nebenleistungen nicht der Einnahmeerzielung ohne Gegenleistung dienen. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 51 (Stand: Mai 2006). Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 22; Büge in G/K/G, Art. 2 OECD-MA Rz. 26 (Stand: Grundwerk); Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 21; Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 25 (Stand: September 2009); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 11 (Stand: Mai 2006): „Generalklausel, jedoch keine abkommensrechtliche Definition i.e.S.“; Erhard in F/W/K, Art. 2 DBA-Schweiz Rz. 61 (Stand: November 2012).
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C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Absatz 2)
Rz. 24–27 Art. 2
der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen als die Steuerarten, die vom „Gesamteinkommen“ oder „Teilen des Einkommens“ bzw. vom „Gesamtvermögen“ oder „Teilen des Vermögens“ erhoben werden. Darüber hinaus werden einzelne Steuern, die unter das Abkommen fallen sollen, exemplarisch aufgeführt. Die Hauptaussage des Art. 2 beschränkt sich somit darin, dass Steuern vom Einkommen und vom Vermögen auch dann vorliegen, wenn diese nicht auf das gesamte Einkommen bzw. Vermögen erhoben werden, sondern von Teilen hiervon. Es stellt sich damit auch in diesem Zusammenhang die Frage, welche Grundsätze für die Auslegung und die Konkretisierung des Einkommens- und des Vermögensbegriffs heranzuziehen sind. Keine Gleichstellung mit den nationalen Begriffen „Einkommen“ und „Vermögen“. 25 Die Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“ sind abkommensrechtlich zu verstehen und nicht mit dem Einkommen i.S. des § 2 Abs. 4 EStG bzw. des § 8 Abs. 1 KStG, dem zu versteuernden Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 EStG bzw. des § 23 Abs. 1 KStG und dem Gesamtvermögen i.S. der außer Kraft gesetzten §§ 114 bis 120 BewG identisch. Aus einem Vergleich ergibt sich insbesondere, dass der Numerus clausus der deutschen Einkunftstatbestände in § 2 Abs. 1 EStG keine uneingeschränkte Entsprechung in den Verteilungsnormen der Art. 6 bis 21 gefunden hat. Zudem wird deutlich, dass durch die in Art. 2 Abs. 2 nur exemplarisch angelegte Auflistung der Steuerbemessungsgrundlagen und der Möglichkeit einer Einbeziehung weiterer, nicht in den Verteilungsnormen explizit erwähnten Einkunftstatbestände (Art. 21) und Vermögenswerte (Art. 22 Abs. 4) die abkommensrechtlichen Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“ einen weiteren Anwendungsbereich haben, als diejenigen des nationalen deutschen Rechts. Zu diesem weiten Verständnis trägt auch die Einbeziehung der Steuern von Veräußerungsgewinnen aus beweglichem oder unbeweglichem Vermögen, der Lohnsummensteuer und der Steuern vom Vermögenszuwachs in Art. 2 Abs. 2 bei. Abkommensrechtliche Auslegung der Begriffe „Einkommen“ und „Vermögen“. 26 Ob international ein einheitliches Verständnis darüber besteht, was „Einkommen“ bzw. „Vermögen“ ist und ob das OECD-MA ein solches einheitliches Verständnis voraussetzt,1 ist wohl eher zu bezweifeln. Richtigerweise besteht für ein solches international einheitliches Begriffsverständnis jedoch auch kein praktisches Bedürfnis, weil sich die Vertragsstaaten bei der Anwendung der jeweiligen Abkommen regelmäßig weniger an der Auslegung der Bemessungsgrundlagen „Einkommen“ und „Vermögen“, sondern vielmehr an den tatsächlich von ihnen erhobenen Steuern orientieren.2 Zudem haben die Vertragsstaaten die nach Art. 2 Abs. 3 vorgesehene und regelmäßig auch in Anspruch genommene Möglichkeit, die unter das Abkommen fallenden Steuern zumindest beispielhaft aufzuführen. Es spricht damit nichts dagegen, die von Wassermeyer vorgeschlagen Faustformel anzuwenden, wonach all das, was Bemessungsgrundlage für eine ausländische Steuer i.S. des § 34c EStG sein kann, unter den abkommensrechtlichen Begriff „Einkommen“ bzw. „Teile des Einkommens“, subsumiert werden kann.3 Korrespondierend fällt alles, was Bemessungsgrundlage für eine ausländische Steuer i.S. des § 11 VStG4 sein kann, unter die Begriffe „Vermögen“, „Gesamtvermögen“ bzw. „Teile des Vermögens“ i.S. des Art. 2 Abs. 2. Keine Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungsteuern. Nicht zu den Steuern auf das 27 Einkommen und auf das Vermögen gehören Erbschaft-, Nachlass- und Schenkungsteuern. Dies ist insoweit nicht ganz selbstverständlich, weil auch diese Steuern im Sinne eines Reinvermögenszugangs als Ertragsteuern verstanden werden könnten. In der deutschen Besteuerungssystematik werden diese Steuern dennoch nicht als Ertragsteuern gesehen. Besteuert werden soll mit der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer der Vermögenstransfer. Sie sind damit zwischen den Steuern auf 1 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 22. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 29 (Stand: Mai 2006); Kluge, Das internationale Steuerrecht4, R 161. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 29 (Stand: Mai 2006). 4 Die Vermögensteuer wird derzeit in Deutschland für Zeiträume seit dem 1.1.1997 nicht erhoben, da § 10 Nr. 1 VStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 1191 und Rz. 35.
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Art. 2 Rz. 27–30
Unter das Abkommen fallende Steuern
das Einkommen und den Steuern auf das Vermögen einzuordnen.1 Im Anwendungsbereich des OECD-MA besteht ebenfalls Einigkeit, dass die Erbschaft-, Nachlassund Schenkungsteuern nicht unter das OECD-MA auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen fallen.2 Letztlich ergibt sich dies auch aus dem Inhalt der Verteilungsvorschriften der Art. 6 bis 22. In den Einzelabkommen sind die Erbschaftund Schenkungsteuern zudem bereits in der Regel nicht in dem Katalog des Art. 2 Abs. 2 enthalten.
IV. Einzelne Steuerarten 1. Steuern vom Einkommen 28
Einkommen- und Körperschaftsteuern. Als Steuern vom Einkommen sind in erster Linie die Einkommensteuer als Steuer auf das Einkommen der natürlichen Personen und die Körperschaftsteuer als Steuer auf das Einkommen der juristischen Personen zu nennen. Beide Steuerarten gehören zu der Gruppe der Ertragsteuern, deren Bemessungsgrundlage grundsätzlich das Welteinkommen der unbeschränkt einkommen- und körperschaftsteuerpflichtigen Personen ist. Bei beschränkt Steuerpflichtigen können Einkommen- und Körperschaftsteuern auch von einem Teil des Welteinkommens erhoben werden. Erforderlich ist jedoch ein hinreichender Anknüpfungspunkt – genuine link – zum besteuernden Staat (vgl. Art. 1 Rz. 8). Der Steuerbegriff in Art. 2 Abs. 2 ist ebenfalls weit zu verstehen. Das OECD-MA will dem Grunde nach alle Steuern – unabhängig von ihrer Erhebungsform und der Bezeichnung – erfassen, die auf Einkünfte i.S. der Art. 6 bis 21 erhoben werden (können).
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Solidaritätszuschlag. Zu einer Sonderform der Einkommensteuer zählt in Deutschland auch der Solidaritätszuschlag als eine ebenfalls unter den Begriff der „Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ fallende Annexsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. I.E. handelt es sich um eine Steuer auf das Einkommen, auch wenn dessen Bemessungsgrundlage nicht das Einkommen selbst, sondern die darauf erhobene Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerschuld ist (vgl. § 3 SolZG). Als Annexsteuern fallen unter den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auch alle weiteren Zuschläge zur Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer, auch wenn diese nicht in dem entsprechenden Katalog nach Art. 2 Abs. 3 explizit aufgenommen worden sind.3
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Gewerbe(ertrag)steuer. Die deutsche Gewerbesteuer hat als Objektsteuer ihren traditionellen Anknüpfungspunkt nicht wie die Einkommen- oder Körperschaftsteuer in der durch das Leistungsfähigkeitsprinzip eingegrenzten Finanzkraft einer natürlichen Person oder einer Körperschaft, sondern im Äquivalenzprinzip.4 Mit der Gewerbesteuer sollen die stehenden Gewerbebetriebe an den Lasten beteiligt werden, die den Gemeinden durch die Bereitstellung und Erhaltung der von dem Gewerbebetrieb in Anspruch genommenen Infrastruktur entstehen. Allerdings hat sich die Gewerbesteuer durch den Wegfall der Lohnsumme als Bemessungsgrundlage, durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der nunmehr fehlenden Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe bei der Ermittlung des Gewinns trotz der (noch) bestehenden objektivierenden Hinzurechnungs- und Kürzungselemente (§§ 8 und 9 GewStG) weitgehend zu einer Ertragsteuer entwickelt.5 Weil die nunmehr alleinige Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer der Gewerbeertrag ist (§ 7 GewStG), ist die Gewerbesteuer als Gewerbeertragsteuer in der derzeit geltenden Form eine Steuer vom Einkommen und fällt damit bereits nach allgemeinen Grundsätzen in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens, ohne dass es einer besonderen Regelung
1 Vgl. Hey in T/L21, § 7 Rz. 41. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 22, 24; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12 (Stand: Mai 2006); Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 6 (Stand: September 2009). 3 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 26. 4 Vgl. Sarrazin in Lenski/Steinberg. § 1 GewStG Rz. 7 (Stand: November 2007). 5 Vgl. Montag in T/L21, § 12 Rz. 1.
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C. Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Absatz 2)
Rz. 30–32 Art. 2
bedürfte.1 Trotz ihres Objektsteuercharakters kennt die deutsche Gewerbesteuer zudem einen Steuerschuldner, welcher den abkommensrechtlich erforderlichen Bezug der Gewerbesteuer zu einer Person, die persönlich einer Steuer vom Einkommen unterworfen ist, begründet.2 Das ist nach § 5 GewStG der Unternehmer, für dessen Rechnung und Gefahr das Gewerbe betrieben wird. Das kann ein Einzelunternehmer, eine Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft oder eine Kapitalgesellschaft sein (zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften für die Gewerbesteuer vgl. Art. 1 Rz. 42). Alle zurzeit bestehenden deutschen DBA erstrecken sich damit auch auf die Gewerbesteuer.3 Weil die gängigen Abkommen für die Einbeziehung der Gewerbesteuer keine besonderen Befreiungen oder Beschränkungen in Form besonderer Verteilungsnormen vorsehen, besteht ein Gleichauf der Gewerbesteuer mit den übrigen Steuern vom Einkommen. Wird im jeweiligen Einzelabkommen die Doppelbesteuerung mittels der Freistellungsmethode beseitigt, greift die Freistellung auch für Zwecke der Gewerbesteuer.4 Anders ist es dann, wenn die Anrechnungsmethode Anwendung findet. Hier soll eine Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Gewerbesteuer ausscheiden.5 Dies steht jedoch im Widerspruch sowohl zum Wortlaut, als auch zum Sinn und Zweck des Abkommens. In der deutschen Abkommenspraxis sieht das DBA-Australien eine ausdrückliche Anrechnungsmöglichkeit des die deutsche Einkommen- und Körperschaftsteuer übersteigenden Teils australischer Quellensteuern auf die deutsche Gewerbesteuer vor.6 Veräußerungsgewinnsteuer. Die in Art. 2 Abs. 2 als eine eigenständige Steuerart 31 angeführte Veräußerungsgewinnsteuer hat in den deutschen Steuergesetzen keine Entsprechung i.S. einer eigenständigen Steuerart. In Deutschland gehen vielmehr alle steuerbaren Veräußerungsgewinne in das Einkommen ein und bilden die Bemessungsgrundlage der Einkommen- und der Körperschaftsteuer (vgl. z.B. §§ 16, 17, 23 EStG und §§ 11, 12 KStG). Aus deutscher Sicht hat die Veräußerungsgewinnsteuer daher nur eine theoretische Bedeutung und zwar in der Weise, dass der sachliche Geltungsbereich des Abkommen (klarstellend) auch dann eröffnet wäre, wenn eine gesonderte gesetzliche Grundlage für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen als eigenständiger Steuergegenstand eingeführt würde. Demgegenüber kann es in anderen Vertragsstaaten durchaus eine gesonderte Steuer auf Veräußerungsgewinne geben, die dann unter den Begriff der Steuern vom Einkommen fallen würden. (zur Auslegung der Begriffe „Veräußerung“, „Veräußerungsgewinn“, „bewegliches Vermögen“ und „unbewegliches Vermögen“ vgl. Art. 13 Rz. 27 ff., 31 ff., 46 f.). Lohnsummensteuer. Art. 2 Abs. 2 nennt als ein Beispiel für eine Steuer auf das 32 Einkommen und das Vermögen auch die Lohnsummensteuer. Unter der Lohnsummensteuer ist eine Steuer zu verstehen, deren Bemessungsgrundlage die Summe der von einem Unternehmen gezahlten Löhne und Gehälter ist (vgl. Art. 2 Rz. 3 OECDMK). Weil die Lohnsummensteuer nach allgemeinem Verständnis an einen fiktiven Ertrag durch den Einsatz von Arbeitskräften anknüpft, stellt sie für das Abkommensrecht eine besondere Ausprägung einer Einkommensteuer dar.7 Nach der Abschaffung der Lohnsumme als Teilbemessungsgrundlage der deutschen Gewerbesteuer
1 Allg. Verständnis, vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 31 (Stand: Mai 2006); Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.190; Kluge, Das internationale Steuerrecht4, T 19. 2 Vgl. Kluge, Das internationale Steuerrecht4, T 19; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECDMA Rz. 31 (Stand: Mai 2006); Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 55; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.191. 3 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 58. 4 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 60. 5 Vgl. Kluge, Das internationale Steuerrecht4, T 19; i.E. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 104 (Stand: Oktober 2002), der als Argument für eine Nicht-Berücksichtigung der Gewerbesteuer im Anrechnungsverfahren vorbringt, dass Art. 23A Abs. 2 Satz 1 nur die einmalige und nicht die zweimalige Anrechnung vorsieht. 6 Vgl. Rz. 10e des Protokolls zu Art. 22 DBA-Australien. 7 Vgl. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 28 (Stand: September 2009); Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 13; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 41 (Stand: Mai 2006).
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Art. 2 Rz. 32–36
Unter das Abkommen fallende Steuern
wird in Deutschland keine Lohnsummensteuer mehr erhoben. Auch die Sozialversicherungsbeiträge, die zwar nach der Höhe des Lohns oder Gehalts bemessen werden, stellen keine Lohnsummensteuer i.S. des Art. 2 Abs. 2 dar. Hier fehlt es bereits an einer Steuer, weil diesen Abgaben regelmäßig Leistungsansprüche gegenüberstehen (vgl. bereits die Ausführungen unter Rz. 22). 33
Vermögenszuwachssteuer. Unter einer Vermögenszuwachssteuer ist eine Abgabe zu verstehen, deren Bemessungsgrundlage die Wertsteigerung des Vermögens eines Steuerpflichtigen zwischen zwei Stichtagen außerhalb eines Veräußerungsvorgangs ist.1 Auch die Vermögenszuwachssteuer ist eine Steuer vom Einkommen. Von der Einkommensteuer i.e.S., deren Bemessungsgrundlage grundsätzlich das Gesamt-/ Welteinkommen darstellt, unterscheidet sich die Vermögenszuwachssteuer dadurch, dass nicht realisierte Vermögenszuwächse besteuert werden. Der OECD-MK benennt in einer nicht abschließenden Auszählung als Beispiele für eine Zuwachssteuer: Zuschreibungen auf Wirtschaftsgüter, die in der Bilanz des Steuerpflichtigen ausgewiesen sind, Währungsgewinne, Rücklagen, Kapitalerhöhungen und andere Aufwertungen, die mit der Anpassung des Buchwertes an den tatsächlichen Wert des Betriebsvermögens zusammenhängen (vgl. Art. 13 Rz. 8 OECD-MK). In Deutschland wird zurzeit keine Einzelsteuer auf den Vermögenszuwachs erhoben.
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Wegzugsteuer nach § 6 AStG als Vermögenszuwachsteuer. Die deutsche Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG gehört wegen des Verweises auf § 1 EStG und § 17 EStG zu den Steuern auf das Einkommen im engeren Sinne und unterfällt damit ohne weiteres dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens.2 I.E. wird durch § 6 AStG ein fiktiver Veräußerungsgewinn besteuert. Nach a.A. ist die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG dagegen als eine Besteuerung des Vermögenszuwachses i.S. des Art. 2 Abs. 2 zu verstehen und fällt somit (nur) als eigenständige Steuerart in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens.3 Letztlich ist die Einordnung der deutschen Wegzugsbesteuerung als eigenständige Vermögenszuwachssteuer oder als Steuer vom Einkommen allerdings ohne praktische Bedeutung, weil nach allen vertretenen Ansichten die deutsche Wegzugsbesteuerung vom sachlichen Anwendungsbereich der deutschen DBA umfasst ist.4 Das gilt auch dann, wenn in einem Einzelabkommen die Vermögenszuwachssteuer nicht in den Art. 2 Abs. 2 entsprechenden Artikel aufgenommen ist (z.B. im DBA-Indien, Rz. 68 ff.), weil Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters unabhängig von der Anwendung des Abkommens das Besteuerungsrecht haben wird. 2. Steuern vom Vermögen
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Vermögensteuer. Als Steuer vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 2 ist grundsätzlich jede Steuer zu verstehen, die auf das Vermögen i.S. des Art. 22 erhoben wird.5 Gegenstand dieser Steuern ist die Besteuerung der Vermögenssubstanz selbst. Als Steuern auf das Vermögen kommen bzw. kamen in Deutschland im Wesentlichen die Vermögensteuer, die Gewerbekapitalsteuer (als Teil der Gewerbesteuer) und die Grundsteuer in Betracht. Die Vermögensteuer wird allerdings für Zeiträume seit dem 1.1.1997 nicht erhoben, da das BVerfG mit Beschl. v. 22.6.1995 entschieden hat, dass § 10 Nr. 1 VStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist6 und der Gesetzgeber bisher keine Neuregelung vorgenommen hat. Eine Gewerbekapitalsteuer wird in Deutschland ebenfalls nicht mehr erhoben.
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Grundsteuer. Nachdem die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer in Deutschland nicht mehr erhoben werden, stellt aus deutscher Sicht einzig die Grund-
1 2 3 4
Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 44 (Stand: Mai 2006). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 45 (Stand: Mai 2006). Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 Rz. 29. Vgl. Gold in S/K/K, Art. 2 OECD-MA Rz. 13 (Stand: September 2009); Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.192. 5 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 Rz. 24. 6 Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 1191.
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D. Katalog der in den Geltungsbereich fallenden Steuern (Absatz 3)
Rz. 36–40 Art. 2
steuer noch eine Steuer vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 2 dar,1 weil Bemessungsgrundlage der Grundsteuer der Grundbesitz selbst als reine Vermögenssubstanz ist. Eine abkommensrechtliche Relevanz könnte die Grundsteuer dann erfahren, wenn der Wohnsitzstaat eine der deutschen Grundsteuer vergleichbare Besteuerung des Grundvermögens vorsieht, die ausländische Steuer jedoch nicht an das Objekt anknüpft, sondern an den Rechtsträger, der den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Grundbesitz ziehen kann.2 3. Sonstige Steuern Keine Anwendung auf Verbrauch- und Verkehrsteuern. Das OECD-MA findet kei- 37 ne Anwendung auf Verbrauch- und Verkehrsteuern. Verbrauchsteuern sind dadurch gekennzeichnet, dass sie unabhängig von der Leistungsfähigkeit allein den Gebrauch bzw. Verbrauch bestimmter Waren erfassen. Hierzu zählen z.B. die deutsche Energie-, Tabak-, Kaffee- und Mineralölsteuer. Verkehrsteuern sind Steuern, die auf die Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsverkehr erhoben werden. Sie knüpfen an die Übertragung von Gütern im Rechtsverkehr an, also an den Leistungsaustausch auf Grundlage von zivilrechtlichen Rechtsgeschäften. Zu ihnen gehören u.a. die deutsche Umsatz- und Grunderwerbsteuer. Da Bemessungsgrundlagen dieser Steuerarten weder das Einkommen, noch das Vermögen ist, sind sie vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens nicht umfasst. Keine Anwendung auf Nachlass-, Erbschaft- und Schenkungsteuern. Auch die 38 Erbschaft- und Schenkungsteuer unterfällt – wie auch eine Nachlasssteuer – nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens (vgl. bereits Rz. 27). Für diese Steuerarten sind ggf. eigenständige Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung abzuschließen. Derzeit bestehen derartige Abkommen mit Griechenland, Schweden, der Schweiz, den USA, Dänemark und Frankreich, wobei sich ein Teil dieser Abkommen nur auf die Erbschaft- und Nachlasssteuern beschränkt, also Steuern auf Schenkungen nicht umfasst. Im Verhältnis zu Dänemark und Schweden sind die Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Nachlass-, Erbschaftund Schenkungsteuern in die jeweiligen Abkommen für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen integriert.
D. Katalog der in den Geltungsbereich des Abkommens fallenden Steuern (Absatz 3) Verzeichnis der Steuern. In Art. 2 Abs. 3 ist vorgesehen, dass die Vertragsstaaten 39 die bei Abschluss des Abkommens geltenden Steuern, für die das Abkommen gelten soll, ausdrücklich benennen. In den deutschen DBA sind das in der Regel: Die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer. In einzelnen Abkommen sind zudem die Ergänzungsabgaben zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer ausdrücklich aufgenommen. Keine abschließende Aufzählung. Wie die im OECD-MA enthaltene Einschränkung 40 „insbesondere“ deutlich macht, kommt der in Art. 2 Abs. 3 vorgesehenen Aufzählung kein abschließender Charakter zu. Dementsprechend führt auch der OECD-MK hierzu aus, dass die Aufzählung nicht erschöpfend sei und nur der Veranschaulichung der Abs. 1 und 2 dienen solle (vgl. Art. 2 Rz. 6 Sätze 2 und 3 OECD-MK). Grundsätzlich solle jedoch ein vollständiges Verzeichnis der Steuern gegeben werden, die in jedem der Staaten im Zeitpunkt der Unterzeichnung erhoben werden und unter das Abkommen fallen (vgl. Art. 2 Rz. 6 Satz 4 OECD-MK). Dies bedeutet zunächst, dass eine Steuer, die in der Aufzählung des Art. 2 Abs. 3 des jeweiligen Einzelabkommens aufgeführt ist, in den sachlichen Anwendungsbereich dieses DBA fällt – und zwar auch dann, wenn diese Steuer nicht als Steuer vom Einkommen oder vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 1 und 2 einzuordnen sein sollte. Für die praktische Anwendung des Abkommens bedeu-
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 12, 32 (Stand: Mai 2006); Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 23; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.192. 2 Vgl. auch Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 23.
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Art. 2 Rz. 40–42
Unter das Abkommen fallende Steuern
tet die Aufnahme eines solchen Verzeichnisses weiter, dass der Rechtsanwender auf einen Blick erkennen kann, welche Steuern sicher dem in Frage kommenden Einzelabkommen unterfallen. Ist eine Steuer nicht in diesem Verzeichnis enthalten, so folgt daraus jedoch nicht zwingend, dass diese Steuer auch tatsächlich aus dem sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens herausfällt. Handelt es sich bei dieser Steuer um eine Steuer vom Einkommen oder vom Vermögen i.S. des Art. 2 Abs. 1 und 2, so ist der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens für diese Steuer eröffnet, auch wenn sie nicht in dem entsprechenden Verzeichnis aufgenommen ist.1 Bedeutung hat das Verzeichnis des Art. 2 Abs. 3 insoweit für die Steuerarten, bei denen nicht eindeutig ist, ob sie die Kriterien des Art. 2 Abs. 1 und 2 erfüllen. Bestand eine solche nicht eindeutig zuzuordnende Steuer im Zeitpunkt des Abschlusses des jeweiligen Einzelabkommens und wurde diese Steuer nicht in das Verzeichnis des Art. 2 Abs. 3 aufgenommen, so spricht der erste Anschein dafür, dass diese Steuer nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des jeweiligen Abkommens fällt.
E. Künftige Steuern gleicher oder ähnlicher Art (Absatz 4) 41
Künftige Steuern. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 sieht vor, dass das Abkommen nicht nur für die im Zeitpunkt der Unterzeichnung bestehenden Steuern, sondern auch für künftige Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art gelten soll, die neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Das OECD-MA trägt insoweit dem Umstand Rechnung, dass das Steuerrecht der Vertragsstaaten kein statischer Zustand ist. Würde das jeweilige Einzelabkommen nur auf die im Zeitpunkt der Unterzeichnung geltenden Steuern anzuwenden sein, so müsste dieses Abkommen bei jeder neu eingeführten Steuer – ggf. auch bei wesentlichen Änderungen bestehender Steuern – neu abgeschlossen, zumindest aber geändert werden. Dies wäre international kaum handhabbar. Umgekehrt zeigt Art. 2 Abs. 4 Satz 1, dass sich die vorstehenden Absätze des Art. 2 nur auf die bei der Unterzeichnung des Abkommens bereits erhobenen Steuern beziehen. Andernfalls wäre Art. 2 Abs. 4 Satz 1 letztlich überflüssig.2
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Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art. Die Kriterien, nach denen zu entscheiden ist, ob eine neu eingeführte oder geänderte Steuer „im Wesentlichen gleicher oder ähnlicher Art“ ist, gibt Art. 2 Abs. 4 nicht ausdrücklich vor. Klar ist insoweit, dass Steuern i.S. des Art. 2 Abs. 1 und 2 immer auch Steuern „gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art“ i.S. des Art. 2 Abs. 4 sind. Diese Steuern sind damit auch dann vom sachlichen Anwendungsbereich des DBA umfasst, wenn sie erst nach dessen Unterzeichnung erstmals erhoben werden.3 Vor diesem Hintergrund wäre eine in Deutschland wieder eingeführte Vermögensteuer von den deutschen DBA umfasst, sofern die Einzelabkommen entsprechend Art. 2 Abs. 1 den sachlichen Anwendungsbereich auch auf die Steuern vom Vermögen erstrecken.4 Ergänzend kommt hinzu, dass in diesen Abkommen die Vermögensteuer weiterhin in den Verzeichnissen der bestehenden Steuern geführt wird. Die Ähnlichkeits- bzw. Gleichartigkeitsprüfung ist daher hauptsächlich für die Steuern von Bedeutung, die nicht (eindeutig) den Steuern vom Einkommen oder vom Vermögen zugeordnet werden können. Hier ist entscheidend, ob diese Steuern im Verhältnis zu einer Steuer, die in der Art. 2 Abs. 3 entsprechenden Aufzählung des jeweiligen Einzelabkommens enthalten ist, gleicher oder ähnlicher Art sind. Insoweit kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zu Art. 72 Abs. 1 GG entwickelt wur-
1 Vgl. Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 25; Vogel in V/L5, Art. 2 Rz. 37. Einschränkend: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 56 (Stand: Mai 2006): Ist eine bei Abschluss des DBA bereits geltende Steuer nicht ist der Liste aufgeführt, so spricht eine Vermutung dafür, dass das DBA auf sie nach der Auffassung der Vertragsstaaten nicht anwendbar sein soll. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 Rz. 69 (Stand: Mai 2006). 3 Vgl. Mai in Haase2, Art. 2 OECD-MA Rz. 29; Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 47. 4 Von den neueren deutschen DBA ist z.B. das DBA-Niederlande nur auf die Steuern vom Einkommen beschränkt, umfasst also die Steuern auf das Vermögen nicht.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 42–47 Art. 2
den.1 Vorzunehmen ist ein Gesamtvergleich aller Tatbestandsmerkmale, insbesondere nach den Kriterien: Steuersubjekt, Steuerobjekt, Bemessungsgrundlage, Steuergläubiger und Erhebungsform.2 Dies kann jedoch nicht isoliert erfolgen. Die zu vergleichende Steuer ist vielmehr in das steuerliche Gesamtsystem des betreffenden Staates einzupassen.3 Änderungsmitteilung. Nach Art. 2 Abs. 4 Satz 2 haben die zuständigen Behörden 43 der Vertragsstaaten einander die in ihren Steuergesetzen eingetretenen bedeutsamen Änderungen mitzuteilen. Eine Frist, innerhalb der die Mitteilung zu erfolgen hat, ist im OECD-MA nicht vorgesehen. Die Mitteilung nach Art. 2 Abs. 4 Satz 2 hat weder eine positive noch eine negative konstitutive Wirkung.4 Insbesondere ist die Frage, ob eine Steuer vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst ist, weiterhin in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Unterbleibt die Mitteilung oder ist diese unvollständig, so können die entsprechenden Rechtsänderungen innerstaatlich selbstverständlich angewendet werden. Die neuen oder geänderten Steuern treten trotz der fehlenden oder unvollständigen Mitteilung in den sachlichen Anwendungsbereich des DBA ein, sofern diese im Übrigen (weiterhin) die Anforderungen des Art. 2 erfüllen. Durch den OECD-MK werden die Vertragsstaaten zudem ermutigt, über die in Art. 2 Abs. 4 Satz 2 genannten bedeutsamen Änderungen der Steuergesetze auch andere bedeutsame Entwicklungen, wie z.B. neue Richtlinien oder Gerichtsentscheidungen mitzuteilen (vgl. Art. 2 Rz. 8 Satz 2 OECD-MK). Den Mitgliedsstaaten steht es zudem (selbstverständlich) frei, die Mitteilungspflicht auf bedeutsame Änderungen anderer Gesetze auszudehnen, die Auswirkungen auf die vertraglichen Verpflichtungen nach dem Abkommen haben (vgl. Art. 2 Rz. 8 Satz 3 OECD-MK).
F. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 44 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien entspricht im Wesentlichen 45 Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Rein sprachlich stellt Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien auf die Steuern ab, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten erhoben werden. Weiter zählt die Vorschrift neben den Gebietskörperschaften auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger auf. Art. 2 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Belgien entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.
46
Art. 2 Abs. 3 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Belgien sieht entsprechend Art. 2 47 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern vor, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für Belgien sind dies: l’impôt des personnes physiques (Einkommensteuer der natürlichen Personen), l’impôt des societes (Körperschaftsteuer), l’impôt des personnes morales (Einkommensteuer der – nicht gewerblich tätigen – juristischen Personen), l’impôt des non-residents (Einkommensteuer der beschränkt Steuerpflichtigen), einschließlich der Vorsteuern (précomptes) und der Ergänzungsvor1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA, Rz. 68 ff. (Stand: Mai 2006), Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 44. Auf die Abgrenzung zwischen Steuern gleicher Art und Steuern ähnlicher Art kommt es dagegen nicht an. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA, Rz. 70 (Stand: Mai 2006). 3 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 2 Rz. 44. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA, Rz. 73.
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197
Art. 2 Rz. 47–53
Unter das Abkommen fallende Steuern
steuern (compléments de précomptes), der Zuschläge (centimes additionnels) zu diesen Steuern und Vorsteuern sowie der Gemeindezusatzsteuer (taxe communale additionelle) zur Einkommensteuer der natürlichen Personen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Grundsteuer, die Gewerbesteuer. Für alle aufgezählten Steuer ist klargestellt, dass es für die Einbeziehung in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auf die Art ihrer Erhebung nicht ankommt. 48
Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien findet im OECD-MA keine Entsprechung. Die Vorschrift weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auf die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen erhobene Gewerbesteuer aus.
49
Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien. Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Die Regelung im DBA-Belgien sieht allerdings anders als das OECD-MA vor, dass die Unterrichtung für die in den Steuergesetzen eingetretenen Änderungen am Ende eines jeden Jahres erfolgt. 2. Konsequenzen
50
Keine wesentlichen Abweichungen. Soweit Art. 2 DBA-Belgien vom OECD-MA abweicht, sind diese Abweichungen im Wesentlichen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit Art. 2 Abs. 1 DBA-Belgien über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien erstreckt den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens auch auf die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen erhobene Gewerbesteuer und hat insoweit im OECD-MA keine Entsprechung. Dies betraf ursprünglich die nach der Lohnsumme ermittelte Gewerbesteuer (vgl. Rz. 30 und 32). Nachdem die Gewerbesteuer nunmehr ausschließlich nach dem Gewerbeertrag zu bemessen ist, geht Art. 2 Abs. 4 DBA-Belgien derzeit ins Leere. Nach Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien teilen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander am Ende eines jeden Jahres die in ihren Steuergesetzen eingetretenen Änderungen mit. Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 4 OECD-MA enthält Art. 2 Abs. 5 DBA-Belgien damit eine Zeitbestimmung, innerhalb derer die gegenseitige Unterrichtung erfolgen soll. Anders als im OECD-MA ist die Unterrichtungsverpflichtung im DBA-Belgien zudem nicht auf bedeutsame Änderungen beschränkt. Praktische Auswirkungen ergeben sich hieraus aber nicht.
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 51
Art. 2 Abs. 1 DBA-China. Art. 2 Abs. 1 DBA-China entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Die Vorschrift stellt allerdings auf die Steuern […], die in einem der Vertragsstaaten erhoben werden ab, während Art. 2 Abs. 1 OECD-MA auf Steuern […], die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, Bezug nimmt.
52
Art. 2 Abs. 2 DBA-China. Art. 2 Abs. 2 DBA-China entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. Nicht in die Aufzählung der zu den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen zu zählenden Steuer aufgenommen sind im DBA-China aber die Lohnsummensteuern.
53
Art. 2 Abs. 3 DBA-China. Art. 2 Abs. 3 DBA-China enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen gelten soll. Für die Volksrepublik China sind dies: die persönliche Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer chinesisch-ausländischer Gemeinschaftsunternehmen, die Körperschaftsteuer ausländischer Unternehmen und die kommunale Körperschaftsteuer. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer. Im Gegensatz zum OECDMA fehlt in Art. 2 Abs. 3 DBA-China die Einschränkung „insbesondere“. 198
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 54–59 Art. 2
Art. 2 Abs. 4 DBA-China. Art. 2 Abs. 4 DBA-China entspricht im Wesentlichen 54 Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-China vom OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind. Die Regelung im DBA-China sieht zudem vor, dass die gegenseitige Unterrichtung in angemessener Zeit erfolgt. 2. Konsequenzen Bestimmung des Steuergläubigers. Im Gegensatz zum OECD-MA stellt der Wort- 55 laut des DBA-China nicht auf den Steuergläubiger ab. Ausreichend ist, dass die Steuer in einem der Vertragsstaaten erhoben wird. Hierin wird aber eine verkürzte Formulierung zu sehen sein,1 so dass sich das DBA-China letztlich nur auf die Steuern erstreckt, für die die Ertragshoheit bei einem der Vertragsstaaten liegt. Soweit Art. 2 Abs. 1 DBA-China hier nur die Vertragsstaaten selbst nennt, ist darin im Vergleich zum OECD-MA keine inhaltliche Änderung zu sehen. Insbesondere sind die deutschen Gebietskörperschaften als Teil der Bundesrepublik Deutschland vom sachlichen Anwendungsbereich des DBA-China umfasst. So ist auch die deutsche Gewerbesteuer in Art. 2 Abs. 3 DBA-China ausdrücklich als unter das Abkommen fallende Steuer benannt. Lohnsummensteuer. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 2 DBA-China 56 Lohnsummensteuern nicht aufgeführt. Zumindest in Deutschland wird derzeit eine solche Steuer allerdings auch nicht erhoben. Abschließende Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Anders 57 als im OECD-MA ist die in Art. 2 Abs. 3 DBA-China enthaltende Aufzählung der im Zeitpunkt der Abkommensunterzeichnung bestehenden Steuern nicht beispielhaft, sondern abschließend formuliert. Diese dem Grunde nach gegenüber dem OECD-MA engere Formulierung ist aber nur von eingeschränkter Bedeutung, weil nach Art. 2 Abs. 4 DBA-China das Abkommen auch auf die gleichartigen und ähnlichen Steuern anzuwenden ist, die nach der Unterzeichnung eingeführt wurden. Die Abweichungen in Art. 2 Abs. 4 DBA-China sind rein sprachlicher Natur. Dass das DBA-China eine zeitliche Bestimmung für die gegenseitige Unterrichtung enthält („innerhalb angemessener Zeit“), hat keine praktische Bedeutung.
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Überblick; Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich. Anders als im OECD-MA ist der sachli- 58 che Anwendungsbereich im DBA-Frankreich nicht in einem eigenen Artikel geregelt, sondern in Art. 1 integriert. Im Gegensatz zum OECD-MA wurde im DBA-Frankreich zudem darauf verzichtet, die unter das Abkommen fallenden Steuern abstrakt zu definieren bzw. zu umschreiben. Dementsprechend fehlt eine Art. 2 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung im DBA-Frankreich. Allerdings nennt Art. 1 Abs. 1 DBAFrankreich als Abkommenszweck, dass eine Doppelbesteuerung in Bezug auf die Steuern vermieden werden soll, „die nach dem Rechte dieser Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Departments, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden“. Das Abkommen zählt zudem in Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich die unter das Abkommen fallenden Steuern auf. Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ähnlich sind. Art. 1 Abs. 4 bestimmt, dass die Vertragsstaaten im beiderseitigen Einvernehmen Zweifel darüber klären werden, für welche Steuern das Abkommen zu gelten hat. Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich sieht eine Aufzählung der Steuern vor, für die das Abkommen gelten soll. Diese Regelung entspricht Art. 2
1 Hackemann/Pfaar in Wassermeyer, Art. 2 DBA-China Rz. 14 (Stand: Mai 2005).
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59
Art. 2 Rz. 59–64
Unter das Abkommen fallende Steuern
Abs. 3 OECD-MA. Die Aufzählung ist jedoch abschließend formuliert. Für die Französische Republik sind genannt: l’impôt sur le revenu des personnes physiques – taxe proportionnelle et surtaxe progressive (Steuer vom Einkommen natürlicher Personen – Proportionalsteuer und Progressivsteuer), le versement forfaitaire applicable à certains bénéfices des professions non commerciales (Pauschsteuer von bestimmten Gewinnen der freien Berufe), l’impôt sur les bénéfices des sociétés et autres personnes morales (Steuer von den Gewinnen der Gesellschaften und anderer juristischer Personen), la contribution des patentes (Gewerbesteuer), la taxe d’apprentissage (Lehrlingsabgabe), la contribution foncière sur les propriétés bâties et non bâties (Grundsteuer für bebaute und unbebaute Grundstücke), l’impôt de solidarité sur la fortune (Solidaritätsteuer vom Vermögen). Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Abgabe Notopfer Berlin, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer, die Grundsteuer. 60
Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich. Art. 1 Abs. 3 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECD-MA, verwendet aber eine andere Formulierung. Danach ist das DBA-Frankreich auch auf alle anderen ihrem Wesen nach gleichen oder ähnlichen Steuern anzuwenden, die nach seiner Unterzeichnung in einem der Vertragsstaaten oder in einem Gebiet eingeführt werden, auf das das Abkommen nach Artikel 27 ausgedehnt worden ist.
61
Art. 1 Abs. 4 DBA-Frankreich. Art. 1 Abs. 4 DBA-Frankreich enthält eine Verständigungsklausel, wonach die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten im beiderseitigen Einvernehmen alle etwaigen Zweifel darüber klären werden, für welche Steuern das Abkommen zu gelten hat. Diese Regelung hat im OECD-MA keine Entsprechung. 2. Konsequenzen
62
Keine Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Inhaltlich unterscheidet sich das DBA-Frankreich von dem OECD-MA im Wesentlichen dadurch, dass auf die in Art. 2 Abs. 2 OECD-MA enthaltene abstrakte Darstellung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet worden ist. Auch dies hat im Ergebnis aber nur eine eingeschränkte praktische Bedeutung. So findet sich etwa eine Art. 2 Abs. 1 OECD-MA vergleichbare Regelung in Art. 1 Abs. 1 DBA-Frankreich. Danach fallen die Steuern in den sachlichen Anwendungsbereich, die nach dem Rechte dieser Staaten unmittelbar vom Einkommen oder vom Vermögen oder als Gewerbesteuern oder Grundsteuern für die Vertragsstaaten, die Länder, die Departments, die Gemeinden oder Gemeindeverbände (auch in Form von Zuschlägen) erhoben werden. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Die in Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich enthaltene Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern ist anders als im OECD-MA abschließend. Die insoweit engere Formulierung führt letztlich aber nicht dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Frankreich eine im Vergleich zum OECD-MA geringere Reichweite hat, weil Art. 1 Abs. 2 DBA-Frankreich entsprechend Art. 2 Abs. 4 OECD-MA den sachlichen Anwendungsbereich auch auf die wesensgleichen oder ähnlichen Steuern ausweitet, die nach Unterzeichnung des Abkommen in einen der Staaten eingeführt wurden.
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 63
Art. 2 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Im DBA-Großbritannien sind lediglich neben den Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften auch die Länder der Vertragsstaaten aufgenommen worden.
64
Art. 2 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 65–72 Art. 2
Art. 2 Abs. 3 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Großbritannien enthält ent- 65 sprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für das Vereinigte Königreich sind dies: die Einkommensteuer („income tax“), die Körperschaftsteuer („corporation tax“) und die Steuer vom Veräußerungsgewinn („capital gains tax“). Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Art. 2 Abs. 4 DBA-Großbritannien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Großbritannien entspricht 66 im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Großbritannien von dem OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind. 2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen. Die Abweichungen in Art. 2 DBA-Großbritan- 67 nien, sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Im DBA-Indien sind neben den Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften lediglich auch die Länder der Vertragsstaaten aufgenommen worden.
68
Art. 2 Abs. 2 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 2 69 Abs. 2 OECD-MA. Im DBA-Indien sind allerdings die Steuern vom Vermögenszuwachs nicht ausdrücklich den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen zugeordnet. Art. 2 Abs. 3 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Indien enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Republik Indien sind genannt: die Einkommensteuer, einschließlich darauf entfallender Zusatzsteuern und die Vermögensteuer. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Gewerbesteuer.
70
Art. 2 Abs. 4 DBA-Indien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Indien entspricht im Wesentlichen 71 Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Indien von dem OECD-MA darin, dass die wichtigen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind. 2. Konsequenzen Keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen. Die Abweichungen des Art. 2 72 DBA-Indien vom OECD-MA sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Dass die Vermögenszuwachssteuer in Art. 2 Abs. 2 DBA-Indien nicht in die Aufzählung der Steuern vom Einkommen aufgenommen wurde, hat keine praktische Auswirkung. Insbesondere ist nach der hier vertretenen Auffassung die deutsche Wegzugsbesteuerung auch abkommensrechtlich als Steuer vom Einkommen im engeren Sinne in den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens einzubeziehen (Vgl. Rz. 34).
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Art. 2 Rz. 73–79
Unter das Abkommen fallende Steuern
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 73
Art. 2 Abs. 1 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 1 DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Im DBA-Italien sind neben den Vertragsstaaten und deren Gebietskörperschaften lediglich auch die Länder der Vertragsstaaten aufgenommen worden.
74
Art. 2 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 2 DBA-Italien entspricht Art. 2 Abs. 2 OECDMA.
75
Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen gelten soll. Für die Italienische Republik sind genannt: die Steuer vom Einkommen natürlicher Personen (imposta sul reddito delle persone fisiche), die Steuer vom Einkommen juristischer Personen (imposta sul reddito delle persone giuridiche) und die lokale Steuer vom Einkommen (imposta locale sui redditi), auch wenn sie im Abzugsweg erhoben werden. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer. Im Gegensatz zum OECD-MA fehlt in Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien die Einschränkung „insbesondere“.
76
Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien. Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Auf Grund der dem Wortlaut nach abschließenden Aufzählung des Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien wird in Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien auf diese Aufzählung und nicht auf die bestehenden Steuern abgestellt. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Italien von dem OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind.
77
Protokoll. Das Protokoll zum DBA-Italien enthält zu Art. 2 die Ergänzung, dass bei Einführung einer Vermögensteuer in der Italienischen Republik das Abkommen auch auf diese Steuer Anwendung findet. 2. Konsequenzen
78
Keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen. Art. 2 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 2 OECD-MA. Soweit das Abkommen über das OECDMA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Anders als im OECD-MA fehlt in der Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern in Art. 2 Abs. 3 DBA-Italien die Einschränkung „insbesondere“. Dies ist aber nur von eingeschränkter Bedeutung, zumal nach Art. 2 Abs. 4 DBA-Italien das Abkommen auch auf die gleichartigen und ähnlichen Steuern anzuwenden ist, die nach Unterzeichnung eingeführt wurden.
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 79
Fehlende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Im Gegensatz zum OECD-MA wurde im DBA-Japan darauf verzichtet, die unter das Abkommen fallenden Steuern abstrakt zu definieren bzw. zu umschreiben. Dementsprechend fehlt eine Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechende Regelung im DBAJapan. Das Abkommen zählt lediglich in Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan die unter das Abkommen fallenden Steuern auf. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ihrem Wesen nach ähnlich sind. Art. 2 Abs. 3 DBA-Japan enthält schließlich eine Sonderregelung für die deutsche Gewerbesteuer, die japanischen örtlichen Einwohnersteuern und die japanische Unternehmensteuer, soweit diese Steuern nicht nach dem Einkommen oder dem Gewinn bemessen werden.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 80–85 Art. 2
Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan. Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan sieht entsprechend Art. 2 Abs. 3 80 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern vor, für die das Abkommen gelten soll, während auf eine in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA enthaltende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet wurde. Für Japan sind in dem DBA folgende Steuern aufgezählt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die örtlichen Einwohnersteuern und die Unternehmensteuer. Für Deutschland sind in dem DBA folgende Steuern aufgeführt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan weitet den sachlichen Anwen- 81 dungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ihrem Wesen nach ähnlich sind. Die Regelung entspricht damit im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Eine Art. 2 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA entsprechende Verpflichtung der Vertragsstaaten, sich über Änderungen in ihren jeweiligen Steuergesetzen zu informieren, ist im DBA-Japan allerdings nicht enthalten. Art. 2 Abs. 3 DBA-Japan. Art. 2 Abs. 3 DBA-Japan weitet den sachlichen Anwen- 82 dungsbereich des Abkommens auf die deutsche Gewerbesteuer, die japanischen örtlichen Einwohnersteuern und die japanische Unternehmensteuer aus, soweit diese Steuern nicht nach dem Einkommen oder dem Gewinn bemessen werden. Diese Regelung wäre allerdings nicht erforderlich gewesen, weil die vorgenannten Steuern in Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan bereits aufgezählt sind, ohne dass dort insoweit eine Einschränkung auf die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag enthalten ist. 2. Konsequenzen Keine Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Inhaltlich un- 83 terscheidet sich das DBA-Japan von dem OECD-MA im Wesentlichen dadurch, dass in diesem Abkommen auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA enthaltene abstrakte Darstellung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet worden ist. Die in Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan enthaltene Aufzählung hat somit innerhalb des Abkommens eine größere Bedeutung, als die in Art. 2 Abs. 3 OECD-MA vorgesehene Aufzählung. Sie ist – anders als die im OECD-MA vorgesehene Aufzählung – auch abschließend formuliert. Die insoweit engere Formulierung führt letztlich aber nicht dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Japan eine im Vergleich zum OECD-MA geringere Reichweite hat, zumal Art. 2 Abs. 2 DBA-Japan den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern ausweitet, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ihrem Wesen nach ähnlich sind. Dass im DBA-Japan eine Art. 2 Abs. 4 Satz OECD-MA entsprechende Verpflichtung zur gegenseitigen Unterrichtung über Änderungen in den Steuergesetzen fehlt, hat keine praktische Bedeutung. Eine solche Verpflichtung ergibt sich bereits als allgemeine Nebenpflicht aus dem völkerrechtlichen Vertrag.
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 1 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen 84 dem OECD-MA. Lediglich sprachliche Bedeutung hat die Ergänzung im DBA-Kanada, nach der das Abkommen für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gilt, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten erhoben werden. Für Kanada fehlt der Verweis auf die Gebietskörperschaften. Für die Bundesrepublik Deutschland werden die Steuern erfasst, die für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland, eines ihrer Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden. Die deutschen Länder sind damit – anders als im OECD-MA – im DBA-Kanada ausdrücklich erwähnt. Art. 2 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 2 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen 85 Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. In der Aufzählung der unter die Steuern vom Einkommen
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203
Art. 2 Rz. 85–92
Unter das Abkommen fallende Steuern
und vom Vermögen fallenden Steuerarten sind im DBA-Kanada allerdings die Lohnsummensteuern nicht enthalten. 86
Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen gelten soll. Für Kanada sind genannt: die von der kanadischen Regierung nach dem Einkommensteuergesetz (Income Tax Act) erhobenen Steuern. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag. Im Gegensatz zum OECD-MA fehlt in Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada die Einschränkung „insbesondere“.
87
Art. 2 Abs. 4 DBA-Kanada. Art. 2 Abs. 4 DBA-Kanada entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Das DBA-Kanada stellt lediglich auf die Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art vom Einkommen und für Steuern vom Vermögen, die nach der Unterzeichnung des Abkommens neben den bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden, ab. Es sind nach dem DBA-Kanada die maßgebenden und nicht – wie im OECD-MA – die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen. 2. Konsequenzen
88
Bestimmung der Vertragsstaaten. Anders als im OECD-MA sind im DBA-Kanada nicht sämtliche Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten als Steuergläubiger genannt. Aufgeführt sind lediglich die deutschen Länder und Gebietskörperschaften. Hintergrund ist, dass der kanadische Bundesstaat die kanadischen Provinzen völkerrechtlich nicht verpflichten kann. Praktische Auswirkungen sind aus dieser Einschränkung allerdings nicht abzuleiten, weil die von den meisten Provinzen erhobene Einkommensteuer Bestandteil der Bundessteuern sind. Zudem sieht Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Kanada vor, dass auch die an kanadische Gebietskörperschaften gezahlte Einkommensteuer in Deutschland anrechenbar ist.1 Soweit das Abkommen über das OECD-MA die deutschen Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17)
89
Keine wesentlichen Abweichungen. Im Übrigen entspricht das DBA-Kanada im Wesentlichen dem OECD-MA. Das in der Aufzählung der unter die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen fallenden Steuerarten im DBA-Kanada die Lohnsummensteuer nicht enthalten sind, hat keine praktische Auswirkung. Gleiches gilt in Bezug auf Art. 2 Abs. 3 DBA-Kanada, in dem die Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern abschließend formuliert ist.
IX. Luxemburg2 1. Abweichungen zum OECD-MA 90
Art. 2 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012. Art. 2 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 die Länder der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt.
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Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012. Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.
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Art. 2 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012. Art. 2 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Das DBA-Luxemburg 2012 enthält hier lediglich eine sprachliche Ergänzung indem auf die „zurzeit bestehenden Steuern“ abgestellt wird. Für das Großherzogtum Luxemburg sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer jeweils einschließ1 Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Kanada Rz. 6 (Stand: März 2003). 2 Im Zeitpunkt der Drucklegung lag nur die unterzeichnete, aber noch nicht ratifizierte Fassung des neuen DBA mit Luxemburg vor.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 92–100 Art. 2
lich darauf entfallender Zusatzsteuern. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer jeweils einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge. Art. 2 Abs. 4 DBA-Luxemburg 2012. Art. 2 Abs. 4 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 2 Abs. 4 OECD-MA.
93
2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen. Die Abweichungen in Art. 2 DBA-Luxemburg 94 2012, sind sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).
X. Niederlande1 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012. Art. 2 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 ent- 95 spricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBANiederlande 2012 die Länder der Bundesrepublik Deutschland – im Text doppelt – ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt. Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012. Anders als das OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 2 96 DBA-Niederlande 2012 die Steuern vom Vermögen nicht in der Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern enthalten. Hinsichtlich der Steuern vom Einkommen entspricht Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. Art. 2 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012. Art. 2 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 enthält 97 entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für das Königreich der Niederlande sind genannt: die Einkommensteuer („inkomstenbelasting“), die Lohnsteuer („loonbelasting“), die Körperschaftsteuer („vennootschapsbelasting“), einschließlich eines nach dem Bergbaugesetz („Mijnbouwwet“) erhobenen staatlichen Anteils am Nettogewinn aus der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und die Dividendensteuer („dividendbelasting“). Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Vermögensteuern sind nicht in der Aufzählung aufgeführt. Art. 2 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012. Art. 2 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 ent- 98 spricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Niederlande 2012 von dem OECD-MA darin, dass die wesentlichen und nicht die bedeutsamen Änderungen mitzuteilen sind. 2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen im Bereich der Steuern vom Einkommen. Die 99 Abweichungen vom OECD-MA in Art. 2 DBA-Niederlande 2012 sind für die Steuern vom Einkommen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17) Keine Ausweitung auf Steuern vom Vermögen. Im Gegensatz zum OECD-MA um- 100 fasst der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Niederlande 2012 nicht die Steuern vom Vermögen. Auch bei einer Wiedereinführung der Vermögensteuer in Deutschland wäre diese somit vom DBA-Niederlande 2012 nicht umfasst. 1 Im Zeitpunkt der Drucklegung lag nur die unterzeichnete, aber noch nicht ratifizierte Fassung des neuen DBA mit den Niederlanden vor.
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205
Art. 2 Rz. 101–108
Unter das Abkommen fallende Steuern
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 101
Art. 2 Abs. 1 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA.
102
Art. 2 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 2 DBA-Österreich entspricht Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.
103
Art. 2 Abs. 3 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 3 DBA-Österreich enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Republik Österreich sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Grundsteuer, die Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und die Abgabe vom Bodenwert bei unbebauten Grundstücken, jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Grundsteuer, jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge. Die Vermögensteuern sind in der Aufzählung nicht aufgeführt.
104
Art. 2 Abs. 4 DBA-Österreich. Art. 2 Abs. 4 DBA-Österreich entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. Rein sprachlich unterscheidet sich das DBA-Österreich von dem OECD-MA darin, dass die Änderungen in den Steuergesetzen, soweit für die Abkommensanwendung erforderlich, mitzuteilen sind, während das OECDMA von den bedeutsamen Änderungen spricht. Anders als das OECD-MA sieht das DBA-Österreich vor, dass die Änderungen am Ende eines jeden Jahres mitzuteilen sind. Das OECD-MA enthält insoweit keine zeitliche Vorgabe.
105
Protokoll. Das Protokoll zum DBA-Österreich enthält zu Art. 2 DBA-Österreich eine Ergänzung, nach der der Ausdruck „Gebietskörperschaften“ für beide Vertragsstaaten auch die jeweiligen (Bundes-)Länder und Gemeinden umfasst. 2. Konsequenzen
106
Keine wesentlichen Abweichungen. Soweit Art. 2 DBA-Österreich vom OECD-MA abweicht, sind diese Abweichungen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Das in der Aufzählung der unter das Abkommen fallenden Steuern in Art. 2 Abs. 3 DBA-Österreich die Vermögensteuern nicht aufgeführt sind, hat keine praktische Auswirkung. Sollte Deutschland zukünftig eine Vermögensteuer erheben, würde diese nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 2 Abs. 2 DBA-Österreich in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 DBA-Österreich unter das Abkommen fallen. Soweit über das OECD-MA hinaus im Protokoll zum DBA-Österreich auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt sind, wird dadurch der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Eine Sonderregelung ist allerdings noch im Protokoll zu Art. 24 für die Kommunalsteuer enthalten.
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 107
Art. 2 Abs. 1 DBA-Russland. Entsprechend dem OECD-MA umfasst der sachliche Anwendungsbereich des DBA-Russland nach Art. 2 Abs. 1 die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Der erste Satzteil des Art. 2 Abs. 1 DBA-Russland stimmt wörtlich mit dem OECD-MA überein. Während das OECD-MA weiter von den Steuern, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, spricht, stellt das DBA-Russland auf die Steuern ab, die nach dem Steuerrecht jedes der Vertragsstaaten zu entrichten sind.
108
Art. 2 Abs. 2 DBA-Russland. Rein sprachlicher Natur ist es, dass das DBA-Russland in Art. 2 Abs. 2 auf die Steuern und nicht – wie das OECD-MA – auf alle Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, einschließlich der Steuern auf Einkünfte (nicht wie das OECD-MA: Gewinn) aus der Veräußerung beweglichen oder unbeweglichen Ver-
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 108–115 Art. 2
mögens abstellt. Anders als das OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 2 DBA-Russland die Lohnsummensteuern sowie die Steuern vom Vermögenszuwachs nicht aufgeführt. Art. 2 Abs. 3 DBA-Russland. Art. 2 Abs. 3 DBA-Russland enthält entsprechend 109 Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Russische Föderation sind genannt: die Gewinnsteuer der Unternehmen und Organisationen, die Einkommensteuer von natürlichen Personen, die Vermögensteuer der Unternehmen und die Vermögensteuer der natürlichen Personen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind genannt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und der Solidaritätszuschlag. Art. 2 Abs. 4 DBA-Russland. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 DBA-Russland entspricht wörtli- 110 che Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECD-MA. In Art. 2 Abs. 4 Satz 2 DBA-Russland ist vorgesehen, dass die Änderungen in den Steuergesetzen, soweit erforderlich, mitzuteilen sind, während das OECD-MA von den bedeutsamen Änderungen spricht. Protokoll. Das Protokoll enthält zu Art. 2 DBA-Russland folgende Ergänzung: Es 111 besteht Einvernehmen darüber, dass dieses Abkommen auf die in Artikel 2 aufgezählten Steuern angewendet wird, die auf Bundesebene, regionaler und örtlicher Ebene erhoben werden. 2. Konsequenzen Keine wesentlichen Abweichungen. Soweit Art. 2 DBA-Russland vom OECD-MA 112 abweicht, sind diese Abweichungen sprachlicher Art und führen zu keinen inhaltlichen Änderungen. Das gilt insbesondere soweit Art. 2 Abs. 1 DBA-Russland nicht auf die Steuern abstellt, die für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden, sondern, „die nach dem Steuerrecht jedes der Vertragsstaaten zu entrichten sind“. Das Protokoll zu Art. 2 DBA-Russland stellt klar, dass hierzu auch die Steuern gehören, die auf Bundesebene, regionaler und örtlicher Ebene erhoben werden. Trotz des insoweit vom OECD-MA abweichende Wortlaut sind auch vom DBA-Russland nur die Steuern umfasst, für die die Vertragsstaaten (einschließlich der Untergliederungen) die Ertragshoheit haben.
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz entspricht im Wesentlichen 113 Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz die Länder, Kantone, Bezirke, Kreise, Gemeinden und Gemeindeverbände ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt. In Art. 2 Abs. 1 DBA-Schweiz ist zudem ausdrücklich durch einen Klammerzusatz klargestellt, dass auch die Steuern unter das Abkommen fallen, die in Form von Zuschlägen erhoben werden. Art. 2 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz entspricht im We- 114 sentlichen Art. 2 Abs. 2 OECD-MA. Im DBA-Schweiz ist lediglich ausgeführt, dass vom dem Abkommen die ordentlichen und außerordentlichen Steuern umfasst sind. Eine Besonderheit ist im DBA-Schweiz in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 enthalten, der im OECD-MA keine Entsprechung hat. Danach gilt das Abkommen nicht für an der Quelle erhobene Steuern von Lotteriegewinnen. Art. 2 Abs. 3 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 3 DBA-Schweiz enthält entsprechend Art. 2 115 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für die Schweizerische Eidgenossenschaft sind dies: die von Bund, Kantonen, Bezirken, Kreisen, Gemeinden und Gemeindeverbänden erhobenen Steuern vom Einkommen (Gesamteinkommen, Erwerbseinkommen, Vermögensertrag, Geschäftsertrag, Kapitalgewinn usw.) vom Vermögen (Gesamtvermögen, bewegliches und unbewegliches Vermögen, Geschäftsvermögen, Kapital und Reserven usw.). Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer einschließlich der Ergänzungsabgabe dazu, die Körperschaftsteuer einschließlich der Ergänzungsabgabe dazu, die Vermögensteuer, die Grundsteuer und die Gewerbesteuer. Dremel
207
Art. 2 Rz. 116–123
Unter das Abkommen fallende Steuern
116
Art. 2 Abs. 4 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 4 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 2 Abs. 4 Satz 1 OECD-MA. Das DBA-Schweiz enthält nicht die Einschränkung im Wesentlichen ähnlicher Art. Zudem verwendet das DBA-Schweiz den Begriff künftig erhobener Steuern, während das OECD-MA die nach der Unterzeichnung des Abkommens erhobenen Steuern benennt. Eine Mitteilungspflicht über Änderungen in den Steuergesetzen sieht das DBA-Schweiz nicht vor. Eine Art. 2 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung ist im DBA-Schweiz nicht enthalten.
117
Art. 2 Abs. 5 DBA-Schweiz. Art. 2 Abs. 5 DBA-Schweiz hat im OECD-MA keine Entsprechung. Danach gelten die Bestimmungen des Abkommens über die Besteuerung der Unternehmensgewinne entsprechend für die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen erhobene Gewerbesteuer. Die Regelung läuft allerdings derzeit leer (vgl. nachfolgend Rz. 118). 2. Konsequenzen
118
Keine wesentlichen inhaltlichen Abweichungen. Art. 2 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 2 OECD-MA. Dass das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, führt nicht zu einer Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs des Abkommens, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17). Soweit im DBA-Schweiz ausgeführt ist, dass von dem Abkommen die ordentlichen und außerordentlichen Steuern umfasst sind, hat dies keine sachliche Konsequenz im Vergleich zum OECD-MA.1 Dass in Art. 2 Abs. 5 DBA-Schweiz die Bestimmungen des Abkommens über die Besteuerung der Unternehmensgewinne entsprechend für die nicht nach dem Gewinn oder dem Vermögen der erhobenen Gewerbesteuer gelten, hat insoweit keine praktische Auswirkung mehr, da die deutsche Gewerbesteuer derzeit ausschließlich nach dem Gewerbeertrag bemessen wird (vgl. Rz. 30).
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 119
Art. 2 Abs. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 2 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 2 Abs. 1 OECD-MA. Anders als im OECD-MA sind in Art. 2 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 die Länder der Vertragsstaaten ausdrücklich als taugliche Steuergläubiger aufgeführt.
120
Art. 2 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 2 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht wörtlich Art. 2 Abs. 2 OECD-MA.
121
Art. 2 Abs. 3 DBA-Spanien 2011. Art. 2 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 enthält entsprechend Art. 2 Abs. 3 OECD-MA eine Aufzählung der Steuern, für die das Abkommen insbesondere gelten soll. Für das Königreich Spanien sind dies: die Einkommensteuer der natürlichen Personen, die Körperschaftsteuer, die Einkommensteuer der Auslandsansässigen, die Vermögensteuer und örtliche Einkommen- und Vermögensteuern. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer, jeweils einschließlich der hierauf erhobenen Zuschläge.
122
Art. 2 Abs. 4 DBA-Spanien 2011. Art. 2 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 entspricht im Wesentlichen Art. 2 Abs. 4 OECD-MA. In Satz 2 ist lediglich eine Ergänzung dahingehend vorgenommen, dass die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander gegenseitig die bedeutsamen Änderungen in den Steuergesetzen mitteilen, soweit dies für die Anwendung des Abkommens erforderlich ist. 2. Konsequenzen
123
Keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen. Die Abweichungen sind im Wesentlichen sprachlicher Natur. Soweit das Abkommen über das OECD-MA hinaus auch die Länder der Vertragsstaaten als taugliche Steuergläubiger aufzählt, wird dadurch
1 Brandis in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Schweiz Rz. 27 (Stand: Januar 2004).
208
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 123–127 Art. 2
der sachliche Anwendungsbereich des Abkommens nicht erweitert, da die Länder Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten sind (vgl. Rz. 17).
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA Fehlende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. 124 Im Gegensatz zum OECD-MA wurde im DBA-USA darauf verzichtet, die unter das Abkommen fallenden Steuern abstrakt zu definieren bzw. zu umschreiben. Dementsprechend fehlt eine Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA entsprechende Regelung im DBAUSA. Das Abkommen zählt lediglich in Art. 2 Abs. 1 DBA-USA konkret die unter das Abkommen fallenden Steuern auf. Art. 2 Abs. 2 DBA-USA weitet den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten Steuern aus, soweit diese den in der Aufzählung des Abs. 1 enthaltenen Steuern ähnlich sind. Art. 2 Abs. 1 DBA-USA. Art. 2 Abs. 1 DBA-USA sieht eine Aufzählung der Steuern 125 vor, für die das Abkommen gelten soll. Diese Regelung entspricht Art. 2 Abs. 3 OECD-MA. Die Aufzählung innerhalb des Art. 2 Abs. 1 DBA-USA hat allerdings innerhalb des DBA eine größere Bedeutung als die in Art. 2 Abs. 3 OECD-MA vorgesehene Aufzählung, weil in dem DBA-USA auf die in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 OECD-MA enthaltende abstrakte Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet wurde. Dementsprechend ist die Aufzählung auch abschließend formuliert. Für die Vereinigten Staaten von Amerika sind folgende Steuern aufgezählt: die auf Grund des Internal Revenue Code erhobenen Bundeseinkommensteuern mit Ausnahme der Steuer auf thesaurierte Gewinne (accumulated earnings tax), der Steuer auf personenbezogene Holdinggesellschaften (personal holding company tax) und der Sozialabgaben und die Abgabe auf Versicherungsprämien (federal excise tax), die an ausländische Versicherer gezahlt werden. Das Abkommen gilt jedoch für die Abgabe auf Versicherungsprämien, die an ausländische Versicherer gezahlt werden, nur insoweit, als die durch die Prämien gedeckten Risiken nicht bei einer Person rückversichert sind, die nicht berechtigt ist, die Vergünstigungen dieses oder eines anderen Abkommens, das eine Freistellung von dieser Abgabe vorsieht, in Anspruch zu nehmen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind folgende Steuern aufgezählt: die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensteuer. Art. 2 Abs. 2 DBA-USA. Art. 2 Abs. 2 DBA-USA entspricht wörtlich Art. 2 Abs. 4 OECD-MA.
126
2. Konsequenzen Keine Umschreibung der unter das Abkommen fallenden Steuern. Inhaltlich un- 127 terscheidet sich das DBA-USA von dem OECD-MA im Wesentlichen dadurch, dass in diesem Abkommen auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 OECD-MA enthaltene abstrakte Darstellung der unter das Abkommen fallenden Steuern verzichtet worden ist. Die in Art. 2 Abs. 1 DBA-USA enthaltene Aufzählung hat somit innerhalb des Abkommens eine größere Bedeutung, als die in Art. 2 Abs. 3 OECD-MA vorgesehene Aufzählung. Sie ist – anders als die im OECD-MA vorgesehene Aufzählung – auch abschließend formuliert. Die insoweit engere Formulierung führt letztlich aber nicht dazu, dass der sachliche Anwendungsbereich des DBA-USA eine im Vergleich zum OECD-MA geringere Reichweite hat. So ist etwa der deutsche Solidaritätszuschlag – auch wenn er in der abschließenden Aufzählung des Art. 2 Abs. 1 DBA-USA nicht enthalten ist – vom sachlichen Anwendungsbereich des Abkommens umfasst,1 zumal Art. 2 Abs. 2 DBAUSA den sachlichen Anwendungsbereich des Abkommen auf die nach Unterzeichnung des Abkommens neu eingeführten, im Wesentlichen ähnlichen Steuern ausweitet.
1 Vgl. Eimermann in Wassermeyer, Art. 2 DBA-USA Rz. 14 (Stand: Mai 2009).
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209
Art. 2 Rz. 128 128
Unter das Abkommen fallende Steuern
Keine Ausweitung auf die Steuern der US-Einzelstaaten und Gemeinden. Anders als im OECD-MA sind im DBA-USA nicht sämtliche Gebietskörperschaften der Vertragsstaaten als Steuergläubiger genannt. Aufgeführt sind lediglich die deutschen Länder und Gebietskörperschaften. Eine entsprechende Regelung für die US-Einzelstaaten fehlt. Hintergrund ist, dass in den USA der Bund die Einzelstaaten völkerrechtlich nicht verpflichten kann.1
1 Zu den Folgen vgl. Eimermann in Wassermeyer, Art. 2 DBA-USA Rz. 4 (Stand: Mai 2009).
210
Dremel
Abschnitt II. Begriffsbestimmungen Artikel 3
Allgemeine Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieses Abkommens, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, a) umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; b) bedeutet der Ausdruck „Gesellschaft“ juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden; c) bezieht sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit; d) bedeuten die Ausdrücke „Unternehmen eines Vertragsstaats“ und „Unternehmen des anderen Vertragsstaats“, je nachdem, ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird, oder ein Unternehmen, das von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird; e) bedeutet der Ausdruck „internationaler Verkehr“ jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug, das von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat betrieben wird, es sei denn, das Seeschiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben; f) bedeutet der Ausdruck „zuständige Behörde“ i) (in Staat A): … ii) (in Staat B): … g) bedeutet der Ausdruck „Staatsangehöriger“ in Bezug auf einen Vertragsstaat i) jede natürliche Person, die die Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft dieses Vertragsstaats besitzt; und ii) jede juristische Person, Personengesellschaft und andere Personenvereinigung, die nach dem in diesem Vertragsstaat geltenden Recht errichtet worden ist; h) schließt der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit ein. (2) Bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
..
1
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
1 2 3 3 4 5 5 6 7
B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1) . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 8
II. Der Zusammenhang erfordert nichts anderes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Person (Buchst. a und b) . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . 2. Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaften (Buchst. b) . . . . . . . . . a) Bedeutung der Definition . . . . . . . . b) Juristische Personen . . . . . . . . . . . c) Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden . . . . . . 4. Andere Personenvereinigungen . . . . . 5. Sonstige Rechtsgebilde . . . . . . . . . . . . IV. Unternehmen (Buchst. c) . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . .
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9 10 10 12 13 13 14
20 23 24 26 26
211
Art. 3
Allgemeine Begriffsbestimmungen
2. Begriff der Geschäftstätigkeit . . . . . . . 3. Begriff des Unternehmens . . . . . . . . . . V. Unternehmen des einen bzw. des anderen Vertragsstaates (Buchst. d) . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Personengesellschaften (insbesondere bei Qualifikationskonflikten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Internationaler Verkehr (Buchst. e) . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zuständige Behörde (Buchst. f) . . . . . VIII. Staatsangehöriger (Buchst. g) . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . 2. Staatsangehörigkeit von natürlichen Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsangehörigkeit von juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen . IX. Geschäftstätigkeit (Buchst. h) . . . . . . 1. Bedeutung der Definition . . . . . . . . . . 2. Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2) . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtscharakter der Norm . . . . . . . . . III. Bedeutung und rechtspolitische Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematische Einordnung . . . . . . . . . V. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung des Abkommens . . . . . . . 2. Im Abkommen nicht definierter Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Autonome DBA-Definitionen . . . . . b) Inkorporierte DBA-Definitionen . . c) Sonstige „Definitionen“ . . . . . . . . . 3. Der Zusammenhang darf nichts anderes erfordern. . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerrechtliche Bedeutung des Ausdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsfolge: Rückgriff auf die steuerrechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . .
29 30 37 37 38
41 43 43 44 47 49 49 50
53 55 55 56 58 58 60 62 64 67 67 68 68 71 73 74 77 82
D. Deutsches Muster-DBA. . . . . . . . . . . .
84
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . .
85
I. 1. 2. II. 1. 2. III. 1. 2. IV. 1. 2. V. 1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2. X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2. XIV. 1. 2. XV. 1. 2.
Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Großbritannien . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85 85 90 92 92 99 101 101 109 112 112 120 123 123 133 137 137 144 146 146 153 155 155 162 166 166 176 178 178 189 192 192 199 201 201 207 210 210 217 220 220 230 233 233 240
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 3 CONCERNING GENERAL DEFINITIONS 1. This Article groups together a number of general provisions required for the interpretation of the terms used in the Convention. The meaning of some important terms, however, is explained elsewhere in the Convention. Thus, the terms “resident” and 212
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Art. 3
OECD-Musterkommentar
“permanent establishment” are defined in Articles 4 and 5 respectively, while the interpretation of certain terms appearing in the Articles on special categories of income (“income from immovable property”, “dividends”, etc.) is clarified by provisions embodied in those Articles. In addition to the definitions contained in the Article, Contracting States are free to agree bilaterally on definitions of the terms “a Contracting State” and “the other Contracting State”. Furthermore, Contracting States are free to agree bilaterally to include in the possible definitions of “Contracting States” a reference to continental shelves. Paragraph 1 The term “person” 2. The definition of the term “person” given in subparagraph a) is not exhaustive and should be read as indicating that the term “person” is used in a very wide sense (see especially Articles 1 and 4). The definition explicitly mentions individuals, companies and other bodies of persons. From the meaning assigned to the term “company” by the definition contained in subparagraph b) it follows that, in addition, the term “person” includes any entity that, although not incorporated, is treated as a body corporate for tax purposes. Thus, e.g. a foundation (fondation, Stiftung) may fall within the meaning of the term “person”. Partnerships will also be considered to be “persons” either because they fall within the definition of “company” or, where this is not the case, because they constitute other bodies of persons. The term “company” 3. The term “company” means in the first place any body corporate. In addition, the term covers any other taxable unit that is treated as a body corporate according to the tax laws of the Contracting State in which it is organised. The definition is drafted with special regard to the Article on dividends. The term “company” has a bearing only on that Article, paragraph 7 of Article 5, and Article 16. The term “enterprise” 4. The question whether an activity is performed within an enterprise or is deemed to constitute in itself an enterprise has always been interpreted according to the provisions of the domestic laws of the Contracting States. No exhaustive definition of the term “enterprise” has therefore been attempted in this Article. However, it is provided that the term “enterprise” applies to the carrying on of any business. Since the term “business” is expressly defined to include the performance of professional services and of other activities of an independent character, this clarifies that the performance of professional services or other activities of an independent character must be considered to constitute an enterprise, regardless of the meaning of that term under domestic law. States which consider that such clarification is unnecessary are free to omit the definition of the term “enterprise” from their bilateral conventions. The term “international traffic” 5. The definition of the term “international traffic” is based on the principle set forth in paragraph 1 of Article 8 that the right to tax profits from the operation of ships or aircraft in international traffic resides only in the Contracting State in which the place of effective management is situated in view of the special nature of the international traffic business. However, as stated in the Commentary on paragraph 1 of Article 8, the Contracting States are free on a bilateral basis to insert in subparagraph e) a reference to residence, in order to be consistent with the general pattern of the other Articles. In such a case, the words “an enterprise that has its place of effective management in a Contracting State” should be replaced, by “an enterprise of a Contracting State” or “a resident of a Contracting State”. 6. The definition of the term “international traffic” is broader than is normally understood. The broader definition is intended to preserve for the State of the place of effective management the right to tax purely domestic traffic as well as international Pohl
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traffic between third States, and to allow the other Contracting State to tax traffic solely within its borders. This intention may be clarified by the following illustration. Suppose an enterprise of a Contracting State or an enterprise that has its place of effective management in a Contracting State, through an agent in the other Contracting State, sells tickets for a passage that is confined wholly within the first-mentioned State or alternatively, within a third State. The Article does not permit the other State to tax the profits of either voyage. The other State is allowed to tax such an enterprise of the first-mentioned State only where the operations are confined solely to places in that other State. 6.1 A ship or aircraft is operated solely between places in the other Contracting State in relation to a particular voyage if the place of departure and the place of arrival of the ship or aircraft are both in that other Contracting State. However, the definition applies where the journey of a ship or aircraft between places in the other Contracting State forms part of a longer voyage of that ship or aircraft involving a place of departure or a place of arrival which is outside that other Contracting State. For example, where, as part of the same voyage, an aircraft first flies between a place in one Contracting State to a place in the other Contracting State and then continues to another destination also located in that other Contracting State, the first and second legs of that trip will both be part of a voyage regarded as falling within the definition of “international traffic”. 6.2 Some States take the view that the definition of “international traffic” should rather refer to a transport as being the journey of a passenger or cargo so that any voyage of a passenger or cargo solely between two places in the same Contracting State should not be considered as covered by the definition even if that voyage is made on a ship or plane that is used for a voyage in international traffic. Contracting States having that view may agree bilaterally to delete the reference to “the ship or aircraft” in the exception included in the definition, so as to use the following definition: e) the term “international traffic” means any transport by a ship or aircraft operated by an enterprise that has its place of effective management in a Contracting State, except when such transport is solely between places in the other Contracting State; 6.3 The definition of “international traffic” does not apply to a transport by an enterprise which has its place of effective management in one Contracting State when the ship or aircraft is operated between two places in the other State, even if part of the transport takes place outside that State. Thus, for example, a cruise beginning and ending in that other State without a stop in a foreign port does not constitute a transport of passengers in international traffic. Contracting States wishing to expressly clarify that point in their conventions may agree bilaterally to amend the definition accordingly. The term “competent authority” 7. The definition of the term “competent authority” recognises that in some OECD member countries the execution of double taxation conventions does not exclusively fall within the competence of the highest tax authorities; some matters are reserved or may be delegated to other authorities. The present definition enables each Contracting State to designate one or more authorities as being competent. The term “national” 8. The definition of the term “national” merely stipulates that, in relation to a Contracting State, the term applies to any individual possessing the nationality or citizenship of that Contracting State. Whilst the concept of nationality covers citizenship, the latter term was also included in 2002 because it is more frequently used in some States. It was not judged necessary to include in the text of the Convention any more precise definition of the terms nationality and citizenship, nor did it seem indispensable to make any special comment on the meaning and application of these words. Obviously, in determining what is meant by “national” in the case of an indi-
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vidual, reference must be made to the sense in which the term is usually employed and each State’s particular rules on the acquisition or loss of nationality or citizenship. 9. Subparagraph g) is more specific as to legal persons, partnerships and associations. By declaring that any legal person, partnership or association deriving its status as such from the laws in force in a Contracting State is considered to be a national, the provision disposes of a difficulty that often arises. In defining the nationality of companies, certain States have regard less to the law that governs the company than to the origin of the capital with which the company was formed or the nationality of the individuals or legal persons controlling it. 10. Moreover, in view of the legal relationship created between a company and the State under whose law it is organised, which from certain points of view is closely akin to the relationship of nationality in the case of individuals, it seems justifiable not to deal with legal persons, partnerships and associations in a special provision, but to assimilate them with individuals under the term “national”. 10.1 The separate mention of partnerships in subparagraph 1g) is not inconsistent with the status of a partnership as a person under subparagraph 1a). Under the domestic laws of some countries, it is possible for an entity to be a “person” but not a “legal person” for tax purposes. The explicit statement is necessary to avoid confusion. The term “business” 10.2 The Convention does not contain an exhaustive definition of the term “business”, which, under paragraph 2, should generally have the meaning which it has under the domestic law of the State that applies the Convention. Subparagraph h), however, provides expressly that the term includes the performance of professional services and of other activities of an independent character. This provision was added in 2000 at the same time as Article 14, which dealt with Independent Personal Services, was deleted from the Convention. This addition, which ensures that the term “business” includes the performance of the activities which were previously covered by Article 14, was intended to prevent that the term “business” be interpreted in a restricted way so as to exclude the performance of professional services, or other activities of an independent character, in States where the domestic law does not consider that the performance of such services or activities can constitute a business. Contracting States for which this is not the case are free to agree bilaterally to omit the definition. Paragraph 2 11. This paragraph provides a general rule of interpretation for terms used in the Convention but not defined therein. However, the question arises which legislation must be referred to in order to determine the meaning of terms not defined in the Convention, the choice being between the legislation in force when the Convention was signed or that in force when the Convention is being applied, i.e. when the tax is imposed. The Committee on Fiscal Affairs concluded that the latter interpretation should prevail, and in 1995 amended the Model to make this point explicitly. 12. However, paragraph 2 specifies that this applies only if the context does not require an alternative interpretation. The context is determined in particular by the intention of the Contracting States when signing the Convention as well as the meaning given to the term in question in the legislation of the other Contracting State (an implicit reference to the principle of reciprocity on which the Convention is based). The wording of the Article therefore allows the competent authorities some leeway. 13. Consequently, the wording of paragraph 2 provides a satisfactory balance between, on the one hand, the need to ensure the permanency of commitments entered into by States when signing a convention (since a State should not be allowed to make a convention partially inoperative by amending afterwards in its domestic law the scope of terms not defined in the Convention) and, on the other hand, the need to
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be able to apply the Convention in a convenient and practical way over time (the need to refer to outdated concepts should be avoided). 13.1 Paragraph 2 was amended in 1995 to conform its text more closely to the general and consistent understanding of member states. For purposes of paragraph 2, the meaning of any term not defined in the Convention may be ascertained by reference to the meaning it has for the purpose of any relevant provision of the domestic law of a Contracting State, whether or not a tax law. However, where a term is defined differently for the purposes of different laws of a Contracting State, the meaning given to that term for purposes of the laws imposing the taxes to which the Convention applies shall prevail over all others, including those given for the purposes of other tax laws. States that are able to enter into mutual agreements (under the provisions of Article 25 and, in particular, paragraph 3 thereof) that establish the meanings of terms not defined in the Convention should take those agreements into account in interpreting those terms. Reservations on the Article 14. Italy and Portugal reserve the right not to include the definitions in subparagraphs 1c) and h) (“enterprise” and “business”) because they reserve the right to include an article concerning the taxation of independent personal services. 15. Chile, Mexico and the United States reserve the right to omit the phrase “operated by an enterprise that has its place of effective management in a Contracting State” from the definition of “international traffic” in subparagraph e) of paragraph 1.
POSITIONS ON ARTICLE 3 (GENERAL DEFINITIONS) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. With respect to the definition of “company”, Albania and Belarus reserve the right to replace the concept of “body corporate”, which does not exist in their domestic law, by “any legal person or any entity which is treated as a separate entity for tax purposes”. 2. Israel reserves the right to include a trust within the definition of a “person”. 3. With respect to the definition of “national”, Albania, Romania and Russia reserve the right to replace the term “nationality” by “citizenship” as the term “nationality” does not mean “citizenship” under their law. 4. Bulgaria reserves the right to propose in bilateral negotiations to include a definition of the term “business profits”, which covers both profits of a company and income of an individual, derived from carrying on of a business through a permanent establishment. This inclusion is a consequence of the deletion of Article 14 and results in the possibility of applying Article 7 in conformity with Bulgarian internal legislation as regards income, derived by individuals. 4.1 Brazil reserves the right not to include the definitions of “enterprise” and “business” in paragraph 1 of Article 3 because it reserves the right to include an article concerning the taxation of independent personal services. 5. With respect to the definition of “international traffic”, Bulgaria and Croatia reserve the right to extend the scope of the definition to cover road and railway transportation in bilateral conventions. 6. Serbia reserves the right to extend the scope of the definition of “international traffic” to cover road transportation in bilateral conventions. 7. Thailand reserves the right to include in the definition of “person” any entity treated as a taxable unit under the taxation laws in force in either Contracting State. 216
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–3 Art. 3
8. India reserves the right to include in the definition of “person” only those entities which are treated as taxable unit under the taxation laws in force in the respective Contracting States. 9. India reserves the right to include definitions of “tax” and “fiscal year”. 10. Hong Kong, China reserves the right to omit the phrase “operated by an enterprise that has its place of effective management in a Contracting State” from the definition of “international traffic” in subparagraph e) of paragraph 1. 11. Hong Kong, China reserves its position with respect to the definition of “national” in subparagraph g) of paragraph 1, because Hong Kong, China is not a sovereign state. Where the term “national” appears in Articles 4, 19, 24 and 25, Hong Kong, China reserves the right to use alternative provisions based on the concepts of “right of abode” and “incorporated or constituted in”.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 3 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Definition von Abkommensbegriffen. Art. 3 dient der Definition von im OECD-MA 1 verwendeter (unbestimmter) Rechtsbegriffe. Die Norm soll gewährleisten, dass bestimmte Ausdrücke einheitlich ausgelegt und an unterschiedlichen Stellen im OECD-MA nicht (mehrfach) erläutert werden müssen.
II. Aufbau der Vorschrift Definitionen und Verweis auf innerstaatliches Recht. Art. 3 enthält zwei Absätze. 2 Während Abs. 1 in insgesamt acht Buchstaben im Abkommen häufig verwendete Begriffe (z.B. den der Person) definiert, enthält Abs. 2 eine sog. „lex-fori“-Klausel, die bei im Abkommen nicht definierten Begriffen unter bestimmten Voraussetzungen eine innerstaatliche Begriffsbestimmung als maßgeblich anordnet.
III. Rechtsentwicklung 1. Absatz 1 OECD-MA 1963, 1977, 1992, 2000, 2002. Art. 3 Abs. 1 war erstmals im OECD-MA 3 1963 enthalten.1 Die Abkommensmuster des Völkerbundes2 enthielten noch keinen derartigen „Definitionsartikel“. Das erste Abkommen, das, wie jetzt das OECD-MA, einen Definitionskatalog an den Anfang stellte, war das DBA Großbritannien-USA v. 16.4.1945.3 Art. 3 Abs. 1 stimmt in vielen Punkten mit der ursprünglichen Fassung im OECD-MA 1963 überein. Eine Definition des Vertragsstaates (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA 1963) war jedoch bereits im OECD-MA 1977 nicht mehr enthalten. Dafür integrierte das OECD-MA 1977 eine Definition des „internationalen Verkehrs“ in den Katalog des Art. 3. Verkürzt wurde Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA 1963 zudem dahingehend, dass der Halbs. „oder ein Unternehmen, das von einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird“ als überflüssig gestrichen wurde. Mit dem OECD-MA 1992 wurde die Definition des Staatsangehörigen, die vorher in Art. 24 Abs. 2 enthalten war, in Art. 3 übernommen. Das OECD-MA 2000 1 Der Steuerausschuss der OECD formulierte Art. 3 Abs. 1 aber erst in der letzten Phase seiner Arbeiten am OECD-MA, nach seinem vierten Bericht an den Rat von 1961 (vgl. Vogel, StuW 1982, 286 (287) Fn. 124). 2 Siehe die sog. Genfer Abkommensentwürfe von 1928, den sog. Mexiko-Abkommensentwurf von 1943 und den sog. Londoner Abkommensentwurf von 1946. 3 Vgl. Vogel, StuW 1982, 286 (287).
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Art. 3 Rz. 3–5
Allgemeine Begriffsbestimmungen
führte eine (Teil-)Definition des Begriffs Unternehmens in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und eine Konkretisierung des Begriffs „Geschäftstätigkeit“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. h ein. Ohne inhaltliche Änderung wurde durch das OECD-MA 2002 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Begriff der „Staatsbürgerschaft“ aufgenommen. Art. 3 Abs. 1 ist seitdem unverändert geblieben. 2. Absatz 2 4
OECD-MA 1963, 1977, 1995. Bereits im OECD-MA 1963 existierte eine dem heutigen Art. 3 Abs. 2 ähnliche Vorschrift:1 Eine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA 1963 vergleichbare Vorschrift war wiederum erstmals im DBA Großbritannien-USA v. 16.4.1945 enthalten.2 Die Musterabkommen des Völkerbundes3 sahen eine dem Art. 3 Abs. 2 vergleichbare Vorschrift noch nicht vor. Im OECD-MA 1977 wurde die Norm geringfügig geändert.4 Statt nicht „jeder nicht anders definierte Ausdruck“ und „welche Gegenstand des Abkommens sind“ enthielt Art. 3 Abs. 2 fortan die Formulierung „jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck“ bzw. „für die das Abkommen gilt“. Eine inhaltliche Änderung war hiermit nicht verbunden.5 Ergänzt wurde die damalige Fassung zudem um den Halbs. „wobei die Bedeutung nach dem in diesem Staat anzuwendenden Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat“. Hierdurch wurde klargestellt, dass auf eine Bedeutung des Ausdrucks nach einem anderen Rechtsgebiet erst dann zurückgegriffen werden kann, wenn dem maßgeblichen Steuerrecht ebenfalls dieses Verständnis zugrunde liegt. In 1995 wurde Art. 3 Abs. 2 erneut ergänzt. Jeder im OECD-MA nicht definierte Ausdruck hat nach dem Wortlaut der Norm nunmehr die Bedeutung, die ihm „im Anwendungszeitraum“ nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt. Da schon zu früheren Fassungen die Auffassung vertreten wurde, dass nach Art. 3 Abs. 2 die jeweils aktuelle Begriffsbestimmung nach innerstaatlichem Recht entscheidend ist (sog. dynamischer Verweis), hat diese Ergänzung ebenfalls nur klarstellenden Charakter.6
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 5
Definition von Abkommensbestimmungen. Art. 3 befindet sich im Abschn. II. (Begriffsbestimmungen) und hat daher Bedeutung für sämtliche Art. des OECD-MA, die einen in Art. 3 Abs. 1 definierten Ausdruck verwenden7 bzw. Begriffe enthalten, die sich abkommensautonom nicht erschließen lassen (vgl. Art. 3 Abs. 2)8. Auch wenn eine Abkommensdefinition, wie etwa in Art. 3 Abs. 1 vorliegt, ist auf die in der Definition enthaltenen Ausdrücke ihrerseits Art. 3 Abs. 2 anwendbar.9 Auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 selber findet die Norm jedoch keine Anwendung.10
1 Der Steuerausschuss der OECD formulierte Art. 3 Abs. 2 aber erst in der letzten Phase seiner Arbeiten am OECD-MA, nach seinem vierten Bericht an den Rat von 1961 (vgl. hierzu Vogel, StuW 1982, 286 (287) Fn. 124). Vgl. Vogel, StuW 1982, 286 (287). 2 Vgl. hierzu Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 2. 3 Siehe die sog. Genfer Abkommensentwürfe von 1928, den sog. Mexiko-Abkommensentwurf von 1943 und den sog. Londoner Abkommensentwurf von 1946. 4 Vgl. zur Rechtsentwicklung im Einzelnen Lang in FS Debatin, 283 (285 ff.). 5 Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (285). 6 Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (290 ff.). 7 Vgl. insoweit die Rz. 10 („Person“), Rz. 13 („Gesellschaft“), Rz. 26 („Unternehmen“); Rz. 37 („Unternehmen eines Vertragsstaats“), Rz. 43 („internationaler Verkehr“), Rz. 47 („zuständige Behörde“), Rz. 49 („Staatsangehöriger“), Rz. 55 („Geschäftstätigkeit“). 8 Vgl. insoweit Rz. 62. 9 Avery Jones et al., BTR 1984, 14 (21); Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 53. 10 Gloria, RIW 1986, 970 (975); Klebau, RIW 1985, 125 (127); Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 49.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 6–7 Art. 3
2. Völkerrecht Spezialregelung. Art. 3 Abs. 2 stellt eine Spezialregelung zur Auslegung bestimm- 6 ter Abkommensausdrücke dar.1 Als solche hat sie Vorrang gegenüber den allgemeinen Auslegungstechniken und den Regelungen der WÜRV.2 Ausgehend von den tatbestandsimmanenten Einschränkungen des Art. 3 Abs. 2 („wenn der Zusammenhang nichts anderes fordert“), sind dennoch im Regelfall die Art. 31 f. WÜRV zur Auslegung von Ausdrücken der DBA heranzuziehen (im Einzelnen streitig, vgl. Rz. 74). 3. Innerstaatliches Recht Keine Relevanz der Definitionen im innerstaatlichen Recht. Grundsätzlich keine 7 Bedeutung haben die Definitionen des Art. 3 Abs. 1 für das innerstaatliche Recht.3 Dies folgt schon aus den einleitenden Worten des Art. 3 Abs. 1 („Im Sinne dieses Abkommens […]“); es ergibt sich aber auch aus der Tatsache, dass das innerstaatliche Recht auch im Verhältnis zu Nicht-DBA-Staaten gilt. Geht es beispielsweise um eine Auslegung des Begriffs „Person“ in § 1 AStG, kann insoweit nicht auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. a zurückgegriffen werden.4 Art. 3 Abs. 2 nimmt zur Interpretation abkommensrechtlicher Begriffe zwar auf das innerstaatliche Recht Bezug. Bedeutung hat die Norm für das innerstaatliche Recht aber ebenfalls nicht.
B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1) Ausgewählte Literatur: Blumenwitz, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 5; Debatin, Auslegungsmaximen zum Internationalen Steuerrecht, RIW 1969, 477; Debatin, Außensteuerrechtliche und internationalrechtliche Behandlung von Rechtsträgern und daran bestehenden Beteiligungen, DB Beilage 13/1977; Djanani/Brähler, Internationale Steuerplanung durch Ausnutzung von Qualifikationskonflikten, StuW 2007, 53; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, Diss., Frankfurt 2007; Kemp/Stevens, Direktinvestitionen in der Tschechischen Republik über eine tschechische KG, IStR 1995, 584; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Krabbe, Steuerliche Behandlung der Personengesellschaften nach den DBA, IWB Fach 3 Deutschland Gruppe 2, 753; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, Die abkommensrechtliche Behandlung von ausländischen Personengesellschaften mit Steuersubjektivität im Ausland, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und internationale Besteuerung, FS für Fischer, Berlin 1999, 713; Lang, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992; Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, Diss., München 2009; Lüdicke, Beteiligungen an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Marchgraber, Der Begriff „Gesellschaft“ im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2011, 336; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im internationalen Steuerrecht, Köln 1983; van Raad, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmen, CDFI, LXXlIla, 113; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; C. Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., Köln u.a. 1997; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407; Schuch, Organschaft und Gruppenbesteuerung im Abkommensrecht in Gassner/Lang/Wiesner (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmensgruppen, Wien 1998, 173; Tumpel/Aigner, Die Personengesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 lit. a OECD-MA als Voraussetzung der Ansässigkeit, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33; Vogel, Zur Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften, IStR 1999, 5; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutsch1 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 49. 2 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 49. 3 Vgl. FG München v. 4.10.1984 – I 190/81 E, EFG 1985, 246 (rkr.), bei einer Ausnahme von diesem Grundsatz vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 – S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171 im Hinblick auf den Begriff „Gesellschaft“ i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG. 4 Zum Begriff der Person i.S.d. § 1 AStG vgl. Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 58.
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Art. 3 Rz. 8–10
Allgemeine Begriffsbestimmungen
land als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Auslegung von DBA durch die Finanzverwaltung, IStR 1995, 49; Wassermeyer, Die ausländische Kapitalgesellschaft, DStJG 20, 83; Wolff, Auslegungsfragen zu DBARegelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.
I. Regelungszweck 8
Definition wichtiger abkommensrechtlicher Begriffe. Art. 3 Abs. 1 enthält allgemeine Begriffsbestimmungen für die Anwendung einzelner Abkommensbestimmungen. Die Norm gewährleistet dadurch, dass bestimmte Ausdrücke einheitlich ausgelegt und an unterschiedlichen Stellen im OECD-MA nicht (mehrfach) erläutert werden müssen. Im Hinblick auf den Begriff der „Person“, der im OECD-MA mehrfach auftaucht (vgl. Rz. 10), genügt somit die einleitende Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. Dies trägt auch zur Übersichtlichkeit des Abkommens bei.
II. Der Zusammenhang erfordert nichts anderes 9
Anwendung speziellerer Normen. Die Anwendung der einzelnen Definitionen des Art. 3 Abs. 1 steht unter dem Vorbehalt, dass der Zusammenhang nichts anderes erfordert.1 Dieser Vorbehalt hat einen angloamerikanischen Ursprung.2 Er soll dem Richter einen Spielraum (ein „Ventil“) offen halten, damit er insbesondere bei Redaktionsversehen eine sachgerechte Auslegung des Gesetzes vornehmen kann. Da dem kontinentalen Richter dies ohnehin erlaubt ist, hat die Klausel für ihn nur eine geringe Aussagekraft.3 Ergibt sich an einer Stelle des Abkommens, dass ein Begriff abweichend von Art. 3 Abs. 1 auszulegen ist, so gebietet bereits der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“, dass insoweit Art. 3 Abs. 1 keine Beachtung findet. Aus deutscher Sicht ist die Vorbehaltsklausel im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 (vgl. Rz. 74 ff.) daher nur deklaratorisch. Der Begriff „Zusammenhang“ ist vor diesem Hintergrund weit auszulegen. Nicht nur der Wortlaut und die Systematik, sondern auch die übrigen Auslegungskriterien (z.B. Sinn und Zweck und Entstehungsgeschichte) sind zu berücksichtigen (vgl. auch Art. 3 Rz. 12 OECD-MK). Beispiel: Im Hinblick auf Art. 10 Abs. 3 ist streitig, ob der Begriff „Gesellschaft“ nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zu definieren ist. Zum Teil wird vertreten, dass der Gesellschaftsbegriff des Art. 10 Abs. 3 ein eigenständiger (engerer) sein muss, weil dieser einen Rechtsträger voraussetzt, von dem Dividenden erzielbar sind.4 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b steht einer solchen Deutung bedingt durch den Vorbehalt „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ nicht entgegen (vgl. aber Art. 10 Rz. 39).5
III. Person (Buchst. a und b) 1. Bedeutung der Definition 10
Erscheinungsform der Person im OECD-MA. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Bedeutung hat diese Definition vor allem für die Umschreibung des jeweiligen Steuerpflichtigen bzw. Abkommensberechtigten, für die Definition des ständigen Vertreters nach Art. 5 Abs. 6 sowie für die Umschreibung des Schuldners bestimmter Vergütungen. Im Einzelnen verwenden folgende Vorschriften den Begriff der „Person“: – Art. 1 (Unter das Abkommen fallende Personen); – Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und g (Definition des „Unternehmens eines Vertragsstaats“ sowie des „Staatsangehörigen“); 1 2 3 4
Vgl. auch BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. So Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 3. So auch Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 3. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 17. 5 So auch FG Hamburg v. 25.10.1977 – III 27/74, EFG 1978, 10 (rkr.) im Hinblick auf das DBASchweiz 1971.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1) – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Rz. 10–12 Art. 3
Art. 4 (Bestimmung der Ansässigkeit); Art. 5 Abs. 5 und 6 (Bestimmung des abhängigen bzw. unabhängigen Vertreters); Art. 6 Abs. 1 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen); Art. 9 Abs. 1 Buchst. b (Verbundene Unternehmen); Art. 10 Abs. 1 (Dividenden); Art. 11 Abs. 1, 2 und 5 (Zinsen); Art. 12 Abs. 1 (Lizenzgebühren); Art. 13 Abs. 1 und 4 (Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen); Art. 15 Abs. 1 und 2 (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit); Art. 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen); Art. 17 (Künstler und Sportler); Art. 18 (Ruhegehälter); Art. 19 Abs. 1 und 2 (Öffentlicher Dienst); Art. 21 Abs. 1 (Andere Einkünfte); Art. 22 Abs. 1 und 4 (Vermögen); Art. 23A (Befreiungsmethode); Art. 23B (Anrechnungsmethode); Art. 24 Abs. 1, 3, 4 und 5 (Gleichbehandlung); Art. 25 Abs. 1 und 5 (Verständigungsverfahren); Art. 26 Abs. 2 (Informationsaustausch).
Keine abschließende Definition der Person. Nach dem Wortlaut („umfasst“ anstel- 11 le von „bedeutet“) und Art. 3 Rz. 2 OECD-MK handelt es sich bei Art. 3 Abs. 1 Buchst. a um keine abschließende Definition.1 Auch andere Rechtsgebilde können daher ausgehend vom innerstaatlichen Recht des jeweiligen Vertragsstaates als Personen in Betracht kommen.2 2. Natürliche Personen Rückgriff auf das nationale Steuerrecht. Erstes Untermerkmal der Person ist die 12 natürliche Person. Insoweit enthält Art. 3 Abs. 1 Buchst. a eine Tautologie, da der Begriff der (natürlichen) „Person“ zur Definition der „Person“ eingesetzt wird. Da eine Begriffsbestimmung abkommensautonom nicht möglich ist, ist gem. Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 58 ff.) auf das innerstaatliche Steuerrecht zurückzugreifen.3 Im EStG wird der Begriff der natürlichen Person verwendet (vgl. § 1 EStG), aber ebenfalls nicht weiter definiert. Entscheidend ist daher die zivilrechtliche Bedeutung, die für das Ertragsteuerrecht insoweit maßgeblich ist.4 Nach (deutschem) zivilrechtlichem Verständnis handelt es sich bei natürlichen Personen um Menschen von der Vollendung der Geburt bis zu deren Tod (vgl. auch § 1 BGB).5 Persönliche Merkmale wie die Rasse, das Geschlecht, die Staats- und Religionsangehörigkeit, die Handlungsfähigkeit, die Geschäftsfähigkeit und die Volljährigkeit spielen insoweit keine Rolle.6 Verschollene werden bis zur Rechtskraft der Todeserklärung als lebend und damit als natürliche Personen behandelt (vgl. auch § 49 AO). Geht es um einen Staatsangehörigen eines ausländischen Staates, ist gem. Art. 7 Abs. 1 EGBGB für die Frage der Rechtsfähig-
1 So auch Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 5; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 5. 2 Vgl. auch Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, 154; Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (37). 3 Vogel, StuW 1982, 286 (287). 4 Vgl. Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 52; a.A. (ohne nähere Begründung) Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 9. 5 Vgl. Ellenberger in Palandt70, § 1 BGB Rz. 1 ff. 6 Vgl. auch Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (47 f.).
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Art. 3 Rz. 12–14
Allgemeine Begriffsbestimmungen
keit und die Existenz einer natürlichen Person das ausländische Zivilrecht entscheidend.1 Dieses kann vom deutschen Recht abweichen.2 Beispiel: Ein Kind, das die französische Staatsangehörigkeit erwerben würde, jedoch nicht lebensfähig ist, erlangt gem. französischem Recht die Rechtsfähigkeit nicht.3 Da gem. Art. 7 Abs. 1 EGBGB diese Rechtslage auch für Deutschland maßgeblich ist, ist das Kind keine (natürliche) Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a.
3. Gesellschaften (Buchst. b) a) Bedeutung der Definition 13
Definition der Gesellschaft. Gesellschaften sind nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b juristische Personen und Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Diese Definition hat eine doppelte Bedeutung.4 Zum einen konkretisiert sie den Begriff der Person in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und hat daher mittelbar für alle Normen Bedeutung, die auf den Begriff der „Person“ abstellen (vgl. Rz. 10). Zum anderen ist die Definition bei allen Vorschriften des OECD-MA heranzuziehen, die den Begriff „Gesellschaft“ unmittelbar verwenden: – Art. 5 Abs. 7 (Beherrschung einer Gesellschaft); – Art. 10 Abs. 1 und 2 (Schuldner der Dividenden); – Art. 16 (Aufsichtsratsvergütungen). Im Hinblick auf den Begriff der Gesellschaft i.S.d. Art. 10 ist dies jedoch streitig.5 Zum Teil wird vertreten, dass der Gesellschaftsbegriff des Art. 10 ein eigenständiger (engerer) sein muss, weil dieser einen Rechtsträger voraussetzt, von dem Dividenden erzielbar sind.6 Hiergegen spricht jedoch, dass die Definition gerade im Hinblick auf den Dividendenartikel formuliert worden ist (vgl. auch Art. 3 Rz. 3 OECD-MK).7 b) Juristische Personen
14
Definition der juristischen Person. Umstritten ist, ob für eine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b die Rechtsfähigkeit auf privatrechtlichem (und öffentlich rechtlichem) Gebiet oder die Einordnung als Steuersubjekt entscheidend ist. Für die erste Sichtweise8 spricht Art. 3 Abs. 2. Im deutschen Steuerrecht wird die juristische Person u.a. in § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 6 KStG erwähnt aber nicht weiter definiert. Abgestellt wird insoweit auf das Zivilrecht bzw. das Öffentliche Recht.9 Die Steuersubjektivität hat insoweit keine Bedeutung. Sie ist keine Voraussetzung, sondern vielmehr die Folge der Einordnung als juristische Person. Für eine steuerrechtliche Interpretation des Begriffs „juristische Person“10 spricht hingegen die Systematik.11 Art. 3 Abs. 1 1 2 3 4 5 6
7
8 9 10 11
Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 6. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 12. Vgl. auch Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 12. Vgl. auch Marchgraber, SWI 2011, 336 (336 f.). Vgl. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51). Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 17; a.A. jedoch Lang, Hybride Finanzierung, 112 f. Nach Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 77 ist aus diesem Grund erwägenswert, ob nicht Art. 10 die Auslegung des Begriffs der Gesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b beeinflusst. Hiergegen spricht jedoch, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b nicht nur Bedeutung für Art. 10 hat; a.A. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51), die dem OECD-MK entnehmen wollen, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b für Art. 10 keine Bedeutung hat. Vertreten von Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 13; Schlüter, JbFfSt 1979/1980, 169 f.; Weggenmann, Personengesellschaften im Lichte der Doppelbesteuerungsabkommen, 56. Vogel, in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Vgl. Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, 156 ff.; Piltz, Personengesellschaften, 183 f. Vgl. Debatin, BB 1989, Beilage 2 zu Heft Nr. 3, 1, 3.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 14–15 Art. 3
Buchst. b Var. 2 behandelt Rechtsträger als Personen, die steuerlich wie juristische Personen behandelt werden. Diese Vorschrift impliziert, dass die Verfasser des OECDMA eine bestimmte einheitliche steuerliche Behandlung der juristischen Person bei der Abfassung des OECD-MA vor Augen hatten.1 Dann erscheint es aber gerechtfertigt, den Begriff der juristischen Person von vornherein aus steuerlichem Blickwinkel zu interpretieren.2 In die gleiche Richtung geht auch Art. 3 Rz. 3 OECD-MK. Die Rede ist dort von „[…] any other taxable unit […]“, was nahelegt, auch die juristischen Personen als „taxable units“ bzw. Steuersubjekte einzuordnen. Eine rein steuerliche Interpretation der juristischen Person ist jedoch ebenfalls nicht überzeugend, da andernfalls beide Tatbestände des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b inhaltsgleich wären, was kaum dem Willen der Verfasser des OECD-MA entsprochen haben dürfte. Folgerichtig ist daher, als juristische Personen nur Rechtsträger anzusehen, die auf privatrechtlichem (und öffentlich rechtlichem) Gebiet Rechtfähigkeit besitzen (vgl. hierzu Rz. 16) und gleichzeitig steuerrechtlich als Steuersubjekt (vgl. Rz. 17) behandelt werden.3 Eine solche kumulative Betrachtung macht die Var. 1 neben der Var. 2 des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zwar ebenfalls überflüssig, doch stellt sie klar, dass es gerade die juristischen Personen sind, die typischerweise als Steuersubjekte behandelt werden.4 Beispiele: a) Die X-GmbH (Sitz und Geschäftsleitung Düsseldorf) ist eine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, da sie sowohl zivilrechtlich eine juristische Person ist als auch steuerrechtlich als Steuersubjekt behandelt wird (siehe § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). b) Obwohl der nichtrechtsfähige Verein gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG als Steuersubjekt der Körperschaftsteuer unterliegt, handelt es sich bei ihm nach der hier vertretenen Ansicht ausgehend von seiner zivilrechtlichen Stellung nicht um eine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b. Der nichtrechtsfähige Verein ist aber als Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2 einzuordnen. c) Die XY-OHG (Sitz und Geschäftsleitung Köln) ist keine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, da sie zivilrechtlich weder eine juristische Person ist, noch als Steuersubjekt nach dem Transparenzprinzip besteuert wird.
Rechtsordnung des Anwenderstaates. Unklar und umstritten ist, auf welche 15 Rechtsordnung im Hinblick auf die Rechtsfähigkeit des Rechtsgebildes bzw. ihre Steuersubjektivität abzustellen ist. Nach Ansicht von Vogel5 kommt es auf die Rechtsordnung eines beliebigen Staates an. Entscheidend ist, ob irgendein Staat der Gesellschaft den Status einer juristischen Person verliehen hat. Jacobs6 verlangt hingegen einschränkend, dass zumindest nach der Rechtsordnung eines Vertragsstaates der Rechtsträger juristische Person sein muss. Djanani/Brähler7 stellen wiederum auf die Rechtsordnung des Ansässigkeitsstaates ab. Wassermeyer8 orientiert sich an der Rechtsordnung des Anwenderstaates, selbst wenn die „Gesellschaft“ ihre Geschäftsleitung bzw. ihren Sitz im anderen Vertragsstaat hat. Der BFH hat sich bisher zu dieser Streitfrage nicht abschließend geäußert.9 Mit Beschluss vom 19.5.201010 hat er es als offen angesehen, ob die Frage der Besteuerung wie eine juristische Person“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f. DBA-Spanien ausschließlich nach deutschem Steuerrecht zu beantworten ist. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2 DBA-Ungarn hat der BFH jüngst eine Gesellschaft jedoch bereits angenommen, wenn sie im Sitzstaat (bzw. Staat ihrer Geschäftsleitung) wie eine juristische Person besteuert wird.11 Daraus dürfte sich zugleich ergeben, dass auch im Hinblick auf die Eigenschaft einer juristischen Person auf diesen Staat abzustellen ist. Die Finanzverwaltung hat eben1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 73. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 73 ff. So auch Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 72 ff. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 75. Vgl. Vogel, IStR 1999, 5; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 524 f. Vgl. Djanani/Brähler, StuW 2007, 53 (56). Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer, IStR 1998, 489. Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602.
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Art. 3 Rz. 15–17
Allgemeine Begriffsbestimmungen
falls keine klaren Vorgaben für die Praxis gemacht. Nach Tz. 2.1.1. des BMF-Schreibens vom 16.4.20101 können Personengesellschaften zwar Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA sein, ob sie jedoch zugleich als Gesellschaften bzw. juristische Personen einzuordnen sind, bleibt unbeantwortet. Der OECD-MK (Art. 3 Rz. 3) äußert sich nur im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2: „Außerdem bezieht sich der Ausdruck auch auf andere Rechtsträger, die von den Steuergesetzen des Vertragsstaats, in dem sie errichtet worden sind, wie juristische Personen behandelt werden.“ Trotz ihres systematischen Bezugs dürfte diese Aussage auch für die Frage gelten, ob eine juristische Person vorliegt.2 Nach Ansicht der OECD ist daher stets die Rechtsordnung des Sitzstaats in Abgrenzung zum Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung entscheidend. Zu folgen ist dennoch der von Wassermeyer3 vertretenen Ansicht. Da der Ausdruck juristische Person im Abkommen nicht definiert ist und auch der Abkommenszusammenhang nichts anderes fordert, ist die Rechtsordnung des Anwenderstaates maßgeblich (vgl. Art. 3 Abs. 2). Anders als andere Normen (vgl. z.B. Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2) verweist Art. 3 Abs. 1 Buchst. b auch nicht auf das Recht des Ansässigkeitsstaates. Beispiel: Die spanische X-S.C. (Sociedades en Comandita) ist in Deutschland unternehmerisch tätig. Nach spanischem Recht ist sie eine juristische Person und wird dort auch als solche besteuert. Ausgehend von einem Typenvergleich handelt es sich bei der X-S.C. hingegen um eine Personengesellschaft. Aus deutscher Sicht ist die X-S.C. deshalb keine juristische Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, da nach deutscher Rechtsordnung weder eine juristische Person vorliegt noch Personengesellschaften nach dem Trennungsprinzip besteuert werden.
16
Rechtsfähigkeit. Nach der deutschen Rechtsordnung4 sind juristische Personen alle sozialen Gebilde, denen die Rechtsordnung, d.h. das Privatrecht oder das Öffentliche Recht5 die Rechtsfähigkeit in grundsätzlich gleichem Umfang wie natürlichen Personen zugesteht.6 Zu unterscheiden sind juristische Personen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts. Zu den juristischen Personen des Privatrechts gehören Kapitalgesellschaften (Europäische Gesellschaften – (SE), AG, KGaA, GmbH) einschließlich der Vorgesellschaften,7 Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften, Versicherungs- und Pensionsfondvereine auf Gegenseitigkeit und die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts (z.B. eingetragene Vereine). Daneben ist die Stiftung bürgerlichen Rechts als Vermögensmasse als juristische Person des Zivilrechts einzuordnen. Nicht zu den juristischen Personen des Zivilrechts zählen die Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG).8 Zu ausländischen Gesellschaften vgl. Rz. 18. Juristische Personen des öffentlichen Rechts bestehen aufgrund öffentlich-rechtlicher Hoheitsakte oder öffentlich-rechtlicher Anerkennung. Man unterscheidet insoweit Körperschaften (z.B. Gebietskörperschaften), Anstalten (z.B. Rundfunkanstalten) und Stiftungen des öffentlichen Rechts.
17
Steuersubjektivität. Fordert man für eine juristische Person neben der Rechtsfähigkeit auf zivilrechtlichem Gebiet die Einordnung als Steuersubjekt, so fragt sich, was unter Letzterem zu verstehen ist. In der Literatur finden sich insoweit unterschiedliche Antworten. Zum Teil wird die Besteuerung nach dem Mitunternehmerkonzept (Transparenzprinzip) mit fehlender Steuersubjektivität gleichgesetzt.9 Da-
1 2 3 4 5 6 7 8
BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 84. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer, IStR 1998, 489. Zur relevanten Rechtsordnung vgl. Rz. 15. Vgl. Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 26; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 19. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 13. Vgl. BFH v. 14.10.1992 – I R 17/92, BStBl. II 1993, 352. Dies kommt deutlich durch § 11 InsO zum Ausdruck, wo die Personengesellschaften neben den juristischen Personen als insolvenzfähig bezeichnet werden; vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3, § 8 III m.w.N. 9 So ohne weitere Begründung Piltz, Personengesellschaften, 130; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften, 67; Ballestrem, Intransparent besteuerte ausländische Personengesellschaften, 72 ff.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 17–18 Art. 3
neben findet sich die Ansicht, nach der es ausreichen soll, wenn ein Gebilde im nationalen Steuerrecht als Subjekt von Einkommensermittlung und Verfahren behandelt wird.1 Richtigerweise ist darauf abzustellen, ob der Rechtsträger nach dem Trennungsprinzip besteuert wird. Dies steht am ehesten mit den Vorgaben des OECDMK (Art. 3 Rz. 3: „taxable unit“) im Einklang und erlaubt eine klare Abgrenzung zu den sonstigen Rechtsgebilden. Ausländische Gesellschaften und Typenvergleich. Bei nach ausländischem Recht 18 gegründeten Gesellschaften kann unklar sein, ob sie als juristische Person einzuordnen sind.2 Zur Abgrenzung dieser Gesellschaftsformen ist ein „Typenvergleich“ durchzuführen3, d.h. es ist danach zu fragen, ob die ausländische Gesellschaft die Charakteristika einer deutschen juristischen Person aufweist.4 Maßgebend für den Typenvergleich ist das gesellschaftsrechtliche „Leitbild“ im ausländischen Gesellschaftsrecht, nicht etwa die konkrete Ausgestaltung im Gesellschaftsvertrag.5 Eine Ausnahme dürfte allerdings dann gelten, wenn das ausländische Gesellschaftsrecht einen extrem weiten Spielraum für die Ausformung des Gesellschaftsvertrags zulässt, so dass über die steuerrechtliche Einordnung der Gesellschaft nur im Einzelfall entschieden werden kann.6 Die steuerliche Behandlung im ausländischen Staat ist hingegen unerheblich.7 Das BMF hat mit Schreiben v. 19.3.20048 zur rechtlichen Einordnung einer ausländischen Gesellschaft als Personen- bzw. Kapitalgesellschaft ausführlich Stellung genommen. Für den Vergleich sind danach folgende Kriterien maßgeblich: – Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung; – Beschränkte Haftung; – Freie Übertragbarkeit der Anteile; – Gewinnzuteilung; – Kapitalaufbringung; – Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft; – Formale Gründungsvoraussetzungen. Die dort genannten Kriterien sind zwischenzeitlich von der Rechtsprechung9 gebilligt worden und erlauben ihre Einordnung als juristische Person oder anderes Rechtsgebilde. Kommt man danach beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die ausländische Gesellschaft einer deutschen GmbH entspricht, folgt daraus zwangsläufig auch ihre Einordnung als juristische Person. S. zum Typenvergleich auch Art. 1 Rz. 36 und Art. 7 (2008) Rz. 74. 1 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 75 unter Hinweis auf die Einstufung in den einzelnen Mitgliedstaaten. 2 Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (56). 3 Grundlegend: RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444 – sog. Venezuela Entscheidung; siehe ferner z. B. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 und v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 4 Vgl. hierzu RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4-S 1300-111/99, BStBl. I 1999, 1076; v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411. 5 Vgl. Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften, 144f; a.A. aber möglicherweise BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411: „Ein ausländisches Gebilde ist hiernach als Körperschaft einzuordnen, wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen ausländischen Bestimmungen und der getroffenen Vereinbarung über die Organisation und die Struktur des Gebildes ergibt, dass dieses rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Körperschaft oder sonstigen juristischen Peron gleicht. 6 Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften, 144 f. m.w.N. 7 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 1.2. Wassermeyer, IStR 1995, 49; a.A. (ohne Begründung) Hess. FinMin v. 4.10.1994 – S 1301 A – 144 – II 331, IStR 1994, 549 und Marchgraber, SWI 2011, 336. 8 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411. 9 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263.
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Art. 3 Rz. 18–20
Allgemeine Begriffsbestimmungen
Beispiele: a) Für Deutschland als Anwenderstaat ist die argentinische SRL eine juristische Person und damit eine Gesellschaft, weil sie einer deutschen GmbH entspricht.1 Unerheblich ist hingegen, wie sie in Argentinien besteuert wird2 und ob sie von Argentinien ebenfalls als juristische Person behandelt wird. b) Die tschechische/slowakische K.S. ist für Deutschland als Anwenderstaat keine juristische Person und damit keine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Tschechoslowakei, da sie einer deutschen KG entspricht. Unerheblich ist dafür, dass sie nach tschechisch/slowakischem Recht eine juristische Person ist.3 c) Die Sociedades Regulares Colectivas (S.R.C.) und die Sociedades en Comandita (S.C.) sind nach spanischem Recht juristische Personen und werden als solche in Spanien besteuert.4 Aus deutscher Sicht liegen hingegen Personengesellschaften vor, die nach dem DBA-Spanien 1966 keine Personen sind. d) Die tikroji ûkine bendrija (TÛB) unterliegt in Litauen der Körperschaftsteuer.5 Ausgehend von einem Typenvergleich entspricht die Gesellschaft einer deutschen OHG.6 Ihre Einordnung als juristische Person kommt somit nicht in Betracht.
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Organschaft, Gruppenbesteuerung. Besteht zwischen mehreren Unternehmen eine Organschaft oder werden sie als Gruppe besteuert, so ist aus Sicht des Anwenderstaates zu prüfen, ob die Organschaft bzw. die Gruppe als solche unter den Begriff der „Gesellschaft“ fällt.7 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist dies zu verneinen.8 Die Organschaft (vgl. §§ 14 ff. KStG) kann weder juristische Person sein noch wird sie wie eine juristische Person behandelt. Die §§ 14 ff. KStG führen lediglich dazu, dass dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft zugerechnet wird.9 Nur der Organträger oder die Organgesellschaft kommen daher als juristische Person in Betracht. c) Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden
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Besteuerung wie eine juristische Person. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Var. 2 kommen als Gesellschaften auch Rechtsträger in Betracht, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Der Begriff Rechtsträger ist weit auszulegen. Erfasst werden sämtliche Rechtsgebilde, die, ohne juristische Person zu sein, rechtsbzw. teilrechtsfähig sind. Der Besteuerungsvergleich macht nur dann Sinn, wenn juristische Personen innerhalb der relevanten Steuerordnung stets gleich behandelt werden.10 Dies ist jedoch häufig nicht der Fall. Auch in Deutschland gibt es Abweichungen bei der steuerlichen Behandlung juristischer Personen. Entscheidend dürfte daher sein, dass der Rechtsträger einer steuerlichen Behandlung unterliegt, die typisch für juristische Personen ist.11 Typisch für juristische Personen ist insbesondere die Besteuerung nach dem Trennungsprinzip (vgl. z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG). Die zweite Alternative des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b erfasst daher alle Rechtsträger, die als Steuersubjekt der Körperschaftsteuer unterliegen.
1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (Tabelle 1). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18a. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 (Anlage „Tschechien/Slowakei“). 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 (Anlage „Spanien“). 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 (Anlage „Litauen“). 6 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 (Anlage „Litauen“). 7 Ausführlich hierzu Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 1 ff. und Tumpel/ Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (58). 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18c. 9 Vgl. Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 1 ff. 10 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 74. 11 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 74 f.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 21–23 Art. 3
Rechtsordnung des Anwenderstaats. Auch im Hinblick auf Rechtsträger, die für 21 die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, stellt sich die Frage, welche Rechtsordnung hierfür entscheidend ist. Nach Art. 3 Rz. 3 OECD-MK soll es auf den Staat ankommen, in dem die Gesellschaft errichtet wurde.1 Der BFH hat bisher zu dieser Streitfrage nicht einheitlich entschieden.2 Jüngst hat er eine Gesellschaft jedoch bereits angenommen, wenn sie im Sitzstaat (bzw. Staat ihrer Geschäftsleitung) wie eine juristische Person besteuert wird.3 Außer Betracht wird dabei jedoch gelassen, dass bei abkommensrechtlich nicht näher bestimmbaren Ausdrücken die Rechtsordnung des Anwenderstaates maßgeblich ist (vgl. Rz. 15 und 58 ff.). Überzeugender ist es daher, auch insoweit auf die Sichtweise des Anwenderstaates abzustellen.4 Beispiel: Ist Deutschland der Anwenderstaat handelt es sich aus seiner Sicht bei einer ungarischen BT nicht um eine Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Ungarn, weil die Gesellschaft einer deutschen KG entspricht und daher nach deutschem Steuerrecht als Mitunternehmerschaft transparent besteuert wird.5
Deutsches Recht. Ist Deutschland der Anwenderstaat, fallen aus seiner Sicht die 22 in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten Rechtsträger (z.B. nichtrechtsfähige Vereine, Stiftungen, Anstalten) sowie die bei Anwendung des Typenvergleichs vergleichbaren Rechtsträger unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2.6 Als Zweckvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG kommt hiernach beispielsweise auch ein im Ausland errichteter nicht rechtsfähiger Trust in Betracht.7 Daneben sind die Betriebe gewerblicher Art (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Alt. 2, da sie für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden.8 4. Andere Personenvereinigungen Begriffsinhalt. Letztlich zählen die anderen Personenvereinigungen zu den Per- 23 sonen i.S.d. OECD-MA. In den deutschen DBA ist diese Personengruppe jedoch nur selten enthalten. Ausgehend von den Vorgaben des Art. 3 Rz. 2 OECD-MK ist der Ausdruck „andere Personenvereinigung“ weit auszulegen. Als Personenvereinigung ist der Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen zu einem gemeinsamen Zweck zu verstehen.9 Nicht deutlich wird allerdings, welche Anforderungen an den Zusammenschluss zu stellen sind. Der Ausdruck „body of person“ in der offiziellen englischen Sprachfassung könnte darauf schließen lassen, dass zumindest eine gewisse (rechtliche) Verselbständigung der Zusammenfassung nötig ist.10 Auch aus der Anknüpfung in den Verteilungsnormen und aus der Berechtigung zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens kann hergeleitet werden, dass die andere Personenvereinigung zumindest insoweit gegenüber den sie bildenden Personen ein verselbständigtes Gebilde darstellen muss, als sie als solche in rechtlich relevanter Weise an wirtschaftlichen Sachverhalten, die sich auf die Besteuerung auswirken, beteiligt sein können.11 Durch das Pronomen „anderen“ kommt zum Ausdruck, dass die (sons-
1 Verlegt eine Gesellschaft jedoch ihren Verwaltungssitz in einen anderen Staat, steht dem ggf. die im deutschen IPR vertretene Sitztheorie entgegen (vgl. Hey in Tipke/Lang20, § 11 Rz. 31, 104). 2 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 30. 3 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 4 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 19. 5 A.A. (ohne weitere Begründung) BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 6 Vgl. Avery Jones u.a., BTR 1989, 41, 65. 7 Vgl. Lambrecht in Gosch2, § 1 KStG Rz. 109; Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (61). 8 Hierzu ausführlich Prillinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 121 ff. 9 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht3, § 3 I. 10 So auch Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 98. 11 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 99.
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227
Art. 3 Rz. 23–27
Allgemeine Begriffsbestimmungen
tigen) in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a genannten Rechtsträger (natürliche Personen und Gesellschaften) nicht zu den Personenvereinigungen zählen. Andere Personenvereinigungen werden daher regelmäßig nicht in einem Vertragsstaat gem. Art. 4 ansässig sein, da sie anders als die Gesellschaften keine Steuersubjekte sind. Bedeutung haben die anderen Personenvereinigungen daher regelmäßig nur für Abkommensnormen, die eine ansässige Person nicht voraussetzen (vgl. insoweit Art. 5 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 Buchst. b, Art. 17 Abs. 2, Art. 24, Art. 25, Art. 26, Art. 27). Aus deutscher Perspektive1 sind als andere Personenvereinigungen daher vor allem die transparent besteuerten Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG, Partnerschaft, stille Gesellschaft, EWIV) einzuordnen.2 Ihre Erwähnung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g („Personengesellschaften“) neben den anderen Personenvereinigungen steht dieser Einordnung nicht entgegen (vgl. Art. 3 Rz. 10.1 OECD-MK). Daneben zählen aus deutscher Sicht die Erbengemeinschaft sowie die sonstigen Gemeinschaften zu den anderen Personenvereinigungen.3 5. Sonstige Rechtsgebilde 24
Unternehmen. Ein Unternehmen ist keine Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a.4 Dies folgt u.a. aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. d, nachdem ein Unternehmen von einer Person betrieben wird und daher nicht selber Person sein kann.
25
Betriebsstätte. Ebenfalls keine Person ist eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5.5 Eine Betriebsstätte ist Teil eines Unternehmens und daher wie das Unternehmen selber keine Person im abkommensrechtlichen Sinne (vgl. Art. 5 Rz. 3).
IV. Unternehmen (Buchst. c) 1. Bedeutung der Definition 26
Erscheinungsformen des Begriffs Unternehmen. Der Begriff des Unternehmens ist von zentraler Bedeutung für eine Reihe von Abkommensregelungen: – Art. 3 Abs. 1 Buchst. e (Definition des „internationalen Verkehrs“); – Art. 5 Abs. 1, 4, 5 und 6 (Definition der Betriebsstätte); – Art. 7 Abs. 1 (Unternehmensgewinne); – Art. 8 Abs. 1 bis 3 (Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen); – Art. 9 Abs. 1u. 2 (Rechtsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen); – Art. 13 Abs. 2 (Veräußerung von Betriebsvermögen); – Art. 22 Abs. 2 (Vermögensbesteuerung von Betriebsvermögen); – Art. 24 Abs. 3, 4u. 5 (Gleichbehandlung).
27
Relevanz der Definition. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bezieht sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit (vgl. Rz. 55 ff.). Für die Konkretisierung des Begriffs „Unternehmen“ ist diese Umschreibung jedoch wenig hilfreich (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.).6 Schon fraglich ist, ob es sich hierbei ausgehend vom einleitenden Wort „bezieht“ überhaupt um eine Definition im eigentlichen Sinne handelt.7 Zumindest aber beinhaltet Art. 3 Abs. 1 Buchst. c einen Pleonasmus, da der Begriff der „Geschäftstätigkeit“ bereits von Art. 7 Abs. 1 („[…] das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit […]“) und Art. 5 Abs. 1 („[…] Geschäftstätigkeit eines Unternehmens […]“) vorausgesetzt wird.8 Von Bedeutung ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. c daher nur als „Vorschaltnorm“ für den Begriff der Geschäftstätigkeit in Art. 3 Abs. 1 1 2 3 4 5 6 7
Auch insoweit ist gem. Art. 3 Abs. 2 auf die innerstaatliche Sichtweise abzustellen. Art. 3 Rz. 3 OECD-MK; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 8. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 20. Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 10. Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 10. Vgl. auch Lang, IStR 2007, 606 (609). Nach Art. 3 Rz. 4 OECD-MK ist die Vorschrift jedenfalls nicht als erschöpfende Definition zu verstehen. 8 So auch Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 40.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 27–31 Art. 3
Buchst. h (vgl. Art. 3 Rz. 4 und 10.2 OECD-MK).1 Nach Art. 3 Rz. 4 OECD-MK soll durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. h klargestellt werden, dass unter den Begriff des Unternehmens auch freiberufliche Dienstleistungen und andere selbständige Tätigkeiten ähnlicher Art fallen, unabhängig von ihrer Einordnung nach innerstaatlichem Recht.2 Diese Klarstellung wurde als erforderlich angesehen, weil das OECD-MA 2000 den bisherigen Art. 14 („Selbständige Arbeit“), der diese Einkünfte noch umfasste, nicht mehr enthielt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50). Bedeutung in der Abkommenspraxis. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c war erstmals im 28 OECD-MA 2000 enthalten (vgl. Rz. 3). In Abkommen, die nach diesem Zeitpunkt von Deutschland geschlossen wurden, findet sich nur selten eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA vergleichbare Norm (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Großbritannien).3 Geht man davon aus, dass die Norm nur klarstellenden Charakter hat und keine Definition des Unternehmens erlaubt (vgl. Rz. 27), ergeben sich daraus jedoch keine weiteren Konsequenzen. 2. Begriff der Geschäftstätigkeit Rückgriff auf innerstaatliches Recht. Der Begriff „Geschäftstätigkeit“ wird ab- 29 kommensrechtlich nur punktuell durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. h definiert. Auch eine abkommensautonome Auslegung lässt seine Bedeutung im Dunkeln.4 Ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht ist daher erforderlich (vgl. Art. 3 Abs. 2 sowie Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK; Rz. 58 ff.).5 Im deutschen Ertragssteuerrecht wird der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ jedoch selber nicht verwendet. Allein die Begriffe „Geschäft“ und „Tätigkeit“ tauchen hier isoliert voneinander auf. In § 12 AO findet sich beispielsweise der Ausdruck der „Geschäftseinrichtung“. Hierunter ist jeder körperliche Gegenstand zu verstehen, der geeignet ist, einer Unternehmenstätigkeit zu dienen.6 Innerstaatlich besteht daher Identität zwischen den Ausdrücken „Geschäft“ und „Unternehmen“. Eine Geschäftstätigkeit ist daher innerstaatlich nichts anderes als eine unternehmerische Tätigkeit. Unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 2 handelt es sich bei Art. 3 Abs. 1 Buchst. c daher um eine Tautologie, die keine weitere Konkretisierung des Unternehmensbegriffs erlaubt. 3. Begriff des Unternehmens Rückgriff auf innerstaatliches Recht ist umstritten. Ob der Begriff „Unternehmen“ 30 – ergänzend zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. c – durch Rückgriff auf das nationale Steuerrecht oder abkommensautonom zu definieren ist, ist umstritten. Einigkeit besteht allein darüber, dass der Begriff weit auszulegen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 52). Abkommensautonome Auslegung. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, 31 dass sich der Begriff „Unternehmen“ abkommensautonom erschließen lasse.7 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit dem innerstaatlichen Recht wird abgelehnt, da der „Zusammenhang etwas anderes erfordere“. Was unter einem Unternehmen zu verstehen ist, wird aber nicht einheitlich beantwortet. Niehaves8 und Hemmelrath9 verstehen unter einem Unternehmen eine selbständige Erwerbstätigkeit, die nicht Nutzung unbeweglichen Vermögens i.S.v. Art. 6 Abs. 3 ist. Für Wassermey1 2 3 4
5 6 7 8 9
Vgl. auch Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 36. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 40. Zu abweichenden Formulierungen in DBA vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 50. A.A. Vogel, in FS Raupach, 627 (635), der nach dem „gewöhnlichen Sprachgebrauch“ unter einer Geschäftstätigkeit eine auf die Erzielung von Einkünften in Geld oder Geldeswert gerichtete Tätigkeit versteht und Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23 der im Umkehrschluss aus der Norm ableiten will, dass eine Vermögensverwaltung kein Unternehmen begründet. A.A. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41 unter Hinweis auf die Möglichkeit einer abkommensautonomen Auslegung. Vgl. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 8. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41a; Lang, IStR 2007, 606 (608 f.). Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 33. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 33.
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Art. 3 Rz. 31–34
Allgemeine Begriffsbestimmungen
er1 ist charakteristisch für ein Unternehmen, eine selbständige und auf Gewinn gerichtete Tätigkeit, die weder Vermögensverwaltung noch Land- und Forstwirtschaft ist. Ditz verlangt neben den genannten Voraussetzungen für ein Unternehmen eine nachhaltige Tätigkeit (s. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.). Aufgrund der offensichtlichen Parallelen räumt die Literatur zum Teil ein, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale hilfsweise durch die Rechtsprechung zum inländischen Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG) konkretisiert werden können (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 53).2 32
Rückgriff auf § 15 Abs. 2 EStG. Nach anderer Ansicht3 ist zur Begriffsbestimmung von vornherein auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen. Anzuwenden ist allerdings nur § 15 Abs. 2 EStG, nach dem eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb ist, wenn die Betätigung weder als private Vermögensverwaltung4, als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Zu den (gewerblichen) Unternehmen zählen danach neben Einzelunternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und Beteiligungen an Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) auch gewerblich tätige Kapitalgesellschaften. Auch Anteile an atypisch stillen Gesellschaften, bei der die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters derjenigen eines Kommanditisten entspricht,5 gehören zu den Unternehmensgewinnen.6 Anders als nach § 15 Abs. 2 EStG dürfte auch nach dieser Ansicht eine freiberufliche und eine sonstige selbständige Tätigkeit ein Unternehmen begründen, da Art. 3 Abs. 1 Buchst. h diese ausdrücklich zu den Unternehmensgewinnen rechnet.7 Auch die Rechtsprechung scheint dieser Ansicht zuzuneigen. Im Grundsatz geht sie ebenfalls davon aus, dass ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 möglich ist. Die Relevanz der Gewerblichkeitsdefinition nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG hat sie jedoch bereits mehrfach unter Hinweis auf den Abkommenszusammenhang verneint.8 Jüngst hat sich der BFH auch gegen die abkommensrechtliche Bedeutung der Betriebsaufspaltungsgrundsätze ausgesprochen.9
33
Anwendung von Gewerbebetriebsfiktionen. Schließlich findet sich die Ansicht, die insbesondere von der Finanzverwaltung vertreten wird, nach der neben § 15 Abs. 2 EStG auch Gewerbebetriebsfiktionen für die Auslegung des Unternehmensbegriffs entscheidend sind.10 Hierzu rechnet die Finanzverwaltung ausdrücklich § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG (Sondervergütungen), § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (gewerblich infizierte Gesellschaften) und § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (gewerblich geprägte Gesellschaften). Darüber hinaus dürften nach dieser Ansicht auch § 16 Abs. 3b EStG („Betriebsunterbrechung“ und „Betriebsverpachtung“) und § 8 Abs. 2 KStG für das Vorliegen eines Unternehmens entscheidend sein.
34
Konsequenzen. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen die Ansichten (vgl. Rz. 30 ff.) insbesondere dann, wenn eine private Vermögensverwaltung vorliegt, die nach nationalem Recht (z.B. nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gerechnet wird. 1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 3 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.234; Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 (109); Richter, FR 2010, 544 (551); Suchanek/Herbst, Ubg 2011, 779, 781; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 4 Hierbei handelt es sich um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 15 Abs. 2 EStG. 5 Vgl. zur Abgrenzung der typischen von der atypischen Gesellschaft Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 340 ff. 6 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.234. 7 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.234; daher ist ergänzend auch auf § 18 EStG zurückzugreifen. 8 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BFHE 229, 322; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 9 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 10 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1; Wolff in FS Wassermeyer, 647 ff.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 34–36 Art. 3
Beispiel: Die gewerblich geprägte A-GmbH & Co. KG mit Sitz und Geschäftsleitung in Deutschland hält Anteile an der B-GmbH. Die Tätigkeit der KG besteht ausschließlich in der Verwaltung der Anteile an der B-GmbH. Kommanditisten der KG und zugleich Geschäftsführer der A-GmbH (Komplementärin der KG), sind die natürlichen Personen A und B mit Wohnsitz im Staat C. Mit Staat C besteht ein DBA, das dem OECD-MA entspricht. Folgt man der Ansicht der Finanzverwaltung und zieht auch § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG zur Bestimmung des Unternehmensbegriffs heran, dann hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 4. Folgt man dem nicht, ist Art. 10 Abs. 1 und 2 anzuwenden, da die A-GmbH & Co. KG keine originär gewerbliche Tätigkeit ausübt, sondern nur private Vermögensverwaltung betreibt. Deutschland hätte in diesem Fall nur ein Quellensteuerrecht.
Eigene Auffassung. Zumindest in Randbereichen liefert das Abkommen selber kei- 35 ne klaren Vorgaben für die Bestimmung eines Unternehmens. Dies gilt insbesondere für die Einordnung der Vermögensverwaltung. Allein die Existenz von Verteilungsnormen, die die Vermögensverwaltung behandeln, ändert daran nichts. Denn die Art. 7 Abs. 7 bzw. Art. 6 Abs. 4 implizieren, dass eine Schnittmenge zwischen Unternehmensgewinnen und sonstigen Einkünften nach Art. 6, 10, 11 und 12 bestehen kann. Auch der Begriff „Geschäftstätigkeit“ führt zu keinem anderen Ergebnis. Wie oben (vgl. Rz. 29) gezeigt, erlaubt er keine Konkretisierung des Begriffs des „Unternehmens“. Leitet man dennoch aus ihm ab, dass ein aktives, d.h. positives Handeln vorliegen muss, wird die Vermögensverwaltung dadurch ebenfalls nicht ausgeklammert. Denn selbst bei einer Vermietung wird die (passive) Gebrauchsüberlassung stets von aktiven Haupt- und Nebenleistungspflichten (z.B. Erhaltungsmaßnahmen nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) begleitet. Gem. Art. 3 Abs. 2 ist daher auf die innerstaatlichen Grundsätze (insbesondere § 15 EStG) zurückzugreifen (vgl. Rz. 58 ff. und Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.). Dies schließt konsequent auch den Rückgriff auf innerstaatliche Fiktionen mit ein. Unerheblich ist, dass der Begriff „Unternehmen“ im Ertragsteuerrecht – anders als im Umsatzsteuerrecht (§ 2 UStG) – nicht ausdrücklich definiert ist.1 Ausreichend ist, dass er dort eine Bedeutung hat (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 31 Abs. 5 GewStG).2 Die Anwendung des Art. 3 Abs. 2 wird auch nicht durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. c gesperrt.3 Art. 3 Abs. 2 verlangt zwar einen im Abkommen nicht definierten Ausdruck. Gemeint sind damit aber nur Begriffe (wie z.B. die Betriebsstätte) die im Abkommen vollständig und abschließend erläutert werden (vgl. Rz. 69). Rückgriff auf den OECD-MK. Für Abkommen, die seit dem Jahr 2000 geschlossen 36 wurden, wird dieses Auslegungsergebnis auch zusätzlich durch den OECD-MK verifiziert.4 So wird in Art. 3 Rz. 4 OECD-MK darauf hingewiesen, dass der Begriff des Unternehmens stets nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten beurteilt worden ist. Darüber hinaus findet sich in Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK die Anweisung, dass das Unternehmen nach Art. 3 Abs. 2 generell die Bedeutung haben soll, die ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Staates zukommt, der das Abkommen verwendet.
1 A.A. Lang, IStR 2007, 606 (609), weil der Begriff nicht im innerstaatlichen Recht ausdrücklich definiert ist. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23; a.A. Gaffron in Haase2, Art. 3 OECDMA Rz. 35, nach dem der Begriff „Unternehmen“ eine unmittelbare Begriffsparallele nur im Umsatzsteuerrecht hat. 3 A.A. Lang, IStR 2007, 606 (609), da der Begriff teildefiniert ist; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; Wassermeyer, IStR 2010, 37, 38. 4 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23; vgl. zur Relevanz des OECDMK bei der Auslegung BFH v. 9.2.2011 – I R 54/10u. 55/10, BFHE 232, 476 (vgl. hierzu auch den Nichtanwendungserlass des BMF v. 27.12.2011 – IV C 2-S 2770/11/10002, BStBl. I 2012, 119); v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; sowie Pohl, RIW 2012, 677 (678 f.); Schnitger, IStR 2002, 407.
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Art. 3 Rz. 37–39
Allgemeine Begriffsbestimmungen
V. Unternehmen des einen bzw. des anderen Vertragsstaates (Buchst. d) 1. Bedeutung der Definition 37
Klarstellung. Bedeutung hat die Definition nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d für die folgenden Abkommensartikel: – Art. 7 Abs. 1 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei Unternehmensgewinnen); – Art. 13 Abs. 2 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei der Veräußerung von Betriebsvermögen); – Art. 9 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei Rechtsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen); – Art. 24 Abs. 3, 4 und 5 (Gleichbehandlung). Die Vorschrift stellt insoweit klar, dass für die Bestimmung des „Unternehmens des einen bzw. des anderen Vertragsstaates“ nicht der Ort an dem das Unternehmen betrieben wird,1 sondern der Ort an dem der Unternehmer ansässig ist, entscheidend ist (vgl. Art. 1 Rz. 41). 2. Begriffsmerkmale
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Unternehmen. Was unter einem Unternehmen zu verstehen ist, wird durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. d selber nicht definiert. Zur Konkretisierung des Begriffs ist vielmehr auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h und subsidiär auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen (vgl. Rz. 26 ff.).
39
Betreiber des Unternehmens. Von entscheidender Bedeutung für die Anwendung der Definitionsnorm ist, wer das Unternehmen betreibt, d.h. wer der Unternehmer ist (Art. 7 (2008) Rz. 63). Nach dem OECD-MA können Unternehmer nur „Personen“ sein. Damit sind die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a genannten natürlichen Personen, Gesellschaften und anderen Personenvereinigungen gemeint (vgl. Rz. 11 ff.). Unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen „betrieben“ wird, wird jedoch nicht weiter konkretisiert. In der Literatur finden sich hierzu unterschiedliche Definitionen. Nach Wassermeyer2 wird das Unternehmen von einer Person betrieben, für dessen Rechnung die Geschäftstätigkeit ausgeübt wird. Nach Vogel3 ist entscheidend, wer die Geschäftsleitung des Unternehmens bestellt und ihr für ihre Tätigkeit RL gibt. Nach Wilke4 soll es auf die tatsächliche Sachherrschaft einer Person ankommen. Gaffron5 schließlich stellt darauf ab, wer Unternehmerinitiative entfalten kann und Unternehmerrisiko trägt.6 Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Da sich der Begriff des „Betreibens“ nicht abkommensautonom erschließen lässt, ist insoweit gem. Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 58 ff.) auf das innerstaatliche (Steuer-)Recht abzustellen. Im Ertragsteuerrecht wird der Begriff u.a. im GewStG (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 GewStG) verwendet. Betreiber bzw. (Mit-)Unternehmer ist danach, wer sowohl Unternehmerinitiative entfalten kann als auch Unternehmerrisiko trägt.7 Unternehmerinitiative bedeutet Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen. Anders als bei Einzelunternehmern kann diese bei Mitunternehmern abgestuft sein.8 Sie reicht von der (Allein-)Geschäftsführungsbefugnis und umfassender Vertretungsbefugnis bis hin zu bloßen Kontroll- und Widerspruchsbefugnissen, wie sie einem Kommanditisten nach dem Regelstatut des HGB (vgl. §§ 161 ff. HGB) zukommt.9 Unternehmerrisiko bedeutet hingegen gesellschaftsrechtliche (oder dieser wirtschaftlich vergleichbare) Teilhabe
1 2 3 4 5 6 7 8 9
So aber Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (308) ohne nähere Begründung. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 24. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 43. Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 26. Vgl. Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 39. So wohl auch Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 (109). Vgl. Gosch in Blümich, § 5 GewStG Rz. 22; Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 5 GewStG Rz. 46. Reiß in Kirchhof12, § 15 EStG Rz. 212. Reiß in Kirchhof12, § 15 EStG Rz. 212 m.w.N.
232
Pohl
B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 39–42 Art. 3
am Erfolg oder Misserfolg eines Gewerbebetriebs, i.d.R. durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven einschließlich eines Geschäftswerts.1 Ansässigkeit. Ob und wo eine Person ansässig ist, richtet sich nach Art. 4 Abs. 1. Ist die Person danach in beiden Vertragsstaaten ansässig, ist Art. 4 Abs. 2 bzw. 3 heranzuziehen (vgl. Art. 4 Rz. 59 ff.).
40
3. Besonderheiten bei Personengesellschaften (insbesondere bei Qualifikationskonflikten) Mitunternehmer betreiben das Unternehmen. Bei einer Personengesellschaft ist 41 Betreiber des Unternehmens aus deutscher Sicht grundsätzlich nicht die Personengesellschaft, sondern die dahinterstehenden Mitunternehmer.2 Dies folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG3, lässt sich aber auch aus § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ableiten. Es bestehen demnach so viele Unternehmen und Betriebsstätten, wie Gesellschafter bzw. Mitunternehmer vorhanden sind (Art. 7 (2008) Rz. 68).4 Subjektive Qualifikationskonflikte. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zu- 42 sammenhang den subjektiven Qualifikationskonflikten bzw. Zurechnungskonflikten zu.5 Von ihnen spricht man, wenn zwei Vertragsstaaten Einkünfte abkommensrechtlich unterschiedlichen Personen zuordnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 71 ff. und Art. 1 Rz. 50 ff.). Dies kann verschiedene Gründe haben.6 Geht es um die Beteiligung an einer Personengesellschaft, sind hierfür meist unterschiedliche Besteuerungskonzepte in den Vertragsstaaten verantwortlich. Während Deutschland nach dem Transparenzprinzip nicht die Personengesellschaft sondern die dahinterstehenden Mitunternehmer besteuert, ist im anderen Vertragsstaaten nicht selten die Personengesellschaft selber Steuersubjekt.7 Beispiel: Der in Deutschland ansässige G ist an einer spanischen S.R.C. (Sociedades Regluares Colectivas) beteiligt. Bei der S.R.C. handelt es sich um eine Personengesellschaft, die in Spanien wie eine juristische Person nach dem Trennungsprinzip besteuert wird.8
In diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob Deutschland an die Qualifikation des Quellenstaates gebunden ist, und folglich abkommensrechtlich davon auszugehen ist, dass die Personengesellschaft das Unternehmen betreibt.9 Dies ist zu verneinen (vgl. Art. 1 Rz. 58 ff.).10 Mit der Frage der Ansässigkeit hat das allerdings nichts zu tun. Selbst wenn man aus der Formulierung des Art. 4 Abs. 1 ableitet, dass eine als Steuersubjekt behandelte Personengesellschaft im anderen Vertragsstaat eine ansässige Person ist (vgl. Art. 4 Rz. 29), ist es nicht die Personengesellschaft, die das Unternehmen betreibt (vgl. Rz. 39). Ausschlaggebend ist allein die innerstaatliche Sichtweise. Eine Bindungswirkung an die ausländische Qualifikation lässt sich insoweit weder aus Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 58 ff.) noch aus Art. 23 Abs. 1 ableiten (vgl. Art. 23 A/B Rz. 37). Etwas anderes soll nach der Finanzverwaltung11 jedoch dann gelten, wenn im jeweiligen Abkommen Personengesellschaften ausdrücklich als Gesell-
1 Vgl. Wacker in Schmidt32, § 15 EStG Rz. 264 m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.2; Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 40; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 93; Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 (109). 3 Vgl. hierzu Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 160. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003), BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.2. 5 Vgl. hierzu im Einzelnen Seitz in W/R/S, Personengesellschaften, Rz. 5.1 ff. 6 Vgl. Richter, FR 2010, 544 (546). 7 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Anlage). 8 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Anlage „Spanien“). 9 Vgl. hierzu im Einzelnen Lüdicke, IStR 2011, 91. 10 Gleiche Auffassung BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; Lüdicke, IStR 2011, 91; a.A. z.B. C. Schmidt, IStR 2010, 413 (416) mit dem Argument, dass andernfalls die Abkommensberechtigung der Personengesellschaft bedeutungslos bliebe. 11 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 (Anlage).
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Art. 3 Rz. 42–45
Allgemeine Begriffsbestimmungen
schaften definiert werden1 oder nach dem Zivilrecht ihres Sitzstaates juristische Personen sind.2 Mit der Abkommenssystematik lassen sich diese Ausnahmen nicht vereinbaren.
VI. Internationaler Verkehr (Buchst. e) 1. Bedeutung der Definition 43
Bedeutung der Definition. Bedeutung hat die Definition des internationalen Verkehrs nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e für eine Reihe von Verteilungsnormen: – Art. 8 Abs. 1 (Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen); – Art. 13 Abs. 3 (Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen); – Art. 15 Abs. 3 (Unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs ausgeübt wird); – Art. 22 Abs. 3 (Vermögensbesteuerung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen). Der Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e erklärt sich aus dem Zusammenwirken mit den zuvor genannten Verteilungsnormen.3 Durch das Schifffahrtsprinzip des Art. 8 Abs. 1 sollen beispielsweise die Schifffahrtsgewinne sachgerecht auf die Vertragsstaaten verteilt werden (vgl. Art. 8 Rz. 1).4 Eine Anwendung des Art. 7 Abs. 1 kann eine sachgerechte Verteilung hingegen nicht gewährleisten. Das Betriebsstättenprinzip würde die Gewinnverteilung erschweren und die Gefahr einer Steuerzersplitterung begründen.5 Aus diesem Grund erhält allein der Staat das Besteuerungsrecht, wo sich der Ort der Geschäftsleitung befindet. Die Schwierigkeit der Gewinnverteilung und die Gefahr einer Steuerzersplitterung bestehen jedoch nur dann, wenn auf der Schiffsreise die Häfen verschiedener Länder angelaufen werden.6 Aus diesem Grund ordnet Art. 3 Abs. 1 Buchst. e an, dass ein internationaler Verkehr dann nicht vorliegt, wenn das Seeschiff oder Luftfahrzeug ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben wird. Fehlt im DBA eine dem Art. 3 Abs. 1 Buchst. e vergleichbare Definition ist der Ausdruck „internationaler Verkehr“ nach dem allgemeinen Wortsinn auszulegen.7 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 scheitert regelmäßig daran, dass das innerstaatliche Recht den Ausdruck nicht kennt.8 2. Begriffsmerkmale
44
Beförderung. Grundvoraussetzung der Definitionsnorm ist eine Beförderung. Objekt der Beförderung können sowohl Personen als auch Sachen sein. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass die Beförderung grenzüberschreitend ist; allein der Betrieb des Seeschiffs bzw. Luftfahrzeugs muss international erfolgen.9
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Tatsächliche Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat. Die tatsächliche Geschäftsleitung des Unternehmens, die das Seeschiff oder Luftfahrzeug betreibt, muss in einem Vertragsstaat liegen. Abweichend vom Wortlaut dürfte entscheidend sein, wo die Person, die das Unternehmen betreibt, ihre tatsächliche Geschäftsleitung hat. Der Begriff tatsächliche Geschäftsleitung entspricht inhaltlich dem des Art. 4 Abs. 3 (vgl. Art. 4 Rz. 106 ff.).10 Ist der Unternehmer in beiden Vertragsstaaten ansässig, hat
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Belgien. Vgl. auch C. Schmidt, IStR 2010, 413 (416). Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 35. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 35; a.A. (ohne Begründung) Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 31. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 26.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 45–47 Art. 3
er seine tatsächliche Geschäftsleitung jedoch in einem Drittstaat, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. e nicht erfüllt.1 Kein Betrieb ausschließlich zwischen Orten des anderen Vertragsstaates. Wird das 46 Seeschiff oder Luftfahrzeug ausschließlich zwischen Orten des anderen Vertragsstaates betrieben, liegt kein internationaler Verkehr vor. Insoweit unterscheidet sich die Definition von derjenigen nach innerstaatlichem Recht (vgl. § 5a Abs. 2 EStG).2 Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Kontakt zu einem ausländischen Hafen ausreichend, ohne dass der Verkehr grenzüberschreitend sein muss. Nach Art. 3 Rz. 6.1 OECD-MK wird ein Seeschiff oder Luftfahrzeug in Bezug auf eine Reise nur zwischen Orten in dem anderen Vertragsstaat betrieben, wenn sowohl der Abfahrtsort als auch der Ankunftsort des Schiffes oder Luftfahrzeugs in diesem anderen Vertragsstaat liegen. Etwas anders gilt allerdings dann, wenn zwar Abfahrts- und Ankunftsort in dem anderen Vertragsstaat liegen, während der Schiffsreise jedoch die Häfen des eigenen Vertragsstaats oder eines Drittstaats angelaufen werden (vgl. Art. 3 Rz. 6.1 OECD-MK: „Internationaler Verkehr liegt jedoch vor, wenn die Reise des Schiffs oder Luftfahrzeugs zwischen Orten in dem anderen Vertragsstaat Teil einer längeren Reise dieses Schiffes oder Luftfahrzeugs ist, die einen Abfahrts- oder Ankunftsort außerhalb dieses anderen Staates umfasst“).3 Entscheidend ist dabei das Anlaufen eines Hafens in dem eigenen Vertragsstaat oder Drittstaat, sodass das Befahren von Hoheitsgewässern dieser Staaten nicht ausreicht (vgl. Art. 3 Rz. 6.3 OECD-MK).4 Entsprechendes gilt für den internationalen Flugverkehr. Obwohl die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Buchst. e vorliegen, liegt ein internationaler Verkehr auch dann nicht vor, wenn ein Seeschiff oder Luftfahrzeug ausschließlich zwischen Orten in dem Vertragsstaat betrieben wird, in dem auch der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung liegt. Denn in diesem Fall mangelt es an jeglichem internationalen Bezug. Beispiele: a) Das Unternehmen mit einer tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat unterhält ein Seeschiff, das Güter zwischen zwei Häfen im anderen Vertragsstaat hin und her transportiert. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e liegt kein internationaler Verkehr vor, da das Seeschiff nur zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben wird. b) Ein Luftfahrzeug fliegt im Rahmen derselben Reise zuerst von einem Ort in dem anderen Vertragsstaat zu einem Ort in einem Drittstaat und dann an einen anderen Bestimmungsort, der ebenfalls in dem anderen Vertragsstaat liegt. Hier ist ein internationaler Verkehr zu bejahen, obwohl Abflugs- und Ankunftsort in demselben (anderen) Vertragsstaat liegen.
VII. Zuständige Behörde (Buchst. f) Bedeutung der Vorschrift. Wer zuständige Behörde im abkommensrechtlichen 47 Sinne ist, wird durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. f ausdrücklich offen gelassen. Die Norm beinhaltet daher keine Definition, sondern lediglich ein Muster für eine mögliche Definition. Die Notwendigkeit für eine Bestimmung der zuständigen Behörde wird seitens der OECD in Art. 3 Rz. 7 OECD-MK darin gesehen, dass die Ausführung von DBA nicht in jedem Staat in die Zuständigkeit der obersten Steuerbehörde fällt. Der Ausdruck „zuständige Behörde“ wird in den folgenden Abkommensartikeln verwendet: – Art. 2 Abs. 4 (Mitteilung bedeutender Änderungen in den Steuergesetzen); – Art. 4 Abs. 2 Buchst. d (Bestimmung des Ansässigkeitsstaats im gegenseitigen Einvernehmen); – Art. 25 (Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens); – Art. 26 (Informationsaustausch).
1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 36. 2 Zu den Gründen einer Abweichung vgl. ausführlich Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 72. 3 Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 71. 4 Vgl. Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 71.
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Art. 3 Rz. 48–51 48
Allgemeine Begriffsbestimmungen
Abkommenspraxis. Die Entscheidung darüber, wer zuständige Behörde ist, bleibt den Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Verhandlungen ausdrücklich vorbehalten. Möglich ist es gem. Art. 3 Rz. 7 OECD-MK auch, dass mehrere Behörden als zuständige Behörden eines Staates genannt werden. Auf deutscher Seite wird in Abkommen regelmäßig das BMF als zuständige Behörde festgelegt.1 Dies schließt jedoch nicht aus, dass durch innerstaatliche Gesetze die Zuständigkeit wiederum auf andere Behörden (z.B. das BZSt2) weiter delegiert wird.3 In einigen Abkommen wird diese Möglichkeit sogar ausdrücklich genannt.4
VIII. Staatsangehöriger (Buchst. g) 1. Bedeutung der Definition 49
Definition Staatsangehöriger. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g definiert, wann eine natürliche Person, eine juristische Person (zum Begriff vgl. Rz. 14 ff.), eine Personengesellschaft und eine andere Personenvereinigung (zum Begriff vgl. Rz. 23) Staatsangehörige in Bezug auf einen Vertragsstaat sind. Dies ist abkommensrechtlich für die Anwendung der folgenden Abkommensartikel entscheidend: – Art. 4 Abs. 2 Buchst. c (Bestimmung des Ansässigkeitsstaats); – Art. 19 (Verteilung des Besteuerungsrechts bei Einkünften aus dem öffentlichen Dienst); – Art. 24 Abs. 1 (Anspruch auf Gleichbehandlung). Bis zur Revision des OECD-MA 1992 wurde der Ausdruck „Staatsangehöriger“ noch in Art. 24 Abs. 2 definiert (vgl. Rz. 3). In einigen DBA ist die Definition dort immer noch zu finden.5 2. Staatsangehörigkeit von natürlichen Personen
50
Innerstaatliches Staatsangehörigenrecht. Eine natürliche Person ist nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. i Staatsangehöriger eines Vertragsstaates, wenn sie die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt. Maßgeblich für den abkommensrechtlichen Begriff des Staatsangehörigen ist somit das Staatsangehörigkeitsrecht des Vertragsstaates, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. Ob dieses Staatsangehörigenrecht zum Privatrecht oder Öffentlichen Recht gehört, ist unerheblich.6 Im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit sind die §§ 1 ff. StAG zu beachten. Art. 116 GG kommt hingegen keine Bedeutung zu, da die Norm nur zu einer Erweiterung des Begriffs des „Deutschen“ nicht aber der „deutschen Staatsangehörigkeit“ führt.7 In seiner Abkommenspraxis verwendet Deutschland hingegen fast ausschließlich den Begriff des „Deutschen“ i.S.d. Art. 116 GG.8 Der Nachweis der Staatsangehörigkeit kann durch Vorlage eines Passes bzw. durch eine gleichwertige Bestätigung des betreffenden Staates erfolgen.9
51
Staatsbürgerschaft. Der mit dem OECD-MA 2002 eingeführte Begriff des „Staatsbürgers“ hat keine eigenständige Bedeutung, da er – zumindest aus deutscher Perspektive – vom Begriff des „Staatsangehörigen“ mit umfasst wird (vgl. Art. 3 Rz. 8 OECD-MK). Nach der Intention der OECD wurde der Begriff nur deshalb in das
1 Vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b DBA-Belgien. 2 Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG i.V.m. BMF v. 20.6.2011 – IV B 5-O 1000/09/10507-04 (2011/0048553), BStBl. I 2011, 674. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 39. 4 Vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k Doppelbuchst. aa DBA-Großbritannien. 5 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 47. 7 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 48; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 38 mit dem Argument, dass Deutschland in seiner Abkommenspraxis allgemein ausdrücklich von dem Begriff des Art. 116 GG ausgeht. 8 Vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Luxemburg a.F. 9 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 37.
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B. Eigene Begriffsbestimmungen des Abkommens (Absatz 1)
Rz. 51–55 Art. 3
OECD-MA aufgenommen, weil er in einigen Staaten häufiger verwendet wird als der Begriff des „Staatsangehörigen“ (vgl. Art. 3 Rz. 8 OECD-MK). Mehrfache Staatsangehörigkeit. Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. i und 52 Art. 4 Abs. 2 Buchst. d („ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten“) folgt, dass eine natürliche Person auch die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten besitzen kann.1 Eine dem Art. 5 Abs. 1 EGBGB bzw. Art. 4 Abs. 2 entsprechende „tie-breaker“-Regelung im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit sieht das OECD-MA nicht vor. Im Hinblick auf die Art. 4 Abs. 2 Buchst. c, Art. 19 und Art. 24 Abs. 1 ist in diesen Fällen daher eine doppelte Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Beispiel: A besitzt die Staatsangehörigkeit Deutschlands und die des Vertragsstaates X (das DBA zwischen beiden Staaten entspricht dem OECD-MA). Aufgrund der doppelten Staatsangehörigkeit darf A weder in Deutschland noch im Staat X einer Besteuerung oder zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können (Art. 24 Abs. 1).
3. Staatsangehörigkeit von juristischen Personen, Personengesellschaften und anderen Personenvereinigungen Recht des Vertragsstaates der Errichtung. Juristische Personen, Personengesell- 53 schaften und andere Personenvereinigungen besitzen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. ii die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates, wenn sie nach dem dort geltenden Recht errichtet worden sind bzw. sich dem dort geltenden System von Normativbestimmungen unterworfen haben.2 Ziel dieser Anknüpfung ist es, Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, da in einigen Staaten bei der Bestimmung der Staatsangehörigkeit häufig auf andere Kriterien (z.B. den Sitz, den Schwerpunkt der Tätigkeit, die Staatsangehörigkeit des beherrschenden Gesellschafters) abgestellt wird.3 Bedeutung hat die Staatsangehörigkeit der Gesellschaften allein für Art. 24 Abs. 1 (vgl. Art. 24 Rz. 41 ff.). Keine umfassende Regelung. Zieht man den Begriff der Person in Art. 3 Abs. 1 54 Buchst. a und b heran (vgl. Rz. 10 ff.), fällt auf, dass die Staatsangehörigkeit von Rechtsträgern, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, nicht (umfassend) geregelt ist.4 Hinweise auf eine planwidrige Unvollständigkeit des OECD-MA ergeben sich jedoch nicht. Im Gegenteil dürfte es das Ziel gewesen sein, nur Rechtsgebilde mit einer „mitgliedschaftlichen Strukturierung“ zu erfassen. Gesellschaften, die nicht zu den juristischen Personen und zu den Personengesellschaften zählen, können sich daher nicht auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 1 berufen.5
IX. Geschäftstätigkeit (Buchst. h) 1. Bedeutung der Definition Bedeutung der Definition. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h schließt der Ausdruck „Ge- 55 schäftstätigkeit“ auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit ein. Die Norm wurde im Rahmen des „Update 2000“ dem OECD-MA hinzugefügt. Sie stellt eine Reaktion auf die Streichung des Art. 14 a.F. dar und soll gewährleisten, dass die früher von dieser Norm umfassten Einkünfte nunmehr als Unternehmensgewinne und nicht als andere Einkünfte i.S.d. Art. 21 eingeordnet werden
1 2 3 4 5
Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 63. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 51. Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 40 ff. Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 48. Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 48.
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Art. 3 Rz. 55–57
Allgemeine Begriffsbestimmungen
(Art. 7 (2008) Rz. 25).1 Systematisch ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. h im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c zu sehen (vgl. Rz. 28), der den Ausdruck „Unternehmen“ mit Hilfe des Begriffs „Geschäftstätigkeit“ umschreibt. Was unter einer Geschäftstätigkeit zu verstehen ist, definiert die Norm jedoch nicht vollständig (vgl. Rz. 29 und Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK). Bedeutung hat Art. 3 Abs. 1 Buchst. h für sämtliche Normen, die den Begriff des Unternehmens (vgl. Rz. 26 ff.) bzw. den der Geschäftstätigkeit (vgl. z.B. Art. 5 Abs. 1) verwenden. 2. Begriffsmerkmale 56
Freiberufliche Tätigkeit. Zum einen soll der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit einschließen. Was unter einer freiberuflichen Tätigkeit zu verstehen ist, definiert das OECD-MA seit dem Jahre 2000 jedoch nicht mehr. Ausgehend von der Zielsetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. h ist es geboten, den Begriff inhaltsgleich mit Art. 14 Abs. 1 OECD-MA 1992 auszulegen. Zur weiteren Begriffsbestimmung ist daher zunächst auf die nicht abschließende Definition des Art. 14 Abs. 2 OECD-MA a.F. sowie die dazugehörige Kommentierung der OECD zurückzugreifen. Unter einer freiberuflichen Tätigkeit ist danach insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte und Buchsachverständigen zu verstehen (vgl. Art. 14 Rz. 71 ff.). Im Übrigen ist gem. Art. 3 Abs. 2 auf das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaates zurückzugreifen. Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist neben Art. 14 Abs. 2 OECD-MA 1992 somit § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergänzend heranzuziehen.2
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Sonstige selbständige Tätigkeit. Auch den Ausdruck „sonstige selbständige Tätigkeit“ definiert das OECD-MA und Art. 14 OECD-MA 1992 nicht. Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 und das jeweilige innerstaatliche Recht ist daher geboten.3 Ist Deutschland der Anwenderstaat, sind die Grundsätze des § 18 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 EStG heranzuziehen. Dem steht nicht entgegen, dass § 18 EStG den Ausdruck sonstige selbständige Tätigkeit nicht enthält, da für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 eine wörtliche Verwendung des jeweiligen Ausdrucks nicht erforderlich ist (Rz. 79).
C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2) Ausgewählte Literatur: Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Czakert, Seminar D: Artikel 3 Abs. 2 OECD-MA und die Anwendung des innerstaatlichen Rechts, IStR 2012, 703; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR Beihefter 23/1992; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, DStZ/A 1987, 211; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB Beilage 23/1985; Debatin, Qualifikationsprobleme im Doppelbesteuerungsrecht, FR 1979, 493; Debatin, Auslegungsmaximen zum internationalen Steuerrecht, RIW 1969, 477; Drüen, Bindungswirkung von Rechtsverordnungen zur Umsetzung von Koalitionsvereinbarungen, IWB 2011, 360; Flick, Zur Auslegung von Normen des internationalen Steuerrechts, in Felix, Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 1958, 151; Geiger, Veränderung von Doppelbesteuerungsabkommen ohne Änderung des Vertragsgesetzes, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 37; Gloria, Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der Lex-Fori-Klausel für ihre Auslegung, RIW 1986, 970; Gosch, Entwicklungstendenzen in
1 Vgl. Art. 3 Rz. 10.2 OECD-MK und Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 79. 2 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 14 Rz. 12; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.410; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 14. 3 Vgl. auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.410; a.A. Hemmelrath in V/L5, Art. 14 Rz. 12 mit dem Hinweis, dass sich die in den Originalsprachen des OECD-MA verwendeten Ausdrücke („activities of an independent charakter“, „activités de caractère indépendent“) im nationalen Recht der entsprechenden OECD-Staaten gerade nicht finden.
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Art. 3
C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2)
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Internationalen Steuerrecht, SWI 2011, 324; Gröhs/Herbst, Die Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen im nationalen Recht, Zeitschrift für Verwaltung 1986, 16; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Bremen 2008; Ismer, DBA-Konkretisierung durch die Exekutive?, IStR 2009, 366; Kerath, Maßstäbe zur Auslegung und Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des Verständigungsverfahrens, Hamburg 1995; Kluge, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, AWD 1975, 90; Klebau, Einzelprobleme bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1985, 125; Knobbe-Keuk, „Qualifikationskonflikte“ im internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Lang, Art. 3 Abs. 2 OECDMA und die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2011, 281; Lang, DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 129; Lang, Qualifikationskonflikte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in Lehner/Vogel (Hrsg.), Staaten und Steuern, FS für Vogel, Heidelberg 2000; Lang/Mössner/Waldburger, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1998; Lang, Die Bedeutung des originär innerstaatlichen Rechts für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 283; Lang, Grundsatzerkenntnisse des VwGH zur DBAAuslegung, SWI 1996, 427; Lang, Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992, 104; Lang, Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Lang, Keine Bedeutung der jüngeren Fassung des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Interpretation älterer Doppelbesteuerungsabkommen, IWB, International, Gruppe 2, 120; Langbein, Doppelbesteuerungsabkommen zwischen nationalem Recht und Völkerrecht, RIW 1984, 531; Lehner, Die Umsetzung von abkommensrechtlichen Konsultationsvereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Doppelnichtbesteuerung durch Rechtsverordnungen, IStR 2011, 733; Lenz, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI XLII (1960), 107; Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, Diss., München 2009; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/98, 449; Menck, OECD-Bericht zur Personengesellschaft und zum Qualifikationskonflikt – ein Überblick, IStR 1999, 147; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Böckstiegel (Hrsg.), Völkerrecht – Recht der Internationalen Organisationen – Wirtschaftsrecht, FS für Seidl-Hohenveldern, Köln u.a. 1988, 403; Philipp Besonderheiten bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, ÖStZ 1986, 216; Pohl, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der jüngeren Rechtsprechung des BFH, RIW 2012, 677; Pöllath, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge aus der Sicht der Steuerpraxis, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, 29; Pöllath, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (deutsche DBA), CDFI LXXVIIla (1993), 327; Pöllath, Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen ohne Änderung des Zustimmungsgesetzes, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 55; von Poser/Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. München 1972; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Mannheim 1980; Prokisch, Fragen der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1994, 52; C. Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Vogel/Prokisch Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI LXXVlII a (1993), 19; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Auslegung, StuW 1982, 111, 286; Vogel, Aktuelle Fragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1978, 1021; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen durch den Bundesfinanzhof, StuW 1990, 404; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Der Künstlerbegriff im Abkommensrecht, IStR 1995, 555; Wassermeyer, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge – Haltung des BFH, in Mössner/Blumenwitz u.a. (Hrsg.), Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, 1995, 19; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Auslegung von DBA durch die Finanzverwaltung, IStR
Pohl
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Art. 3 Rz. 58
Allgemeine Begriffsbestimmungen
1995, 49; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen in der Rechtsprechung des BFH, SWI 1992, 171; Weber-Fas, Prinzipien der Abkommensinterpretation im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1982, 803; Weggenmann, Einordnungskonflikte bei Personengesellschaften im Recht der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des OECD-Partnership-Reports 1999, Diss. Nürnberg 2002; Widmann, Veränderung von Doppelbesteuerungsabkommen ohne Änderung des Vertragsgesetzes, in Mössner/ Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 18, München 1995, 47; Wolff, Auslegungsfragen zu DBARegelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.
I. Regelungszweck 58
Ermittlung des Sinngehalts von Rechtsnormen. Was Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 2 ist, ist umstritten. Teilweise wird die Norm als Versuch der Mitgliedsstaaten bezeichnet, ihre Souveränität bei der Abkommensanwendung zu wahren: „Je mehr Auslegung nach nationalem Recht offengehalten wird, desto mehr behalten die Staaten die Abkommensfolgen in der Hand“.1 Diese Deutung lässt allerdings die Frage offen, warum die Vertragsstaaten in bestimmten Bereichen ihre Souveränität durch spezielle Definitionen wieder beschränken. Nicht zu folgen ist auch der Ansicht2, nach der Art. 3 Abs. 2 der Ermittlung des Sinngehalts von Rechtsnormen dient, wenn eine abkommensautonome Auslegung nicht möglich ist. Denn streng genommen ist eine Auslegung immer – wenn auch nur anhand des Abkommenswortlauts – möglich.3 Auch ein Vereinfachungsgedanke4 liegt Art. 3 Abs. 2 nicht zu Grunde. Art. 3 Abs. 2 birgt die Gefahr einer unterschiedlichen Interpretation von Abkommensbestimmungen und damit einer Doppelbesteuerung, die dem Ziel der DBA zu widerlaufen. Dass die Vertragsstaaten dies allein aus Vereinfachungsgesichtspunkten hinnehmen wollten, erscheint abwegig. Im Ergebnis ist der Ansicht von Wassermeyer5 zu folgen, nach der „Art. 3 Abs. 2 den sachlich zutreffenden und im natürlichen Interesse der Vertragsstaaten liegenden Grundsatz zum Ausdruck bringt, dass jeder von ihnen das Abkommen aus der Sicht seines Steuerrechts auslegen und anwenden darf“. Art. 3 Abs. 2 ordnet – bei richtiger Interpretation – nur das an, was rechtsmethodisch ohnehin gilt. Bei mehrfacher Verwendung eines Begriffs gilt der Grundsatz, dass diesem immer die gleiche Bedeutung zukommt.6 Nichts anderes kann im Verhältnis zwischen dem innerstaatlichem Recht und den DBA gelten. Hierfür sprechen zwei Gesichtspunkte: Zum einen hat sich die Abkommenssprache aus den Sprachkategorien des innerstaatlichen Rechts herausentwickelt. Werden bei den Abkommensverhandlungen bestimmte Begriffe verwendet, sind diese bei den Verhandlungspartnern meist durch ein innerstaatliches Verständnis vorgeprägt. In diesem Sinne hat auch der BFH7 entschieden, dass in Fällen, in denen eine abkommensautonome Auslegung zu keinen anderen Ergebnissen führt, die Vertragsstaaten zumindest stillschweigend von dem innerstaatlichen Recht ausgehen wollten. Zum anderen sollen DBA gerade zu einer systemgerechten Eingrenzung nationaler Besteuerungsansprüche führen8, so dass eine inhaltliche Übereinstimmung bestimmter Begriffe auch aus diesem Grund naheliegt. Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar. Bereits national ist anerkannt, dass ein Begriff innerhalb eines bestimmten Gesetzes eine unterschiedli-
1 So insbesondere Debatin, AWD, 1969, 477 (480); dem folgend Mössner in FS Seidel/Hohenveldern, 403 (426); Vogel, StuW 1982, 286, (295); Gloria, Verständigungsverfahren, 92. 2 Vgl. Blumenwitz in Mössner/Blumenwitz, Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, 10: „[…] können Vertragstermini – mangels genuiner völkerrechtlicher Begriffsbildung – nur unter Rückgriff auf das nationale Begriffsverständnis der Vertragsparteien ausgelegt werden.“ 3 So auch Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 48. 4 Vgl. insoweit Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 32. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 71; StuW 1990, 404 ff. 6 Beaucamp/Treder, Methoden und Technik der Rechtsanwendung, Rz. 150 m.w.N. 7 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 8 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 32.
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C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2)
Rz. 58–61 Art. 3
che Bedeutung haben kann (sog. Relativität der Begriffsbildung).1 Nichts anderes gilt auch bei der Auslegung von DBA, was ebenfalls durch Art. 3 Abs. 2 („soweit der Zusammenhang nichts anderes erfordert“) zum Ausdruck gebracht wird. Kommt man im Wege der Auslegung eines DBA nach den Auslegungsgrundsätzen der WÜRV zu einem vom innerstaatlichen Recht abweichenden Begriffsverständnis, so ist dieses letztlich ausschlaggebend. Heranziehung allgemeiner Rechtsgedanken. Schließung von Vertragslücken. Art. 3 59 Abs. 2 gilt nur für Ausdrücke, die das Abkommen verwendet; er gibt also keine Rechtfertigung dafür, allgemeine Rechtsgedanken des innerstaatlichen Rechts (z.B. die „isolierte Betrachtungsweise“; vgl. hierzu Systematik Rz. 42) für die Auslegung des Abkommensrechts heranzuziehen.2 Ebenso wenig ist es das Ziel des Art. 3 Abs. 2, Vertragslücken eines DBA durch einen Rückgriff auf das innerstaatliche Recht zu schließen.3 Andernfalls käme es zu einer systemwidrigen Vermischung der unterschiedlichen Wertungsebenen des Abkommens und des innerstaatlichen Rechts.4
II. Rechtscharakter der Norm Auslegungsregelung. Eng verbunden mit der Frage des Sinn und Zwecks der Norm 60 ist die Frage nach dem Rechtscharakter des Art. 3 Abs. 2. Auch hierüber gehen die Meinungen auseinander. So wird die Norm als Zurückverweisungsnorm (renvoi)5, als Verweisungsnorm6, als lex-fori-Klausel7 oder als Auslegungsregelung8 gedeutet. Gegen den Charakter als renvoi spricht der Umstand, dass das nationale Recht nicht auf die DBA verweist, Art. 3 Abs. 2 somit auch nicht auf das innerstaatliche Recht zurückverweisen kann.9 Auch gegen die Einordnung als Verweisungsnorm bestehen Bedenken. Würde es sich um eine Verweisungsnorm handeln, so hätte der jeweilige Ausdruck – bei unterschiedlichem innerstaatlichen Recht – von Natur aus zwei Bedeutungen (sog. Homonym).10 Die vermeintliche Willenseinigung wäre einem versteckten Dissens gewichen.11 Richtigerweise handelt es sich bei Art. 3 Abs. 2 daher um eine Auslegungsregelung, was insbesondere durch den Sinn und Zweck der Norm (vgl. Rz. 58) bestätigt wird. Die häufig gebrauchte Umschreibung als lex-fori-Klausel steht hierzu nicht in Widerspruch. Deklaratorischer Charakter. Von der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerk- 61 male hängt es ab, ob Art. 3 Abs. 2 als deklaratorische12 oder konstitutive13 Vorschrift einzuordnen ist. Vom Standpunkt der hier vertretenen Ansicht, nach der Art. 3 Abs. 2 als Auslegungsregel mit allgemeinen methodischen Grundsätzen im Einklang steht (siehe Rz. 58), ist die erste Deutung zutreffend.
1 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaften4, 141 ff. 2 So Vogel, StuW 1982, 286 (295). 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.64; Vogel, StuW 1982, 286 (295); a.A. Kluge, RIW/AWD 1975, 90 (96). 4 So zutreffend Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.64. 5 Langbein, RIW 1984, 531. 6 Debatin, AWD/BB 1969, 478; so wohl auch BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14: „Es ist dann davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten zumindest stillschweigend auf das innerstaatliche Recht verweisen und von diesem ausgehen wollten.“ 7 So insbesondere BFH v. 8.12.2010 – I R 92/09, BStBl. II 2011, 488; Gloria, RIW1986, 970; Vogel, StuW 1982, 286, 295. 8 Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421 ff.). 9 Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421). 10 Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421). 11 Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (421). 12 So Wassermeyer, StuW 1990, 404 (409 f.). 13 So Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 55 mit dem zusätzlichen Argument, dass die dezidierte Formulierung des Art. 3 Abs. 2 gegen seine Bedeutungslosigkeit spricht.
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Art. 3 Rz. 62
Allgemeine Begriffsbestimmungen
III. Bedeutung und rechtspolitische Bewertung 62
Bedeutung der Norm. Art. 3 Abs. 2 hat eine große praktische Bedeutung. Eine vergleichbare Norm ist nicht nur in allen deutschen DBA anzutreffen.1 Auch die Rspr.2 und die Finanzverwaltung3 greifen regelmäßig auf die Vorschrift zurück, um den Bedeutungsinhalt eines Ausdrucks zu ermitteln.4 Insbesondere im Hinblick auf die folgenden Artikel bzw. Ausdrücke wird Art. 3 Abs. 2 eine Bedeutung beigemessen: – Art. 2 („Steuern“)5; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. a („natürliche Person“)6; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. b („juristische Person“)7; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, d und e, Art. 5, Art. 6 Abs. 4, Art. 7, Art. 8, Art. 9, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 3, Art. 22 Abs. 2 und 3, Art. 24 Abs. 3 bis 5 („Unternehmen“)8; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. c („Geschäftstätigkeit“) (vgl. Rz. 29)9; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. d („betrieben“) (vgl. Rz. 39); – Art. 3 Abs. 1 Buchst. h („freiberufliche Tätigkeit“)10; – Art. 3 Abs. 1 Buchst. h („sonstigen selbständigen Tätigkeit“)11; – Art. 4 Abs. 1 („Wohnsitz“)12; – Art. 4 Abs. 1 („ständigen Aufenthalts“)13; – Art. 4 Abs. 1 („Ortes ihrer Geschäftsleitung“)14; – Art. 5 Abs. 2 Buchst. b („Zweigniederlassung“)15 – Art. 5 Abs. 2 Buchst. c („Geschäftsstelle“)16; – Art. 5 Abs. 3 („Bauausführung“; „Montage“)17 – Art. 7 („Gewinne“)18; – Art. 10 Abs. 3 („Einkünfte aus Aktien“)19; – Art. 10 Abs. 3 („Genussaktie“; „Genussscheine“; „Kuxe“)20
1 Vogel und Prokisch (CDFI LXXVIIIa, S. 44) weisen allerdings darauf hin, dass diese Verbreitung nicht eindeutig ist (vgl. auch Lang, in FS Debatin, 283 (289)). 2 Vgl. Z.B. BFH v. 11.7.2012 – I R 76/11, BFH/NV 2012, 1966; v. 6.6.2012 – I R 52/11, BFHE 237, 356; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753; v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672; v. 24.7.1996 – I R 74/95, BStBl. II 1997, 132; v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218; v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 18.12.1986 – I R 52/83, BStBl. II 1988, 521; v. 21.5.1971 – III R 125/70, III R 126/70, III R 125-127/70, BStBl. II 1971, 721; FG Baden-Württemberg v. 18.11.2010 – 3 K 273/07, XX (Rev. Az. VI R 6/11); v. 17.12.2009 – 3 K 3006/08, EFG 2011, 1071 (Rev. Az. I R 29/10). 3 Vgl. z.B. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Tz. 2.2.1. 4 Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (681). 5 Vogel in V/L5, Art. 2 OECD-MA Rz. 19. 6 Vogel, StuW 1982, 286 (287). 7 Vgl. Tumpel/Aigner, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 33 (51). 8 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Tz. 2.2.1; FG Köln v. 23.2.2011 – 9 K 286/06, EFG 2011, 1322; a.A. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457. 9 A.A. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA. 10 Hemmelrath in V/L5, Art. 14 Rz. 12; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.410; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 14. 11 Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.410; a.A. Hemmelrath in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 12. 12 BFH v. 24.7.1996 – I R 74/95, BStBl. II 1997, 132; siehe auch Art. 4 Rz. 30. 13 Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 20 ff.; vgl. auch Art. 4 Rz. 35. 14 Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 20 ff.; vgl. auch Art. 4 Rz. 38. 15 Haase in Haase2, Art. 5 OECD-MA Rz. 82. 16 BFH v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753. 17 A.A. Haase in Haase2, Art. 5 OECD-MA Rz. 95, da es sich nicht um Rechtsbegriffe handele. 18 Vogel in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 21. 19 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BFHE 237, 346; vgl. auch Art. 10 Rz. 131 ff. 20 Gaffron in Haase2, Art. 10 OECD-MA Rz. 119 ff.
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C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2) – – – – –
Rz. 62–64 Art. 3
Art. 11 Abs. 3 („Einkünfte aus Forderungen jeder Art“)1; Art. 13 („Veräußerung“)2 Art. 15 Abs. 1, 2 und 3 („unselbständige Arbeit“)3; Art. 17 („Künstler“)4; Art. 17 („Sportler“)5.
Rechtspolitische Bewertung. Trotz der großen Bedeutung des Art. 3 Abs. 2 ist die 63 Norm rechtspolitisch stark umstritten.6 Bereits auf dem IFA-Kongress 1960 wurde vor der Aufnahme einer derartigen Regelung in das OECD-MA gewarnt.7 Auch im Schrifttum wird noch heute die ersatzlose Aufhebung der Norm gefordert.8 Im Wesentlichen sind hierfür zwei Gründe verantwortlich: Zum einen führt ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nicht selten zu Qualifikationskonflikten, was wiederum seine Ursache in den zum Teil unterschiedlichen Begriffsverständnissen der Mitgliedstaaten hat.9 Die Folge sind Doppelbesteuerungen bzw. doppelte Nichtbesteuerungen, die dem Zweck eines DBA widersprechen10 und erst in (langwierigen) Verständigungsverfahren beseitigt werden können. Zum anderen verleitet Art. 3 Abs. 2 zu einem vorschnellen Rückgriff auf das innerstaatliche Recht, ohne zuvor sämtliche Möglichkeiten einer abkommensautonomen Auslegung ausgeschöpft zu haben.11 An der derzeit vorhandenen „lex-fori“-Klausel sollte m.E. dennoch festgehalten werden. Bei richtiger Interpretation bringt Art. 3 Abs. 2 nur das zum Ausdruck, was methodisch ohnehin gilt (vgl. Rz. 58). Der häufige Rückgriff der (deutschen) Gerichte auf Art. 3 Abs. 2 bestätigt zudem, dass eine abkommensautonome Auslegung nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen führt. Die Gefahr eines Qualifikationskonflikts ist in diesen Fällen daher ohnehin latent vorhanden. Ist eine abweichende Auslegung allein Folge der unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen, lässt sich diese (zumindest de lege ferenda) durch eine Bindung an die Auslegung im Quellenstaat (sog. „Qualifikationsverkettung“) vermeiden.12 Einer Aufhebung des Art. 3 Abs. 2 bedarf es hierzu nicht.
IV. Systematische Einordnung Auslegung von DBA. Bei der Auslegung von DBA geht es wie bei der Auslegung 64 von anderen Rechtsnormen um die Ermittlung des Sinns von Rechtssätzen. Die Auslegung von DBA zeichnet sich jedoch durch gewisse Besonderheiten aus, die insbesondere der Natur dieser Abkommen als völkerrechtliche Verträge geschuldet sind.13 Zu unterscheiden sind im Grundsatz zwei Formen der Auslegung: Die sog. „authentische“ und die „einseitige“ Auslegung.
1 FG Hamburg v. 11.4.2011 – 6 K 245/09, EFG 2011, 1957 (rkr.); vgl. auch Art. 11 Rz. 55 ff. 2 Vogel in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 20. 3 BFH v. 11.11.2009 – I R 50/08, BFH/NV 2010, 647; v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 10.7.1996 – I R 83/95, BStBl. II 1997, 341; FG BaWü v. 18.11.2010 – 3 K 273/07, juris (Rev. VI R 6/11); vgl. auch Art. 15 Rz. 85 ff. 4 BFH v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513. 5 Wassermeyer, StuW 1990, 404 (409 f.). 6 Vgl. Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (309); Lang, IStR 2007, 606 (609); Lang in FS Debatin, 283. 7 Vgl. den Generalbericht von Lenz auf dem IFA-Kongress 1960, in Cahiers 42, 281 ff. m.w.N. 8 Vgl. Lang in FS Debatin, 283; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 402 (426). 9 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 33; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 92. 10 Zur Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung als Zielsetzung eines DBA vgl. BTDrucks. 16/2712, 61 und Lüdicke, FR 2011, 1077 f. 11 Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (302). 12 Zur Qualifikationsverkettung de lege lata vgl. Art. 23 Rz. 32.3, 32.4 OECD-MK und Meretzki, IStR 2011, 213; kritisch z.B. Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306; Lang, IStR 2007, 606. 13 Vgl. im Einzelnen Debatin, DStR Beihefter 23/1992; Debatin, BB 1992, 1181; Debatin, DStZ/A 1987, 211; Debatin, DB Beilage 23/1985; Debatin, FR 1979, 493; Debatin, RIW 1969, 477; Klebau, RIW 1985, 125; Kluge, AWD 1975, 90; Lang, SWI 1996, 427; Mössner in FS für Seidl-Hohenveldern, 403; Pohl, RIW 2012, 677 ff.; Vogel, SWI 2000, 103 ff.; Wassermeyer, SWI 1992, 171; Wassermeyer, StuW 1990, 404; Weber-Fas, RIW 1982, 803.
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Art. 3 Rz. 65–67
Allgemeine Begriffsbestimmungen
65
Authentische Auslegung. Die authentische Auslegung ist eine Auslegung durch die Vertragsparteien selber.1 Sie kann sich in einer ständigen gleichartigen Praxis der Vertragsparteien oder in entsprechenden gemeinsamen oder übereinstimmenden Erklärungen der Vertragsparteien manifestieren.2 Grundlage der authentischen Interpretation sind nicht bestimmte Auslegungsregeln, sondern der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien. Dieser kommt z.B.in einer Konsultationsvereinbarung i.S.d. Art. 25 Abs. 3 zum Ausdruck (vgl. hierzu Art. 25 Rz. 191 ff.).3 Völkerrechtlich ist sie gem. Art. 31 Abs. 3 WÜRV4 anerkannt. Ob sie auch im Hinblick auf DBA verbindlich ist, d.h. beispielsweise Gerichte bindet, ist umstritten.5 Der Gesetzgeber hat jüngst den Versuch unternommen, durch eine Ergänzung des § 2 AO (Konsultations-)Vereinbarungen durch Erlass einer Rechtsverordnung Bindungswirkung zu verleihen.6
66
Einseitige Auslegung. Von der authentischen Auslegung zu unterscheiden ist die einseitige Auslegung von DBA, die beispielsweise durch die Gerichte oder die Verwaltung vorgenommen wird.7 Die einseitige Auslegung eines DBA z.B. durch ein nationales Gericht ist für den anderen Vertragsstaat nicht bindend.8 Werden Begriffe eines DBA nicht verbindlich durch abkommensautonome (vgl. Art. 3 Abs. 1, Art. 4 und Art. 5) bzw. inkorporierte (vgl. Art. 6 Abs. 2) Definitionen festgelegt, besteht daher stets die Gefahr, dass sie in den Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt werden. Grundlage der einseitigen Interpretation sind die Art. 31 bis 33 WÜRV, die gewohnheitsrechtlich anerkannt und aus diesem Grund auch im Verhältnis zu Staaten gelten, die die WÜRV nicht ratifiziert haben.9 Art. 31 Abs. 1 WÜRV hält dabei als allgemeine Auslegungsregel fest, dass ein völkerrechtlicher Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes“ auszulegen ist. Ergänzend ist zudem die historische Auslegung nach Art. 32 WÜRV heranzuziehen.10 Teil der einseitigen Interpretation ist auch Art. 3 Abs. 2, der durch den Verweis auf das innerstaatliche Recht eines Vertragsstaates ein Unikat im Rahmen der Auslegung völkerrechtlicher Verträge darstellt. Sein Verhältnis zu den Art. 31 ff. WÜRV ist umstritten (vgl. Rz. 74 ff.). Nach der hier vertretenen Auffassung kommt Art. 3 Abs. 2 nur dann zur Anwendung, wenn eine abkommensautonome Auslegung nicht möglich oder zu nicht eindeutigen Ergebnissen führt (vgl. Rz. 74). Insgesamt ergibt sich danach folgende Auslegungsreihenfolge: Anwendung abkommensautonomer bzw. inkorporierter DBA Definitionen fl Abkommensautonome Auslegung (Art. 31 ff. WÜRV) fl Rückgriff auf das innerstaatliche Recht (Art. 3 Abs. 2)
V. Tatbestand 1. Anwendung des Abkommens 67
Entscheidung über eine Steuerfrage. Grundvoraussetzung der Norm ist eine Anwendung des entsprechenden DBA. Wann sie vorliegt, wird unterschiedlich beur-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Pohl, RIW 2012, 677 f. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, § 6 Rz. 209. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, § 6 Rz. 209. V. 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927. Vgl. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFHE 226, 276; Ismer, IStR 2009, 366. Vgl. hierzu BFH v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFHE 235, 401; Drüen, IWB 2011, 360; Lehner, IStR 2011, 733; Pohl, RIW 2012, 677 (680 f.). Vgl. hierzu Pohl, RIW 2012, 677 f. Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, § 6 Rz. 210. Vgl. Heintschel/von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht5, § 11 Rz. 11. Henkel in G/K/G, Grundlagen, Rz. 37 ff.
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Pohl
C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2)
Rz. 67–69 Art. 3
teilt.1 Zum Teil wird vertreten, dass nur der Staat, der infolge eines DBA auf sein Besteuerungsrecht verzichtet, das Abkommen anwendet.2 Bestätigt das Abkommen lediglich die Besteuerung, wird dieses nur „gelesen“, aber nicht „angewendet“. Zum Teil wird diese Ansicht mit einer weiteren Annahme verknüpft:3 Soweit ein DBA in einem Vertragsstaat angewendet wird, ist der andere Vertragsstaat an die Qualifikation im Anwenderstaat gebunden. Qualifikationskonflikte sollen auf diese Weise vermieden werden. Eine derartige restriktive Interpretation des Begriffs „Anwendung“ lässt sich jedoch nicht überzeugend begründen.4 Darüber führt sie zu sinnwidrigen Ergebnissen. Von Verteilungsnormen geht isoliert betrachtet grundsätzlich keine Begrenzung des Besteuerungsrechts eines Staates aus. Im Regelfall wird lediglich das Besteuerungsrecht des Quellenstaates bestätigt. Folge wäre, dass die Verteilungsnormen weder durch den einen noch durch den anderen Staat angewendet würden. Auch die Ansicht, nur der Quellenstaat sei der Anwenderstaat,5 ist nicht überzeugend. Art. 3 Abs. 2 spricht von einer Anwendung durch einen Vertragsstaat, womit definitionsgemäß nicht nur der Quellenstaat sondern auch der Ansässigkeitsstaat gemeint sind. Rechtlich zutreffend dürfte es daher sein, eine Anwendung bereits bei jeder Entscheidung einer Finanzbehörde oder eines Gerichts über eine Steuerfrage zu bejahen, für die das Abkommen herangezogen wird oder herangezogen werden müsste.6 Auch der BFH7 scheint dieser Ansicht zu sein: „Art. 3 Abs. 2 OECD-MK unterscheidet dafür aber nicht zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat; Maßstab ist allein der jeweils abkommensanwendende Vertragsstaat.“8 2. Im Abkommen nicht definierter Begriff a) Autonome DBA-Definitionen Vorrangige Anwendung. Sind Begriffe im DBA ausdrücklich definiert (vgl. z.B. 68 Art. 3 Abs. 1, Art. 4 und Art. 5 OECD-MA), so ist ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 („[…] jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck […]“) nicht möglich.9 Dies ist eine Selbstverständlichkeit. Findet sich im Abkommen eine spezielle Definition so ist diese bereits nach dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ zu beachten. Beispiel: Ob im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 unterhalten wird, ist ausschließlich nach Art. 5 OECD-MA und nicht nach § 12 AO (i.V.m. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) zu beurteilen.
Nicht selten sind einzelne DBA-Definitionen jedoch selber wieder auslegungsbedürftig. Ist ihre Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV nicht möglich, ist Art. 3 Abs. 2 daher prinzipiell auch in diesen Fällen anwendbar.10 Beispiel: Der Ausdruck „Gesellschaft“ wird in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als juristische Person oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, definiert. Eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 ist aus diesem Grund insoweit zunächst gesperrt. Bei der Frage, was unter einer juristischen Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zu verstehen ist, ist jedoch wieder auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen (vgl. Rz. 14 ff.).
Teildefinitionen. In DBA ebenfalls anzutreffen sind Teildefinitionen (vgl. z.B. Art. 3 69 Abs. 1 Buchst. c „Unternehmen“, Art. 14 a.F. „freier Beruf“ und Art. 17 Abs. 1 „Künst1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (682 f.). Vgl. Avery Jones et al, BTR 1984, 14; Avery Jones in FS Beusch, 43. Vgl. Avery Jones et al, BTR 1984, 50 (54). Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 38. Vgl. die Nachweise bei Knobbe-Keuk, RIW 1991, 306 (309). Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 111. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFHE 234, 63. Hierzu Pohl, RIW 2012, 677 (683). So auch BFH v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810. Vgl. auch Avery Jones et al., BTR 1984, 14 (21).; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 54 f. Fn. 214.
Pohl
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Art. 3 Rz. 69–74
Allgemeine Begriffsbestimmungen
ler“). Die Frage, ob diese Teildefinitionen einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 sperren, ist zu verneinen.1 Ausgehend vom Zweck der Norm (Ermittlung des Sinngehalts einer Norm) kann auch in diesen Fällen auf das innerstaatliche Recht zurückgegriffen werden; allerdings nur insoweit, als der Begriff nicht bereits definiert ist und sich keine Widersprüche zur bereits vorhandenen Teildefinition ergeben. 70
Rahmendefinitionen. In einzelnen DBA sind auch Rahmendefinitionen anzutreffen, die bestimmte Eckpfeiler zur Bedeutung eines Ausdrucks vorgeben, im Übrigen den Ausdruck jedoch undefiniert lassen.2 Ausgehend von den Ausführungen unter Rz. 69 stehen Rahmendefinitionen einem Rückgriff auf innerstaatliches Recht nicht entgegen. Ein Widerspruch zum Inhalt der Rahmendefinition darf dabei jedoch nicht entstehen. b) Inkorporierte DBA-Definitionen
71
Vorrangige Anwendung. Verbreitet sind in DBA auch sog. inkorporierte DBA-Definitionen. Dabei handelt es sich um für beide Staaten verbindliche abkommensrechtliche Verweisungen auf das Rechtsverständnis eines dieser Staaten (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3).3 Auch in diesen Fällen liegt ein (im Abkommen) definierter Ausdruck vor, der einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 sperrt.4 Beispiel: Der in Deutschland ansässige S hat in Belgien Vermögen vermietet. Ob es sich bei diesem Vermögen um „unbewegliches“ Vermögen i.S.d. Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien handelt, ist (auch) aus deutscher Sicht gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Belgien nach belgischem Recht und nicht gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen.
72
Teil- bzw. Rahmendefinitionen. Im Hinblick auf Teil- bzw. Rahmendefinition gilt das oben Gesagte (vgl. Rz. 69) entsprechend. c) Sonstige „Definitionen“
73
Formelle Definition erforderlich. Umstritten ist, ob eine Abkommensdefinition neben den in den Rz. 68 ff. genannten Fällen auch dann vorliegt, wenn ein Ausdruck zwar nicht formell als solcher definiert ist, das Abkommen aber Anhaltspunkte für die Bestimmung eines Ausdrucks enthält.5 Dies wird teilweise bejaht.6 Anhaltspunkte sollen durch alle Formen der Abkommensauslegung gewonnen werden können. Auch Auslegungen aus einem Umkehrschluss7 und international etablierte Ansichten8 seien heranzuziehen. Hiergegen spricht jedoch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2, der von einem nicht definierten und nicht von einem nicht ermittelbaren Ausdruck spricht. Daneben würde auch der weitere Zusatz des Art. 3 Abs. 2 „wenn der Zusammenhang nichts anderes fordert“ bei einer weiten Auslegung des Begriffs „definiert“ bedeutungslos. 3. Der Zusammenhang darf nichts anderes erfordern
74
Keine andere Auslegung erforderlich. Ob bzw. wann der Zusammenhang eine andere Auslegung „erfordert“, zählt zu den klassischen Streitfragen im Kontext des Art. 3 Abs. 2. Nach einer völkerrechtlichen Theorie ist der Begriff „erfordert“ weit auszule-
1 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 74 und Wassermeyer, IStR 2010, 37, 38 der ausgehend vom Wortlaut eine Teildefinition als Definition i.S.d. Art. 3 Abs. 2 ansieht; im Ergebnis auch Lang, IStR 2007, 606 (609). 2 Vgl. Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 56. 3 Vgl. hierzu auch Debatin, BB 1969, 477 (481). 4 So im Ergebnis auch Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, S. 54 f. Fn. 214. 5 Vgl. Link, Kosolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 53 ff. 6 Wassermeyer, StuW 1990, 404 (410); Prokisch, International Tax Language, 106; Link, Kosolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 53 ff. 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 74. 8 Prokisch, International Tax Language, 106.
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Pohl
C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2)
Rz. 74–75 Art. 3
gen.1 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 soll erst dann zulässig sein, wenn aus dem Abkommen selbst – unter Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden – kein Ergebnis gewonnen werden kann2 bzw. der Abkommensinhalt danach immer noch unklar bleibt.3 Nach einer sog. landesrechtlichen Theorie ist Art. 3 Abs. 2 hingegen vorrangig anzuwenden. Eine abkommensautonome Auslegung kommt nur dann zur Anwendung, wenn besondere bzw. gewichtige Gründe dies fordern bzw. hierfür sprechen.4 Diese besonderen Gründe sollen nur dann vorliegen, wenn die völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätze eine besondere Überzeugungskraft besitzen.5 Eine besondere Überzeugungskraft ist wiederum dann anzunehmen, wenn sich aus der Entstehungsgeschichte einer Norm ergibt, dass die Vertragsparteien ein Interesse an einer einheitlichen Interpretation haben.6 Der BFH hat zu dieser Streiftrage nur selten eine eindeutige Position bezogen und häufig eher pragmatisch entweder den Abkommenszusammenhang oder das innerstaatliche Recht in den Mittelpunkt der Auslegung gestellt.7 Dies dürfte belegen, dass die Streitfrage überbewertet wird und beide Ansichten häufig zu gleichen Ergebnissen kommen dürften. Aus einigen Entscheidungen lässt sich jedoch ein deutliches Bekenntnis des BFH zur völkerrechtlichen Theorie ableiten.8 Zur Auslegung des Begriffs „Kapitalgesellschaft“ i.S.d. DBA-Irland heißt es in einem Urteil vom 25.2.20049 beispielsweise: „Der im DBA-Irland verwendete Begriff ‚Kapitalgesellschaft‘ muss zunächst aus dem Abkommen selbst heraus und nicht nach Maßgabe innerstaatlicher rechtlicher Vorgaben verstanden werden. Nur wenn es an einer spezifischen abkommensrechtlichen Begriffsdefinition fehlt und sich auch keine anderweitigen Anhaltspunkte im Sinn- und Vorschriftenzusammenhang für ein eigenes abkommensrechtliches Begriffsverständnis ermitteln lassen, ist auf das innerstaatliche Recht zurückzugreifen. Es ist dann davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten zumindest stillschweigend auf das innerstaatliche Recht verweisen und von diesem ausgehen wollten.“ Mit Urteil vom 26.8.201010 hat der BFH dieses völkerrechtliche Verständnis jüngst nochmals bekräftigt: „Zur Methodik der Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen des Abkommens, sodann nach dem Sinn und dem Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens und schließlich nach den Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts auszulegen ist.“ Dem ist zu folgen. Die Art. 31 ff. WÜRV stehen als Völkergewohnheitsrecht im Rang über den einfachen Gesetzen (vgl. Art. 25 GG) und sind daher weder durch innerstaatliche Definitionen noch durch Art. 3 Abs. 2 abdingbar. Darüber hinaus führt allein die völkerrechtliche Auslegung dazu, dass Qualifikationskonflikte und damit Doppelbesteuerungen und doppelte Nichtbesteuerungen weitestgehend vermieden werden.11 Letztlich ist auch ausgehend vom Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 2 (vgl. Rz. 58) eine Heranziehung innerstaatlichen Rechts bereits dann methodisch nicht mehr vertretbar, wenn sich aus dem Abkommen eine vom innerstaatlichen Recht abweichende Auslegung ergibt. Zusammenhang. Auch der Ausdruck „Zusammenhang“ ist auslegungsbedürftig. 75 Art. 31 Abs. 2 WÜRV versteht unter ihm allein den Wortlaut und die Systematik des Abkommens. Ein solches Verständnis ist im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 je-
1 Vgl. FG Nds v. 14.5.1991 – VI 676/89, RIW 1991, 963; Gosch, SWI 2011, 324; Lang in FS Debatin, 283 (287 f.); Lang, IWB 2011, 281 (287 ff.). 2 So Lang, IStR 2007, 606 (609). 3 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 120. 4 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 81 f. 5 Vgl. Vogel, StuW 1982, 111 (119 f.); Lang, IWB 2011, 281 (288). 6 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 82. 7 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 94 m.w.N. 8 Vgl. auch Pohl, RIW 2012, 677 (681 f.). 9 BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14. 10 BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09, BFHE 231, 63. 11 Vgl. Lang, IWB 2011, 281 (287 ff.).
Pohl
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Art. 3 Rz. 75–79
Allgemeine Begriffsbestimmungen
doch zu eng.1 Ergibt sich eine abweichende Auslegung eines Abkommensbegriffs aus einem anderen Auslegungskriterium, entspricht es ebenfalls dem Sinn und Zweck eines DBA, den Begriff abkommensautonom auszulegen. Neben dem Wortlaut und der Systematik sind daher auch die Entstehungsgeschichte und der Sinn und Zweck der Norm zum Zusammenhang zu rechnen.2 Im Ergebnis erfasst werden damit auch Erkenntnisse die sich aus dem OECD-MA bzw. dem OECD-MK ergeben. Noch weitergehend will Vogel3 auch Vorschriften nationaler Rechtsordnungen zum Zusammenhang zählen. Hiergegen spricht, dass ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nur in den Fällen möglich ist, in denen das DBA hierauf ausdrücklich verweist. Ein derartiger Verweis lässt sich Art. 3 Abs. 2 jedoch nicht entnehmen. 76
„Wenn“. Durch die Subjunktion „wenn“ anstelle von „soweit“ entsteht der Eindruck, dass eine Anwendung der „lex-fori“-Klausel bereits dann gesperrt ist, wenn sich aus dem Abkommen irgendwelche Anhaltspunkte für eine Auslegung ergeben. Dies würde über den Sinn dieses Vorbehalts jedoch hinausgehen. Ausreichend muss sein, dass keine Widersprüche zwischen dem Abkommen und dem transferierten innerstaatlichen Recht bestehen. Ist dies gewährleistet, kann auf die innerstaatliche Bedeutung nach wie vor abgestellt werden. 4. Steuerrechtliche Bedeutung des Ausdrucks
77
Steuerrechtliche Bedeutung. Art. 3 Abs. 2 setzt voraus, dass der Ausdruck eine Bedeutung nach dem Recht über die Steuern hat, für die das Abkommen gilt. Ist er beispielsweise nur im Zivilrecht eines Vertragsstaates gebräuchlich, scheidet ein Rückgriff auf das dort geltende Verständnis aus. Hieran hat sich auch durch die Neufassung der Norm im Jahre 1995 nichts geändert.4 Denn Art. 3 Abs. 2 verweist weiterhin auf das Recht des Staates über die Steuern. Nicht ausgeschlossen ist jedoch der Rückgriff auf das sonstige Recht, wenn die steuerrechtliche Bedeutung hierauf aufbaut.5 Ob das Abkommen für das jeweilige Steuerrecht gilt, beurteilt sich nach Art. 2.
78
Keine spezifische steuerliche Bedeutung erforderlich. In der Literatur wird vertreten, dass Art. 3 Abs. 2 dann nicht anzuwenden ist, wenn der jeweilige Ausdruck keine spezifische (steuer-)rechtliche Bedeutung hat.6 Dem ist nicht zu folgen. Entscheidend ist nach Art. 3 Abs. 2 lediglich, dass ein Ausdruck für das Steuerrecht eine Bedeutung hat. Dass es sich um einen Rechtsbegriff bzw. einen rechtlichen Fachausdruck handeln muss, wird hingegen nicht verlangt. Beispiel: Bei der Auslegung der Begriffe „Bauausführung“ und „Montage“ i.S.d. Art. 5 Abs. 3 kann auf die innerstaatliche Bedeutung nach § 12 Satz 2 Nr. 8 AO zurückgegriffen werden, obwohl beide Begriffe keine Rechtsbegriffe sind.
Allerdings wird bei Ausdrücken der Alltagssprache regelmäßig eine Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV möglich sein, so dass Art. 3 Abs. 2 in diesen Fällen keine eigenständige Bedeutung hat. 79
Keine wörtliche Verwendung erforderlich. Der Ausdruck muss allerdings nicht wörtlich vom maßgeblichen Steuerrecht verwendet werden.7 Eine solche Forderung stellt Art. 3 Abs. 2 nicht auf. Sie lässt sich auch nicht aus dem Zweck der Norm ablei-
1 2 3 4
Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (287 f.). So auch Lang in FS Debatin, 283 (287 f.). Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 121. A.A. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31; Wilke in G/K/G, Art. 3 OECD-MA Rz. 88 ohne weitere Begründung. 5 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 103; ohne diese Einschränkung jedoch Art. 3 Rz. 13.1 OECD-MK. 6 Vogel, StuW 1982, 286 (296) mit Blick auf den Ausdruck „Öl- und Gasvorkommen“; Haase in Haase2, Art. 5 OECD-MA Rz. 89, 95 und 120. 7 Vgl. Sasseville, BIFD 1994, 374 (375 f.); a.A. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 69; Lang, IStR 2007, 606 (608); Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 103 jeweils ohne weitere Begründung.
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Pohl
C. Verweis auf innerstaatliches Recht der Anwenderstaaten (Absatz 2)
Rz. 79–81 Art. 3
ten. Andernfalls würde die Auslegung rein zufällig davon abhängen, ob ein Ausdruck eine wörtliche Entsprechung im jeweiligen nationalen Steuerrecht hat. Ausreichend aber auch notwendig ist vielmehr, dass der Begriff aus dem Blickwinkel des innerstaatlichen Steuerrechts eine Bedeutung hat, die sich notfalls auch erst durch Auslegung ermitteln lässt. Beispiel: Zur Auslegung des Ausdrucks „ständiger Aufenthalt“ kann auf § 9 AO zurückgegriffen werden, obwohl § 9 AO von einem „gewöhnlichen“ Aufenthalt spricht. Denn aus dem Blickwinkel des deutschen Steuerrechts erscheint es ausgeschlossen, dass zwischen dem ständigen und einem gewöhnlichen Aufenthalt ein inhaltlicher Unterschied besteht.
Keine Definition erforderlich. Zum Teil wird für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 80 gefordert, dass der Ausdruck im abkommensgegenständlichen innerstaatlichen Recht explizit definiert ist.1 Prokisch2 verlangt darüber hinaus, dass der Ausdruck im nationalen Recht im selben Kontext und zum selben Zweck verwendet wird, wie im Abkommen. Dem Art. 3 Abs. 2 lassen sich diese Restriktionen nicht entnehmen.3 Ausreichend ist vielmehr, dass der Ausdruck eine (innerstaatliche) Bedeutung hat, die sich aus der Rechtsprechung ergibt4 bzw. erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt (vgl. auch Rz. 76). Beispiel: Zur Auslegung des Ausdrucks „natürliche Personen“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a kann auf die innerstaatliche Bedeutung abgestellt werden, obwohl der Ausdruck im innerstaatlichen Steuerbzw. Zivilrecht nicht ausdrücklich definiert ist.
Gesetzliche Fiktionen und Vermutungen. Umstritten ist, ob im nationalen Recht 81 vorhandene Fiktionen zur Auslegung abkommensrechtlicher Begriffe herangezogen werden können.5 Zweifel daran bestehen deshalb, weil bei der Heranziehung von Fiktionen die Gefahr einer unterschiedlichen Interpretation durch die Vertragsstaaten besonders groß ist. Art. 3 Abs. 2 steht dem jedoch nicht entgegen.6 Die Norm verlangt nur, dass ein bestimmter Begriff eine Bedeutung hat. Diese Bedeutung kann auch das Resultat einer Fiktion sein.7 Der Übergang von einer Definition zu einer Fiktion ist zudem fließend und eine genaue Abgrenzung kaum möglich. Selbst die Umschreibung der sieben Einkunftsarten ist letztlich eine Fiktion, die den abstrakten Begriff „Einkommen“ näher bestimmen und konkretisieren soll.8 Auch der BFH scheint dieser Ansicht zu sein.9 So hat er beispielsweise eine Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nie am Charakter der Norm (Fiktion der Gewerblichkeit), sondern am abweichenden Abkommenszusammenhang scheitern lassen.10 Im Hinblick auf gesetzliche Vermutungen gilt nichts anderes. Beispiel: Geht es um die Bestimmung des „ständigen Aufenthalts“ nach Art. 4 Abs. 1 kann nicht nur auf § 9 Satz 1 AO sondern auch auf die gesetzliche Vermutung des § 9 Satz 2 AO zurückgegriffen werden.
1 Vogel/Prokisch, Generalbericht, 47. 2 Prokisch, International Tax Language, 107. 3 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31; a.A. möglicherweise BFH v. 6.10.1993 – I R 69/93, BStBl. II 1994, 318, nach dem ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht nicht möglich ist, weil die deutschen Steuergesetzte die Fälligkeit von Dividenden nicht regeln. 4 Link, Konsolidierte Besteuerung im Abkommensrecht, 57 ff. 5 Vgl. C. Schmidt, IStR 2010, 413 (418). 6 Im Ergebnis auch C. Schmidt, IStR 2010, 413 (418); Wolf in FS Wassermeyer, 649 ff. 7 Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (682). 8 So ausdrücklich C. Schmidt, IStR 2010, 413 (418) m.w.N. 9 Vgl. Pohl, RIW 2012, 677 (682). 10 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BFHE 229, 322; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602.
Pohl
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Art. 3 Rz. 82–86
Allgemeine Begriffsbestimmungen
VI. Rechtsfolge: Rückgriff auf die steuerrechtliche Bedeutung 82
Steuerrechtliche Bedeutung nach innerstaatlichem Recht. Kommt Art. 3 Abs. 2 zur Anwendung, hat der nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates über die Steuern zukommt. Unter „Recht“ i.S.d. Norm soll nur das Gesetzesrecht zu verstehen sein.1 Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Ausdruck gesetzlich definiert sein oder wörtlich in den Steuergesetzen vorkommen muss (vgl. Rz. 79 f.). Bei Mitgliedstaaten der EU gehören zu ihrem „Recht“ auch das in ihrem Gebiet geltende europäische Recht (z.B. Verordnungen), was ausgehend vom Grundsatz der Entscheidungsharmonie Vorrang vor einer abweichenden innerstaatlichen Umschreibung hat.2
83
Zeitpunkt. In zeitlicher Hinsicht ist für die innerstaatliche Bedeutung eines Ausdrucks der Anwendungszeitraum und nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses entscheidend („im Anwendungszeitraum“). Stellvertretend spricht Art. 3 Rz. 11 OECD-MK auch vom Erhebungszeitpunkt. Art. 3 Abs. 2 liegt damit eine dynamische Anknüpfung zugrunde.3 Trotz des eindeutigen Wortlauts steht Art. 3 Abs. 2 der Annahme eines statischen Verweises in Ausnahmefällen jedoch nicht entgegen.4 Denn seit 1992 enthält Art. 3 Rz. 13 OECD-MK die Formulierung „kein Staat soll ein Abkommen dadurch aushöhlen können, dass er den Inhalt von im Abkommen nicht selbst verwendeten Ausdrücken in seinem nationalen Recht später ändert“. Auf eine Begriffsbestimmung im Zeitpunkt des Abschlusses des Abkommens kommt es daher dann an, wenn zwischenzeitlich eine wesentliche Begriffsänderung vorlag oder die Vertragsparteien ein besonderes Begriffsverständnis nachweislich vor Augen hatten.5 Eine wesentliche Begriffsänderung ist wiederum dann anzunehmen, wenn sie zu einer Erweiterung des Steueranspruchs führt, welchen der jeweilige Vertragsstaat durch den Abschluss des Abkommens zurückgenommen hatte.6
D. Deutsches Muster-DBA 84
Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 85
Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DBA-Belgien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Belgien in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik Deutschland“, „Belgien“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.
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Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DBA-Belgien. „Alle anderen Personenvereinigungen“ werden abweichend vom OECD-MA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a) nicht als Personen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Belgien behandelt. Bei der Frage, ob ein Rechtsträger mit seinen Einkünften oder seinem Vermögen besteuert wird und daher Gesellschaft i.S.d. DBA-Belgien ist, ist die Rechtslage im Ansässigkeitsstaat entscheidend. Die OHG, Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 106. So Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 106. Vgl. Lang in FS Debatin, 283 (290 f.). Vgl. Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 58; Lang in FS Debatin, 283 (293); a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 35; Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 75 mit Blick auf den Wortlaut des Art. 3 Abs. 2. 5 Vgl. Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 58. 6 So Hansen, Einkünfte aus Personengesellschaftsbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 58.
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E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 86–98 Art. 3
die KG und die Partenreedereien des in Deutschland geltenden Rechts werden ausdrücklich als Personen aufgeführt.1 Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Belgien. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Belgien entspricht inhalt- 87 lich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Belgien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 88 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 DBABelgien die innerstaatlich zuständige Behörde (Belgien) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Belgien (sog. „lex-fori“-Klausel) ent- 89 spricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.2 2. Konsequenzen Deutschland, Belgien, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Belgien“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Belgien maßgeblich.
90
Person. Aus der Erwähnung der OHG, der KG und der Partenreederei in Art. 3 91 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Belgien soll nach Ansicht der Finanzverwaltung3 folgen, dass diese Gesellschaften in Deutschland auch abkommensberechtigt sind (kritisch hierzu Rz. 42).4
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-China. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA- 92 China in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“ bzw. „der andere Vertragsstaat“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-China weicht 93 insofern von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA ab, als dort von „bedeutet“ anstelle von „umfasst“ die Rede ist. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-China und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA sind wortgleich formuliert. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-China entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
94
Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-China entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA.5
95
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-China. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-China entspricht in- 96 haltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA. Der von der erstgenannten Norm verwendete Ausdruck „allgemeine Geschäftsleitung“ ist nicht anders auszulegen, als der Begriff der „tatsächlichen Geschäftsleitung“, der im OECD-MA verwendet wird.6 Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-China. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 97 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-China das Finanzministerium oder dessen bevollmächtigter Vertreter (China) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt. Art. 3 Abs. 2 DBA-China. Art. 3 Abs. 2 DBA-China (sog. „lex-fori“-Klausel) ent- 98 spricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.7
1 2 3 4 5 6
Vgl. auch Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Belgien Rz. 3. So auch Malinski in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Belgien Rz. 28. Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 (Anlage „Belgien“). Vgl. auch C. Schmidt, IStR 2010, 413 (416). Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-China Rz. 4. So auch Hackemann/Pfaar in Wassermeyer Art. 3 DBA-China Rz. 8; Weber, IWB Fach 6 Gruppe 2, 1 f. 7 Vgl. Hackemann/Pfaar in Wassermeyer Art. 3 DBA-China Rz. 10.
Pohl
251
Art. 3 Rz. 99–111
Allgemeine Begriffsbestimmungen
2. Konsequenzen 99
Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen den Begriff „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-China), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-China maßgeblich.
100
Person. Abweichend vom OECD-MA ist der Begriff „Person“ im DBA-China abschließend definiert.1 Rechtsträger, die keine natürlichen Personen, Gesellschaften oder andere Personenvereinigungen sind, kommen daher als Personen i.S.d. DBAChina nicht in Betracht.
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 101
Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DBA-Frankreich. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Frankreich in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 eine Definition der Ausdrücke „Frankreich“ und „Bundesrepublik“.
102
Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 DBA-Frankreich. Abweichend vom OECD-MA fallen Personenvereinigungen (und Vermögensmassen) nur dann unter den Begriff der Person, wenn sie als solche wie eine juristische Person der Besteuerung unterliegen (vgl. Art. 2 Nr. 3 Buchst. b DBA-Frankreich). Eine Definition des Ausdrucks „Gesellschaft“ findet sich anders als im OECD-MA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) im DBA-Frankreich nicht.
103
Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Frankreich. Im OECD-MA wird die Ansässigkeit einer Person (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 DBA-Frankreich) in Art. 4 definiert (vgl. Art. 4 Rz. 121 ff.).
104
Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Frankreich. Abweichend vom OECD-MA beinhaltet Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Frankreich eine Definition des Ausdrucks „tatsächliche Geschäftsleitung“. Die Definition entspricht dem innerstaatlichen Begriff der Geschäftsleitung in § 10 AO (vgl. Rz. 45).
105
Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Frankreich. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 6 DBA-Frankreich ist abweichend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA „Unternehmen“ im Sinne des Abkommens nur ein gewerbliches Unternehmen.
106
Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich. Im OECD-MA wird die Betriebsstätte (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich) in Art. 5 definiert.
107
Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 DBA-Frankreich. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f werden als zuständige Behörden nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 DBA-Frankreich das Ministère de Finances (Frankreich) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt.
108
Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.2 2. Konsequenzen
109
Frankreich, Bundesrepublik. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Frankreich“ oder „Bundesrepublik“ verwenden (vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich), ist Art. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 DBA-Frankreich maßgeblich.
110
Person. Personenvereinigungen, die wie die Personengesellschaften nur transparent besteuert werden, fallen nicht unter den Begriff der Person i.S.d. DBA-Frankreich.3
111
Gewerblichkeit. Wann ein Unternehmen gewerblich tätig ist, sagt das DBA-Frankreich nicht. Zurückzugreifen ist daher auf das innerstaatliche Recht (Art. 2 Abs. 2 DBA-Frankreich).
1 A.A. (ohne Begründung) Hackemann/Pfaar in Wassermeyer Art. 3 DBA-China Rz. 4. 2 Vgl. hierzu Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 22 ff. 3 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Frankreich Rz. 3.
252
Pohl
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 112–123 Art. 3
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Großbritannien. Abweichend vom OECD-MA 112 enthält das DBA-Großbritannien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Großbritannien Definitionen der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Deutschland“ und „Vereinigtes Königreich“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Großbritannien entspricht wörtlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.
113
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und g DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und g DBA-Großbritannien entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bzw. h OECD-MA.
114
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
115
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Großbritannien. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Großbritannien ein Unternehmen eines Vertragsstaates voraus. Hierbei handelt es sich um ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Großbritannien).
116
Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Doppel- 117 buchst. aa DBA-Großbritannien stellt anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA nicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit sondern auf alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes ab. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Doppelbuchst. bb DBA-Großbritannien erfasst neben dem (Staats-)Bürger auch die britischen Untertanen, sofern sie das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzen; diese dürfen jedoch nicht die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes oder Gebiets des Commonwealth besitzen. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Großbritannien. Entsprechend den Vorgaben des 118 Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Großbritannien der BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Deutschland), bzw. die „Commissioners für Her Majesty’s Revenue ans Customs“ oder ihre bevollmächtigten Vertreter (Großbritannien) bestimmt. Art. 3 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Großbritannien (sog. „lex-fo- 119 ri“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen Vertragsstaat, Deutschland, Vereinigtes Königreich. Sofern Abkommensnormen 120 einen der Begriffe „Vertragsstaat“, „Deutschland“ oder „Vereinigtes Königreich“ verwenden, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Großbritannien maßgeblich. Internationaler Verkehr. Ist der Unternehmer in einem Vertragsstaat ansässig, 121 hat er den Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, steht dies der Annahme eines „internationalen Verkehrs“ i.S.d. DBA-Großbritannien nicht entgegen. Staatsangehöriger. Zu den Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Großbritannien 122 gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die in Art. 116 GG genannten „Deutschen“ bzw. – unter den genannten Voraussetzungen – die britischen Untertanen.
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Indien. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Indien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik Deutschland“, „Republik Indien“ und „ein Vertragsstaat“ bzw. „der andere Vertragsstaat“.
Pohl
253
123
Art. 3 Rz. 124–136
Allgemeine Begriffsbestimmungen
124
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Indien. Abweichend vom OECD-MA werden andere Rechtsträger nur dann zu den Personen gerechnet, wenn sie nach den in dem betreffenden Vertragsstaat geltenden Steuergesetzen als Steuersubjekte angesehen werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Indien). Gesellschaften wiederum sind (auch) Rechtsträger, die nach den in dem betreffenden Vertragsstaat geltenden Steuergesetzen als Steuersubjekte behandelt werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Indien).
125
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Indien. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ in Art. 6 Abs. 2 definiert wird, enthält das DBAIndien diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f.
126
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Indien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
127
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Indien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. i DBAIndien spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG.
128
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Indien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Indien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA.
129
Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Indien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Indien der BMF (Deutschland) bzw. das Central Government in the Ministry of Finance oder sein bevollmächtigter Vertreter (Indien) bestimmt.
130
Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Indien. In Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Indien wird der Begriff „Steuerjahr“ definiert. Eine vergleichbare Regelung enthält das OECD-MA nicht. Notwendig ist die Definition, da das indische Steuerjahr vom 1.4. bis 31.3. des Folgejahres läuft.1
131
Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Indien. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „Steuer“ in Art. 2 definiert wird, enthält das DBA-Indien diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. l.
132
Art. 3 Abs. 2 DBA-Indien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Indien (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.2 2. Konsequenzen
133
Deutschland, Indien, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Indien“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBAIndien), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Indien anzuwenden.
134
Personen. Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist beispielsweise eine ausländische Personengesellschaft, die in Indien wie eine Körperschaft besteuert wird, Gesellschaft. Behandelt auch Indien den Rechtsträger nicht wie ein Steuersubjekt, kann er nicht als Person i.S.d. Abkommens verstanden werden.3
135
Steuerjahr. Sofern das DBA-Indien den Begriff des Steuerjahres verwendet (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a DBA-Indien), ist die Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Indien maßgeblich.
136
Deutsche im Sinne des GG. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Indien gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.
1 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Indien Rz. 30. 2 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Indien Rz. 35. 3 Vgl. hierzu Strauß in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Indien Rz. 7 ff.
254
Pohl
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 137–148 Art. 3
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Italien. Abweichend vom OECD-MA enthält 137 das DBA-Italien in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Italienische Republik“ und „Bundesrepublik Deutschland“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Italien. Die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Italien) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Italien) entsprechen inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.
138
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Italien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
139
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Italien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA.
140
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Italien. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. ii DBA- 141 Italien spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Italien. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Italien das FinMin. (Italien) bzw. der BMF (Deutschland) bestimmt.
142
Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien (sog. „lex-fori“-Klausel) ent- 143 spricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.1 2. Konsequenzen Vertragsstaat, Italien, Deutschland. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe 144 „Vertragsstaat“, „Italien“ oder „Deutschland“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBAItalien), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Italien anzuwenden. Deutsche. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Italien gehö- 145 ren neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Japan. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Japan in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik“, „Japan“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.
146
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Japan. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „Steuer“ in Art. 2 definiert wird, enthält das DBA-Japan diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d.
147
Art. 3 Abs. 1 Buchst. e und f DBA-Japan. Die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 148 Buchst. e DBA-Japan) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Japan) entsprechen inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.2 Dass auch natürliche Personen unter den abkommensrechtlichen Begriff der „Person“ fallen, bringt Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Japan durch die Wortwahl „auch“ zum Ausdruck. Dass deutsche Personengesellschaften stets als abkommensberechtigte Personen zu behandeln sind, lässt sich dem Wortlaut des Art. hingegen nicht entnehmen.3 Erweitert wird der Begriff der juristischen Person für Zwecke des Art. 7 DBA-Japan durch dessen Abs. 7.
1 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Italien Rz. 12. 2 Anders Preuss in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Japan Rz. 6. 3 A.A. Preuss in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Japan Rz. 6 mit Blick auf den Wortlaut „auch“.
Pohl
255
Art. 3 Rz. 149–161
Allgemeine Begriffsbestimmungen
149
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
150
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Japan. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Nr. 1 DBA-Japan spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Nr. 2 DBA-Japan erfasst anders als das OECD-MA alle Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit, die für die japanische Besteuerung wie nach japanischem Recht gegründete oder errichtete juristische Personen behandelt werden.
151
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Japan. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Japan der BMF (Deutschland) bzw. der FinMin. oder sein bevollmächtigter Vertreter (Japan) bestimmt.
152
Art. 3 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 3 Abs. 2 DBA-Japan (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen
153
Deutschland, Japan, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Japan“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Japan maßgeblich.
154
Deutsche, Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Japan gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“. Zu den japanischen Staatsangehörigen zählen anders als nach dem OECD-MA sämtliche Gesellschaften im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Japan, die nach japanischem Recht gegründet oder errichtet worden sind.1 Personengesellschaften und andere Personenvereinigungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, fallen nicht unter Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Japan.
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 155
Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Kanada. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Kanada in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „Kanada“, „Bundesrepublik Deutschland“, „Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.
156
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Kanada. Abweichend vom OECD-MA werden „alle anderen Personenvereinigungen“ nicht als Personen i.S.d. DBA-Kanada behandelt.
157
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Kanada entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
158
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Doppelbuchst. bb DBA-Kanada spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des GG.
159
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Kanada. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Kanada der Minister of National Revenue oder sein bevollmächtigter Vertreter (Kanada) bzw. der BMF oder sein Vertreter (Deutschland) bestimmt.
160
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Kanada. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Kanada ein Unternehmen eines Vertragsstaates voraus. Hierbei handelt es sich um ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Kanada).
161
Art. 3 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 3 Abs. 2 DBA-Kanada (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.
1 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Japan Rz. 5.
256
Pohl
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 162–176 Art. 3
2. Konsequenzen Kanada, Deutschland, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Kanada“, „Deutschland“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Kanada), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Kanada maßgeblich.
162
Person. Rechtsträger, die wie die Personengesellschaften aus deutscher Sicht kei- 163 ne Gesellschaften sind, sind keine Personen i.S.d. DBA-Kanada.1 Deutsche. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Kanada gehö- 164 ren neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 GG genannten Personen. Internationaler Verkehr. Ist der Unternehmer in einem Vertragsstaat ansässig, 165 hat er den Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, steht dies der Annahme eines „internationalen Verkehrs“ i.S.d. DBA-Kanada nicht entgegen.
IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Luxemburg 2012. Abweichend vom OECD- 166 MA enthält das DBA-Luxemburg 2012 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Bundesrepublik Deutschland“ und „Luxemburg“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Luxemburg 2012. entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.
167
Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.
168
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA- Luxem- 169 burg entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.
170
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
171
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA.
172
Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Luxemburg 2012. Die Definition des Ausdrucks 173 „Staatsangehöriger“ im DBA-Luxemburg 2012 (Art. 3 Abs. 1 Buchst. j) entspricht grundsätzlich der Definition im OECD-MA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g). In Bezug auf Deutschland werden jedoch alle Deutschen im Sinne des GG zu den Staatsangehörigen gerechnet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j, Doppelbuchst. aa DBA-Luxemburg 2012). In Bezug auf Luxemburg wird auf den Begriff der „Staatsbürgerschaft“ verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j Doppelbuchst. bb DBA-Luxemburg 2012). Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Luxemburg 2012. Entsprechend den Vorgaben des 174 Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Luxemburg 2012 in Deutschland das BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Doppelbuchst. aa) und in Luxemburg der Minister der Finanzen oder sein bevollmächtigter Vertreter bestimmt (Doppelbuchst. bb). Art. 3 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012. Art. 3 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 (sog. „lex- 175 fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen Ein Vertragsstaat, der andere Vertragsstaat, Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg. Sofern Abkommensnormen einen der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der 1 W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Kanada Rz. 7.
Pohl
257
176
Art. 3 Rz. 176–189
Allgemeine Begriffsbestimmungen
andere Vertragsstaat“, „Bundesrepublik Deutschland“ oder „Luxemburg“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Luxemburg 2012 anzuwenden. 177
Staatsangehöriger. Zu den Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Luxemburg 2012 gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.
X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA 178
Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Niederlande 2012. Abweichend vom OECDMA enthält das DBA-Niederlande 2012 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Deutschland“ und „die Niederlande“.
179
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande 2012. entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.
180
Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.
181
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA.
182
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.
183
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
184
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA.
185
Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Niederlande 2012 definiert das grenzüberschreitende Gewerbegebiet als räumlich abgeschlossenes Gebiet, das sich sowohl auf niederländisches als auch auf deutsches Hoheitsgebiet erstreckt und durch das die gemeinsamen Grenzen der beiden Vertragsstaaten verläuft, sofern die Vertragsstaaten das Gebiet einvernehmlich als grenzüberschreitendes Gewerbegebiet bestimmt haben.1 Eine vergleichbare Norm findet sich im OECD-MA nicht, da der Begriff dort keine Bedeutung hat.
186
Art. 3 Abs. 1 Buchst. k DBA-Niederlande 2012. Die Definition des Ausdrucks „Staatsangehöriger“ im DBA-Niederlande 2012 (Art. 3 Abs. 1 Buchst. k) entspricht grundsätzlich der Definition im OECD-MA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g). In Bezug auf Deutschland werden jedoch alle Deutschen im Sinne des GG zu den Staatsangehörigen gerechnet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k Doppelbuchst. aa DBA-Niederlande 2012). In Bezug auf die Niederlande wird auf den Begriff der „Staatsbürgerschaft“ verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. k Doppelbuchst. bb DBA-Niederlande 2012).
187
Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Niederlande 2012. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Niederlande 2012 in Deutschland das BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Doppelbuchst. aa) und in den Niederlanden der Finanzminister oder sein bevollmächtigter Vertreter bestimmt (Doppelbuchst. bb).
188
Art. 3 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012. Art. 3 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 (sog. „lexfori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen
189
Ein Vertragsstaat, der andere Vertragsstaat, Deutschland, die Niederlande. Sofern Abkommensnormen einen der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Ver1 Vgl. im Einzelnen Mick in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Niederlande Rz. 33a ff.
258
Pohl
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 189–202 Art. 3
tragsstaat“, „Deutschland“ oder „die Niederlande“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b DBA-Niederlande 2012 anzuwenden. Grenzüberschreitendes Gewerbegebiet. Sofern das DBA-Niederlande 2012 den 190 Begriff des grenzüberschreitenden Gewerbegebiets verwendet (vgl. z.B. Art. 14 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012), ist die Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA-Niederlande 2012 maßgeblich. Staatsangehöriger. Zu den Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Niederlande 191 2012 gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Österreich. Abweichend vom OECD-MA ent- 192 hält das DBA-Österreich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Bundesrepublik Deutschland“ und „Republik Österreich“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Österreich. Die Definitionen der Person (Art. 3 193 Abs. 1 Buchst. d DBA-Österreich) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBAÖsterreich) entsprechen wörtlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Österreich ent- 194 spricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Österreich entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA.
195
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Österreich spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j von Deutschen im Sinne des Art. 116 GG.
196
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Österreich. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 197 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Österreich das BMF oder die Behörde, auf die es seine Befugnisse delegiert hat (Deutschland), bzw. den Bundesminister der Finanzen oder dessen bevollmächtigter Vertreter (Österreich) bestimmt. Art. 3 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 3 Abs. 2 DBA-Österreich (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA.
198
2. Konsequenzen Vertragsstaat, Deutschland, Österreich. Sofern Abkommensnormen einen der Be- 199 griffe „Vertragsstaat“, „Deutschland“ oder „Österreich“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Österreich), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Österreich anzuwenden. Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Ös- 200 terreich gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 GG genannten „Deutschen“.
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Russland in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.
201
Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und c DBA-Russland. Die Definitionen der Person (Art. 3 202 Abs. 1 Buchst. b DBA-Russland) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-
Pohl
259
Art. 3 Rz. 202–214
Allgemeine Begriffsbestimmungen
Russland) entsprechen trotz sprachlicher Unterschiede inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.1 203
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Russland. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Russland ist abweichend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. h „Unternehmen“ im Sinne des Abkommens nur ein gewerbliches Unternehmen. Aus der unterschiedlichen Wortwahl „ausgeübt“ anstelle von „betrieben“ ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen.
204
Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Russland. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECDMA setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Russland ein Unternehmen eines Vertragsstaates voraus. Hierbei handelt es sich um ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person ausgeübt wird (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Russland).
205
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Russland. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Russland das Ministerium der Finanzen oder eine von ihm ermächtigte Behörde (Russland) bzw. das BMF oder eine von ihm ermächtigte Behörde (Deutschland) bestimmt.
206
Art. 3 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 3 Abs. 2 DBA-Russland (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen
207
Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen den Begriff „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland maßgeblich.
208
Unternehmen eines Vertragsstaates. Wann ein Unternehmen gewerblich tätig ist, sagt das DBA-Russland nicht. Zurückzugreifen ist daher auf das innerstaatliche Recht (Art. 2 Abs. 2 DBA-Russland).
209
Internationaler Verkehr. Ist der Unternehmer in einem Vertragsstaat ansässig, hat er den Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, steht dies der Annahme eines „internationalen Verkehrs“ i.S.d. DBA-Russland nicht entgegen.2
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 210
Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-Schweiz. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Schweiz in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bis c Definitionen der Ausdrücke „Bundesrepublik Deutschland“, „Schweiz“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“.
211
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-Schweiz. „Alle anderen Personenvereinigungen“ werden abweichend vom OECD-MA nicht als Personen i.S.d. DBA-Schweiz behandelt. Im Übrigen entsprechen die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Schweiz) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz) inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.
212
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
213
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Schweiz. Im Unterschied zum OECD-MA, in dem der Ausdruck „Steuer“ in Art. 2 definiert wird, enthält das DBA-Schweiz diese Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g.
214
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Schweiz. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Schweiz spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.
1 Vgl. Wagner in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Russland Rz. 4. 2 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Russland Rz. 8.
260
Pohl
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 215–227 Art. 3
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Schweiz. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 215 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Schweiz der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen bzw. der Direktor der Eidgenössischen Steuerverwaltung oder sein bevollmächtigter Vertreter genannt. Die Bezeichnung des deutschen Ministeriums ist überholt und nunmehr zu verstehen als BMF.1 Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz (sog. „lex-fori“-Klausel) ent- 216 spricht inhaltlich Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen Deutschland, Schweiz, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Schweiz“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-Schweiz anzuwenden.
217
Person. Rechtsträger, die wie die Personengesellschaften aus deutscher Sicht kei- 218 ne Gesellschaften sind, sind keine Personen i.S.d. DBA-Schweiz.2 Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA- 219 Schweiz gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien 2011. Abweichend vom OECD-MA enthält 220 das DBA-Spanien 2011 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, eine Definition der Ausdrücke „Bundesrepublik“, „Spanien“, „ein Vertragsstaat“ und „der andere Vertragsstaat“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien 2011. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA.
221
Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Spanien 2011. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA.
222
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Spanien 2011. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA.
223
Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien 2011. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. d.
224
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien 2011. Die Definition des „internationalen Verkehrs“ nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Spanien 2011 entspricht grundsätzlich der nach dem OECD-MA. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA ist jedoch die Rede von einem „Beförderungsmittel jeder Art“.
225
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien 2011. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 226 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Spanien 2011 in Spanien der Minister für Wirtschaft und Finanzen oder sein Bevollmächtigter (Buchst. i) und in Deutschland das BMF oder die Behörde, an die es seine Befugnisse delegiert hat (Buchst. ii), bestimmt. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Spanien 2011. Die Definition des Ausdrucks „Staats- 227 angehöriger“ im DBA-Spanien 2011 (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h) entspricht grundsätzlich der Definition im OECD-MA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g). In Bezug auf Deutschland werden jedoch alle Deutschen im Sinne des GG zu den Staatsangehörigen gerechnet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Buchst. i DBA-Spanien 2011). In Bezug auf Spanien wird auf den Begriff der „Staatsbürgerschaft“ verzichtet (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. ii DBA-Spanien 2011).
1 Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 59. 2 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 3.
Pohl
261
Art. 3 Rz. 228–239
Allgemeine Begriffsbestimmungen
228
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Spanien 2011. Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA.
229
Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 3 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 (sog. „lex-fori“-Klausel) entspricht Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen
230
Deutschland, Spanien, Vertragsstaat. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe „Deutschland“, „Spanien“ oder „Vertragsstaat“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBA-Spanien 2011), ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien 2011 anzuwenden.
231
Internationaler Verkehr. Anders als nach dem OECD-MA können neben den Seeschiffen und Luftfahrzeugen auch andere Beförderungsmittel einen „internationalen Verkehr“ begründen.
232
Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-Spanien 2011 gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“.
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 233
Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c DBA-USA. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-USA in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b und c eine Definition der Ausdrücke „ein Vertragsstaat“, „der andere Vertragsstaat“, „Vereinigte Staaten“ und „Bundesrepublik Deutschland“.
234
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA-USA. „Alle anderen Personenvereinigungen“ werden abweichend vom OECD-MA nicht als Personen i.S. des DBA-USA behandelt. Im Übrigen entsprechen die Definitionen der Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBAUSA) und der Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA) inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b OECD-MA.
235
Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-USA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-USA entspricht inhaltlich Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA.
236
Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-USA. Anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA setzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-USA nicht voraus, dass ein Unternehmen mit einer tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat vorhanden ist. Der Grund hierfür liegt darin, dass das US-Recht den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht als Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht kennt.1
237
Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-USA. Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Doppelbuchst. bb DBAUSA spricht anders als Art. 3 Abs. 1 Buchst. j OECD-MA von Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.
238
Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-USA. Entsprechend den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA werden als zuständige Behörden nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. i DBA-USA der Secretary of the Treasury oder sein Vertreter (USA) bzw. der BMF oder sein Vertreter (Deutschland) bestimmt.
239
Art. 3 Abs. 2 DBA-USA. Nach Art. 3 Abs. 2 DBA-USA (sog. „lex-fori“-Klausel) soll abweichend vom OECD-MA eine gemeinsame Auslegung, auf die sich die zuständigen Behörden in einem Verständigungsverfahren geeinigt haben, Vorrang vor der innerstaatlichen Bedeutung eines Ausdrucks haben.
1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 29.
262
Pohl
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 240–244 Art. 3
2. Konsequenzen Vertragsstaat, USA, Deutschland. Sofern Abkommensnormen einen der Begriffe 240 „Vertragsstaat“, „USA“ oder „Deutschland“ verwenden (vgl. z.B. Art. 6 Abs. 1 DBAUSA) ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b bzw. c DBA-USA anzuwenden. Person. Rechtsträger, die üblicherweise unter den Begriff der „anderen Personen- 241 vereinigung“ subsumiert werden, müssen die Voraussetzungen der Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e und f DBA-USA erfüllen, um abkommensberechtigt zu sein. Internationaler Verkehr. Gewinne und Vermögen eines von einer amerikanischen 242 Körperschaft betriebenen internationalen Verkehrsunternehmens können nach dem Abkommen auch dann nur in den USA besteuert werden, wenn die Gesellschaft ihre tatsächliche Geschäftsleitung in einem Drittstaat hat.1 Staatsangehöriger. Zu den deutschen Staatsangehörigen im Sinne des DBA-USA 243 gehören neben den deutschen Staatsangehörigen nach dem StAG auch die weiteren in Art. 116 Abs. 1 GG genannten „Deutschen“. Anwendung innerstaatlichen Rechts. In den USA bindet eine Konsultationsver- 244 einbarung grundsätzlich auch die Gerichte.2 Nach Art. 3 Abs. 2 DBA-USA hat eine Konsultationsvereinbarung Vorrang vor einer abweichenden innerstaatlichen Bestimmung. Insoweit ist die Norm allerdings nur deklaratorisch, da die Bindungswirkung aus Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WÜRV, der Teil des „Zusammenhangs“ ist, folgt. Eine vergleichbare Bindungswirkung für deutsche Gerichte hat der BFH hingegen grundsätzlich abgelehnt.3 Sie folgt auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 DBA-USA, da dort nur das Verhältnis zwischen dem innerstaatlichen Recht und einer Konsultationsvereinbarung angesprochen wird.4 Sofern eine Konsultationsvereinbarung im Wege einer Rechtsverordnung umgesetzt wurde (vgl. § 2 Abs. 2 AO), ist sie selber Teil des innerstaatlichen Rechts. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA lässt sich für das Konkurrenzverhältnis dann nicht heranziehen.5
1 2 3 4 5
Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 29. Vgl. XEROX Corp. v. U. S., 14 Cl. Ct. 455 (1988). Vgl. z.B. BFH v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFHE 226, 276. A.A. (ohne nähere Begründung) Birk in H/H/Sp, § 2 AO Rz. 89a. Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 3 DBA-USA Rz. 11, der im Ergebnis keine Unterschiede zum OECDMA feststellt.
Pohl
263
Artikel 4
Ansässige Person (1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist. (2) Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt Folgendes: a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen); b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist; d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen. (3) Ist nach Absatz 1 eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Überschrift der Vorschrift . . . . . . . . 2. Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
.. . . . . . . . . . . .
B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1) . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Unbeschränkte) Steuerpflicht (Absatz 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anknüpfungspunkte der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ständiger Aufenthalt . . . . . . . . . . c) Ort der Geschäftsleitung . . . . . . . d) Anderes ähnliches Merkmal . . . . .
264
Pohl
1
. . . . . . . . . . .
1 10 13 13 14 15 16 17 17 18 20
. .
22 22
. . .
23 23 24
. . . . .
30 30 35 38 42
aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelne Merkmale . . . . . . . . . . 4. Verknüpfung der Steuerpflicht mit den Ansässigkeitsmerkmalen . . . . . . . 5. Der Staat und seine Gebietskörperschaften als ansässige Personen . . . . . III. Quellensteuerrecht (Absatz 1 Satz 2) C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2) . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfügen über eine ständige Wohnstätte (Buchst. a Halbs. 1) . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wohnstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Ständige“ Wohnstätte . . . . . . . . . . . . 4. „Verfügen“ über eine ständige Wohnstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mittelpunkt der Lebensinteressen (Buchst. a Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewöhnlicher Aufenthalt (Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 43 51 52 55 59 59 61 61 66 67 73 74 74 77 80 82
Art. 4
OECD-Musterkommentar 1. 2. 3. V. VI.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Gewöhnlicher“ Aufenthalt . . . . . . . Staatsangehörigkeit (Buchst. c) . . . Regelung im gegenseitigen Einvernehmen (Buchst. d) . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
82 88 89 93
..
94
D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eine andere als eine natürliche Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Reformbestrebungen. . . . . . . . . . . . . .
99 99 100 105 106 110
E. Deutsches Muster-DBA. . . . . . . . . . . . 111 F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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112 112 112 116 117 117 120 121 121 124 125 125 129 130
1. 2. VI. 1. 2. VII. 1. 2. VIII. 1. 2. IX. 1. 2. X. 1. 2. XI. 1. 2. XII. 1. 2. XIII. 1. 2. XIV. 1. 2. XV. 1. 2.
Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . .
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130 133 134 134 138 139 139 141 143 143 147 148 148 151 152 152 157 159 159 162 163 163 166 167 167 172 173 173 177 178 178 182
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 4 CONCERNING THE DEFINITION OF RESIDENT I. Preliminary remarks 1. The concept of “resident of a Contracting State” has various functions and is of importance in three cases: a) in determining a convention’s personal scope of application; b) in solving cases where double taxation arises in consequence of double residence; c) in solving cases where double taxation arises as a consequence of taxation in the State of residence and in the State of source or situs. 2. The Article is intended to define the meaning of the term “resident of a Contracting State” and to solve cases of double residence. To clarify the scope of the Article some general comments are made below referring to the two typical cases of conflict, i.e. between two residences and between residence and source or situs. In both cases the conflict arises because, under their domestic laws, one or both Contracting States claim that the person concerned is resident in their territory.
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3. Generally the domestic laws of the various States impose a comprehensive liability to tax – “full tax liability” – based on the taxpayers’ personal attachment to the State concerned (the “State of residence”). This liability to tax is not imposed only on persons who are “domiciled” in a State in the sense in which “domicile” is usually taken in the legislations (private law). The cases of full liability to tax are extended to comprise also, for instance, persons who stay continually, or maybe only for a certain period, in the territory of the State. Some legislations impose full liability to tax on individuals who perform services on board ships which have their home harbour in the State. 4. Conventions for the avoidance of double taxation do not normally concern themselves with the domestic laws of the Contracting States laying down the conditions under which a person is to be treated fiscally as “resident” and, consequently, is fully liable to tax in that State. They do not lay down standards which the provisions of the domestic laws on “residence” have to fulfil in order that claims for full tax liability can be accepted between the Contracting States. In this respect the States take their stand entirely on the domestic laws. 5. This manifests itself quite clearly in the cases where there is no conflict at all between two residences, but where the conflict exists only between residence and source or situs. But the same view applies in conflicts between two residences. The special point in these cases is only that no solution of the conflict can be arrived at by reference to the concept of residence adopted in the domestic laws of the States concerned. In these cases special provisions must be established in the Convention to determine which of the two concepts of residence is to be given preference. 6. An example will elucidate the case. An individual has his permanent home in State A, where his wife and children live. He has had a stay of more than six months in State B and according to the legislation of the latter State he is, in consequence of the length of the stay, taxed as being a resident of that State. Thus, both States claim that he is fully liable to tax. This conflict has to be solved by the Convention. 7. In this particular case the Article (under paragraph 2) gives preference to the claim of State A. This does not, however, imply that the Article lays down special rules on “residence” and that the domestic laws of State B are ignored because they are incompatible with such rules. The fact is quite simply that in the case of such a conflict a choice must necessarily be made between the two claims, and it is on this point that the Article proposes special rules. II. Commentary on the provisions of the Article Paragraph 1 8. Paragraph 1 provides a definition of the expression “resident of a Contracting State” for the purposes of the Convention. The definition refers to the concept of residence adopted in the domestic laws (see Preliminary remarks). As criteria for the taxation as a resident the definition mentions: domicile, residence, place of management or any other criterion of a similar nature. As far as individuals are concerned, the definition aims at covering the various forms of personal attachment to a State which, in the domestic taxation laws, form the basis of a comprehensive taxation (full liability to tax). It also covers cases where a person is deemed, according to the taxation laws of a State, to be a resident of that State and on account thereof is fully liable to tax therein (e.g. diplomats or other persons in government service). 8.1 In accordance with the provisions of the second sentence of paragraph 1, however, a person is not to be considered a “resident of a Contracting State” in the sense of the Convention if, although not domiciled in that State, he is considered to be a resident according to the domestic laws but is subject only to a taxation limited to the income from sources in that State or to capital situated in that State. That situation exists in some States in relation to individuals, e.g. in the case of foreign diplomatic and consular staff serving in their territory. 8.2 According to its wording and spirit the second sentence also excludes from the definition of a resident of a Contracting State foreign held companies exempted from 266
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tax on their foreign income by privileges tailored to attract conduit companies. It also excludes companies and other persons who are not subject to comprehensive liability to tax in a Contracting State because these persons, whilst being residents of that State under that State’s tax law, are considered to be residents of another State pursuant to a treaty between these two States. The exclusion of certain companies or other persons from the definition would not of course prevent Contracting States from exchanging information about their activities (see paragraph 2 of the Commentary on Article 26). Indeed States may feel it appropriate to develop spontaneous exchanges of information about persons who seek to obtain unintended treaty benefits. 8.3 The application of the second sentence, however, has inherent difficulties and limitations. It has to be interpreted in the light of its object and purpose, which is to exclude persons who are not subjected to comprehensive taxation (full liability to tax) in a State, because it might otherwise exclude from the scope of the Convention all residents of countries adopting a territorial principle in their taxation, a result which is clearly not intended. 8.4 It has been the general understanding of most member countries that the government of each State, as well as any political subdivision or local authority thereof, is a resident of that State for purposes of the Convention. Before 1995, the Model did not explicitly state this; in 1995, Article 4 was amended to conform the text of the Model to this understanding. 8.5 This raises the issue of the application of paragraph 1 to sovereign wealth funds, which are special purpose investment funds or arrangements created by a State or a political subdivision for macroeconomic purposes. These funds hold, manage or administer assets to achieve financial objectives, and employ a set of investment strategies which include investing in foreign financial assets. They are commonly established out of balance of payments surpluses, official foreign currency operations, the proceeds of privatisations, fiscal surpluses or receipts resulting from commodity exports.1 Whether a sovereign wealth fund qualifies as a “resident of a Contracting State” depends on the facts and circumstances of each case. For example, when a sovereign wealth fund is an integral part of the State, it will likely fall within the scope of the expression “[the] State and any political subdivision or local authority thereof” in Article 4. In other cases, paragraphs 8.6 and 8.7 below will be relevant. States may want to address the issue in the course of bilateral negotiations, particularly in relation to whether a sovereign wealth fund qualifies as a “person” and is “liable to tax” for purposes of the relevant tax treaty (see also paragraphs 6.35 to 6.39 of the Commentary on Article 1). 8.6 Paragraph 1 refers to persons who are “liable to tax” in a Contracting State under its laws by reason of various criteria. In many States, a person is considered liable to comprehensive taxation even if the Contracting State does not in fact impose tax. For example, pension funds, charities and other organisations may be exempted from tax, but they are exempt only if they meet all of the requirements for exemption specified in the tax laws. They are, thus, subject to the tax laws of a Contracting State. Furthermore, if they do not meet the standards specified, they are also required to pay tax. Most States would view such entities as residents for purposes of the Convention (see, for example, paragraph 1 of Article 10 and paragraph 5 of Article 11). 8.7 In some States, however, these entities are not considered liable to tax if they are exempt from tax under domestic tax laws. These States may not regard such entities as residents for purposes of a convention unless these entities are expressly covered by the convention. Contracting States taking this view are free to address the issue in their bilateral negotiations. 8.8 Where a State disregards a partnership for tax purposes and treats it as fiscally transparent, taxing the partners on their share of the partnership income, the partnership itself is not liable to tax and may not, therefore, be considered to be a resident 1 This definition is drawn from: International Working Group of Sovereign Wealth Funds, Sovereign Wealth Funds – Generally Accepted Principles and Practices – “Santiago Principles”, October 2008, Annex 1.
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of that State. In such a case, since the income of the partnership “flows through” to the partners under the domestic law of that State, the partners are the persons who are liable to tax on that income and are thus the appropriate persons to claim the benefits of the conventions concluded by the States of which they are residents. This latter result will be achieved even if, under the domestic law of the State of source, the income is attributed to a partnership which is treated as a separate taxable entity. For States which could not agree with this interpretation of the Article, it would be possible to provide for this result in a special provision which would avoid the resulting potential double taxation where the income of the partnership is differently allocated by the two States. Paragraph 2 9. This paragraph relates to the case where, under the provisions of paragraph 1, an individual is a resident of both Contracting States. 10. To solve this conflict special rules must be established which give the attachment to one State a preference over the attachment to the other State. As far as possible, the preference criterion must be of such a nature that there can be no question but that the person concerned will satisfy it in one State only, and at the same time it must reflect such an attachment that it is felt to be natural that the right to tax devolves upon that particular State. The facts to which the special rules will apply are those existing during the period when the residence of the taxpayer affects tax liability, which may be less than an entire taxable period. For example, in one calendar year an individual is a resident of State A under that State’s tax laws from 1 January to 31 March, then moves to State B. Because the individual resides in State B for more than 183 days, the individual is treated by the tax laws of State B as a State B resident for the entire year. Applying the special rules to the period 1 January to 31 March, the individual was a resident of State A. Therefore, both State A and State B should treat the individual as a State A resident for that period, and as a State B resident from 1 April to 31 December. 11. The Article gives preference to the Contracting State in which the individual has a permanent home available to him. This criterion will frequently be sufficient to solve the conflict, e.g. where the individual has a permanent home in one Contracting State and has only made a stay of some length in the other Contracting State. 12. Subparagraph a) means, therefore, that in the application of the Convention (that is, where there is a conflict between the laws of the two States) it is considered that the residence is that place where the individual owns or possesses a home; this home must be permanent, that is to say, the individual must have arranged and retained it for his permanent use as opposed to staying at a particular place under such conditions that it is evident that the stay is intended to be of short duration. 13. As regards the concept of home, it should be observed that any form of home may be taken into account (house or apartment belonging to or rented by the individual, rented furnished room). But the permanence of the home is essential; this means that the individual has arranged to have the dwelling available to him at all times continuously, and not occasionally for the purpose of a stay which, owing to the reasons for it, is necessarily of short duration (travel for pleasure, business travel, educational travel, attending a course at a school, etc.). 14. If the individual has a permanent home in both Contracting States, paragraph 2 gives preference to the State with which the personal and economic relations of the individual are closer, this being understood as the centre of vital interests. In the cases where the residence cannot be determined by reference to this rule, paragraph 2 provides as subsidiary criteria, first, habitual abode, and then nationality. If the individual is a national of both States or of neither of them, the question shall be solved by mutual agreement between the States concerned according to the procedure laid down in Article 25. 15. If the individual has a permanent home in both Contracting States, it is necessary to look at the facts in order to ascertain with which of the two States his personal and
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economic relations are closer. Thus, regard will be had to his family and social relations, his occupations, his political, cultural or other activities, his place of business, the place from which he administers his property, etc. The circumstances must be examined as a whole, but it is nevertheless obvious that considerations based on the personal acts of the individual must receive special attention. If a person who has a home in one State sets up a second in the other State while retaining the first, the fact that he retains the first in the environment where he has always lived, where he has worked, and where he has his family and possessions, can, together with other elements, go to demonstrate that he has retained his centre of vital interests in the first State. 16. Subparagraph b) establishes a secondary criterion for two quite distinct and different situations: a) the case where the individual has a permanent home available to him in both Contracting States and it is not possible to determine in which one he has his centre of vital interests; b) the case where the individual has a permanent home available to him in neither Contracting State. Preference is given to the Contracting State where the individual has an habitual abode. 17. In the first situation, the case where the individual has a permanent home available to him in both States, the fact of having an habitual abode in one State rather than in the other appears therefore as the circumstance which, in case of doubt as to where the individual has his centre of vital interests, tips the balance towards the State where he stays more frequently. For this purpose regard must be had to stays made by the individual not only at the permanent home in the State in question but also at any other place in the same State. 18. The second situation is the case of an individual who has a permanent home available to him in neither Contracting State, as for example, a person going from one hotel to another. In this case also all stays made in a State must be considered without it being necessary to ascertain the reasons for them. 19. In stipulating that in the two situations which it contemplates preference is given to the Contracting State where the individual has an habitual abode, subparagraph b) does not specify over what length of time the comparison must be made. The comparison must cover a sufficient length of time for it to be possible to determine whether the residence in each of the two States is habitual and to determine also the intervals at which the stays take place. 20. Where, in the two situations referred to in subparagraph b) the individual has an habitual abode in both Contracting States or in neither, preference is given to the State of which he is a national. If, in these cases still, the individual is a national of both Contracting States or of neither of them, subparagraph d) assigns to the competent authorities the duty of resolving the difficulty by mutual agreement according to the procedure established in Article 25. Paragraph 3 21. This paragraph concerns companies and other bodies of persons, irrespective of whether they are or not legal persons. It may be rare in practice for a company, etc. to be subject to tax Klausel as a resident in more than one State, but it is, of course, possible if, for instance, one State attaches importance to the registration and the other State to the place of effective management. So, in the case of companies, etc., also, special rules as to the preference must be established. 22. It would not be an adequate solution to attach importance to a purely formal criterion like registration. Therefore paragraph 3 attaches importance to the place where the company, etc. is actually managed. 23. The formulation of the preference criterion in the case of persons other than individuals was considered in particular in connection with the taxation of income from shipping, inland waterways transport and air transport. A number of conventions
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for the avoidance of double taxation on such income accord the taxing power to the State in which the “place of management” of the enterprise is situated; other conventions attach importance to its “place of effective management”, others again to the “fiscal domicile of the operator”. 24. As a result of these considerations, the “place of effective management” has been adopted as the preference criterion for persons other than individuals. The place of effective management is the place where key management and commercial decisions that are necessary for the conduct of the entity’s business as a whole are in substance made. All relevant facts and circumstances must be examined to determine the place of effective management. An entity may have more than one place of management, but it can have only one place of effective management at any one time. 24.1 Some countries, however, consider that cases of dual residence of persons who are not individuals are relatively rare and should be dealt with on a case-by-case basis. Some countries also consider that such a case-by-case approach is the best way to deal with the difficulties in determining the place of effective management of a legal person that may arise from the use of new communication technologies. These countries are free to leave the question of the residence of these persons to be settled by the competent authorities, which can be done by replacing the paragraph by the following provision: 3. Where by reason of the provisions of paragraph 1 a person other than an individual is a resident of both Contracting States, the competent authorities of the Contracting States shall endeavour to determine by mutual agreement the Contracting State of which such person shall be deemed to be a resident for the purposes of the Convention, having regard to its place of effective management, the place where it is incorporated or otherwise constituted and any other relevant factors. In the absence of such agreement, such person shall not be entitled to any relief or exemption from tax provided by this Convention except to the extent and in such manner as may be agreed upon by the competent authorities of the Contracting State. Competent authorities having to apply such a provision to determine the residence of a legal person for purposes of the Convention would be expected to take account of various factors, such as where the meetings of its board of directors or equivalent body are usually held, where the chief executive officer and other senior executives usually carry on their activities, where the senior day-to-day management of the person is carried on, where the person’s headquarters are located, which country’s laws govern the legal status of the person, where its accounting records are kept, whether determining that the legal person is a resident of one of the Contracting States but not of the other for the purpose of the Convention would carry the risk of an improper use of the provisions of the Convention etc. Countries that consider that the competent authorities should not be given the discretion to solve such cases of dual residence without an indication of the factors to be used for that purpose may want to supplement the provision to refer to these or other factors that they consider relevant. Also, since the application of the provision would normally be requested by the person concerned through the mechanism provided for under paragraph 1 of Article 25, the request should be made within three years from the first notification to that person that its taxation is not in accordance with the Convention since it is considered to be a resident of both Contracting States. Since the facts on which a decision will be based may change over time, the competent authorities that reach a decision under that provision should clarify which period of time is covered by that decision. Observations on the Commentary 25. As regards paragraphs 24 and 24.1, Italy holds the view that the place where the main and substantial activity of the entity is carried on is also to be taken into account when determining the place of effective management of a person other than an individual. 26. Spain, due to the fact that according to its internal law the fiscal year coincides with the calendar year and there is no possibility of concluding the fiscal period by reason of the taxpayer’s change of residence, will not be able to proceed in accor270
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dance with paragraph 10 of the Commentary on Article 4. In this case, a mutual agreement procedure will be needed to ascertain the date from which the taxpayer will be deemed to be a resident of one of the Contracting States. 26.1 Mexico does not agree with the general principle expressed in paragraph 8.8 of the Commentary according to which if tax owed by a partnership is determined on the basis of the personal characteristics of the partners, these partners are entitled to the benefits of tax conventions entered into by the States of which they are residents as regards income that “flows through” that partnership. 26.2 [Deleted] 26.3 France considers that the definition of the place of effective management in paragraph 24, according to which “the place of effective management is the place where key management and commercial decisions that are necessary for the conduct of the entity’s business as a whole are in substance made”, will generally correspond to the place where the person or group of persons who exercises the most senior functions (for example a board of directors or management board) makes its decisions. It is the place where the organs of direction, management and control of the entity are, in fact, mainly located. 26.4 As regards paragraph 24, Hungary is of the opinion that in determining the place of effective management, one should not only consider the place where key management and commercial decisions that are necessary for the conduct of the entity’s business as a whole are in substance made, but should also take into account the place where the chief executive officer and other senior executives usually carry on their activities as well as the place where the senior day-to-day management of the enterprise is usually carried on. Reservations on the Article 27. Canada reserves the right to use as the test for paragraph 3 the place of incorporation or organisation with respect to a company and, failing that, to deny dual resident companies the benefits under the Convention. 28. Japan and Korea reserve their position on the provisions in this and other Articles in the Model Tax Convention which refer directly or indirectly to the place of effective management. Instead of the term “place of effective management”, these countries wish to use in their conventions the term “head or main office”. 29. France does not agree with the general principle according to which if tax owed by a partnership is determined on the basis of the personal characteristics of the partners, these partners are entitled to the benefits of tax conventions entered into by the States of which they are residents as regards income that “flows through” that partnership. For this reason, France reserves the right to amend the Article in its tax conventions in order to specify that French partnerships must be considered as residents of France in view of their legal and tax characteristics and to indicate in which situations and under which conditions flow-through partnerships located in the other Contracting State or in a third State will be entitled to benefit from the recognition by France of their flow-through nature. 30. Turkey reserves the right to use the “registered office” criterion (legal head office) as well as the “place of effective management” criterion for determining the residence of a person, other than an individual, which is a resident of both Contracting States because of the provisions of paragraph 1 of the Article. 31. The United States reserves the right to use a place of incorporation test for determining the residence of a corporation, and, failing that, to deny dual resident companies certain benefits under the Convention. 32. Germany reserves the right to include a provision under which a partnership that is not a resident of a Contracting State according to the provisions of paragraph 1 is deemed to be a resident of the Contracting State where the place of its effective management is situated, but only to the extent that the income derived from the other Contracting State or the capital situated in that other State is liable to tax in the first-mentioned State. Pohl
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POSITIONS ON ARTICLE 4 (RESIDENT) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article Paragraph 1 1. Albania, Armenia, Belarus, Estonia, Indonesia, Latvia, Lithuania, Russia, Thailand, Ukraine and Vietnam reserve the right to include the place of incorporation or a similar criterion (registration for Belarus and Vietnam) in paragraph 1. 2. The United Arab Emirates reserves the right to adopt its own definition of residence in its bilateral conventions and not necessarily follow Article 4. 2.1 Hong Kong, China reserves the right to modify the definition of “resident” in its bilateral agreements because it is not a sovereign state and it taxes on a territorial basis. 3. Brazil reserves the right not to include the second sentence of paragraph 1 in its conventions as the position of diplomatic staff is dealt with under its domestic law. 4. India and Russia reserve the right to amend the Article in their tax conventions in order to specify that their partnerships must be considered as residents of their respective countries in view of their legal and tax characteristics. 4.1 Gabon, Ivory Coast, Morocco and Tunisia do not agree with the general principle according to which if tax owed by a partnership is determined on the basis of the personal characteristics of the partners, these partners are entitled to the benefits of tax conventions entered into by the States of which they are residents as regards income that “flows through” that partnership. Under their domestic law, a partnership is considered to be liable to tax even though, technically, that tax is collected from the partners or in the case of Morocco from the principal partner; for that reason, Gabon, Ivory Coast, Morocco and Tunisia reserve the right to amend the Article in their tax conventions in order to specify that their partnerships must be considered as residents of their country in view of their legal and tax characteristics. Paragraph 3 5. Armenia, Bulgaria, Russia, Thailand and Vietnam reserve the right to use the place of incorporation (registration for Vietnam) as the test for paragraph 3. 6. [Deleted] 7. Israel reserves the right to include a separate provision regarding a trust that is a resident of both Contracting States. 8. India and Kazakhstan reserve the right to include a provision that will refer to a mutual agreement procedure for determination of the country of residence in case of a dual resident person other than an individual if the State in which its effective place of management is situated cannot be determined. 8.1 Bulgaria reserves the right to include a provision that will refer to the State of derivation of the legal status and, in case this State could not be determined, to the mutual agreement procedure, for the determination of the country of residence in the case of a dual resident person other than an individual and a company and, in the absence of such an agreement, it will deny benefits under the Convention to this person. Positions on the Commentary Paragraph 2 9. In the opinion of Vietnam the personal relations and economic relations mentioned in paragraphs 14 and 15 of the Commentary should be separated and one given priority over the other. For Vietnam, economic relations, particularly the criterion of the country where employment is exercised, is more important to determine the country of residence for treaty purposes in the case of a dual resident individual.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–3 Art. 4
9.1 In the case of Gabon, since the phrase “and economic relations” used in paragraphs 13, 14 and 15 of the Commentary is ambiguous, these two types of relations should be distinguished and one type may have priority over the other. The State in which employment is exercised should therefore prevail over the personal relations for purposes of determining the State of residence of an individual. 9.2 Kazakhstan reserves the right to replace subparagraph d) by: “d) if the individual’s status cannot be determined by reason of subparagraphs a) to c) of this paragraph, the competent authorities of the Contracting States shall settle the question by mutual agreement.” 9.3 Indonesia is of the opinion that in considering the dual residence of an individual, economic relations shall have priority over personal relations. Paragraph 3 10. The interpretation by Argentina, Armenia, Russia, Ukraine and Vietnam of the term “place of effective management” is practical day to day management, irrespective of where the overriding control is exercised. 11. India does not adhere to the interpretation given in paragraph 24 that the place of effective management is the place where key management and commercial decisions that are necessary for the conduct of the entity’s business as a whole are in substance made. It is of the view that the place where the main and substantial activity of the entity is carried on is also to be taken into account when determining the place of effective management. 12. Brazil does not adhere to the interpretation given in paragraph 24 of the Commentary since it considers that such definition is an issue to be dealt with by domestic law and domestic court decisions.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 4 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Definition der Ansässigkeit. Art. 4 legt fest, ob und in welchem Vertragsstaat eine 1 Person ansässig ist. Bedeutung hat dies für zahlreiche Abkommensartikel (vgl. Rz. 2 ff. und 17 ff.) sowie für Regelungen des innerstaatlichen Rechts (vgl. Rz. 8 und 20) und des EU-Rechts (vgl. Rz. 9 und 19). Abkommensberechtigung. Nach Art. 1 gilt das Abkommen für Personen, die in ei- 2 nem oder beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs eines Abkommens muss daher die abkommensrechtliche Ansässigkeit der jeweils betrachteten Person hinzukommen (vgl. auch Art. 1 Rz. 1 OECD-MK). Liegt die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat vor, kommt eine Einschränkung der Abkommensberechtigung nur noch durch besondere DBA-Klauseln1 in Betracht. Bestimmung des „Unternehmens eines Vertragsstaates“. Für eine Reihe von DBA- 3 Regeln2 kommt es darauf an, ob ein Unternehmen des einen oder des anderen Vertragsstaates vorliegt. Ausgehend von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d ist hierfür entscheidend, wo die Person, die das Unternehmen betreibt (sog. Unternehmer), ansässig ist. Dies ergibt sich aus Art. 4.
1 Vgl. z.B. die sog. „Limitation-on-Benefits-Klausel“ des Art. 28 DBA-USA; hierzu auch Art. 1 Rz. 91. 2 Vgl. z.B. Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 2.
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Art. 4 Rz. 4–11
Ansässige Person
4
Verteilung des Besteuerungsrechts. Die Verteilungsartikel (Art. 6 bis 22) des OECD-MA sind maßgeblich durch das Ansässigkeitsprinzip geprägt.1 Nur Ausnahmsweise erhält der Quellenstaat das Besteuerungsrecht, wenn die Einkünfteerzielung mit einer besonders intensiven Inanspruchnahme der Infrastruktur des anderen Staates einhergeht. Die Festlegung der Ansässigkeit ist daher maßgeblich für die Zuweisung des Besteuerungsrechts. Erzielt eine Person beispielsweise Einkünfte, die in den Art. 6 bis 20 nicht behandelt werden, darf nach Art. 21 Abs. 1 nur der Ansässigkeitsstaat diese Einkünfte besteuern (s. Art. 21 Rz. 17 ff.).
5
Anwendung des Methodenartikels. Die Ansässigkeit hat ebenfalls Relevanz für die Anwendung der Methodenartikel. Es ist Sache des Ansässigkeitsstaates, die Doppelbesteuerung durch die Anwendung der Freistellungs- bzw. Anrechnungsmethode zu vermeiden, wenn Einkünfte in beiden Staaten besteuert werden dürfen (vgl. Art. 23A/B Rz. 1 ff.).2
6
Gleichbehandlung. Die Frage der Ansässigkeit ist auch im Rahmen des abkommensrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes von entscheidender Bedeutung. Nach Art. 24 Abs. 5 dürfen Unternehmen eines Vertragsstaates, deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person oder mehreren solchen Personen gehört oder ihrer Kontrolle unterliegt, im erstgenannten Staat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist, als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staates unterworfen sind oder unterworfen werden können (vgl. Art. 24 Rz. 148 ff.).
7
Verständigungsverfahren. Die Bestimmung der Ansässigkeit hat letztlich auch für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens Bedeutung. Nach Art. 25 Abs. 1 ist der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens grundsätzlich bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaates einzureichen (vgl. Art. 25 Rz. 63 ff.). Wird in dem falschen Vertragsstaat ein Antrag gestellt, dürfte dieser zwar im Regelfall an den Ansässigkeitsstaat von Amts wegen weitergeleitet werden. Für die Fristwahrung (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 2) ist dennoch entscheidend, ob der Antrag rechtzeitig vor Anlauf der Frist bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaates eingeht.
8
Innerstaatliches Recht. Auch außerhalb von DBA spielt die Ansässigkeit einer Person im abkommensrechtlichen Sinne eine bedeutende Rolle (vgl. z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG, § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 43b Abs. 3 EStG, § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG).
9
EU-Recht. Schließlich wird im EU-Recht auf die Ansässigkeit einer Person im abkommensrechtlichen Sinne verwiesen (vgl. z.B. Art. 2 EU-Mutter-Tochter-Richtlinie3; Art. 3 EU-Fusionsrichtlinie4).5
II. Aufbau der Vorschrift 10
Definition der Ansässigkeit. Art. 4 Abs. 1 definiert, wann eine Person in einem Vertragsstaat ansässig ist. Entscheidend ist, ob sie dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist.
11
Doppelte Ansässigkeit einer natürlichen Person. Art. 4 Abs. 2 enthält eine „tiebreaker“-Regel (Rangfolgeregel)6 für Fälle der doppelten Ansässigkeit einer natürlichen Person. Ist eine natürliche Person in beiden Vertragstaaten ansässig, so be-
1 2 3 4 5 6
Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 12. Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 3. RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. RL 2009/133/EG v. 19.10.2009, ABl. L 310 v. 25.11.2009, 34. Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 15. Zum Begriff vgl. Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (142).
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 11–15 Art. 4
stimmt die Norm anhand von fünf Kriterien (ständige Wohnstätte, Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatangehörigkeit, gegenseitiges Einvernehmen) in welchem der beiden Staaten die Person für Abkommenszwecke als (allein) ansässig gilt. Der andere Staat ist dann „automatisch“ der Quellenstaat.1 Doppelte Ansässigkeit bei einer anderen als einer natürlichen Person. Art. 4 12 Abs. 3 enthält für andere als natürliche Personen (Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen; vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a; vgl. hierzu Art. 3 Rz. 13 ff.) eine Komplementärregelung zu Art. 4 Abs. 2. Als alleiniges „tie-breaker“-Kriterium wird dort die tatsächliche Geschäftsleitung genannt.
III. Rechtsentwicklung 1. Überschrift der Vorschrift Ansässige Person. Art. 4 war bereits im OECD-MA 1963 enthalten. Seit dem 13 OECD-MA 1977 spricht die amtl. Überschrift jedoch nicht mehr vom „steuerlichen Wohnsitz“ sondern allgemeiner von der „ansässigen Person“. Damit trägt das OECDMA dem Umstand Rechnung, dass die Ansässigkeit nicht nur Folge eines Wohnsitzes sein kann. 2. Absatz 1 Unbeschränkte Steuerpflicht sowie Staat und Gebietskörperschaften. Im Unter- 14 schied zur ursprünglichen Fassung des OECD-MA 1963 ist die Norm in zwei Punkten ergänzt worden. Mit dem OECD-MA 1977 wurde in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA 1963 ein Satz angefügt, nach dem Personen, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenen Vermögen steuerpflichtig sind, dort nicht ansässig sind. Eine ganz ähnliche Wendung enthielt vorher bereits Art. 4 Rz. 10 OECD-MK 1963: „Eine natürliche Person gilt jedoch nicht als eine in einem Vertragsstaat ansässige Person im Sinne des Abkommens, wenn sie, auch ohne in diesem Staat einen Wohnsitz zu haben, nach dem innerstaatlichen Recht eine ansässige Person ist, aber nur einer beschränkten Steuerpflicht unterliegt, die lediglich die aus diesem Staat stammenden Einkünfte trifft“. Ob die Änderung deklaratorischer oder konstitutiver Natur ist, ist dennoch umstritten (vgl. hierzu Rz. 55 ff.). Mit dem OECD-MA 1995 wurde Art. 4 Abs. 1 erneut erweitert. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 heißt es nunmehr, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Person auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften umfasst. Nach Art. 4 Rz. 8.1 OECD-MK ist diese Änderung nur klarstellender Natur: „Die meisten Mitgliedstaaten waren der Auffassung, dass die Regierung eines Staates und dessen Gebietskörperschaften im Sinne des Abkommens in diesem Staat ansässige Personen sind. Vor 1995 sah das Musterabkommen dies nicht ausdrücklich vor; 1995 wurde Artikel 4 geändert, um den Text des Musterabkommens dieser Auslegung anzupassen.“ (zu Einzelheiten dieser Ergänzung vgl. Rz. 52 ff.). 3. Absatz 2 Redaktionelle Änderungen. Art. 4 Abs. 2 ist seit 1963 nahezu unverändert geblie- 15 ben. Ersetzt wurde durch das OECD-MA 1977 der ursprüngliche Begriff „Vertragsstaat“ durch den Begriff „Staat“ und in den Buchstaben a bis c der abschließende Punkt durch ein Semikolon. Geändert wurde zudem die Formulierung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. d. Ursprünglich (OECD-MA 1963) hieß es dort: „Besitzt die Person die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines Vertragsstaates, […]“. Seit dem OECD-MA 1977 heißt es stattdessen: „ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, […]“. Insgesamt handelt es sich hierbei nur um redaktionelle Änderungen.2
1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.196. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 12.
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Art. 4 Rz. 16–17
Ansässige Person
4. Absatz 3 16
Redaktionelle Änderungen. Seit dem OECD-MA 1963 wurde Art. 4 Abs. 3 ebenfalls (nur) redaktionell angepasst.1 Im zweiten Halbs. ist seit dem OECD-MA 1977 nunmehr die Rede vom „Staat“ anstelle vom „Vertragsstaat“.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 17
Allgemeine Begriffsbestimmung. Art. 4 befindet sich im Abschn. II. (Begriffsbestimmungen) des OECD-MA. Die Vorschrift gilt somit für alle Abkommensbestimmungen die auf die Ansässigkeit einer Person abstellen, den Begriff aber nicht selber (abweichend) definieren: – Nach Art. 1 gilt das Abkommen für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind; – Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. d bedeuten die Ausdrücke „Unternehmen eines Vertragsstaats“ und „Unternehmen des anderen Vertragsstaats“, je nachdem, ein Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird, oder ein Unternehmen, das von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird; – Art. 6 Abs. 1 (Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen) setzt eine in einem Vertragsstaat ansässige Person voraus; – Art. 7 Abs. 1 (Unternehmensgewinne) stellt auf ein Unternehmen eines Vertragsstaats ab. Hierfür ist gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d entscheidend, wo der Unternehmer ansässig ist; – Art. 10 Abs. 1, 4 und 5 (Dividenden) setzt eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft bzw. eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person voraus, – Art. 11 Abs. 1, 4 und 5 (Zinsen) stellt auf eine Person, einen Nutzungsberechtigten bzw. einen Schuldner ab, der im „anderen Vertragsstaat“, in „einem Vertragsstaat“ oder in „diesem Staat“ ansässig ist; – Art. 12 Abs. 1 (Lizenzgebühren) setzt voraus, dass der Nutzungsberechtigte in dem „anderen Vertragsstaat“ ansässig ist; – Art. 13 Abs. 1, 2, 4 und 5 (Veräußerungsgewinne) stellen unmittelbar oder mittelbar auf eine in einem Vertragsstaat ansässige Person ab; – Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und Abs. 2 (Einkünfte aus unselbständiger Arbeit) weisen – unter den dort beschriebenen Voraussetzungen – dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, wo die Person ansässig ist; – Art. 16 (Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen) verlangt, dass die Person in dem einen und die Gesellschaft in dem anderen Vertragsstaat ansässig sind; – Art. 17 Abs. 1 (Künstler und Sportler) setzt voraus, dass die Person „in dem einen Vertragsstaat“ ansässig ist; – Art. 18 (Ruhegehälter) weist dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, in dem die Person ansässig ist; – Art. 19 Abs. 1 und 2 (Öffentlicher Dienst) setzt voraus, dass die Person in „diesem Staat“ ansässig ist; – Art. 20 (Studenten) setzt voraus, dass der Student, Praktikant oder Lehrling im „anderen Vertragsstaat“ ansässig ist; – Art. 21 Abs. 1 (Andere Einkünfte) weist dem Vertragsstaat das Besteuerungsrecht zu, in dem die Person ansässig ist; – Nach Art. 22 Abs. 4 (Vermögen) können „alle anderen Vermögensteile“ nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, wo die Person ansässig ist;
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 13.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 17–19 Art. 4
– Art. 23A/B (Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung) setzten eine Person voraus, die in einem Vertragsstaat ansässig ist; – Art. 24 Abs. 1, 2, 4 und 5 (Gleichbehandlung) stellt mehrfach auf die Ansässigkeit einer Person ab; – Nach Art. 25 Abs. 1 (Verständigungsverfahren) ist der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens bei der zuständigen Behörde des Vertragsstaates zu stellen, in dem die Person ansässig ist. 2. EU-Recht EU-Konformität. Art. 4 ist regelungstechnisch eine bloße Hilfsnorm.1 Von ihr geht 18 keine Belastungsentscheidung aus.2 Trotz der auf ersten den Blick nicht unproblematischen Anknüpfung an Merkmale, wie z.B. die Staatsangehörigkeit, sind die abkommensrechtlichen Ansässigkeitsregeln aus diesem Grund europarechtlich unangreifbar.3 Einfluss des Art. 4 auf das EU-Recht. Art. 4 hat grundsätzlich keine Bedeutung für 19 das EU-Recht. Dies folgt schon aus den einleitenden Worten des Art. 4 („Im Sinne dieses Abkommens bedeutet […]“). In europäischen Rechtsquellen finden sich daher häufig eigenständige und zum Teil auch abweichende Definitionen der Ansässigkeit (vgl. z.B. Art. 6 GKKB-Richtlinienentwurf). Verweist das EU-Recht auf die Ansässigkeit i.S. eines DBA, sind die Grundsätze des Art. 4 auch insoweit verbindlich (vgl. Rz. 9). Folgende Normen sind insoweit betroffen: – Art. 2 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. ii EU-Mutter-Tochter-Richtlinie4 (Definition Gesellschaft eines Mitgliedstaats) verlangt für eine „Gesellschaft eines Mitgliedstaates“, dass diese nicht aufgrund eines DBA als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird; – Art. 3 Buchst. b EU-Fusionsrichtlinie5 (Definition der Gesellschaft) verlangt für eine „Gesellschaft eines Mitgliedstaates“, dass diese nicht aufgrund eines DBA als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird; – Art. 10b Abs. 1 Buchst. b und Art. 10c Abs. 1 Buchst. b EU-Fusionsrichtlinie (Sitzverlegung einer SE oder SCE) stellen darauf ab, dass eine SE oder SCE in einem anderen Mitgliedstaat ansässig wird; – Nach Art. 1 EU-Zinsrichtlinie6 (Zielsetzung) besteht das Ziel der Richtlinie darin, dass Erträge, die in einem Mitgliedstaat im Wege von Zinszahlungen an wirtschaftliche Eigentümer, die natürliche Personen sind und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, erzielt werden, nach den Rechtsvorschriften dieses letzteren Mitgliedstaats effektiv besteuert werden; – Art. 3 EU-Zinsen und Lizenzgebührenrichtlinie7 (Definition der Gesellschaft) verlangt für ein „Unternehmen eines Mitgliedstaates“ u.a., dass dieses nicht aufgrund eines DBA als außerhalb der Gemeinschaft niedergelassen gilt. Da die DBA keine Definition der Niederlassung beinhalten, dürfte auch insoweit die Ansässigkeit entscheidend sein.
1 Reimer in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 15 ff. 2 Reimer in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 15 ff. 3 Vgl. im Einzelnen Reimer in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 15 ff. 4 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 5 RL 2009/133/EG v. 19.10.2009, ABl. L 310 v. 25.11.2009, 34. 6 Richtlinie 2003/48/EG des Rates v. 3.6.2003, Abl. EG L 157/38. 7 Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. EG L 157, 49 ff.
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Art. 4 Rz. 20–21
Ansässige Person
3. Innerstaatliches Recht 20
Grundsätzlich keine Bedeutung im innerstaatlichen Recht. Art. 4 hat auch für das innerstaatliche Recht grundsätzlich keine Bedeutung.1 Ob eine Person in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, bestimmt sich losgelöst vom Abkommensrecht nach rein innerstaatlichen Maßstäben (z.B. nach § 1 EStG i.V.m. §§ 8 f. AO).2 Die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht besteht daher beispielsweise auch dann, wenn der Steuerpflichtige je eine Wohnung im Inland und im Ausland innehat und nach dem anzuwendenden DBA im ausländischen Vertragsstaat als allein ansässig gilt.3
21
Bezugnahme auf abkommensrechtliche Ansässigkeit. Verweist das innerstaatliche Recht auf die Ansässigkeit i.S. eines DBA, sind die Grundsätze des Art. 4 verbindlich (vgl. Rz. 8). Folgende Normen sind insoweit betroffen: – Nach § 2a Abs. 4 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG (Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättengewinne) kommt es u.a. dann zu einer Nachversteuerung, wenn die Ansässigkeit im Inland auf Grund der Bestimmungen eines DBA beendet wird; – § 43b Abs. 3 EStG i.V.m. § 52 Abs. 55d EStG (Einbehalt von Kapitalertragsteuer) enthält einen Ergänzungstatbestand, nach dem bestimmte Anforderungen an den Staat zu stellen sind, in dem die Muttergesellschaft nach einem DBA mit einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als ansässig gilt; – § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG (Steuerabzug von Zinsen und Lizenzgebühren) verlangt für ein „Unternehmen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union“ u.a., dass dieses nicht außerhalb der Gemeinschaft nach einem DBA als ansässig gilt; – Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG (Verlust oder Einschränkung des Besteuerungsrechts) gilt eine Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung als aufgelöst, wenn sie aufgrund eines DBA infolge der Verlegung ihres Sitzes oder ihrer Geschäftsleitung als in einem Drittstaat ansässig gilt; – § 1 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG (Persönlicher Anwendungsbereich) setzt im Hinblick auf natürliche Personen – die am Umwandlungsvorgang beteiligt sind – voraus, dass diese nicht aufgrund eines DBA in einem Drittstaat als ansässig gelten; – Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG (Vermögenszuwachsbesteuerung) kommt es auch dann zu einer Versteuerung der stillen Reserven, wenn die natürliche Person durch die Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder die Erfüllung eines anderen ähnlichen Merkmals in einem ausländischen Staat, als in diesem Staat nach einem DBA ansässig anzusehen ist.
B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1) Ausgewählte Literatur: Baranowski, Besteuerung bei Sitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland, IWB Fach 3 Gruppe 4, 331; Bellstedt, Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 3. Aufl., Köln 1973; Bertram, Die steuerliche Behandlung des Wohnsitzes bei Entsendung deutscher Arbeitnehmer in die USA, IWB Fach 8 Gruppe 2, 625; Birkholz, Der Wohnsitz, seine Begründung, seine Aufgabe und deren Bedeutung im Rahmen des Steuerrechts, DStZ/A 1979, 247; Brenner, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der Internationalen Besteuerung, Köln 1996; Deppe, Zur Vorhersehbarkeit von Entscheidungen zum gewöhnlichen Aufenthalt, StuW 1982, 332; Dötsch, Körperschaftsteuerliche Behandlung der Verlegung des Sitzes bzw. der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft über die Grenze, DB 1989, 2296; Dreissig, Verlegung der Geschäftsleitung einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland, DB 2000. 893; Ebenroth/Auer, Grenzüberschreitende Verlagerung von unternehmerischen Leitungsfunktionen im Zivil- und Steuerrecht, RIW Beilage 1/1992, 1; Ebenroth/Auer, Die Vereinbarkeit der Sitztheorie mit europäischem Recht, GmbHR 1994, 16; Eilers/Wienands, Neue steuerliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften nach der EuGH-Entscheidung vom 9.3.1999, IStR 1999, 289; Felix, Der Ort der Geschäftslei-
1 AEAO vor §§ 8, 9 AO Rz. 1; Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 5. 2 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 1. 3 BFH v. 4.6.1975 – I R 250/73, BStBl. II 1975, 708; AEAO vor §§ 8, 9 AO Rz. 1.
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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1)
Rz. 22
Art. 4
tung im Steuerrecht, DStR 1963, 421; Firlinger, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, S. 307; Halm, Subjektive Abkommensberechtigung nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1983, 623; Hausmann/Raupach u.a. Steuergestaltung durch doppelt ansässige Gesellschaften, München 1988; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Lang, Art. 24 OECD-Musterabkommen, Ansässigkeit und Umsatzsteuer, SWI 2011, 469; Lang, Die Ansässigkeit als das Kriterium für die Besteuerung im Quellenstaat nach den Verteilungsnormen des OECD-Musterabkommens, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 225; Lechner, Wohnsitz, ständige Wohnstätte und Mittelpunkt der Lebensinteressen, in Gassner/Lang, Hrsg., Besteuerung und Bilanzierung internationale tätiger Unternehmen, Wien 1998, 251; Lehner, Die steuerliche Ansässigkeit von Kapitalgesellschaften, RIW 1988, 201; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Messner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Milatz/Weist, Der „doppelte“ Wohnsitz am Beispiel des DBASchweiz, IWB 2011, 408; Piltz, Unbeschränkte Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften aufgrund inländischer Geschäftsleitung, FR 1985, 347, 466 und FR 1990, 608; Prillinger, Die Ansässigkeit von Körperschaften des öffentlichen Rechts, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 121; Raupach, Steuerliche Folgen der Doppelansässigkeit, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der internationalen Besteuerung, Köln 1996; Reimer, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit aus gemeischaftsrechtlichem Blickwinkel, in Lang/ Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 15; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Runge, Die steuerliche Ansässigkeit von Kapitalgesellschaften, CDFI, LXXlla (1987), 161; Runge, Die steuerliche Ansässigkeit von Gesellschaften, Hamburger Hefte zur Internationalen Besteuerung, Nr. 37 (1987); Schlager, Die Einschränkung der Ansässigkeit bei bloß inländischen Einkunftsquellen nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33; Schlütter, Personengesellschaft oder Körperschaft – Aktuelle Qualifikationsfragen, DStJG Bd. 8, 215; Schmidt, Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf Personengesellschaften, IStR 2010, 413; Schröder, Gesellschafter und Ort der Geschäftsleitung, StBp 1980, 97; Schuch, Die Ansässigkeit von Pensionsfonds und gemeinnützigen und anderen Körperschaften, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 109; Staringer, Die Ansässigkeit aufgrund des Wohnsitzes, des ständigen Aufenthalts, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 67; Steierberg, Abkommensrechtliche Ansässigkeit – eine Standortbestimmung, IWB 2012, 841; Wagner, Steuerliche Vorteile einer Finanzierungsgesellschaft in den Niederlanden, StBp 1988, 55; Wessel, Der Sitz der GmbH, BB 1984, 1057; Zobel, Allgemeine Grenzgängerregelungen – grundsätzliches Änderungserfordernis insbesondere der Qualifikationsmerkmale, DStR 1989, 476.
I. Regelungszweck Definition der Ansässigkeit. Die Frage, wo eine Person ansässig ist, ist für eine Rei- 22 he von Regelungen innerhalb und außerhalb eines DBA von zentraler Bedeutung (vgl. Rz. 1 ff.). Was unter der Ansässigkeit zu verstehen ist bzw. wann sie vorliegt, beantwortet Art. 4 Abs. 1. Als Begriffsbestimmung im II. Abschn. des OECD-MA liefert die Norm allgemeine Vorgaben, die für sämtliche Normen, die den Begriff der Ansässigkeit verwenden, Gültigkeit beanspruchen.1 Inhaltlich orientiert sich Art. 4 Abs. 1 an innerstaatlich und international anerkannten Vorgaben. Auch für den Bereich der Steuern vom Einkommen ist es üblich, eine persönliche (Nähe-)Beziehung zu einem Staat bei einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt einer natürlichen Person bzw. einer Geschäftsleitung oder einem Sitz einer Körperschaft (sog. Wohnsitzprinzip) anzunehmen.2
1 Zur Anwendung des Art. 4 Abs. 2 und 3 im Rahmen des Art. 15 vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 22. 2 Vgl. auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.194.
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Art. 4 Rz. 23–25
Ansässige Person
II. (Unbeschränkte) Steuerpflicht (Absatz 1 Satz 1) 1. Person 23
Rückgriff auf Art. 3. Art. 4 Abs. 1 gilt (nur) für Personen. Was unter einer Person i.S.d. Norm zu verstehen ist, beantwortet Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. Danach umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Der Begriff „Gesellschaft“ wird wiederum in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b definiert als juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (Vgl. Art. 3 Rz. 13 ff.). 2. Steuerpflicht
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Persönliche Steuerpflicht. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ist für die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat erforderlich, dass der Steuerpflichtige dort steuerpflichtig ist. Gemeint ist die persönliche nicht aber die sachliche Steuerpflicht.1 Ob der Steuerpflichtige tatsächlich Einkünfte erzielt hat, und ob diese im potentiellen Vertragsstaat steuerbar bzw. steuerpflichtig sind, ist daher unerheblich.2 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob tatsächlich in dem jeweiligen Vertragsstaat eine Steuer festgesetzt wird.3
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Persönliche Steuerbefreiungen. Persönliche bzw. subjektive Steuerbefreiungen befreien den Steuerpflichtigen von der Steuerpflicht (z.B. nach § 1 KStG). Derartige Steuerbefreiungen finden sich im KStG (vgl. § 5 KStG), im InvStG (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG) und im REITG (vgl. § 16 Abs. 1 REITG). Ob sie einer Ansässigkeit nach Art. 4 entgegenstehen, ist umstritten.4 Da infolge einer persönlichen Steuerbefreiung national keine Steuerpflicht besteht, wird eine Ansässigkeit in diesen Fällen teilweise verneint.5 Richtigerweise stehen persönliche Steuerbefreiungen einer Ansässigkeit jedoch nicht entgegen.6 Persönlichen Steuerbefreiungen liegen unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde.7 Die durch die unbeschränkte Steuerpflicht indizierte Nähebeziehung zwischen einer Person und einem Staat wird durch sie jedoch nicht in Frage gestellt. Häufig entsprechen persönliche Steuerbefreiungen in ihrer Wirkung auch eher einer sachlichen Steuerbefreiung.8 Problematisch wäre auch, wie in Fällen partieller Steuerbefreiungen zu verfahren wäre. Denn eine teilweise Ansässigkeit lässt sich abkommensrechtlich nicht praktizieren. Da es sich bei der Entscheidung, ob eine Person zunächst der Steuerpflicht zu unterwerfen oder von vornherein steuerfrei ist, nur um eine Frage der Gesetzestechnik handelt, können nach Lang9 auch Personen, die von vornherein gar nicht von der Steuer erfasst sind, abkommensberechtigt sein.10 Dem ist nicht zu folgen. Art. 4 Abs. 1 verlangt eine steuerpflichtige Person. Ist eine Person schon grundsätzlich nicht steuerpflichtig, wird sie von der Norm nicht erfasst. Darüber hinaus führt die Ansicht von Lang11 auch zu Abgrenzungsproblemen. So müssten Personengesellschaften unabhängig vom jeweiligen Besteuerungssystem (Trennungs1 Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 2 Vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz; Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 3 Vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz. 4 Vgl. auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 5 Vgl. FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 (rkr.); Toifl, Personengesellschaften, S. 142 ff.; wohl auch Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 40. 6 So auch FG Rh.-Pf.v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz; Lang, SWI 2000, 530 (532); Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 77, 82; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 Rz. 23, Art. 4 OECD-MA Rz. 25, 29. 7 Vgl. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht20, § 11 Rz. 33 ff. 8 Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 9 Lang, SWI 2000, 530. 10 So wohl auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 11 Lang, SWI 2000, 530.
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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1)
Rz. 25–29 Art. 4
bzw. Transparenzprinzip) stets als ansässige und damit abkommensberechtigte Personen behandelt werden. Sachliche Steuerbefreiungen. Da für die Ansässigkeit nur die persönliche Steuer- 26 pflicht entscheidend ist, kommt einer sachlichen Steuerbefreiung insoweit keine Bedeutung zu. Dies gilt gleichermaßen, wenn die Steuerbefreiung auf einem DBA mit einem Drittstaat beruht.1 Wird eine Steuer im Nachhinein erlassen, lässt dies ebenfalls die Steuerpflicht i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 unberührt.2 Maßgeblichkeit der Rechtsordnung des Ansässigkeitsstaates. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 27 setzt voraus, dass die Person nach dem Recht des möglichen Ansässigkeitsstaates steuerpflichtig ist. Geht es um eine Ansässigkeit in einem ausländischen Staat, so hängt es von der dort geltenden Steuerrechtslage ab, ob die Person steuerpflichtig und damit ansässig ist.3 Ob die Rechtsordnung des anderen Vertragsstaates dem entspricht, ist unerheblich. Beispiel: Geht es um die Ansässigkeit im ausländischen DBA-Staat X, ist allein entscheidend, ob der Steuerpflichtige nach dem Recht des DBA-Staates X dort steuerpflichtig ist. Geht es hingegen um die Ansässigkeit in Deutschland, ist allein die dort geltende Rechtslage entscheidend.
Umfang der Steuerpflicht. An den Umfang der Steuerpflicht stellt das Gesetz (an 28 dieser Stelle) keine besonderen Anforderungen. Anders als Art. 4 Rz. 8 OECD-MK fordert Art. 4 Abs. 1 Satz 1 beispielsweise keine unbeschränkte Steuerpflicht. Erfasst werden daher sämtliche Formen der persönlichen Steuerpflicht.4 Relativiert wird dieses Ergebnis allerdings durch die weiteren Anforderungen des OECD-MA. Die Steuerpflicht muss auf einem Merkmal basieren, dass die Grundlage für eine umfassende Besteuerung i.S. einer unbeschränkten Steuerpflicht bildet (vgl. Rz. 30 ff.). Auch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 bringt dies zum Ausdruck (vgl. Rz. 55). Besonderheiten bei Personengesellschaften. Besteuert ein Vertragsstaat Per- 29 sonengesellschaften transparent, d.h. besteuert er nur die hinter ihr stehenden Gesellschafter bzw. Mitunternehmer, so kann die Personengesellschaft in diesem Vertragsstaat nicht ansässig sein (vgl. auch Art. 1 Rz. 50 ff.).5 Dies gilt auch aus Sicht des anderen Vertragsstaates, selbst wenn dieser Staat Personengesellschaften nach dem „Trennungsprinzip“ steuerrechtlich wie Körperschaften behandelt. Umgekehrt ist eine Personengesellschaft in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie dort selber als Steuersubjekt besteuert wird und nach dem jeweiligen DBA eine Person ist. Ist eine Personengesellschaft danach in einem Vertragsstaat ansässig, ist dies auch für den anderen Vertragsstaat – unabhängig von der dort geltenden Rechtslage – verbindlich.6 Dies folgt aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Satz 1, ist aber dennoch nicht unumstritten.7 Beispiel: Der in Deutschland wohnhafte K ist an einer ausländischen Personengesellschaft beteiligt. Der ausländische Staat, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA vergleichbares DBA geschlossen hat, besteuert die Personengesellschaft wie eine Körperschaft. Auch aus deutscher Sicht ist die Personengesellschaft als andere Personenvereinigung im ausländischen Staat ansässig und damit auch grundsätzlich abkommensberechtigt. Wem die Einkünfte zuzurechnen sind, ist damit allerdings noch nicht entschieden. Aus deutscher Sicht ist es K, der als Mitunternehmer das Unternehmen betreibt und daher auch für Abkommenszwecke die Einkünfte erzielt.
Vgl. hierzu auch Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 35. Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 33. BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz. Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 27. Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.2. 6 Vgl. Schmidt, IStR 2010, 413, 416; a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.1. 7 Zur Problematik vgl. ausführlich Seitz in W/R/S, Personengesellschaften, Rz. 5.1 ff.
1 2 3 4 5
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Art. 4 Rz. 30–33
Ansässige Person
3. Anknüpfungspunkte der Steuerpflicht a) Wohnsitz 30
Rückgriff auf das innerstaatliche Recht. Nach Art. 4 Abs. 1 kann die (unbeschränkte) Steuerpflicht bzw. die Ansässigkeit auf einem Wohnsitz basieren. Der Begriff Wohnsitz wird im OECD-MA selber nicht definiert. Auch lässt sich seine Bedeutung nicht im Wege einer abkommensautonomen Auslegung nach den Art. 31 ff. WÜRV erschließen. Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 ist daher geboten (vgl. hierzu Art. 3 Rz. 58 ff.).1 Entscheidend ist daher das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates. Nicht zu folgen ist der Ansicht,2 nach der sich der Begriff des Wohnsitzes stets nach dem innerstaatlichen Recht des (möglichen) Ansässigkeitsstaates richtet. Art. 4 Abs. 1 verweist auf dieses Recht nur insoweit, als es um die Steuerpflicht in diesem Staat geht. Dies führt zwar zu dem Ergebnis, dass sich die unbeschränkte Steuerpflicht nach dem Recht des einen, die Voraussetzungen hierfür jedoch ggf. nach dem Recht des anderen Vertragsstaates richtet. Entscheidende Unterschiede ergeben sich dadurch aber nicht. Ist die Person im ausländischen Vertragsstaat aufgrund des dort geltenden Wohnsitzbegriffs unbeschränkt steuerpflichtig, wird aus deutschem Blickwinkel zumindest ein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 anzunehmen sein.
31
Wohnsitz nach innerstaatlichem Recht. Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist der Wohnsitzbegriff nach § 8 AO maßgeblich. Die zivilrechtliche Definition nach § 7 BGB ist hingegen nicht entscheidend.3 Nach Art. 3 Abs. 2 ist auf ein zivilrechtliches Rechtsverständnis erst dann zurückzugreifen, wenn das Steuerrecht hierauf aufbaut (vgl. Art. 3 Rz. 77). Dies ist jedoch gerade nicht der Fall.4 Einen Wohnsitz hat jemand nach § 8 AO dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Aus der Wortwahl „einen“ anstelle von „den“ Wohnsitz folgt, dass der Steuerpflichtige gleichzeitig mehrere Wohnsitze haben kann (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 2 AO).
32
Wohnung i.S.d. § 8 AO. Unter einer Wohnung sind alle objektiv zum wohnen geeigneten Räume zu verstehen.5 Die Räumlichkeiten müssen nicht standesgemäß sein. Es genügt eine bescheidende Bleibe.6 Ein möbliertes Zimmer kann die Voraussetzungen der Wohnung daher erfüllen. Die Wohnung muss nicht abgeschlossen und mit einer Küche sowie separater Waschgelegenheit i.S.d. Bewertungsrechts7 ausgestattet sein.8 Unerheblich ist auch, ob die Räumlichkeiten mit eigenen oder mit fremden Möbeln und Gerätschaften ausgestattet sind.9 Daher kann auch ein Hotelzimmer eine Wohnung i.S.d. § 8 AO sein.10 Keine Wohnungen sind hingegen mobile Einrichtungen aller Art (z.B. Wohnwagen);11 etwas anderes kann aber bei ortsfesten Campingwagen gelten.12
33
Innehaben i.S.d. § 8 AO. Der Steuerpflichtige muss die Wohnung innehaben, d.h. er muss tatsächlich über sie verfügen und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend be-
1 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 14. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 31. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 31; a.A. möglicherweise Art. 4 Rz. 3 OECD-MK. 4 Zum Unterschied zwischen steuer- und zivilrechtlichem Wohnsitzbegriff vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 11. 5 Vgl. BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182. 6 AEAO zu § 8 AO Rz. 3. 7 Vgl. FinMin BW v. 15.5.1985 – 1985-05-15 S 3198-36/85, BStBl. I 1985, 201. 8 Vgl. AEAO zu § 8 AO Rz. 3. 9 BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153. 10 FG Münster v. 22.2.1984 – V 2216/83 U, EFG 1984, 636 (rkr.); FG Rheinland-Pfalz v. 24.4.1998 – 4 K 2608/95, EFG 1998, 1182 (rkr.). 11 FG Hamburg v. 13.4.1981 – II 101/80, EFG 1982, 18 (rkr.); Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 15. 12 Buciek in Beermann/Gosch, § 8 AO Rz. 15.
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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1)
Rz. 33–36 Art. 4
nutzen.1 Unerheblich ist, ob er sie auch rechtlich benutzen durfte.2 Aus diesem Grund kommt grundsätzlich auch ein Hausbesetzer als Wohnungsinhaber in Betracht.3 Die Verfügungsmacht kann auch durch andere Personen vermittelt werden, weshalb selbst im Ausland studierende Kinder den elterlichen Wohnsitz noch innehaben können.4 Auch reicht eine gemeinschaftliche Nutzungsmöglichkeit aus.5 Begleitumstände des Innehabens i.S.d. § 8 AO. Es müssen Umstände vorliegen, 34 die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. § 8 AO fordert insoweit eine Prognoseentscheidung, bei der aus äußeren Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten des Steuerpflichtigen zu ziehen sind.6 Der Wille des Steuerpflichtigen ist also insoweit unerheblich, als er nicht nach außen zum Ausdruck gebracht wurde. Umstände, die für ein Beibehalten und Benutzen sprechen, sind insbesondere die Ausstattung der Wohnung, das Bewohnen von engen Familienangehörigen sowie die Nutzung der Wohnung.7 Im Hinblick auf das Zeitmoment, das durch das Beibehalten und Benutzen zum Ausdruck kommt, greift die Rspr. auf § 9 Satz 2 AO zurück. Ergeben die Umstände, dass der Steuerpflichtige die Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründet er dort keinen Wohnsitz.8 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung regelmäßig nutzt. Eine Nutzung von Fall zu Fall ist ausreichend.9 b) Ständiger Aufenthalt Anwendung des innerstaatlichen Rechts. Auch der Begriff des ständigen Aufent- 35 halts ist unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zu bestimmen.10 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist § 9 AO heranzuziehen.11 Unerheblich ist, dass die Norm nicht vom „ständigen“ sondern vom „gewöhnlichen“ Aufenthalt spricht. Eine wörtliche Entsprechung der Begriffe setzt Art. 3 Abs. 2 nicht voraus (vgl. Art. 3 Rz. 79). Ausreichend ist vielmehr, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen den Adjektiven „gewöhnlich“ und „ständig“ nicht feststellbar ist. Definition nach § 9 Satz 1 AO. Nach § 9 Satz 1 AO hat jemand einen gewöhnlichen 36 Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die darauf schließen lassen, dass er an dem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Wie aus dem Wortlaut („Den gewöhnlichen Aufenthalt […]“) zu folgern ist, kann der gewöhnliche Aufenthalt nicht gleichzeitig an verschiedenen Orten sein.12 Ein Aufenthalt i.S.d. § 9 Satz 1 AO setzt die körperliche Anwesenheit einer natürlichen Person an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet voraus. Eine Wohnung i.S.d. § 8 AO oder eine Zuordnung zu einer bestimmten Stelle ist hierfür nicht erforderlich.13 Ausreichend ist sogar ein Aufenthalt im Inland insgesamt.14 Denn unter Gebiet kann auch das gesamte Bundesgebiet verstanden werden. „Nicht nur vorüber-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Vgl. BFH v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 28. Vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 44 m.w.N. Vgl. RFH v. 10.3.1937 – VI A 631/36, RStBl. 1937, 498; BFH v. 24.1.1964 – III 252/61, HFR 1965, 80. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 29. Vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 44. Vgl. im Einzelnen Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 9 ff. Vgl. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. Vgl. BFH v. 24.1.2001 – I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402; v. 5.5.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812; Milatz/Weist, IWB 2011, 408 (411 ff.). Vgl. zur Begr. Rz. 30; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 35 mit Blick auf die Zielsetzung der Norm. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 14. BFH v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. III 1966, 522; v. 10.8.1983 – I R 241/82 – BStBl. II 1984, 11; AEAO zu § 9 Rz. 3. Gersch in Klein11, § 9 AO Rz. 2. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 19; zweifelnd hingegen Gersch in Klein11, § 9 AO Rz. 2.
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Art. 4 Rz. 36–38
Ansässige Person
gehend“ ist dieser Aufenthalt, wenn er mehr als sechs Monate beträgt.1 Im Unterschied zu § 9 Satz 2 AO hat eine ex-ante Prognose zu erfolgen, ob diese sechs Monate überschritten werden.2 Umstände die hierfür herangezogen werden können, sind beispielsweise die persönlichen bzw. familiären Verhältnisse des Steuerpflichtigen.3 Absichten des Steuerpflichtigen, die im Widerspruch zur äußeren Gestaltung stehen, sind ohne Bedeutung.4 Anders als bei § 9 Satz 2 AO ist bei § 9 Satz 1 AO die Frist von sechs Monaten allerdings keine starre Grenze, deren Überschreitung immer zum gewöhnlichen Aufenthalt führt.5 Vielmehr ist auf die Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen.6 Ist der Aufenthalt auf eine Dauer zwischen sechs und zwölf Monaten ausgerichtet, kann beispielsweise wegen besonders enger Bindungen zum Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, dessen Fortbestand auch bei längerfristiger Abwesenheit angenommen werden.7 Sprechen die Umstände dafür, dass der Aufenthalt länger als ein Jahr dauern wird, führt dies allerdings stets zur Beendigung des alten und zur Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts.8 37
Vermutung nach § 9 Satz 2 AO. § 9 Satz 2 Halbs. 1 AO enthält die unwiderlegbare Vermutung, dass ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Im Unterschied zu § 9 Satz 1 AO kommt es somit nicht auf die „Umstände“, sondern allein auf die tatsächliche Dauer an. Dauert ein zunächst auf kürzere Zeit angelegter Aufenthalt im Inland (aus welchen Gründen auch immer) länger als sechs Monate, gilt dieser als von Anfang an als gewöhnlicher (Rückwirkung).9 Die Berechnung der in § 9 Satz 2 AO statuierten Frist erfolgt nach § 108 AO i.V.m. den dort in Bezug genommenen Fristen des BGB. Nicht erforderlich ist, dass die Frist von sechs Monaten innerhalb eines Kalenderjahres oder Veranlagungszeitraums überschritten wird.10 Kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts (z.B. zwecks Familienheimfahrten) bleiben nach § 9 Satz 2 Halbs. 2 AO unberücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Frist nach § 9 Satz 2 Halbs. 1 AO durch sie weder unterbrochen noch gehemmt wird.11 Kurzfristig ist jede Unterbrechung, die nach der Verkehrsanschauung die Einheitlichkeit des Aufenthalts unberührt lässt.12 Eine feste zeitliche Grenze existiert insoweit nicht.13 Diese Vermutung des § 9 Satz 2 AO gilt nach § 9 Satz 3 AO dann nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert. Ziel dieser Norm, die auf einen Erlass des Reichsministers der Finanzen v. 10.7.193914 zurückzuführen ist15, ist es, den Fremdenverkehr und den Devisenverkehr zu fördern.16 c) Ort der Geschäftsleitung
38
Anwendung innerstaatlichen Rechts. Auch der Begriff des Ortes der Geschäftsleitung ist unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zu be1 Vgl. BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452; v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 21. 2 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 21. 3 Zur Behandlung von Grenzgängern vgl. BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331 (332); v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701, (702). 4 Vgl. BT-Drucks. VI/1982. 5 Vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21. 6 Vgl. bereits RFH v. 17.10.1935 – III A 206/35, RStBl. 1935, 1415. 7 Vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21. 8 So auch Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 21. 9 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 31. 10 BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452; FG BaWü v. 7.9.1990 – IX K 96/88, EFG 1991, 102 (rkr.); Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 44; Gersch in Klein11, § 9 AO Rz. 4. 11 Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 47. 12 FG BaWü v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13 (rkr.). 13 Buciek in Beermann/Gosch, § 9 AO Rz. 49; a.A. Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 77: drei Wochen und Wert in Kühn/von Wedelstädt, § 9 AO Rz. 11: zwei bis drei Wochen. 14 RStBl. 1939, 826. 15 Vgl. BT-Drucks. VI/1982. 16 Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 39.
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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1)
Rz. 38–42 Art. 4
stimmen.1 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist zur Bestimmung des Begriffs „Geschäftsleitung“ auf § 10 AO (i.V.m. Art. 3 Abs. 2) zurückzugreifen.2 Geschäftsleitung i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ist danach der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Geschäftliche Oberleitung. „Geschäftliche Oberleitung“ i.S.d. § 10 AO ist die Tä- 39 tigkeit, die ein Unternehmer bzw. ein Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer einer Gesellschaft i.d.R. selbst auszuüben pflegt.3 Hierzu zählen die Führung der laufenden Geschäfte4 sowie die Führung der Geschäfte, die für das Unternehmen von einiger Wichtigkeit sind.5 Der Begriff „Geschäftsführung“ ist nicht auf Entschlüsse zu reduzieren, die das Schicksal bzw. die Existenz des Unternehmens bestimmen.6 Andererseits sind nebensächliche Geschäftsangelegenheiten nicht in die Betrachtung einzubeziehen.7 „Mittelpunkt“ der geschäftlichen Oberleitung. Der Ort der geschäftlichen Oberlei- 40 tung befindet sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird.8 Wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden, ist hingegen unbedeutend.9 Ist die Unternehmensleitung auf mehrere Orte verteilt, liegt der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung dort, wo sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet.10 Die verschiedenen Geschäftsleitungstätigkeiten müssen dann im Einzelfall untereinander gewichtet werden.11 Mehrere Orte der Geschäftsleitung? Umstritten ist, ob ein Steuerpflichtiger meh- 41 rere Geschäftsleitungen haben kann. Ausgehend vom Wortlaut des § 10 AO („[…] Mittelpunkt […]“) und der Systematik,12 ist dies zu verneinen.13 Ob dieses Verständnis noch zeitgemäß ist, ist eine eher rechtspolitische Frage. Im Einzelfall kann es allerdings vorkommen, dass sich keine Anhaltspunkte für den Vorrang eines Geschäftsführungsortes finden lassen.14 Zu folgen ist dann der Ansicht15, nach der kein Mittelpunkt der Oberleitung und damit keine Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO existiert. d) Anderes ähnliches Merkmal aa) Allgemeines Vergleich mit den genannten Merkmalen. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 reicht es aus, 42 dass eine Person aufgrund eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Durch diesen Auffangtatbestand trägt das Gesetz den Unterschieden in den nationalen Steuerrechtsordnungen Rechnung.16 Wann ein Merkmal „ähnlich“ ist, ergibt sich durch einen Vergleich mit den in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 genannten Anknüpfungspunkten. Ge-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
14 15 16
Vgl. zur Begr. Rz. 30; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 37. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 14. Vgl. Buciek Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 15. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 3.4.2008 – I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445. Vgl. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 15 m.w.N. Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. Vgl. BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175 (178); v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. Vgl. RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 1938, 949. BFH v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353. BFH v. 7.12.1994 – 1 K 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; vgl. im Einzelnen auch Buciek Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 27. § 12 Satz 2 AO verwendet nur im Hinblick auf die Stätte der Geschäftsleitung den Singular. Vgl. BFH v. 16.3.1994 – 1 B 171/93, BFH/NV 1994, 770; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; a.A. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128. Vgl. Buciek in Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 29. Buciek in Beermann/Gosch, § 10 AO Rz. 29. Vgl. Mensching, IStR 2008, 687.
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Art. 4 Rz. 42–45
Ansässige Person
meinsam ist dem Wohnsitz, dem ständigen Aufenthalt und der Geschäftsleitung zweierlei: Zum einen handelt es sich bei ihnen um ortsbezogene Merkmale, zum anderen bilden sie die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens (vgl. § 1 Abs. 1 EStG bzw. § 1 Abs. 1 KStG).1 Ein Merkmal ist daher ähnlich, wenn es sowohl einen örtlichen Bezug hat als auch die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens bildet.2 Abweichend hiervon, soll nach Ansicht von Lehner3 eine Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip nicht zwingend erforderlich sein. Ausreichend sei vielmehr eine Inländerbesteuerung – im Sinne der umfassendsten Art der Besteuerung nach dem Recht des jeweiligen Staates. Der Ausdruck „ähnliches Merkmal“ hat danach – abhängig vom Recht des potentiellen Ansässigkeitsstaates – jeweils eine unterschiedliche Bedeutung. Noch weitergehender soll nach Ansicht von Couzin4 jedes ortsbezogene (persönliche) Merkmal als „ähnliches Merkmal“ zu werten sein.5 Gegen beide Ansichten spricht jedoch Art. 4 Rz. 8 OECD-MK, nach dem nur Merkmale, die die Grundlage für eine umfassende Besteuerung bilden, zu den ähnlichen Merkmalen zählen.6 bb) Einzelne Merkmale 43
Sitz. Unterliegt eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse aufgrund ihres Sitzes in einem der Vertragsstaaten der unbeschränkten Steuerpflicht, ist fraglich, ob sie dort auch ansässig ist. Sofern der Sitzstaat ortsbezogene Anforderungen an den statuarischen Sitz stellt (vgl. z.B. § 4a Abs. 2 GmbHG), ist dies zu bejahen.7 Ist Deutschland der Anwenderstaat ist die Begriffsbestimmung des § 11 AO entscheidend.8 Der Sitz befindet sich danach an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.
44
Erweitert unbeschränkte Steuerpflicht. Ist ein Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 2 EStG erweitert unbeschränkt steuerpflichtig, ist er gleichzeitig auch in Deutschland ansässig.9 Bei den in § 1 Abs. 2 EStG genannten Voraussetzungen handelt es sich (zumindest teilweise) um ortsbezogene Merkmale, die anders als § 1 Abs. 3 EStG zu einer Besteuerung des Welteinkommens führen (vgl. Rz. 45).
45
Unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag. Nach § 1 Abs. 3 EStG wird eine Person, die nicht unter § 1 Abs. 1 EStG fällt, unter den genannten Voraussetzungen auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Die Ansässigkeit im abkommensrechtlichen Sinne geht damit jedoch nicht einher.10 Anders als bei der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG unterliegt nach § 1 Abs. 3 EStG nicht das Welteinkommen, sondern nur das inländische Einkommen der unbeschränkten Steuerpflicht. Ausreichend ist auch nicht, dass eine unbeschränkte Steuerpflicht durch § 1 Abs. 3 EStG fingiert wird.11 Ein „ähnliches“ Merkmal liegt daher nicht vor. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn mangels ausländischer Einkünfte das inländische Einkommen des Steuerpflichtigen dem Welteinkommen entspricht.
1 Statt vieler Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 29. 2 Vgl. auch FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz. 3 Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 77. 4 Couzin, Corporate Residence and international Taxation, 150 ff. 5 So im Ergebnis auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95). 6 Im Hinblick auf Staaten, die ein Welteinkommensprinzip nicht kennen, sind hingegen Ausnahmen angezeigt (vgl. insoweit Rz. 57). 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 41a; ohne weitere Differenzierung hingegen Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 76; a.A. z.B. Brood, Dual residence of companies, Intertax 1990, 22 (27) mit der Begründung, dass es sich beim Sitz um kein ortsbezogenes Merkmal handele. 8 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 31. 9 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 78. 10 Allgemeine Meinung, vgl. Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 20. 11 Vgl. Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (93 ff.).
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B. Eine in einem Vertragsstaat ansässige Person (Absatz 1)
Rz. 46–51 Art. 4
Staatsangehörigkeit. Die Staatsangehörigkeit ist kein ähnliches Merkmal i.S.d. 46 Art. 4 Abs. 1 Satz 1.1 Selbst wenn die Staatsangehörigkeit nach der jeweiligen Steuerrechtsordnung die Grundlage für die unbeschränkte Steuerpflicht bildet, handelt es sich bei ihr um kein ortsbezogenes Merkmal.2 Beschränkte Steuerpflicht. Ist eine Person in einem Vertragsstaat nur beschränkt 47 steuerpflichtig, d.h. unterliegt sie dort nur mit inländischen Quellen der dortigen Steuerpflicht (vgl. beispielsweise § 1 Abs. 4 EStG), führt dies nicht zur Ansässigkeit in diesem Staat.3 Denn ein ähnliches Merkmal muss stets die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens bilden. Entsprechendes folgt aus Art. 4 Abs. 1 Satz 2 (vgl. Rz. 55). Erweitert beschränkte Steuerpflicht. Verzieht eine Person in ein „Niedrigsteuer- 48 land“ so ist sie unter den Voraussetzungen des § 2 AStG in Deutschland erweitert beschränkt steuerpflichtig. Ihre Einkünfte, die bei unbeschränkter Steuerpflicht keine ausländischen Einkünfte i.S.d. § 34d EStG sind, unterliegen weiterhin der deutschen Steuerpflicht. Die Ansässigkeit der Person wird dadurch jedoch nicht begründet, da anders als bei der unbeschränkten Steuerpflicht nicht ihr Welteinkommen in Deutschland steuerpflichtig ist.4 Betriebsstätte und Gewerbesteuer. Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende 49 Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Im Inland betrieben wird ein gewerbliches Unternehmen u.a. dann, wenn für es im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Betriebsstätte im Inland bildet somit die Grundlage für die Gewerbesteuer. Dennoch handelt es sich bei ihr um kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1, da die Betriebsstätte auch gewerbesteuerlich nicht die Grundlage für eine Besteuerung des Welteinkommens bildet.5 Gründung nach der Rechtsordnung eines Staates. Die Gründung bzw. Errichtung nach der Rechtordnung eines Staates begründet in Deutschland keine Steuerpflicht. Sofern dies in einem ausländischen Staat anders sein sollte, handelt es sich bei ihr dennoch – mangels eines örtlichen Bezugs – um kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1.6
50
4. Verknüpfung der Steuerpflicht mit den Ansässigkeitsmerkmalen „Auf Grund“. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 muss die Steuerpflicht auf Grund eines 51 Wohnsitzes, eines ständigen Aufenthaltes, eines Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals erfolgen.7 Die Merkmale müssen folglich kausal für die Steuerpflicht im jeweiligen potentiellen Ansässigkeitsstaat sein. Es reicht daher nicht aus, dass die (unbeschränkte) Steuerpflicht rein zufällig mit den Merkmalen zusammentrifft. Besonders sorgfältig ist diese Voraussetzung bei Staaten zu prüfen, die nicht dem Welteinkommensprinzip folgen, sondern sowohl Inländer als auch Ausländer allein nach dem Territorialitätsprinzip besteuern. Hat eine Person in einem ausländischen Staat einen Wohnsitz, wird sie dort jedoch allein aufgrund der dort erzielten inländischen Einkünfte besteuert (Territorialitätsprinzip), so liegt keine Steuerpflicht „auf Grund ihres Wohnsitzes“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 vor.8
1 A.A. (ohne nähere Begründung) Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 215. 2 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.172. 3 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz. 4 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 3 OECD-MA Rz. 32. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 46. 6 Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 75. 7 Vgl. auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (93). 8 So auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (107).
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Art. 4 Rz. 52–57
Ansässige Person
5. Der Staat und seine Gebietskörperschaften als ansässige Personen 52
Einführung. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 umfasst der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Diese Regelung wurde im Rahmen der Teilrevision in das OECD-MA 1995 aufgenommen und hat nach Art. 4 Rz. 8.1 OECD-MK lediglich klarstellenden Charakter.1
53
Anwendungsbereich. Ist der Staat bzw. eine Gebietskörperschaft bereits aufgrund seiner Geschäftsleitung bzw. eines Sitzes im Inland unbeschränkt steuerpflichtig (vgl. z.B. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG), so liegt die Ansässigkeit bereits nach allgemeinen Grundsätzen vor. Handelt es sich hingegen um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die (z.B. nach § 2 KStG) nur beschränkt steuerpflichtig ist, so liegen die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 häufig weder in dem einen noch in dem anderen Vertragsstaat vor.2 Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 schließt diese Lücke. Deklaratorisch ist die Vorschrift daher – in Abweichung zu Art. 4 Rz. 8.1. OECD-MK – insoweit nicht. Beispiel: Die Kommune des Staat X erzielt in Deutschland Zinseinkünfte. Insoweit ist sie nur in Deutschland (beschränkt) steuerpflichtig nach § 2 Nr. 2 KStG. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 gilt die Kommune dennoch als im Staat X ansässig.
54
Staat und Gebietskörperschaften. Zum Staat und seinen Gebietskörperschaften zählen alle öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften (z.B. Bund, Länder, Kantone, Landkreise, Städte, Gemeinden, Regionen, Gemeindeverbände).
III. Quellensteuerrecht (Absatz 1 Satz 2) 55
Allgemeines. Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 sind Personen in einem Vertragsstaat nicht ansässig, wenn sie dort nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig sind. Die Regelung wurde erst 1977 in das OECD-MA übernommen. Ob sie einen einschränkenden Regelungscharakter hat, oder lediglich deklaratorisch wirkt, wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Rz. 56 ff.).
56
Abstrakte Steuerpflicht. Trotz des insoweit mehrdeutigen Wortlauts ist für Art. 4 Abs. 1 Satz 2 nicht entscheidend, ob der Steuerpflichtige im konkreten Einzelfall nur mit Quellen aus dem Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig ist. Entscheidend ist die abstrakte Steuerpflicht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Norm. Ist ein Steuerpflichtiger in Deutschland gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, so ist er dort auch dann ansässig, wenn er im Veranlagungszeitraum nur Einkünfte aus Quellen in Deutschland erzielt hat.
57
Territorialitätsprinzip. Ist der Steuerpflichtige in einem Staat nur mit dort belegenen Quellen (beschränkt) steuerpflichtig, so ist er in diesem Staat gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 nicht ansässig. Die Vorschrift wirkt insoweit allerdings nur deklaratorisch, da sich dieses Ergebnis bereits aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ableiten lässt (vgl. Rz. 42). Nach Art. 4 Rz. 8 OECD-MK bezieht sich Art. 4 Abs. 1 Satz 2 hingegen nicht auf Personen, die in bestimmten Staaten auch bei Ansässigkeit im Inland nur nach dem Territorialitätsprinzip besteuert werden. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 ist insoweit teleologisch zu reduzieren, da andernfalls eine Ansässigkeit in diesen Staaten nicht mehr möglich wäre und Abkommensnormen wie Art. 10 ohne Anwendungsbereich blieben.3 Einen eigenständigen Anwendungsbereich hat Art. 4 Abs. 1 Satz 2 allerdings im Hinblick auf Diplomaten und Konsularbeamte.4 Dürfen diese Personen trotz ihres Wohnsitzes oder
1 So auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (93). 2 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 7. 3 Zu Letzterem vgl. Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (106). 4 Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 82; wohl auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (100 ff.).
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 57–59 Art. 4
ständigen Aufenthalts nur mit inländischen Quellen im Tätigkeitsstaat besteuert werden (vgl. Art. 34 WÜD; Art. 49 WÜK),1 ist ausgehend von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 ihre Ansässigkeit dort zu verneinen. Einschränkung nach einem DBA. Umstritten ist, ob Art. 4 Abs. 1 Satz 2 auch dann 58 anzuwenden ist, wenn sich die Beschränkung des Besteuerungsrechts erst aus einem DBA (mit einem Drittstaat) ergibt.2 Nach Art. 4 Rz. 8.2 OECD-MK schließt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Gesellschaften und Personen von der Ansässigkeit aus, die in einem Vertragsstaat keiner umfassenden Besteuerung unterliegen, weil sie, obwohl sie dort nach dem Recht dieses Staates ansässig sind, nach einem Abkommen zwischen diesem und einem anderen Staat als in dem anderen Staat ansässig gelten. Beispiel: Der Steuerpflichtige S unterhält sowohl im Staat X als auch im Staat Y eine Wohnung. Einkünfte erzielt er zudem im Staat Z. Gilt S nach dem DBA X-Y als im Staat Y (allein) ansässig, so kann er nach Ansicht der OECD auch nach dem DBA X-Z nicht als im Staat X ansässig gelten.
Diese Ansicht ist abzulehnen.3 Sie vernachlässigt, dass es für die Ansässigkeit in einem Staat abstrakt darauf ankommt, ob das Welteinkommen der Person der Steuerpflicht unterliegt.4 Ob im konkreten Einzelfall aufgrund eines DBA nur ein Quellensteuerrecht verbleibt, ist hingegen unerheblich. Andernfalls wäre man stets gezwungen, sämtliche von einem Vertragsstaat abgeschlossene DBA in die Prüfung der Ansässigkeit einzubeziehen.5
C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2) Ausgewählte Literatur: Beiser, Doppelwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im zwischenstaatlichen Steuerrecht, ÖStZ 1989, 241; Debatin, Der doppelte Wohnsitz im internationalen Steuerrecht, AWD 1966, 313; Decker, Überdachende Besteuerung und „Abwanderregelung“ im DBA-Schweiz, PIStB 2003, 273; Fölhs, Der gewöhnliche Aufenthalt als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 177; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Lechner, Wohnsitz, ständige Wohnstätte und Mittelpunkt der Lebensinteressen, in Gassner/Lang, Hrsg., Besteuerung und Bilanzierung internationale tätiger Unternehmen, Wien 1998, 251; Lederer, Doppelter Wohnsitz natürlicher Personen im internationalen Steuerrecht – zur Auslegung und Anwendung von Art. 4 Abs. 2 OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung 1966 und 1977, RIW 1981, 463; Mamut, Die ständige Wohnstätte als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/ Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 139; Milatz/Weist, Der „doppelte“ Wohnsitz am Beispiel des DBA-Schweiz, IWB 2011, 408; Raupach, Steuerliche Folgen der Doppelansässigkeit, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der internationalen Besteuerung, Köln 1996; Stürzlinger, Der Mittelpunkt der Lebensinteressen als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33.
I. Regelungszweck Beseitigung doppelter Ansässigkeit. Da bei der Anwendung eines DBA regelmäßig 59 zwischen dem Ansässigkeits- und dem Quellenstaat zu unterscheiden ist, ist eine Regelung für den Fall erforderlich, dass eine (natürliche) Person in beiden Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 1 ansässig ist.6 Eine solche „tie-breaker“-Regelung findet sich in 1 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht3, Rz. 103. 2 Vgl. Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (103 f.) m.w.N. 3 Van Raad, Intertax 1988, 243 ff.; Van Raad, ET 1990, 29; Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 103 ff. 4 Ein Widerspruch zur Rechtslage der Diplomaten und Konsularbeamten (vgl. Rz. 42) ergibt sich dadurch nicht (vgl. auch Schlager in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 87 (95)). 5 So zutreffend Kroschweski in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. 6 Vgl. Haase, IStR und Europäisches Steuerrecht3, Rz. 603; zum Problem der mehrfachen Ansässigkeit vgl. auch Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 20 ff.
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Art. 4 Rz. 59–62
Ansässige Person
Bezug auf natürliche Personen in Art. 4 Abs. 2. Danach gilt eine Person nur in dem Vertragsstaat als ansässig, zu dem sie, ausgehend von den in Abs. 2 beschriebenen Kriterien, den stärkeren Bezug aufweist (vgl. auch Art. 4 Rz. 10 OECD-MK). Aus diesem Regelungsziel folgt zugleich, dass die einzelnen Kriterien tendenziell eng auszulegen sind, da andernfalls eine eindeutige Ansässigkeitsbestimmung häufig nicht möglich ist.1 60
Prüfungsreihenfolge. Art. 4 Abs. 2 gibt nicht nur die Kriterien für eine Festlegung der Ansässigkeit vor, sondern legt in den Buchst. a bis d auch die Reihenfolge ihrer Berücksichtigung fest. Insgesamt ergibt sich danach folgendes Prüfungsschema: Steuerpflicht nach Art. 4 Abs. 1
in nur einem Staat
nicht nur in einem Staat Vfg. über ständige Wohnstätte (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a) in keinem Staat
in nur einem Staat
in beiden Staaten
Mittelpunkt der Lebensinteressen (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a)
in einem Staat
nicht bestimmbar Gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. b)
in nur einem Staat
nicht (nur) in einem Staat Staatsangehörigkeit (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c)
in nur einem Staat
nicht (nur) in einem Staat Gegenseitiges Einvernehmen (Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) Staat der Ansässigkeit
II. Verfügen über eine ständige Wohnstätte (Buchst. a Halbs. 1) 1. Allgemeines 61
Bedeutung. Die ständige Wohnstätte ist das erste und damit auch das bedeutendste „tie-breaker“-Kriterium.2 Ist eine Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, gilt sie nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a nur in dem Staat als ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Erst wenn eine ständige Wohnstätte nicht oder in beiden Vertragsstaaten gleichzeitig vorhanden ist, kann auf die anderen in Art. 4 Abs. 2 genannten Kriterien zurückgegriffen werden.
62
Abkommensautonome Auslegung. Der Ausdruck „verfügen über eine ständige Wohnstätte“ wird im OECD-MA nicht ausdrücklich definiert. Er ist daher abkommensautonom auszulegen.3 Eine Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 ist nicht möglich, da das 1 So zutreffend Kaminsiki in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 37. 2 Vgl. auch Art. 4 Rz. 11 OECD-MK: „Dieses Merkmal wird häufig genügen, um den Konflikt zu lösen […]“. 3 Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 8; Huemer, Unbeschränkte Steuerpflicht, 120; Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (143); Milatz/Weist, IWB 2011, 408 (411); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55.
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 62–66 Art. 4
innerstaatliche Steuerrecht die Ausdrücke „ständige Wohnstätte“ und „verfügt“ weder definiert noch ihnen eine eigenständige Bedeutung beimisst.1 Abgrenzung zum Begriff des Wohnsitzes i.S.d. Art. 4 Abs. 1. Bei einer ständigen 63 Wohnstätte handelt es sich um einen qualifizierten Wohnsitz.2 Für einen Wohnsitz i.S.d. Art. 4 Abs. 1 ist bereits ausreichend, dass die zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten nur von Fall zu Fall genutzt werden.3 Um eine ständige Wohnstätte in einem Staat zu begründen, müssen die Umstände hingegen für eine regelmäßige Nutzung der Wohnung sprechen (vgl. im Einzelnen Rz. 70). Abgrenzung zum Begriff des Wohnsitzes i.S.d. § 8 AO. Aus deutscher Sicht ist der 64 Begriff „Wohnsitz“ i.S.d. § 8 AO mit dem des Art. 4 Abs. 1 identisch (vgl. Rz. 66). Die Ausführungen unter Rz. 63 gelten daher entsprechend. Abgrenzung zum Begriff „Wohnsitz“ i.S.d. §§ 7 ff. BGB. Nach § 7 Abs. 1 BGB be- 65 gründet derjenige, der sich an einem Ort ständig niederlässt, an diesem Ort einen Wohnsitz. Im Unterschied zur Begründung einer ständigen Wohnstätte ist hierfür ein Domizilwille erforderlich.4 Der Betroffene muss den rechtsgeschäftlichen Willen haben, den Ort ständig zum Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse zu machen (vgl. auch § 8 BGB).5 Umgekehrt wird ein Wohnsitz i.S.d. §§ 7 ff. BGB beendet, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (§ 7 Abs. 3 BGB). Eine ständige Wohnstätte setzt hingegen keinen entsprechenden Willen voraus.6 Erforderlich ist vielmehr, dass die Umstände ergeben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung regelmäßig benutzen und beibehalten will (vgl. Rz. 70). 2. Wohnstätte Alle zum Wohnen geeigneten Räumlichkeiten. Was unter einer Wohnstätte zu ver- 66 stehen ist, ist umstritten. Zum Teil wird unter einer Wohnstätte i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Ort verstanden, an dem jemand mit seiner Familie lebt oder wo er sonst enge persönliche Bindungen hat.7 Hierfür lässt sich die Verwendung des Begriffs in den Originalsprachen des Abkommens anführen. Die Begriffe home im Englischen und foyer im Französischen Text unterstreichen auf plakative Weise die persönliche Bindung an die Wohngelegenheit.8 Gegen dieses Verständnis spricht allerdings die historische Entwicklung der Norm. Zu Beginn der Verhandlungen der OEEC für das erste Musterabkommen wurde die ständige Wohnstätte noch als der Mittelpunkt der Lebensinteressen definiert.9 Im darauf folgenden Bericht der Working Party 2 des Fiscal Committee, die sich mit dem Konzept der Ansässigkeit für Zwecke des Musterabkommens beschäftigte, war man von der Gleichsetzung der ständigen Wohnstätte mit dem Mittelpunkt bereits wieder abgegangen und verwendete für die Identifikation des Ansässigkeitsstaates die noch heute bestehende Formulierung.10 Hieraus ist abzuleiten, dass die ständige Wohnstätte nicht mit engen persönlichen Beziehungen einhergehen muss. Das separat zu prüfende „tie-breaker“-Kriterium „Mittelpunkt
1 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. 2 Vgl. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. 3 Vgl. BFH v. 24.1.2001 – I R 100/09, BFH/NV 2001, 1402; v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. Vgl. im Übrigen Rz. 31 ff. 4 Vgl. auch Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466). 5 Heinrichs in Palandt71, § 7 BGB Rz. 7. 6 Vgl. Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466). 7 Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466); Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (147); Huemer, Unbeschränkte Steuerpflicht, 124 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55 f. 8 Vgl. Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (147). 9 „[…] the right to tax shall belong: in the case of a physical person, tot he country in wich he has his permanent home, that ist to say, the centre of his vital interests, or, in other words, the place with which his personal ties are closest.“ (FC/WP2 (57)1, 2, Art. II (1)). 10 Vgl. im Einzelnen Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (146).
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Art. 4 Rz. 66–68
Ansässige Person
der Lebensinteressen“ bliebe andernfalls auch weitestgehend bedeutungslos.1 Im Grundsatz ist daher der Rechtsprechung zu folgen, die unter einer Wohnstätte bereits alle Räumlichkeiten versteht, die nach Art und Einrichtung zum Wohnen geeignet sind.2 Dies können nach Art. 4 Rz. 13 OECD-MK nicht nur Häuser und Wohnungen, sondern beispielsweise auch möblierte Zimmer sein.3 Die vom BFH früher vertretene Ansicht, nach der eine Wohnstätte grundsätzlich nur anzunehmen ist, wenn die Wohnung nach Größe und Ausstattung ein den Lebensverhältnissen des Steuerpflichtigen entsprechendes Heim biete,4 ist durch diese gegenteilige Klarstellung überholt.5 Ob die Räumlichkeiten im Eigentum der Person stehen oder von ihr nur angemietet oder mitbenutzt wurden, ist unerheblich.6 Geht man – wie der BFH7 – davon aus, dass es sich bei der ständigen Wohnstätte um einen qualifizierten Wohnsitz handelt,8 wird man zusätzlich auch die weiteren Voraussetzungen des Wohnsitzbegriffs nach § 8 AO für Art. 4 Abs. 2 Buchst. a verlangen müssen.9 Dafür spricht auch, dass ein inhaltlicher Unterschied zwischen einem Wohnsitz und einer Wohnstätte ausgeschlossen erscheint.10 Für eine Wohnstätte ist daher ergänzend zu verlangen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehat und Umstände dafür sprechen, dass er sie beibehalten und benutzen wird (hierzu im Einzelnen Rz. 34). 3. „Ständige“ Wohnstätte 67
Bezugspunkt der Ständigkeit. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Wohnstätte „ständig“ ist. Umstritten ist, welchen Bezugspunkt dieser Begriff hat. Zum Teil wird vertreten, das Wort „ständig“ beziehe sich (nur) auf das „Verfügen“.11 Voraussetzung wäre dann, dass der Steuerpflichtige ständig bzw. immer über die Wohnstätte verfügen kann. Gegen diese Ansicht lässt sich der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a anführen, der von einer „ständigen Wohnstätte“ und nicht von einem „ständigen Verfügen“ spricht. Zutreffend ist aus diesem Grund die Ansicht der Rspr.,12 nach der der Bezugspunkt der „Ständigkeit“ die Wohnstätte bzw. die Nutzung der Wohnstätte ist.13 Allerdings wird man eine ständige Nutzung regelmäßig nur dann annehmen können, wenn der Steuerpflichtige zur gleichen Zeit auch über die Wohnstätte verfügt. Damit muss letztlich auch das Verfügen ständig sein.14
68
Befristung der Nutzung. Zum Teil wird vertreten, dass eine „ständige“ Wohnstätte dann nicht vorliegt, wenn die Nutzung der Wohnung zeitlich befristet ist.15 Der Be1 So wohl auch BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. 2 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. 3 Zustimmend BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; offen im Hinblick auf ein Hotelzimmer BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 4 Vgl. BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133. 5 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55. 7 BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812. 8 Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 90. 9 So bereits BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133: „Unter „ständiger“ Wohnstätte ist demnach ein Wohnsitz zu verstehen, […]“; Kruse in T/K, § 8 AO Rz. 20a; anders aber wohl Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466) der von einer Identität der Begriffe „Wohnung“ und „Wohnstätte“ ausgeht. 10 A.A. allerdings noch BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207 wegen des unterschiedlichen Wortlauts. 11 Vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 90; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECDMA Rz. 55; in diesem Sinne wohl auch Art. 4 Rz. 13 OECD-MK: „dies erfordert Vorkehrungen der natürlichen Person dafür, dass ihr die Wohnung jederzeit ständig zur Verfügung steht […]“. 12 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. 13 So auch Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 181. 14 So wohl auch Art. 4 Rz. 13 OECD-MK. 15 Eine solche Befristung soll i.d.R. dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige sich in einem Staat nur zu einem bestimmten, in einer begrenzten Zeit erreichbaren Zweck aufhält (vgl. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 90).
292
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 68–70 Art. 4
griff der „Ständigkeit“ soll den Gegenbegriff zum Begriff der „Befristung“ bilden.1 Dem ist nicht zu folgen, da letztlich jede Nutzung von Natur aus befristet ist. Ist der Steuerpflichtige beispielsweise für sieben Jahre im Ausland tätig, ist die Nutzung der Wohnung ebenfalls befristet. Dies dürfte aber dem Charakter der im Ausland bezogenen Wohnung als ständige Wohnstätte grundsätzlich nicht entgegenstehen. Eine andere Frage ist allerdings, ob ein bestimmter Mindestzeitraum der Nutzung zu fordern ist (hierzu Rz. 69). Vorliegen eines Mindestzeitraums. Für den Begriff des Wohnsitzes (i.S.d. § 8 AO) 69 kommt es darauf an, dass die Umstände ergeben, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Diese Voraussetzung beinhaltet ein Zeitmoment. Die Wohnungsnahme darf nicht kurzfristig und vorübergehend angelegt sein.2 Zur Bestimmung des Zeitmoments greift die Rechtsprechung auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurück. Ergeben die Umstände, dass der Steuerpflichtige die Wohnung nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beibehalten und benutzen wird, liegt aus diesem Grund kein Wohnsitz vor.3 Da nach zutreffender Ansicht des BFH die ständige Wohnstätte ein qualifizierter Wohnsitz ist (vgl. Rz. 63), sind diese Grundsätze auch im Rahmen des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a zu beachten. In diesem Sinne hat auch der BFH entschieden, dass bei Überschreitung eines Zeitraums von sechs Monaten ein bisher vorübergehender Zustand zu einem gewöhnlichen und damit ständigen wird.4 Aus dem Begriff „Ständigkeit“ ergeben sich aber keine höheren Anforderungen. Abweichend hiervon hat das FG Köln5 mit Blick auf den Rechtsgedanken des Art. 5 Abs. 3 einen Mindestzeitraum von 12 Monaten gefordert. Hiergegen spricht jedoch, dass die Wohnstätte – anders als die Bau- und Montagebetriebsstätte – eine feste Einrichtung ist, die von Natur aus eine stärkere Bindung an den Vertragsstaat begründet.6 Anforderung an die Nutzung. Welche Anforderungen der Begriff „ständig“ an die 70 Nutzung der Wohnung stellt, ist umstritten. Nach Mamut7 und Wassermeyer8 ist eine Nutzung der „ständigen Wohnstätte“ nicht zwingend erforderlich. Die Anforderungen an eine ständige Wohnstätte wären danach geringer als an einen Wohnsitz, was insbesondere dem Sinn und Zweck des „tie-breaker“-Kriteriums widersprechen dürfte.9 Das FG Hamburg10 verlangt demgegenüber eine tatsächliche Nutzung. Auch dadurch wird jedoch der Charakter der ständigen Wohnstätte als qualifizierter Wohnsitz nicht ausreichend berücksichtigt. Nach Wilke11 setzt eine ständige Wohnstätte eine ständige Nutzung der Wohnung voraus.12 Hiergegen spricht jedoch, dass nach Art. 4 Abs. 2 die Person mehrere ständige Wohnstätten haben,13 nicht aber ständig 1 Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466); eine solche Befristung soll i.d.R. dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige sich in einem Staat nur zu einem bestimmten, in einer begrenzten Zeit erreichbaren Zweck aufhält. 2 Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht3, 33. 3 Vgl. BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. 4 Vgl. BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; a.A. (ohne Begründung) BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812: „Das Erfordernis eines zeitlichen Mindestaufenthalts lässt sich jedoch dem Abkommen nicht entnehmen […]“. 5 FG Köln v. 11.8.1982 – VIII 391/79 E, RIW 1983, 383. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 58. 7 Mamut in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 139 (148 ff.). 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 55. 9 Insbesondere in Fällen, in denen der Steuerpflichtige in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz unterhält, würde das erste „tie-breaker“-Kriterium regelmäßig keine Ansässigkeitsbestimmung mehr liefern. 10 FG Hamburg v. 12.6.2008 – 5 K 81/06, EFG 2008, 1558 (rkr.). 11 Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 44. 12 Ähnlich wohl auch Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 42 nach dem die „ständige Wohnstätte“ den Hauptwohnsitz bildet und vom Steuerpflichtigen laufend benutzt werden muss. 13 Vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a Halbs. 2: „verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte […]“.
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Art. 4 Rz. 70–73
Ansässige Person
beide nutzen kann. Der BFH1 hält schließlich eine regelmäßige Nutzung für erforderlich bzw. ausreichend. Dem ist zuzustimmen, da dadurch einerseits die Qualifizierung des Wohnsitzes zum Ausdruck kommt, andererseits aber keine übermäßigen Anforderungen an den Ausdruck „ständige Wohnstätte“ gestellt werden. 71
Regelmäßige Nutzung. Was nach der Rechtsprechung unter einer regelmäßigen Nutzung zu verstehen ist, ist bisher allerdings nicht ausreichend konkretisiert worden.2 In einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 hat der BFH darauf abgestellt, ob die Intensität der Nutzung bei objektiver Betrachtung auf eine Einbindung der Wohnung in das übliche Leben des Steuerpflichtigen hindeutet bzw. die Wohnung als eine in den allgemeinen Lebensrhythmus einbezogene Anlaufstelle des Steuerpflichtigen erscheinen lässt.3 Dies lässt sich regelmäßig nur im Wege einer wertenden Betrachtung feststellen.4 Dient die Wohnung beruflichen oder wirtschaftlichen Zwecken spricht dies nach Ansicht des BFH wesentlich für eine „ständige Wohnstätte“.5 Hilfreich ist auch die weitere Konkretisierung des BFH, nach der eine Wohnung, die an mindestens 50 Tagen gleichmäßig verteilt über das Jahr genutzt wird, als ständige Wohnstätte anzusehen ist.6 Offen ist nach der Rechtsprechung allerdings, wann die Nutzung gleichmäßig verteilt ist. Muss der Steuerpflichtige zwingend jeden Monat oder jede Woche die Wohnung nutzen? Ist es schädlich, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung ein oder zwei Monate im Jahr überhaupt nicht aufsucht?
72
Perspektive des Zeitbezugs. Unklar ist weiterhin, aus welcher Perspektive die regelmäßige Nutzung der Wohnstätte zu beurteilen ist. Entscheidend könnte die Absicht des Steuerpflichtigen sein, die Wohnstätte regelmäßig nutzen zu wollen. Andererseits kann auch aus einer ex post Perspektive danach gefragt werden, ob der Steuerpflichtige tatsächlich die Wohnung regelmäßig genutzt hat.7 Schließlich kann darauf abgestellt werden, ob objektive Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnstätte regelmäßig nutzen wird (ex ante Betrachtung). Der letzten Auslegungsvariante ist zu folgen. Für sie sprechen vor allem die Ausführungen im OECD-MK.8 4. „Verfügen“ über eine ständige Wohnstätte
73
Nutzungsmöglichkeit. Jemand verfügt über eine ständige Wohnstätte, wenn er die Möglichkeit hat, jederzeit die Räumlichkeiten als Wohnstätte zu nutzen.9 Die Nutzungsmöglichkeit kann sich aus einem dinglichen Recht (insbes. dem Eigentum) oder einem schuldrechtlichen Vertrag (z.B. einem Mietvertrag) ergeben. Eine rechtliche Verfügungsmacht ist letztlich aber nicht erforderlich.10 Die Verfügungsmacht kann auch von einer anderen Person abgeleitet sein.11 So verfügen beispielsweise auch Kinder über die Wohnstätte in der sie zusammen mit den Eltern leben.12 Ausreichend ist auch die gemeinschaftliche Nutzungsmöglichkeit. So kann beispielsweise 1 2 3 4 5 6 7 8
9
10
11 12
BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812. Vgl. auch Milatz/Weist, IWB 2011, 408. Vgl. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06. BStBl. II 2007, 812. Milatz/Weist, IWB 2011, 408 (414). Vgl. Heger, in jurisPR-SteuerR 46/2007 Anm. 6. Vgl. BFH v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812. So wohl Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 42. Vgl. Art. 4 Rz. 12 OECD-MK: „[…] es muss sich um eine ständige Wohnstätte handeln, d.h. die natürliche Person muss sie zur dauernden Nutzung bestimmt und beibehalten haben, im Gegensatz zu einem Aufenthalt an einem bestimmten Ort unter Umständen, die eindeutig erkennen lassen, dass der Aufenthalt von kurzer Dauer sein soll.“ So RFH v. 1.3.1934 – VI A 964,965/33, RStBl. 1934, 341; BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 91; ein inhaltlicher Unterschied zum Begriff des „Innehabens“ i.S.d. § 8 AO ergibt sich nicht (so auch Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (466)). RFH v. 1.3.1934 – VI A 964,965/33, RStBl. 1934, 341; BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 60; a.A. (ohne Begründung) BFH v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207. Vgl. im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 61. Vgl. RFH v. 18.3.1931 – VI A 186, 187/31, StuW 1931 Nr. 395.
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 73–76 Art. 4
auch ein Mitglied einer Wohngemeinschaft über die von ihm mitbenutzte Wohnung verfügen.1
III. Mittelpunkt der Lebensinteressen (Buchst. a Halbs. 2) 1. Allgemeines Anwendungsbereich. Auf den Staat, zu dem die Person die engeren persönlichen 74 und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen) kommt es nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a nur dann an, wenn die Person in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte verfügt.2 Hat die Person hingegen in keinem der Vertragsstaaten eine ständige Wohnstätte, ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen unerheblich. Insoweit ist man davon ausgegangen, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einem Staat gelegen ist, in dem der Steuerpflichtige nicht über eine ständige Wohnstätte verfügt.3 Allenfalls im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. d kann diesem Kriterium dann noch Bedeutung zukommen (vgl. Rz. 96 ff.). Abkommensautonome Auslegung. Der Begriff „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ 75 ist abkommensautonom auszulegen, da er im innerstaatlichen Recht keine Entsprechung hat.4 Mittelpunkt liegt stets in einem der Vertragsstaaten. Der Mittelpunkt der Lebens- 76 interessen kann immer nur in einem Vertragsstaat liegen.5 Die folgt bereits aus dem Begriff „Mittelpunkt“. Auf der anderen Seite geht das OECD-MA davon aus, dass die Person einen Mittelpunkt der Lebensinteressen immer in einem der Vertragsstaaten haben muss.6 Dies wiederum lässt sich aus der Formulierung „kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat“ anstelle von „liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen in keinem Staat“ ableiten. Problematisch sind vor diesem Hintergrund die Fälle, in denen der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einem Drittstaat liegt. Beispiel: A lebt mit seiner Familie in London. Daneben gehören ihm Wohnungen in Berlin und Amsterdam, die er regelmäßig nutzt (jeweils ca. 5 Tage im Monat), wenn er dort geschäftlich zu tun hat. A hat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in London. Geht man davon aus, dass A sowohl in Berlin als auch in Amsterdam über ständige Wohnstätten verfügt, so stellt sich im Hinblick auf das DBA Deutschland-Niederlande die Frage, ob und in welchem der zuletzt genannten Staaten A den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat.
Angewendet werden könnte in diesen Konstellationen von vornherein Art. 4 Abs. 2 Buchst. b. Die Voraussetzungen der Norm liegen allerdings nicht vor. Der Staat, in dem die Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat, kann grundsätzlich bestimmt werden (im Beispiel: London). Überzeugender ist es daher, für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ein relatives Übergewicht der Beziehungen zu einem Vertragsstaat vorauszusetzen.7 Der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu einem Vertragsstaat kann auch dann bestimmt werden, wenn noch engere persönliche und wirtschaftliche Beziehungen zu einem dritten Staat bestehen. Für diese Lösung spricht zunächst der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, der von den
1 Vgl. Musil in H/H/Sp, § 8 AO Rz. 29 zum Begriff des Innehabens i.S.d. § 8 AO. 2 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 190; missverständlich hingegen der OECD-MK (Art. 4 Rz. 15), der aus der Beibehaltung einer Wohnstätte Rückschlüsse auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen ziehen will. 3 Lederer, RIW/AWD 1981, 463 (467). 4 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 45. 5 Exel, ecolex 2006, 188 (190); Huemer, Die unbeschränkte Steuerpflicht, 134. 6 A.A. (ohne nähere Begründung) Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172), die davon ausgeht, dass eine Person keinen Mittelpunkt der Lebensinteressen haben kann. 7 So auch Beiser, ÖStZ 1989, 245; Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172 ff.).
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Art. 4 Rz. 76–77
Ansässige Person
„engeren“ und nicht von den „engsten“ Beziehungen spricht.1 Daneben erläutert Art. 4 Rz. 15 OECD-MK, dass festgestellt werden muss, zu welchem der beiden Staaten die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Letztlich spricht auch der Sinn und Zweck der Norm für eine „relative“ Prüfung. Art. 4 Abs. 2 dient dazu, einen der beiden Vertragsstaaten als Ansässigkeitsstaat zu identifizieren. Vor diesem Hintergrund erscheint es abwegig, die Anwendung des „tiebreaker“-Kriteriums daran scheitern zu lassen, dass in einem Drittstaat die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. 2. Persönliche und wirtschaftliche Beziehungen 77
Persönliche Beziehungen. Das Innehaben von persönlichen Beziehungen ist nur an objektiven Kriterien zu messen.2 Die subjektiven Absichten und Erklärungen einer Person sind grundsätzlich unbeachtlich. Persönliche Beziehungen umfassen die gesamte private Lebensführung.3 Dazu gehören u.a. die folgenden Beziehungen:4 – Familiäre Beziehungen; – gesellschaftliche Beziehungen; – politische Beziehungen; – religiöse Beziehungen; – soziale Beziehungen. – kulturelle Beziehungen. Zu den familiären Beziehungen rechnen in erster Linie die Beziehungen zum Ehepartner, zu einem nicht ehelichen Lebenspartner5 und den Kindern. Der Wohnort der Kinder kann auch dann berücksichtigt werden, wenn diese bereits volljährig sind.6 Daneben ist auf den Aufenthaltsort der Eltern zur Bestimmung der engeren familiären Beziehungen abzustellen.7 Zu den gesellschaftlichen Beziehungen zählen beispielsweise die Mitgliedschaft in einem Verein, die Ausübung sportlicher Aktivitäten und anderer Hobbys.8 Für die anderen oben genannten Beziehungen können beispielsweise die Mitgliedschaft sowie die aktive Mitarbeit in einer Partei (politische Beziehungen) bzw. Religionsgemeinschaft (religiöse Beziehungen), die ehrenamtliche Tätigkeit in einem Verband (soziale Beziehungen) bzw. das Mitwirken in einer Theatergruppe (kulturelle Beziehungen) entscheidend sein. Daneben kann die Ausübung eines Berufes, wenn diese für die Person nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung ist, zu den persönlichen Beziehungen zählen.9 Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Steuerpflichtige seinen Beruf mit Leidenschaft ausübt und „für seine Arbeit lebt.“10 Als Indiz ist hierfür beispielsweise die Höhe der geleisteten (unbezahlten) Überstunden zu wer1 Zur Analyse der englischen und französischen Fassung des OECD-MA insoweit vgl. Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (173 f.). 2 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 3 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 4 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 5 So auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (165 f.). 6 FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904; a.A. (ohne nähere Begründung) Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (165), nach der der Wohnort volljähriger Kinder für die engsten persönlichen Beziehungen der Eltern meist keine große Rolle mehr spielen wird. Eine Ausnahme wird bei studierenden Kindern bis zum Abschluss des Studiums zugelassen. 7 FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904. 8 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (166). 9 Vgl. (österreichischer) VwGH v. 25.2.1970, 1001/69 (zu einem dem Art. 4 Abs. 2 vergleichbaren Abkommensartikel); aber auch in diesem Fall kann man die Ausübung des Berufs gleichzeitig zu den wirtschaftlichen Beziehungen rechnen (so auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167)). 10 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167).
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 77–79 Art. 4
ten.1 Innerhalb der genannten Kriterien mag der familiären Bindung eine herausragende Bedeutung zukommen.2 Eine feste Rangfolge existiert jedoch nicht, so dass auch insoweit zu gewichten ist, zu welchem Staat die intensiveren persönlichen Beziehungen bestehen. Entscheidend sind hierfür wiederum die Verhältnisse des Einzelfalls. So konnte beispielsweise der Court Administrtive d’Appel des Paris3 in einem Klageverfahren, in dem die Familie in Frankreich, der Steuerpflichtige jedoch den Großteil des Jahres in einem afrikanischen Staat lebte, nicht klären, zu welchem der beiden Staaten die engeren persönlichen Beziehungen bestanden. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 hat der Tax Court of Canada4 den Mittelpunkt der Lebensinteressen sogar in Malaysia angenommen, obwohl die Familie des Steuerpflichtigen in Kanada lebte. Wirtschaftliche Beziehungen. Auch das Innehaben von wirtschaftlichen Beziehun- 78 gen ist nur an objektiven Kriterien zu messen. Wirtschaftliche Beziehungen bestehen vor allem zu örtlich gebundenen Tätigkeiten, Einnahmequellen und Vermögensgegenständen.5 Arbeitet eine Person in einem Vertragsstaat wird hierdurch beispielsweise eine wirtschaftliche Beziehung begründet. In den sonstigen Fällen dürfte auch entscheidend sein, inwieweit die Einkunftsquelle oder die Vermögensverwaltung eine Anwesenheit der Person im Inland erforderlich macht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Belegenheit des Vermögens isoliert betrachtet für die Frage der engeren wirtschaftlichen Beziehungen unbeachtlich ist.6 Daneben dürfte auch der Höhe der in einem Staat erzielten Einkünfte Bedeutung bei der Bestimmung der engeren wirtschaftlichen Beziehungen zukommen.7 Innerhalb der genannten Kriterien besteht keine feste Rangfolge, so dass auch insoweit zu gewichten ist, zu welchem Staat die intensiveren wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Entscheidend sind hierfür wiederum die Verhältnisse des Einzelfalls. Gewichtung persönlicher und wirtschaftlicher Beziehungen. Der Mittelpunkt der 79 Lebensinteressen liegt in dem Staat, zu dem die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Entscheidend ist, welcher der beiden Orte der bedeutungsvollere ist.8 Es muss eine Abwägung erfolgen.9 Hat die Person die engeren persönlichen Lebensinteressen zu dem einen und die engeren wirtschaftlichen Lebensinteressen zu dem anderen Staat, steht dies der Anwendung des „tie-breaker“-Kriterium – trotz des Ausdrucks „und“ – nicht entgegen.10 In diesen Fällen ist zu gewichten, ob man den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen die entscheidende Bedeutung bei der Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen einräumt.11 Nach Ansicht des österreichischen VwGH12 hat der Steuerpflichtige hingegen stets dort den Mittelpunkt der Lebensinteressen, wo die engeren persönlichen
1 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 68 und Art. 4 Rz. 15 OECD-MK. 3 V. 28.12.1995 – 94PA01491, D.F. 1996, no 11, com 332 (zu einer dem Art. 4 Abs. 2 entsprechenden Norm im DBA Frankreich-Elfenbeinküste). 4 V. 24.5.1997 – T.C.J. No 1025. 5 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 6 A.A. (ohne nähere Begründung) Kaminski/Strunk, IStR 2007, 189 (191); Stürzlinger, in Lang/ Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (167). 7 (Österreichischer) VwGH v. 26.7.2000 – 95/14/0145 (zu einer dem Art. 4 Abs. 2 entsprechenden Abkommensbestimmung); zustimmend auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 169. 8 Vgl. BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133. 9 Vgl. BFH v. v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133. 10 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562; v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.205; Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (169). 11 Vgl. BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; offen hingegen BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 12 Vgl. öVwGH v. 22.32.1991 – 90/13/0073, SWI 2000, 149.
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Art. 4 Rz. 79–81
Ansässige Person
Interessen liegen.1 Diese Interpretation erscheint vor dem historischen Hintergrund des „tie-breaker“-Kriteriums nachvollziehbar.2 Auch in Art. 4 Rz. 15 OECD-MK ist zu lesen, dass „Erwägungen, die sich aus dem persönlichen Verhalten der natürlichen Person ergeben, selbstverständlich erhöhte Bedeutung haben“. Gegen die Ansicht des VwGH spricht jedoch entscheidend, dass das OECD-MA beide Beziehungen gleichberechtigt nebeneinander erwähnt.3 Bestehen zu einem Vertragsstaat die deutlich engeren persönlichen Beziehungen und außerdem noch ins Gewicht fallende wirtschaftliche Beziehungen und zu dem anderen Vertragsstaat praktisch nur gegenwartsbezogene wirtschaftliche Beziehungen, die sich voraussichtlich in der Zukunft abbauen werden, so liegt auch nach (zutreffender) Ansicht des BFH4 der Mittelpunkt der Lebensinteressen eindeutig in dem erstgenannten Staat. 3. Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen 80
Möglichkeit der Verlagerung der Lebensinteressen. Möglich ist es, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen von einem Vertragsstaat in den anderen Vertragsstaat verlagert wird. Einen Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen lehnt der BFH jedoch bei nur vorübergehenden Auslandsaufenthalten zutreffend ab. In einem Urteil aus dem Jahre 19855 hat er entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der von seinem Arbeitgeber an ein spanisches Schwesterunternehmen abgeordnet worden ist und mit seiner Familie für ein Jahr in eine Wohnung in Spanien zieht, dabei aber seine inländische Wohnung beibehält, den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland behält.6 Auch Art. 4 Rz. 15 OECD-MK bestätigt diese Sichtweise: „Begründet eine Person, die in einem Staat über eine Wohnstätte verfügt, ohne diese aufzugeben, im anderen Staat eine zweite Wohnstätte, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte dort beibehält, wo sie bisher stets gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten als Zeichen dafür sprechen, dass diese Person den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat“. Durch die Rechtsprechung nicht abschließend konkretisiert ist allerdings, wann genau ein nur „vorübergehender“ Auslandsaufenthalt vorliegt.7
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Unterjähriger Wechsel. Diskutiert wird auch, ob der Mittelpunkt der Lebensinteressen immer nur für den gesamten Veranlagungszeitraum bestimmt werden kann oder ob ein unterjähriger Wechsel möglich ist.8 Art. 4 Abs. 2 verlangt nicht, dass die Person im gesamten Veranlagungszeitraum nur in einem Vertragsstaat ansässig war. Von daher steht die Norm auch einem unterjährigen Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen nicht entgegen.9 Art. 4 Rz. 10 OECD-MK bestätigt dies. Beispiel: Steuerpflichtiger S gibt am 2.6.2011 seinen Wohnsitz in Deutschland auf und verzieht mit seiner Familie endgültig nach Belgien, wo er fortan auch ausschließlich beruflich tätig ist. Zuvor war er nur in Deutschland beschäftigt. Infolge des Umzugs wird der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einen anderen Vertragsstaat verlagert. S ist somit bis zum 2.6.2011 als in Deutschland und ab dem 3.6.2011 als in Belgien ansässig zu behandeln. 1 Auch nach Art. 4 Rz. 15 OECD-MK haben Erwägungen, die sich aus dem persönlichen Verhalten der natürlichen Person ergeben, selbstverständlich erhöhte Bedeutung. 2 Vgl. hierzu Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (162 ff.). 3 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 49. 4 Vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 5 BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 134. 6 Auch nach Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung kommt es zu keinem Wechsel des Mittelpunktes der Lebensineteressen bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten von weniger als zwei Jahren (vgl. Excel, ecolex 2006, 188 (190)). 7 M.E. ist hier ein Auslandsaufenthalt von einem Jahr als ein noch vorübergehender Auslandsaufenthalt zu werten. 8 Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172). 9 So auch Stürzlinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 157 (172).
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 82–85 Art. 4
IV. Gewöhnlicher Aufenthalt (Buchst. b) 1. Allgemeines Anwendungsbereich. Art. 4 Abs. 2 Buchst. b sieht als subsidiäres Kriterium den 82 gewöhnlichen Aufenthalt für zwei ganz unterschiedliche Fälle vor (s. Art. 4 Rz. 16 OECD-MK): – die natürliche Person verfügt in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte und es kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat; – die Person verfügt in keinem Vertragsstaat über eine ständige Wohnstätte1. Abkommensautonome Auslegung. Der Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist we- 83 der im OECD-MA noch im OECD-MK abschließend definiert. Dennoch ist ein (vollständiger) Rückgriff auf den im nationalen Recht ebenfalls verwendeten Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. § 9 AO) aufgrund einer Reihe von Unterschieden (vgl. Rz. 87) nicht möglich.2 Der Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist aus diesem Grund abkommensautonom auszulegen,3 was allerdings einen Rückgriff auf die Grundsätze des § 9 AO im Einzelfall nicht ausschließt (vgl. z.B. Rz. 90). Abgrenzung zum Ausdruck des „ständigen Aufenthalts“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1. Art. 4 Abs. 1 spricht vom ständigen Aufenthalt. Ausgehend von Art. 3 Abs. 2 ist insoweit die innerstaatliche Bedeutung des Ausdrucks maßgeblich (vgl. Rz. 35). Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist auf § 9 AO zurückzugreifen (vgl. Rz. 35). Dass diese Grundsätze nicht für Art. 4 Abs. 2 Geltung beanspruchen, kommt bereits durch die Verwendung des Begriffs „gewöhnlich“ anstelle von „ständigen“ zum Ausdruck.4 Zum Unterschied zwischen dem gewöhnlichen Aufenthalt nach § 9 AO und Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und c vgl. Rz. 87.
84
Abgrenzung zum Begriff des „Aufenthalts“ i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a. Art. 15 85 Abs. 2 Buchst. a stellt auf den Aufenthalt in einem Vertragsstaat ab. Gemeint ist die körperliche Anwesenheit im Tätigkeitsstaat (vgl. Art. 15 Rz. 93 ff.).5 Anders als nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b zählt ein rein privat veranlasster Aufenthalt im Tätigkeitsstaat, der keinen zeitlichen Bezug zur nichtselbständigen Arbeit im Tätigkeitsstaat hat, jedoch nicht als Aufenthaltstag i.S.d. Art. 15 Abs. 2 Buchst. a.6 Ein Unterschied zwischen Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Art. 15 Abs. 2 Buchst. a ist auch im Hinblick auf die zeitlichen Anforderungen feststellbar. Die zuletzt genannte Norm enthält insoweit konkrete Vorgaben. Hält sich ein unselbständig Tätiger mehr als 183 Tage in einem Zeitraum von zwölf Monaten tatsächlich körperlich im anderen Vertragsstaat auf, so begründet er einen Aufenthalt i.S.d. Art. 15. Ein gewöhnlicher Aufenthalt muss in diesen Fällen jedoch nicht zwingend vorliegen. Ist der Aufenthalt (von 183 Tagen) nicht zeitlich zusammenhängend, liegt insoweit kein gewöhnlicher Aufenthalt vor.7 Umge-
1 Als Beispiel nennt der OECD-MK (Art. 4 Rz. 18) hierfür den Fall, dass eine natürliche Person von Hotel zu Hotel zieht. 2 Vgl. BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15 (im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F.); Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 99; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74; a.A. (noch) BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755 (im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F.); differenzierend Wassermeyer in F/W/K, Art. 4 DBASchweiz Rz. 50 (§ 9 Satz 1 und 2 AO ist anzuwenden) und Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 53 (§ 9 Satz 1 AO ist anzuwenden). 3 Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (183); Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 99; Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 203; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74. 4 I. Erg. auch Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (179). 5 BMF v. 14.9.2006 – IV B 6-S 1300-367/06, BStBl. I 2006, 532 4.2.2; Schmidt in Haase2, Art. 15 OECD-MA Rz. 121. 6 Vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6-S 1300-367/06, BStBl. I 2006, 532 4.2.2. 7 Für den Aufenthalt i.S.d. Art. 15 Abs. 2 muss ein zeitlicher Zusammenhang hingegen nicht vorliegen (vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6-S 1300-367/06, BStBl. I 2006, 532).
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Art. 4 Rz. 85–88
Ansässige Person
kehrt kann ein gewöhnlicher Aufenthalt auch dann vorliegen, wenn der Aufenthalt infolge von (kurzfristigen) Unterbrechungen insgesamt kürzer als 183 Tage war. 86
Abgrenzung zum Begriff des „Aufenthalts“ i.S.d. Art. 20. Abzugrenzen ist der „gewöhnliche Aufenthalt“ auch vom Aufenthalt i.S.d. Art. 20. Letzterer ist ausgehend vom Sinn und Zweck der Norm weit auszulegen (vgl. Art. 20 Rz. 23).1 Jeder körperliche Aufenthalt des Studenten, Praktikanten oder Lehrlings, welcher der ordentlichen Durchführung des Studiums oder der Ausbildung ausreichend Rechnung trägt, wird erfasst.2 Der Aufenthalt im Gastland kann auch nur von vorübergehender Natur sein. Durch das Adjektiv „gewöhnlicher“ kommt hingegen zum Ausdruck, dass an den Ausdruck i.S.d. Art. 4 Abs. 2 höhere Anforderungen zu stellen sind.3
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Abgrenzung zum Ausdruck des „gewöhnlichen Aufenthalts“ i.S.d. § 9 AO. Wie auch Art. 4 Abs. 2 verwendet § 9 AO den Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“. Zwischen den Ausdrücken ergeben sich dennoch einige bedeutende Unterschiede: Art. 4 Abs. 2 Buchst. c bringt zum Ausdruck, dass der gewöhnliche Aufenthalt – abweichend vom Verständnis der AO – auch gleichzeitig in beiden Vertragsstaaten liegen kann.4 Anders als bei § 9 AO5 haben persönliche und wirtschaftliche Gesichtspunkte keine Relevanz für die „tie-breaker“-Regelung. Für einen gewöhnlichen Aufenthalt nach Art. 4 Abs. 2 ist – abweichend vom innerstaatlichen Verständnis – auch nicht erforderlich, dass die Person in dem Vertragsstaat übernachtet.6 Letztlich kann auch weder § 9 Satz 1 AO (vgl. Rz. 91) noch § 9 Satz 3 AO für eine abkommensrechtliche Begriffsbestimmung entscheidend sein.7 2. Aufenthalt
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Voraussetzungen. Grundvoraussetzung für einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat ist, dass der Steuerpflichtige sich dort aufhält. Erforderlich ist hierfür seine körperliche Anwesenheit. Dieser Aufenthalt muss weder in einer Wohnung noch in einer ständigen Wohnstätte erfolgen (vgl. Art. 4 Rz. 17 OECD-MK).8 Denn der gewöhnliche Aufenthalt ist nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b auch dann maßgeblich, wenn der Steuerpflichtige keine ständige Wohnstätte im Inland unterhält. Nicht erforderlich ist es auch, dass sich die Person stets am gleichen Ort innerhalb des Staatsgebietes befindet (vgl. auch Art. 4 Rz. 18 OECD-MK). In Abweichung zu § 9 AO wird man für einen gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht die Übernachtung in dem betreffenden Staat verlangen können.9 Kehrt eine Person regelmäßig nach der Arbeit in ihre Wohnung in einem anderen Staat zurück, kann sie dennoch in dem Staat, wo sich ihre Arbeitsstätte befindet, einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen.10 Letztlich ist für einen Aufenthalt i.S.d. Art. 4 Abs. 2 auch nicht erforderlich, dass dieser freiwillig erfolgt.11
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Ruge in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 18. Ruge in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 18. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74. So auch Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (182). In diesem Zusammenhang erscheint die deutsche Übersetzung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b verunglückt, da sie die englische Bestimmung „in which he has an habitual abode“ mit „in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ übersetzt. Zutreffend wäre die Übersetzung „in dem sie einen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ gewesen. Vgl. insoweit Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 22. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 77. Im Hinblick auf § 9 Satz 3 AO auch Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 205; Wilke in G/K/G, Art. 4 OECD-MA Rz. 55. Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 99. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 75. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 75. Fölhs in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 177 (187); Lederer, RIW 1981, 470; Huemer, Unbeschränkte Steuerpflicht, 152.
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C. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf natürliche Personen (Absatz 2)
Rz. 89–91 Art. 4
3. „Gewöhnlicher“ Aufenthalt „Nicht nur vorübergehend“. Der Aufenthalt muss „gewöhnlich“ sein. Erforderlich 89 ist daher ein zeitliches Moment.1 Unklar ist jedoch, welche Anforderungen hieran zu stellen sind. Nach einer Ansicht soll der gewöhnliche Aufenthalt dort liegen, wo sich die Person häufiger aufhält.2 Auch Art. 4 Rz. 17 OECD-MK liegt diese Ansicht zugrunde. Der Vergleich soll einen ausreichend langen Zeitraum erfassen.3 Nach dieser Definition kann der gewöhnliche Aufenthalt jedoch stets nur in einem Vertragsstaat liegen.4 Dies steht jedoch in offenkundigem Widerspruch zu Art. 4 Abs. 2 Buchst. c. Nach anderer Ansicht soll es darauf ankommen, ob der Ort der Verwirklichung der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen dient.5 Dagegen spricht jedoch, dass in Fällen, in denen eine ständige Wohnstätte nicht vorliegt, auf die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen und damit auf die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a und b gerade verzichtet werden soll. Letztlich findet sich die Ansicht, die einen gewöhnlichen Aufenthalt dann annimmt, wenn eine Person in einem Vertragsstaat nicht nur vorübergehend verweilt.6 Diese Definition steht am ehesten mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem systematischen Zusammenhang im Einklang. Zudem deckt sie sich im Grundsatz mit den Vorgaben des innerstaatlichen Rechts (vgl. § 9 AO; zu Abweichungen vgl. aber Rz. 87). Vorübergehend. Was unter „vorübergehend“ zu verstehen ist, ist ebenfalls umstrit- 90 ten. Teilweise wird gefordert, dass die Mindestdauer des Aufenthalts in Analogie zu Art. 5 Abs. 3 12 Monate betragen muss.7 Hiergegen spricht jedoch, dass Art. 4 Abs. 2 Buchst. c diesen Zeitraum gerade nicht vorsieht. Nach anderer Auffassung liegt ein „gewöhnlicher“ Aufenthalt bereits dann vor, wenn der Aufenthalt nicht nur sehr kurz ist.8 Mit dem Begriff „gewöhnlich“ lassen sich diese geringen Anforderungen jedoch ebenfalls nicht vereinbaren. Da eine abkommensautonome Auslegung zu nicht eindeutigen Ergebnissen führt, ist ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht gem. Art. 3 Abs. 2 aus diesem Grund möglich. Ausgehend von § 9 AO ist daher eine Mindestdauer des Aufenthalts von sechs Monaten nötig, aber auch ausreichend. Perspektive des Zeitbezugs. Unklar ist weiterhin aus welcher Perspektive das Über- 91 schreiten des Sechs-Monats-Zeitraums zu beurteilen ist. Entscheidend könnte die Absicht des Steuerpflichtigen sein, sich mindestens sechs Monate im Vertragsstaat aufzuhalten. Andererseits kann auch objektiv darauf abgestellt werden, ob zu Beginn des Aufenthalts Umstände vorliegen, die ergeben, dass der Steuerpflichtige sich mindestens sechs Monate im Vertragsstaat aufhalten wird.9 Schließlich kann aus einer ex post Perspektive danach gefragt werden, ob sich der Steuerpflichtige tatsächlich sechs Monate in einem Vertragsstaat aufgehalten hat.10 Die letzte Auslegungsvariante scheint am ehesten dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Art. 4 Rz. 19 OECD-MK zu
1 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 206. 2 FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904; FG Düsseldorf v. 22.1.1999 – 3 K 21/95 V, n.v.; zum Teil findet sich auch die Formulierung „wo die Person normalerweise lebt“ (FG BaWü v. 11.3.2009 – 4 K 251/09, EFG 2009, 904) und „wo die Person überwiegend lebt“ (FG Berlin v. 18.6.2002 – 5 K 5386/00, IStR 2002, 845). Inhaltliche Unterschiede dürften mit diesen Umschreibungen nicht verbunden sein. 3 Vgl. Art. 4 Rz. 19 OECD-MK; offen bleibt jedoch, was unter diesem ausreichend langen Zeitraum zu verstehen ist. 4 Hält sich eine Person in beiden Staaten gleich häufig auf, dürfte nach der Definition kein gewöhnlicher Aufenthalt feststellbar sein, da sich die Person in keinem der Staaten häufiger aufhält. 5 Vgl. FG Berlin v. 18.6.2002 – 5 K 5386/00, IStR 2002, 845. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76. 8 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 206. Was unter „sehr kurz“ zu verstehen ist, wird jedoch nicht weiter konkretisiert. 9 Dies entspricht § 9 Satz 1 AO. 10 Dies entspricht § 9 Satz 2 Halbs. 1 AO.
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Art. 4 Rz. 91–94
Ansässige Person
entsprechen.1 Wird der Zeitraum von sechs Monaten (ggf. auch kalenderübergreifend) überschritten, ist daher rückwirkend auf den Beginn des Zeitraums von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen.2 92
Unterbrechungen. Wird der Aufenthalt in einem Vertragsstaat unterbrochen, wird dadurch die Frist von sechs Monaten nicht zwingend unterbrochen bzw. gehemmt.3 Hierfür spricht die historische Entwicklung des Ausdrucks „gewöhnlicher Aufenthalt“. Die ursprünglich vorgesehene Formulierung „continuing“4 (anhaltend, dauernd) wurde im Endbericht in „habitual“5 (gewöhnlich) abgeändert. Daraus kann abgeleitet werden, dass der Aufenthalt nicht ununterbrochen bestehen muss und Unterbrechungen möglich sind. Andernfalls könnte eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt auch nicht gleichzeitig in mehreren Vertragsstaaten haben. Trotz der Unterbrechung muss allerdings noch ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt vorliegen.6 Daher wird man in der Regel nur kurzfristige Unterbrechungen akzeptieren können.7 Kurzfristig ist jede Unterbrechung, die nach der Verkehrsanschauung die Einheitlichkeit des Aufenthalts unberührt lässt.8 Eine feste zeitliche Grenze existiert insoweit nicht.
V. Staatsangehörigkeit (Buchst. c) 93
Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft des Vertragsstaates. Hat eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. c als nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist. Die Frage der Staatsangehörigkeit bestimmt sich im Hinblick auf natürliche Personen nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. g Unterbuchst. i. Staatsangehöriger ist danach jede Person, die die Staatsangehörigkeit oder Staatsbürgerschaft des betreffenden Vertragsstaates besitzt (zu Einzelheiten vgl. Art. 3 Rz. 49 ff.: Begriff des Staatsangehörigen). Besitzt eine Person neben der Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten noch die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates, so steht dies der Anwendung der Norm nicht entgegen.9 Besitzt sie hingegen die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines der Vertragsstaaten, so versagt die Staatsangehörigkeit als „tiebreaker“-Kriterium. Ein Rückgriff auf Art. 4 Abs. 2 Buchst. d ist dann zwingend.10
VI. Regelung im gegenseitigen Einvernehmen (Buchst. d) 94
Gegenseitiges Einvernehmen. Ist die Person Staatsanghöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so regeln die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Frage in gegenseitigem Einvernehmen. Eine vergleichbare Regelung existierte bereits in den sog. Genfer Abkommensentwürfen von 1928. Dort war in Art. 11 geregelt, dass „in den Fällen, in denen die Steuerzahler ihren steuerlichen Sitz in beiden Vertragsstaaten haben, die Personalsteuer in beiden Staaten im Verhältnis zur jeweiligen Aufenthaltsdauer im Veranlagungszeitraum oder gemäß einem von den zuständigen Behörden einvernehmlich festzulegenden Aufteilungsmodus erhoben wird.“11
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Danach ist ein ausreichend langer Zeitraum zu betrachten. Vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76. Dies entspricht § 9 Satz 2 Halbs. 2 AO. Vgl. FC/WP2 (57)3, Working Party No 2 of the Fiscal Committee, Denmark-Luxemburg, Paris 5th November 1957, Fourth Report on the Concept of Fiscal Domicile, 2. Vgl. FC/WP2 (58)1, Working Party No 2 of the Fiscal Committee, Denmark-Luxemburg, Paris 10th January 1957, Fourth Report on the Concept of Fiscal Domicile, 2. So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 76, der jedoch eine Rückkehrabsicht der Person in diesem Zusammenhang genügen lässt. Vgl. Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 35 m.w.N. (im Hinblick auf § 9 AO). FG BaWü v. 23.9.1975 – IV 253/73, EFG 1976, 13 (rkr.). Gleiche Auffassung Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 101. Vgl. Lehner in V/L5, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 94. Eine vergleichbare Regelung ist sowohl in Art. XIV des bilateralen Musterabkommens des Völkerbundes, das im Juli 1943 in Mexiko-Stadt vorgestellt wurde, als auch in Art. XV des bilateralen Musterabkommens des Völkerbundes, das im März 1946 in London vorgestellt wurde, vorgesehen.
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D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als nat. Personen (Abs. 3)
Rz. 95–98 Art. 4
Ansässigkeit als Bezugspunkt des Einvernehmens. Bezugspunkt des Einverneh- 95 mens ist nicht die Frage der Staatsangehörigkeit, sondern die Ansässigkeit insgesamt.1 Dadurch kommt zum Ausdruck, dass das Verfahren nur subsidiär dann zur Anwendung kommt, wenn die vorausgehenden Kriterien ausgeschöpft worden sind.2 Bestehen hingegen nur unterschiedliche Ansichten zum Vorliegen eines Kriteriums nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a bis c (z.B. zum Vorhandenseins einer ständigen Wohnstätte), so ist nicht Art. 4 Abs. 2 Buchst. d sondern Art. 25 anzuwenden.3 Verfahrensgrundsätze. Wer zuständige Behörde i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d ist, be- 96 stimmt sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. f. Im Übrigen enthält das OECD-MA keine ausdrücklichen Vorgaben für die Durchführung des Verfahrens. Ein Rückgriff auf die Grundsätze des Art. 25 ist daher geboten (vgl. Art. 4 Rz. 20 OECD-MK). Abweichungen ergeben sich jedoch in dreierlei Hinsicht: Erstens kann sich der Steuerpflichtige, mangels einer eindeutigen Ansässigkeit in einem der Staaten, einen der Vertragsstaaten aussuchen, in dem er einen Antrag auf einvernehmliche Regelung stellt.4 Zweitens sind die Vertragsstaaten (ggf. auch von Amts wegen) zur Einleitung des Verfahrens verpflichtet.5 Anders als Art. 25 gibt der Wortlaut des Art. 4 den Staaten insoweit kein Ermessen. Drittens besteht eine Pflicht zur Einigung.6 Auch dies kommt durch den Wortlaut („regeln“ statt „bemühen“) zum Ausdruck. Kriterien des Einvernehmens. Gegenstand des Einvernehmens ist die Ansässig- 97 keit einer Person in dem einen oder anderen Vertragsstaat. Die Ansässigkeit wiederum hängt von den Beziehungen der Person zu den Vertragsstaaten ab. Welche Kriterien im Rahmen der Verständigung für diese Entscheidung heranzuziehen sind, sagt das OECD-MA nicht.7 Da Gegenstand der Verständigung nicht nur die Staatsangehörigkeit, sondern generell die Ansässigkeit ist, sind zunächst sämtliche Kriterien nach Buchst. a bis c zu berücksichtigen. Da Art. 4 Abs. 2 Buchst. d jedoch nur dann zur Anwendung kommt, wenn diese Kriterien zu keinem (eindeutigen) Ergebnis geführt haben, wird man regelmäßig auf weitere (ungeschriebene) Kriterien zurückgreifen müssen. Dies eröffnet den Behörden letztlich einen weiten Ermessensspielraum bei der Frage, wie der Ansässigkeitskonflikt zu lösen bzw. die Nähebeziehung zu einem bestimmten Staat zu bestimmen ist. Zu Art. 11 des Genfer Abkommensentwurfs von 1928 wurde die Ansicht vertreten, dass das Eivernehmen z.B. auf der Grundlage des Verhältnisses des in den jeweiligen Vertragsstaaten erzielten Einkommens hergestellt werden könne.8 Auch wenn Art. 4 deutlich von der Konzeption des Art. 11 des Genfer Abkommensentwurfs von 1928 abweicht, erscheint es möglich, auch dieses Kriterium zur Feststellung der Nähebeziehung zu einem Staat heranzuziehen.9 Aussetzung des Gerichtsverfahrens. Kommt es im Rahmen eines Gerichtsverfahrens auf eine einvernehmliche Regelung der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d an, so ist das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen.10
D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als natürliche Personen (Absatz 3) Ausgewählte Literatur: Debatin, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, Institut für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen, Hamburg 1990; Dommes/Herdin, The Consequences of the Tie-Breaker Rule for Resident Companies, SWI 2004, Vgl. Lehner in V/L5, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 210. Vgl. Lehner in V/L5, DBA, Art. 4 OECD-MA Rz. 94. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 85. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 4 OECD-MA Rz. 54. Vgl. R. Rohatgi, Basic International Taxation, Vol. I: Principles of international Taxation, Richmond 2005, 403. 9 Vgl. auch Moschetti, FS Lang, 1167 (1189) der Art. 11 des Genfer Abkommensentwurfs von 1928 als sinnvolle Lösung bezeichnet. 10 Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 104; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECDMA Rz. 86. 1 2 3 4 5 6 7 8
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Art. 4 Rz. 99–101
Ansässige Person
450; Ebert, Der Ort der Geschäftsleitung in internationalen Holding-Konzernstrukturen, IStR 2005, 534; Eilers/Wienands, Neue steuerliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften nach der EuGH-Entscheidung vorn 9.3.1999, IStR 1999, 289; Frick/Corino, Anmerkung zu BFH, Urteil v. 24.1.2011 – I R 100/99, IStR 2001, 351; Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, Münchner Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Heft 20; Haslinger, Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als Tie-Breaker nach Art. 4 Abs. 3 OECD-MA und seine in Diskussion befindlichen Reformen, in Lang/Schuch/Staringer (Hrsg.), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2008, 33; Herne/Berling/Jones, Domicile and Residence in the United Kingdom, European Taxation 1981, 172; Herne/Berling/Jones, Place of Effective Management as a Residence Tie-Breaker, Bulletin for International Taxation 2005, 20; Kaminski/Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Lehner, Die steuerliche Ansässigkeit von Kapitalgesellschaften, RIW 1988, 201; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Mensching, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Piltz, Unbeschränkte Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften aufgrund inländischer Geschäftsleitung, FR 1985, 347; Raupach, Steuerliche Folgen der Doppelansässigkeit, in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, Band 7 Forum der internationalen Besteuerung, Köln 1996; Schnitger, Fragestellungen zur steuerlichen Behandlung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, IStR 2013, 82; Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 45; Staringer, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften und internationale Schachtelbefreiung, SWI 1998, 575; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999.
I. Regelungszweck 99
Festlegung der Ansässigkeit. Art. 4 Abs. 3 zielt darauf ab, die für die Abkommensanwendung notwendige (Vor-)Frage der Ansässigkeit einer anderen als einer natürlichen Person verbindlich zu entscheiden, wenn eine doppelte Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 besteht. Diese Situation, die sich bei der Aufnahme der „tie-breaker“-Regelung in die Vertragsschablone des Musterabkommens im Jahre 1963 im Wesentlichen als Randproblem dargestellt hat,1 ist in einer Welt der Globalisierung keine Ausnahmeerscheinung mehr.2 Eine doppelte Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 kann beispielsweise vorliegen, wenn der eine Staat eine Gesellschaft aufgrund ihres Sitzes und der andere Staat aufgrund des Ortes ihrer Geschäftsleitung als unbeschränkt steuerpflichtige Person behandelt (vgl. auch Art. 4 Rz. 21 OECD-MK). Daneben kommt der „tie-breaker“-Regelung auch außerhalb der DBA z.B. im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG Bedeutung zu (vgl. Rz. 8).
II. Allgemeines 100
Bedeutung. Anders als Art. 4 Abs. 2 enthält Art. 4 Abs. 3 nur ein einziges Kriterium (Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung) zur Lösung des Ansässigkeitskonflikts. Daneben erwähnt Art. 4 Rz. 24.1 OECD-MK3 die Möglichkeit für die Mitgliedsstaaten, die Frage der Ansässigkeit auch (allein) im gegenseitigen Einvernehmen klären zu lassen. Entscheidend sollen dann neben dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung und dem Ort der Eintragung auch andere erhebliche Gesichtspunkte (z.B. Ort der Sitzungen des Aufsichts- oder Verwaltungsrats) sein.4 In einigen DBA ist eine derartige Alternativklausel anzutreffen.5 Zu Reformbestrebungen der OECD vgl. Rz. 110.
101
Abgrenzung zum Ausdruck „Ort ihrer Geschäftsleitung“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1. Anders als der Ausdruck „Ort ihrer Geschäftsleitung“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1 ist der „Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung“ abkommensautonom auszulegen (vgl. Rz. 106).
1 Vgl. Art. 4 Rz. 17 OECD-MK 1963: „In der Praxis wird es selten vorkommen, daß eine Gesellschaft usw. in mehr als einem Staat als eine dort ansässige Person besteuert wird […]“. 2 Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (193). 3 Eingefügt am 18.7.2008. 4 Vgl. auch Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, 77 ff. 5 Vgl. z.B. Art. 4 Abs. 2 DBA-Japan.
304
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D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als nat. Personen (Abs. 3)
Rz. 101–106 Art. 4
Inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Ausdrücken ergeben sich dennoch nicht (vgl. im Einzelnen Rz. 106 ff.). Abgrenzung zum Ausdruck „Ort der Leitung“ i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a. Art. 5 102 Abs. 2 Buchst. a verwendet abweichend von Art. 4 Abs. 3 den Ausdruck „Ort der Leitung“. Gemeint ist damit jeder Ort, an dem Leitungsaufgaben übernommen werden (Art. 5 Rz. 75 ff.).1 Es muss sich nicht um den Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit handeln.2 Der wesentliche Unterschied zum Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung besteht darin, dass ein Unternehmen mehrere Orte der Leitung,3 aber immer nur einen „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ haben kann (vgl. auch Rz. 41 und Art. 5 Rz. 76). Hat ein Unternehmen nur einen Ort der Leitung, handelt es sich aber immer zugleich um den „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ i.S.d. Art. 4 Abs. 3.4 Abgrenzung zum Begriff „Geschäftsleitung“ i.S.d. § 10 AO. Der Ausdruck „Ort der 103 tatsächlichen Geschäftsleitung“ ist abkommensautonom und damit unabhängig von § 10 AO auszulegen. Inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Ausdrücken ergeben sich dennoch nicht (vgl. im Einzelnen Rz. 106 ff.). Verständigungsverfahren. Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung 104 und Anwendung des Art. 4 Abs. 3 entstehen, können von den zuständigen Behörden im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 3 Satz 1 beseitigt werden (vgl. hierzu Art. 25 Rz. 191 ff.).5
III. Eine andere als eine natürliche Person Art. 4 Abs. 3 gilt in Abgrenzung zu Art. 4 Abs. 2 nur für andere als natürliche Per- 105 sonen. Damit sind – unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a – Gesellschaften und alle andere Personenvereinigungen gemeint, ohne Rücksicht darauf, ob sie juristische Personen sind oder nicht (vgl. auch Art. 4 Rz. 21 OECD-MK). Was wiederum unter einer Gesellschaft zu verstehen ist, ist Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zu entnehmen (vgl. insoweit Art. 3 Rz. 13 ff.).
IV. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung Abkommensautonome Auslegung. Das OECD-MA definiert den Ausdruck „Ort 106 der tatsächlichen Geschäftsleitung“ anders als einige DBA6 nicht. Für Abkommen, die nach dem 29.4.2000 geschlossen wurden, lässt sich der Begriff dennoch abkommensautonom unter Rückgriff auf die Definition in Art. 4 Rz. 24 OECD-MK erschließen. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung ist danach der Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers im Ganzen notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden. Für Abkommen, die vor der Änderung des OECD-MK abgeschlossen wurden, ist eine Orientierung an Art. 4 Rz. 24 OECD-MK ebenfalls möglich, da die dort niedergelegten Grundsätze nur deklaratorischer Natur sind.7 Ein Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 10 AO ist aus diesem Grund versperrt.8 Unterschiede zum nationalen Begriff der „Geschäftsleitung“ ergeben sich dennoch nicht.9 Dem steht nicht entgegen, dass Art. 4 Abs. 3 im Gegensatz zu § 10 AO von einer tatsächlichen Geschäftsleitung spricht. Nach Art. 4 Rz. 22 OECD-MK soll durch das Adjektiv „tatsächlich“ Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 39. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 66. Hierzu Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 39. Haase in Haase2, Art. 5 OECD-MA Rz. 79. So auch Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 107. Vgl. z.B. Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 DBA-Frankreich. So auch Haslinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (196). Zur statischen Auslegung vgl. im Übrigen BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 8 Großmann, Doppelt ansässige Gesellschaften im internationalen Steuerrecht, 75 f. Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (195). 9 A.A. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 47; Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 103.
1 2 3 4 5 6 7
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305
Art. 4 Rz. 106–108
Ansässige Person
nur sichergestellt werden, dass bloß formale Kriterien (wie z.B. die Eintragung oder die Festschreibung eines Ortes der Geschäftsleitung in einer Satzung) keine Bedeutung für die Ansässigkeit haben.1 Dies wird jedoch bereits durch die Auslegung des § 10 AO gewährleistet. Denn nach Ansicht des BFH kommt es im Rahmen des § 10 AO nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an.2 Beide Begriffe unterscheiden sich auch nicht dadurch, dass ein Rechtsträger gleichzeitig mehrere Orte der Geschäftsleitung aber nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben kann (Art. 4 Rz. 24 OECD-MK). Denn auch im Hinblick auf § 10 AO wird zu Recht die Ansicht vertreten, dass sich die Geschäftsleitung stets nur an einem Ort befinden kann.3 107
Grundlegende Leitungs- und kaufmännische Entscheidungen. Nach Art. 4 Rz. 24 OECD-MK ist Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers im Ganzen notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden. Neben kaufmännischen Entscheidungen sind daher auch sonstige Entscheidungen (insbes. technische Entscheidungen) zu berücksichtigen.4 Kommt es zu einem Konflikt zwischen technischen und kaufmännischen Entscheidungen, ist den letzteren der Vorzug zu geben.5 Die Entscheidungen müssen für den laufenden Geschäftsablauf wichtig sein. Nebensächliche Geschäftsangelegenheiten bleiben daher außer Betracht. Außergewöhnliche Geschäfte von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung haben ebenfalls keine Bedeutung.6 Alle Umstände und Tatsachen sind hierfür zu würdigen. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Geschäftsleitung üblicherweise der Vorstand bzw. der oder die Geschäftsführer selbst ausübt.7 Der frühere Verweis auf die höchstrangige Person ist im OECD-MK allerdings nicht mehr enthalten.8 Eine Änderung dürfte damit allerdings nicht verbunden sein, da die Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers im Ganzen notwendig sind, im Regelfall von dieser Personengruppe getroffen werden.9 Zwingend ist dies aber nicht. Insgesamt ergeben sich keine Unterschiede zum innerstaatlichen Recht.10 Vor diesem Hintergrund ist es legitim, sich bei der weiteren Konkretisierung der Definition im OECD-MK an den Kriterien des § 10 AO (hierzu Rz. 38) zu orientieren.11
108
Nur ein Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung möglich. Nach Art. 4 Abs. 3 kann eine andere als eine natürliche Person immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben.12 Dies ergibt sich aus der Funktion der Norm als „tie-breaker“-Regelung, die sich auf ein einziges Kriterium beschränkt. Man muss daher davon ausgehen, dass man ursprünglich von der Eindeutigkeit des Tests ausgegangen
1 Siehe auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 95. 2 Vgl. z.B. BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I R 1/93, BStBl. II 1995, 175. 3 Vgl. BFH v. 16.3.1994 – 1 B 171/93, BFH/NV 1994, 770; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; a.A. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 30.1.2002 – I R 12/01, BFH/NV 2002, 1128. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 95. 5 Vgl. bereits RFH v. 1.7.1936 – VI A 491/36, RStBl. 1936, 779. 6 Vgl. auch Burgstaller/Haslinger, Intertax 2004, 380; Metzler/Stieglitz, SWI 2004, 456 (461). 7 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 265 ff. 8 In Art. 4 Rz. 24 OECD-MK hieß es vor den Änderungen durch den OECD-MK 2008: „Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung wird gewöhnlich dort sein, wo die höchstrangigste Person oder Personengruppe (z.B. ein Vorstand) ihre Entscheidungen trifft, wo über Maßnahmen, die von dem Rechtsträger als Ganzes getroffen werden müssen, entschieden wird.“ 9 So auch Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 110. 10 Vgl. auch Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 47. 11 Vgl. insoweit Rz. 38 ff. sowie die ausführliche Kommentierung des § 10 AO von Birk, in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 1 ff. 12 Haslinger in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (197); Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 265; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 92.
306
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D. „Tie-breaker“-Regelung in Bezug auf andere als nat. Personen (Abs. 3)
Rz. 108–110 Art. 4
ist.1 Gleiches lässt sich ausdrücklich auch Art. 4 Rz. 24 OECD-MK entnehmen.2 Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung kann sich innerhalb eines Jahres allerdings nacheinander an verschiedenen Orten befinden. Problemfälle. Allerdings sind Situationen denkbar, in denen es nicht nur schwie- 109 rig, sondern sogar unmöglich ist, den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung zu bestimmen.3 Dies sind zunächst Fälle, in denen es nicht einen, sondern mehrere Orte gibt, an denen die grundlegenden Leitungsentscheidungen getroffen werden. Dies ist häufig die Folge der fortschreitenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie.4 So besteht heute die Möglichkeit, Konferenzen über Telefon, Internet oder Video abzuhalten, so dass keine Notwendigkeit mehr besteht, dass sich die Entscheidungsträger einer Gesellschaft regelmäßig an einem Ort treffen müssen, um dort ihre Beschlüsse zu fassen.5 Daneben sind wechselnde Orte der tatsächlichen Geschäftsleitung denkbar, wenn z.B. die Vorstandssitzungen an unterschiedlichen Orten in verschiedenen Ländern abgehalten werden.6 Liegt der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem Drittstaat, lässt sich Art. 4 Abs. 3 ebenfalls keine Aussage zum Ansässigkeitsstaat entnehmen.7 Da in diesen Situationen eine einzige tatsächliche Geschäftsleitung in einem der Vertragsstaaten nicht vorhanden ist, kann diese auch nicht im Wege eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 bestimmt werden. Analog Art. 4 Abs. 2 Buchst. d ist es in diesen Fällen dennoch zulässig, die Ansässigkeit im gegenseitigen Einvernehmen festzulegen, da andernfalls die Anwendung des DBA nicht möglich wäre.8
V. Reformbestrebungen Reformbestrebungen. Insbesondere die Ausführungen unter Rz. 109 zeigen, dass 110 Art. 4 Abs. 3 in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung nicht mehr zeitgemäß ist.9 In den einzelnen DBA sind daher zum Teil abweichende bzw. ergänzende Formulierungen enthalten.10 Auch die OECD hat im Februar 2001 einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der die Auswirkungen der „Kommunikationsrevolution“ auf die Anwendung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung untersucht.11 Unter Berücksichtigung zwischenzeitlich ergangener Stellungnahmen12 hat die OECD im Mai 2003 einen neuen Entwurf vorgelegt, der zwei Konzepte für die Bestimmung des Ansässigkeitsstaats von anderen als natürlichen Personen beinhaltet.13 Der erste Vorschlag geht dahin, die Erläuterungen zum Orte der tatsächlichen Geschäftsleitung im OECD-MK zu erweitern.14 Nach dem zweiten Vorschlag soll der bisher einstufige durch einen vierstu1 Haslinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (197). 2 Vgl. Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 47. 3 Vgl. hierzu ausführlich Haslinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (198 ff.). 4 Hierzu Haslinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (198). 5 Vgl. Strunk, FS Fischer, 259 (264). 6 Vgl. Hinnekens, Intertax 2003, 315. 7 Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, 149; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 92. 8 Die planwidrige Regelungslücke ergibt sich daraus, dass man ursprünglich von der Eindeutigkeit des Art. 4 Abs. 3 ausgegangen ist (siehe Rz. 99). 9 Vgl. auch Moschetti, FS Lang, 1167 f. 10 Vgl. Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im internationalen Steuerrecht, 77 ff. 11 OECD Technical Advisory Group, The Impact of the Communications Revolution on the Application of „Place of Effective Management“ as an Tie Breaker Rule, Febuary 2001. Vgl. Insoweit auch Haslinger, in Lang/Schuch/Staringer, Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 191 (200 ff.) und Jirousek, ÖStZ 2001, 296 ff. 12 Vgl. Hinnekens, Intertax 2003, 315; Lambooij/Sinyor/Chew, TNI 2001, 2091 ff. 13 OECD Technical Advisory Group, Place of Effective Management Concept: Suggestions for Changes to the OECD Model Tax Convention, May 2003. 14 Vgl. Diskussionsentwurf der OECD Technical Advisory Group Rz. 6 f.
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307
Art. 4 Rz. 110–117
Ansässige Person
figen Ansässigkeitstest erweitert werden.1 Neben der tatsächlichen Geschäftsleitung kann danach u.a. berücksichtigt werden, zu welchem Staat die Gesellschaft die stärksten wirtschaftlichen Beziehungen unterhält.
E. Deutsches Muster-DBA 111
Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA 112
Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 1 Halbs. 1 DBA-Belgien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECDMA und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung findet sich im DBABelgien nicht. Stattdessen enthält Art. 4 Abs. 1 Halbs. 2 DBA-Belgien eine Sonderregelung, die die Ansässigkeit bestimmter Gesellschaften fingiert.
113
Art. 4 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA. Zusätzlich enthalten ist eine Sonderregelung in Art. 4 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a und b DBA-Belgien für Bordpersonal eines Schiffs, die mit Art. 15 Abs. 3 OECD-MA vergleichbar ist (vgl. Art. 15 Rz. 108 ff.).
114
Art. 4 Abs. 3 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
115
Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien enthält eine Sonderregelung für Schifffahrtsunternehmen, die Art. 8 Abs. 3 OECD-MA ähnelt (vgl. Art. 8 Rz. 54 ff.). 2. Konsequenzen
116
Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA sowie Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung haben (vgl. Rz. 53 und Rz. 54), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Belgien. Personengesellschaften, die in Deutschland ihre tatsächliche Geschäftsleitung haben, sind in Deutschland nicht steuerpflichtig und folglich dort auch nicht ansässig (vgl. Rz. 27). Um wegen des in diesem Punkt abweichenden belgischen Rechts Ungleichbehandlungen zu vermeiden,2 sind in Ergänzung zum OECDMA ferner die offenen Handelsgesellschaften, die KG und Partenreedereien des in Deutschland geltenden Rechts, deren tatsächliche Geschäftsleitung sich in diesem Staat befindet, sowie Gesellschaften des belgischen Rechts – ausgenommen Aktiengesellschaften und KG auf Aktien, die sich dafür entschieden haben, dass ihre Gewinne der Einkommensteuer der natürlichen Personen unterworfen werden – als ansässige Personen zu behandeln.3
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 117
Art. 4 Abs. 1 DBA-China. Art. 4 Abs. 1 DBA-China entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Die Verwendung des Ausdrucks „allgemeine Geschäftsleitung“ anstelle von „Geschäftsleitung“ ist ohne Bedeutung.4 Eine dem Art. 4
1 2 3 4
Vgl. Diskussionsentwurf der OECD Technical Advisory Group Rz. 6 f. Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Belgien Rz. 13. Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Belgien Rz. 2. Vgl. Manke, DStZ/A 1985, 267.
308
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F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 117–126 Art. 4
Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung enthält das DBA-China nicht. Art. 4 Abs. 2 DBA-China. Art. 4 Abs. 2 DBA-China entspricht wörtlich dem Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
118
Art. 4 Abs. 3 DBA-China. Art. 4 Abs. 3 DBA-China entspricht inhaltlich dem Art. 4 119 Abs. 3 OECD-MA. Die Verwendung des Ausdrucks „allgemeine Geschäftsleitung“ anstelle von „Geschäftsleitung“ ist wie im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 DBA-China ohne Bedeutung.1 2. Konsequenzen Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 120 Halbs. 2 OECD-MA sowie Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung haben (Vgl. Rz. 53 und Rz. 54), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-China.
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA- 121 Frankreich entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA.2 Im Unterschied zum OECD-MA ist in Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich lediglich die Rede vom „Aufenthalt“, was allerdings zu keinen Abweichungen führt.3 Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung enthält das DBA-Frankreich nicht. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBA-Frankreich. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b DBA- 122 Frankreich entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Frankreich. Trotz der zum Teil unterschiedli- 123 chen Formulierung entspricht Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Frankreich inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. Abweichend vom OECD-MA enthält das DBA-Frankreich jedoch eine Definition der tatsächlichen Geschäftsleitung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 5, die inhaltlich § 10 AO entspricht.4 Abweichungen zum OECD-MA ergeben sich dadurch nicht.5 2. Konsequenzen Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 124 Halbs. 2 OECD-MA sowie Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung haben (Vgl. Rz. 53 und Rz. 54), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Frankreich.
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Als zusätzliches ansässigkeitsbegründendes 125 Merkmal nennt Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Großbritannien abweichend vom OECD-MA „den Ort ihrer Gründung“. Art. 4 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 4 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht 126 wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
1 Vgl. Manke, DStZ/A 1985, 267. 2 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828 und nachfolgend BFH v. 6.6.2012 – I R 52/11, ISR 2012, 56 m.Anm. Eilers/Schulz. 3 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 32. 4 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 40. 5 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 297.
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309
Art. 4 Rz. 127–138
Ansässige Person
127
Art. 4 Abs. 3 DBA-Großbritannien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Großbritannien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
128
Art. 4 Abs. 4 DBA-Großbritannien. Art. 4 Abs. 4 DBA-Großbritannien stellt eine Sonderregelung hinsichtlich der Ansässigkeit von Schifffahrtsunternehmen dar, die in ähnlicher Form in Art. 8 Abs. 3 OECD-MA enthalten ist (vgl. Art. 8 Rz. 54 ff.). 2. Konsequenzen
129
Ansässigkeit. Ist eine Person allein aufgrund ihrer Gründung in Großbritannien (unbeschränkt) steuerpflichtig, so ist sie abweichend vom OECD-MA (vgl. Rz. 50) dort auch ansässig.
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 130
Art. 4 Abs. 1 DBA-Indien. Art. 4 DBA-Indien stimmt fast wörtlich mit dem OECDMA überein. Lediglich eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung ist im DBA-Indien nicht enthalten.
131
Art. 4 Abs. 2 DBA-Indien. Anders als das OECD-MA enthält Art. 4 Abs. 2 DBA-Indien in den einzelnen Buchstaben nicht das Wort „nur“. Inhaltliche Abweichungen zum OECD-MA sind damit nicht verbunden.1
132
Art. 4 Abs. 3 DBA-Indien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Indien entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. 2. Konsequenzen
133
Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung hat (vgl. Rz. 53), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Indien.
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 134
Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien. Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien entspricht grundsätzlich Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Art. 4 Abs. 1 DBA-Italien enthält jedoch keine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA vergleichbare Regelung.
135
Art. 4 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 4 Abs. 2 DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
136
Art. 4 Abs. 3 DBA-Italien. Art. 4 Abs. 3 DBA-Italien entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
137
Protokoll. Ergänzt wird Art 4 DBA-Italien durch zwei Protokollbestimmungen, die im OECD-MA keine Entsprechung haben. Nach Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Italien gelten auch Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen als in einem Vertragsstaat ansässig. Abs. 3 des Protokolls zum DBA-Italien enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass die Ansässigkeit nicht das ganze Jahr über bestand.2 2. Konsequenzen
138
Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung hat (vgl. Rz. 53), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Italien. Ist eine Personengesellschaft in einem der Vertragsstaaten gegründet worden oder befindet sich der Hauptgegenstand der Tätigkeit in einem der Staaten, so gilt sie dort als ansässig. Sofern sich aufgrund des Abs. 2 des Protokolls zum DBA-Italien eine Doppelansässigkeit ei-
1 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 2; Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Indien Rz. 3. 2 Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Italien Rz. 3.
310
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F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 138–145 Art. 4
ner Personengesellschaft ergibt, findet insoweit Art. 4 Abs. 3 DBA-Italien Anwendung.1 Liegt ein Wohnsitzwechsel (Umzug von Deutschland nach Italien oder umgekehrt) einer natürlichen Person i.S.d. Abs. 3 des Protokolls zum DBA-Italien vor, kann jeder Vertragsstaat die Einkünfte nur zeitanteilig besteuern.2
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Japan. Im Unterschied zum OECD-MA nennt Art. 4 Abs. 1 DBA- 139 Japan als ansässigkeitsbegründendes Merkmal den „Sitz“. Inhaltliche Abweichungen sind damit jedoch nicht verbunden, da der Sitz einer Person ein anderes ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA darstellt.3 Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung enthält das DBA-Japan nicht. Art. 4 Abs. 2 DBA-Japan. Abweichend von der „tie-breaker“-Regelung des OECD- 140 MA, ist im Fall der Doppelansässigkeit von Personen die Ansässigkeit stets im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln (vgl. Art. 4 Abs. 2 DBA-Japan). Ausgehend von einem nicht veröffentlichten Notenwechsel aus dem Jahre 1966 zum DBA-Japan 19664 soll sich dieses Einvernehmen im Hinblick auf natürliche Personen jedoch an den Kriterien des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA orientieren.5 Inhaltliche Abweichungen zum Art. 4 Abs. 2 OECD-MA ergeben sich daher im Ergebnis nicht. 2. Konsequenzen Ansässigkeit. In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 141 Halbs. 2 OECD-MA sowie Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung haben (vgl. Rz. 53 und Rz. 54), ergeben sich Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Japan. Doppelte Ansässigkeit. Hat eine doppelt ansässige sonstige Person (Gesellschaft 142 oder andere Personenvereinigung) ihre tatsächliche Geschäftsleitung in einem der Vertragsstaaten, sagt dies noch nichts über ihre endgültige Ansässigkeit aus. Vielmehr ist der Ansässigkeitskonflikt auch in diesen Fällen im gegenseitigen Einvernehmen zu lösen.6
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada. Trotz der zum Teil abweichenden Formulierung stimmt Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada inhaltlich mit Art. 4 Abs. 1 OECD-MA überein.7
143
Art. 4 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 4 Abs. 2 DBA-Kanada entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
144
Art. 4 Abs. 3 DBA-Kanada. Abweichend von Art. 4 Abs. 3 OECD-MA bestimmt sich die Ansässigkeit anderer als natürlicher Personen stets nach dem gegenseitigen Einvernehmen der Vertragsstaaten (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 DBA-Kanada). Kann ein derartiges Einvernehmen nicht erzielt werden, gilt die Person als in keinem Vertragsstaat ansässig (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-Kanada).
145
1 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Italien Rz. 13. 2 Vgl. hierzu im Einzelnen Krabbe, in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Deutschland-Italien Rz. 38 ff. 3 Zur Ansässigkeit in Japan bei Abwesenheit von mehr als 365 Tagen vgl. aber OFD Düsseldorf v 20.9.2002 – S 1301 Japan A - St 222. 4 Vgl. BT-Drucks. V/1045, S. 29. 5 Siehe Preuss in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Japan Rz. 8. 6 Vgl. im Einzelnen Preuss in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Japan Rz. 9 und 33; Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Japan Rz. 4. 7 So auch W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 2.
Pohl
311
Art. 4 Rz. 146–154 146
Ansässige Person
Protokoll. Abs. 1 des Protokolls zum DBA-Kanada stellt klar, dass nur Personen ansässig sein können, die mit ihren weltweiten Einkünften steuerpflichtig sind.1 2. Konsequenzen
147
Doppelt ansässige sonstige Personen. Ist eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Kanada ansässig, ist der Ansässigkeitskonflikt im Wege gegenseitigen Einvernehmens zu lösen. Verwiesen wird damit auf das Verfahren nach Art. 25 DBA-Kanada.2 Eine Pflicht zur Einigung besteht nicht. Dies ergibt sich mittelbar aus Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-Kanada. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, gilt die Person nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 DBA-Kanada als in keinem Staat ansässig. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung gilt dies auch dann, wenn das Verständigungsverfahren noch nicht eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen ist.3 Die Nichtansässigkeit gilt jedoch nur im Hinblick auf die Abkommensvorteile, nicht aber bzgl. der damit verbundenen Abkommensnachteile.4
IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 148
Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012. Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Anders als nach dem OECD-MA werden durch Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA- Luxemburg jedoch neben dem Staat auch die deutschen Bundesländer als mögliche ansässige Personen erwähnt. Hierin liegt jedoch nur eine Klarstellung, da Länder als Gebietskörperschaften auch von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erfasst werden.
149
Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012. Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
150
Art. 4 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012. Art. 4 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA. 2. Konsequenzen
151
Keine.
X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA 152
Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012. Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 entspricht im Wesentlichen Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Anders als nach dem OECD-MA wird in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Niederlande 2012 jedoch der Ort der Gründung als ansässigkeitsbegründendes Merkmal aufgeführt. Der Ort der Gründung ist auch kein ähnliches Merkmal i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA-Niederlande 2012 werden zudem neben dem Staat auch seine Länder als mögliche ansässige Personen erwähnt. Hierin liegt jedoch nur eine Klarstellung, da Länder als Gebietskörperschaften auch von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erfasst werden. Letztlich enthält Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-Niederlande 2012 nicht den Zusatz „oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen“.
153
Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012. Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
154
Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 entspricht wörtlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA.
1 2 3 4
Vgl. Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 2. Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 49. So auch Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 7. Vgl. im Einzelnen W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Kanada Rz. 49.
312
Pohl
F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 155–162 Art. 4
Art. 4 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012. Art. 4 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 enthält eine Sonderregelung für grenzüberschreitende Gewerbegebiete.
155
Protokoll. Nach II. des Protokolls zum DBA-Niederlande 2012 gilt eine nicht na- 156 türliche Person als in den Niederlanden steuerpflichtig, wenn sie für Zwecke der Körperschaftsteuer („Wet op de vennootschapsbelasting 1969“) in den Niederlanden ansässig ist, vorausgesetzt, die von dieser Person erzielten Einkünfte werden nach dem Steuerrecht der Niederlande wie Einkünfte dieser Person und nicht wie Einkünfte der Begünstigten, Gesellschafter oder Teilhaber der Person behandelt. Ungeachtet des vorstehenden Satzes ist eine Person nicht in den Niederlanden ansässig, wenn diese Person nur aufgrund von aus niederländischen Quellen bezogenen Einkommen in den Niederlanden steuerpflichtig ist. 2. Konsequenzen Ort ihrer Gründung. Ist eine andere als eine natürliche Person aufgrund des Ortes 157 ihrer Gründung in den Niederlanden (unbeschränkt) steuerpflichtig, ist sie dort auch ansässig. Liegt der Ort der Gründung hingegen in Deutschland, bleibt die Erweiterung wirkungslos, da der Ort der Gründung – anders als der Sitz – dort kein Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung ist. Grenzüberschreitende Gewerbegebiete. Hat eine juristische Person den Ort ihrer 158 tatsächlichen Geschäftsleitung in einem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet und verläuft die gemeinsame Grenze zwischen den Vertragsstaaten durch die feste Geschäftseinrichtung, in der sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, und kann nicht eindeutig bestimmt werden, in welchem der Vertragsstaaten die juristische Person den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung hat, so hat sie ihren Wohnsitz in dem Vertragsstaat, in dem sich der größere Teil der vom Unternehmen genutzten Fläche des Gebäudes befindet, in dem die Leitung des Unternehmens ausgeübt wird. Nähere Regelungen zur Bestimmung, in welchem der Vertragsstaaten die juristische Person ihren Wohnsitz hat, sind in der Anlage zum Abkommen aufgeführt.
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich. Eine Abweichung des Art. 4 Abs. 1 DBA-Österreich 159 zu Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ergibt sich insoweit, als neben dem Staat und seinen Gebietskörperschaften auch „andere juristische Personen des öffentlichen Rechts“ in der zuerst genannten Norm angesprochen werden. Darin ist allerdings nur eine Klarstellung zu sehen, da diese Personen auch von Art. 4 Abs. 1 OECD-MA umfasst werden.1 Art. 4 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d DBA-Österreich spricht anders als das OECD-MA davon, dass sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten „bemühen“ werden, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.
160
Art. 4 Abs. 3 DBA-Österreich. Art. 4 Abs. 3 DBA-Österreich entspricht inhaltlich 161 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. 2. Konsequenzen Doppelt ansässige natürliche Personen. Anders als nach dem OECD-MA besteht 162 nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. d DBA-Österreich keine Pflicht zur Einigung.2 Dies kommt durch die (abweichende) Wortwahl („bemühen“) zum Ausdruck und entspricht der Rechtslage im Hinblick auf Art. 25 OECD-MA.3
1 Vgl. Lang in Lang/Loukota/Lüthi, Weiterentwicklung des OECD-MA, S. 37 ff. 2 A.A. Lang/Stefaner in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Östereich Rz. 3; Wilke in G/K/G, Art. 4 DBAÖsterreich Rz. 4. 3 Vgl. Art. 25 Rz. 26 OECD-MK; Lehner in V/L5, Art. 25 OECD-MA Rz. 89.
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Art. 4 Rz. 163–171
Ansässige Person
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 163
Art. 4 Abs. 1 DBA-Russland. Abweichend vom OECD-MA wird die „Gründung“ als juristische Person durch Registrierung in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 DBA-Russland als weiteres Ansässigkeitskriterium genannt. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA vergleichbare Vorschrift ist im DBA-Russland nicht enthalten.
164
Art. 4 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 4 Abs. 2 DBA-Russland entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
165
Art. 4 Abs. 3 DBA-Russland. Art. 4 Abs. 3 DBA-Russland entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. 2. Konsequenzen
166
Ansässigkeit. Die Gründung als juristische Person durch Registrierung fällt nicht unter Art. 4 Abs. 1 OECD-MA, da sie nicht ortsbezogen ist.1 Art. 4 Abs. 1 DBA-Russland führt daher zu einer Erweiterung des Ansässigkeitsbegriffs.2 In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA konstitutive Bedeutung hat (Vgl. Rz. 53), ergeben sich weitere Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Russland.
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 167
Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz. Abweichend vom Art. 4 Abs. 1 OECD-MA ist für die Ansässigkeit nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz allein entscheidend, ob die Person in einem der Vertragsstaaten nach dem dort geltenden Recht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine dem Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 OECD-MA und dem Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung enthält das DBA-Schweiz nicht.
168
Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 4 Abs. 2 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA.
169
Art. 4 Abs. 7 DBA-Schweiz. Nach Art. 4 Abs. 7 DBA-Schweiz gelten die Bestimmungen des Art. 4 DBA-Schweiz auch für bevormundete Personen.3 Da auch bevormundete Personen „Personen“ i.S.d. OECD-MA bzw. des DBA-Schweiz sind, hat die Regelung nur klarstellenden Charakter.
170
Art. 4 Abs. 8 DBA-Schweiz. Art. 4 Abs. 8 Satz 1 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. Nach Art. 4 Abs. 8 Satz 2 DBA-Schweiz begründet die Tatsache allein, dass eine Person an einer Gesellschaft beteiligt ist oder dass sie bei einer Gesellschaft, die einem Konzern angehört, die konzernleitenden Entscheidungen trifft, für diese Gesellschaft keinen Mittelpunkt der tatsächlichen Geschäftsleitung an dem Ort, an dem diese Entscheidungen getroffen werden oder diese Person ansässig ist. Obwohl diese Regelung im OECD-MA nicht enthalten ist, hat sie nur klarstellenden Charakter.4
171
Weitere Regelungen. Die weiteren Regelungen des DBA-Schweiz (vgl. Art. 4 Abs. 3, 4, 5, 9 und 10), die sich zum Teil gegen eine Ausnutzung des Steuergefälles richten, existieren im OECD-MA nicht.5
1 Frotscher in Haase2, Art. 4 OECD-MA Rz. 122. 2 Vgl. im Einzelnen Wagner in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Russland Rz. 2. 3 Zum Begriff der bevormundeten Person vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 221 ff. 4 Vgl. Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 249. 5 Vgl. insoweit die ausführliche Kommentierung dieser Normen in F/W/K, DBA-Schweiz sowie bei Hardt, in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz; Wilke in G/K/G, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 1 ff.
314
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F. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 172–180 Art. 4
2. Konsequenzen Ansässigkeit. Ob die in Art. 4 Abs. 1 genannten Anknüpfungspunkte (z.B. andere 172 ähnliche Merkmale) für die Ansässigkeit in einem Staat vorliegen, ist nach dem DBASchweiz unerheblich. Damit können auch nicht ortsbezogene Merkmale die Grundlage für die Ansässigkeit bilden.1 Allein entscheidend ist nach Art. 4 Abs. 1 DBASchweiz, ob die Person in dem betreffenden Staat unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG reicht hierfür ebenfalls aus.2 In Sachverhaltskonstellationen, in denen Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Art. 4 Abs. 1 Satz 2 konstitutive Bedeutung haben (vgl. Rz. 53 und Rz. 54), ergeben sich weitere Unterschiede zwischen dem OECD-MA und dem DBA-Schweiz.
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht im We- 173 sentlichen Art. 4 Abs. 1 OECD-MA. Anders als das OECD-MA stellt Art. 4 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 jedoch ergänzend auf das Recht der Länder eines Staates sowie seiner Gebietskörperschaften ab. Eine inhaltliche Änderung ist damit jedoch nicht verbunden. In Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA-Spanien 2011 wird nochmals explizit auf die Länder eines Staates abgestellt. Hierin liegt jedoch nur eine Klarstellung, da Länder als Gebietskörperschaften auch von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erfasst werden. Art. 4 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 4 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht wört- 174 lich Art. 4 Abs. 2 OECD-MA. Art. 4 Abs. 3 DBA-Spanien 2011. Art. 4 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 entspricht wört- 175 lich Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. Protokoll. Nach II. des Protokolls zum DBA-Spanien 2011 gelten die Artikel 4 und 176 6 bis 21 dieses Abkommens nicht für spanische Steuerpflichtige, die sich für die Besteuerung nach dem Steuerrecht für Nichtansässige gemäß Artikel 93 des spanischen Einkommensteuergesetzes für natürliche Personen („Ley 35/2006, del 28 de noviembre, del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las Leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio“) entschieden haben. Gleiches soll für den Fall gelten, dass Deutschland eine ähnliche Regelung einführt. 2. Konsequenzen 177
Keine.
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 4 Abs. 1 DBA-USA. Abweichend von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA erwähnt 178 Art. 4 Abs. 1 DBA-USA als ansässigkeitsbegründendes Merkmal den Ort der Gründung. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-USA ergänzt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA um die Klarstellung, dass auch Steuerpflichtige mit den einer Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinnen oder Vermögen im anderen Staat dort keine Ansässigkeit begründen.3 Art. 4 Abs. 2 DBA-USA. Art. 4 Abs. 2 DBA-USA stimmt wörtlich mit Art. 4 Abs. 2 OECD-MA überein.
179
Art. 4 Abs. 3 DBA-USA. Nach Art. 4 Abs. 3 Halbs. 1 DBA-USA soll der Ansässigkeitskonflikt bei doppelter Ansässigkeit von Gesellschaften im Wege gegenseitigen Einvernehmens gelöst werden. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so gilt die
180
1 GlA. Hardt in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Schweiz Rz. 4. 2 Vgl. Lüdicke, IStR 2000, 188. 3 Vgl. auch Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 36.
Pohl
315
Art. 4 Rz. 180–183
Ansässige Person
Gesellschaft als in keinem der beiden Vertragsstaaten als ansässig (Art. 4 Abs. 3 Halbs. 2 DBA-USA). 181
Protokoll. Nr. 2 des Protokolls zum DBA-USA enthält ferner Regelungen für Inhaber einer „grünen Karte“ und für Investmentfonds, die im OECD-MA nicht enthalten sind. 2. Konsequenzen
182
Ansässigkeit. In dem Vertragsstaat, wo der Ort der Gründung liegt, ist die Gesellschaft ansässig. Inhaber einer „grünen Karte“ sind abweichend von Art. 4 Abs. 1 DBA-USA nur dann in den Vereinigten Staaten ansässig, wenn sie dort einen längeren Aufenthalt nehmen („substantial presence“) oder dort eine ständige Wohnstätte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Nr. 2 des Protokolls zum DBA-USA). Ziel dieser Protokollbestimmung ist es, eine Ausweitung der Abkommensberechtigung insbesondere für in Drittstaaten lebende „Green-Card“ Inhaber zu vermeiden.1 Nach der Nr. 2 des Protokoll zum DBA-USA wird die Ansässigkeit eines Investmentvermögens (Investmentfond und deutsche Investmentaktiengesellschaft), auf die die Vorschriften des InvG anzuwenden sind, in Deutschland bzw. die Ansässigkeit eines Regulated Investment Company (RIC) und eines Real Estate Investment Trusts (REIT) der Vereinigten Staaten in den Vereinigten Staaten fingiert.2
183
Doppelt ansässige sonstige Personen. Ist eine Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 DBA-USA sowohl in Deutschland als auch in den USA ansässig, so regeln die Vertragsstaaten die Ansässigkeit in gegenseitigem Einvernehmen. Abweichend von Art. 4 Abs. 2 Buchst. d OECD-MA besteht jedoch keine Pflicht zur Einigung. Kommt eine Einigung nicht zu Stande, so gilt die Person für Zwecke des Inanspruchnahme der Vergünstigungen nach diesem Abkommen in keinem der beiden Vertragsstaaten als ansässig (vgl. Art. 4 Abs. 3 Halbs. 2 DBA-USA).3 Nach dem Sinn und Zweck der Regelung gilt dies auch, wenn das Verständigungsverfahren noch nicht eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen ist. In diesen Fällen kann sie die Abkommensvorteile nicht in Anspruch nehmen.4
1 2 3 4
Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 19. Vgl. hierzu im Einzelnen Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 31 ff. Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 52. Hierzu im Einzelnen Wolff in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 51.
316
Pohl
Artikel 5
Betriebstätte (1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck „Betriebstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. (2) Der Ausdruck „Betriebstätte“ umfasst insbesondere: a) einen Ort der Leitung, b) eine Zweigniederlassung, c) eine Geschäftsstelle, d) eine Fabrikationsstätte, e) eine Werkstätte und f) ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen. (3) Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet. (4) Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht als Betriebstätten: a) Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden; b) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden; c) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden; d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen; e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen; f) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. (5) Ist eine Person – mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters im Sinne des Absatzes 6 – für ein Unternehmen tätig und besitzt sie in einem Vertragsstaat die Vollmacht, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und übt sie die Vollmacht dort gewöhnlich aus, so wird das Unternehmen ungeachtet der Absätze 1 und 2 so behandelt, als habe es in diesem Staat für alle von der Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten eine Betriebstätte, es sei denn, diese Tätigkeiten beschränken sich auf die in Absatz 4 genannten Tätigkeiten, die, würden sie durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt, diese Einrichtung nach dem genannten Absatz nicht zu einer Betriebstätte machten. (6) Ein Unternehmen wird nicht schon deshalb so behandelt, als habe es eine Betriebstätte in einem Vertragsstaat, weil es dort seine Geschäftstätigkeit durch einen Makler, Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter ausübt, sofern diese Personen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. (7) Allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, wird keine der beiden Gesellschaften zur Betriebstätte der anderen.
Hruschka
317
Art. 5
Betriebstätte
A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
.. . . . . . . .
. . . . . . .
B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Geschäftseinrichtung . . . . . . . . . . . . . IV. Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Örtliche Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitliche Festigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Persönliche Festigkeit (Sachherrschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beginn und Ende Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . VII. Personengesellschaften und Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. I. II. III. IV. V. VI. VII.
Positivkatalog (Absatz 2) . . . . . . . . Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . Ort der Leitung (Buchst. a) . . . . . . Zweigniederlassung (Buchst. b) . . . Geschäftsstelle (Buchst. c) . . . . . . . Fabrikationsstätte (Buchst. d) . . . . Werkstätte (Buchst. e) . . . . . . . . . . Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen (Buchst. f). . . . . . . . . . . . .
D. Bau- und Montageausführungen (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . II. Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Absatz 3 . . III. Zusammenfassung von Tätigkeiten IV. Persönliche Zurechnung der Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . E. Negativkatalog (Absatz 4) . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . II. Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren (Buchst. a) . . . III. Bestände von Gütern oder Waren zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung (Buchst. b) . . . . . . . . . IV. Bestände von Gütern oder Waren zum Zweck der Verarbeitung durch ein anderes Unternehmen (Buchst. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
318
Hruschka
. . . . . . .
1 1 10 18 20 20 22 25 31 31 34 37 39 39 40 45 49
F. I. II. III. IV. V. VI. VII.
58 63 64
. . . . . . .
72 72 75 79 81 83 85
..
87
. . . .
89 89 92 97
. . . .
V. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen (Buchst. d) . . . . . . . . . . . . 115 VI. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, vorbereitende oder Hilfstätigkeiten auszuüben (Buchst. e) . . . 118 VII. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitende oder Hilfstätigkeiten darstellen (Buchst. f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
. . 101 . . 104 . . 107 . . 107
. . 111
. . 113
. . 114
G. I. II. III.
Abhängiger Vertreter (Absatz 5) . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . Person des Vertreters . . . . . . . . . . Vertretungsmacht/Abschlussvollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handlungen des Vertreters . . . . . . Dauerhaftigkeit der Ausübung . . . Negativkatalog. . . . . . . . . . . . . . . . Reichweite der Vertreterbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 124 . . . 124 . . . 130 . . . .
. . . .
. . . .
134 135 138 139
. . . 140
Unabhängiger Vertreter (Absatz 6) . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . Unabhängiger Vertreter . . . . . . . . . . Handeln innerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
. 142 . 142 . 143 . 146
H. Beherrschte Gesellschaften (Absatz 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Beherrschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Einzelfälle zu Betriebsstätten . . . . . . 154 J. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . 199 K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . I. DBA-Belgien . . . . . . . . . . . . . . . II. DBA-China . . . . . . . . . . . . . . . . . III. DBA-Frankreich . . . . . . . . . . . . IV. DBA-Großbritannien. . . . . . . . . V. DBA-Indien . . . . . . . . . . . . . . . . VI. DBA-Italien . . . . . . . . . . . . . . . . VII. DBA-Japan. . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. DBA-Kanada . . . . . . . . . . . . . . . IX. DBA-Luxemburg . . . . . . . . . . . . X. DBA-Niederlande . . . . . . . . . . . XI. DBA-Österreich . . . . . . . . . . . . . XII. DBA-Russland . . . . . . . . . . . . . . XIII. DBA-Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . XIV. DBA-Spanien . . . . . . . . . . . . . . . XV. DBA-USA . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . .
200 201 207 214 222 230 237 243 249 257 258 268 270 271 277 285
Art. 5
OECD-Musterkommentar
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 5 CONCERNING THE DEFINITION OF PERMANENT ESTABLISHMENT 1. The main use of the concept of a permanent establishment is to determine the right of a Contracting State to tax the profits of an enterprise of the other Contracting State. Under Article 7 a Contracting State cannot tax the profits of an enterprise of the other Contracting State unless it carries on its business through a permanent establishment situated therein. 1.1 Before 2000, income from professional services and other activities of an independent character was dealt under a separate Article, i.e. Article 14. The provisions of that Article were similar to those applicable to business profits but it used the concept of fixed base rather than that of permanent establishment since it had originally been thought that the latter concept should be reserved to commercial and industrial activities. The elimination of Article 14 in 2000 reflected the fact that there were no intended differences between the concepts of permanent establishment, as used in Article 7, and fixed base, as used in Article 14, or between how profits were computed and tax was calculated according to which of Article 7 or 14 applied. The elimination of Article 14 therefore meant that the definition of permanent establishment became applicable to what previously constituted a fixed base. Paragraph 1 2. Paragraph 1 gives a general definition of the term “permanent establishment” which brings out its essential characteristics of a permanent establishment in the sense of the Convention, i.e. a distinct “situs”, a “fixed place of business”. The paragraph defines the term “permanent establishment” as a fixed place of business, through which the business of an enterprise is wholly or partly carried on. This definition, therefore, contains the following conditions: – the existence of a “place of business”, i.e. a facility such as premises or, in certain instances, machinery or equipment; – this place of business must be “fixed”, i.e. it must be established at a distinct place with a certain degree of permanence; – the carrying on of the business of the enterprise through this fixed place of business. This means usually that persons who, in one way or another, are dependent on the enterprise (personnel) conduct the business of the enterprise in the State in which the fixed place is situated. 3. It could perhaps be argued that in the general definition some mention should also be made of the other characteristic of a permanent establishment to which some importance has sometimes been attached in the past, namely that the establishment must have a productive character, i.e. contribute to the profits of the enterprise. In the present definition this course has not been taken. Within the framework of a wellrun business organisation it is surely axiomatic to assume that each part contributes to the productivity of the whole. It does not, of course, follow in every case that because in the wider context of the whole organisation a particular establishment has a “productive character” it is consequently a permanent establishment to which profits can properly be attributed for the purpose of tax in a particular territory (see Commentary on paragraph 4). 4. The term “place of business” covers any premises, facilities or installations used for carrying on the business of the enterprise whether or not they are used exclusively for that purpose. A place of business may also exist where no premises are available or required for carrying on the business of the enterprise and it simply has a certain amount of space at its disposal. It is immaterial whether the premises, facilities or installations are owned or rented by or are otherwise at the disposal of the enterprise. Hruschka
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A place of business may thus be constituted by a pitch in a market place, or by a certain permanently used area in a customs depot (e.g. for the storage of dutiable goods). Again the place of business may be situated in the business facilities of another enterprise. This may be the case for instance where the foreign enterprise has at its constant disposal certain premises or a part thereof owned by the other enterprise. 4.1 As noted above, the mere fact that an enterprise has a certain amount of space at its disposal which is used for business activities is sufficient to constitute a place of business. No formal legal right to use that place is therefore required. Thus, for instance, a permanent establishment could exist where an enterprise illegally occupied a certain location where it carried on its business. 4.2 Whilst no formal legal right to use a particular place is required for that place to constitute a permanent establishment, the mere presence of an enterprise at a particular location does not necessarily mean that that location is at the disposal of that enterprise. These principles are illustrated by the following examples where representatives of one enterprise are present on the premises of another enterprise. A first example is that of a salesman who regularly visits a major customer to take orders and meets the purchasing director in his office to do so. In that case, the customer’s premises are not at the disposal of the enterprise for which the salesman is working and therefore do not constitute a fixed place of business through which the business of that enterprise is carried on (depending on the circumstances, however, paragraph 5 could apply to deem a permanent establishment to exist). 4.3 A second example is that of an employee of a company who, for a long period of time, is allowed to use an office in the headquarters of another company (e.g. a newly acquired subsidiary) in order to ensure that the latter company complies with its obligations under contracts concluded with the former company. In that case, the employee is carrying on activities related to the business of the former company and the office that is at his disposal at the headquarters of the other company will constitute a permanent establishment of his employer, provided that the office is at his disposal for a sufficiently long period of time so as to constitute a “fixed place of business” (see paragraphs 6 to 6.3) and that the activities that are performed there go beyond the activities referred to in paragraph 4 of the Article. 4.4 A third example is that of a road transportation enterprise which would use a delivery dock at a customer’s warehouse every day for a number of years for the purpose of delivering goods purchased by that customer. In that case, the presence of the road transportation enterprise at the delivery dock would be so limited that that enterprise could not consider that place as being at its disposal so as to constitute a permanent establishment of that enterprise. 4.5 A fourth example is that of a painter who, for two years, spends three days a week in the large office building of its main client. In that case, the presence of the painter in that office building where he is performing the most important functions of his business (i.e. painting) constitute a permanent establishment of that painter. 4.6 The words “through which” must be given a wide meaning so as to apply to any situation where business activities are carried on at a particular location that is at the disposal of the enterprise for that purpose. Thus, for instance, an enterprise engaged in paving a road will be considered to be carrying on its business “through” the location where this activity takes place. 5. According to the definition, the place of business has to be a “fixed” one. Thus in the normal way there has to be a link between the place of business and a specific geographical point. It is immaterial how long an enterprise of a Contracting State operates in the other Contracting State if it does not do so at a distinct place, but this does not mean that the equipment constituting the place of business has to be actually fixed to the soil on which it stands. It is enough that the equipment remains on a particular site (but see paragraph 20 below). 5.1 Where the nature of the business activities carried on by an enterprise is such that these activities are often moved between neighbouring locations, there may be
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difficulties in determining whether there is a single “place of business” (if two places of business are occupied and the other requirements of Article 5 are met, the enterprise will, of course, have two permanent establishments). As recognised in paragraphs 18 and 20 below a single place of business will generally be considered to exist where, in light of the nature of the business, a particular location within which the activities are moved may be identified as constituting a coherent whole commercially and geographically with respect to that business. 5.2 This principle may be illustrated by examples. A mine clearly constitutes a single place of business even though business activities may move from one location to another in what may be a very large mine as it constitutes a single geographical and commercial unit as concerns the mining business. Similarly, an “office hotel” in which a consulting firm regularly rents different offices may be considered to be a single place of business of that firm since, in that case, the building constitutes a whole geographically and the hotel is a single place of business for the consulting firm. For the same reason, a pedestrian street, outdoor market or fair in different parts of which a trader regularly sets up his stand represents a single place of business for that trader. 5.3 By contrast, where there is no commercial coherence, the fact that activities may be carried on within a limited geographic area should not result in that area being considered as a single place of business. For example, where a painter works successively under a series of unrelated contracts for a number of unrelated clients in a large office building so that it cannot be said that there is one single project for repainting the building, the building should not be regarded as a single place of business for the purpose of that work. However, in the different example of a painter who, under a single contract, undertakes work throughout a building for a single client, this constitutes a single project for that painter and the building as a whole can then be regarded as a single place of business for the purpose of that work as it would then constitute a coherent whole commercially and geographically. 5.4 Conversely, an area where activities are carried on as part of a single project which constitutes a coherent commercial whole may lack the necessary geographic coherence to be considered as a single place of business. For example, where a consultant works at different branches in separate locations pursuant to a single project for training the employees of a bank, each branch should be considered separately. However if the consultant moves from one office to another within the same branch location, he should be considered to remain in the same place of business. The single branch location possesses geographical coherence which is absent where the consultant moves between branches in different locations. 5.5 Clearly, a permanent establishment may only be considered to be situated in a Contracting State if the relevant place of business is situated in the territory of that State. The question of whether a satellite in geostationary orbit could constitute a permanent establishment for the satellite operator relates in part to how far the territory of a State extends into space. No member country would agree that the location of these satellites can be part of the territory of a Contracting State under the applicable rules of international law and could therefore be considered to be a permanent establishment situated therein. Also, the particular area over which a satellite’s signals may be received (the satellite’s “footprint”) cannot be considered to be at the disposal of the operator of the satellite so as to make that area a place of business of the satellite’s operator. 6. Since the place of business must be fixed, it also follows that a permanent establishment can be deemed to exist only if the place of business has a certain degree of permanency, i.e. if it is not of a purely temporary nature. A place of business may, however, constitute a permanent establishment even though it exists, in practice, only for a very short period of time because the nature of the business is such that it will only be carried on for that short period of time. It is sometimes difficult to determine whether this is the case. Whilst the practices followed by member countries have not been consistent in so far as time requirements are concerned, experience has shown that permanent establishments normally have not been considered to exist in Hruschka
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situations where a business had been carried on in a country through a place of business that was maintained for less than six months (conversely, practice shows that there were many cases where a permanent establishment has been considered to exist where the place of business was maintained for a period longer than six months). One exception has been where the activities were of a recurrent nature; in such cases, each period of time during which the place is used needs to be considered in combination with the number of times during which that place is used (which may extend over a number of years). Another exception has been made where activities constituted a business that was carried on exclusively in that country; in this situation, the business may have short duration because of its nature but since it is wholly carried on in that country, its connection with that country is stronger. For ease of administration, countries may want to consider these practices when they address disagreements as to whether a particular place of business that exists only for a short period of time constitutes a permanent establishment. 6.1 As mentioned in paragraphs 11 and 19, temporary interruptions of activities do not cause a permanent establishment to cease to exist. Similarly, as discussed in paragraph 6, where a particular place of business is used for only very short periods of time but such usage takes place regularly over long periods of time, the place of business should not be considered to be of a purely temporary nature. 6.2 Also, there may be cases where a particular place of business would be used for very short periods of time by a number of similar businesses carried on by the same or related persons in an attempt to avoid that the place be considered to have been used for more than purely temporary purposes by each particular business. The remarks of paragraph 18 on arrangements intended to abuse the twelve month period provided for in paragraph 3 would equally apply to such cases. 6.3 Where a place of business which was, at the outset, designed to be used for such a short period of time that it would not have constituted a permanent establishment but is in fact maintained for such a period that it can no longer be considered as a temporary one, it becomes a fixed place of business and thus – retrospectively – a permanent establishment. A place of business can also constitute a permanent establishment from its inception even though it existed, in practice, for a very short period of time, if as a consequence of special circumstances (e.g. death of the taxpayer, investment failure), it was prematurely liquidated. 7. For a place of business to constitute a permanent establishment the enterprise using it must carry on its business wholly or partly through it. As stated in paragraph 3 above, the activity need not be of a productive character. Furthermore, the activity need not be permanent in the sense that there is no interruption of operation, but operations must be carried out on a regular basis. 8. Where tangible property such as facilities, industrial, commercial or scientific (ICS) equipment, buildings, or intangible property such as patents, procedures and similar property, are let or leased to third parties through a fixed place of business maintained by an enterprise of a Contracting State in the other State, this activity will, in general, render the place of business a permanent establishment. The same applies if capital is made available through a fixed place of business. If an enterprise of a State lets or leases facilities, ICS equipment, buildings or intangible property to an enterprise of the other State without maintaining for such letting or leasing activity a fixed place of business in the other State, the leased facility, ICS equipment, building or intangible property, as such, will not constitute a permanent establishment of the lessor provided the contract is limited to the mere leasing of the ICS equipment, etc. This remains the case even when, for example, the lessor supplies personnel after installation to operate the equipment provided that their responsibility is limited solely to the operation or maintenance of the ICS equipment under the direction, responsibility and control of the lessee. If the personnel have wider responsibilities, for example, participation in the decisions regarding the work for which the equipment is used, or if they operate, service, inspect and maintain the equipment under the responsibility and control of the lessor, the activity of the lessor may go beyond the mere leasing of ICS equipment and may constitute an entrepreneurial activ322
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ity. In such a case a permanent establishment could be deemed to exist if the criterion of permanency is met. When such activity is connected with, or is similar in character to, those mentioned in paragraph 3, the time limit of twelve months applies. Other cases have to be determined according to the circumstances. 9. The leasing of containers is one particular case of the leasing of industrial or commercial equipment which does, however, have specific features. The question of determining the circumstances in which an enterprise involved in the leasing of containers should be considered as having a permanent establishment in another State is more fully discussed in a report entitled “The Taxation of Income Derived from the Leasing of Containers.”1 9.1 Another example where an enterprise cannot be considered to carry on its business wholly or partly through a place of business is that of a telecommunications operator of a Contracting State who enters into a “roaming” agreement with a foreign operator in order to allow its users to connect to the foreign operator’s telecommunications network. Under such an agreement, a user who is outside the geographical coverage of that user’s home network can automatically make and receive voice calls, send and receive data or access other services through the use of the foreign network. The foreign network operator then bills the operator of that user’s home network for that use. Under a typical roaming agreement, the home network operator merely transfers calls to the foreign operator’s network and does not operate or have physical access to that network. For these reasons, any place where the foreign network is located cannot be considered to be at the disposal of the home network operator and cannot, therefore, constitute a permanent establishment of that operator. 10. The business of an enterprise is carried on mainly by the entrepreneur or persons who are in a paid-employment relationship with the enterprise (personnel). This personnel includes employees and other persons receiving instructions from the enterprise (e.g. dependent agents). The powers of such personnel in its relationship with third parties are irrelevant. It makes no difference whether or not the dependent agent is authorised to conclude contracts if he works at the fixed place of business (see paragraph 35 below). But a permanent establishment may nevertheless exist if the business of the enterprise is carried on mainly through automatic equipment, the activities of the personnel being restricted to setting up, operating, controlling and maintaining such equipment. Whether or not gaming and vending machines and the like set up by an enterprise of a State in the other State constitute a permanent establishment thus depends on whether or not the enterprise carries on a business activity besides the initial setting up of the machines. A permanent establishment does not exist if the enterprise merely sets up the machines and then leases the machines to other enterprises. A permanent establishment may exist, however, if the enterprise which sets up the machines also operates and maintains them for its own account. This also applies if the machines are operated and maintained by an agent dependent on the enterprise. 11. A permanent establishment begins to exist as soon as the enterprise commences to carry on its business through a fixed place of business. This is the case once the enterprise prepares, at the place of business, the activity for which the place of business is to serve permanently. The period of time during which the fixed place of business itself is being set up by the enterprise should not be counted, provided that this activity differs substantially from the activity for which the place of business is to serve permanently. The permanent establishment ceases to exist with the disposal of the fixed place of business or with the cessation of any activity through it, that is when all acts and measures connected with the former activities of the permanent establishment are terminated (winding up current business transactions, maintenance and repair of facilities). A temporary interruption of operations, however, cannot be regarded as a closure. If the fixed place of business is leased to another enterprise, it will normally only serve the activities of that enterprise instead of the lessor’s; in gen1 Reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(3)-1.
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eral, the lessor’s permanent establishment ceases to exist, except where he continues carrying on a business activity of his own through the fixed place of business. Paragraph 2 12. This paragraph contains a list, by no means exhaustive, of examples, each of which can be regarded, prima facie, as constituting a permanent establishment. As these examples are to be seen against the background of the general definition given in paragraph 1, it is assumed that the Contracting States interpret the terms listed, “a place of management”, “a branch”, “an office”, etc. in such a way that such places of business constitute permanent establishments only if they meet the requirements of paragraph 1. 13. The term “place of management” has been mentioned separately because it is not necessarily an “office”. However, where the laws of the two Contracting States do not contain the concept of “a place of management” as distinct from an “office”, there will be no need to refer to the former term in their bilateral convention. 14. Subparagraph f) provides that mines, oil or gas wells, quarries or any other place of extraction of natural resources are permanent establishments. The term “any other place of extraction of natural resources” should be interpreted broadly. It includes, for example, all places of extraction of hydrocarbons whether on or offshore. 15. Subparagraph f) refers to the extraction of natural resources, but does not mention the exploration of such resources, whether on or off shore. Therefore, whenever income from such activities is considered to be business profits, the question whether these activities are carried on through a permanent establishment is governed by paragraph 1. Since, however, it has not been possible to arrive at a common view on the basic questions of the attribution of taxation rights and of the qualification of the income from exploration activities, the Contracting States may agree upon the insertion of specific provisions. They may agree, for instance, that an enterprise of a Contracting State, as regards its activities of exploration of natural resources in a place or area in the other Contracting State: a) shall be deemed not to have a permanent establishment in that other State; or b) shall be deemed to carry on such activities through a permanent establishment in that other State; or c) shall be deemed to carry on such activities through a permanent establishment in that other State if such activities last longer than a specified period of time. The Contracting States may moreover agree to submit the income from such activities to any other rule. Paragraph 3 16. The paragraph provides expressly that a building site or construction or installation project constitutes a permanent establishment only if it lasts more than twelve months. Any of those items which does not meet this condition does not of itself constitute a permanent establishment, even if there is within it an installation, for instance an office or a workshop within the meaning of paragraph 2, associated with the construction activity. Where, however, such an office or workshop is used for a number of construction projects and the activities performed therein go beyond those mentioned in paragraph 4, it will be considered a permanent establishment if the conditions of the Article are otherwise met even if none of the projects involve a building site or construction or installation project that lasts more than twelve months. In that case, the situation of the workshop or office will therefore be different from that of these sites or projects, none of which will constitute a permanent establishment, and it will be important to ensure that only the profits properly attributable to the functions performed through that office or workshop, taking into account the assets used and the risks assumed through that office or workshop, are attributed to the permanent establishment. This could include profits attributable to functions per-
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formed in relation to the various construction sites but only to the extent that these functions are properly attributable to the office. 17. The term “building site or construction or installation project” includes not only the construction of buildings but also the construction of roads, bridges or canals, the renovation (involving more than mere maintenance or redecoration) of buildings, roads, bridges or canals, the laying of pipe-lines and excavating and dredging. Additionally, the term “installation project” is not restricted to an installation related to a construction project; it also includes the installation of new equipment, such as a complex machine, in an existing building or outdoors. On-site planning and supervision of the erection of a building are covered by paragraph 3. States wishing to modify the text of the paragraph to provide expressly for that result are free to do so in their bilateral conventions. 18. The twelve month test applies to each individual site or project. In determining how long the site or project has existed, no account should be taken of the time previously spent by the contractor concerned on other sites or projects which are totally unconnected with it. A building site should be regarded as a single unit, even if it is based on several contracts, provided that it forms a coherent whole commercially and geographically. Subject to this proviso, a building site forms a single unit even if the orders have been placed by several persons (e.g. for a row of houses). The twelve month threshold has given rise to abuses; it has sometimes been found that enterprises (mainly contractors or subcontractors working on the continental shelf or engaged in activities connected with the exploration and exploitation of the continental shelf) divided their contracts up into several parts, each covering a period less than twelve months and attributed to a different company which was, however, owned by the same group. Apart from the fact that such abuses may, depending on the circumstances, fall under the application of legislative or judicial anti-avoidance rules, countries concerned with this issue can adopt solutions in the framework of bilateral negotiations. 19. A site exists from the date on which the contractor begins his work, including any preparatory work, in the country where the construction is to be established, e.g. if he installs a planning office for the construction. In general, it continues to exist until the work is completed or permanently abandoned. A site should not be regarded as ceasing to exist when work is temporarily discontinued. Seasonal or other temporary interruptions should be included in determining the life of a site. Seasonal interruptions include interruptions due to bad weather. Temporary interruption could be caused, for example, by shortage of material or labour difficulties. Thus, for example, if a contractor started work on a road on 1 May, stopped on 1 November because of bad weather conditions or a lack of materials but resumed work on 1 February the following year, completing the road on 1 June, his construction project should be regarded as a permanent establishment because thirteen months elapsed between the date he first commenced work (1 May) and the date he finally finished (1 June of the following year). If an enterprise (general contractor) which has undertaken the performance of a comprehensive project subcontracts parts of such a project to other enterprises (subcontractors), the period spent by a subcontractor working on the building site must be considered as being time spent by the general contractor on the building project. The subcontractor himself has a permanent establishment at the site if his activities there last more than twelve months. 19.1 In the case of fiscally transparent partnerships, the twelve month test is applied at the level of the partnership as concerns its own activities. If the period of time spent on the site by the partners and the employees of the partnership exceeds twelve months, the enterprise carried on by the partnership will therefore be considered to have a permanent establishment. Each partner will thus be considered to have a permanent establishment for purposes of the taxation of his share of the business profits derived by the partnership regardless of the time spent by himself on the site. 20. The very nature of a construction or installation project may be such that the contractor’s activity has to be relocated continuously or at least from time to time, as the project progresses. This would be the case for instance where roads or canals were Hruschka
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being constructed, waterways dredged, or pipe-lines laid. Similarly, where parts of a substantial structure such as an offshore platform are assembled at various locations within a country and moved to another location within the country for final assembly, this is part of a single project. In such cases, the fact that the work force is not present for twelve months in one particular location is immaterial. The activities performed at each particular spot are part of a single project, and that project must be regarded as a permanent establishment if, as a whole, it lasts more than twelve months. Paragraph 4 21. This paragraph lists a number of business activities which are treated as exceptions to the general definition laid down in paragraph 1 and which are not permanent establishments, even if the activity is carried on through a fixed place of business. The common feature of these activities is that they are, in general, preparatory or auxiliary activities. This is laid down explicitly in the case of the exception mentioned in subparagraph e), which actually amounts to a general restriction of the scope of the definition contained in paragraph 1. Moreover subparagraph f) provides that combinations of activities mentioned in subparagraphs a) to e) in the same fixed place of business shall be deemed not to be a permanent establishment, provided that the overall activity of the fixed place of business resulting from this combination is of a preparatory or auxiliary character. Thus the provisions of paragraph 4 are designed to prevent an enterprise of one State from being taxed in the other State, if it carries on in that other State, activities of a purely preparatory or auxiliary character. 22. Subparagraph a) relates only to the case in which an enterprise acquires the use of facilities for storing, displaying or delivering its own goods or merchandise. Subparagraph b) relates to the stock of merchandise itself and provides that the stock, as such, shall not be treated as a permanent establishment if it is maintained for the purpose of storage, display or delivery. Subparagraph c) covers the case in which a stock of goods or merchandise belonging to one enterprise is processed by a second enterprise, on behalf of, or for the account of, the first-mentioned enterprise. The reference to the collection of information in subparagraph d) is intended to include the case of the newspaper bureau which has no purpose other than to act as one of many “tentacles” of the parent body; to exempt such a bureau is to do no more than to extend the concept of “mere purchase”. 23. Subparagraph e) provides that a fixed place of business through which the enterprise exercises solely an activity which has for the enterprise a preparatory or auxiliary character, is deemed not to be a permanent establishment. The wording of this subparagraph makes it unnecessary to produce an exhaustive list of exceptions. Furthermore, this subparagraph provides a generalised exception to the general definition in paragraph 1 and, when read with that paragraph, provides a more selective test, by which to determine what constitutes a permanent establishment. To a considerable degree it limits that definition and excludes from its rather wide scope a number of forms of business organisations which, although they are carried on through a fixed place of business, should not be treated as permanent establishments. It is recognised that such a place of business may well contribute to the productivity of the enterprise, but the services it performs are so remote from the actual realisation of profits that it is difficult to allocate any profit to the fixed place of business in question. Examples are fixed places of business solely for the purpose of advertising or for the supply of information or for scientific research or for the servicing of a patent or a know-how contract, if such activities have a preparatory or auxiliary character. 24. It is often difficult to distinguish between activities which have a preparatory or auxiliary character and those which have not. The decisive criterion is whether or not the activity of the fixed place of business in itself forms an essential and significant part of the activity of the enterprise as a whole. Each individual case will have to be examined on its own merits. In any case, a fixed place of business whose general purpose is one which is identical to the general purpose of the whole enterprise, does 326
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not exercise a preparatory or auxiliary activity. Where, for example, the servicing of patents and know-how is the purpose of an enterprise, a fixed place of business of such enterprise exercising such an activity cannot get the benefits of subparagraph e). A fixed place of business which has the function of managing an enterprise or even only a part of an enterprise or of a group of the concern cannot be regarded as doing a preparatory or auxiliary activity, for such a managerial activity exceeds this level. If enterprises with international ramifications establish a so-called “management office” in States in which they maintain subsidiaries, permanent establishments, agents or licensees, such office having supervisory and coordinating functions for all departments of the enterprise located within the region concerned, a permanent establishment will normally be deemed to exist, because the management office may be regarded as an office within the meaning of paragraph 2. Where a big international concern has delegated all management functions to its regional management offices so that the functions of the head office of the concern are restricted to general supervision (so-called polycentric enterprises), the regional management offices even have to be regarded as a “place of management” within the meaning of subparagraph a) of paragraph 2. The function of managing an enterprise, even if it only covers a certain area of the operations of the concern, constitutes an essential part of the business operations of the enterprise and therefore can in no way be regarded as an activity which has a preparatory or auxiliary character within the meaning of subparagraph e) of paragraph 4. 25. A permanent establishment could also be constituted if an enterprise maintains a fixed place of business for the delivery of spare parts to customers for machinery supplied to those customers where, in addition, it maintains or repairs such machinery, as this goes beyond the pure delivery mentioned in subparagraph a) of paragraph 4. Since these after-sale organisations perform an essential and significant part of the services of an enterprise vis-à-vis its customers, their activities are not merely auxiliary ones. Subparagraph e) applies only if the activity of the fixed place of business is limited to a preparatory or auxiliary one. This would not be the case where, for example, the fixed place of business does not only give information but also furnishes plans etc. specially developed for the purposes of the individual customer. Nor would it be the case if a research establishment were to concern itself with manufacture. 26. Moreover, subparagraph e) makes it clear that the activities of the fixed place of business must be carried on for the enterprise. A fixed place of business which renders services not only to its enterprise but also directly to other enterprises, for example to other companies of a group to which the company owning the fixed place belongs, would not fall within the scope of subparagraph e). 26.1 Another example is that of facilities such as cables or pipelines that cross the territory of a country. Apart from the fact that income derived by the owner or operator of such facilities from their use by other enterprises is covered by Article 6 where they constitute immovable property under paragraph 2 of Article 6, the question may arise as to whether paragraph 4 applies to them. Where these facilities are used to transport property belonging to other enterprises, subparagraph a), which is restricted to delivery of goods or merchandise belonging to the enterprise that uses the facility, will not be applicable as concerns the owner or operator of these facilities. Subparagraph e) also will not be applicable as concerns that enterprise since the cable or pipeline is not used solely for the enterprise and its use is not of preparatory or auxiliary character given the nature of the business of that enterprise. The situation is different, however, where an enterprise owns and operates a cable or pipeline that crosses the territory of a country solely for purposes of transporting its own property and such transport is merely incidental to the business of that enterprise, as in the case of an enterprise that is in the business of refining oil and that owns and operates a pipeline that crosses the territory of a country solely to transport its own oil to its refinery located in another country. In such case, subparagraph a) would be applicable. An additional question is whether the cable or pipeline could also constitute a permanent establishment for the customer of the operator of the cable or pipe-
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line, i.e. the enterprise whose data, power or property is transmitted or transported from one place to another. In such a case, the enterprise is merely obtaining transmission or transportation services provided by the operator of the cable or pipeline and does not have the cable or pipeline at its disposal. As a consequence, the cable or pipeline cannot be considered to be a permanent establishment of that enterprise. 27. As already mentioned in paragraph 21 above, paragraph 4 is designed to provide for exceptions to the general definition of paragraph 1 in respect of fixed places of business which are engaged in activities having a preparatory or auxiliary character. Therefore, according to subparagraph f) of paragraph 4, the fact that one fixed place of business combines any of the activities mentioned in the subparagraphs a) to e) of paragraph 4 does not mean of itself that a permanent establishment exists. As long as the combined activity of such a fixed place of business is merely preparatory or auxiliary a permanent establishment should be deemed not to exist. Such combinations should not be viewed on rigid lines, but should be considered in the light of the particular circumstances. The criterion “preparatory or auxiliary character” is to be interpreted in the same way as is set out for the same criterion of subparagraph e) (see paragraphs 24 and 25 above). States which want to allow any combination of the items mentioned in subparagraphs a) to e), disregarding whether or not the criterion of the preparatory or auxiliary character of such a combination is met, are free to do so by deleting the words “provided” to “character” in subparagraph f). 27.1 Subparagraph f) is of no importance in a case where an enterprise maintains several fixed places of business within the meaning of subparagraphs a) to e) provided that they are separated from each other locally and organisationally, as in such a case each place of business has to be viewed separately and in isolation for deciding whether a permanent establishment exists. Places of business are not “separated organisationally” where they each perform in a Contracting State complementary functions such as receiving and storing goods in one place, distributing those goods through another etc. An enterprise cannot fragment a cohesive operating business into several small operations in order to argue that each is merely engaged in a preparatory or auxiliary activity. 28. The fixed places of business mentioned in paragraph 4 cannot be deemed to constitute permanent establishments so long as their activities are restricted to the functions which are the prerequisite for assuming that the fixed place of business is not a permanent establishment. This will be the case even if the contracts necessary for establishing and carrying on the business are concluded by those in charge of the places of business themselves. The employees of places of business within the meaning of paragraph 4 who are authorised to conclude such contracts should not be regarded as agents within the meaning of paragraph 5. A case in point would be a research institution the manager of which is authorised to conclude the contracts necessary for maintaining the institution and who exercises this authority within the framework of the functions of the institution. A permanent establishment, however, exists if the fixed place of business exercising any of the functions listed in paragraph 4 were to exercise them not only on behalf of the enterprise to which it belongs but also on behalf of other enterprises. If, for instance, an advertising agency maintained by an enterprise were also to engage in advertising for other enterprises, it would be regarded as a permanent establishment of the enterprise by which it is maintained. 29. If a fixed place of business under paragraph 4 is deemed not to be a permanent establishment, this exception applies likewise to the disposal of movable property forming part of the business property of the place of business at the termination of the enterprise’s activity in such installation (see paragraph 11 above and paragraph 2 of Article 13). Since, for example, the display of merchandise is excepted under subparagraphs a) and b), the sale of the merchandise at the termination of a trade fair or convention is covered by this exception. The exception does not, of course, apply to sales of merchandise not actually displayed at the trade fair or convention.
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30. A fixed place of business used both for activities which rank as exceptions (paragraph 4) and for other activities would be regarded as a single permanent establishment and taxable as regards both types of activities. This would be the case, for instance, where a store maintained for the delivery of goods also engaged in sales. Paragraph 5 31. It is a generally accepted principle that an enterprise should be treated as having a permanent establishment in a State if there is under certain conditions a person acting for it, even though the enterprise may not have a fixed place of business in that State within the meaning of paragraphs 1 and 2. This provision intends to give that State the right to tax in such cases. Thus paragraph 5 stipulates the conditions under which an enterprise is deemed to have a permanent establishment in respect of any activity of a person acting for it. The paragraph was redrafted in the 1977 Model Convention to clarify the intention of the corresponding provision of the 1963 Draft Convention without altering its substance apart from an extension of the excepted activities of the person. 32. Persons whose activities may create a permanent establishment for the enterprise are so-called dependent agents i.e. persons, whether or not employees of the enterprise, who are not independent agents falling under paragraph 6. Such persons may be either individuals or companies and need not be residents of, nor have a place of business in, the State in which they act for the enterprise. It would not have been in the interest of international economic relations to provide that the maintenance of any dependent person would lead to a permanent establishment for the enterprise. Such treatment is to be limited to persons who in view of the scope of their authority or the nature of their activity involve the enterprise to a particular extent in business activities in the State concerned. Therefore, paragraph 5 proceeds on the basis that only persons having the authority to conclude contracts can lead to a permanent establishment for the enterprise maintaining them. In such a case the person has sufficient authority to bind the enterprise’s participation in the business activity in the State concerned. The use of the term “permanent establishment” in this context presupposes, of course, that that person makes use of this authority repeatedly and not merely in isolated cases. 32.1 Also, the phrase “authority to conclude contracts in the name of the enterprise” does not confine the application of the paragraph to an agent who enters into contracts literally in the name of the enterprise; the paragraph applies equally to an agent who concludes contracts which are binding on the enterprise even if those contracts are not actually in the name of the enterprise. Lack of active involvement by an enterprise in transactions may be indicative of a grant of authority to an agent. For example, an agent may be considered to possess actual authority to conclude contracts where he solicits and receives (but does not formally finalise) orders which are sent directly to a warehouse from which goods are delivered and where the foreign enterprise routinely approves the transactions. 33. The authority to conclude contracts must cover contracts relating to operations which constitute the business proper of the enterprise. It would be irrelevant, for instance, if the person had authority to engage employees for the enterprise to assist that person’s activity for the enterprise or if the person were authorised to conclude, in the name of the enterprise, similar contracts relating to internal operations only. Moreover the authority has to be habitually exercised in the other State; whether or not this is the case should be determined on the basis of the commercial realities of the situation. A person who is authorised to negotiate all elements and details of a contract in a way binding on the enterprise can be said to exercise this authority “in that State”, even if the contract is signed by another person in the State in which the enterprise is situated or if the first person has not formally been given a power of representation. The mere fact, however, that a person has attended or even participated in negotiations in a State between an enterprise and a client will not be sufficient, by itself, to conclude that the person has exercised in that State an authority to conclude contracts in the name of the enterprise. The fact that a person has attended Hruschka
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or even participated in such negotiations could, however, be a relevant factor in determining the exact functions performed by that person on behalf of the enterprise. Since, by virtue of paragraph 4, the maintenance of a fixed place of business solely for purposes listed in that paragraph is deemed not to constitute a permanent establishment, a person whose activities are restricted to such purposes does not create a permanent establishment either. 33.1 The requirement that an agent must “habitually” exercise an authority to conclude contracts reflects the underlying principle in Article 5 that the presence which an enterprise maintains in a Contracting State should be more than merely transitory if the enterprise is to be regarded as maintaining a permanent establishment, and thus a taxable presence, in that State. The extent and frequency of activity necessary to conclude that the agent is “habitually exercising” contracting authority will depend on the nature of the contracts and the business of the principal. It is not possible to lay down a precise frequency test. Nonetheless, the same sorts of factors considered in paragraph 6 would be relevant in making that determination. 34. Where the requirements set out in paragraph 5 are met, a permanent establishment of the enterprise exists to the extent that the person acts for the latter, i.e. not only to the extent that such a person exercises the authority to conclude contracts in the name of the enterprise. 35. Under paragraph 5, only those persons who meet the specific conditions may create a permanent establishment; all other persons are excluded. It should be borne in mind, however, that paragraph 5 simply provides an alternative test of whether an enterprise has a permanent establishment in a State. If it can be shown that the enterprise has a permanent establishment within the meaning of paragraphs 1 and 2 (subject to the provisions of paragraph 4), it is not necessary to show that the person in charge is one who would fall under paragraph 5. Paragraph 6 36. Where an enterprise of a Contracting State carries on business dealings through a broker, general commission agent or any other agent of an independent status, it cannot be taxed in the other Contracting State in respect of those dealings if the agent is acting in the ordinary course of his business (see paragraph 32 above). Although it stands to reason that such an agent, representing a separate enterprise, cannot constitute a permanent establishment of the foreign enterprise, paragraph 6 has been inserted in the Article for the sake of clarity and emphasis. 37. A person will come within the scope of paragraph 6, i.e. he will not constitute a permanent establishment of the enterprise on whose behalf he acts only if: a) he is independent of the enterprise both legally and economically, and b) he acts in the ordinary course of his business when acting on behalf of the enterprise. 38. Whether a person is independent of the enterprise represented depends on the extent of the obligations which this person has vis-à-vis the enterprise. Where the person’s commercial activities for the enterprise are subject to detailed instructions or to comprehensive control by it, such person cannot be regarded as independent of the enterprise. Another important criterion will be whether the entrepreneurial risk has to be borne by the person or by the enterprise the person represents. 38.1 In relation to the test of legal dependence, it should be noted that the control which a parent company exercises over its subsidiary in its capacity as shareholder is not relevant in a consideration of the dependence or otherwise of the subsidiary in its capacity as an agent for the parent. This is consistent with the rule in paragraph 7 of Article 5. But, as paragraph 41 of the Commentary indicates, the subsidiary may be considered a dependent agent of its parent by application of the same tests which are applied to unrelated companies. 38.2 The following considerations should be borne in mind when determining whether an agent may be considered to be independent.
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38.3 An independent agent will typically be responsible to his principal for the results of his work but not subject to significant control with respect to the manner in which that work is carried out. He will not be subject to detailed instructions from the principal as to the conduct of the work. The fact that the principal is relying on the special skill and knowledge of the agent is an indication of independence. 38.4 Limitations on the scale of business which may be conducted by the agent clearly affect the scope of the agent’s authority. However such limitations are not relevant to dependency which is determined by consideration of the extent to which the agent exercises freedom in the conduct of business on behalf of the principal within the scope of the authority conferred by the agreement. 38.5 It may be a feature of the operation of an agreement that an agent will provide substantial information to a principal in connection with the business conducted under the agreement. This is not in itself a sufficient criterion for determination that the agent is dependent unless the information is provided in the course of seeking approval from the principal for the manner in which the business is to be conducted. The provision of information which is simply intended to ensure the smooth running of the agreement and continued good relations with the principal is not a sign of dependence. 38.6 Another factor to be considered in determining independent status is the number of principals represented by the agent. Independent status is less likely if the activities of the agent are performed wholly or almost wholly on behalf of only one enterprise over the lifetime of the business or a long period of time. However, this fact is not by itself determinative. All the facts and circumstances must be taken into account to determine whether the agent’s activities constitute an autonomous business conducted by him in which he bears risk and receives reward through the use of his entrepreneurial skills and knowledge. Where an agent acts for a number of principals in the ordinary course of his business and none of these is predominant in terms of the business carried on by the agent legal dependence may exist if the principals act in concert to control the acts of the agent in the course of his business on their behalf. 38.7 Persons cannot be said to act in the ordinary course of their own business if, in place of the enterprise, such persons perform activities which, economically, belong to the sphere of the enterprise rather than to that of their own business operations. Where, for example, a commission agent not only sells the goods or merchandise of the enterprise in his own name but also habitually acts, in relation to that enterprise, as a permanent agent having an authority to conclude contracts, he would be deemed in respect of this particular activity to be a permanent establishment, since he is thus acting outside the ordinary course of his own trade or business (namely that of a commission agent), unless his activities are limited to those mentioned at the end of paragraph 5. 38.8 In deciding whether or not particular activities fall within or outside the ordinary course of business of an agent, one would examine the business activities customarily carried out within the agent’s trade as a broker, commission agent or other independent agent rather than the other business activities carried out by that agent. Whilst the comparison normally should be made with the activities customary to the agent’s trade, other complementary tests may in certain circumstances be used concurrently or alternatively, for example where the agent’s activities do not relate to a common trade. 39. According to the definition of the term “permanent establishment” an insurance company of one State may be taxed in the other State on its insurance business, if it has a fixed place of business within the meaning of paragraph 1 or if it carries on business through a person within the meaning of paragraph 5. Since agencies of foreign insurance companies sometimes do not meet either of the above requirements, it is conceivable that these companies do large-scale business in a State without being taxed in that State on their profits arising from such business. In order to obviate this possibility, various conventions concluded by OECD member countries include a provision which stipulates that insurance companies of a State are deemed to have a permanent establishment in the other State if they collect premiums in that other Hruschka
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State through an agent established there – other than an agent who already constitutes a permanent establishment by virtue of paragraph 5 – or insure risks situated in that territory through such an agent. The decision as to whether or not a provision along these lines should be included in a convention will depend on the factual and legal situation prevailing in the Contracting States concerned. Frequently, therefore, such a provision will not be contemplated. In view of this fact, it did not seem advisable to insert a provision along these lines in the Model Convention. Paragraph 7 40. It is generally accepted that the existence of a subsidiary company does not, of itself, constitute that subsidiary company a permanent establishment of its parent company. This follows from the principle that, for the purpose of taxation, such a subsidiary company constitutes an independent legal entity. Even the fact that the trade or business carried on by the subsidiary company is managed by the parent company does not constitute the subsidiary company a permanent establishment of the parent company. 41. A parent company may, however, be found, under the rules of paragraphs 1 or 5 of the Article, to have a permanent establishment in a State where a subsidiary has a place of business. Thus, any space or premises belonging to the subsidiary that is at the disposal of the parent company (see paragraphs 4, 5 and 6 above) and that constitutes a fixed place of business through which the parent carries on its own business will constitute a permanent establishment of the parent under paragraph 1, subject to paragraphs 3 and 4 of the Article (see for instance, the example in paragraph 4.3 above). Also, under paragraph 5, a parent will be deemed to have a permanent establishment in a State in respect of any activities that its subsidiary undertakes for it if the subsidiary has, and habitually exercises, in that State an authority to conclude contracts in the name of the parent (see paragraphs 32, 33 and 34 above), unless these activities are limited to those referred to in paragraph 4 of the Article or unless the subsidiary acts in the ordinary course of its business as an independent agent to which paragraph 6 of the Article applies. 41.1 The same principles apply to any company forming part of a multinational group so that such a company may be found to have a permanent establishment in a State where it has at its disposal (see paragraphs 4, 5 and 6 above) and uses premises belonging to another company of the group, or if the former company is deemed to have a permanent establishment under paragraph 5 of the Article (see paragraphs 32, 33 and 34 above). The determination of the existence of a permanent establishment under the rules of paragraphs 1 or 5 of the Article must, however, be done separately for each company of the group. Thus, the existence in one State of a permanent establishment of one company of the group will not have any relevance as to whether another company of the group has itself a permanent establishment in that State. 42. Whilst premises belonging to a company that is a member of a multinational group can be put at the disposal of another company of the group and may, subject to the other conditions of Article 5, constitute a permanent establishment of that other company if the business of that other company is carried on through that place, it is important to distinguish that case from the frequent situation where a company that is a member of a multinational group provides services (e.g. management services) to another company of the group as part of its own business carried on in premises that are not those of that other company and using its own personnel. In that case, the place where those services are provided is not at the disposal of the latter company and it is not the business of that company that is carried on through that place. That place cannot, therefore, be considered to be a permanent establishment of the company to which the services are provided. Indeed, the fact that a company’s own activities at a given location may provide an economic benefit to the business of another company does not mean that the latter company carries on its business through that location: clearly, a company that merely purchases parts produced or services supplied by another company in a different country would not have a permanent estab-
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lishment because of that, even though it may benefit from the manufacturing of these parts or the supplying of these services. Electronic commerce 42.1 There has been some discussion as to whether the mere use in electronic commerce operations of computer equipment in a country could constitute a permanent establishment. That question raises a number of issues in relation to the provisions of the Article. 42.2 Whilst a location where automated equipment is operated by an enterprise may constitute a permanent establishment in the country where it is situated (see below), a distinction needs to be made between computer equipment, which may be set up at a location so as to constitute a permanent establishment under certain circumstances, and the data and software which is used by, or stored on, that equipment. For instance, an Internet web site, which is a combination of software and electronic data, does not in itself constitute tangible property. It therefore does not have a location that can constitute a “place of business” as there is no “facility such as premises or, in certain instances, machinery or equipment” (see paragraph 2 above) as far as the software and data constituting that web site is concerned. On the other hand, the server on which the web site is stored and through which it is accessible is a piece of equipment having a physical location and such location may thus constitute a “fixed place of business” of the enterprise that operates that server. 42.3 The distinction between a web site and the server on which the web site is stored and used is important since the enterprise that operates the server may be different from the enterprise that carries on business through the web site. For example, it is common for the web site through which an enterprise carries on its business to be hosted on the server of an Internet Service Provider (ISP). Although the fees paid to the ISP under such arrangements may be based on the amount of disk space used to store the software and data required by the web site, these contracts typically do not result in the server and its location being at the disposal of the enterprise (see paragraph 4 above), even if the enterprise has been able to determine that its web site should be hosted on a particular server at a particular location. In such a case, the enterprise does not even have a physical presence at that location since the web site is not tangible. In these cases, the enterprise cannot be considered to have acquired a place of business by virtue of that hosting arrangement. However, if the enterprise carrying on business through a web site has the server at its own disposal, for example it owns (or leases) and operates the server on which the web site is stored and used, the place where that server is located could constitute a permanent establishment of the enterprise if the other requirements of the Article are met. 42.4 Computer equipment at a given location may only constitute a permanent establishment if it meets the requirement of being fixed. In the case of a server, what is relevant is not the possibility of the server being moved, but whether it is in fact moved. In order to constitute a fixed place of business, a server will need to be located at a certain place for a sufficient period of time so as to become fixed within the meaning of paragraph 1. 42.5 Another issue is whether the business of an enterprise may be said to be wholly or partly carried on at a location where the enterprise has equipment such as a server at its disposal. The question of whether the business of an enterprise is wholly or partly carried on through such equipment needs to be examined on a case-by-case basis, having regard to whether it can be said that, because of such equipment, the enterprise has facilities at its disposal where business functions of the enterprise are performed. 42.6 Where an enterprise operates computer equipment at a particular location, a permanent establishment may exist even though no personnel of that enterprise is required at that location for the operation of the equipment. The presence of personnel is not necessary to consider that an enterprise wholly or partly carries on its business at a location when no personnel are in fact required to carry on business activities at that location. This conclusion applies to electronic commerce to the same extent that Hruschka
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it applies with respect to other activities in which equipment operates automatically, e.g. automatic pumping equipment used in the exploitation of natural resources. 42.7 Another issue relates to the fact that no permanent establishment may be considered to exist where the electronic commerce operations carried on through computer equipment at a given location in a country are restricted to the preparatory or auxiliary activities covered by paragraph 4. The question of whether particular activities performed at such a location fall within paragraph 4 needs to be examined on a case-by-case basis having regard to the various functions performed by the enterprise through that equipment. Examples of activities which would generally be regarded as preparatory or auxiliary include: – providing a communications link – much like a telephone line – between suppliers and customers; – advertising of goods or services; – relaying information through a mirror server for security and efficiency purposes; – gathering market data for the enterprise; – supplying information. 42.8 Where, however, such functions form in themselves an essential and significant part of the business activity of the enterprise as a whole, or where other core functions of the enterprise are carried on through the computer equipment, these would go beyond the activities covered by paragraph 4 and if the equipment constituted a fixed place of business of the enterprise (as discussed in paragraphs 42.2 to 42.6 above), there would be a permanent establishment. 42.9 What constitutes core functions for a particular enterprise clearly depends on the nature of the business carried on by that enterprise. For instance, some ISPs are in the business of operating their own servers for the purpose of hosting web sites or other applications for other enterprises. For these ISPs, the operation of their servers in order to provide services to customers is an essential part of their commercial activity and cannot be considered preparatory or auxiliary. A different example is that of an enterprise (sometimes referred to as an “e-tailer”) that carries on the business of selling products through the Internet. In that case, the enterprise is not in the business of operating servers and the mere fact that it may do so at a given location is not enough to conclude that activities performed at that location are more than preparatory and auxiliary. What needs to be done in such a case is to examine the nature of the activities performed at that location in light of the business carried on by the enterprise. If these activities are merely preparatory or auxiliary to the business of selling products on the Internet (for example, the location is used to operate a server that hosts a web site which, as is often the case, is used exclusively for advertising, displaying a catalogue of products or providing information to potential customers), paragraph 4 will apply and the location will not constitute a permanent establishment. If, however, the typical functions related to a sale are performed at that location (for example, the conclusion of the contract with the customer, the processing of the payment and the delivery of the products are performed automatically through the equipment located there), these activities cannot be considered to be merely preparatory or auxiliary. 42.10 A last issue is whether paragraph 5 may apply to deem an ISP to constitute a permanent establishment. As already noted, it is common for ISPs to provide the service of hosting the web sites of other enterprises on their own servers. The issue may then arise as to whether paragraph 5 may apply to deem such ISPs to constitute permanent establishments of the enterprises that carry on electronic commerce through web sites operated through the servers owned and operated by these ISPs. Whilst this could be the case in very unusual circumstances, paragraph 5 will generally not be applicable because the ISPs will not constitute an agent of the enterprises to which the web sites belong, because they will not have authority to conclude contracts in the name of these enterprises and will not regularly conclude such contracts or because they will constitute independent agents acting in the ordinary course of their business, as evidenced by the fact that they host the web sites of many different enter-
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prises. It is also clear that since the web site through which an enterprise carries on its business is not itself a “person” as defined in Article 3, paragraph 5 cannot apply to deem a permanent establishment to exist by virtue of the web site being an agent of the enterprise for purposes of that paragraph. The taxation of services 42.11 The combined effect of this Article and Article 7 is that the profits from services performed in the territory of a Contracting State by an enterprise of the other Contracting State are not taxable in the first-mentioned State if they are not attributable to a permanent establishment situated therein (as long as they are not covered by other Articles of the Convention that would allow such taxation). This result, under which these profits are only taxable in the other State, is supported by various policy and administrative considerations. It is consistent with the principle of Article 7 that until an enterprise of one State sets up a permanent establishment in another State, it should not be regarded as participating in the economic life of that State to such an extent that it comes within the taxing jurisdiction of that other State. Also, the provision of services should, as a general rule subject to a few exceptions for some types of service (e.g. those covered by Article 8 and 17), be treated the same way as other business activities and, therefore, the same permanent establishment threshold of taxation should apply to all business activities, including the provision of independent services. 42.12 One of the administrative considerations referred to above is that the extension of the cases where source taxation of profits from services performed in the territory of a Contracting State by an enterprise of the other Contracting State would be allowed would increase the compliance and administrative burden of enterprises and tax administrations. This would be especially problematic with respect to services provided to non-business consumers, which would not need to be disclosed to the source country’s tax administration for purposes of claiming a business expense deduction. Since the rules that have typically been designed for that purpose are based on the amount of time spent in a State, both tax administrations and enterprises would need to take account of the time spent in a country by personnel of service enterprises and these enterprises would face the risk of having a permanent establishment in unexpected circumstances in cases where they would be unable to determine in advance how long personnel would be present in a particular country (e.g. in situations where that presence would be extended because of unforeseen difficulties or at the request of a client). These cases create particular compliance difficulties as they require an enterprise to retroactively comply with a number of administrative requirements associated with a permanent establishment. These concerns relate to the need to maintain books and records, the taxation of the employees (e.g. the need to make source deductions in another country) as well as other non-income tax requirements. 42.13 Also, the source taxation of profits from services performed in the territory of a Contracting State by an enterprise of the other Contracting State that does not have a fixed place of business in the first-mentioned State would create difficulties concerning the determination of the profits to be taxed and the collection of the relevant tax. In most cases, the enterprise would not have the accounting records and assets typically associated with a permanent establishment and there would be no dependent agent which could comply with information and collection requirements. Moreover, whilst it is a common feature of States’ domestic law to tax profits from services performed in their territory, it does not necessarily represent optimal tax treaty policy. 42.14 Some States, however, are reluctant to adopt the principle of exclusive residence taxation of services that are not attributable to a permanent establishment situated in their territory but that are performed in that territory. These States propose changes to the Article in order to preserve source taxation rights, in certain circumstances, with respect to the profits from such services. States that believe that additional source taxation rights should be allocated under a treaty with respect to serHruschka
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vices performed in their territory rely on various arguments to support their position. 42.15 These States may consider that profits from services performed in a given state should be taxable in that state on the basis of the generally-accepted policy principles for determining when business profits should be considered to have their source within a jurisdiction. They consider that, from the exclusive angle of the pure policy question of where business profits originate, the State where services are performed should have a right to tax even when these services are not attributable to a permanent establishment as defined in Article 5. They would note that the domestic law of many countries provides for the taxation of services performed in these countries even in the absence of a permanent establishment (even though services performed over very short periods of time may not always be taxed in practice). 42.16 These States are concerned that some service businesses do not require a fixed place of business in their territory in order to carry on a substantial level of business activities therein and consider that these additional rights are therefore appropriate. 42.17 Also, these States consider that even if the taxation of profits of enterprises carried on by non-residents that are not attributable to a permanent establishment raises certain compliance and administrative difficulties, these difficulties do not justify exempting from tax the profits from all services performed on their territory by such enterprises. Those who support that view may refer to mechanisms that are already in place in some States to ensure taxation of services performed in these States but not attributable to permanent establishments (such mechanisms are based on requirements for resident payers to report, and possibly withhold tax on, payments to non-residents for services performed in these States). 42.18 It should be noted, however, that all member States agree that a State should not have source taxation rights on income derived from the provision of services performed by a non-resident outside that State. Under tax conventions, the profits from the sale of goods that are merely imported by a resident of a country and that are neither produced nor distributed through a permanent establishment in that country are not taxable therein and the same principle should apply in the case of services. The mere fact that the payer of the consideration for services is a resident of a State, or that such consideration is borne by a permanent establishment situated in that State or that the result of the services is used within the State does not constitute a sufficient nexus to warrant allocation of income taxing rights to that State. 42.19 Another fundamental issue on which there is general agreement relates to the determination of the amount on which tax should be levied. In the case of non-employment services (and subject to possible exceptions such as Article 17) only the profits derived from the services should be taxed. Thus, provisions that are sometimes included in bilateral conventions and that allow a State to tax the gross amount of the fees paid for certain services if the payer of the fees is a resident of that State do not seem to provide an appropriate way of taxing services. First, because these provisions are not restricted to services performed in the State of source, they have the effect of allowing a State to tax business activities that do not take place in that State. Second, these rules allow taxation of the gross payments for services as opposed to the profits therefrom. 42.20 Also, member States agree that it is appropriate, for compliance and other reasons, not to allow a State to tax the profits from services performed in their territory in certain circumstances (e.g. when such services are provided during a very short period of time). 42.21 The Committee therefore considered that it was important to circumscribe the circumstances in which States that did not agree with the conclusion in paragraph 42.11 above could, if they wished to, provide that profits from services performed in the territory of a Contracting State by an enterprise of the other Contracting State would be taxable by that State even if there was no permanent establishment, as defined in Article 5, to which the profits were attributable.
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42.22 Clearly, such taxation should not extend to services performed outside the territory of a State and should apply only to the profits from these services rather than to the payments for them. Also, there should be a minimum level of presence in a State before such taxation is allowed. 42.23 The following is an example of a provision that would conform to these requirements; States are free to agree bilaterally to include such a provision in their tax treaties: Notwithstanding the provisions of paragraphs 1, 2 and 3, where an enterprise of a Contracting State performs services in the other Contracting State a) through an individual who is present in that other State for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period, and more than 50 per cent of the gross revenues attributable to active business activities of the enterprise during this period or periods are derived from the services performed in that other State through that individual, or b) for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period, and these services are performed for the same project or for connected projects through one or more individuals who are present and performing such services in that other State the activities carried on in that other State in performing these services shall be deemed to be carried on through a permanent establishment of the enterprise situated in that other State, unless these services are limited to those mentioned in paragraph 4 which, if performed through a fixed place of business, would not make this fixed place of business a permanent establishment under the provisions of that paragraph. For the purposes of this paragraph, services performed by an individual on behalf of one enterprise shall not be considered to be performed by another enterprise through that individual unless that other enterprise supervises, directs or controls the manner in which these services are performed by the individual. 42.24 That alternative provision constitutes an extension of the permanent establishment definition that allows taxation of income from services provided by enterprises carried on by non-residents but does so in conformity with the principles described in paragraph 42.22. The following paragraphs discuss various aspects of the alternative provision; clearly these paragraphs are not relevant in the case of treaties that do not include such a provision and do not, therefore, allow a permanent establishment to be found merely because the conditions described in this provision have been met. 42.25 The provision has the effect of deeming a permanent establishment to exist where one would not otherwise exist under the definition provided in paragraph 1 and the examples of paragraph 2. It therefore applies notwithstanding these paragraphs. As is the case of paragraph 5 of the Article, the provision provides a supplementary basis under which an enterprise may be found to have a permanent establishment in a State; it could apply, for example, where a consultant provides services over a long period in a country but at different locations that do not meet the conditions of paragraph 1 to constitute one or more permanent establishments. If it can be shown that the enterprise has a permanent establishment within the meaning of paragraphs 1 and 2 (subject to the provisions of paragraph 4), it is not necessary to apply the provision in order to find a permanent establishment. Since the provision simply creates a permanent establishment when none would otherwise exist, it does not provide an alternative definition of the concept of permanent establishment and obviously cannot limit the scope of the definition in paragraph 1 and of the examples in paragraph 2. 42.26 The provision also applies notwithstanding paragraph 3. Thus, an enterprise may be deemed to have a permanent establishment because it performs services in a country for the periods of time provided for in the suggested paragraph even if the various locations where these services are performed do not constitute permanent establishments pursuant to paragraph 3. The following example illustrates that result. A self-employed individual resident of one Contracting State provides services and is
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present in the other Contracting State for more than 183 days during a twelve month period but his services are performed for equal periods of time at a location that is not a construction site (and are not in relation to a construction or installation project) as well as on two unrelated building sites which each lasts less than the period of time provided for in paragraph 3. Whilst paragraph 3 would deem the two sites not to constitute permanent establishments, the proposed paragraph, which applies notwithstanding paragraph 3, would deem the enterprise carried on by that person to have a permanent establishment (since the individual is self-employed, it must be assumed that the 50 per cent of gross revenues test will be met with respect to his enterprise). 42.27 Another example is that of a large construction enterprise that carries on a single construction project in a country. If the project is carried on at a single site, the provision should not have a significant impact as long as the period required for the site to constitute a permanent establishment is not substantially different from the period required for the provision to apply. States that wish to use the alternative provision may therefore wish to consider referring to the same periods of time in that provision and in paragraph 3 of Article 5; if a shorter period is used in the alternative provision, this will reduce, in practice, the scope of application of paragraph 3. 42.28 The situation, however, may be different if the project, or connected projects, are carried out in different parts of a country. If the individual sites where a single project is carried on do not last sufficiently long for each of them to constitute a permanent establishment (see, however, paragraph 20 above), a permanent establishment will still be deemed to exist if the conditions of the alternative provision are met. That result is consistent with the purpose of the provision, which is to subject to source taxation foreign enterprises that are present in a country for a sufficiently long period of time notwithstanding the fact that their presence at any particular location in that country is not sufficiently long to make that location a fixed place of business of the enterprise. Some States, however, may consider that paragraph 3 should prevail over the alternative provision and may wish to amend the provision accordingly. 42.29 The suggested paragraph only applies to services. Other types of activities that do not constitute services are therefore excluded from its scope. Thus, for instance, the paragraph would not apply to a foreign enterprise that carries on fishing activities in the territorial waters of a State and derives revenues from selling its catches (in some treaties, however, activities such as fishing and oil extraction may be covered by specific provisions). 42.30 The provision applies to services performed by an enterprise. Thus, services must be provided by the enterprise to third parties. Clearly, the provision could not have the effect of deeming an enterprise to have a permanent establishment merely because services are provided to that enterprise. For example, services might be provided by an individual to his employer without that employer performing any services (e.g. an employee who provides manufacturing services to an enterprise that sells manufactured products). Another example would be where the employees of one enterprise provide services in one country to an associated enterprise under detailed instructions and close supervision of the latter enterprise; in that case, assuming the services in question are not for the benefit of any third party, the latter enterprise does not itself perform any services to which the provision could apply. 42.31 Also, the provision only applies to services that are performed in a State by a foreign enterprise. Whether or not the relevant services are furnished to a resident of the State does not matter; what matters is that the services are performed in the State through an individual present in that State. 42.32 The alternative provision does not specify that the services must be provided “through employees or other personnel engaged by the enterprise”, a phrase that is sometimes found in bilateral treaties. It simply provides that the services must be performed by an enterprise. As explained in paragraph 10, the business of an enterprise (which, in the context of the paragraph, would include the services performed in a Contracting State) “is carried on mainly by the entrepreneur or persons who are in 338
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paid-employment relationship with the enterprise (personnel). This personnel includes employees and other persons receiving instructions from the enterprise (e.g. dependent agents).” For the purposes of the alternative provision, the individuals through which an enterprise provides services will therefore be the individuals referred to in paragraph 10, subject to the exception included in the last sentence of that provision (see paragraph 42.43 below). 42.33 The alternative provision will apply in two different sets of circumstances. Subparagraph a) looks at the duration of the presence of the individual through whom an enterprise derives most of its revenues in a way that is similar to that of subparagraph 2 a) of Article 15; subparagraph b) looks at the duration of the activities of the individuals through whom the services are performed. 42.34 Subparagraph a) deals primarily with the situation of an enterprise carried on by a single individual. It also covers, however, the case of an enterprise which, during the relevant period or periods, derives most of its revenues from services provided by one individual. Such extension is necessary to avoid a different treatment between, for example, a case where services are provided by an individual and a case where similar services are provided by a company all the shares of which are owned by the only employee of that company. 42.35 The subparagraph may apply in different situations where an enterprise performs services through an individual, such as when the services are performed by a sole proprietorship, by the partner of a partnership, by the employee of a company etc. The main conditions are that – the individual through whom the services are performed be present in a State for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period, and – more than 50 per cent of the gross revenues attributable to active business activities of the enterprise during the period or periods of presence be derived from the services performed in that State through that individual. 42.36 The first condition refers to the days of presence of an individual. Since the formulation is identical to that of subparagraph 2 a) of Article 15, the principles applicable to the computation of the days of presence for purposes of that last subparagraph are also applicable to the computation of the days of presence for the purpose of the suggested paragraph. 42.37 For the purposes of the second condition, according to which more than 50 per cent of the gross revenues attributable to active business activities of the enterprise during the relevant period or periods must be derived from the services performed in that State through that individual, the gross revenues attributable to active business activities of the enterprise would represent what the enterprise has charged or should charge for its active business activities, regardless of when the actual billing will occur or of domestic law rules concerning when such revenues should be taken into account for tax purposes. Such active business activities are not restricted to activities related to the provision of services. Gross revenues attributable to “active business activities” would clearly exclude income from passive investment activities, including, for example, receiving interest and dividends from investing surplus funds. States may, however, prefer to use a different test, such as “50 per cent of the business profits of the enterprise during this period or periods is derived from the services” or “the services represent the most important part of the business activities of the enterprise”, in order to identify an enterprise that derives most of its revenues from services performed by an individual on their territory. 42.38 The following examples illustrate the application of subparagraph a) (assuming that the alternative provision has been included in a treaty between States R and S): – Example 1: W, a resident of State R, is a consultant who carries on her business activities in her own name (i.e. that enterprise is a sole proprietorship). Between 2 February 00 and 1 February 01, she is present in State S for a period or periods of 190 days and during that period all the revenues from her business activities are
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derived from services that she performs in State S. Since subparagraph a) applies in that situation, these services shall be deemed to be performed through a permanent establishment in State S. – Example 2: X, a resident of State R, is one of the two shareholders and employees of XCO, a company resident of State R that provides engineering services. Between 20 December 00 and 19 December 01, X is present in State S for a period or periods of 190 days and during that period, 70 per cent of all the gross revenues of XCO attributable to active business activities are derived from the services that X performs in State S. Since subparagraph a) applies in that situation, these services shall be deemed to be performed through a permanent establishment of XCO in State S. – Example 3: X and Y, who are residents of State R, are the two partners of X&Y, a partnership established in State R which provides legal services. For tax purposes, State R treats partnerships as transparent entities. Between 15 July 00 and 14 July 01, Y is present in State S for a period or periods of 240 days and during that period, 55 per cent of all the fees of X&Y attributable to X&Y’s active business activities are derived from the services that Y performs in State S. Subparagraph a) applies in that situation and, for the purposes of the taxation of X and Y, the services performed by Y are deemed to be performed through a permanent establishment in State S. – Example 4: Z, a resident of State R, is one of 10 employees of ACO, a company resident of State R that provides accounting services. Between 10 April 00 and 9 April 01, Z is present in State S for a period or periods of 190 days and during that period, 12 per cent of all the gross revenues of ACO attributable to its active business activities are derived from the services that Z performs in State S. Subparagraph a) does not apply in that situation and, unless subparagraph b) applies to ACO, the alternative provision will not deem ACO to have a permanent establishment in State S. 42.39 Subparagraph b) addresses the situation of an enterprise that performs services in a Contracting State in relation to a particular project (or for connected projects) and which performs these through one or more individuals over a substantial period. The period or periods referred to in the subparagraph apply in relation to the enterprise and not to the individuals. It is therefore not necessary that it be the same individual or individuals who perform the services and are present throughout these periods. As long as, on a given day, the enterprise is performing its services through at least one individual who is doing so and is present in the State, that day would be included in the period or periods referred to in the subparagraph. Clearly, however, that day will count as a single day regardless of how many individuals are performing such services for the enterprise during that day. 42.40 The reference to an “enterprise … performing these services for the same project” should be interpreted from the perspective of the enterprise that provides the services. Thus, an enterprise may have two different projects to provide services to a single customer (e.g. to provide tax advice and to provide training in an area unrelated to tax) and whilst these may be related to a single project of the customer, one should not consider that the services are performed for the same project. 42.41 The reference to “connected projects” is intended to cover cases where the services are provided in the context of separate projects carried on by an enterprise but these projects have a commercial coherence (see paragraphs 5.3 and 5.4 above). The determination of whether projects are connected will depend on the facts and circumstances of each case but factors that would generally be relevant for that purpose include: – whether the projects are covered by a single master contract; – where the projects are covered by different contracts, whether these different contracts were concluded with the same person or with related persons and whether the conclusion of the additional contracts would reasonably have been expected when concluding the first contract;
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– whether the nature of the work involved under the different projects is the same; – whether the same individuals are performing the services under the different projects. 42.42 Subparagraph b) requires that during the relevant periods, the enterprise is performing services through individuals who are performing such services in that other State. For that purpose, a period during which individuals are performing services means a period during which the services are actually provided, which would normally correspond to the working days of these individuals. An enterprise that agrees to keep personnel available in case a client needs the services of such personnel and charges the client standby charges for making such personnel available is performing services through the relevant individuals even though they are idle during the working days when they remain available. 42.43 As indicated in paragraph 42.32, for the purposes of the alternative provision, the individuals through whom an enterprise provides services will be the individuals referred to in paragraph 10 above. If, however, an individual is providing the services on behalf of one enterprise, the exception included in the last sentence of the provision clarifies that the services performed by that individual will only be taken into account for another enterprise if the work of that individual is exercised under the supervision, direction or control of the last-mentioned enterprise. Thus, for example, where a company that has agreed by contract to provide services to third parties provides these services through the employees of a separate enterprise (e.g. an enterprise providing outsourced services), the services performed through these employees will not be taken into account for purposes of the application of subparagraph b) to the company that entered into the contract to provide services to third parties. This rule applies regardless of whether the separate enterprise is associated to, or independent from, the company that entered into the contract. 42.44 The following examples illustrate the application of subparagraph b) (assuming that the alternative provision has been included in a treaty between States R and S): – Example 1: X, a company resident of State R, has agreed with company Y to carry on geological surveys in various locations in State S where company Y owns exploration rights. Between 15 May 00 and 14 May 01, these surveys are carried on over 185 working days by employees of X as well as by self-employed individuals to whom X has sub-contracted part of the work but who work under the direction, supervision or control of X. Since subparagraph b) applies in that situation, these services shall be deemed to be performed through a permanent establishment of X in State S. – Example 2: Y, a resident of State T, is one of the two shareholders and employees of WYCO, a company resident of State R that provides training services. Between 10 June 00 and 9 June 01, Y performs services in State S under a contract that WYCO has concluded with a company which is a resident of State S to train the employees of that company. These services are performed in State S over 185 working days. During the period of Y’s presence in State S, the revenues from these services account for 40 per cent of the gross revenues of WYCO from its active business activities. Whilst subparagraph a) does not apply in that situation, subparagraph b) applies and these services shall be deemed to be performed through a permanent establishment of WYCO in State S. – Example 3: ZCO, a resident of State R, has outsourced to company OCO, which is a resident of State S, the technical support that it provides by telephone to its clients. OCO operates a call centre for a number of companies similar to ZCO. During the period of 1 January 00 to 31 December 00, the employees of OCO provide technical support to various clients of ZCO. Since the employees of OCO are not under the supervision, direction or control of ZCO, it cannot be considered, for the purposes of subparagraph b), that ZCO is performing services in State S through these employees. Additionally, whilst the services provided by OCO’s employees to the various clients of ZCO are similar, these are provided under different contracts
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concluded by ZCO with unrelated clients: these services cannot, therefore, be considered to be rendered for the same or connected projects. 42.45 The 183-day thresholds provided for in the alternative provision may give rise to the same type of abuse as is described in paragraph 18 above. As indicated in that paragraph, legislative or judicial anti-avoidance rules may apply to prevent such abuses. Some States, however, may prefer to deal with them by including a specific provision in the Article. Such a provision could be drafted along the following lines: For the purposes of paragraph [x], where an enterprise of a Contracting State that is performing services in the other Contracting State is, during a period of time, associated with another enterprise that performs substantially similar services in that other State for the same project or for connected projects through one or more individuals who, during that period, are present and performing such services in that State, the first-mentioned enterprise shall be deemed, during that period of time, to be performing services in the other State for that same project or for connected projects through these individuals. For the purpose of the preceding sentence, an enterprise shall be associated with another enterprise if one is controlled directly or indirectly by the other, or both are controlled directly or indirectly by the same persons, regardless of whether or not these persons are residents of one of the Contracting States. 42.46 According to the provision, the activities carried on in the other State by the individuals referred to in subparagraph a) or b) through which the services are performed by the enterprise during the period or periods referred to in these subparagraphs are deemed to be carried on through a permanent establishment that the enterprise has in that other State. The enterprise is therefore deemed to have a permanent establishment in that other State for the purposes of all the provisions of the Convention (including, for example, paragraph 5 of Article 11 and paragraph 2 of Article 15) and the profits derived from the activities carried on in the other State in providing these services are attributable to that permanent establishment and are therefore taxable in that State pursuant to Article 7. 42.47 By deeming the activities carried on in performing the relevant services to be carried on through a permanent establishment that the enterprise has in a Contracting State, the provision allows the application of Article 7 and therefore, the taxation, by that State, of the profits attributable to these activities. As a general rule, it is important to ensure that only the profits derived from the activities carried on in performing the services are taxed; whilst there may be certain exceptions, it would be detrimental to the cross-border trade in services if payments received for these services were taxed regardless of the direct or indirect expenses incurred for the purpose of performing these services. 42.48 This alternative provision will not apply if the services performed are limited to those mentioned in paragraph 4 of the Article 5 which, if performed through a fixed place of business, would not make this fixed place of business a permanent establishment under the provisions of that paragraph. Since the provision refers to the performance of services by the enterprise and this would not cover services provided to the enterprise itself, most of the provisions of paragraph 4 would not appear to be relevant. It may be, however, that the services that are performed are exclusively of a preparatory or auxiliary character (e.g. the supply of information to prospective customers when this is merely preparatory to the conduct of the ordinary business activities of the enterprise; see paragraph 23 above) and in that case, it is logical not to consider that the performance of these services will constitute a permanent establishment. Observations on the Commentary 43. Concerning paragraph 26.1, Germany reserves its position on whether and under which circumstances the acquisition of a right of disposal over the transport capacity of pipelines or the capacity of technical installations, lines and cables for the transmission of electrical power or communications (including the distribution of radio and television programs) owned by an unrelated third party could result in disposal over the pipeline, cable or line as a fixed place of business. 342
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44. The Czech Republic and the Slovak Republic would add to paragraph 25 their view that when an enterprise has established an office (such as a commercial representation office) in a country, and the employees working at that office are substantially involved in the negotiation of contracts for the import of products or services into that country, the office will in most cases not fall within paragraph 4 of Article 5. Substantial involvement in the negotiations exists when the essential parts of the contract – the type, quality, and amount of goods, for example, and the time and terms of delivery – are determined by the office. These activities form a separate and indispensable part of the business activities of the foreign enterprise, and are not simply activities of an auxiliary or preparatory character. 45. Regarding paragraph 38, Mexico believes that the arm’s length principle should also be considered in determining whether or not an agent is of an independent status for purposes of paragraph 6 of the Article and wishes, when necessary, to add wording to its conventions to clarify that this is how the paragraph should be interpreted. 45.1 [Deleted] 45.2 Italy and Portugal deem as essential to take into consideration that – irrespective of the meaning given to the third sentence of paragraph 1.1 – as far as the method for computing taxes is concerned, national systems are not affected by the new wording of the model, i.e. by the elimination of Article 14. 45.3 The Czech Republic has expressed a number of explanations and reservations on the report on “Issues Arising Under Article 5 of the OECD Model Tax Convention”. In particular, the Czech Republic does not agree with the interpretation mentioned in paragraphs 5.3 (first part of the paragraph) and 5.4 (first part of the paragraph). According to its policy, these examples could also be regarded as constituting a permanent establishment if the services are furnished on its territory over a substantial period of time. 45.4 As regards paragraph 17, the Czech Republic adopts a narrower interpretation of the term “installation project” and therefore, it restricts it to an installation and assembly related to a construction project. Furthermore, the Czech Republic adheres to an interpretation that supervisory activities will be automatically covered by paragraph 3 of Article 5 only if they are carried on by the building contractor. Otherwise, they will be covered by it, but only if they are expressly mentioned in this special provision. In the case of an installation project not in relation with a construction project and in the case that supervisory activity is carried on by an enterprise other than the building contractor and it is not expressly mentioned in paragraph 3 of Article 5, then these activities are automatically subject to the rules concerning the taxation of income derived from the provision of other services. 45.5 In relation to paragraphs 42.1 to 42.10, the United Kingdom takes the view that a server used by an e-tailer, either alone or together with web sites, could not as such constitute a permanent establishment. 45.6 Chile and Greece do not adhere to all the interpretations in paragraphs 42.1 to 42.10. 45.7 Germany does not agree with the interpretation of the “painter example” in paragraph 4.5 which it regards as inconsistent with the principle stated in the first sentence of paragraph 4.2, thus not giving rise to a permanent establishment under Article 5 paragraph 1 of the Model Convention. As regards the example described in paragraph 5.4, Germany would require that the consultant has disposal over the offices used apart from his mere presence during the training activities. 45.8 Germany reserves its position concerning the scope and limits of application of guidance in sentences 2 and 5 to 7 in paragraph 6, taking the view that in order to permit the assumption of a fixed place of business, the necessary degree of permanency requires a certain minimum period of presence during the year concerned, irrespective of the recurrent or other nature of an activity. Germany does in particular not agree with the criterion of economic nexus – as described in sentence 6 of para-
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graph 6 – to justify an exception from the requirements of qualifying presence and duration. 45.9 Germany, as regards paragraph 33.1 (with reference to paragraphs 32 and 6), attaches increased importance to the requirement of minimum duration of representation of the enterprise under Article 5 paragraph 5 of the Model Convention in the absence of a residence and/or fixed place of business of the agent in the source country. Germany therefore in these cases takes a particularly narrow view on the applicability of the factors mentioned in paragraph 6. 45.10 Italy wishes to clarify that, with respect to paragraphs 33, 41, 41.1 and 42, its jurisprudence is not to be ignored in the interpretation of cases falling in the above paragraphs. 45.11 Portugal wishes to reserve its right not to follow the position expressed in paragraphs 42.1 to 42.10. Reservations on the Article Paragraph 1 46. Australia reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment in a State if it carries on activities relating to natural resources or operates substantial equipment in that State with a certain degree of continuity, or a person – acting in that State on behalf of the enterprise – manufactures or processes in that State goods or merchandise belonging to the enterprise. 47. Considering the special problems in applying the provisions of the Model Convention to offshore hydrocarbon exploration and exploitation and related activities, Canada, Denmark, Ireland, Norway and the United Kingdom reserve the right to insert in a special article provisions related to such activities. 48. Chile reserves the right to deem an enterprise to have a permanent establishment in certain circumstances where services are provided. 49. The Czech Republic and the Slovak Republic, whilst agreeing with the “fixed place of business” requirement of paragraph 1, reserve the right to propose in bilateral negotiations specific provisions clarifying the application of this principle to arrangements for the performance of services over a substantial period of time. 50. Greece reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment in Greece if the enterprise carries on planning, supervisory or consultancy activities in connection with a building site or construction or installation project lasting more than six months, if scientific equipment or machinery is used in Greece for more than three months by the enterprise in the exploration or extraction of natural resources or if the enterprise carries out more than one separate project, each one lasting less than six months, in the same period of time (i.e. within a calendar year). 51. Greece reserves the right to insert special provisions relating to offshore activities. 52. Mexico reserves the right to tax individuals performing professional services or other activities of an independent character if they are present in Mexico for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period. 53. New Zealand reserves the right to insert provisions that deem a permanent establishment to exist if, for more than six months, an enterprise conducts activities relating to the exploration or exploitation of natural resources or uses or leases substantial equipment. 54. Turkey reserves the right to treat a person as having a permanent establishment in Turkey if the person performs professional services and other activities of independent character, including planning, supervisory or consultancy activities, with a certain degree of continuity either directly or through the employees of a separate enterprise.
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OECD-Musterkommentar Paragraph 2
55. Canada and Chile reserve the right in subparagraph 2 f) to replace the words “of extraction” with the words “relating to the exploration for or the exploitation”. 56. Greece reserves the right to include paragraph 2 of Article 5 as it was drafted in the 1963 Draft Convention. Paragraph 3 57. Australia, Chile, Greece, Korea, New Zealand, Portugal and Turkey reserve their positions on paragraph 3, and consider that any building site or construction or installation project which lasts more than six months should be regarded as a permanent establishment. 58. Australia reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment in a State if it carries on in that State supervisory or consultancy activities for more than 183 days in any twelve month period in connection with a building site or construction or installation project in that State. 59. Korea reserves its position so as to be able to tax an enterprise which carries on supervisory activities for more than six months in connection with a building site or construction or installation project lasting more than six months. 60. Slovenia reserves the right to include connected supervisory or consultancy activities in paragraph 3 of the Article. 61. Mexico and the Slovak Republic reserve the right to tax an enterprise that carries on supervisory activities for more than six months in connection with a building site or a construction, assembly, or installation project. 62. Mexico and the Slovak Republic reserve their position on paragraph 3 and consider that any building site or construction, assembly, or installation project that lasts more than six months should be regarded as a permanent establishment. 63. Poland and Slovenia reserve the right to replace “construction or installation project” with “construction, assembly, or installation project”. 64. Portugal reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment in Portugal if the enterprise carries on an activity consisting of planning, supervising, consulting, any auxiliary work or any other activity in connection with a building site or construction or installation project lasting more than six months, if such activities or work also last more than six months. 65. The United States reserves the right to add “a drilling rig or ship used for the exploration of natural resources” to the activities covered by the twelve month threshold test in paragraph 3. Paragraph 4 66. Chile reserves the right to amend paragraph 4 by eliminating subparagraph f) and replacing subparagraph e) with the corresponding text of the 1963 Draft Model Tax Convention. 67. Mexico reserves the right to exclude subparagraph f) of paragraph 4 of the Article to consider that a permanent establishment could exist where a fixed place of business is maintained for any combination of activities mentioned in subparagraphs a) to e) of paragraph 4. Paragraph 6 68. Slovenia reserves the right to amend paragraph 6 to make clear that an agent whose activities are conducted wholly or almost wholly on behalf of a single enterprise will not be considered an agent of an independent status.
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POSITIONS ON ARTICLE 5 (PERMANENT ESTABLISHMENT) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. Considering the special problems in applying the provisions of the Model Convention to activities carried on offshore in a Contracting State in connection with the exploration or exploitation of the sea bed, its subsoil and their natural resources, Latvia and Lithuania reserve the right to insert in a special Article provisions relating to such activities. Paragraph 2 2. In paragraph 2, in addition to “the extraction of” natural resources, Argentina, Brazil, Gabon, Ivory Coast, Morocco, the Philippines, Russia, Thailand, Tunisia and the United Arab Emirates reserve the right to refer to the “exploration for” such resources. 2.1 Indonesia reserves the right to add to paragraph 2 the exploration and exploitation of natural resources and a drilling rig or working ship used for exploration and exploitation of natural resources. 3. India and Indonesia reserve the right to add to paragraph 2 additional subparagraphs that would cover a sales outlet and a farm, plantation or other place where agricultural, forestry, plantation or related activities are carried on. 4. India, Indonesia, Thailand and Vietnam reserve the right to add to paragraph 2 an additional subparagraph that would cover a warehouse in relation to a person supplying storage facilities for others. 5. Armenia and Ukraine reserve the right to add to paragraph 2 an additional subparagraph that would cover an installation, or structure for the exploration for natural resources and a warehouse or other structure used for the sale of goods. 6. Gabon and Vietnam reserve the right to add to paragraph 2 an additional subparagraph that would cover an installation structure or equipment used for the exploration for natural resources. 6.1 Argentina, Gabon and Ivory Coast reserve the right to add to paragraph 2 an additional subparagraph that would cover places where fishing activities take place. 6.2 Kazakhstan reserves the right to add to paragraph 2 an additional subparagraph that would cover a pit, an installation and a structure for the exploration for natural resources. Paragraph 3 7. Argentina reserves its position on paragraph 3 and considers that any building site or construction, assembly, or installation project that lasts more than three months should be regarded as a permanent establishment. 8. Armenia, Brazil, Thailand and Vietnam reserve their position on paragraph 3 as they consider that any building site or construction, assembly or installation project which lasts more than six months should be regarded as a permanent establishment. 9. Albania, the Democratic Republic of the Congo, Lithuania and Hong Kong, China reserve their position on paragraph 3 and consider that any building site, construction, assembly or installation project or a supervisory or consultancy activity connected therewith constitutes a permanent establishment if such site, project or activity lasts for a period of more than six months. 9.1 Serbia reserves the right to treat any building site, construction, assembly or installation project or a supervisory or consultancy activity connected therewith as constituting a permanent establishment only if such site, project or activity lasts for a period of more than twelve months.
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10. Bulgaria, Gabon, Ivory Coast, Malaysia, Morocco, the People’s Republic of China, South Africa and Tunisia reserve their right to negotiate the period of time after which a building site or construction, assembly, or installation project should be regarded as a permanent establishment under paragraph 3. 11. Argentina, Malaysia, the People’s Republic of China, South Africa, Thailand and Vietnam reserve the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if the enterprise carries on supervisory activities in connection with a building site or a construction, assembly, or installation project that constitute a permanent establishment under paragraph 3 (in the case of Malaysia, the period for this permanent establishment is negotiated separately). 11.1 India and Indonesia reserve the right to replace “construction or installation project” with “construction, installation or assembly project or supervisory activities in connection therewith” and reserve the right to negotiate the period of time for which these should last to be regarded as a permanent establishment. 12. Argentina reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if the enterprise furnishes services, including consultancy services, through employees or other personnel engaged by the enterprise for such purpose, but only where activities of that nature continue (for the same or a connected project) within the country for a period or periods aggregating more than three months. 13. Gabon, India, Indonesia, Ivory Coast, Morocco, and Tunisia reserve the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if the enterprise furnishes services, including consultancy services through employees or other personnel engaged by the enterprise for such purpose but only where such activities continue for the same project or a connected project for a period or periods aggregating more than a period to be negotiated. 14. Albania, Armenia, Lithuania, Serbia, South Africa, Thailand, Vietnam and Hong Kong, China reserve the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if the enterprise furnishes services, including consultancy services, through employees or other personnel engaged by the enterprise for such purpose, but only where activities of that nature continue (for the same or a connected project [other than in the case of Armenia]), within the country for a period or periods aggregating more than six months within any twelve month period. 14.1 The Democratic Republic of the Congo, Gabon, Ivory Coast, Latvia, Morocco, South Africa and Tunisia reserve the right to deem any person performing professional services or other activities of an independent character to have a permanent establishment if that person is present in the State for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period. 14.2 Bulgaria and Estonia reserve the right to deem an individual performing professional services or other services of an independent character to have a permanent establishment for the purposes of the Convention if they are present in the other State for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period. 14.3 Bulgaria reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if the enterprise furnishes services, including consultancy services, through employees or other personnel engaged by the enterprise for such purpose, where activities of that nature continue (for the same or a connected project) within the country for a period or periods aggregating more than six months within any twelve month period. 14.4 Bulgaria and Indonesia reserve the right to insert a provision that deems a permanent establishment to exist if, for more than a negotiated period, an installation, drilling rig or ship is used for the exploration of natural resources. 14.5 Indonesia, the United Arab Emirates and Vietnam reserve the right to tax income derived from activities relating to exploration and exploitation of natural resources.
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14.6 South Africa reserves the right to insert a provision that deems a permanent establishment to exist if, for more than six months, an enterprise conducts activities relating to the exploration or exploitation of natural resources. 14.7 Israel reserves the right to insert a provision according to which an installation, drilling rig or ship used for activities connected with the exploration of natural resources shall be treated as constituting a permanent establishment in a Contracting State if those activities last in aggregate more than 365 days in that State in any two year period. Paragraph 4 15. Albania, Argentina, Armenia, Gabon, India, Indonesia, Ivory Coast, Malaysia, Morocco, Russia, Thailand, Tunisia, Ukraine and Vietnam reserve their position on paragraph 4 as they consider that the term “delivery” should be deleted from subparagraphs a) and b). 16. Albania, Argentina and Thailand reserve their position on subparagraph 4 f). 16.1 [Deleted] 16.2 The Democratic Republic of the Congo reserves its position on subparagraphs 4 d), e) and f). Paragraph 5 17. Albania, Armenia, Gabon, India, Indonesia, Ivory Coast, Morocco, Russia, Thailand, Tunisia, Ukraine and Vietnam reserve the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if a person acting on behalf of the enterprise habitually maintains a stock of goods or merchandise in a Contracting State from which the person regularly delivers goods or merchandise on behalf of the enterprise. 17.1 India, Malaysia and Thailand reserve the right to treat an enterprise of a Contracting State as having a permanent establishment in the other Contracting State if a person habitually secures orders in the other Contracting State wholly or almost wholly for the enterprise. 17.2 Indonesia reserves the right to treat an enterprise as having a permanent establishment if a person acting on behalf of the enterprise, other than an independent agent, manufactures or processes for the enterprise goods or merchandise belonging to the enterprise. Paragraph 6 18. Albania, Gabon, Estonia, Ivory Coast, Lithuania, Morocco, Serbia, Thailand, Tunisia and Vietnam reserve the right to make clear that an agent whose activities are conducted wholly or almost wholly on behalf of a single enterprise will not be considered an agent of an independent status. 19. Gabon, India, Indonesia, Ivory Coast, Morocco, Russia, Thailand, Tunisia and Vietnam reserve the right to provide that an insurance enterprise of a Contracting State shall, except with respect to re-insurance (other than in the case of India), be deemed to have a permanent establishment in the other Contracting State if it collects premiums in the territory of that other state or insures risks situated therein through a person other than an agent of an independent status to whom paragraph 6 applies. 19.1 India reserves the right to make it clear that an agent whose activities are conducted wholly or almost wholly on behalf of a single enterprise will not be considered an agent of an independent status. Positions on the Commentary 20. India, Morocco and Vietnam do not agree with the words “The twelve month test applies to each individual site or project” found in paragraph 18 of the Commentary. They consider that a series of consecutive short term sites or projects operated by a
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contractor would give rise to the existence of a permanent establishment in the country concerned. 21. Bulgaria and Serbia would add to paragraph 33 of the Commentary on Article 5 their views that a person, who is authorised to negotiate the essential elements of the contract, and not necessarily all the elements and details of the contract, on behalf of a foreign resident, can be said to exercise the authority to conclude contracts. 22. Bulgaria does not adhere to the interpretation, given in paragraph 17 of the Commentary on Article 5, and is of the opinion that on-site planning and supervision of the erection of a building, where carried on by another person, are not covered by paragraph 3 of the Article, if not expressly provided for. 23. Brazil does not agree with the interpretation provided in paragraphs 42.1 to 42.10 on electronic commerce, especially in view of the principle of taxation at the source of payments in its legislation. 24. India deems as essential to take into consideration that irrespective of the meaning given to the third sentence of paragraph 1.1 – as far as the method for computing taxes is concerned, national systems are not affected by the new wording of the model i.e. by the elimination of Article 14. 25. India and Malaysia do not agree with the interpretation given in paragraph 5.3 (first part of the paragraph) and 5.4 (first part of the paragraph); they are of the view that these examples could also be regarded as constituting permanent establishments. 26. India does not agree with the interpretation given in paragraph 8; it is of the view that tangible or intangible properties by themselves may constitute a permanent establishment of the lessor in certain circumstances. 27. India does not agree with the interpretation given in paragraph 10; it is of the view that ICS equipment may constitute a permanent establishment of the lessor in certain circumstances. 28. India does not adhere to the interpretation given in paragraphs 12 and 42.25 concerning the list of examples of paragraph 2 of the Article; it is of the view that the examples can always be regarded as constituting a priori permanent establishments. 29. India does not agree with the interpretation given in paragraph 23; it would not include scientific research in the list of examples of activities indicative of preparatory or auxiliary nature. 30. India does not agree with the interpretation given in paragraph 25; it is of the view that when an enterprise has established an office (such as a commercial representation office) in a country, and the employees working at that office are substantially involved in the negotiation of contracts for the import of products or services into that country, the office will in most cases not fall within paragraph 4 of Article 5. Substantial involvement in the negotiations exists when the essential parts of the contract – the type, quality, and amount of goods, for example, and the time and terms of delivery are determined by the office. These activities form a separate and indispensable part of the business activities of the foreign enterprise, and are not simply activities of an auxiliary or preparatory character. 31. India does not agree with the interpretation given in paragraph 33; it is of the view that the mere fact that a person has attended or participated in negotiations in a State between an enterprise and a client, can in certain circumstances, be sufficient, by itself, to conclude that the person has exercised in that State an authority to conclude contracts in the name of the enterprise. India is also of the view that a person, who is authorised to negotiate the essential elements of the contract, and not necessarily all the elements and details of the contract, on behalf of a foreign resident, can be said to exercise the authority to conclude contracts. 32. India does not agree with the interpretation given in paragraph 42; it is of the view that where a company (enterprise) resident of a State is a member of a multinational group and is engaged in manufacture or providing services for and on behalf of another company (enterprise) of the same group which is resident of the other
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State, then the first company may constitute a permanent establishment of the latter if other requirements of Article 5 are satisfied. 33. India does not agree with the interpretation given in paragraph 42.2; it is of the view that website may constitute a permanent establishment in certain circumstances. 34. India does not agree with the interpretation given in paragraph 42.3; it is of the view that, depending on the facts, an enterprise can be considered to have acquired a place of business by virtue of hosting its website on a particular server at a particular location. 35. India does not agree with the interpretation given in paragraphs 42.14 and 42.15 that a service permanent establishment will be created only if services are performed in the source State. It is of the view that furnishing of services is sufficient for creation of a service permanent establishment. 36. India does not agree with the interpretation given in paragraphs 42.18 and 42.46, it is of the view that taxation rights may exist in a state even when services are furnished by the non-residents from outside that State. It is also of the view that the taxation principle applicable to the profits from sale of goods may not apply to the income from furnishing of services. 37. India does not agree with the interpretation given in paragraph 42.19 that only the profits derived from services should be taxed and the provisions that are included in bilateral Conventions which allow a State to tax the gross amount of the fees paid for certain services is not an appropriate way of taxing services. 38. India does not agree with the conclusions given in paragraph 42.22 that taxation should not extend to services performed outside the territory of a State; that taxation should apply only to the profits from these services rather than to the payments for them, and that there should be a minimum level of presence in a State before such taxation is allowed. 39. India does not agree with the interpretation given in paragraph 42.31; it is of the view that for furnishing services in a State, physical presence of an individual is not essential. 40. India does not agree with the interpretation given in paragraphs 42.40 and 42.43. 41. India does not agree with the interpretation given in example 3 of paragraph 42.44 concerning the taxability of ZCO. 42. Brazil does not agree with the interpretation provided for in paragraphs 42.11 to 42.48 of the Commentary on the taxation of services, especially in view of the principle of taxation at source of payments in its legislation. 43. India does not agree with the interpretation in paragraph 5.5 of the Commentary on Article 5 according to which a satellite’s footprint in the space of a source country cannot be treated as a permanent establishment. India is of the view that in such a case, the source state not only contributes its customer base but also provides infrastructure for reception of the satellite telecast or telecommunication process. India is also of the view that a satellite’s footprint falls both in the international and national space. The footprint has a fixed location, has a value and can be used for commercial purposes. Accordingly, it can be treated as a fixed place of business in the space in the jurisdiction of a source country. 44. India does not agree with the interpretation in paragraph 9.1 of the Commentary on Article 5 as it considers that a roaming call is a composite process which requires a composite use of various pieces of equipment located in the source and residence countries and the distinction proposed in paragraph 9.1 was neither intended by the wording of Article 5 nor logical. 45. India does not agree with the interpretation in the last two sentences of paragraph 26.1 of the Commentary on Article 5 according to which even undersea cables and pipelines lying in the territorial jurisdiction of a source country cannot be considered as permanent establishment of an enterprise.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–3 Art. 5
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 5 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Allgemeines. Die Betriebsstätte dient allgemein der Feststellung, ob unternehme- 1 rische Einkünfte in dem Staat, in dem sie entstanden sind, besteuert werden dürfen oder nicht (Art. 7 (2008) Rz. 1; vgl. Art. 7 Rz. 1 OECD-MK). Hierzu definiert Art. 5 den abkommensrechtlichen Begriff „Betriebsstätte“, der in Art. 7 Abs. 1 bis 4, Art. 10 Abs. 4 und 5, Art. 11 Abs. 4 und 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2, Art. 21 Abs. 2, Art. 22 Abs. 2 (sog. Betriebsstättenvorbehalte) und Art. 24 Abs. 4 verwendet wird. Nur wenn eine Person sämtliche in Art. 5 genannten Tatbestandselemente kumulativ erfüllt, können ggf. die weiteren Betriebsstättenfolgen, wie sie sich aus den Art. 7, 15 Abs. 2 sowie den Betriebsstättenvorbehalten der Art. 10–13, 21 und 22 ergeben, gezogen werden. Die Norm enthält eine eigenständige, abkommensrechtliche Betriebsstättendefinition. Damit bedarf es zu ihrer Auslegung grds. keines Rückgriffs auf die nationale Betriebsstättendefinition i.S.d. § 12 AO oder des ständigen Vertreters i.S.d. § 13 AO. Denn ein solcher Rückgriff ist nur notwendig und zulässig, soweit eine eigenständige abkommensrechtliche Definition fehlt (Art. 3 Abs. 2). Gleichwohl kann das Recht des Anwenderstaates zur Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe, wie z.B. die Frage, was unter einer „Geschäftseinrichtung“ oder dem Begriff „fest“ zu verstehen ist, mangels abkommensrechtlicher Vorgaben heran gezogen werden.1 Im Übrigen sind bei der Anwendung des Art. 5 die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von DBA bzw. den hierzu ergangenen innerstaatlichen Transformationsgesetzen zu beachten. Rechtliche Unselbständigkeit der Betriebsstätte. Gem. Art. 7 Abs. 1 hängt das 2 Recht des Quellenstaats, einen Teil des ansonsten dem Ansässigkeitsstaat zustehenden Unternehmensgewinns besteuern zu dürfen, vom Vorhandensein einer Betriebsstätte auf seinem Hoheitsgebiet ab (Art. 7 (2008) Rz. 65). Ihr Bestehen schafft damit die Grundlage für die in Art. 7 vorgesehene Gewinnabgrenzung. Vom Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c unterscheidet sich die Betriebsstätte, indem sie nur ein Teil desselben ist. Als solches setzt die Betriebsstätte zwingend das Bestehen eines Unternehmens voraus (Art. 5 Abs. 1). Dieses wird durch die Person des Unternehmers verkörpert (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d), die – im Unterschied zur Betriebsstätte – berechtigt ist, das Abkommen für sich in Anspruch zu nehmen (Art. 1).2 Damit fehlt es der Betriebsstätte an einer eigenen Rechtspersönlichkeit3 mit der Folge, dass ihre abkommensrechtliche Existenz von der abkommensrechtlichen Existenz ihres Unternehmers abhängt. Sie ist lediglich unselbständiger Bestandteil des Gesamtunternehmens. Diese abkommensrechtliche Behandlung entspricht der Sichtweise der Betriebsstätte als unselbständigem Bestandteil des Gesamtunternehmens im innerstaatlichen Steuerrecht4 und Zivilrecht.5 Betriebsstätte als Besteuerungsobjekt. Mangels Rechtspersönlichkeit ist die Be- 3 triebsstätte ausschließlich Objekt der Besteuerung.6 Hierdurch unterscheidet sich die Betriebsstätte vom „Stammhaus“ (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 4), das Synonym für den Ansässigkeitsstaat des Unternehmens i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d ist und als solches auf die Ansässigkeit der Person, die das Unternehmen betreibt, abstellt und nicht et-
1 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 9; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31. 2 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 10. 3 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 9; ähnl. Schröder, DB 1964, 1567. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.3. 5 Vgl. BGH v. 8.5.1972 – II ZR 155/69, NJW 1972, 1589; Federmann, Bilanzierung nach Handelsrecht und Steuerrecht11, 75. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1.
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wa auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird.1 Aus diesem Unterschied folgt, dass das Stammhaus als Synonym für die abkommensberechtigte Person keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA ist, m.a.W. das Stammhaus auch dann einem Staat zuzuordnen sein kann, wenn dort die Voraussetzungen für die Annahme einer Betriebsstätte nicht erreicht werden. Besondere Bedeutung hat dies für den Ort der Geschäftsleitung (vgl. Rz. 76). 4
Quellenbesteuerungsrecht. Als reines Besteuerungsobjekt schafft die Betriebsstätte einen rechtsbegründenden Ortsbezug, denn nur wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, darf der Quellenstaat besteuern. Dies ergibt sich sowohl aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 als auch aus den Betriebsstättenvorbehalten (s. Rz. 1), die dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht dann zuordnen, wenn die fraglichen Einkünfte zu einer dort belegenen Betriebsstätte gehören. Diese Anspruch begründende Funktion findet sich im innerstaatlichen Recht in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wieder, der die beschränkte Steuerpflicht gewerblicher Einkünfte i.S.d. § 15 EStG an die Belegenheit einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO oder eines ständigen Vertreters i.S.d. § 13 AO im Inland knüpft.
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Definition des Hoheitsgebietes des Quellenstaates.2 Welches Territorium zum Quellenstaat gehört, regelt das OECD-MA nicht. Typischerweise finden sich allerdings in Art. 3 der jeweiligen DBA entsprechende Definitionen. Maßgeblich sind insoweit die völkerrechtlichen Grenzen.3 Neben dem jeweiligen – völkerrechtlich anerkannten – Festland umfasst dieses auch das Küstenmeer, welches die sog. 12-Meilenzone (ca. 22 km) gem. Art. 3 des Seerechtsübereinkommens der UN v. 10.12.1982 (i.w.: SRÜ4) umfasst. Indes gehört der Festlandsockel selbst zwar nicht zum völkerrechtlichen Inland.5 Jedoch wurde den Küstenstaaten in Art. 56 SRÜ i.V.m. Art. 77 SRÜ das Recht eingeräumt, die Gewässer über dem Meeresboden, den Meeresboden und seinen Untergrund zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nichtlebenden natürlichen Ressourcen sowie hinsichtlich anderer Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone wie der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind zu nutzen (ausschließliche Wirtschaftszone; „AWZ“). Von diesem Recht hat Deutschland Gebrauch gemacht6 und den Inlandbegriff gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 1 Abs. 3 KStG für derartige Nutzungen sowie für die Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien auf dieses Territorium ausgedehnt. Insofern befindet sich eine Ölbohrinsel oder ein Windpark auf dem Festlandsockel außerhalb der 12-Meilenzone zwar in internationalen Gewässern, jedoch wegen ihres tätigkeitsspezifischen Bezugs zum Festlandsockel auf dem Hoheitsgebiet des Quellenstaats. Hingegen befinden sich unterseeische Kabel- und Rohrleitungen auf dem Festlandsockel mangels entsprechender Nutzung auf exterritorialem Gebiet (s. Rz. 170). Denn im Unterschied zu Art. 56 Abs. 1 Buchst. a SRÜ umfasst § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 1 Abs. 2 KStG nur die Erforschung, Ausbeutung oder Nutzung erneuerbarer Energien, nicht aber andere Tätigkeiten, die hiermit in Zusammenhang stehen (z.B. der Transport von Öl und Gas in Pipelines). Nichts anderes soll auch für Bauausführungen zur Errichtung solcher Anlagen gelten.7 M.E. ist dies abzulehnen, da auch die Errichtung solcher Anlagen als notwendige Voraussetzung für die Ausbeutung der in Art. 56 SRÜ genannten Zweck dient. In Fällen, in denen der Bezug zum Quellenstaat fehlt, wie z.B. bei Satelliten im Weltall (s. Rz. 186), kann das Vorhandensein einer Betriebsstätte kein Besteuerungsrecht des Quellenstaates begründen.
1 2 3 4 5
Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. Zum Ganzen siehe auch Behrendt/Wischott/Krüger, BB 2012, 1827 (1827). Vgl. BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614. BGBl. II 1994, 1798. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.6.1. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.6.1. 7 Vgl. Behrendt/Wischott/Krüger, BB 2012, 1827 (1829).
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 6–8 Art. 5
Mindestaktivität. Die Betriebsstättendefinition des Art. 5 markiert quantitativ 6 und qualitativ die Unterschwelle,1 ab deren Erreichen der Quellenstaat berechtigt wird, unternehmerische Aktivitäten auf seinem Hoheitsgebiet durch eine im anderen Staat ansässigen Person zu besteuern (Art. 7 Abs. 1 Satz 2). So ist das Betriebsstättenerfordernis verantwortlich dafür, dass eine unternehmerische Tätigkeit dem Grunde nach erst dann vom Quellenstaat besteuert werden darf, wenn sie zu einer intensiven geschäftlichen Bindung an ihn geführt hat; nur lockere wirtschaftliche Beziehungen zum Quellenstaat bleiben dagegen dem Ansässigkeitsstaat des Unternehmens zur Besteuerung überlassen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 45).2 Aus dem Zusammenhang der Absätze 1, 2 und 4 des Art. 5 ergibt sich, dass reine Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten hierfür nicht ausreichen (vgl. Rz. 108). Vielmehr muss wenigstens ein Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens in der Geschäftseinrichtung verrichtet werden. Da die Betriebsstättenbegriffe in den einzelnen von Deutschland abgeschlossenen DBA unterschiedlich formuliert sind, kann die Schwelle, ab der der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erhält, nicht einheitlich definiert werden. Vielmehr gilt: Je weiter der Betriebsstättenbegriff definiert ist, desto früher steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht zu.3 Umgekehrt: Je enger der Betriebsstättenbegriff formuliert ist, desto länger verbleibt das Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat. Damit ist die Betriebsstätte i.S.v. Art. 7 die entscheidende „Stellschraube“ im DBA für die grundsätzliche Verteilung von Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat. Bedeutung des Betriebsstättenbegriffs für den Quellenstaat. Hängt der Besteue- 7 rungsanspruch des Quellenstaats für Unternehmensgewinne, die auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet werden, von einer dort belegenen Betriebsstätte ab, formuliert Art. 5 den sachlichen Anknüpfungspunkt, m.a.W. den notwendigen Ortsbezug, der den Quellenstaat dem Grunde nach zur (anteiligen) Besteuerung des auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschafteten Unternehmensgewinns einer im Ausland ansässigen Person berechtigt. Das Vorhandensein einer Betriebsstätte bedeutet für den Quellenstaat jedoch nicht, dass er sämtliche Einkünfte, die das Unternehmen auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet, besteuern darf (kein Attraktionsprinzip der Betriebsstätte, vgl. Art. 7 (2008) Rz. 85 ff.). Nur die Einkünfte, die durch sie veranlasst worden sind, stehen dem Quellenstaat zu (Art. 7 Abs. 1 Satz 2). Mit der Annahme einer Betriebsstätte ist nicht notwendig das Vorhandensein von Betriebsstättenvermögen verbunden. So ist es möglich, durch eine feste Geschäftseinrichtung tätig zu werden, die kein Betriebsvermögen des Unternehmers ist, da er sie lediglich angemietet hat.4 Bedeutung des Betriebsstättenbegriffs für den Ansässigkeitsstaat. Gem. Art. 7 8 Abs. 1 können Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats ausschließlich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im Quellenstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte i.S. des Art. 5 aus. Damit ordnet Art. 7 – unter Ausnahme der Betriebsstättengewinne des Quellenstaates – das umfassende Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 65). Diesem Wortlaut folgend bedarf es für das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates keiner dort belegenen Betriebsstätte i.S.d. Art. 5.5 Ebenso wenig spielt der Betriebsstättenbegriff als Tatbestandsmerkmal eine Rolle im Methodenartikel (Art. 23A bzw. Art. 23B). Vielmehr macht Art. 23A Abs. 1 die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat nur davon abhängig, ob die Einkünfte nach dem Abkommen im Quellenstaat besteuert werden können.6
1 Vgl. Fresch/Strunk in S/K/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 6. 2 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. 3 Vgl. auch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (494 ff.), zur Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs durch die OECD. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1. 5 So auch Kramer, IStR 2004, 672 ff.; a.A.: Wassermeyer, IStR 2004, 676 f.; BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 (siehe auch unten Rz. 76). 6 Vgl. Wassermeyer, IStR 2011, 85 (90).
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Art. 5 Rz. 9–10 9
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Dienstleistungsbetriebsstätte. Art. 5 enthält 3 verschiedene Tatbestände: 1. die Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1, 2, 4); 2. die Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5, 6) sowie 3. die Baubetriebsstätte (Abs. 3). Grds. verlangen die unterschiedlichen Betriebsstättentatbestände des Art. 5 neben der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit (s. Rz. 45) im Quellenstaat und dem Ortsbezug ein weiteres Zuordnungskriterium für das vor Ort befindliche, materielle Anknüpfungsobjekt der Geschäftseinrichtung oder des Vertreters. Bei der Geschäftseinrichtung ist dies die Notwendigkeit einer gewissen, tatsächlichen Sachherrschaft des Unternehmers. Beim Vertreter ist dies die Abhängigkeit vom Unternehmer (= Prinzipal). Eine Ausnahme hiervon regelt Abs. 3, der bei Bauausführungen und Montagen ausschließlich auf die Dauer der Tätigkeit abstellt. Im Übrigen soll allein die physische Substanz des Auftraggebers, an der der Unternehmer tätig wird, nicht zu dessen Geschäftseinrichtung werden.1 In Art. 5 Rz. 42.11–42.48 OECDMK hat die OECD umfangreich zur Besteuerung von Dienstleistungen Stellung genommen (zum Verhältnis zur Vertreterbetriebsstätte vgl. Rz. 126).2 Trotz diverser Bedenken, insbesondere in Hinblick auf den gesteigerten Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Steuerverwaltungen (vgl. Art. 5 Rz. 42.12 OECD-MK), schlägt sie nunmehr erstmals unter Art. 5 Rz. 42.23 OECD-MK eine Formulierung für eine Dienstleistungsbetriebsstätte vor. Unabhängig von den Regelungen des Art. 5 Abs. 1 bis 3 soll hiernach der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erhalten, wenn dort entweder eine Person des Unternehmens an mehr als 183 Tagen in einem beliebigen 12-Monatszeitraum anwesend ist und aus dieser Tätigkeit mehr als 50 % des Gesamtumsatzes des Unternehmens während dieser Zeit generiert werden oder Dienstleistungen einer oder mehrerer Personen eines Unternehmens an mehr als 183 Tagen in einem beliebigen 12-Monatszeitraum für ein einzelnes Projekt oder mehrere verbundene Projekte erbracht werden (vgl. Art. 5 Rz. 42.23 OECD-MK). Regelmäßig wiederholte Einzelleistungen, wie etwa der nachhaltige Verkauf und die Lieferung von Waren, sollen jedoch ebenso wenig eine Betriebsstätte begründen können (vgl. Art. 5 Rz. 42.18 OECD-MK) wie reine Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 (vgl. Art. 5 Rz. 42.23 OECD-MK). Ebenso soll die Mauer des Anstreichers, die bloßes Objekt seiner Tätigkeit ist – ohne dass dieses ihm gehört – zur Betriebsstätte werden (vgl. Art. 5 Rz. 4.5 OECD-MK). Bisher hat Deutschland zu diesen allgemeinen Entwicklung im OECD-MK weder offiziell Stellung genommen (vgl. Art. 5 Rz. 42.43 ff. OECD-MK) noch einen Vorbehalt (vgl. Art. 5 Rz. 46 ff. OECD-MK) geäußert. Jedoch haben sich Vertreter der deutschen Finanzverwaltung bereits ablehnend gegenüber dem Konzept geäußert.3 Indessen dokumentiert das 2011 ratifizierte DBA-Türkei in seinem Art. 5 Abs. 3 Buchst. b, dass Deutschland dieses Institut im Einzelfall durchaus in DBA-Verhandlungen akzeptieren muss. Dem Anstreicher-Beispiel hat Deutschland allerdings widersprochen (vgl. Art. 5 Rz. 45.7 OECD-MK). Für die deutsche Abkommensanwendung hat diese extensive Sicht der OECD daher keine Bedeutung. Die Mehrzahl der deutschen DBA erkennen daher das Institut der Dienstleistungsbetriebsstätte nur für die Sonderfälle der Bauausführungen an. Nur einige wenige DBA,4 die dem Art. 5 Abs. 3 Buchst. b UN-MA nachgebildet sind, erklären das Erbringen von Dienstleistungen generell zu Betriebsstätten. Eingeschlossen werden dabei insbesondere bloße Beratungsleistungen. Voraussetzung für diese Entmaterialisierung des Betriebsstättenbegriffs ist jeweils, dass eine – quantitative – zeitliche Grenze überschritten wird. Sie ist im UN-MA mit sechs Monaten innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatsrahmens.5
II. Aufbau der Vorschrift 10
Verhältnis der Absätze zueinander. Art. 5 normiert in seinen Absätzen 1 bis 7 verschiedene Tatbestände, denen gemeinsam ist, dass sie jeweils für sich die Annahme 1 Vgl. Rosenberger/Vitali/Ziehr, IStR Beihefter 18/2010, 3. 2 Vgl. dazu im Einzelnen auch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (494 f.); Rosenberger/Vitali/Ziehr, IStR Beihefter Heft 18/2010; Kahle/Ziegler, DStZ 2009, 843 ff. 3 Vgl. Wichmann, FR 2011, 1983; Wichmann in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht, 104 f. 4 Art. 5 Abs. 3 Buchst. b DBA-China; Art. 5Abs. 3 Buchst. b DBA-Türkei. 5 Vgl. Lehner/Reimer, IStR 2005, 547.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 10–18 Art. 5
einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 auslösen können. Denkbar ist auch eine kumulative Erfüllung verschiedener Tatbestände, etwa wenn eine Bauausführung länger als 12 Monate dauert und durch eine feste Geschäftseinrichtung abgewickelt wird. Da beide Tatbestände dieselbe Rechtsfolge anordnen, besteht keine Normenkonkurrenz.1 Insoweit gibt es zwischen den Abs. 1 bis 7 keine logisch zwingende Prüfungsreihenfolge. Dessen ungeachtet bietet es sich aus Zweckmäßigkeitserwägungen an, zunächst den Grundtatbestand der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Abs. 1, 2 und 4) und erst dann zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine Bau- oder Montagebetriebsstätte (Abs. 3) oder einer Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5, 6) erfüllt sind.2 Absatz 1: Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte. In Absatz 1 wird der Grundtat- 11 bestand, nämlich die Betriebsstätte in Form einer festen Geschäftseinrichtung, durch die das Unternehmen wenigstens teilweise betrieben wird, definiert. Dort werden die sachlichen Anknüpfungskriterien für die Annahme einer Betriebsstätte beschrieben. Abs. 2 und Abs. 4 konkretisieren diesen Grundtatbestand. Absatz 2: Positivkatalog. Absatz 2 enthält einen Beispielskatalog von Geschäfts- 12 einrichtungsbetriebsstätten, die typischerweise eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinne darstellen. Voraussetzung für die Annahme einer Katalogbetriebsstätte i.S.d. Abs. 2 ist daher stets das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale des Abs. 1.3 Absatz 3: Bauausführungen und Montagen. Absatz 3 definiert, wann der Quellen- 13 staat bei Bau- oder Montagetätigkeiten ein Besteuerungsrecht erhält. Im Unterschied zur Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Abs. 1 kommt es hierbei nur auf die Dauer der Tätigkeit im Quellenstaat an (vgl. Rz. 89 ff.). Absatz 4: Negativkatalog. Absatz 4 ist das Spiegelbild zu Absatz 2. Er enthält ei- 14 nen Katalog von Negativbeispielen, in denen trotz Vorliegen der Voraussetzungen des Absatz 1 typischerweise keine Betriebsstätte im Quellenstaat anzunehmen ist (vgl. Rz. 107 ff.). Absatz 5: abhängiger Vertreter. Absatz 5 bestimmt, dass eine Betriebsstätte auch 15 anzunehmen ist, wenn an Stelle des sachlichen Anknüpfungspunkts „feste Geschäftseinrichtung“ ein abhängiger Vertreter im Quellenstaat persönlich anwesend ist, dort gewöhnlich mit Wirkung für seinen Prinzipal Geschäfte abschließt und im Übrigen die Voraussetzungen des Abs. 1 gegeben sind (vgl. Rz. 124 ff.). Absatz 6: unabhängiger Vertreter. Absatz 6 definiert in Abgrenzung zu Absatz 5, 16 dass typischerweise ein Vertreterhandeln bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Abs. 5 keine Betriebsstättenfolge auslöst, wenn der Vertreter unabhängig ist und innerhalb seines ordentlichen Geschäftsbetriebs handelt. Beispielhaft werden Makler und Kommissionäre genannt, die für andere Unternehmen keine Betriebsstätte begründen, sofern sie im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln (vgl. Rz. 142 ff.). Absatz 7: Antiorganklausel. Absatz 7 stellt klar, dass eine mehrheitliche gesell- 17 schaftsrechtliche Verbundenheit mit einer Gesellschaft im anderen Staat für sich gesehen in keinem der beiden Vertragsstaaten eine Betriebsstättenfolge auslöst (vgl. Rz. 149 ff.).
III. Rechtsentwicklung Entwicklung des Art. 54 bis zum Update 2010. Die von Deutschland vor 1963 abge- 18 schlossenen DBA enthielten voneinander abweichende Betriebsstättendefinitionen und waren teilweise nur aufzählender Natur. Erst 1963 wurde ein einheitlicher Begriff in das OECD-MA 1963 aufgenommen. Von 1963 bis 2010 hat Art. 5 nur noch relativ 1 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 5. 2 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 6. 3 So auch Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Eckl, IStR 2009, 512; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 13.
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Art. 5 Rz. 18–19
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wenige Änderungen erfahren. Die Revision des OECD-MA in 1992 brachte nur Ergänzungen im OECD-MK. In 2003 wurde der OECD-MK wesentlich geändert. Zu den Änderungen gehört die Einführung der sog. Server- (s. „Internet“ Rz. 169) und Dienstleistungsbetriebsstätte (s. Rz. 9). Auf die tiefgreifende Änderung des Art. 7 in 2010 wurde auch im OECD-MK zu Art. 5 in Hinblick auf die Besteuerung von Dienstleistungen (vgl. Art. 5 Rz. 42.11 ff. OECD-MK 2010) Rücksicht genommen. Der Abkommenstext des Art. 5 selbst wurde jedoch nicht reformiert. Hierdurch kommt es zu einzelnen Widersprüchen mit den Aussagen des AOA, insbesondere in Bezug auf reine Einkaufsgeschäftseinrichtungen. So erreichen diese gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. b OECD-MA auch nach dem Update 2010 keine Betriebsstättenqualität i.S.d. Art. 5. Vor dem Update stand dies im Einklang mit dem Verbot des Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008, nach dem einer Betriebsstätte für reine Einkaufstätigkeiten kein Gewinn zugewiesen werden durfte. Dieser Einklang wurde mit Neufassung des Art. 7 OECD-MA 2010 aufgehoben, da nunmehr sämtliche Innentransaktionen, und damit auch reine Einkaufstätigkeiten, zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fremdüblich abzurechnen sind (s. hierzu Art. 7 (2010) Rz. 30 ff.). 19
Geplante Änderung des OECD-MK1. Mit Schreiben vom 19.10.2012 hat die OECD ihren Diskussionsentwurf vom 12.10.20112 des Musterkommentars zur Interpretation von Art. 5 OECD-MA überarbeitet und zur weiteren Diskussion eingeladen.3 Deutlich wird in beiden Schreiben der Trend zur „Entmaterialisierung“ des Betriebsstättenbegriffs mit der Folge, dass die Schwelle zur Begründung eines Besteuerungsrechts des Quellenstaats für Unternehmensgewinne sinkt. Im Ergebnis wird damit wohl dem Wunsch zur größeren Teilhabe der Schwellenländer und potentiellen Beitrittsstaaten an der Wertschöpfung auf ihrem Hoheitsgebiet Rechnung getragen. Am deutlichsten wird dieser Trend in dem bereits umgesetzten Vorschlag zur Dienstleistungsbetriebsstätte in Tz. 42.43 OECD-MK 2008. In dem Arbeitspapier von 2011 werden indes v.a. die Tatbestandsmerkmale „fest“ und dort die Teilelemente „tatsächliche Sachherrschaft“4 (s.a. Rz. 49 ff.) sowie deren zeitliche Komponente (s.a. Rz. 45 f.)5 konkretisiert. Entscheidend ist nach den Vorstellungen der OECD nicht nur die rechtliche, sondern auch die faktische Einflussnahmemöglichkeit des Unternehmers auf die Geschäftseinrichtung. Daher begründet der Heimarbeitsplatz (s.a. Rz. 168) eines Arbeitnehmers grundsätzlich keine Betriebsstätte des Arbeitgebers.6 Zur Vermeidung von Umgehungen hält die OECD diese jedoch nicht für gänzlich ausgeschlossen.7 Weiterhin sollen zukünftig bei Bauausführungen Handlungen von Subunternehmern vollumfänglich wie das Handeln eigener Leute zugerechnet8 und Testzeiten in die Fristberechnung einbezogen werden.9 Im Kern entfernt sich die OECD mit dieser Sichtweise von der eher zivilrechtlich geprägten Betrachtungsweise im Abkommensrecht und stellt vornehmlich auf das wirtschaftliche Ergebnis ab. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal „Sachherrschaft“ ist jedoch nach deutschem Verständnis zur klaren Abgrenzung der Betriebsstätte von einem schlichten Handeln des Unternehmers auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet notwendig. Dieses Tatbestandsmerkmal dient damit vor allem der Rechtsklarheit. Werden dem Quellenstaat nunmehr früher Besteuerungsrechte zugesprochen, hat der Interessenausgleich der beteiligten Staaten auf Ebene der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 zu erfolgen. Dieser ist jedoch in der Praxis viel schwieriger, d.h. nur mit deutlich mehr Aufwand, insbes. in Hinblick auf die Dokumentation, zu finden als die grundsätzliche Entscheidung, ob im Quellenstaat eine Betriebsstätte vorliegt oder nicht. Im Ergebnis führt daher die Aufweichung des Betriebsstättenbegriffs zu ei-
1 S. zum Ganzen: Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 ff. 2 Interpretation an Application of Art. 5 (Permanent Establishment) of the OECD Model Tax Convention, abrufbar unter www.oecd.org. 3 Abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/PermanentEstablishment.pdf. 4 Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 5 Art. 5 Rz. 6.1, 6.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 6 Art. 5 Rz. 4.8 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 7 Art. 5 Rz. 4.9 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 8 Art. 5 Rz. 19 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 9 Art. 5 Rz. 19.1 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 19–22 Art. 5
ner erheblichen Mehrbelastung des Steuerpflichtigen und der beteiligten Steuerverwaltungen. Dieser Trend setzt sich in den Vorschlägen zur Kommentierung der Vertreterbetriebsstätte fort (s.a. Rz. 129 ff.), nach der es für die Annahme eines abhängigen Vertreters nicht auf die Offenkundigkeit des Vertreterhandelns ankommt, sondern maßgeblich ist, ob der Prinzipal wirtschaftlich, d.h. auch im Wege des Durchgangserwerbs, durch den Vertreter gebunden wird.1
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Freie Berufe; feste Geschäftseinrichtung. Bis zum Jahr 2000 enthielt das OECD- 20 MA einen Art. 14 für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Diese Norm wurde von der OECD aus dem Musterabkommen entfernt, da es keinen praktischen Unterschied zwischen Art. 14 und Art. 7 gebe (vgl. Art. 14 Rz. 10).2 Gleichwohl ist diese Regelung in fast allen von Deutschland abgeschlossenen DBA noch enthalten. Dortiger Anknüpfungspunkt für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates ist an Stelle der Betriebsstätte eine dort belegene „feste Einrichtung“. Dieser Begriff ist im Abkommen nicht definiert. Wegen des Gleichlaufs der Art. 7 und 14 sind insoweit die Grundsätze über die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 heranzuziehen (vgl. Art. 14 Rz. 44 ff.; Art. 5 Rz. 1.1 OECD-MK).3 Betriebsstättenvorbehalte. Neben Art. 7 wird der Begriff der Betriebsstätte in den 21 sog. Betriebsstättenvorbehalten der Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2, Art. 15 Abs. 2 Buchst. b sowie in Art. 21 Abs. 2, verwendet. In allen Fällen dient die Definition zur Herstellung des örtlichen Bezugs, der den Quellenstaat berechtigt, die der Betriebsstätte zuzuordnenden Wirtschaftsgüter und Einkünfte zu besteuern. Über das Vorliegen einer Betriebsstätte hinaus verlangen die genannten Vorschriften daher ein zusätzliches Zuordnungskriterium für die nämlichen Wirtschaftsgüter in Form eines Kausalzusammenhangs (Art. 7, 15) oder aber einer tatsächlichen Zugehörigkeit (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3, 13 Abs. 2, 21 Abs. 2; vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 124 ff.). 2. EU-Recht Feste Niederlassung4 i.S.d. MwStSystRL.5 Im Bereich der Umsatzsteuer stellt die 22 MwStSystRL zur Ermittlung des Leistungsorts vor allem bei Dienstleistungen u.a. auf den Ort einer festen Niederlassung ab. Nach Art. 11 MwSt-DVO6 ist als feste Niederlassung i.S.v. Art. 44f MwStSystRL jede Niederlassung anzusehen, die eine Mindestgröße und einen ausreichenden Mindestbestand an ständig anwesenden Personal- und Sachmitteln aufweist, die es ihr ermöglichen, Dienstleistungen zu erbringen oder an sie erbrachte Dienstleistungen zu verwenden.7 Im Hinblick auf das Transportwesen hat der EuGH zumindest ein Büro verlangt, in dem Verträge abgefasst und die Entscheidungen der täglichen Geschäftsführung getroffen werden können.8 Eine solche beständige Struktur liegt z.B. vor, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügt, von hier aus Verträge abgeschlossen werden können, Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgen und Entscheidungen getroffen werden, z.B. über den Wa-
1 2 3 4 5
Ablehnend Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (498). OECD, Issues in International Taxation No. 7. Vgl. Görl in V/L5, Art. 14 OECD-MA Rz. 21. Zum Ganzen siehe Monfort, UR 2012, 341. Vgl. RL 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. Nr. L 347, 1, ber. ABl. Nr. L 335, 60), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2010/88/EU v. 7.12.2010 (ABl. Nr. L 326, 1). 6 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates v. 15.3.2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU Nr. L 77 v. 23.3.2011 (MwStSystRL). 7 Vgl. EuGH v. 28.6.2007 – C-73/06 – Planzer Luxembourg, BFH/NV 2007, Beilage 4, 418, Rz. 54, m.w.N. 8 Vgl. EuGH v. 28.6.2007 – C-73/06 – Planzer Luxembourg, BFH/NV 2007, Beilage 4, 418, Rz. 55.
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Art. 5 Rz. 22–25
Betriebstätte
reneinkauf. Im Ergebnis ähnelt damit der Begriff der festen Niederlassung dem der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1. Unterschiede zum Abkommensrecht (s. Rz. 60) bestehen indes, als der Begriff der festen Niederlassung Personal erfordert, das die jeweiligen Dienstleistungen erbringen kann. Wegen der unterschiedlichen Regelungsbereiche des ertragsteuerlich orientierten Abkommens- und des Umsatzsteuerrechts kommt es trotz dieses inhaltlichen Unterschieds zu keiner Normenkonkurrenz. Bis einschließlich 2009 war für den Ort von Dienstleistungen u.a. die feste Niederlassung des Leistungserbringers maßgeblich (Art. 43 MwStSystRL i.d.F. bis 31.12.2009). Mit Wirkung ab dem 1.1.2010 ist dieser Ort nur noch entscheidend, wenn die Dienstleistung an einen nicht Steuerpflichtigen i.S.d. Richtlinie erbracht wird (Art. 45 MwStSystRL). Im Übrigen kommt es seitdem auf den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistungsempfängers an (Art. 44 MwStSystRL). Da das bisherige Prinzip damit in Teilbereichen aufrecht erhalten bleibt und für diesen Teilbereich die bisherigen Grundsätze fortgelten, kann von dem Systemwechsel innerhalb der MwStSystRl nicht auf einen Wegfall des Personalerfordernisses zurück geschlossen werden.1 23
MTRL sowie Zins- und Lizenzrichtlinie (ZiLiRL). Gem. Art. 2 Abs. 2 MTRL2 bzw. Art. 3 Buchst. c ZiLiRL3 fallen auch Betriebsstätten in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinien. Diese sind in den Richtlinien eigenständig definiert und werden neben anderen Konzerngesellschaften als begünstigte Empfänger angesehen. Ziel der Richtlinien ist die Abschaffung sämtlicher Quellensteuern auf im EUKonzernverbund gezahlte Ausschüttungen, Zinsen und Lizenzgebühren. Im Ergebnis sollen solche Zahlung beim Empfänger steuerpflichtig sein. Nach der Definition in Art. 3 Buchst. c ZiLiRL ist Betriebsstätte eine „feste Geschäftseinrichtung in einem Mitgliedstaat, in der die Tätigkeit eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats ganz oder teilweise ausgeführt wird“. Diese Definition entspricht Art. 5 Abs. 1. Damit können richtlinienbasierte Privilegien von Geschäftseinrichtungen nur in Anspruch genommen werden, wenn diese Geschäftseinrichtungen die Anforderungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA erfüllen.
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EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention (EUSchK)4 ist auch in Bezug auf die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten anwendbar, wobei sie hinsichtlich des Gewinnabgrenzungsmaßstabes gem. Art. 4 Abs. 2 EUSchK – analog Art. 7 Abs. 2 – auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und den Fremdvergleichsgrundsatz verweist. Soweit es hierfür auf das Vorhandensein einer Betriebsstätte ankommt, gilt nicht der nationale, sondern gem. Art. 3 Abs. 2 EUSchK der Begriff des jeweiligen DBA zwischen den beteiligten Staaten. Insofern gelten die hier getroffenen Aussagen für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. EUSchK entsprechend. Ferner wird die Betriebsstätte wie ein Unternehmen eines Vertragsstaats behandelt (Art. 1 Abs. 2 EUSchK). Im Unterschied zu Art. 25 Abs. 1 erlaubt allerdings Art. 6 Abs. 1 EUSchK, den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens auch im Betriebsstättenstaat zu stellen. Vgl. auch die Kommentierung der EUSchK in Art. 25 Rz. 275 ff.). 3. Innerstaatliches Recht
25
Verhältnis zum innerstaatlichen Recht. Art. 5 enthält eine eigenständige Betriebsstättendefinition, die innerhalb derselben Norm an verschiedene Tatbestandsgruppen, nämlich das Vorhandensein einer festen Geschäftseinrichtung i.S.d. Abs. 1, Bauund/oder Montagedienstleistungen i.S.d. Abs. 3 oder eines Vertreters i.S.d Abs. 5 bzw. 1 I.E. zustimmend: BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 – S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005, ber. S. 1344, geänd. durch BMF v. 8.12.2009, BStBl. I 2009, 1612, BMF v. 18.3.2010, BStBl. I 2010, 256 und BMF v. 14.6.2010, BStBl. I 2010, 568 Rz. 4. 2 Vgl. RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 3 Vgl. RL 2003/49/EG des Rates vom 3.6.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten; (ABl. L 157 v. 26.6.2003, 49), zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG des Rates vom 20.11.2006 (ABl. Nr. L 363129, 136). 4 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen vom 23.7.1990, ABl. EG Nr. L-225, 10.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 25–27 Art. 5
Abs. 6 anknüpft und für diese dieselbe Rechtsfolge in Form des Besteuerungsrechts für den Quellenstaat und der Freistellungsverpflichtung für den Ansässigkeitsstaat anordnet (s. Rz. 7, 8). Damit unterscheidet sie sich vom innerstaatlichen Recht, das den Betriebsstättenbegriff inkl. der Bau- und Montagebetriebsstätte in § 12 AO und – systematisch davon getrennt – den ständigen Vertreter in § 13 AO regelt und – für Zwecke der GewSt – unterschiedlich behandelt. Denn Steuergegenstand der Gewerbesteuer ist nur die Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. Nur diese stellt den Inlandsbezug i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG und andererseits den Auslandsbezug i.S.v. § 9 Nr. 3 GewStG her. Im Unterschied dazu löst zwar das Vorhandensein eines Vertreters ein abkommensrechtliches, nicht aber ein gewerbesteuerliches Besteuerungsrecht des Quellenstaats für die insoweit dem Prinzipal zuzurechnenden Gewinne aus. Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO. § 12 AO definiert die Betriebsstätte für Zwecke des in- 26 nerstaatlichen Rechts. Er wird als Generaldefinition für Zwecke des gesamten Steuerrechts (§ 1 Abs. 1 AO) durch die spezielleren Betriebsstättendefinitionen in den Einzelsteuergesetzen, wie etwa § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG, § 43 Abs. 2 Buchst. a EStG und v.a. der abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinitionen verdrängt. Im Bereich der Umsatzsteuer wird der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO durch die MwStSystRl überlagert (s. Rz. 27). Ebenso wie Art. 5 (s. Rz. 2) verkörpert § 12 AO nur einen unselbständigen Teil des Gewerbebetriebs. Nicht die Betriebsstätte, sondern der gewerbetreibende Betriebsinhaber wird mit ihr steuerpflichtig. Der Hauptanwendungsbereich des § 12 AO besteht in der Begründung der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für Zwecke der Einkommensteuer bzw. der Körperschaftssteuer sowie in der Begründung der Gewerbesteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Umgekehrt ist die Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG), das Abzugsverbot für ausländische Verluste (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG) sowie für die Kürzung bei der Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 3 GewStG). Als solches schafft auch der innerstaatliche Betriebsstättenbegriff einen Ortsbezug (s. Rz. 3), der mit seinen Tatbestandselementen die Mindestanforderungen und damit die Unterschwelle für die eben geschilderten Rechtsfolgen definiert (s. Rz. 4). Im Unterschied zu Art. 5 genügt jedoch jede Vorbereitungs- und Hilfstätigkeit aus. Insoweit ist der Begriff des § 12 AO weiter als der des Art. 5.1 Betriebsstätte i.S.d. UStG2 und Personalerfordernis. Im Unterschied zu den in- 27 nerstaatlichen Anforderungen i.S.d. § 12 AO erfordert die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. Umsatzsteuerrechts (vgl. §§ 3a, 3f, 3g bzw. § 13b Abs. 7 UStG3) zusätzlich, dass die Einrichtung oder Anlage über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügt, der für die Erbringung der steuerbaren Leistungen erforderlich ist. Außerdem muss die Einrichtung oder Anlage einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweisen, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen ermöglicht.4 Grundlage dieser zusätzlichen Tatbestandsmerkmale ist der Begriff der „festen Niederlassung“ i.S.d. Art. 44f MwStSystRL in der Fassung der ÄnderungsRL 2008/8/EG.5 Dieser genießt für Zwecke der Umsatzsteuer gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AO, im Übrigen aber auch aus der Richtlinie unmittelbar6, Anwendungsvorrang vor § 12 AO.7 Diesem Umstand wurde in Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE8 Rechnung 1 Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 41. 2 Zum Ganzen siehe Monfort, UR 2012, 341. 3 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – XI R 15/08, BFH/NV 2011, 661; FG München v. 28.6.2006 – 3 K 4109/04, EFG 2006, 1545. 4 Vgl. EuGH v. 20.2.1997 – C-260/95, EuGHE I, 1005; BMF v. 4.9.2009 – IV B 9 – S 7117/08/10001, BStBl. I 2009, 1005, ber. S. 1344, geänd. durch BMF v. 8.12.2009, BStBl. I 2009, 1612, BMF v. 18.3.2010, BStBl. I 2010, 256 und BMF v. 14.6.2010, BStBl. I 2010, 568, Rz. 4. 5 Vgl. Wäger in Sölch/Ringleb, § 3a UStG Rz. 3 (Stand: April 2010). 6 Vgl. BVerfG v. 29.7.2004 – 2 BvR 2248/03, DVBl 2004, 1411; Kirchhof, DStR 2008, 1 unter 3.2. 7 Vgl. Wäger in Sölch/Ringleb, § 3a UStG Rz. 93 (Stand: April 2010). 8 UStAE v. 1.10.2010, BStBl. I 2010, 846 geändert durch BMF v. 6.7.2011, BStBl. I 2011, 738 und v. 7.7.2011, BStBl. I 2011, 739.
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Art. 5 Rz. 27–31
Betriebstätte
getragen. Im Zusammenspiel mit Art. 5 spielt die Betriebsstätte i.S.d. UStG praktisch jedoch keine Rolle, da die Umsatzsteuer in keinem von Deutschland abgeschlossenen DBA in den Anwendungsbereich i.S.d. Art. 2 fällt. 28
Umsetzung der MTRL bzw. ZiLiRL im nationalen Recht (§ 43b Abs. 2a EStG bzw. § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG). In § 43b Abs. 2a EStG bzw. § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG hat der Gesetzgeber jeweils die eigenständige, an Art. 5 Abs. 1 angelehnte Betriebsstättendefinition der MTRL bzw. ZiLiRL im EStG implementiert. Wie auch Art. 5 unterscheiden sich die beiden Definitionen von § 12 AO durch das Erfordernis, dass in der festen Geschäftseinrichtung wenigstens ein Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens verrichtet werden muss.
29
Ständiger Vertreter i.S.d. § 13 AO. Zu Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rz. 127 verwiesen.
30
Repräsentant i.S.d. § 17 InvStG. Zu Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rz. 128 verwiesen.
B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1) Ausgewählte Literatur: Behrendt/Wischott/Krüger, Praxisfragen zu deutschen Besteuerungsrechten im Zusammenhang mit Offshore-Windparks in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone, BB 2012 1827; Bendlinger/Görl/Schon, Taxation of Large-Scale Construction Projects and the OECD Discussion Draft on the Attribution of Profits to Permanent Establishment’, Intertax 2006 180; Boergen, Vertreterbetriebsstätte und organschaftliches Handeln, IStR 2003 798; Buciek, Aktuelle Entwicklungen zur Betriebsstättenbesteuerung, DStZ 2003 139; Dißars, Kriterien zur Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung einer Gesellschaft nach § 10 AO, DStZ 2011 21; Ditz/ Quilitzsch, Aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf die Definition der Betriebsstätte, FR 2012 493; Eckl, Generalthema I: Die Definition der Betriebsstätte, IStR 2009 510; Findeis/Eickmann, Internet-Server als ertragsteuerliche Betriebsstätte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-USA, DStZ 2008 139; Heussner, Vertreterbetriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft – die Praxis wartet auf eine höchstrichterliche Entscheidung, IStR 2004 161; Holler/Heerspink, Betriebsstättenbegründung durch Errichtung eines Verkaufsservers im Internet?, BB 1998 771; Kessler/Peter, Weiterentwicklung des Betriebsstättenprinzips, BB 2000 1545; Kirchhof, 40 Jahre Umsatzsteuer – Eine Steuer im Umbruch, 2008 1; Kramer, Die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004 672; Lehner/Reimer, Generalthema I: Quelle versus Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005 542; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010 303; Mittermüller, Schwimmende Arbeitsgeräte als ausländische Betriebstätten, RIW 1982 813; Monfort, Neue Definition der festen Niederlassung? – Repräsentationsbüros, Call-Center und Ähnliches –, UR 2012 341; Paus, Besteuerung von „kleinen“ Arbeitsgemeinschaften, FR 1998 994; Puls, Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter“ im Inland?“, RIW 2004 172; Reimer, Die Zukunft der Dienstleistungsbetriebstätte, IStR 2009 378; Wassermeyer, Stellungnahme zum vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004 676; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010 37; Weissenborn, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, BB 1959 951; Wiater/Bosch, National bestimmbare Steuerentstrickung unternehmerischer Erträge durch Nutzung des Internets, IStR 1998 757; Wilke, Die Vertreterbetriebsstätte im internationalen Steuerrecht, PIStB 2001 22.
I. Regelungszweck 31
Definition des Grundtatbestands. Abs. 1 enthält die abkommensrechtliche Definition des Grundtatbestands der „Betriebsstätte“ i.S.d. Art. 5 in Form einer festen Geschäftseinrichtung, durch die ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise ausübt. Die dort genannten Tatbestandselemente bilden den gedanklichen Ausgangspunkt für alle Tatbestände der Norm. Dies gilt insbesondere auch für die positiven Regelbeispiele des Abs. 21 und die negativen Abgrenzungsbeispiele des Abs. 4. Darüber hinaus prägen die Tatbestandselemente des Abs. 1 auch die Alternativtatbestände der Bau- und Montage- (Abs. 3) oder Vertreterbetriebsstätte (Abs. 5 1 So auch Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECDMA Rz. 4. Begründung s.u. Rz. 73.
360
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 31–33 Art. 5
und 6), sofern diese nicht ausdrücklich abbedungen sind. So ist Geschäftseinrichtungs- (s. Rz. 45), Bau- und Montage (s. Rz. 104) und Vertreterbetriebsstätte (s. Rz. 129 ff.) eine zeitliche Mindestdauer gemeinsam. Weiterhin findet sich die für den Grundtatbestand notwendige Sachherrschaft (s. Rz. 49) im Abhängigkeitserfordernis des Vertreters (s. Rz. 133) wieder. Eigenständige Definition. Durch die Formulierung „Im Sinne dieses Abkommens 32 …“ stellt Art. 5 Abs. 1 klar, dass die Frage, ob eine Betriebsstätte i.S.d. OECD-MA gegeben ist, nach den Maßstäben des Abkommensrechts zu ermitteln ist. Daher sind bei der Anwendung des Art. 5 die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von DBA bzw. der hierzu ergangenen Transformationsgesetze zu beachten.1 Neben dem Wortlaut des Abkommenstextes nehmen Gesetzgeber2 und die Finanzverwaltung3 bei der Auslegung zunehmend besondere Rücksicht auf die Äußerungen des OECD-MK und zwar auch dann, wenn das konkrete DBA schon vor der Veröffentlichung der jeweiligen Kommentarstelle verabschiedet wurde. Die Rspr. steht dieser Sichtweise skeptisch gegenüber (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 105).4 Für die tägliche Praxis gewinnt damit aber der OECD-MK an Bedeutung. In Einzelfällen ist er sogar als verbindliche Auslegungsrichtlinie im DBA vereinbart.5 Darüber hinaus kann zur Auslegung des DBA auch auf das innerstaatliche Recht zurück gegriffen werden, sofern die autonome Auslegung des Abkommenstextes und OECD-MK zu keinem Ergebnis führt (vgl. Art. 3 Rz. 58 ff.). Absatz 1 enthält eine allgemeine Definition des Ausdrucks Betriebsstätte, die die wesentlichen Merkmale einer Betriebsstätte i.S.d. Abkommens hervorhebt. Inhaltlich verlangt der Grundtatbestand des Art. 5 das Vorhandensein 1. eines Unternehmens (s.u. Rz. 34 ff.), 2. einer Geschäftseinrichtung (s.u. Rz. 37), 3. die fest ist (s.u. Rz. 39), 4. die ganz oder teilweise der Ausübung der Geschäftstätigkeit (des Unternehmens) im betreffenden Staat dient (s.u. Rz. 58) und 5. ein innerer Zusammenhang („… durch die …“) zwischen Geschäftstätigkeit der festen Geschäftseinrichtung des Unternehmens besteht (s.u. Rz. 59 und Art. 5 Rz. 4.6 OECD-MK)6. Nur wenn alle fünf Tatbestandselemente kumulativ erfüllt sind, liegt eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 vor. Dies gilt auch für die in Abs. 2 genannten Beispiele typischer Betriebsstätten (vgl. Art. 5 Rz. 12 OECD-MK).7 Abgrenzung zu § 12 Satz 1 AO. Ebenso wie in Art. 5 für Zwecke des DBA wird in 33 § 12 AO für das nationale Recht der gem. § 1 AO grundsätzlich anzuwendende Begriff der Betriebsstätte definiert. Der innerstaatliche Betriebsstättenbegriff in Form der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte gem. § 12 Satz 1 AO verlangt das Vorhandensein 1. eines Unternehmens, 2. einer Geschäftseinrichtung oder Anlage, 3. die fest ist und 4. die der Tätigkeit des Unternehmens dient8. Deckungsgleichheit zwischen innerstaatlichem Recht und Abkommensrecht besteht insoweit hinsichtlich den Tatbestandsvoraussetzungen der unternehmerischen Tätigkeit, der Geschäftseinrichtung und deren Festigkeit. Während aber in der Geschäftseinrichtung i.S.d. Art. 5 in Folge der Konkretisierung in Abs. 2 und Abs. 4 die Haupttätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werden muss, d.h. regelmäßig werbend am
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 9. Vgl. BT-Drucks. 16/2712, 61. Vgl. BMF v. 13.10.2010, BStBl. I 2010, 774 Rz. 9. Vgl. BFH v. 19.5.2009 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. Vgl. DBA-Österreich, Rz. 16 Schlussprotokoll. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 10. A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 29; s.u. Rz. 73. Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 19.
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Art. 5 Rz. 33–35
Betriebstätte
örtlichen Marktgeschehen teilgenommen werden muss oder im Übrigen in der Geschäftseinrichtung ein wesentliche Leistungsbeitrag zur unternehmensinternen Wertschöpfung z.B. in Form von Forschung und Entwicklung betrieben werden muss1, genügt es für die Annahme einer Betriebsstätte gem. § 12 AO, wenn die Geschäftseinrichtung dem Unternehmen lediglich dient, d.h. für das Unterhemen nützlich ist.
II. Unternehmen 34
Unternehmen. Tatbestandsmäßig knüpft Art. 5 an das Vorhandensein eines Unternehmens an (vgl. hierzu ausführlich Art. 3 Rz. 26 ff. und Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.). Denn nur wenn die feste Geschäftseinrichtung eine solche des Unternehmens ist, wird sie zur Betriebsstätte. Eine Betriebsstätte außerhalb von Unternehmensgewinnen ist daher nicht denkbar. Gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c bezieht sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit. Diese inhaltsarme Formulierung2 trägt dem grundlegenden Verständnis der OECD-Mitgliedsstaaten Rechnung, dass die Frage, ob eine Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens ausgeübt wird oder an sich schon ein Unternehmen darstellt, gem. Art. 3 Abs. 2 nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten zu beurteilen ist (vgl. Art. 5 Rz. 4 OECD-MK). Das OECDMA selbst definiert nur den Rahmen für die nationale Interpretation, indem es bestimmt, dass der Ausdruck „Unternehmen“ sich auf die Ausübung einer Geschäftstätigkeit bezieht. Da der Ausdruck „Geschäftstätigkeit“ ausdrücklich so definiert ist, dass er auch freiberufliche Dienstleistungen und andere selbständige Tätigkeiten ähnlicher Art umfasst, ist klargestellt, dass freiberufliche Dienstleistungen oder andere selbständige Tätigkeiten ähnlicher Art als Unternehmenstätigkeiten angesehen werden müssen, unabhängig von der Bedeutung, den dieser Ausdruck nach innerstaatlichem Recht hat (vgl. Art. 5 Rz. 1.1 OECD-MK). Gem. Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG, § 14 Satz 3 AO ist damit entscheidend, ob die maßgebliche Tätigkeit selbständig nachhaltig und mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, und dabei über eine private Vermögensverwaltung hinausgeht (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff., insbes. Rz. 52).3 Übt die Person andere Tätigkeiten, wie z.B. unselbständige Tätigkeiten oder Vermögensverwaltung aus, sind daher die Einkünfte allein auf Basis der jeweiligen Verteilungsnormen den beteiligten Staaten zuzuordnen. Auf die nationale Einordnung der Einkünfte als zwingend gewerbliche (z.B. wegen Bestehens einer Betriebsaufspaltung4 (s. Rz. 157 und Art. 7 (2008) Rz. 56 oder gem. § 8 Abs. 2 KStG) kommt es insoweit nicht an. Bei Personengesellschaften wird dies jedoch von der Verwaltung teilweise anders gesehen (s. Rz. 64 und Art. 7 (2008) Rz. 54 f.).
35
Reichweite des Unternehmens. Ob eine Person nur ein oder aber mehrere Unternehmen betreiben kann, lässt das DBA ebenso weitgehend offen wie die Frage, was eine unternehmerische Tätigkeit ist (s. Rz. 34). Deswegen ist gem. Art. 3 Abs. 2 auch insoweit auf die nationalen Regelungen des § 15 Abs. 2 EStG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG zurück zu greifen (vgl. aber Art. 7 (2008) Rz. 51 ff., insbes. Rz. 53).5 Hiernach setzt die Annahme eines Gewerbebetriebs neben der persönlichen Selbständigkeit des Unternehmers auch die sachliche Selbständigkeit des Betriebs voraus. Eine solche kann auch gegeben sein, wenn die Tätigkeiten von derselben Person betrieben werden.6 Sachlich selbständig ist ein Unternehmen, wenn es für sich eine wirtschaftliche Einheit bildet, also nicht ein unselbständiger Teil eines anderen Unternehmens
1 Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 41. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 40. 3 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1220; v. 4.5.2011 – II R 51/09, DStRE 2011, 1004; FG Köln v. 13.11.2008 – 15 K 2900/05, EFG 2009, 1819. 4 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553. 5 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a, einschränkend Wassermeyer, IStR 2010, 37 (38). 6 BFH v. 1.12.1960 – IV 353/60 U, BStBl. III 1961, 65; v. 14.9.1965 – I 64/63 U, BStBl. III 1965, 656.
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 35–38 Art. 5
oder eines Gesamtunternehmens ist (R 2.1 (1) GewStR 2009). Entscheidend für diese Frage ist die Verkehrsanschauung (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG). Grundsätzlich ist dabei von sachlicher Selbständigkeit auszugehen, wenn die zu beurteilenden Einheiten wesensfremd sind. Umgekehrt bilden verschiedene örtliche Einheiten ein großes Ganzes, wenn sie gleichartig sind, d.h. sachlich, wirtschaftlich finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (R 2.4 (2) GewStR 2009).1 Deshalb sind z.B. Forschungs-, Produktions-, Vertriebs- und Leitungseinheiten derselben Person auch dann als Einheit zu sehen2, wenn sie an verschiedenen Standorten verschiedene Beiträge in einer Wertschöpfungskette erbringen. Für die Frage der Zusammengehörigkeit von unternehmerischen Tätigkeiten und festen Geschäftseinrichtungen ist daher nicht der Ort, sondern der innere Zusammenhang entscheidend.3 Dies bringt allein schon die Existenz des Betriebsstättenbegriffs zum Ausdruck, dessen Funktion es ist, eine vom Ort des Unternehmers abweichende Tätigkeit dem Unternehmen zuzuordnen. Abgrenzung zu § 12 Satz 1 AO. Ebenso wie bei Art. 5 Abs. 1 muss die Tätigkeit 36 i.S.d. § 12 Satz 1 AO eine unternehmerische sein. Insofern gelten die o.g. Regeln (s. Rz. 34).
III. Geschäftseinrichtung Körperlicher Gegenstand (place of business). Typischerweise umfasst der Aus- 37 druck „Geschäftseinrichtung“ Räumlichkeiten, Einrichtungen und Anlagen (vgl. Art. 5 Rz. 4 OECD-MK), m.a.W. eine Sachgesamtheit körperlicher Gegenstände, die dem Unternehmen dienen.4 Seinem Wesen nach ist der Begriff aber weiter. Unter Umständen kann daher auch ein einzelner körperlicher Gegenstand, wie etwa ein Computerserver (s.u. Rz. 169) die Betriebsstätte bilden.5 Ebenso kommen Flächen bzw. Bezirke für eine Geschäftseinrichtung in Betracht.6 Hingegen sind reine Rechtspositionen, wie etwa Beteiligungen an Körperschaften, Forderungen oder andere Immaterialgüterrechte (Patente, Software etc.) ausgeschlossen,7 da sie nicht körperlicher Art sind. Aus diesem Grund können auch registergerichtliche Eintragungen, z.B. des Sitzes einer Gesellschaft, reine Postanschriften,8 Bankkonten9 oder eine Web-Site10 keine Betriebsstätte begründen. Im Kern dient das Tatbestandsmerkmal „Geschäftseinrichtung“ damit dem Ausschluss immaterieller Zustände und Positionen, so dass dem Grunde nach jeder körperliche Gegenstand – unabhängig von seiner Größe – geeignet ist, Geschäftseinrichtung zu sein. Abgrenzung zur Anlage gem. § 12 AO. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 nennt § 12 38 Satz 1 AO neben der Geschäftseinrichtung auch die Anlage. Dennoch besteht zwischen den Begrifflichkeiten kein sachlicher Unterschied. Denn auch Anlagen sind körperliche Gegenstände und damit Geschäftseinrichtungen.11 Inhaltlich haben diese aber einen eher technischen Charakter. So fallen unter den Ausdruck Anlage insbesondere Maschinen, Bergwerke,12 aber auch unterirdische Transportleitungen.13
1 BFH v. 20.4.1961 – IV 18/59 U, BStBl. III1961, 314; v. 24.11.1978 – III R 121/76, BStBl. II1979, 366; v. 17.3.1981 – VIII R 149/76, BStBl. II 1981, 746; v. 19.11.1985 – VIII R 310/83, BStBl. II 1986, 719. 2 FG Berlin-Brandenburg v. 11.3.2010 – 13 K 324/06, EFG 2010, 1148; FG BaWü v. 14.8.1997 – 6 K 131/95, DStRE 1998, 59. 3 Eisele in Rössler/Troll16, § 95 BewG Rz. 6. 4 Vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 30. 5 Vgl. RFH v. 30.4.1935 – I A 13/35, RStBl 1935, 840. 6 Vgl. BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734. 7 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. 9 Vgl. BFH v. 7.6.1966 – I B 124/64, BStBl. III 1966, 548. 10 Vgl. Wiater/Bosch, IStR 1998, 757, 758. 11 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31; Kruse in T/K § 12 AO Rz. 4; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 8. 12 Vgl. RFH v. 20.2.1935 – I A 218/34, RStBl 1935, 572. 13 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12.
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363
Art. 5 Rz. 39–41
Betriebstätte
IV. Festigkeit 1. Allgemeines 39
Relevanz der Festigkeit. Das eigentlich charakterisierende Tatbestandsmerkmal der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte ist deren Festigkeit. Denn erst sie ermöglicht es, durch die Geschäftseinrichtung den Normzweck des Ortsbezugs (s. Rz. 4) herzustellen. Hierzu definiert der Begriff der Festigkeit die Unterschwelle für das Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Als solche verlangt sie eine gewisse Intensität der Beziehung zwischen Unternehmer und Geschäftseinrichtung. Diese wiederum umfasst eine örtliche, zeitliche und persönliche Komponente. Vom Ergebnis entspricht dies der h.M.1, der allerdings teilweise vorgehalten wird, die persönliche Komponente in Form einer tatsächlichen Sachherrschaft (s.u. Rz. 49 ff.) ließe sich nicht aus dem Wortlaut ableiten.2 Übersehen wird dabei allerdings, dass die Tatbestandselemente der örtlichen und zeitlichen Festigkeit lediglich das Steuerobjekt „Geschäftseinrichtung“ konkretisieren, nicht aber die Beziehung zwischen dem Steuersubjekt „Unternehmer“ und der Geschäftseinrichtung herstellen. Genau diese ist aber für die steuerliche Inanspruchnahme des Unternehmers durch den Quellenstaat erforderlich. Denn anderenfalls könnte jede orts- und zeitfeste Einrichtung, auch wenn sie vom Unternehmer nur gelegentlich genutzt wird, ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats auslösen. Daher bedarf es einer weiteren persönlichen Komponente in Form einer nicht ohne weiteres entziehbaren Sachherrschaftsposition des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung als Maßstab für die persönliche Festigkeit der Beziehung (s.u. Rz. 49). Im Ergebnis ist daher nur von einer Betriebsstätte auszugehen, wenn alle drei Elemente kumulativ erfüllt sind. Nur dann wird die Geschäftseinrichtung zu einer „festen“. 2. Örtliche Festigkeit
40
Ortsfestigkeit. Die Geschäftseinrichtung muss ortsfest sein. Ausreichend ist die Beziehung zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche.3 Eine mechanisch feste Verbindung ist nicht erforderlich. Die Geschäftseinrichtung braucht also nicht festgemauert, festgeschraubt oder einbetoniert zu sein.4 Regelmäßig setzt dies eine Berührung mit der Erdoberfläche voraus; zwingend ist dies jedoch nicht.5 So können z.B. auch Schiffe, sofern sie an einem bestimmten Liegeplatz festgemacht sind – z.B. ein Restaurantschiff –, ortsfest sein.6 Gleiches gilt für geostationäre Satelliten (s. Rz. 186). Die Geschäftseinrichtung kann sich auch unterhalb der Erdoberfläche befinden, wie z.B. ein Bergwerk (vgl. Art. 5 Rz. 5.2 OECD-MK).7 Eine absolute örtliche Festigkeit ist jedoch nicht erforderlich. Es genügt eine gewisse Verwurzelung (s. Rz. 43).
41
Zusammenfassung von Geschäftseinrichtungen. Fraglich ist, ob jede örtliche Trennung von Geschäftseinrichtungen stets eine isolierte Behandlung nach sich zie-
1 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227; v. 16.8.1962 – I B 223/61, BStBl. III 1962, 477; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 29.4.1987 – I R 118/83, BFH/NV 1988, 122; v. 8.3.1989 – VIII R 270/91, BFH/NV 1989, 735; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 4.6.2008 – I R 30/07, IStR 2008, 702; Kruse in T/K § 12 AO Rz. 11; Mersmann, Ertragsbesteuerung, S. 40; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, S. 31, 32; Storck, Ausländische Betriebsstätten S. 135 ff.; Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen3, Rz. B 102; Züger in Gassner/Lang/Lechner, Wien 1998, S. 31 ff., 43. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 3 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 14. 4 Vgl. BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; ebenso: Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 8. 5 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.1.1.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37. 6 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 14; offen lassend BFH v. 26.8.1987 – I R 376/83, BStBl. II 1988, 201. 7 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12.
364
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 41–43 Art. 5
hen muss1 oder ob mehrere Geschäftseinrichtungen dann zu einer einheitlichen Betriebsstätte zusammengefasst werden können, wenn zwischen ihnen ein funktionaler Zusammenhang in technischer, organisatorischer und/oder wirtschaftlicher Hinsicht besteht.2 Für eine isolierte Betrachtung jeder einzelnen Einrichtung spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1, der nur von der Geschäftseinrichtung spricht. Hierfür spricht auch der Vergleich des – insoweit mit Art. 5 Abs. 1 deckungsgleichen – Grundtatbestands des § 12 Satz 1 AO mit dessen Begriffserweiterungen in Satz 2, insbesondere den im Grundtatbestand nicht vorgesehenen Additionsmöglichkeiten verschiedener Bauausführungen gem. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO.3 Folgte man diesem Ansatz, müssten aber z.B. die Aufwendungen für einen getrennten Lagerplatz als Aufwendungen einer „Hilfsbetriebsstätte“ i.S.v. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a auch dann im Ansässigkeitsstaat berücksichtigt werden, wenn sich der Lagerplatz für die von der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte vertriebenen Wirtschaftsgüter lediglich auf einer gesonderten Flurnummer auf der anderen Straßenseite befindet. Dies hätte zur Folge, dass jede Aufteilung wirtschaftlich zusammenhängender Tätigkeiten auf verschiedene feste Geschäftseinrichtungen innerhalb des Quellenstaats zwingend eine getrennte Beurteilung inkl. ggf. abweichender Zuteilung von Besteuerungsrechten nach sich zöge. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Abkommensrechts, das im Ergebnis dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht für die Einkünfte zuweisen möchte, die am örtlichen Markt unter örtlich verfestigter Teilnahme erwirtschaftet wurden.4 Umgekehrt darf aber nicht jeder wirtschaftliche Zusammenhang zu einer Zusammenfassung von ortsverschiedenen Geschäftseinrichtungen desselben Hoheitsgebiets führen, da anderenfalls der von Gesetzes wegen geforderte Ortsbezug verloren ginge. Um diesen Widerspruch zu lösen, ist der Grundsatz der örtlichen Isolierung von Geschäftseinrichtungen teleologisch dahingehend einzuschränken, dass verschiedene Tätigkeiten und/oder Geschäftseinrichtungen ausnahmsweise zusammenzufassen sind, wenn sich die einzelnen Tätigkeiten und Einrichtungen in einem Bereich befinden, der eine wirtschaftliche und geographische Einheit bildet (vgl. Art. 5 Rz. 5.1 OECD-MK). Wirtschaftliche Einheit. Wann eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, lässt sich dem 42 OECD-MA selbst nicht entnehmen (siehe auch oben Rz. 35). Allerdings geht Art. 5 Rz. 27.1 OECD-MK von einer wirtschaftlichen/organisatorischen Einheit aus, wenn die verschiedenen Geschäftseinrichtungen sich ergänzende Funktionen in einem Vertragsstaat ausüben, wie z.B. Annahme und Lagerung von Gütern in einer Geschäftseinrichtung, Vertrieb dieser Güter durch eine andere usw. Denn ein Unternehmen soll nicht eine einheitliche Geschäftstätigkeit in mehrere kleine Tätigkeiten aufspalten können, um geltend zu machen, dass jede nur vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Diese Sichtweise deckt sich mit dem nationalen Recht, nach dem verschiedene Betriebe/Geschäftseinrichtungen eine wirtschaftliche Einheit bilden, wenn diese gleichartig sind und deren wirtschaftliche Beziehungen über die einzelne Geschäftseinrichtung hinausgehen.5 Dabei sind Betriebe als gleichartig anzusehen, wenn sie sachlich, insbesondere wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (R 2.4 (2) GewStR 2009). Geographische Einheit und Verwurzelung. Von einer geographischen Einheit ist nach den Vorstellungen der OECD auszugehen, wenn die verschiedenen Geschäftseinrichtungen geographisch ein Ganzes bilden (vgl. Art. 5 Rz. 5.3, 5.4 OECD-MK).
1 Vgl. FG Düsseldorf v. 14.9.1990 – 10 K 580/85 G, EFG 1991, 290, rkr.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37. 2 Vgl. Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, S. 30; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften: Ein Beitrag zum internationalen Steuerrecht, Heidelberg 1966, S. 31; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Main 1980, 164. 3 Vgl. FG Düsseldorf v. 14.9.1990 – 10 K 580/85 G, EFG 1991, 290, rkr. 4 Vgl. auch Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.17. 5 FG Berlin-Brandenburg v. 11.3.2010 – 13 K 324/06, EFG 2010, 1148; FG BaWü v. 14.8.1997 – 6 K 131/95, DStRE 1998, 59.
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43
Art. 5 Rz. 43–45
Betriebstätte
Nach den Vorstellungen der Rspr.1 ist es für den Ortsbezug ausreichend, wenn der Steuerpflichtige mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit gewissermaßen „verwurzelt“ ist. Davon ist z.B. auszugehen, wenn die Tätigkeit von wechselnden Räumen innerhalb eines Gebäudes ausgeübt wird.2 Nichts anderes gilt für die Nutzung einer definierten Speicherkapazität (vgl. Rz. 161) in einem Serverpark oder für einen geostationären Satelliten (vgl. Rz. 186). Diese Wertung entspricht den Vorstellungen der OECD, die beispielsweise ein „Bürohotel“ (vgl. Rz. 160), in dem ein Beratungsunternehmen regelmäßig verschiedene Büros mietet, als eine einzige Geschäftseinrichtung dieses Beratungsunternehmens ansieht; in diesem Fall bilde das Gebäude ein geographisches Ganzes und das Hotel ist eine einzige Geschäftseinrichtung des Beratungsunternehmens (vgl. Art. 5 Rz. 5.2 OECD-MK). Fraglich ist aber, welchen räumlichen Außenumfang der Bereich haben darf, innerhalb dessen sich die örtlich wechselnden Geschäftseinrichtungen befinden. Der OECD-MK zu Art. 5 sieht etwa eine Fußgängerstraße, einen Marktplatz oder ein Messegelände, wo ein Händler regelmäßig an unterschiedlichen Stellen seinen Stand errichtet, noch als eine einzige Geschäftseinrichtung dieses Händlers an (vgl. Art. 5 Rz. 5.2 OECD-MK). Wo allerdings im Einzelfall die Grenze zu ziehen ist, ist Tatfrage. M.E. verhalten sich dabei Größe des Unternehmens im Quellenstaat und räumliche Ausdehnung proportional, d.h. je größer das Unternehmen vor Ort ist, desto größer kann auch die noch als Einheit zu beurteilende räumliche Ausdehnung sein. 44
Abgrenzung zu § 12 AO. In Hinblick auf die Ortsfestigkeit bestehen keine Unterschiede zwischen § 12 AO und Art. 5. Daher sind die Fragen nach der Zusammenfassung von Geschäftseinrichtungen, der wirtschaftlichen und geographischen Einheit für § 12 AO entsprechend zu beantworten (s.o. Rz. 40–43). 3. Zeitliche Festigkeit
45
Zeitfestigkeit (Ständigkeit und Dauerhaftigkeit). Schließlich muss die Geschäftseinrichtung neben der personen- und ortsbezogenen Festigkeit die zeitliche Komponente erfüllen. Diese bezieht sich nicht nur auf die sachbezogenen Merkmale der Geschäftseinrichtung, sondern zugleich auf die Dauer der Unternehmenstätigkeit in der festen Geschäftseinrichtung.3 Eine ausdrückliche Frist wie in Art. 5 Abs. 3 enthält Art. 5 Abs. 1 nicht. Die Bestimmung zu den Bauausführungen kann aber nicht dahin ausgelegt werden, dass Geschäftseinrichtungen allgemein nur dann als „ständig“ anzusehen seien, wenn sie mindestens zwölf Monate bestanden haben. Aus ihr ist im Gegenteil zu folgern, dass, wo nicht eine Bauausführung oder Montage vorliegt, eine Einrichtung auch dann „fest“ im Sinne der erforderlichen zeitlichen Dauer sein kann, wenn sie für weniger als zwölf Monate geplant ist und die durch sie ausgeübte Geschäftstätigkeit ihrer Art nach kurzfristig ist.4 In Teilen der Rspr.5 und Literatur6 wird diese Frist jedoch als praktikabler Orientierungswert für die Mindestfrist angesehen. Nach h.M. ist indes von einer Mindestfrist von sechs Monaten auszugehen.7 Diese Betrachtung deckt sich mit den grundsätzlichen Vorstellungen der OECD. Ihres Erachtens sollen aber auch Tätigkeiten von weniger als 6 Monaten „fest“ sein können (vgl. Art. 5 Rz. 6 OECD-MK). Von dieser Unterschreitung hat sich allerdings Deutschland im OECD-MK distanziert (vgl. Art. 5 Rz. 45.9 OECD-MK). Nur kurzzeitige einmalige Beziehungen zu einem bestimmten Ort genügen nicht.8 Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die Absicht hatte, ständig tätig zu werden.9 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922. Vgl. BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 25. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 19. Vgl. FG Köln v. 20.3.2002 – 10 K 5152/97, EFG 2002, 765. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 19. Vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37a; Eckl, IStR 2009, 510; Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (497). 8 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 9 A.A. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 25.
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 46–49 Art. 5
Geplante Anpassung des OECD-MK. Auch die geplante Neufassung des OECD-MK 46 zu Art. 5 lässt eine zeitliche Untergrenze im Hinblick auf die Zeitfestigkeit einer Betriebsstätte vermissen.1 Vielmehr wird von der OECD klargestellt, dass auch wiederkehrende Tätigkeiten von sehr kurzer Dauer insgesamt zu einer nachhaltigen Tätigkeit führen können.2 Nimmt daher etwa ein Unternehmer aufeinanderfolgend in fünfzehn Jahren für jeweils fünf Wochen im Jahr an einer Messe teil, und mietet er dazu einen Messestand an, begründet der Unternehmer nach Ansicht der OECD eine Betriebsstätte, obgleich zusammenhängend kein länger andauernder Aufenthalt von über sechs Monaten im Quellenstaat vorliegt. Im Übrigen können nach Auffassung der OECD in der geplanten Neufassung des OECD-MK auch sehr kurzfristige, jedoch exklusiv in einem Quellenstaat ausgeübte Tätigkeiten eine Betriebsstätte begründen. Dies sei z.B. dann der Fall, wenn ein Unternehmer für die Dauer von Dreharbeiten eine kleine Kantine exklusiv über vier Monate in einem Vertragsstaat betreibt, ohne weitere gewerbliche Tätigkeiten in diesem Vertragsstaat auszuüben. Unterbrechungen. Die Mindestfrist bedeutet aber nicht, dass die Beziehung wäh- 47 rend ihrer gesamten Dauer ununterbrochen bestehen muss. So reicht es aus, wenn die örtlich feste Geschäftseinrichtung regelmäßig für eine bestimmte Zeit genutzt wird. Typische Beispiele hierfür sind Marktstände auf einem Wochenmarkt,3 oder aber auch das Bürohotel, das regelmäßig wiederkehrend genutzt wird (vgl. Art. 5 Rz. 5.2 OECDMK). Erfolgt in diesen Fällen die regelmäßige Nutzung mindestens in einem Veranlagungszeitraum mehrmals,4 kann in der Praxis für die Frage nach der Ständigkeit auf den Zeitraum von der ersten bis zur letzten Nutzung zurückgegriffen werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, m.a.W. wird die Geschäftseinrichtung dauerhaft nur einmal pro Veranlagungszeitraum genutzt, muss die einzelne Anwesenheit nach den Vorstellungen der Rspr.5 stets eine gewisse Mindestzeit pro Veranlagungszeitraum überschreiten (vgl. Art. 5 Rz. 45.8 OECD-MK). Dies ist typischerweise der Fall bei Saisonbetrieben (z.B. einer Eisdiele in einem Badeort oder einem Skigeschäft in einer Wintersportgemeinde), die außerhalb der Saison geschlossen sind oder nur für die Saison angemietet werden. Denn derartige Ladenlokale werden in der Regel mehrere Monate lang – wenn auch nicht immer mehr als die Hälfte des Jahres – ohne Unterbrechung von den betreffenden Betrieben genutzt. Bei einem nur vier Kalenderwochen auf einem Weihnachtsmarkt stehenden Verkaufsstand ist der Ortsbezug nur vorübergehender Natur.6 Dies gilt i.d.R. für sämtliche umherziehenden Unternehmen mit Geschäftseinrichtungen wie etwa Zirkuszelten, Eisständen, Jahrmarktständen.7 Abgrenzung zu § 12 AO. In Hinblick auf die Zeitfestigkeit bestehen keine Unter- 48 schiede zwischen § 12 AO und Art. 5. Auch für die Geschäftseinrichtung i.S.v. § 12 Satz 1 AO gilt die 6 Monatsfrist als Anhaltspunkt.8 Im nationalen Recht lässt sich diese Frist allerdings – Im Unterschied zum OECD-MA – aus dem Fristerfordernis für eine Baubetriebsstätte (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO) ableiten.9 4. Persönliche Festigkeit (Sachherrschaft) Persönliche Festigkeit. Damit die Geschäftseinrichtung zur Betriebsstätte werden 49 kann, muss die Tätigkeit des Unternehmens „durch“ die „feste“ Geschäftseinrichtung ausgeübt werden (Art. 5 Abs. 1). „Unternehmen eines Vertragsstaats“ i.S.d. Art. 7 Abs. 1 ist aber nicht das Steuerobjekt in Form des Betriebs, sondern das Steuersub-
1 Vgl. dazu Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (497). 2 Vgl. Art. 5 Rz. 6.1 und 6.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung vom 12.10.2011. 3 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. 4 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 5 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396. 6 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37. 8 Vgl. Kruse in T/K § 12 AO Rz. 10. 9 BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396.
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Art. 5 Rz. 49–51
Betriebstätte
jekt „Unternehmer“, d.h. die Person die das Unternehmen betreibt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d). Hingegen ist die „Betriebsstätte“ bloßes Steuerobjekt, das zur Abgrenzung eines Teils des gesamten Unternehmensgewinns dient (vgl. Rz. 3). Um aber den Betriebsstättengewinn aus dem Gesamtgewinn des Unternehmers ausgrenzen zu können, muss zunächst das Steuerobjekt „Betriebsstätte“ dem Steuersubjekt „Unternehmer“ zuzurechnen sein (i.W.: Personenbezug).1 Hierzu bedarf es einer „Nähebeziehung“ zwischen Unternehmer und Betriebsstätte. Dass dieser Personenbezug nicht nur vorübergehend bestehen, d.h. nicht ohne weiteres entziehbar sein darf, ergibt sich aus dem Wort „fest“. 50
Verfügungsmacht (Personenbezug). Streitig ist, welche Kriterien für den Personenbezug maßgeblich sind, insbesondere ob diese rechtlicher oder auch rein tatsächlicher Natur sind. Nach h.M. setzt die Zurechnung eine gewisse Verfügungsmacht des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung voraus.2 Wie schon die einschränkende Formulierung „gewisse“ zum Ausdruck bringt, versteht sie den Begriff „Verfügungsmacht“ nicht im Sinne einer streng zivilrechtlichen Rechtsmacht des Eigentümers bzw. rechtlich Verfügungs- bzw. Nutzungsberechtigten.3 So genüge es, dass dem Nutzenden mit der Überlassung eine Rechtsposition eingeräumt wird, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne weiteres entzogen oder verändert werden kann.4 Dies könne auch bei unentgeltlicher Überlassung gegeben sein.5 Entscheidend sei, dass der Unternehmer einen – wie auch immer gearteten – selbständigen Anspruch auf Zugang zu der Geschäftseinrichtung habe, in der die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird.6 Bereits eine allgemeine rechtliche Absicherung ebenso wie eine ständige Nutzungsbefugnis tatsächlicher Art genüge, wenn die Verfügungsmacht nicht bestritten wird.7 Insoweit könne auch eine faktische Verfügungsmacht ausreichen.8 An diesem Ergebnis ändert auch die Rspr.9 zur Betriebsstättenbegründung bei Vorhandensein rein schuldrechtlicher Vertragsbeziehungen nichts.10 Denn im konkret entschiedenen Einzelfall ergab sich die notwendige Nähebeziehung/Sachherrschaft weniger aus der Vertragsbeziehung (Managementvertrag; s.u. Rz. 178) als aus der tatsächlichen Personenidentität von Berechtigtem (Unternehmer) und Verpflichtetem (= Inhaber der Geschäftseinrichtung).11 Zwar kann bei Lektüre der Entscheidung der Eindruck entstehen, allein schuldrechtliche Beziehungen können zur Begründung der erforderlichen Sachherrschaft ausreichen. Letztlich war dieses Ergebnis jedoch den Besonderheiten des konkret entschiedenen Einzelfalls geschuldet.
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Auffassung im Schrifttum. Nach Häck12 ist eine am Zivilrecht orientierte, steuerrechtliche Auslegung vorzugswürdig. Daher komme es nicht auf die Verfügungsmacht, sondern auf die rechtliche oder tatsächliche Sachherrschaft des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung an. Hierbei ließen sich weitgehend die zum zivilrechtlichen Besitz, § 854 BGB, bestehenden Auslegungen zur tatsächlichen Sachherrschaft heranziehen. Diese erfordere eine von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Machtbeziehung einer Person zu einer Sache13 unter Berück1 Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 20. 2 Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 11; st. Rspr. seit RFH v. 26.9.1939 – I 272/39, RFHE 47, 257, RStBl 1939, 1227; BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462; weitere Nachweise bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 3 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 4 Vgl. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983. 5 Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; Nds FG v. 17.8.2005 – 2 K 319/02, DStRE 2006, 1466 n. rkr. 6 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. 2008, 922. 7 Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. 8 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462. 9 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 10 Dahingehend aber: Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (499); Wassermeyer, IStR 2011, 931. 11 Ebenso Blumers/Weng, DStR 2012, 552 (553). 12 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 13 Vgl. Lorenz in Erman13, § 854 BGB Rz. 16.
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 51–53 Art. 5
sichtigung der Verkehrsauffassung.1 Erforderlich sei stets die Möglichkeit, auf die Sache einzuwirken und andere davon auszuschließen. Diese Möglichkeit bestehe immer dann, wenn die Sache einer Person dergestalt räumlich zugänglich ist, dass sie jederzeit auf sie einwirken könne, während der Einwirkungsmöglichkeit anderer Personen Hindernisse entgegenstehen.2 Eine zivilrechtlich anerkannte Rechtsposition sei hierzu nicht erforderlich. Nach Wassermeyer3 ist hingegen für die Zurechnung lediglich entscheidend, dass die unternehmerische Tätigkeit mit Ständigkeit in einer festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Dies ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1, zum anderen drücke der Ausdruck „fest“ nur das Erfordernis einer gewissen Ständigkeit der Geschäftseinrichtung aus. Das eigentliche Schwergewicht müsse deshalb in der Dauer der Geschäftseinrichtung liegen. Eigene Auffassung. Soweit allein jedes ständige unternehmerische Tätigwerden in 52 oder an der Geschäftseinrichtung als ausreichend angesehen wird,4 wirkt allein die Tätigkeit des Unternehmers ohne Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung zuordnungsbegründend. Im Ergebnis begründet damit jede ortsfest und zeitfest erbrachte unternehmerische Dienstleistung eine Betriebsstätte. Auch schlichte Nutzungs- oder Betretungsmöglichkeiten wären hiernach ausreichend.5 Im Ergebnis geht damit der notwendige sachbezogene Ortsbezug der Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte verloren. In der Formulierung „durch“ kommt aber zum Ausdruck, dass ein reines Tätigwerden an der Geschäftseinrichtung nicht ausreicht, m.a.W. dass ein Zurechnungsgrund zwischen Geschäftseinrichtung und dem Unternehmen bestehen muss. Vor diesem Hintergrund verlangt die h.M.6 zu Recht als Zuordnungsgrund wörtlich „Verfügungsmacht“ des Unternehmers über die Geschäftseinrichtung. Hierfür verlangt sie aber nicht zwingend ein zivilrechtlich anerkanntes Recht zum Besitz (z.B. Eigentum oder ein Besitzrecht i.S.v. § 986 BGB), sondern lässt im Einzelfall auch faktische Verfügungsmacht ausreichen. Ohne es ausdrücklich zu nennen, formuliert sie damit als Zuordnungsgrund eine tatsächliche, dauerhafte Sachherrschaft, die von einem entsprechenden Willen getragen ist. Im Ergebnis ist dieser Ansicht zuzustimmen. Denn das Steuerrecht knüpft nicht an rechtliche Positionen, sondern tatsächlich verwirklichte Sachverhalte an. Daher ist für die Frage der Zuordnung nur entscheidend, dass die Person neben der dauerhaften Nähebeziehung auch eine tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftseinrichtung selbst oder auf Dritte in Bezug auf die Geschäftseinrichtung – typischerweise die Möglichkeit andere von der Nutzung der Geschäftseinrichtung auszuschließen – besitzt, die von der Verkehrsauffassung als solche anerkannt wird. Diese Forderung entspricht den zivilrechtlichen Voraussetzungen des Besitzes i.S.v. § 854 BGB7 (s. Rz. 50), weswegen Häck’s Präzisierung der h.M. zuzustimmen ist. Sachherrschaft. Besitz wird durch Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben 53 (§ 854 BGB). Unter tatsächlicher Gewalt wird nach zivilrechtlichem Verständnis die Sachbeziehung, die eine tatsächliche Möglichkeit gibt, auf die Sache (Geschäftseinrichtung) einzuwirken und andere von Einwirkungen so auszuschließen, dass sie von der Verkehrsanschauung als unmittelbare Sachherrschaft angesehen wird, verstanden.8 Eine solche Sachherrschaft ist auch anzunehmen, wenn mehrere eine Sache gemeinschaftlich besitzen (Mitbesitz, § 866 BGB),9 jemand einen selbständig beherrschbaren Sachteil an der ganzen Sache besitzt (Teilbesitz, § 865 BGB) oder wechselnd
1 2 3 4 5 6
Vgl. z.B. BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812. Vgl. Eckert in Schulze/Dörner/Ebert, § 854 BGB Rz. 4. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42a. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 41, 42a. Dazu jedoch kritisch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (495 f.). Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 11; st. Rspr. seit RFH v. 26.9.1939 – I 272/39, RFHE 47, 257, RStBl 1939, 1227; BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462; weitere Nachweise bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 7 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 8 Vgl. Lorenz in Erman13, § 854 BGB Rz. 2. 9 Vgl. Blumers/Weng, DStR 2012, 551 (553).
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Art. 5 Rz. 53–55
Betriebstätte
eine Sache für sich allein besitzt.1 Damit kann z.B. ein variierender Schreibtisch in einem Großraumbüro (s. „Unternehmensberatung“ Rz. 189) ebenso wie eine Geschäftseinrichtung in der Betriebsstätte eines anderen Unternehmens2 oder ein Marktstand, der nur einmal pro Woche zur Verfügung steht,3 eine Betriebsstätte begründen. Maßgeblich ist allein die unmittelbare Sachherrschaft. Unbeachtlich ist daher, ob diese für einen anderen (Fremdbesitz) oder sich selbst ausgeübt wird (Eigenbesitz, § 872 BGB). Das Merkmal, das den Besitz zum Eigenbesitz macht, ist der Wille, die Sache „wie ein Eigentümer“ zu beherrschen.4 Sein Ausdruck im Rechtsverkehr ist die Eigentumsbehauptung, der Anspruch, die Sache selbständig und andere Personen ausschließend zu besitzen.5 Ein Recht zum Besitz ist hierfür ebenso wenig erforderlich wie die Überzeugung, Eigentümer zu sein;6 auch ein Dieb kann daher Eigenbesitzer sein. Die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft muss, wie sich aus den Regelungen der §§ 867 und 872 ergibt, von einem entsprechenden Willen des (angehenden) Besitzers getragen sein,7 wobei ein genereller Besitzwille genügt. Dieser Wille ist kein rechtsgeschäftlicher, sondern ein natürlicher Wille, der weder eine rechtsgeschäftliche Äußerung noch Geschäftsfähigkeit voraussetzt.8 54
Unmittelbarkeit der Sachherrschaft. Unmittelbarkeit der Sachherrschaft ist gegeben, wenn der Besitzer direkt, d.h. ohne Einwirkung auf andere Personen, Einfluss auf die Sache ausüben kann. Unmittelbare Sachherrschaft liegt aber auch vor, wenn ein Dritter die tatsächliche Gewalt über die Geschäftseinrichtung für den Unternehmer in dessen Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen der Dritte den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten hat (Besitzdiener, § 855 BGB). Wird daher Mitarbeitern des Unternehmers unmittelbare Sachherrschaft über eine Geschäftseinrichtung eingeräumt, wirkt diese als solche für und gegen den Unternehmer. Mittelbarer Besitz i.S.v. § 868 BGB reicht hingegen nicht aus, da in diesen Fällen der Besitzmittler die erforderliche, unmittelbare Sachherrschaft selbst ausübt und er dem Oberbesitzer auf Zeit ein Recht zum Besitz entgegenhalten kann. Dementsprechend begründen zivilrechtliche anerkannte Überlassungsverhältnisse (Miete, Pacht, Nießbrauch, Pfandrecht u.Ä.) nur eine unmittelbare Sachherrschaft des Berechtigten und beenden ggf. die bisherige unmittelbare Sachherrschaft des Überlassenden. Der Unterschied zwischen Besitzdiener und Besitzmittler besteht also darin, dass es bei § 855 BGB um „Befehl und Gehorsam“, bei § 868 dagegen um „Forderung und Verpflichtung“ geht.9
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Maßstab für die Sachherrschaft (Verkehrsanschauung). In wessen tatsächlicher Herrschaftsgewalt sich die Sache befindet, hängt maßgeblich von der zusammenfassenden Wertung aller Umstände des jeweiligen Falles entsprechend den Anschauungen des täglichen Lebens ab.10 Maßstäbe für die Sachherrschaft sind nach der Verkehrsanschauung: das Raumverhältnis, die Einwirkungs- und Ausschließungsmöglichkeit und die erkennbare Einordnung des Gegenstandes in den Machtbereich einer Person. Je mehr das Gewaltverhältnis der Lebensanschauung entspricht, desto geringere Anforderungen sind an die Erkennbarkeit der Herrschaftsausübung zu stellen und umgekehrt. Daher braucht die Aufrechterhaltung der tatsächlichen Gewalt nicht fortdauernd erkennbar gemacht zu werden, sofern nur die Ausübungsmöglichkeit feststeht.11 Wie schon erwähnt, kommt es zwar auf das Bestehen eines von der Rechtsordnung anerkannten Anspruchs auf Sachherrschaft (insbes. aus Eigentum 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. Lorenz in Erman13, § 865 BGB Rz. 1. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 22; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 18. Vgl. BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203. Vgl. BGH v. 29.3.1996 – V ZR 326/94, NJW 1993, 1890 (1893); Bund in Staudinger, § 872 BGB Rz. 2. Vgl. BGH v. 29.3.1996 – V ZR 326/94, NJW 1993, 1890 (1893). Vgl. Bund in Staudinger § 872 BGB Rz. 2. Vgl. BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812 m.w.N. Vgl. Lorenz in Erman13, § 872 BGB Rz. 1. Vgl. Wolff/Raiser, Sachenrecht, Tübingen, 10. Bearb. 1957, § 6 III. Vgl. BGH v. 24.6.1987 – VIII ZR 379/86, NJW 1987, 2812 m.w.N. Vgl. Lorenz in Erman13, § 854 BGB Rz. 3.
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 55–58 Art. 5
oder schuldrechtlichem Vertrag, aber auch auf Grund hoheitlicher Einräumung) dem Grunde nach nicht an (s. Rz. 54 „Eigenbesitz“). Jedoch bestätigt das Bestehen eines solchen Rechts die faktischen Gegebenheiten. Daher sind die Anforderungen an die tatsächliche Beherrschung im Rahmen anerkannter Rechtsbeziehungen niedriger.1 Unerheblich ist insoweit, ob die Einwirkungsmöglichkeit entgeltlich oder unentgeltlich2 eingeräumt wurde. So genügt etwa ein – wie auch immer gearteter – selbständiger Anspruch des Unternehmens auf Zutritt zu den Räumen, in denen die Tätigkeit vorgenommen wird.3 Ebenso kann sich die tatsächliche Sachherrschaft aus der Personenidentität des Unternehmers und des Geschäftseinrichtungsinhabers ergeben, etwa wenn der Geschäftsführer eines Venture-Capital-Fonds personenidentisch ist mit dem Geschäftsführer der schuldrechtlich zum Management berufenen Gesellschaft, der die Geschäftsräume zuzurechnen sind.4 In der Praxis kann dabei von der dauerhaften Sachherrschaft des Unternehmers auf seine Berechtigung geschlossen werden, wenn er die Geschäftseinrichtung mit Wissen und Duldung des Berechtigten nutzt (vgl. Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK).5 Indes genügt die bloße Nutzung ohne weiter gehende Einflussnahmemöglichkeit, wie sie typischerweise auf Grund reiner Betretungsrechte (Kehrbezirk eines Schornsteinfegers [s. Rz. 158], Flugplatz [s. Rz. 163]) entsteht, nicht aus (vgl. Art. 5 Rz. 45.7 OECD-MK), sofern der Unternehmer Dritte von der – ggf. andersartigen – Nutzung nicht ausschließen kann. Fehlt ein anerkanntes Recht des Unternehmers zur Nutzung, kommt es allein auf seine tatsächlichen Einwirkungs- und Abwehrmöglichkeiten in Bezug auf die Geschäftseinrichtung an. Insoweit genügt auch angemaßte Sachherrschaft durch Überlegenheit,6 z.B. durch Besetzung eines Hauses (vgl. Art. 5 Rz. 4.1 OECD-MK). Dabei gilt als Faustregel: Die tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten werden in der Praxis umso größer, je kleiner und damit beherrschbarer die Geschäftseinrichtung ist. Umgekehrt wird insbesondere die Möglichkeit, Dritte von der Einwirkung auszuschließen umso kleiner, je größer die Geschäftseinrichtung ist. Festigkeit des Personenbezugs (Dauerhaftigkeit). Entscheidendes Kriterium für 56 die Anerkennung der Sachherrschaft durch die Verkehrsanschauung ist deren Dauer (s. Rz. 45). Abgrenzung zu § 12 AO. Ebenso wie bei Art. 5 Abs. 1 kommt es bei § 12 AO für die 57 persönliche Zurechnung der Geschäftseinrichtung auf die tatsächliche Sachherrschaft (s.o. Rz. 50 ff.) sowie die Dauerhaftigkeit dieses Personenbezugs (s.o. Rz. 56) an. Insoweit bestehen keine Abweichungen zwischen nationalem und Abkommensrecht.
V. Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit Geschäftstätigkeit des Unternehmens. Zu einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 58 wird die feste Geschäftseinrichtung erst, wenn durch sie die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird. Voraussetzung ist also, dass die Geschäftstätigkeit des nämlichen Unternehmens wenigstens teilweise tatsächlich in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Nachdem eine Person mehrere Unternehmen i.S.d. Art. 7 betreiben kann,7 ist es notwendig, die Geschäftseinrichtung dem jeweiligen Unternehmen zuzuordnen. Zu diesem Zweck fordert Art. 5 Abs. 1, dass die Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung eine solche des Unternehmens ist. Fehlt dieser Zusammenhang, mag zwar eine unternehmerische Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung gege1 Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. 2 Vgl. BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624. 3 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154. 4 S.u. Rz. 178; insoweit missverständlich: BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; kritisch ebenfalls Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (499). 5 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085; v. 19.3.2002 – I R 15/01, BFH/NV 2002, 1411. 6 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 62; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECDMA Rz. 35.
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Art. 5 Rz. 58–60
Betriebstätte
ben sein, jedoch wäre diese einem anderen Unternehmen zuzuordnen. Nicht notwendig ist, dass die unternehmerische Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung quantitativ und qualitativ deckungsgleich mit der des (gesamten) Unternehmens ist.1 Vielmehr genügt, dass wenigstens ein Teil von ihr in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Damit setzt die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begrifflich nicht voraus, dass die in ihr ausgeübten Tätigkeiten alle Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG (vgl. Rz. 34) erfüllen. Die Betriebsstätte muss keinen produktiven Charakter haben, d.h. unmittelbar zum Gewinn des Unternehmens beitragen (vgl. Art. 5 Rz. 3 OECD-MK). Die Betriebsstätte muss auch nicht mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sein. Sie muss kein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes sein. Ihrer Annahme steht nicht entgegen, dass sie für sich allein lebensunfähig sein würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte dürfen nicht an denen eines Teilbetriebes i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gemessen werden.2 Unter diesem Aspekt würde für eine Unternehmenstätigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 bereits jedes schlichte Fördern des Unternehmenszwecks, z.B. durch Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten genügen. Allerdings wird die Rechtsfolge des Art. 5 Abs. 1 durch den Beispielskatalog des Abs. 4 konkretisiert, der Geschäftseinrichtungen, durch die ausschließlich Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, nicht als Betriebsstätte gelten lässt. Im Ergebnis muss daher in der Geschäftseinrichtung eine gewisse Mindestaktivität (s. Rz. 107) entfaltet werden, um Betriebsstättenfolgen für Unternehmensgewinne ziehen zu können.3 Fehlt es hieran, wie z.B. bei reinen Vermögensverwaltungs- (s. Rz. 191), Koordinierungs-, Kontroll- oder Holdingaktivitäten (s. Rz. 174), begründet die feste Geschäftseinrichtung nach der hier vertretenen Ansicht auch dann keine Betriebsstätte, wenn sie im Rahmen eines Unternehmens ausgeübt wird. 59
Ausüben i.S.d. Art. 5 Abs. 1. Art. 5 Abs. 1 verlangt die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit durch die Geschäftseinrichtung. Über die bloße Nützlichkeit hinaus müssen daher in der Geschäftseinrichtung zusätzlich dem Gesamtunternehmen zuzuordnende Geschäftstätigkeiten verrichtet werden, m.a.W. es muss ein innerer Zusammenhang zwischen Geschäftseinrichtung und Unternehmenstätigkeit bestehen, der über das bloße Dienen hinausgeht. Dies setzt voraus, dass entweder die Geschäftseinrichtung selbst oder Personen in ihr die geforderte Geschäftstätigkeit verrichten (vgl. Art. 5 Rz. 10 OECD-MK). Unter Verrichten ist dabei ein „aktives Tun“ zu verstehen, d.h. die feste Geschäftseinrichtung muss „Handlungssubjekt“ sein. Ein rein „passives Geschehen“ lassen, wie etwa das Zulassen der Durchleitung von Öl bzw. Gas durch eine eigene Transportvorrichtung (Pipeline) reicht hierfür nicht (s. Rz. 194).4
60
Kein Personalerfordernis. Vereinzelt wird in der Literatur für eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 gefordert, dass in der festen Geschäftseinrichtung Personal tätig sein müsse.5 Denn nur Menschen seien in der Lage, aktiv zu handeln und daher fähig, die Unternehmenstätigkeit i.S.d abkommensrechtlichen Verständnisses „auszuüben“. Technische Einrichtungen, insbesondere Verkaufsautomaten oder z.B. Internetserver entfalteten hingegen keine Tätigkeit, da diese lediglich auf ihre Bedienung durch den Kunden reagierten.6 Die h.M.7 sieht allerdings die Reaktion durch eine technische Einrichtung für eine Tätigkeit als ausreichend an. Dies entspricht auch dem Willen der OECD-Mitgliedsstaaten (vgl. Art. 5 Rz. 10, 42.6 OECD-MK). Nach diesem ist die Anwesenheit von Personal nicht erforderlich, um zum Ergebnis zu kommen, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise an einem Ort ausübt, wenn tatVgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 24. Vgl. Wacker in Schmidt31, § 16 EStG Rz. 143. Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 10. Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 30. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 10, 33; Häck in F/W/K, Art. 5 DBASchweiz Rz. 31. 6 Vgl. Holler/Heerspink, BB 1998, 771 (772). 7 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; FG Düsseldorf v. 10.9.1991 – 9 K 524/86, EFG 1992, 717; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.8; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 28. 1 2 3 4 5
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Hruschka
B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 60–64 Art. 5
sächlich kein Personal gebraucht wird, um Geschäftstätigkeiten an diesem Ort auszuüben. Dieses Ergebnis gilt für den elektronischen Geschäftsverkehr in gleichem Maße wie für andere Tätigkeiten, bei denen Anlagen automatisch betrieben werden. Entscheidend für Art. 5 Abs. 1 ist damit lediglich, dass die Tätigkeit des Unternehmens in der festen Geschäftseinrichtung über ihre schlichte Präsenz im Quellenstaat hinaus geht.1 An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass Funktionen üblicherweise durch Personal ausgeübt werden und daher nach Ansicht der OECD die wesentlichen Personalfunktionen das maßgebliche Kriterium für die Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 sind (s.a. Art. 7 (2010) Rz. 25). Denn – wie gerade gezeigt – kann die Unternehmenstätigkeit auch in einer festen Geschäftseinrichtung ohne Personal zumindest teilweise betrieben werden. Letztlich beseitigt dieser scheinbare Widerspruch zu Art. 7 nicht die Betriebsstätteneigenschaft. Vielmehr folgt aus der Forderung nach wesentlichen Personalfunktionen in der Betriebsstätte in Art 7 nur, dass eine Betriebsstätte, in der kein Personal Funktionen ausübt, keinen wesentlichen Anteil am Unternehmensgewinn im Ganzen beanspruchen kann. Dienen i.S.d. § 12 Satz 1 AO. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 genügt für § 12 AO das 61 bloße Vorhandensein der Geschäftseinrichtung und deren Nützlichkeit für die Unternehmenstätigkeit. Eine Geschäftstätigkeit muss in ihr nicht ausgeübt werden. In der Konsequenz ist daher jedes materielle Wirtschaftsgut des gewillkürten oder notwendigen Betriebsvermögens geeignet, eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO zu begründen,2 sofern es in örtlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht fest ist. Damit setzt die Annahme einer Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO keine Tätigkeit von Personal voraus.3 MwStSystRL. Für Zwecke des Umsatzsteuerrechts ist § 12 AO allerdings im Lichte 62 des Art. 44f MwStSystRL auszulegen, der für die Annahme einer „festen Geschäftseinrichtung“ örtlich tätiges Personal verlangt (s. Rz. 27).
VI. Beginn und Ende Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte Beginn, Ende und Unterbrechungen. Neben den sachlichen Voraussetzungen defi- 63 niert insbesondere die vom Wortlaut geforderte Mindestaktivität in der Betriebsstätte den zeitlichen Rahmen ihres Bestehens. Erst wenn sämtliche Merkmale erfüllt sind, wird die feste Geschäftseinrichtung zur Betriebsstätte i.S.d. Art. 5, die ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 auslösen kann. Umgekehrt endet sie mit endgültigem Wegfall einer der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 1. Ob ein endgültiger Wegfall mit der Folge der Beendigung oder nur eine vorübergehende Unterbrechung gegeben ist, ist Tatfrage. Die Zuordnung von Aufwand und Ertrag in Zeiten vor Beginn oder nach Beendigung der Betriebsstätte ist eine Frage des Art. 7 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 184 f. und 186 ff.).
VII. Personengesellschaften und Betriebsstätten Beteiligung an Personengesellschaft (Transparenz). Als unselbständiger Bestand- 64 teil (s. Rz. 2) des Unternehmens eines Vertragsstaats (Art. 7 Abs. 1 Satz 1) kann eine Betriebsstätte nur einer ansässigen Person i.S.d. DBA (Art. 3 Abs. 1 Buchst. d) zugerechnet werden. Nach deutschem Verständnis kann eine Personengesellschaft diese Funktion regelmäßig nicht erfüllen. Denn zwar ist sie als andere Personenvereinigung Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, jedoch fehlt es ihr wegen der regelmäßig einschlägigen4 lex-fori-Regel5 (s. Art. 3 Rz. 60) an der Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 1, da nach deutschem Verständnis nicht sie selbst, sondern die an ihr beteiligten 1 Ebenso: Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 28. 2 Vgl. BFH v. 18.4.1951 – I B 34/50 U, BStBl. III 1951, 124; v. 26.11.1957 – I B 218/56, BStBl. III 1958, 261; a.A.: BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. 3 Vgl. Heinsen in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 126; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 31; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33. 4 Zu den Ausnahmen siehe Anlage zu BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 ff. 5 Z.B. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553.
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Art. 5 Rz. 64–66
Betriebstätte
Gesellschafter Steuersubjekte sind (vgl. Art. 1 Rz. 6.4 OECD-MK).1 Damit ist die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt (vgl. Art. 1 Rz. 40 ff.).2 Als solches, transparentes Objekt vermittelt die Personengesellschaft lediglich die ihr zuzurechnenden Zustände, Wirtschaftsgüter und Handlungen anteilig an ihre Gesellschafter. Daraus folgt, dass eine unternehmerisch tätige Personengesellschaft nicht schon allein durch ihre rechtliche Existenz eine Betriebsstätte für ihre Gesellschafter begründet. Vielmehr darf der Quellenstaat Unternehmensgewinne von im anderen Staat ansässigen Personengesellschaftern nur dann besteuern, wenn diesen eine im Quellenstaat bestehende Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 anteilig zuzurechnen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 69).3 Erfüllt umgekehrt die Gesamthand die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen, haben die Gesellschafter die Rechtsfolgen zu tragen, auch wenn sie die Voraussetzungen in ihrer Person nicht erfüllen. Allerdings sind die personenbezogenen Voraussetzungen wegen der Transparenz der Personengesellschaft stets für jeden Gesellschafter getrennt zu beurteilen (vgl. Rz. 154). 65
Unternehmensgewinne der Gesamthand. Als transparentes Rechtsgebilde ist die Personengesellschaft reines Zurechnungsobjekt, d.h. nur soweit die Personengesellschaft selbst die Voraussetzungen für eine unternehmerische Tätigkeit (s. Rz. 34) erfüllt, kann diese den an ihr beteiligten Steuersubjekten zugeordnet werden. Auf die Art der Tätigkeit ihrer Gesellschafter kommt es indes nicht an, d.h. einen Reflex von der Tätigkeit des Gesellschafters auf die Tätigkeit der Gesellschaft gibt es nicht. Daher kann die Geschäftseinrichtung einer vermögensverwaltenden (s. auch Rz. 191, 197) Personengesellschaft auch dann keine Betriebsstätte begründen, wenn an ihr ausschließlich unternehmerisch tätige Gesellschafter beteiligt sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 69). Nach Ansicht der Verwaltung4 kann allerdings – entgegen der h.M. in Rspr5 und Literatur6 – die Rechtsform der Personengesellschaft Einfluss auf die abkommensrechtliche Einordnung der Art der Tätigkeit haben, z.B. wenn die Tätigkeit auf Grund einer Rechtsnorm zwingend als gewerbliche i.S.d. § 15 EStG anzusehen ist. Maßgeblich betroffen sind hiervon Einkünfte aus gewerblicher Infektion (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) oder gewerblicher Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG). Vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 54 f. Nach dem Entwurf des § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. d. Entwurfs zum LJStG 2013 soll hierauf Rücksicht genommen werden.7
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Stammhaus und Betriebsstätte bei Personengesellschaft. Wird durch die Personengesellschaft ein Unternehmen i.S.d. Art. 7 betrieben, ist diese Tätigkeit den abkommensberechtigten Gesellschaftern zuzurechnen (s. Rz. 64). Insoweit kann man von einer abkommensrechtlichen Identität von Unternehmen „der Gesellschaft“ und „Unternehmen des Gesellschafters“ sprechen.8 Diese anteilige Zurechnung erstreckt sich auch auf das Steuerobjekt „Betriebsstätte“ der Personengesellschaft, so dass eine Betriebsstätte der Personengesellschaft anteilige Betriebsstätten der abkommensberechtigten Gesellschafter begründet. Hingegen ist für jeden abkommensberechtigten Gesellschafter anhand seiner (subjektbezogenen) Ansässigkeit gesondert zu entscheiden, welchem Staat das anteilig von ihm betriebene Unternehmen und damit das jeweilige Stammhaus zuzuordnen ist (s. Rz. 3). Dieses Zusammenwirken objektbezogener und subjektbezogener Zuordnungsmerkmale kann bei transparenten Personengesellschaften dazu führen, dass eine Betriebsstätte der Personengesellschaft mehreren Stammhäusern, d.h. Ansässigkeitsstaaten von Gesellschaftern (s. Rz. 3), in verschiedenen Staaten zuzuordnen ist. In derartigen Fällen ist die BetriebsstättenA.A. Gosch, SWI 2011, 324 ff. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 34. So Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1. Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553; v. 28.4.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1223; v. 4.5.2011 – II R 51/09, DStRE 2011, 1004. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA, 49; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 36; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECDMA Rz. 29; Blumers, DB 2008, 1765; Lüdicke, IStR 2004, 208. 7 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. 8 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35.
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B. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte (Absatz 1)
Rz. 66–69 Art. 5
eigenschaft in Bezug auf jeden Gesellschafter anhand der einzelnen DBA gesondert zu prüfen (s. Rz. 64). Wird insoweit der Staat, in dem sich die Leitungsbetriebsstätte der Personengesellschaft (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a) befindet, als Stammhausstaat bezeichnet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 70), ist dies m.E. aus Gründen der begrifflichen Klarheit abzulehnen. Denn ist das Stammhaus Synonym für den Unternehmensstaat i.S.v. Art. 3 Abs. Buchst. d und verlangt dieser eine ansässige Person, kann ein transparentes Gebilde wie eine Personengesellschaft selbst keine Ansässigkeit begründen und daher weder zum Unternehmensstaat noch zum Stammhausstaat werden. Insoweit ist der Begriff der Geschäftsleitungsbetriebsstätte als Synonym für das Stammhaus missverständlich. Sachherrschaft. Wegen ihrer steuerlichen Transparenz müssen die Zustände, 67 Handlungen und Wirtschaftsgüter der Gesamthand den Gesellschaftern zugerechnet werden (s. Rz. 64). Dementsprechend reicht die Sachherrschaft der Personengesellschaft über die Betriebsstätte aus, um dem Gesellschafter eine (anteilige) Betriebsstätte zuzurechnen.1 Eine zusätzliche Sachherrschaft des Gesellschafters über die Betriebsstätte der Personengesellschaft ist nicht erforderlich.2 Eine ganz andere Frage ist, ob eigene Betriebsstätten abkommensberechtigter Personengesellschafter wechselseitig zugerechnet werden können mit der Folge, dass beispielsweise die Geschäftseinrichtung des einen Gesellschafters zur (anteiligen) Betriebsstätte eines anderen Gesellschafters derselben Personengesellschaft werden kann. Unterstellt man mit der Rspr., dass es genügt, wenn entweder die Personengesellschaft oder ein Gesellschafter Sachherrschaft hat,3 ist hiervon auszugehen. M.E. geht dies zu weit, da die schlichte Beteiligung an der selben Gesellschaft grds. keine Sachherrschaft über Geschäftseinrichtungen anderer Gesellschafter vermittelt. Denn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung regelt nur das Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesamthand, nicht aber zwischen den Gesellschaftern. Anders liegt indes der Fall, wenn gesellschaftsrechtlich vereinbart ist, dass ein Gesellschafter seine Betriebsstätte den anderen Gesellschaftern oder der Gesamthand überlässt.4 Typischerweise ist dies bei internationalen Filmkoproduktionen der Fall (s. Rz. 162). Nichts anderes gilt für atypisch stille Gesellschaften (vgl. Rz. 156). Sondervergütungen als Unternehmensgewinne. Eine andere Frage ist, ob Sonder- 68 vergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG allein wegen ihrer nationalen Zuordnung zu den gewerblichen Einkünften als Unternehmensgewinne i.S.d. DBA anzusehen sind. Soweit dies im konkreten DBA selbst – entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – ausdrücklich (z.B.: Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich, Art. 7 Abs. 7 DBASchweiz) geregelt ist, ist hiervon auszugehen.5 Fehlt es an einer vergleichbaren ausdrücklichen Regelung im DBA, hat der Gesetzgeber diese Zuordnung wirksam durch § 50d Abs. 10 EStG vorgenommen.6 Einzelheiten dazu sind in Art. 7 (2008) Rz. 78 ff. und Art. 1 Rz. 77 ff. dargestellt. Keine Sonderbetriebsstätte. Fraglich ist indes, ob die Zuordnung der Sonderver- 69 gütungen zu den Unternehmensgewinnen gem. § 50d Abs. 10 EStG als legislativ ausreichend anzusehen ist, um für diese ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates zu begründen. Streitig ist insoweit die Reichweite der Personengesellschaftsbetriebsstätte, d.h. ob der Gesellschafter selbst vor Ort über eine eigene, zusätzliche „Sonderbetriebsstätte“ im Quellenstaat verfügen muss,7 oder ob Einkünfte und Wirtschaftsgüter der Sonderbetriebssphäre des Gesellschafters i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 34. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 44. 3 Vgl. BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577; Buciek in Beermann/Gosch § 12 AO, Rz. 14. 4 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. 5 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35. 6 Zur Frage, ob diese Rechtsfolge auch vor Einführung von § 50d Abs. 10 EStG durch das JStG 2009 gezogen werden konnte, soll an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. 7 So etwa: Wassermeyer, IStR 2010, 41; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.11, der insoweit den Begriff der „Mitunternehmersbetriebsstätte“ verwendet.
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Art. 5 Rz. 69–70
Betriebstätte
EStG abkommensrechtlich der Gesamthandsbetriebsstätte zugeordnet werden können. Nach dem historischen Willen des Gesetzgebers,1 der Verwaltung2 und Teilen der Literatur3 ist eine solche nicht erforderlich. Zwar kommt dies im Gesetzeswortlaut nicht eindeutig zum Ausdruck. Jedoch macht dies die Gesetzesbegründung deutlich, nach der in- und ausländische Gesellschafter gleichermaßen als Personengesellschafter einem Einzelunternehmer gleichgestellt werden sollen.4 Eine zusätzliche inländische Gesellschafterbetriebsstätte hat er zur Erreichung dieses Ziels als nicht erforderlich angesehen.5 Vielmehr soll die Zuordnung der Sonderbetriebssphäre der der Gesamthand folgen.6 Dies ergibt sich aus dem nationalen Mitunternehmerkonzept des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und dieses sollte mit § 50d Abs. 10 EStG in das Abkommensrecht „hineingezwungen“ werden.7 Nach Ansicht der Rspr. ist dies jedoch nicht gelungen, da der Wortlaut des § 50d Abs. 10 EStG die vom Gesetzgeber gewollte Auslegung nicht erzwingt.8 Dem ist zuzustimmen, da der Wortlaut der Norm tatsächlich auslegungsbedürftig und auslegungsfähig ist.9 Teilweise wird von Teilen der Literatur10 insoweit vertreten, dass die Mitunternehmerschaft und der einzelne Mitunternehmer für die jeweils in ihrem Eigentum gehaltenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens abkommensrechtlich selbständige Betriebsstättenzurechnungssubjekte sind. Dementsprechend bedürfe es zur Zuordnung der Sonderbetriebssphäre zum Quellenstaat einer eigenständigen Sonderbetriebsstätte, die den abkommensrechtlichen Anforderungen des Art. 5 OECD-MA genügt. Dem kann m.E. nicht zugestimmt werden. Denn Voraussetzung für die abkommensrechtliche Zuordnung von Zuständen, Wirtschaftsgütern und Einkünften zur Personengesellschaft ist deren abkommensrechtliche Existenz. Wegen ihrer Transparenz gibt es diese jedoch nicht (vgl. Art. 1 Rz. 6.4 OECD-MK).11 Damit ist dieser, hier notwendigen, Zuordnung zur Personengesellschaft nach zivilrechtlichen Kriterien die Grundlage entzogen. Vielmehr ist die Transparenz der Grund, warum abkommensrechtlich die Gesamthandsphäre der Personengesellschaft anteilig dem abkommensberechtigten Gesellschafter zugerechnet wird. Stellt aber das DBA nicht auf den zivilrechtlichen Rechtsträger, sondern nur auf den abkommensberechtigten Gesellschafter ab und rechnet es diesem die Sachherrschaft der Gesamthand anteilig zu, verfügt der Gesellschafter selbst anteilig über die Betriebsstätte. Steht aber die Gesamthandsbetriebsstätte anteilig dem Gesellschafter zu, verfügt er selbst im Quellenstaat über einen Anknüpfungspunkt i.S.d. Art. 5, dem auch Zustände, Wirtschaftsgüter und Einkünfte der Sonderbetriebssphäre zugeordnet werden können. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nicht nach Zivilrecht, sondern ausschließlich nach den allgemeinen abkommensrechtlichen Zuordnungsregeln, die zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gelten. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass der abkommensberechtigte Gesellschafter einer Personengesellschaft mit Betriebsstätte neben seinem Stammhaus über eine anteilige Betriebsstätte im Quellenstaat verfügt, der auch seine Sonderbetriebssphäre zugeordnet werden kann. Eine eigene Sonderbetriebsstätte ist hierzu nicht erforderlich (vgl. aber Art. 1 Rz. 79 und Art. 7 (2008) Rz. 82). 70
Einheitliche und gesonderte Feststellung. Gem. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind die Unternehmensgewinne nur einheitlich und gesondert festzustellen, wenn mehrere Personen an den Einkünften beteiligt sind, sie diesen steuerlich zuzurechnen sind und bei ihnen zu einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften führen. Dies gilt auch für Zwecke des Progressionsvor1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BT-Drucks. 16/11108, S. 23. Siehe nur BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1. Vgl. Mitschke, DB 2010, 303, 304. BT-Drucks. 16/11108, S. 23. Deutlich wird dies aus dem in der Gesetzesbegründung dargestellten Beispiel. Siehe nur BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1. BT-Drucks. 16/11108, S. 23. Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 Rz. 21. Ebenso Frotscher, IStR 2009, 953, Kammeter, IStR 2011, 35. Vgl. Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.11; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 45; Häck, IStR 2011, 71 (73). 11 A.A. Gosch, SWI 2011, 324 ff.
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C. Positivkatalog (Absatz 2)
Rz. 70–73 Art. 5
behalts (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO).1 Entscheidend ist insoweit, ob die Beteiligten zusammenwirken, um gemeinsam einen bestimmten (übergeordneten) Zweck zu erreichen. Dafür kommt es maßgeblich auf das Innenverhältnis an, da dieses das Verhältnis der Beteiligten zueinander regelt.2 Das Vorhandensein einer gemeinsamen Außenbeziehung oder eines Gesamthandvermögens ist unbeachtlich.3 An diesem Zweckmoment fehlt es grundsätzlich bei der Gemeinschaft (schlichte Rechtsgemeinschaft, §§ 741 ff. BGB). Die Grenze ist fließend.4 Fördern daher die Beteiligten im Innenverhältnis keinen gemeinsamen Zweck sondern rechnen sie auf reiner Gegenseitigkeitsbasis „Zug um Zug“ ab, fehlen die Voraussetzungen für eine Gesamthand. Daran ändert sich auch nichts, wenn sie nach außen, d.h. ggü. Dritten, gemeinsam handeln. Einzelne Personenzusammenschlüsse. Die (atypisch) stille Gesellschaft ist in Rz. 156, die Arbeitsgemeinschaft (ArGE) in Rz. 173, das Konsortium in Rz. 155, die Koproduktion in Rz. 162, die Metagesellschaft in Rz. 179 und die Zebragesellschaft in Rz. 197 dargestellt.
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C. Positivkatalog (Absatz 2) Ausgewählte Literatur: Dißars, Kriterien zur Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung einer Gesellschaft nach § 10 AO, DStZ 2011, 21; Kramer, Die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzsstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 672; Kramer, Anmerkung zur vorstehenden Stellungnahme Wassermeyers, IStR 2004, 676; Wassermeyer; Stellungnahme zum vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676.
I. Regelungszweck Nicht abschließende Aufzählung; Abs. 2 enthält eine nicht abschließende Aufzäh- 72 lung von Beispielsfällen, die typischerweise eine Betriebsstätte begründen. Dies ergibt sich aus dem Wort „insbesondere“. Ihr Zweck ist es, den Regelungsinhalt des Art. 5 Abs. 1 mit Hilfe typischer Beispiele zu verdeutlichen.5 Konkretisierung des Grundtatbestands gem. Art. 5 Abs. 1. Die Beispielsfälle des 73 Abs. 2 konkretisieren den Grundtatbestand des Art. 5 Abs. 1 (vgl. Art. 5 Rz. 12 OECDMK). Daher müssen für ihre Behandlung als Betriebsstätte stets die Voraussetzungen einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte erfüllt sein.6 Diese Sicht ergibt sich aus der Systematik der Norm. Indem Art. 5 Abs. 2 in seinem Katalog ausschließlich Einrichtungen aufzählt, über die der Steuerpflichtige Sachherrschaft hat und Bauausführungen in dem eigenständigen Abs. 3 regelt, wird deutlich, dass von der Sonderform der Baubetriebsstätte nicht auf die Beispiele des Abs. 2 zurück geschlossen werden darf. Dahingehend äußert sich auch Art. 5 Rz. 12 OECD-MK, nach dem die Beispiele des Abs. 2 in Verbindung mit der allgemeinen Definition des Abs. 1 gesehen werden müssen. Aus diesem Grund wurde auch der noch im OECD-MA 1963 enthaltene Art. 5 Abs. 2 Buchst. g, der die Bau- und Montagebetriebsstätte als Bestandteil des Betriebsstättenkatalogs erfasste, in einen eigenen Abs. 3 verlagert.7 Daher ist davon auszugehen, dass die Vertragsstaaten die angeführten Ausdrücke „einen Ort der Leitung“, „eine Zweigniederlassung“, „eine Geschäftsstelle“ usw. in der Weise auslegen, dass diese Geschäftseinrichtungen nur dann Betriebsstätten begründen, wenn diese die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen. Diese Betrachtung steht auch nicht in Widerspruch zur deutschen Rechtsprechung.8 Denn soweit der BFH entschieden hat, 1 Zur einheitlichen und gesonderten Feststellung bei mehreren inländischen Beteiligten an einer ausländischen Personengesellschaft siehe LfSt Bayern v. 18.5.2010, DStR 2010, 1480. 2 Vgl. H. P. Westermann in Erman13, § 705 BGB Rz. 1. 3 Vgl. H. P. Westermann in Erman13, § 718 BGB Rz. 2. 4 Vgl. Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 15. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 6 Ebenso Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.1.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31. 7 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 56. 8 So aber: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4, 61.
Hruschka
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Art. 5 Rz. 73–75
Betriebstätte
dass eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraussetzt, betraf dies nur § 12 Satz 2 Nr. 1 AO.1 Hierdurch unterscheidet sich Art. 5 OECD-MA von § 12 AO,2 dessen Abs. 2 den Grundtatbestand des Abs. 1 teilweise erweitert.3 Gleichwohl wird teilweise in der Literatur vertreten, die beiden Vorschriften seien wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Gewerbesteuer deckungsgleich auszulegen.4 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Betriebsstättenbegriff des GewStG systematisch gem. § 1 Abs. 1 AO ausschließlich auf die Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO, nicht aber auf Art. 5 bezieht. Besteuerungslücken sind durch diese systematische Sichtweise nicht zu befürchten, denn abkommensrechtlich entfaltet der Betriebsstättenbegriff ausschließlich Wirkungen für den Quellenstaat (Art. 7 Abs. 1 Satz 1). Die Begriffserweiterungen betreffen jedoch nur den Ort der Geschäftsleitung5 und dieser ausschließlich den Ansässigkeitsstaat (vgl. Art. 4 Abs. 3). 74
Abgrenzung zu § 12 Satz 2 AO (Begriffserweiterung). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 enthält § 12 Satz 2 AO eine Erweiterung des Grundtatbestands.6 Dieser Unterschied gründet auf den systematisch unterschiedlichen Formulierungen der Tatbestände. So erfasst § 12 Satz 2 AO sämtliche beispielhaft aufgezählten Formen der Betriebsstätte in ein und demselben Satz. Damit bringt die Norm zum Ausdruck, dass für alle in Satz 2 genannten Beispiele dieselben Voraussetzungen gelten sollen.7 Erfüllen diese aber teilweise nicht die Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtung, da z.B. der Bauausführende nicht die notwendige Sachherrschaft über das zu bebauende Grundstück besitzt und begründen sie gleichwohl eine Betriebsstätte, so erweitern sie den Grundtatbestand. Diese Erweiterung umfasst auch die Stätte der Geschäftsleitung i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO (vgl. Rz. 78).
II. Ort der Leitung (Buchst. a) 75
„Ort der Leitung“ i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a. Der Ort der Leitung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a ist der Ort, an dem das Unternehmen oder ein Teil des Unternehmens geleitet wird.8 Der Begriff der Leitung ist weit zu verstehen und umfasst jede tatsächliche Leitung.9 Grundsätzlich werden Leitungsaufgaben von der Unternehmensspitze wahrgenommen.10 Ausreichend kann aber auch die Führung eines einzelnen Geschäftsgebietes sein.11 Maßgeblich ist, ob vor Ort wesentliche tatsächliche, organisatorische und rechtsgeschäftliche Entscheidungen getätigt werden, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte12). Keine Leitungsentscheidungen in diesem Sinne stellen grds. die in Gesellschafterversammlungen getroffenen Strategie- und Grundlagenentscheidungen dar.13 Gleiches gilt für Tätigkeiten, die Leitungsentscheidung lediglich vorbereiten.14 Nicht erforderlich ist, dass sich in der Geschäftseinrichtung die Leitung des Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil vollzieht.15 Daher kann es mehrere Orte der Leitung geben. Wegen des bloßen Beispielcharakters des Art. 5 Abs. 2 ist aber Voraussetzung für eine Leitungsbetriebsstätte, dass die jeweilige Leitungstätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage ausgeübt wird (s. Rz. 73). Fehlt es an einer sol-
1 Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 2 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4. 3 Vgl. BFH v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004 396, BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.1.1.1; Kruse in T/K, § 12 Rz. 23. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 31. 5 Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 6 Vgl. Frotscher in Schwarz, § 12 AO Rz. 3 (Stand: 3.6.2011). 7 Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148. 8 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 40. 9 Vgl. Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 7. 10 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 49. 11 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 40. 12 Vgl. BFH v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622. 13 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 49. 14 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 67. 15 Vgl. Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 7.
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C. Positivkatalog (Absatz 2)
Rz. 75–77 Art. 5
chen, reicht allein die Ausübung von Geschäftsaktivitäten für die Begründung einer Betriebsstätte nicht aus.1 In diesem Fall kommt ein Besteuerungsrecht des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet die Leitungstätigkeit erbracht wird, nur in Betracht, wenn die vor Ort ausgeübte Tätigkeit zur Ansässigkeit des Unternehmens führt (s. Rz. 76). „Ort der Geschäftsleitung“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 bzw. 3. Gem. Art. 4 Abs. 1 ist eine Per- 76 son in dem Staat ansässig, in dem sie u.a. auf Grund des Orts ihrer Geschäftsleitung steuerpflichtig ist. Zur Ansässigkeit führt daher ein Ort der Leitung i.S.v. Art. 5 Abs. Buchst. a ohne Geschäftseinrichtung nur, wenn sich der Ort, an dem die Person tätig wird, zum Ort der Geschäftsleitung verdichtet. Im Unterschied zur Leitungsbetriebsstätte, die eine Geschäftseinrichtung und eine darin vollzogene Leitungsaufgabe erfordert, verlangt der Ort der Geschäftsleitung nur zum einen eine Person und zum anderen die Tätigkeit der geschäftlichen Oberleitung, um im nämlichen Staat die Steuerpflicht der tätigen Person auszulösen. Eine Geschäftseinrichtung, durch die das Unternehmen betrieben wird, ist dafür nicht erforderlich. Denn im Unterschied zur Leitungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a knüpft Art. 4 Abs. 1 und 3 für den Begriff der (tatsächlichen) Geschäftsleitung ausdrücklich an das innerstaatliche Recht an.2 Maßgeblich ist insoweit der Ort der Geschäftsleitung i.S.v. § 10 AO (s.u. Rz. 77).3 Und nach der Rspr. ist für diesen eine Geschäftseinrichtung oder Anlage, durch die das Unternehmen betrieben wird, nicht zwingend erforderlich.4 Mit der Zuordnung des „Orts der Geschäftsleitung“ i.S.v. § 10 AO wird die Ansässigkeit der Person i.S.v. Art. 4 Abs. 1 und 3 bestimmt und mit ihr das gesamte Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d zugewiesen. Hierdurch unterscheidet sich der Ort der Geschäftsleitung vom „Ort der Leitung“ i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a, mit dem nicht das gesamte Unternehmen, sondern nur dessen unselbständiger Teil in Form einer Betriebsstätte zugeordnet wird (s.a. Rz. 3). Im Vergleich unterscheiden sich Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 sowohl in Hinblick auf das individuelle Anknüpfungsmoment, nämlich zum einen die Person und zum anderen die feste Geschäftseinrichtung, als auch in Bezug auf die Intensität der Tätigkeit. Denn während für die Ansässigkeit der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung notwendig ist, genügt für eine Leitungsbetriebsstätte bereits ein Ausschnitt der geschäftlichen Leitungstätigkeit. Dieser tatbestandliche Unterschied wirkt sich auch in der Rechtsfolge aus. Denn während dem Staat, auf dessen Hoheitsgebiet sich der Ort der Geschäftsleitung befindet, das umfassende Besteuerungsrecht für die Unternehmensgewinne zusteht (Art. 7 Abs. 1 Satz 1), ist das Besteuerungsrecht des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet sich nur ein Ort der Leitung befindet, auf den der Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinn beschränkt (Art. 7 Abs. 1 Satz 2). Typisches Beispiel für die Ansässigkeit allein auf Grund des Orts der Geschäftsleitung sind ausländische Kapitalgesellschaften, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer im Inland tätig wird. Für deren Besteuerung ist es vollkommen unbeachtlich, ob sie neben ihrem Ort der Geschäftsleitung im Inland über eine feste Geschäftseinrichtung verfügen. „Ort der Geschäftsleitung“ gem. § 10 AO. Der Ort der Geschäftsleitung gem. § 10 77 AO befindet sich am Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Einen solchen muss es immer geben, da die Geschäftsleitung notwendiger Bestandteil jeglicher gewerblicher Aktivität ist.5 Geben kann es ihn begrifflich nur einmal.6 Gemeint ist der Ort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Folglich kommt es darauf an, wo alle für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit mit einer gewissen Regelmäßigkeit angeordnet werden.7 Wesentlich ist, wo die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftliche Handlungen getätigt werden, die der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte8). 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 39. Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 105. Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. Vgl. BFH v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622.
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Art. 5 Rz. 77–78
Betriebstätte
Entscheidend ist stets das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.1 Die Ansicht, es könne auch mehrere Orte der Geschäftsleitung geben,2 ist daher abzulehnen.3 Dies gilt auch, wenn in einem Betrieb Leitungstätigkeiten an verschiedenen Orten ausgeübt werden. Zwar mag in solchen Fällen die Ermittlung des Mittelpunkts der Leitungsaktivitäten tatsächlich Schwierigkeiten bereiten. Jedoch ändert dies nichts an der Notwendigkeit, den Ort, an dem das Schwergewicht der Leitungsentscheidungen getroffen wird, zu identifizieren.4 78
„Stätte der Geschäftsleitung“ i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO. Gem. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO ist insbesondere auch eine Stätte der Geschäftsleitung als Betriebsstätte anzusehen. Diese befindet sich am Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Üblicherweise befindet sich der Ort der Geschäftsleitung in dem Betrieb zuzurechnenden Büroräumen, die als solche die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO erfüllen. Zwingend ist dies jedoch nicht.5 Der Ort der Geschäftsleitung kann auch in fremden Büroräumen6 oder aber in der Wohnung des Leiters, Geschäftsführers oder Inhabers befinden. Nach h.M.7 ist aber auch in derartigen Fällen eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte anzunehmen, obwohl die Geschäftsleitungstätigkeit weder durch eine Geschäftseinrichtung noch eine Anlage des Betriebs ausgeübt wird, da die Fallbeispiele des § 12 Satz 2 AO den Grundtatbestand des Satz 1 erweitern (s. Rz. 72). Für diese Auslegung spricht der Wortlaut des § 12 Satz 2 Nr. 1 AO, soweit er sich auf die „Geschäftsleitung“ bezieht. Begründet wird dies mit dem Argument, die Geschäftsleitung eines Betriebs müsse notwendigerweise durch eine Betriebsstätte ausgeübt werden.8 Daher könne es keine betriebsstättenlosen betrieblichen Einkünfte i.S.d. § 15 EStG (sog. floating income) geben (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 64).9 Vom Wortlaut des Gesetzes her ist dies nicht zwingend.10 Zunächst verlangt § 15 Abs. 2 EStG, der definiert, welche Einkünfte gewerblich sind, mit keinem Wort das Vorhandensein einer Betriebsstätte als Tatbestandsvoraussetzung.11 Ferner setzt der Ort der Geschäftsleitung i.S.d. § 10 AO keine Geschäftseinrichtung voraus (s. Rz. 76). Schließlich begründet nur eine „Stätte“ der Geschäftsleitung gem. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO eine Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 64). Wenn hier eine bloße Bezugnahme auf den „Ort“ ohne Geschäftseinrichtung oder Anlage gewollt gewesen wäre, hätte ein entsprechender Verweis des Gesetzgebers auf § 10 AO genügt. Dies hat er aber nicht getan. Im Ergebnis wird daher hier der Verwaltungsmeinung der Vorzug gegeben. Auswirkungen hat die Annahme von floating income bei der Gewerbesteuer unbeschränkt Steuerpflichtiger i.S.v. § 1 Abs. 1 EStG bzw. § 1 Abs. 1 KStG und der erweitert beschränkten Steuerpflicht gem. § 2 AStG. Denn während das Einkommensteuerrecht ebenso wie das Körperschaftssteuerrecht insoweit12 ausschließlich auf die Art der Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 EStG abstellen, setzt die Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG zusätzlich das Vorhandensein einer Betriebsstätte i.S.v. § 12 AO im Inland voraus.13 Die Auswirkungen der hier vertretenen Ansicht beschränken sich in der Praxis auf sportlich, künstlerisch oder ähnlich tätige Gewerbetreibende, die der Art ihres Gewerbes nach typischerweise keine feste Geschäftseinrichtung benötigen. Für diese Personengruppe hat der Ge1 Vgl. BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 2 Vgl. Kruse in T/K, § 10 AO Rz. 9; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 49. 3 Ebenso: Dißars, DStZ 2011, 21 (26); Birk in H/H/Sp, § 10 AO Rz. 41; Gersch, Klein10, § 10 AO Rz. 3. 4 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 5 Vgl. BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 6 Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 2. 7 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer, IStR 2004, 676. 8 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 4, 29. 9 Vgl. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93; BStBl. II 1994, 148; Wassermeyer, IStR 2004, 676. 10 Im Erg. Zust.: BMF v. 14.5.2004, AEAStG, BStBl. I Sondernummer 1/2004, 3, Rz. 2.5.0.1. Nr. 1 Buchst. a; Kramer, IStR 2004, 672 (677). 11 So zutreffend Kramer, IStR 2004, 672. 12 Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht verlangen beide Rechtsordnungen eine Betriebsstätte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). 13 So zu Recht: Wassermeyer, IStR 2004, 676.
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C. Positivkatalog (Absatz 2)
Rz. 78–81 Art. 5
setzgeber als Reaktion auf die Rspr.1 in § 2 Abs. 1 Satz 2 AStG eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Inland fingiert. Im Übrigen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften, die in Geschäftseinrichtungen ihrer Mitarbeiter oder Gesellschafter tätig werden, ist eine betriebsstättenlose Tätigkeit kaum vorstellbar.
III. Zweigniederlassung (Buchst. b) Begriff des Handelsrechts. Der Begriff der Zweigniederlassung ist im Abkommen 79 selbst nicht definiert. Gem. Art. 3 Abs. 2 ist daher auf das innerstaatliche Recht i.S.v. §§ 13 ff. HGB zurück zu greifen..2 Danach ist die Zweigniederlassung ein rechtlich unselbständiger, tatsächlich aber auf Dauer räumlich und organisatorisch getrennter, weitgehend selbständiger Teil des Unternehmens, mit einem Leiter, der zwar im Innenverhältnis weisungsgebunden, aber doch nach außen weitgehend selbständig die Geschäfte führt.3 Diese Geschäfte entsprechen in der Regel sachlich dem Gegenstand des Handelsgewerbes der Hauptniederlassung. Sie dürfen sich nicht auf bloße Hilfsoder Ausführungstätigkeiten beschränken.4 Diese handelsrechtliche Anforderung entspricht regelmäßig den Mindestanforderungen an eine Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1. Die Eintragung hat nach deutschem Verständnis nur deklaratorische Bedeutung.5 Sie begründet aber die widerlegbare Vermutung für das tatsächliche Bestehen einer Zweigniederlassung.6 Sofern allerdings das ausländische Recht eine Eintragung im Handelsregister zwingend vorsieht, kann aus dem Fehlen der Eintragung geschlossen werden, dass die Voraussetzungen für eine Zweigniederlassung nicht erfüllt sind.7 Umgekehrt kann die ausschließliche Eintragung einer Zweigniederlassung nach deutschem Verständnis keine Betriebsstätte begründen, da sie nicht die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllt (s. Rz. 195).8 Vom Ort der Geschäftsleitung bzw. Ort der Leitung unterscheidet sich die Zweigniederlassung durch die interne Weisungsgebundenheit des vor Ort tätigen Personals. § 12 Satz 2 Nr. 2 AO. Die nationale Betriebsstättendefinition verwendet ebenso wie Art. 5 Abs. 2 OECD-MA in seinem Beispielskatalog den Begriff der „Zweigniederlassung“. Dieser ist entsprechend (s. Rz. 79) im zivilrechtlichen Sinn auszulegen.9 Damit decken sich die innerstaatliche und die abkommensrechtliche Betrachtung.
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IV. Geschäftsstelle (Buchst. c) Begriff. Geschäftsstelle i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c ist kein Rechtsbegriff, sondern 81 ein Begriff tatsächlicher Art, der nach seiner gewöhnlichen Bedeutung auszulegen ist (Art. 31 Abs. 1 WÜRV).10 Danach sind Geschäftsstellen sämtliche Geschäftseinrichtungen, in denen unternehmensbezogene Tätigkeiten ausgeführt werden. Typischerweise werden etwa als Geschäftsstellen benannt Agenturen, Verkaufsstellen, Zahlstellen,11 Filialen, Vertretungen sowie Kontakt-,12 Verbindungs- und Korrespondenzbüros.13 Die zu unternehmerischen Zwecken genutzten Räume müssen auch nicht eine spezielle Geschäftsausstattung vorweisen. Es reicht aus, dass sie tatsächlich als Büro benutzt wurden.14 Als eigenständiger Typus im Beispielskatalog des 1 BFH v. 19.12.2007 – R 19/06, BStBl. II 2010, 398. 2 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 53. 3 Vgl. BGH v. 8.5.1972 – II ZR 155/69, NJW 1972, 1859; Bayerisches OLG v. 11.5.1979 – 1 Z 21/79, BB 1980, 335. 4 Vgl. Ammon/Ries in Röhricht/Graf von Westphalen3, § 13 HGB, Rz. 4. 5 Vgl. KG v. 18.11.2003 – 1 W 444/02, ZIP 2003, 2300. 6 Vgl. BFH v. 30.1.81 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.246. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 71. 8 Vgl. Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 144. 9 Vgl. RFH v. 6.10.1925 – 25 II A 397/25, RFHE 17, 205. 10 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 73. 11 Vgl. Ammon/Ries in Röhricht/Graf von Westphalen3, § 13 HGB, Rz. 5. 12 Vgl. BFH v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753. 13 Statt aller: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 55. 14 S. auch BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755.
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Art. 5 Rz. 81–87
Betriebstätte
Art. 5 Abs. 2 sind Geschäftsstellen von den übrigen dort genannten Beispielen abzugrenzen.1 Daher können sie kein Ort der Leitung (s. Rz. 75) sein, d.h. in ihr dürfen nur Managementaufgaben unterhalb der Leitungsebene ausgeübt werden.2 Ferner darf sie nicht mit der weitgehenden Selbständigkeit einer Zweigniederlassung (s. Rz. 79) ausgestattet sein. Umgekehrt darf sie nicht nur reine Hilfsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 4 sein, wie es typischerweise bei reinen Waren- und Auslieferungslagern oder Annahmestellen der Fall ist. Im Ergebnis ist daher von einer typischen Geschäftsstelle i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c auszugehen, wenn durch sie eine nachgeordnete werbende Tätigkeit am lokalen Markt durch weisungsabhängiges Personal ausgeübt wird. Typischerweise ist dies der Fall bei Erledigung einfacher Routineaufgaben ohne Entscheidungsspielraum. 82
§ 12 Satz 2 Nr. 3 AO. Der Begriff der Geschäftsstelle des § 12 Satz 2 Nr. 3 AO ist mit dem des Art. 5 Abs. 2 Buchst. c weitgehend identisch.3 Im Unterschied zu § 12 Satz 2 Nr. 3 AO müssen in der Geschäftsstelle i.S.d. Art. 5 Abs. 2 Buchst. c jedoch mehr als reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA erbracht werden.
V. Fabrikationsstätte (Buchst. d) 83
Begriff. Nach dem allgemeinen Wortsinn ist unter einer Fabrikationsstätte jede Einrichtung zu verstehen, in der insbesondere unter Anwendung industrieller Fertigungsmethoden Vor- oder Endprodukte hergestellt, be- oder verarbeitet werden. Wegen des Beispielcharakters des Abs. 2 muss sie jedoch zusätzlich die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllen. In der Praxis wird dies bei einer Produktionstätigkeit regelmäßig als wesentlicher Bestandteil der gesamtunternehmerischen Wertschöpfung gegeben sein.
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Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 4 AO. Der Begriff der Fabrikationsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Buchst. d deckt sich ebenso wie der Begriff der Werkstätte in Art. 5 Abs. 2 Buchst. e mit den Begriffen des innerstaatlichen Rechts i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 4 AO.4 Nach dem Wortlaut bedarf sie keiner tätigkeitsbezogenen Mindestschwelle.5 Wegen des bloßen Beispielscharakters des Art. 5 Abs. 2 muss aber die Tätigkeit (Herstellung, Be- oder Verarbeitung) über die Mindestschwelle einer reinen Hilfstätigkeit hinausgehen.6 Ferner müssen die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllt sein (vgl. Rz. 32).
VI. Werkstätte (Buchst. e) 85
Begriff. Im Unterschied zur Fabrikationsstätte dient die Werkstätte weniger der industriellen Fertigung, sondern einer handwerklichen Tätigkeit (z.B. Reparaturleistungen, Wartungsarbeiten).7
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Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 4 AO. Ebenso wie die Fabrikationsstätte deckt sich der Begriff der Werkstätte mit dem des innerstaatlichen Rechts (§ 12 Satz 2 Nr. 4 AO). Auch die Werkstätte muss die Mindestanforderungen des Art. 5 Abs. 1 erfüllen, um Betriebsstättenfolgen auszulösen (vgl. Rz. 32).8
VII. Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen (Buchst. f) 87
Begriff. Art. 5 Abs. 2 Buchst. f sieht vor, dass Bergwerke, Öl- oder Gasvorkommen, Steinbrüche oder andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen Betriebsstätten sind. Der Ausdruck „eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen“ ist weit auszulegen (vgl. Art. 5 Rz. 14 OECD-MK). Er umfasst z.B. alle Stätten der Aus1 2 3 4 5 6 7 8
Ebenso: Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 26. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 76. Vgl. BFH v. 17.12.1998 – I B 101/98, BFH/NV 1999, 753. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 78. So Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 84. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 44. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 57. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 44.
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D. Bau- und Montageausführungen (Absatz 3)
Rz. 87–89 Art. 5
beutung von Kohlenwasserstoffvorkommen, und zwar sowohl auf dem Festland als auch auf See (zum Hoheitsgebiet auf See siehe Rz. 5). Die Erforschung dieser Vorkommen, sei es auf dem Festland oder auf See fällt nicht unter Buchst. f (vgl. Art. 5 Rz. 15 OECD-MK). Ebenso wenig fallen hierunter Stätten zur Gewinnung von Solarund Windenergie, da insoweit keine Ausbeutung von Bodenschätzen vorliegt. Folgen für die Praxis ergeben sich aus dieser Lücke jedoch nicht. Denn in der Regel begründen die zur Gewinnung von Solar- oder Windenergie notwendigen technischen Einrichtungen Betriebsstätten i.S.v. Art. 5 Abs. 1 mit der Folge, dass der Quellenstaat gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ein Besteuerungsrecht für die aus diesen Quellen erwirtschafteten Gewinne erhält. Gleichwohl verwendet Deutschland in seinen neueren DBA1 deshalb die Formulierung „Ausbeutung natürlicher Ressourcen“. Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 7 AO. Sämtliche „Stätten“ begründen nur unter den 88 Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 eine Betriebsstätte.2 Im Unterschied zum innerstaatlichen Betriebsstättenbegriff i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 7 AO genügt daher die rein tatsächliche Sachherrschaft über die Stätte nicht. Ferner unterscheidet sich § 12 Satz 2 Nr. 7 AO von Art. 5 Abs. 2 Buchst. f vom Wortlaut durch die Erfassung von örtlich fortschreitenden oder schwimmenden Ausbeutungsstätten als Betriebsstätten. Aus Art. 5 Rz. 20 OECD-MK folgt aber, dass auch die örtlich fortschreitenden Stätten unter Art. 5 Abs. 2 Buchst. f fallen.3
D. Bau- und Montageausführungen (Absatz 3) I. Regelungszweck Allgemeines. Art. 5 Abs. 3 bestimmt ausdrücklich, dass eine Bauausführung oder 89 Montage nur dann eine Betriebsstätte ist, wenn ihre Dauer zwölf Monate überschreitet (vgl. Art. 5 Rz. 16 OECD-MK). Damit nehmen diese Tatbestände eine abkommensrechtliche Sonderstellung (Spezialregelung) unter den Betriebsstätten ein. Denn bei ihnen kommt es für das Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Art. 7 Abs. 7 Satz 1) nicht darauf an, dass die Tätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Insbesondere die Tatbestandselemente der örtlichen Festigkeit (s. Rz. 40) und tatsächlichen Sachherrschaft (s. Rz. 49 ff.) spielen damit keine Rolle. Entscheidend ist allein die Fristüberschreitung, d.h. die Dauer der unternehmerischen Dienstleistung (s. Rz. 9). Dadurch wird der Betriebsstättenbegriff erweitert.4 Allerdings wird durch die Definition in dem eigenständigen Abs. 3 die ggf. bei Nennung in Abs. 2 drohende, begriffserweiternde Wirkung (vgl. dazu Rz. 74) auf die anderen Katalogtatbestände vermieden.5 Die Zuteilung des Besteuerungsrechts an den Projektstaat rechtfertigt sich wirtschaftlich daraus, dass das Unternehmen durch Bauausführungen oder Montagen in einem erheblichen Umfang am Wirtschaftsleben des Quellenstaats partizipiert und dieser einen Ausgleich für die durch den Zugriff auf seine Infrastruktur entstehenden Lasten erhalten soll.6 Daher erscheint es als gerechtfertigt, Geschäftseinrichtungen dieser Art als Betriebsstätten zu fingieren.7 Die unbestimmten Rechtsbegriffe „Bauausführung“ und „Montagen“ sind abkommensrechtlich nicht näher definiert und daher auszulegen. Nach allgemeiner Meinung wird dabei auf die Normeninterpretation zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO zurück gegriffen werden.8 Ob dieser Rückgriff auf Basis des Art. 3 Abs. 29 oder auf Basis einer autonomen Aus-
1 Z.B. DBA-Spanien 2011, DBA-Großbritannien. 2 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 45; einschränkend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 83. 3 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 81. 4 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 62. 5 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 56. 6 Vgl. Gassner in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 57 (59). 7 Ebenso: Bendlinger/Görl/Schon, Intertax 2006, 180; a.A. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 64. 8 vgl. etwa Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. 9 Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 8.
Hruschka
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Art. 5 Rz. 89–92
Betriebstätte
legung aus dem abkommensrechtlichen Verständnis1 erfolgt, kann im Ergebnis dahinstehen. 90
Spezialitätsvorrang. Während Bauausführungen und Montagen eine Mindestdauer von zwölf Monaten verlangen, ist eine Betriebsstätte i.S.d. Abs. 1 grundsätzlich als zeitlich fest anzusehen, wenn ihre Dauer sechs Monate überschreitet (vgl. Rz. 45). Gleichwohl begründen nach allgemeiner Ansicht2 feste Geschäftseinrichtungen, wie z.B. Baucontainer, keine Betriebsstätten, sofern sie lediglich Bauausführungen oder Montagen dienen, die die Zwölf-Monatsfrist nicht überschreiten. Die OECD begründet dies damit, dass die Dienstleistungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 3 im Fall der Idealkonkurrenz als speziellere Regelung (s. Rz. 89) den Tatbestand der Geschäftsstelle oder Werkstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 2 verdrängt (vgl. Art. 5 Rz. 16 OECD-MK). An dieser Konkurrenz fehlt es, wenn das Unternehmen ausschließlich überwachend tätig ist. Daher ist in diesen Fällen die Betriebsstätteneigenschaft gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA zu prüfen.3 Finanzverwaltung4 und Rechtsprechung5 begründen den Vorrang mit der Vorbereitungs- bzw. Hilfsfunktion der Geschäftseinrichtung. Dementsprechend kann eine feste Geschäftseinrichtung zu einer Betriebsstätte führen, wenn sie die Leitung über mehrere kurzfristige Bauausführungen oder Montagen ausübt6 und insoweit die Funktion der Geschäftseinrichtung über das schlichte Fördern der Tätigkeiten i.S.v. Art. 5 Abs. 3 hinausgeht. Versteht man das Normenverhältnis mit der OECD im Sinne der Spezialität, kann die Geschäftseinrichtung ein Besteuerungsrecht des Quellenstaats allerdings nur dann begründen, wenn die wirtschaftliche Bedeutung (Wertschöpfungsbeitrag) der einzelnen Bauausführung oder Montage im Vergleich zur gesamten Leitungsfunktion vernachlässigbar ist. Einzelheiten der Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten sind in Art. 7 (2008) Rz. 200 ff. dargestellt.
91
Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO. § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. a–c AO regelt und nennt ebenso wie Art. 5 Abs. 3 die Betriebsstättenbegründung durch Bauausführungen und Montagen. Im Übrigen enthält der Wortlaut der Norm allerdings einige Unterschiede. Zunächst erfasst § 12 AO ausdrücklich auch örtlich fortschreitende oder schwimmende Bauausführungen oder Montagen (s. Rz. 92 f.). Ferner beträgt die Mindestfrist nicht zwölf sondern nur sechs Monate (s. Rz. 104 f.). Schließlich erlaubt § 12 AO eine additive Betrachtung verschiedener Bauausführungen und/oder Montagen, wenn entweder eine von mehreren nebeneinander bestehenden oder mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende die Mindestfrist überschreiten (s. Rz. 97 ff.).
II. Tätigkeiten i.S.d. Art. 5 Absatz 3 92
Bauausführung. Der Ausdruck „Bauausführung“ ist im OECD-MA selbst nicht definiert. Gem. Art. 3 Abs. 2 darf insoweit auf das innerstaatliche Verständnis zurückgegriffen werden. Im Einklang mit dem OECD-Verständnis (vgl. Art. 5 Rz. 17 OECDMK) bezieht er sich nicht nur auf die Erstellung von Bauwerken, sondern auch auf den Bau von Straßen, Brücken und Kanälen, die Renovierung von Gebäuden, Brücken, Straßen oder Kanälen (sofern sie über die bloße Unterhaltung oder den bloßen Neuanstrich hinausgeht), das Legen von Rohrleitungen sowie Erd- und Baggerarbeiten. Er erfasst nicht nur Bautätigkeiten im engeren Sinne, sondern alle zur Fertigstel1 So Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 104, 112. 2 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, IStR 2001, 564; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.2.; Art. 5 Rz. 16 OECD-MK; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 95. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.2.; allerdings kann der Betriebsstättenbesteuerung in diesen Fällen nur die Wertschöpfung aus der Überwachungstätigkeit, nicht aber aus der originären Bau- oder Montagetätigkeit zu Grunde gelegt werden. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.2. 5 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, IStR 2001, 564. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.2.
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D. Bau- und Montageausführungen (Absatz 3)
Rz. 92–94 Art. 5
lung eines Bauwerks oder einer Anlage erforderlichen Arbeiten.1 Auch Abbruchtätigkeiten gehören dazu und zwar selbst dann, wenn sie lediglich der Beseitigung des vorhandenen Bauwerks oder der Anlage dienen (z.B. Rückbau eines Atomkraftwerks).2 Umgekehrt umfasst sie weder die Zulieferung von Material3 noch die im Ansässigkeitsstaat erbrachte Planungsleistung4 (siehe auch zur Planung und Überwachung Rz. 95). Denn nach Sinn und Zweck der Norm ist die substanzsteigernde Tätigkeit im Quellenstaat entscheidend.5 Bildlich gesprochen fängt damit die Betriebsstätten begründende Bauausführung an der Baustelle im Quellenstaat an. Montage. Der Begriff der „Montage“ ist im OECD-MA ebenfalls nicht definiert. 93 Nach dem Verständnis der OECD ist er aber nicht auf Montagen beschränkt, die mit einem Bauprojekt zusammenhängen; vielmehr schließt er z.B. auch die Montage einer neuen Ausrüstung wie z.B. einer komplexen Maschine in einem bestehenden Gebäude oder im Freien ein (vgl. Art. 5 Rz. 17 OECD-MK). Diese Sicht deckt sich mit dem innerstaatlichen Recht, wo in § 12 Satz 2 Nr. 8 AO durch die Verwendung der Formulierung „oder“ zum Ausdruck kommt, dass der „Montage“ neben der „Bauausführung“ auch eine eigenständige Bedeutung zukommt.6 Im Ergebnis gehören daher sämtliche Arbeiten, die dem endgültigen Zusammenfügen oder dem Um-/Einbau zu einem Ganzen dienen, zu einer Montagetätigkeit.7 Bloße Reparatur- bzw. Instandsetzungsarbeiten fallen nicht hierunter,8 denn entscheidend ist auch hier die substanzsteigernde Tätigkeit im Quellenstaat (vgl. Rz. 92). Steht die Tätigkeit des Zusammenfügens zu einem Ganzen im Zentrum des Begriffs, können auch „geistige Montagetätigkeiten“ in Bezug auf immaterielle Wirtschaftsgüter (vgl. Rz. 195), wie z.B. die Installation einer Software in einer EDV-Landschaft des Auftrag gebenden Unternehmens im Quellenstaat, darunter fallen.9 Dies widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 3, der dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht als Ausgleich für die durch den Zugriff auf seine Infrastruktur entstehenden Lasten zuweist.10 Diese Lasten entstehen im Falle der „geistigen Montage“ nicht.11 Keine Materiallieferungen. Die Anlieferung von Material oder zu montierenden 94 Anlageteilen durch das Stammhaus stellt keine Bau- oder Montagetätigkeit dar (zur Besteuerung von sog. Liefergewinnen vgl. Art. 7 (2008) Rz. 204).12 Das gilt auch dann, wenn die Lieferung der Teile und deren spätere Verarbeitung/Montage durch ein und dasselbe Unternehmen erfolgen. Vielmehr ist im Fall eines Werklieferungsvertrags die Lieferung der zu verarbeitenden/montierenden Teile noch der Produktion zuzuordnen. Diese Handhabung stimmt mit dem Grundsatz überein, dass auch die Gewinne aus einer Materiallieferung des Stammhauses nicht der Montagebetriebsstätte, sondern dem Stammhaus zuzurechnen sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 204).13 1 Vgl. statt aller: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 65; RFH v. 21.1.1942 – VI B 21/41, RStBl. 1942, 66; BFH v. 22.9.1977 – IV R 51/72, BStBl. II 1978, 140; Görl in V/L5, Art. 5 OECDMA Rz. 58; Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 94; Fresch/Strunk in S/K/K, Art. 5 OECD-MA Rz. 91; Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1224. 2 Vgl. Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1313; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 104; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 58. 3 Vgl. BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94. 4 Ebenso: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 114. 5 Ebenso: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 65. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 112. 7 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, IStR 1999, 601. 8 Vgl. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.1. 9 Vgl. Kolck, Der Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, 1974, S. 88. 10 Vgl. Gassner in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 57 (59). 11 I.E. zustimmend: Schieber, IStR 1994, 527, Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 12 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.7. 13 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999 694; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94.
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Art. 5 Rz. 95–96
Betriebstätte
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Planung und Überwachung. Planungstätigkeiten und die Überwachung fallen zwar auch unter Art. 5 Abs. 3 (vgl. Art. 5 Rz. 17 OECD-MK), aber nur soweit sie vom Unternehmer selbst als Teilleistung der maßgeblichen Bau- bzw. Montagetätigkeit im Quellenstaat ausgeführt werden.1 Wird die Tätigkeit vom Stammhaus ausgeübt, gehört sie zwar zur unternehmerischen Tätigkeit, jedoch nicht zur Bau- oder Montagetätigkeit.2 Wird die Planungs- und/oder Überwachungstätigkeit im Quellenstaat erbracht – jedoch ohne Zusammenhang mit einer Bau- oder Montagetätigkeit im Quellenstaat – kann sie keine Betriebsstätte i.S.v. Abs. 3 begründen.3 Eine dahingehende „geistige Montage“ ist abzulehnen (vgl. Rz. 93). Durch die Zurechnung von originären Bau- oder Montagetätigkeiten (vgl. Rz. 100) kann es aber dennoch zu einer Betriebsstättenbegründung gem. Abs. 3 kommen (vgl. Rz. 96). In der Praxis ist daher entscheidend, ob der Unternehmer die Kernleistung als solche (Bau- oder Montagetätigkeit) oder ausschließlich die Planungs- und Überwachungsleistung eigenverantwortlich schuldet.4 Für zuletzt genannten Fall sei beispielhaft an den Architekten gedacht, der für den Bauherrn die Koordinierung und Bauaufsicht übernimmt, ohne für die Leistungen der Bauunternehmen zu haften. Diese isolierte Überwachungstätigkeit wirkt nur Betriebsstätten begründend, wenn dies im DBA ausdrücklich vereinbart worden ist.5 In den anderen Fällen ist zu prüfen, ob die Tätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung (Abs. 1) im Quellenstaat erbracht wird.6 Ist dies der Fall, steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht auf den vor Ort (durch die Geschäftseinrichtung) verursachten Planungs- und Überwachungserfolg zu. Entscheidend sind insoweit die mit der Tätigkeit verbundenen Funktionen und Risiken.7 Einzelheiten der Gewinnabgrenzung sind in Art. 7 (2008) Rz. 200 ff. dargestellt.
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Eigeninvestitionen. Teilweise wird in der Literatur vertreten, Bau- und Montageausführungen für eigenbetriebliche Zwecke fielen nicht unter den Tatbestand des Art. 5 Abs. 3, insbesondere da es insoweit an einem Außenvertrag fehle, der dem Auftragnehmer die Chance eines Gewinns aus der Inanspruchnahme der Volkswirtschaft des Quellenstaates für eine Bauausführung oder Montage eröffnet.8 Übersehen wird dabei, dass der technische Charakter der gem. Art. 5 Abs. 3 zu beurteilenden Aktivitäten unabhängig von der Motivation des Unternehmers zu beurteilen ist. Auch das Erfordernis eines Außenvertrags lässt sich dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 nicht entnehmen. Vielmehr ist bei Erfüllen der tatbestandlichen Voraussetzungen von einer Betriebsstätte im Quellenstaat auszugehen. Denn unabhängig von der Frage, ob der Unternehmer für sich oder für einen anderen tätig wird, wird die Volkswirtschaft und Infrastruktur des Quellenstaates wie bei jeder Bauausführung oder Montage gesteigert in Anspruch genommen. Genau diese Inanspruchnahme ist aber der Rechtsgrund für das Besteuerungsrecht des Quellenstaates.9 Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 kommt es aber nur auf die Tätigkeit, nicht aber auf das Bestehen eines Ver-
1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.2.; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 61. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.7. 3 Vgl. BFH v. 3.2.1993 – I R 81/91, BStBl. II 1993, 462 (466). 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.2.; Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1331. 5 Vgl. Art. 5 Abs. 3 DBA-Ägypten, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Australien, Art. 5 Abs. 3 Buchst. a DBA-China, Art. 5 Abs. 2 Buchst. i DBA-Indien, Prot. Nr. 1 Buchst. a zu Art. 5 DBA-Kenia, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Korea, Prot. Nr. 3 Buchst. a zu Art. 5 DBA-Malaysia, Art. 5 Abs. 2 Buchst. h DBA-Philippinen, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Sambia, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Singapur, Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Türkei, Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Tunesien, Prot. Nr. 1 zu Art. 5 DBA-Zypern. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.2.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 115. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 115. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 142. 9 Vgl. Gassner in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 57 (59).
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D. Bau- und Montageausführungen (Absatz 3)
Rz. 96–98 Art. 5
trags des Unternehmers mit einem Dritten an.1 Auch kann eine mehr als zwölf-monatige Bau- oder Montagetätigkeit nicht als reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit angesehen werden,2 denn als solche kommen nur Tätigkeiten von ganz untergeordneter Bedeutung in Frage.3 Bei einer Bau- oder Montagetätigkeit handelt es sich aber – wie bei jedem Herstellungsprozess – um einen wesentlichen Beitrag der unternehmensinternen Wertschöpfung. Dies muss insbesondere für Unternehmen gelten, die Gebäude/Wohnungen im anderen Staat errichten, um sie sodann zu verkaufen.
III. Zusammenfassung von Tätigkeiten Tätigkeitsbezogene Beurteilung. Nach Art. 5 Abs. 3 ist jede Bau- oder Monta- 97 geausführung für sich gesondert zu beurteilen. Eine additive Betrachtung, wie sie § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. a und b AO enthalten (s. Rz. 100), kennt das OECD-MA nicht. Ob einheitliche oder verschiedene Tätigkeiten vorliegen, beurteilt sich nach der Zusammengehörigkeit der Tätigkeiten (Steuerobjekte) und nicht nach deren Zuordnung zu derselben Person (Steuersubjekt). Daher genügt es für die Annahme einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 3 nicht, dass derselbe Steuerpflichtige während der Mindestfrist verschiedene Bau- oder Montagetätigkeiten im Quellenstaat verrichtet. Umgekehrt beseitigt das Verbot der Addition nicht die Vorfrage, ob die zu beurteilenden Tätigkeiten als Einheit anzusehen sind. Hiervon geht die OECD aus, wenn sie zwar auf verschiedenen Verträgen beruhen, aber wirtschaftlich und geographisch ein zusammenhängendes Ganzes bilden (vgl. Art. 5 Rz. 18 OECD-MK). Dies ist nur ausgeschlossen, wenn die zu beurteilenden Bau- oder Montagetätigkeiten in verschiedenen Staaten stattfinden.4 Wirtschaftliche Einheit. Von einer wirtschaftlichen Einheit ist auszugehen, wenn 98 die verschiedenen Bau- und Montagetätigkeiten ein Gesamtprojekt bilden,5 d.h. sie sachlich, insbesondere wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (s. Rz. 42). Ob dies der Fall ist, ergibt sich nach Ansicht der Rspr. bei wertender Betrachtung aus der (subjektiven) Sicht des Auftragnehmers.6 Diese Sicht überzeugt nicht. Denn nach der OECD ist der Zweck der an wirtschaftlichen Kriterien orientierten additiven Betrachtung, Missbräuche zu vermeiden (vgl. Art. 5 Rz. 18 OECD-MK). Gem. § 42 Abs. 2 AO ist aber der Maßstab für die Frage des Missbrauchs kein subjektiver, sondern ein objektiver. So liegt von Gesetzes wegen ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Entscheidend ist damit die objektiv unangemessene Gestaltung und nicht die subjektive Sicht des Steuerpflichtigen. Diese kann bestenfalls als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 AO). Damit kann allein die rechtliche Aufspaltung wirtschaftlich zusammenhängender Leistungen keinen Wechsel des Quellenbesteuerungsrechts auslösen. Deshalb sollen auch nach Auffassung der OECD mehrere Bau- und Montageausführungen dann eine Einheit bilden können, wenn die Aufträge von verschiedenen Personen erteilt worden sind (z.B. für die Erstellung von Reihenhäusern; vgl. Art. 5 Rz. 18 OECD-MK).7 Vor diesem Hintergrund spricht aber umso mehr für eine wirtschaftliche Einheit, wenn dieselben Personen Verträge über gleichartige Tätigkeiten vereinbaren.8 Vor diesem Hintergrund überzeugt die Rspr. nicht, die trotz Identität der Vertragsparteien und Gleichartigkeit der Tätigkeiten das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit abge1 2 3 4 5 6 7 8
So aber: Weissenborn, BB 1959, 951. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 142. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 93. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.5; ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.5. Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72. A.A. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72. Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694.
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Art. 5 Rz. 98–100
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lehnt hat, weil nicht nachgewiesen war, dass der Folgeauftrag bereits bei Abschluss des 1. Vertrags geplant war.1 99
Geographische Einheit. Unproblematisch sind die Fälle, in denen ein örtlicher Zusammenhang der zu beurteilenden Einzeltätigkeiten besteht. Unschädlich ist daher, wenn die Tätigkeiten während des Betrachtungszeitraums zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten an verschiedenen Orten, jedoch ständig in einem örtlichen Zusammenhang erbracht werden und die örtliche Verschiedenheit lediglich ihre Ursache im Fortschreiten oder „Schwimmen“ der Tätigkeit hat (vgl. Art. 5 Rz. 20 OECD-MK). Denn wegen des unterschiedlichen Wortlauts ist für die Annahme einer Dienstleistungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 3 keine Ortsfestigkeit der Tätigkeit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 erforderlich. Typische Beispielsfälle hierfür sind fortschreitende (z.B. StraßenKanal- oder Leitungsbautätigkeiten)2 oder sog. schwimmende Baustellen.3 Anders ist es hingegen, wenn Zweifel an dem örtlichen Zusammenhang der wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten bestehen. Denn eine geographische Einheit lässt sich mangels Rechtsgrundlage nicht anhand eines bestimmten Radius festmachen.4 Ihre dahin tendierende Ansicht – 50 km – hat die Finanzverwaltung5 im Anschluss an die Rspr. durch Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl. II aufgegeben.6 Dies bedeutet aber nicht, dass jeder noch so kleine räumliche Abstand der Tätigkeiten die geographische Einheit beseitigt. Einheitliche Vorgaben, wie z.B. ortsverschiedene Tätigkeiten auf demselben Werksgelände begründeten einen örtlichen Zusammenhang, nicht aber dieselben Tätigkeiten innerhalb desselben Stadtviertels7, überzeugen insoweit nicht. Vielmehr ist entscheidend, dass der räumliche Zusammenhang noch ein organisatorisch einheitliches Arbeiten ermöglicht.8 Dies hängt in erheblichem Umfang von der Größe des zu beurteilenden Projekts und dem Verantwortungsbereich des jeweiligen Unternehmers ab. So ist m.E. beispielsweise ein Brückenbauprojekt, das gleichzeitig von den beiden Brückenenden her betrieben wird, für den gesamtverantwortlichen Unternehmer auch dann als geographische Einheit anzusehen, wenn die Brückenenden 3 km auseinander (z.B. in verschiedenen Städten) liegen. Diese additive Betrachtung für den Gesamtverantwortlichen hindert jedoch nicht, verschiedene geographische Einheiten für Bautätigkeiten anderer Unternehmer innerhalb dieses Projekts anzunehmen. Für die Frage der geographischen Einheit (vgl. Rz. 43) ist daher zunächst bei objektiver Wertung der Verantwortungsbereich und sodann dessen örtliche Ausdehnung zu bestimmen, ehe untersucht wird, ob die konkreten Einzeltätigkeiten innerhalb dieses Verantwortungsbereichs liegen. Unbeachtlich ist insoweit, ob die Tätigkeiten zeitlich aufeinanderfolgend oder gleichzeitig stattfinden,9 denn für die Fristberechnung ist ausschließlich der Beginn und das Ende der geschuldeten Tätigkeit maßgeblich (s. Rz. 104 f.).
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Abgrenzung zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO. Gem. § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. b AO bilden verschiedene Bauausführungen und/oder Montagen eine Betriebsstätte, wenn eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden länger als sechs Monate dauert. Ebenso ist gem § 12 Satz 2 Nr. 8 Buchst. c AO zu verfahren, wenn mehrere verschiedene solcher Tätigkeiten ohne Unterbrechung aufeinander folgen. Der Unterschied zur wirtschaftlichen und geographischen Einheit des Art. 5 Abs. 3 besteht darin, dass § 12 AO auch die Addition wirtschaftlich unterschiedlicher Bau- und/oder Montagetätigkeiten ohne örtlichen Zusammenhang unter den dort genannten Voraussetzungen zulässt. Daher 1 Vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 47/00, BStBl. II 2002, 846. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 123. 3 Ebenso: BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.5; Mittermüller, RIW 1982, 812 (813). 4 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.5. 6 Vgl. BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932. 7 Vgl. Buciek, DStZ 2003, 139 (142). 8 Vgl. BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 72. 9 So aber BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932.
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D. Bau- und Montageausführungen (Absatz 3)
Rz. 100–103 Art. 5
kann eine Tiefbautätigkeit von sieben Monaten zwei wirtschaftlich getrennte örtlich unabhängige Hochbauvorhaben von jeweils drei Monaten verklammern. Entscheidend ist insoweit nur, dass es sich bei sämtlichen Tätigkeiten um Bau oder Montagetätigkeiten handelt, die demselben Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.
IV. Persönliche Zurechnung der Tätigkeiten Eigene Leistung. Unproblematisch sind die Fälle, in denen der Unternehmer selbst 101 oder durch sein eigenes Personal, d.h. Personen die in einem wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stehen und an seine Weisungen gebunden sind, tätig wird. In einem solchen Abhängigkeitsverhältnis stehen zum einen die Arbeitnehmer, die mit dem Unternehmer selbst einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Zum anderen sind aber auch Leiharbeitnehmer dem Unternehmer zuzurechnen, sofern der Unternehmer als wirtschaftlicher Arbeitgeber1 anzusehen ist. Einschaltung von Subunternehmern. Sofern der Unternehmer wenigstens teilwei- 102 se mit eigenem Personal im Quellenstaat tätig wird, sind ihm nach einhelliger Meinung die Tätigkeiten der von ihm eingeschalteten Subunternehmer zuzurechnen (vgl. Art. 5 Rz. 19 OECD-MK).2 Denn letztlich kann es keine Rolle spielen, ob sich der Unternehmer eigenen Personals oder fremder Unternehmen zur Erfüllung der von ihm geschuldeten Leistung bedient.3 Damit ist aber kein sachlicher Grund ersichtlich, warum sich dies ändern soll, wenn der Unternehmer ausschließlich mit Subunternehmern tätig wird. Entscheidend ist folglich nur, ob er gegenüber dem Auftraggeber die Verantwortung für die für ihn tätigen Personen trägt.4 Im Ergebnis wirken also nicht die eigenen (verbleibenden) Überwachungstätigkeiten des Generalunternehmers, sondern die Bau- oder Montagetätigkeiten der Subunternehmer für den Generalunternehmer Betriebsstätten begründend.5 Gemeinschaftliche Leistungserbringung. Wird eine Bauausführung oder Montage 103 durch mehrere Personen erbracht, ist die Frage, ob im Quellenstaat die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 3 erfüllt sind, von der rechtlichen Ausgestaltung des Personenzusammenschlusses abhängig. Maßgeblich ist das Innenverhältnis, da dieses für den Rechtscharakter des Zusammenschlusses und das Verhältnis der Beteiligten zueinander entscheidend ist.6 Auf das Vorhandensein einer gemeinsamen Außenbeziehung oder eines Gesamthandvermögens kommt es nicht an.7 Fördern die Personen im Innenverhältnis einen gemeinsamen Zweck – wie z.B. bei einer ArGe (vgl. Rz. 155) – erfüllen sie das charakterisierende Merkmal einer GbR i.S.v. §§ 705 ff. BGB.8 Als solche ist sie als Mitunternehmerschaft anzusehen9 und daher sind die Zustände und Handlungen der Gesamthand jedem einzelnen Gesellschafter zuzurechnen (vgl. Rz. 67). Sobald daher die Personengesellschaft die ZwölfMonatsgrenze überschreitet, wird jeder Gesellschafter unabhängig von der Zeitspanne, die er selbst auf der Stelle zugebracht hat, für die Zwecke der Besteuerung seines
1 Vgl. BMF v. 14.9.2006 – IV B 6 – S 1300 - 367/06, BStBl. I 2006, 532, Rz. 4.3.3.1. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.2.; BFH v. 13.11.1962 – I B 222/59, BStBl. III 1963, 71; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 143; Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (497) mit Verweis auf den Entwurf des OECD-MK zu Art. 5 v. 13.10.2011. 3 Dahingehend wohl auch BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085. 4 Ebenso: Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 1333; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; OECD Discussion Draft v. 19.2.2012, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/oecdmodeltaxconventionreviseddiscussion draftonthedefinitionofpermanentestablishment.htm, Rz. 48 betr. Art. 5 Rz. 10.1 OECD-MK. 5 Der Betriebsstättenrohgewinn (Projektpreis abzgl. Vergütung Subunternehmer) entspricht bei Fremdpreisen in diesen Fällen der funktions- und risikoadäquaten Vergütung für die Überwachungsleistung. 6 Vgl. H. P. Westermann in Erman13, § 705 BGB Rz. 1. 7 Vgl. H. P. Westermann in Erman13, § 718 BGB Rz. 2. 8 Vgl. H. P. Westermann in Erman13, § 705 BGB Rz. 25. 9 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.4.
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Art. 5 Rz. 103–105
Betriebstätte
Anteils am Unternehmensgewinn, den die Personengesellschaft erzielt, so angesehen, als ob er eine Betriebsstätte unterhalte (vgl. Art. 5 Rz. 19.1 OECD-MK). Fördern hingegen die Beteiligten im Innenverhältnis keinen gemeinsamen Zweck, sondern rechnen sie auf reiner Gegenseitigkeitsbasis „Zug um Zug“ ab – wie z.B. bei Konsortien (vgl. Rz. 173) – fehlen die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerschaft.1 Eine Zurechnung von Handlungen der anderen am Zusammenschluss Beteiligten ist in derartigen Fällen nicht möglich, d.h. jeder Beteiligte muss in seiner Person die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 3 erfüllen. Die Zurechnung der Handlungen eigenen Personals oder Dritter, die im Auftrag des Unternehmers tätig werden, bleibt hiervon unberührt.
V. Fristberechnung 104
Beginn. Die Zwölf-Monatsfrist beginnt zu laufen, wenn der Unternehmer den notwendigen bau- oder montagespezifischen Ortsbezug zum Quellenstaat hergestellt hat.2 Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer im Quellenstaat erstmalig Dienstleistungen erbringt, die sachlich (vgl. Rz. 92–95), wirtschaftlich (vgl. Rz. 98) und geographisch (vgl. Rz. 99) zur jeweiligen Bau- oder Montageausführung gehören. Typischerweise ist dies der Baubeginn (z.B. Anrollen der Bagger auf der Baustelle, Eintreffen des ersten Monteurs, „erster Spatenstich“). Darüber hinaus sind andere Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten (z.B. Vermessung des Geländes, Einrichtung eines Materialmagazins3) zu berücksichtigen, wenn sie mit der Wertschöpfung vor Ort zusammenhängen (vgl. Art. 5 Rz. 19 OECD-MK).4 Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach der vom Unternehmer eigenverantwortlich geschuldeten Kernleistung, insbesondere ob diese auch die Planungs- und Überwachungsleistungen mitumfasst (s. Rz. 94).5 Deshalb fallen Materialanlieferungen regelmäßig ebenso als Bezugshandlung aus6 wie Rechtsakte in Form des Vertragsabschlusses oder Registrierungen im Quellenstaat u.Ä.7
105
Ende. Die Frist endet mit der tatsächlichen Fertigstellung des Bauwerks oder der Montage. Wann dies der Fall ist, wird durch die ordnungsgemäße Erfüllung der übernommenen Werklieferungsverpflichtung bestimmt,8 d.h. den Zeitpunkt, an dem ein nach dem Vertrag abnahmefähiges Gewerk fertiggestellt ist. Zeiten für die Funktionsüberprüfung, den Probelauf9 sowie eine ggf. erforderliche Nachbesserung zählen grundsätzlich zur Frist, soweit der Unternehmer – wie nach deutschem Verständnis gem. § 633 Abs. 1 BGB – zur Lieferung eines abnahmefähigen Gewerks verpflichtet ist.10 Daher bildet der Zeitpunkt der tatsächlichen Abnahme in der Praxis einen tauglichen Orientierungspunkt.11 Indes gehören Zeiten für die Mängelbeseitigung nach Abnahme regelmäßig nicht mehr zur Frist.12 Eben so wenig zählen zur Frist Zeiten für Unterstützungsleistungen zur Betriebsführung, zur Einweisung und Training von Kundenpersonal sowie Beratungsleistungen zur weiteren Betriebsoptimierung.13 1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.4. 2 Ebenso: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 70; BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 3 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 70. 4 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 5 Vgl. Öst BMF (EAS 3102) v. 28.10.2009. 6 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 7 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 64. 8 Vgl. Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 151. 9 Ebenso OECD Discussion Draft v. 19.2.2012, abrufbar unter http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/ oecdmodeltaxconventionreviseddiscussiondraftonthedefinitionofpermanentestablishment.htm, Rz. 69 betr. Art. 5 Rz. 19.1 OECD-MK. 10 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 65; a.A. Öst. BMF v. 17.12.1993, EAS 357. 11 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 12 ebenso OECD Discussion Draft v. 19.2.2012, http://www.oecd.org/ctp/taxtreaties/oecdmodeltax conventionreviseddiscussiondraftonthedefinitionofpermanentestablishment.htm Rz. 69 betr. Rz. 19.1 OECD-MK. 13 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 134.
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E. Negativkatalog (Absatz 4)
Rz. 105–108 Art. 5
Auch die bloße Lagerung von Material auf der Baustelle nach Fertigstellung verlängert die Frist nicht.1 Unterbrechungen. Eine Bauausführung gilt nicht als beendet, wenn die Arbeiten 106 durch im Betriebsablauf begründete Ursachen vorübergehend unterbrochen worden sind.2 Jahreszeitlich bedingte oder andere vorübergehende Unterbrechungen, z.B. wegen schlechter Witterung, Streik und Unterbrechungen aus im Betriebsablauf liegenden Gründen, z.B. wegen Materialmangels oder anderer bautechnischer Gründe, sind daher bei der Ermittlung der Berechnung der Dauer einer Bauausführung einzubeziehen. Das gilt grundsätzlich unabhängig von der Dauer der Arbeitsunterbrechung (vgl. Art. 5 Rz. 19 OECD-MK).3 Dementsprechend läuft die Frist ununterbrochen, wenn nur die Errichtung und der Abbau von Gerüsten vor und nach der Bauphase geschuldet ist.4 Anders ist dies bei Unterbrechungen, die außerhalb der Risikosphäre des Unternehmers liegen. Wird etwa die Bautätigkeit unterbrochen, weil der Besteller die notwendige Abnahme (eines fertigen Teilabschnitts) verweigert, hemmt dies nach Ansicht der Rspr. jedenfalls dann den Fristlauf, wenn das Personal vor Ort abgezogen wird und die Unterbrechung länger als 14 Tage dauert.5 Entsprechend den zivilrechtlichen Risikotragungsregeln bei Werkverträgen (§ 644 BGB § 645 BGB) zählen hierzu auch Unterbrechungszeiten, mit denen der Unternehmer nicht rechnen konnte, z.B. die ihre Ursache in politischen Unruhen oder nicht vorhersehbaren Gewaltanschlägen haben.6
E. Negativkatalog (Absatz 4) I. Regelungszweck Beispielskatalog. Art. 5 Abs. 4 enthält einen Katalog, in dem typische Fälle auf- 107 gezählt sind, in denen dem Quellenstaat trotz Vorliegens einer festen Geschäftseinrichtung kein Besteuerungsrecht i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 eingeräumt wird. Damit ergänzt er Abs. 2 einerseits in spiegelbildlicher Weise und konkretisiert andererseits die „Untergrenze“ des Betriebsstättenbegriffs des Abs. 1, indem er die in ihm genannten Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten die Fähigkeit abspricht, eine Betriebsstätte zu begründen. Insoweit hat Abs. 4 eine konstitutive, den Abs. 1 begrenzende Wirkung.7 Hierdurch unterscheidet sich Art. 5 Abs. 4 von Abs. 2, der nur rein deklaratorische Wirkung entfaltet (vgl. Rz. 73). Eine entsprechende Regelung in § 12 AO gibt es nicht (vgl. Rz. 110). Mindesttätigkeit in der Geschäftseinrichtung. Ist die Person unternehmerisch tä- 108 tig, genügt gleichwohl nicht jede noch so geringe unternehmerische Aktivität in der Geschäftseinrichtung (vgl. Rz. 58) für sich zur Begründung einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5. Denn Art. 5 Abs. 4 stellt klar, dass die ausschließliche Ausübung von Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten grundsätzlich nicht ausreicht (vgl. Rz. 118 ff.). Darin unterscheidet sich Art. 5 von § 12 AO, der zur Betriebsstättenbegründung jegliches unmittelbare und mittelbare Dienen der Einrichtung und damit jede noch so geringfügige Hilfstätigkeit genügen lässt (vgl. Rz. 110). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Tätigkeit oder deren Summe zur Betriebsstättenbegründung i.S.d. Art. 5 mehr sein muss als die generell abstrakt definierte Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit i.S.d. Abs. 4. Dieses „Mehr“ wird im Weiteren als Haupttätigkeit bezeichnet. Diese Haupttätigkeit muss nicht qualitativ deckungsgleich mit der Gesamttätigkeit des Unternehmens sein. Vielmehr genügt, dass wenigstens ein Teil von ihr in der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird. Damit setzt die Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begriff1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.1. 2 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.1. 4 A.A. Öst BMF EAS 451 v. 10.6.1994. 5 Vgl. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 6 Vgl. Schwenker in Erman13, § 645 BGB Rz. 10. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 151.
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Art. 5 Rz. 108–110
Betriebstätte
lich nicht voraus, dass die in ihr ausgeübten Tätigkeiten alle Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG (vgl. Rz. 34) erfüllen. Die Betriebsstätte muss auch nicht unmittelbar zum Gewinn des Unternehmens beitragen. Art. 5 Rz. 3 OECD-MK spricht insoweit von produktivem Charakter. Die Betriebsstätte muss auch nicht mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet sein. Sie muss kein organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes sein. Ihrer Annahme steht nicht entgegen, dass sie für sich allein lebensunfähig sein würde. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte dürfen nicht an denen eines Teilbetriebes i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG gemessen werden (vgl. Rz. 58).1 Denn weder Art. 5 Abs. 1 noch § 12 AO verlangen, dass die Geschäftseinrichtung unmittelbar den Unternehmenszweck fördern muss. Daher reicht grundsätzlich eine mittelbare Förderung aus. Deren ausschließliche Ausübung in der Geschäftseinrichtung führt jedoch regelmäßig nur zu einer sog. Hilfsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 4.2 Für den Regelfall in der Praxis lässt sich daher vereinfachend die Faustformel aufstellen, dass die Mindestaktivität typischerweise erreicht und daher eine Betriebsstätte anzunehmen ist, wenn sich die dort ausgeübte Tätigkeit als werbende Marktteilnahme im Quellenstaat darstellt. Die Verwaltung einer einzigen Beteiligung ohne sonstige unternehmerische Tätigkeit reicht hierfür nicht.3 Denn Sinn und Zweck der Freistellungsmethode ist die Herstellung von Wettbewerbsgleichheit unter den Investoren verschiedener Länder im Quellenstaat.4 Etwas anderes gilt nur, wenn die rein unternehmensinterne Tätigkeit von erheblicher Bedeutung für das Gesamtunternehmen ist, wie dies z.B. bei Forschungseinrichtungen der Fall sein kann. 109
Mindesttätigkeit in der Geschäftseinrichtung bei rechtsnormabhängigen Unternehmensgewinnen. Nach dem Verständnis des BMF generiert die rechtsnormabhängige Gewerblichkeit unabhängig von der verrichteten Tätigkeit umfänglich Unternehmensgewinne i.S.d. DBA (vgl. Rz. 34). Verlangt nun Art. 5 über den Wortlaut des Art. 7 hinaus, dass in der Geschäftseinrichtung die Haupttätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werden muss, stellt sich die Frage, ob diese Anforderung auch dann bestehen bleibt, wenn im gesamten (rechtsformabhängigen) Unternehmen keine unternehmerischen Tätigkeiten ausgeübt werden, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG erfüllen. Mit anderen Worten geht die Frage dahin, ob die Anforderungen für die Annahme einer Unternehmenstätigkeit in der Betriebsstätte höher sein können als die Anforderungen an das Unternehmen selbst. M.E. ist die Frage wegen Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 zu bejahen, da hiernach eine Betriebsstätte eine über eine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 4 hinausgehende Tätigkeit verlangt (vgl. Rz. 108). Eine solche ist beispielsweise bei reinen Holdingaktivitäten in einer festen Geschäftseinrichtung nicht gegeben. Diese Sichtweise hat zur Folge, dass die rechtsnormabhängige Einkünftequalifizierung ausschließlich Auswirkung auf den Ansässigkeitsstaat, nicht aber auf den Quellenstaat hat.5 Betroffen sind hiervon vornehmlich Einkünfte aus Vermögensverwaltung (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 52, 55), Koordinierungs- oder Holdingaktivitäten (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 52, 55) sowie Besitzunternehmen im Rahmen von Betriebsaufspaltungen (vgl. Rz. 167 und Art. 7 (2008) Rz. 56).
110
Abgrenzung zu § 12 AO. Eine dem Art. 5 Abs. 4 entsprechende Regelung gibt es in § 12 AO nicht. Vielmehr begründen sämtliche abkommensrechtlich unbeachtlichen Hilfsbetriebsstätten i.S.v. Art. 5 Abs. 4 „vollwertige“ Betriebsstätten i.S.v. § 12 AO. Denn im Unterschied zu Art. 5 genügt für eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO, dass die Geschäftseinrichtung oder Anlage der Unternehmenstätigkeit dient.6 Diese Voraussetzung ist bereits erfüllt, wenn sie dazu bestimmt ist, den Unternehmenszweck zu fördern.7 Hierzu genügt jede unmittelbare Nützlichkeit für eine unternehmensbezo-
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Vgl. Wacker in Schmidt31, § 16 EStG Rz. 143. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 26. Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.3. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. A.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 3.1. Vgl. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 19. Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12.
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E. Negativkatalog (Absatz 4)
Rz. 110–113 Art. 5
gene Tätigkeit in, an oder mit der Geschäftseinrichtung oder Anlage.1 Typisierend gesprochen ist damit jedes materielle Wirtschaftsgut des gewillkürten Betriebsvermögens geeignet, eine Betriebsstätte zu begründen, sofern es als feste Einrichtung oder Anlage zu qualifizieren ist. Maßgebend ist das Gesamtbild der Umstände des Einzelfalls. Aus deutscher Sicht ist noch darauf hinzuweisen, dass auch bei Anwendung des Art. 5 Abs. 4 (Negierung einer Betriebsstätte) in der Regel eine Gewinnabgrenzung für die Betriebsstätte für gewerbesteuerliche Zwecke notwendig ist.2
II. Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren (Buchst. a) Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung. Art. 5 Abs. 4 Buchs. a bezieht sich auf 111 den Fall, in dem ein Unternehmen die tatsächliche Sachherrschaft (vgl. Rz. 49 ff.) über Einrichtungen zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung eigener Güter oder Waren besitzt (vgl. Art. 5 Rz. 22 OECD-MK). Hierdurch unterscheidet er sich von Art. 5 Abs. 4 Buchst. b, der die fehlende Betriebsstätteneigenschaft des reinen Güteroder Warenbestands selbst klarstellt. Die Einrichtung darf nur der Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung dienen. Ausschließlich Tätigkeiten, die mit diesen Funktionen zusammenhängen, dürfen in der Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. Mitumfasst werden sämtliche Tätigkeiten von der Einräumung, über das Verwalten bis hin zur Verpackung, Versendung und Auslieferung der Produkte.3 Schädlich sind indes sämtliche Aktivitäten durch die Geschäftseinrichtung, die eine aktive Marktteilnahme verkörpern. Daher ist die Einrichtung einer Repräsentanz oder eines Showrooms, in der lediglich Informationen über das Unternehmen oder seine Produkte zur Verfügung gestellt werden, eine reine Hilfstätigkeit, sofern sie durch das Unternehmen selbst ausgeübt wird. Etwas anderes gilt indes, wenn diese Tätigkeit für das Unternehmen durch einen Dienstleister übernommen wird, da in diesem Fall der Dienstleister im Quellenstaat als Marktteilnehmer zu den örtlichen Dienstanbietern in Konkurrenz tritt.4 Güter und Waren. Güter oder Waren sind nach dem allgemeine Wortlautverständ- 112 nis alle Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens.5 Immaterielle Wirtschaftsgüter werden nicht erfasst.6
III. Bestände von Gütern oder Waren zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung (Buchst. b) Keine Unternehmenstätigkeit. Art. 5 Abs. 4 Buchst. b bezieht sich auf den eigentli- 113 chen Bestand an Gütern oder Waren (vgl. Rz. 112) und bestimmt, dass dieser nicht als Betriebsstätte gilt, wenn er zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten wird (vgl. Art. 5 Rz. 22 OECD-MK). Versteht man Abs. 4 als Vorschrift, die Abs. 1 begrenzt, entfaltet Art. 5 Abs. 4 Buchst. b keine rechtliche Wirkung,7 da ein schlichter Waren- oder Güterbestand selbst zwar dem Unternehmen als Objekt für seine Unternehmenstätigkeit dient, jedoch nicht darüber hinaus geht (vgl. Rz. 59).
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Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.12. So auch Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.13. Zu einer Betriebsstätte des Auftraggebers kommt es in diesen Fällen allerdings regelmäßig nicht, da das reine Auftragsverhältnis, vermöge dessen der Dienstleister tätig wird, noch nicht zur tatsächlichen Sachherrschaft des Prinzipals über die feste Geschäftseinrichtung des Dienstleisters führt; missverständlich insoweit BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085; im Einzelnen siehe auch Rz. 55 und 178. 5 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 87. 6 Vgl. Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (498) mit Verweis auf Art. 5 Rz. 22 OECD-MK, Entwurf v. 12.10.2011. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 163.
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Art. 5 Rz. 114–117
Betriebstätte
IV. Bestände von Gütern oder Waren zum Zweck der Verarbeitung durch ein anderes Unternehmen (Buchst. c) 114
Keine Unternehmenstätigkeit. Art. 5 Abs. 4 Buchst. c betrifft den Fall, dass Güteroder Warenbestände (vgl. Rz. 112) eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen im Namen oder für Rechnung des erstgenannten Unternehmens bearbeitet oder verarbeitet werden (vgl. Art. 5 Rz. 22 OECD-MK). Auch insoweit hat Abs. 4 deklaratorische Wirkung, da der Waren- oder Güterbestand nur Gegenstand der Be- oder Verarbeitung ist (vgl. Rz. 59).
V. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen (Buchst. d) 115
Einkaufseinrichtungen. Unter Einkauf ist nach dem allgemeinen Wortverständnis ausschließlich der Erwerbsvorgang zu verstehen.1 Jegliche Verarbeitung, Bearbeitung oder Veräußerung des erworbenen Gegenstands ist für Art. 5 Abs. 4 Buchst. d schädlich.2 Ausgenommen ist die unternehmensinterne Weitergabe. Art. 5 Abs. 4 Buchst. d dient der Erleichterung des internationalen Güter- und Warenverkehrs, indem er das Prinzip des Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008 dem Grunde nach umsetzt (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 221).3 Denn durch den bloßen Einkauf von Gütern und Waren (s. Rz. 112) wird ein Unternehmen zwar auf dem Markt im Quellenstaat tätig. Als ausschließlicher Nachfrager konkurriert es jedoch nicht mit anbietenden Unternehmen vor Ort. Insoweit besteht kein Grund zur Schaffung von Wettbewerbsgleichheit im Quellenstaat durch Steuerfreistellung der Betriebsstätteneinkünfte im Ansässigkeitsstaat (Kapitalimportneutralität).4 Dieser bestünde nur, wenn durch die feste Geschäftseinrichtung Realisationstatbestände verwirklicht werden.5 Solche setzen nach h.M. – im Unterschied zu den Ersatzrealisationstatbeständen – einen zivilrechlichen Umsatzakt am (örtlichen) Markt voraus.6 Im Ergebnis gibt es deshalb weder die Notwendigkeit, einer Betriebsstätte einen Gewinn aus dem Einkauf zuzurechnen (so noch Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008), noch einer Geschäftseinrichtung, die ausschließlich Einkaufstätigkeiten vornimmt, die Grundlage zur Gewinnzurechnung (= Betriebsstätteneigenschaft) zuzusprechen (so Art. 5 Abs. 4 Buchst. d).
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Informationsbeschaffung. Durch die Erwähnung der Beschaffung von Informationen in Art. 5 Abs. 4 Buchst. d sollen vor allem Zeitungskorrespondenten erfasst werden, die bloß einen verlängerten Arm des Hauptunternehmens darstellen; diese Ausnahme ist nichts anderes als eine Erweiterung des Prinzips „des bloßen Einkaufs“ (vgl. Art. 5 Rz. 22 OECD-MK). Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie für ausschließliche Einkaufseinrichtungen, d.h. jegliche Weiterveräußerung oder Ver- bzw. Bearbeitung der Information ist schädlich (s. Rz. 115). Unbeachtlich ist, ob die Informationen entgeltlich oder unentgeltlich beschafft werden.7
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Authorized OECD Approach (AOA). Unter Berücksichtigung des AOA wurde Art. 7 Abs. 5 OECD-MA 2008 in Art. 7 OECD-MA 2010 ersatzlos gestrichen (vgl. dazu ausführlich Art. 7 (2008) Rz. 224). Zweck des AOA und der Streichung ist die weitere Annäherung der Betriebsstättengewinnabgrenzung gem. Art. 7 und der Verrechnungspreise gem. Art. 9. Hierzu sollen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte „quasi-schuldrechliche Verträge“ (sog. Dealings) abgeschlossen werden, die eine Gewinnrealisation nach sich ziehen. Damit wird die unternehmensinterne Weitergabe der eingekauften Produkte abkommensrechtlich in einen Realisationstatbestand verwandelt, der der Betriebsstätte gem. Art. 7 OECD-MA 2010 einen grundsätzlichen Gewinnanspruch für die von ihr ausgeübte Einkaufstätigkeit einräumt. Ob vor diesem Hintergrund Art. 5
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Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.15. Vgl. BFH v. 23.1.1985 – I R 292/81, BStBl. II 1985, 417 zur Weiterverarbeitung von Information. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. Vgl. Vogel in V/L5, Art. 23 OECD-MA Rz. 7. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 91. Vgl. Moxter in FS L. Schmidt, 1993, 195 ff.; BFH v. 14.12.1988 – I R 44/83, BStBl. II 1989, 323. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 173.
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E. Negativkatalog (Absatz 4)
Rz. 117–121 Art. 5
Abs. 4 Buchst. d dauerhaft Bestand haben kann, erscheint fraglich. Umgekehrt vertritt die OECD nach wie vor den Standpunkt, dass aus der reinen Informationsbeschaffung, die einem „bloßen Einkauf“ von Information gleichzusetzen ist, keine Betriebsstättenfolgen gezogen werden sollen.1
VI. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, vorbereitende oder Hilfstätigkeiten auszuüben (Buchst. e) Konkretisierung der notwendigen Betriebsstättenaktivität. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e 118 enthält eine generelle Ausnahme zu der allgemeinen Definition des Abs. 1. Nach ihr bleibt eine feste Geschäftseinrichtung abkommensrechtlich unbeachtlich, wenn sie 2 Voraussetzungen erfüllt, nämlich (1.) die Leistungen nur innerhalb des Unternehmens erbracht werden und (2.) die Leistungen ausschließlich Vorbereitungs- und/ oder Hilfscharakter haben.2 Insofern dient Art. 5 Abs. 4 Buchst. e in Verbindung mit Abs. 1 einer genaueren Abgrenzung der Merkmale des Betriebsstättenbegriffs (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK). Im Umkehrschluss folgt aus Art. 5 Abs. 4 Buchst. e, dass unternehmensinterne Leistungen Betriebsstätten begründend wirken, wenn die (rein internen) Tätigkeiten einen Teil der Haupttätigkeit darstellen. Andererseits begründen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten in der Geschäftseinrichtung eine Betriebsstätte, wenn sie gegenüber Dritten erbracht werden. Ausschließlich unternehmensinterne Leistungen. Sobald die Geschäftseinrich- 119 tung werbend am örtlichen Markt auftritt, verliert sie insoweit ihren Hilfscharakter. Hilfstätigkeiten begründen daher nur dann keine Betriebsstätte, wenn sie ausschließlich für das Unternehmen selbst ausgeübt werden. Werden sie als entgeltliche Dienstleistungen für andere wahrgenommen, so werden sie (teilweiser) Hauptgegenstand des Unternehmens. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e ist daher nicht anwendbar, wenn die Geschäftseinrichtung Leistungen an andere – auch konzernzugehörige – Personen erbringt (vgl. Art. 5 Rz. 26 OECD-MK). Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeit. Eine Vorbereitungstätigkeit ist gegeben, 120 wenn sie zeitl. vor der Haupttätigkeit ausgeübt wird.3 Typische vorbereitende Tätigkeit ist die Planung einer Haupttätigkeit.4 Hilfstätigkeiten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie parallel neben oder zeitl. nach der Haupttätigkeit ausgeübt werden und von dieser in ihrer Art verschieden sind.5 Hilfstätigkeiten sind häufig nicht auf Umsatz- oder Gewinnerzielung ausgerichtet. Sie wirken dann nur unternehmensintern und unterstützen die Haupttätigkeit (vgl. Art. 5 Rz. 24 OECD-MK). Daran fehlt es, wenn die erbrachte unternehmensinterne Leistung notwendiger Bestandteil der unternehmensprägenden Tätigkeit ist. Typischerweise ist dies der Fall, wenn die Tätigkeit tragender Bestandteil der transaktionsbezogenen Wertschöpfungskette im Gesamtunternehmen ist, was z.B. bei Forschungsleistungen eines Pharmaunternehmens der Fall.6 Entscheidend ist insoweit der Hilfscharakter im Vergleich zur Haupttätigkeit (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK). Unternehmenstätigkeit als Vergleichsmaßstab für den Hilfscharakter. Vergleichs- 121 maßstab für die Tätigkeit in der Einrichtung ist die Gesamttätigkeit des Unternehmens. Dabei gilt: Je niedriger die Gesamtaktivität der Person ist, desto eher erfüllt die Geschäftseinrichtungsaktivität die Anforderung der Haupttätigkeit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsstättencharakter der Geschäftseinrichtung durch Absenken des gesamten Tätigkeitsniveaus erreicht werden kann. Übt etwa die Person insgesamt bloße Vermögensverwaltung oder eine schlichte Holdingfunktion aus, 1 Empfehlung der OECD-Arbeitsgruppe zur Auslegung und Anwendung des OECD-MA v. 20.10.2011 zur Neufassung des Art. 5 Rz. 22.1 OECD-MK, S. 29. 2 So auch Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 92. 3 Vgl. BFH v. 23.1.1985 – I R 292/81, BStBl. II 1985, 417. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 178 (Stand 2010). 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 178 (Stand 2010). 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.1.
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Art. 5 Rz. 121–123
Betriebstätte
wird zwar die Haupttätigkeit auch in der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt, jedoch fehlt es in diesem Fall an einem Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c (vgl. Rz. 34). Liegt ausnahmsweise ein solches nach Ansicht der Verwaltung kraft Rechtsform vor1 (vgl. Rz. 109), beseitigt dies nach der hier vertretenen Ansicht nicht das Erfordernis einer bestimmten Mindestaktivität in der Geschäftseinrichtung. Die bloße Vermögensverwaltung reicht hierfür nicht aus (vgl. Rz. 109). Deshalb kann die Auslagerung von Holding-, Koordinierungs- oder Finanzierungsaufgaben auf selbständige Rechtsträger grds. keine Betriebsstättenfolge nach sich ziehen.2 Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 5 Abs. 4 Buchst. e ist vielmehr, dass die Person, deren Geschäftseinrichtung zu beurteilen ist, ein Unternehmen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c betreibt (vgl. Rz. 109) und die Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung funktional der Haupttätigkeit nachgeordnet ist. Im Ergebnis beschränkt sich der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 4 Buchst. e räumlich auf die Geschäftseinrichtung des Unternehmens im Quellenstaat. 122
Einzelfallbezogene Wertung. Ob eine Tätigkeit Hilfscharakter hat oder Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens ist, ist stets einzelfallbezogen durch Vergleich der Gesamttätigkeit des Unternehmens mit der Tätigkeit der Geschäftseinrichtung zu ermitteln.3 Daher ist z.B. zu unterscheiden, ob erbrachte Transportleistungen eine eigenständige Hauptleistung, wie z.B. durch eine Spedition, oder schlichte Hilfsleistung im Zusammenhang mit dem Verkauf der Güter darstellt (vgl. Art. 5 Rz. 26.1 OECD-MK). Ebenso können Geschäftseinrichtungen, die unterhalten werden, um Werbung zu treiben, Informationen zu erteilen oder wissenschaftliche Forschung betreiben, reinen Hilfscharakter haben. Dieser Hilfscharakter geht aber verloren, wenn die Werbung produzierende Geschäftseinrichtung zu einer Werbeagentur gehört,4 die Informationsweitergabe durch das Korrespondentenbüro einer Nachrichtenagentur erfolgt oder aber in der Geschäftseinrichtung Produkte entwickelt oder hergestellt werden. Ausschließliche Holdingaktivitäten in der Geschäftseinrichtung eines Unternehmens können grds. keine Betriebsstätte begründen,5 da die Wahrnehmung von Gesellschafterinteressen typischerweise von der Haupttätigkeit verschieden ist. Anders kann dies jedoch zu beurteilen sein, wenn die Geschäftseinrichtung auf das Tagesgeschäft der Beteiligungsgesellschaft Einfluss nimmt (geschäftsleitende Holding vgl. Rz. 167).
VII. Feste Geschäftseinrichtung zum Zweck, mehrere der unter den Buchstaben a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitende oder Hilfstätigkeiten darstellen (Buchst. f) 123
Geschäftsverdichtung. Gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f ist für die Frage, ob eine feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte anzusehen ist, auf die Gesamtheit der durch sie verrichteten Tätigkeiten und erbrachten Leistungen abzustellen (vgl. Art. 5 Rz. 21 Satz 4, Rz. 27 Satz 2 und 3 OECD-MK). Daher kann die Ausübung mehrerer – isoliert betrachteter – vorbereitender oder Hilfstätigkeiten in Summe dazu führen, dass der Hilfscharakter der Einrichtung verloren geht (sog. Geschäftsverdichtung). Voraussetzung für die Addition ist natürlich die Zurechnung der verschiedenen Tätigkeiten zu derselben Einrichtung.6 Insoweit ist auf die Zugehörigkeit der Tätigkeiten zum selben Unternehmen (vgl. Rz. 34) sowie ggf. auf den wirtschaftlichen und geographischen Zusammenhang (vgl. Rz. 41) zu achten. Hingegen ist die Frage nach der Geschäftsverdichtung hinfällig, wenn der Einrichtung Haupt- und Hilfstätigkeiten zuzurechnen sind, da in diesem Fall die Haupttätigkeit die Hilfstätigkeit infiziert.7 1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1. 2 Ebenso: BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.3. 3 Zur Anwendung einer quantitativen Betrachtungsweise vgl. Ditz in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 4.16. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 178 (Stand 2010); Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 94. 5 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. 6 Zu einigen Anwendungsbeispielen vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.17. 7 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 183.
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F. Abhängiger Vertreter (Absatz 5)
Rz. 124–126 Art. 5
F. Abhängiger Vertreter (Absatz 5) Ausgewählte Literatur: Baranowski, Repräsentationsbüro, IWB 1997 F3 Gr. 2, 719; Boergen, Vertreterbetriebsstätte und organschaftliches Handeln, IStR 2003 798; Heussner, Vertreterbetriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft – die Praxis wartet auf eine höchstrichterliche Entscheidung, IStR 2004 161; Piltz, Wann liegt eine DBA-Vertreter-Betriebsstätte vor?, IStR 2004 181; Puls, Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft als ständiger Vertreter“ im Inland?“, RIW 2004 172; Seltenreich, Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der Begründung Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA, IWB 2006 F3 Gr. 2, 1269; Wilke, Die Vertreterbetriebsstätte im internationalen Steuerrecht, PIStB 2001 22.
I. Regelungszweck Allgemeines. Als allgemein anerkannter Grundsatz gilt, dass ein Unternehmen so 124 behandelt werden soll, als habe es eine Betriebsstätte im Quellenstaat, wenn dort eine Person unter bestimmten Voraussetzungen für das Unternehmen tätig ist, ohne dass das Unternehmen dort eine feste Geschäftseinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 und 2 hat. Daher bestimmen Art. 5 Abs. 5 und Abs. 6 die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmen so behandelt wird, als habe es bzgl. der Tätigkeit der für das Unternehmen handelnden Personen eine Betriebsstätte (vgl. Art. 5 Rz. 31 OECD-MK). Hierdurch wird dem Aspekt Rechnung getragen, dass es für die notwendige Mindestaktivität (s. Rz. 6, 108) eines Unternehmens im Quellenstaat nicht auf die Form, sondern die Intensität des Tätigwerdens ankommen soll. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 1 findet sich in Art. 5 Abs. 5 kein Ersatz für den konkreten Ortsbezug.1 Im Übrigen sollen aber dieselben Tatbestandsvoraussetzungen für Geschäftseinrichtungs- und Vertreterbetriebsstätte gelten. Vom normativen Zweck her ersetzt Art. 5 Abs. 5 daher lediglich das sachliche Anknüpfungselement „Geschäftseinrichtung“ durch das persönliche in Form des „Vertreters“, das sachliche Zuordnungselement „tatsächliche Sachherrschaft“ durch die persönliche „Abhängigkeit“ sowie das zeitliche Zuordnungselement „dauerhaft“ durch die Formulierung „gewöhnlich“. Verhältnis zur festen Geschäftseinrichtung. Nach dem Normeninhalt können 125 Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte und Vertreterbetriebsstätte im selben Quellenstaat sogar am selben Ort nebeneinander bestehen.2 In der Praxis ist diese theoretische Differenzierung indes weitgehend unbeachtlich, da beide Normenkreise lediglich die Unterschwelle der Mindestaktivität definieren, ab deren Erreichung der Quellenstaat die dort erwirtschafteten Gewinne besteuern darf. Hingegen hängt die Höhe der zuordenbaren Gewinne im weiteren von den konkreten Tätigkeiten i.S.d. Art. 7 ab (zur Gewinnabgrenzung bei einer Vertreterbetriebsstätte vgl. Art. 7 (2008) Rz. 195 ff.). Unter diesem Aspekt ist der Standpunkt der Finanzverwaltung nachvollziehbar, die eine weitere (Vertreter-)betriebsstätte im Quellenstaat nur annimmt, wenn bei wirtschaftlich zusammenhängenden Tätigkeiten der geographische Zusammenhang (vgl. Rz. 43) fehlt.3 Verhältnis zur Dienstleistungsbetriebsstätte. Charakterisierend für eine Vertreter- 126 betriebsstätte ist, dass die persönliche Anwesenheit und Tätigkeit des Vertreters im Quellenstaat für einen anderen – den Prinzipal – eine Betriebsstätte begründet. Hierin liegt der Wesensunterschied zur Dienstleistungsbetriebsstätte (vgl. Rz. 9), die zwar an dieselben Präsenz- und Tätigkeitsvoraussetzungen im Quellenstaat anknüpft, jedoch in der persönlichen Anknüpfung auf den Unternehmer selbst und nicht den Vertreter mit Vollmacht abstellt. Je weiter nunmehr der Kreis der Personen gezogen wird, deren Handeln dem Unternehmer selbst zuzurechnen ist (z.B. Mitarbeiter, Subunternehmer), desto mehr verliert das eigenständige, engere Anknüpfungsmerkmal der Vertreters an Bedeutung. Denn wenn bereits Mitarbeiter durch ihre dauerhafte Präsenz und
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 205. 2 So zu Recht: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 192; a.A. Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.158. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.2.
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Art. 5 Rz. 126–129
Betriebstätte
Tätigkeit ohne feste Geschäftseinrichtung im Quellenstaat eine Betriebsstätte begründen (vgl. Rz. 9), bedarf es des darüber hinausgehenden Tatbestandsmerkmals der rechtlichen Bindung des Prinzipals durch das Handeln des Vertreters nicht mehr. 127
Verhältnis zu § 13 AO. § 13 AO schafft ebenso wie Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 den notwendigen Ortsbezug zum Quellenstaat. Dementsprechend begründet die Tätigkeit eines ständigen Vertreters in Deutschland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchs. a EStG die beschränkte Steuerpflicht eines Steuerausländers im Inland und im Ausland die Pflicht des deutschen Fiskus, die ausländische Steuer anzurechnen (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG). Im Unterschied zu § 12 AO ist der ständige Vertreter indes unbeachtlich für das Abzugsverbot ausländischer Verluste gem. § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG und für Zwecke der Gewerbesteuer (vgl. Rz. 26).1 Gem. § 13 Satz 1 AO ist eine natürliche oder juristische Person als ständiger Vertreter anzusehen, wenn sie nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dessen Sachanweisungen unterliegt. Eine ausdrückliche Vollmacht ist dazu nicht erforderlich, vielmehr reicht die tatsächliche Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen des vertretenen Unternehmens aus.2 Eine sachliche Weisungsgebundenheit liegt vor, wenn der Wille des Unternehmers die Tätigkeit des Vertreters maßgeblich bestimmt.3 Dazu muss kein Arbeitnehmerverhältnis bestehen;4 vielmehr kann auch ein anderes Auftragsverhältnis eine Weisungsgebundenheit begründen, wenn der Wille des Unternehmers das Handeln des Vertreters entscheidend bestimmt.5 Von den abkommensrechtlichen Vertretern unterscheidet sich § 13 AO dadurch, dass der ständige Vertreter nicht am Markt im Quellenstaat teilnehmen und den Prinzipal rechtlich binden muss6 (vgl. auch Rz. 136). Ebenso wenig muss seine Tätigkeit über eine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit des vertretenen Unternehmens hinausgehen (vgl. auch Rz. 108 ff.). Vielmehr kommen sämtliche Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, d.h. nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Handlungen tatsächlicher Art7 in Betracht. Auch reine Repräsentanten (vgl. Rz. 183) sind daher ständige Vertreter. Insgesamt ist der Vertreterbegriff des nationalen Rechts damit weiter als der des Abkommensrechts.
128
Repräsentant gem. § 17 InvStG. Wegen der Normenweite des § 13 AO (vgl. Rz. 127) wären Repräsentanten ausländischer Investmentgesellschaften im Sinne des § 136 Abs. 1 Nr. 2 und des § 138 InvG als ständige Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen und würden somit eine beschränkte Steuerpflicht des vertretenen Sondervermögens begründen. Hiervon macht § 17 InvStG als speziellere Regelung eine Ausnahme, soweit der Repräsentant die ausländische Investmentgesellschaft ausschließlich gerichtlich oder außergerichtlich vertritt und er hierbei weder über die Anlage des eingelegten Geldes bestimmt noch bei dem Vertrieb der ausländischen Investmentanteile tätig wird. Abkommensrechtlich handelt es sich bei diesen Tätigkeiten um reine Hilfstätigkeiten, die als solche keine Vertreterbetriebsstätte begründen können.
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Tatbestandsvoraussetzungen der Vertreterbetriebsstätte. Tatbestandlich verlangt Art. 5 Abs. 5 – eine Person (s.u. Rz. 130), – die nicht unabhängig i.S.v. Abs. 6 ist (s.u. Rz. 133) und – die für ein Unternehmen tätig ist (s.u. Rz. 135) und – in einem Vertragsstaat die Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen (s.u. Rz. 134), – die diese Vollmacht tatsächlich (s.u. Rz. 136)
1 Vgl. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 163 (171). 2 Vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494. 3 Vgl. BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.1.2. 5 Vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494. 6 Vgl. Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 5. 7 Vgl. BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776.
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F. Abhängiger Vertreter (Absatz 5)
Rz. 129–132 Art. 5
– gewöhnlich ausübt (s.u. Rz. 138) und – die Tätigkeiten sich nicht auf Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten i.S.v. Abs. 4 beschränken (s.u. Rz. 139).
II. Person des Vertreters Person. Vertreter können nur Personen i.S.d. Abkommens sein (vgl. Art. 3 Rz. 11 130 OECD-MK). Als solche kommen natürliche und juristische Personen, Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (vgl. K) Art. 3 Rz. 17 OECD-MK, sowie alle anderen Personenvereinigungen (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b), d.h. grds. auch Personengesellschaften in Betracht (vgl. Art. 3 Rz. 14 OECDMK). Sofern diese allerdings vom Anwenderstaat als transparente Gebilde behandelt werden (vgl. Rz. 64) und daher nicht ansässig sind, fehlt ihnen die notwendige zuordnungsbegründende Abkommensberechtigung. Unabhängig von Art. 5 Abs. 7 können sich auch verbundene Unternehmen vertreten. Entscheidend ist nur, dass die Person rechtlich selbständig, d.h. von der Person des Vertretenen verschieden ist. Im Unterschied zu Tochtergesellschaften (vgl. Art. 5 Rz. 41 OECD-MK) kommen daher Betriebsstätten als unselbständige Teile des Unternehmens (vgl. Rz. 2) nicht als Vertreter in Betracht. Dies gilt entsprechend für ständige Vertreter i.S.v. § 13 AO.1 Personenverschiedenheit von Vertreter und Vertretenem. Gem. Art. 5 Abs. 5 muss 131 die handelnde Person mit „Vollmacht“ ausgestattet sein. Diese setzt einerseits die Übertragung durch Rechtsgeschäft oder Gesetz und andererseits das Tätigwerden für einen anderen voraus, dem die Handlungen zugerechnet werden. Dementsprechend müssen Vertreter und Vertretener personenverschieden sein.2 Daher kann ein Einzelunternehmer im Quellenstaat auch bei dauerhaftem Tätigwerden kein Besteuerungsrecht desselben begründen, sofern er dort nicht durch eine feste Geschäftseinrichtung tätig wird.3 Wegen ihrer Transparenz (s. Rz. 64) gilt nichts anderes für den zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafter einer Personengesellschaft.4 Soweit für diese Ansicht auf die Formulierung in Art. 5 Abs. 5, nach der die „Person … für das Unternehmen tätig“ sein muss, verwiesen wird,5 sollte jedenfalls seit erstmaliger Definition des Begriffs „Unternehmen“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA 20006 bedacht werden, dass der Vertreter nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 5 nicht für eine andere Person (in Form des Unternehmers) sondern nur für die (unternehmensprägende) Geschäftstätigkeit als solche tätig sein muss. Hierzu ist aber auch ein Einzelunternehmer fähig. Im Ergebnis ist daher die Personenverschiedenheit von Prinzipal und Vertreter entscheidend. Organe juristischer Personen. Werden Personen in ihrer Funktion als Organ einer 132 juristischen Personen (z.B. als Vorstand oder Geschäftsführer) tätig, ist umstritten,7 ob deren Handeln eher als Handeln eines gesetzlichen Vertreters (zur Vollmacht des gesetzlichen Vertreters s. Rz. 133) oder der „personifizierten Körperschaft“ anzusehen ist.8 Je nachdem wird die Möglichkeit der Begründung einer Vertreterbetriebsstätte durch diesen Personenkreis angenommen9 oder abgelehnt.10 Für die Annahme 1 Vgl. Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 4. 2 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 197; Vetter in Gassner/Lang/Lechner, 95 (100); Piltz, IStR 2004, 181 (183). 3 Vgl. Buciek in FS Wassermeyer, 289 (290). 4 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; Piltz, IStR 2004, 181 (183). 5 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (183); BFH v. 18.12.1990 – X 82/89, BStBl. II 1990, 395. 6 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 79. 7 Offen lassend: BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220. 8 Vgl. FG Düsseldorf v. 16.1.2002 – 15 K 8624/99 K, DStRE 2003, 1059. 9 Vgl. FG München v. 28.5.1998 – 7 V 1/98, EFG 1998, 1491; FG Münster v. 24.5.2004 – 9 K 5177/98 K, EFG 2004, 1498; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 194; IStR 1999, 405; Wick, Arbeitnehmerentsendungen zwischen Deutschland und den Niederlanden, 2009, S. 100 ff.; Buciek in FS Wassermeyer, S. 289 ff.; Heinsen in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 169; Heussner, IStR 2004, 161; Puls, RIW 2004, 172. 10 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 16.3.2005 – 1 K 2073/02, juris; FG Düsseldorf v. 16.1.2003 – 15 K 8624/99 K, EFG 2003, 1125; FG Rh.-Pf. v. 17.9.1997 – 4 K 2438/95, EFG 1998, 576; FG Nds. v. 4.7.1991 – VI
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Art. 5 Rz. 132–133
Betriebstätte
einer Vertreterstellung des Organs spricht, dass es systemwidrig wäre, die identischen Tätigkeiten von Angestellten und Organen unterschiedlich zu werten.1 Und wenn schon die ständige Präsenz und das Tätigwerden im Quellenstaat durch einen Angestellten eine dortige Vertreterbetriebsstätte für seinen Unternehmer begründet, dann muss dies erst recht für das Handeln des Organs gelten.2 133
Abhängigkeit. Im Umkehrschluss fallen unter Art. 5 Abs. 5 sämtliche Vertreter, die nicht als unabhängige i.S.d. Art. 5 Abs. 6 anzusehen sind. Dort sind genannt die Makler, Kommissionäre und anderen unabhängigen Vertreter, sofern sie nicht außerhalb ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. Aus dieser Einschränkung folgt, dass auch Makler (vgl. Rz. 145) und Kommissionäre (vgl. Rz. 145) Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 sein können.3 Im Übrigen kommen als Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 nur abhängige Personen in Betracht. Ob jemand als abhängig anzusehen ist, folgt im Zweifel aus einer wertenden Gesamtbeurteilung.4 Allein eine sachliche Weisungsgebundenheit des Vertreters reicht hierfür nicht aus, da eine solche Weisungsgebundenheit für jede Vertretertätigkeit typisch ist.5 Vielmehr bedarf es einer persönlichen Abhängigkeit. Diese kann sich aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Umständen ergeben.6 Auf die gesellschaftsrechtliche Verbundenheit kommt es dafür nicht an (Art. 5 Abs. 7). Rechtlich entscheidend ist vielmehr der Gestaltungsspielraum des Vertreters, der nach Berücksichtigung der Pflichten aus dem Vertrag mit dem Prinzipal (nach innen) verbleibt.7 M.a.W. bedeutet dies: Umso mehr das rechtliche „Dürfen“ des Vertreters nach außen sein „Müssen“ nach innen übersteigt, umso unabhängiger ist er in rechtlicher Hinsicht. In qualitativer Hinsicht sind dabei die Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf Hauptleistungspflichten gewichtiger als die dazugehörigen vertraglichen Nebenpflichten zu werten. Die wirtschaftliche Abhängigkeit hängt wesentlich vom Risiko des Vertreters ab.8 Dabei ist zu unterscheiden zwischen den potentiellen wirtschaftlichen/finanziellen Folgen für den Vertreter innerhalb der bestehenden Vertragsbeziehung und aus dem Verlust derselben. Für die laufende Vertragsbeziehung gilt der Vertreter umso abhängiger, je weniger seine Vergütung vom Markterfolg seines Handelns abhängt. Erhält der Vertreter ein Festentgelt9 oder eine nach Kostenaufschlagsmethode ermittelte Vergütung, spricht daher vieles für eine wirtschaftliche Abhängigkeit.10 Für die Vertragsbeziehung dem Grunde nach wird der Vertreter hingegen umso abhängiger gesehen, je mehr seine wirtschaftliche Existenz vom Fortbestand der Vertragsbeziehung mit dem Prinzipal abhängt. Daher wird ein Vertreter als umso unabhängiger angesehen, je mehr verschiedene Geschäftsherren er vertritt (vgl. Art. 5 Rz. 38.6 OECD-MK). Umgekehrt besteht ein Indiz für seine wirtschaftliche Abhängig-
1 2
3 4 5 6 7 8 9 10
480/89, RIW 1991, 1055 (1057); Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 114, 115; Günkel in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 218; Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 142; Vetter in Gassner/Lang/ Lechner (Hrsg.), Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, S. 95 (101); Eckl, IStR 2009, 510 (513); Seltenreich, IWB 2006, F 3 Gr. 2, 1269 (1272, 1276 ff.); Piltz, IStR 2004, 181 (184); Boergen, IStR 2003, 798; Wilke, PIStB 2001, 22 (23); Baranowski, IWB 1997, F. 3 Gr. 2, 719. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 194. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201b; Heinsen in Löwenstein/Looks/ Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 169; ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 89. Allg. Meinung: z.B. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung, Köln 2010, 163 (173). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 109. Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. Vgl. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung, 163 (172). Vgl. Heinsen in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 166. Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. Vgl. Heinsen in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung3, Rz. 166. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.2.; Prinz, FR 1996, 483 f.; Endres, IStR 1996, 5; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.28.
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F. Abhängiger Vertreter (Absatz 5)
Rz. 133–134 Art. 5
keit, je weniger Geschäftsherren, insbesondere wenn er nur einen vertritt.1 Dieses kann jedoch entkräftet werden, wenn der Vertreter neben seiner Vertretungstätigkeit einen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, der seine wirtschaftliche Existenz vom Fortbestand der Vertreterbeziehung unabhängig macht.2 Im Unterschied hierzu muss der Vertreter i.S.v. § 13 AO nur sachlich weisungsgebunden sein.3
III. Vertretungsmacht/Abschlussvollmacht Innenverhältnis. Die Person muss in einem Vertragsstaat die „Vollmacht besitzen, 134 im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen“. Nachdem weder das OECDMA selbst noch das deutsche Steuerrecht diesen Begriff definieren, kann zur Auslegung auch auf das nationale Zivilrecht zurückgegriffen werden (Art. 3 Abs. 2). Keine Rolle spielt es, nach dem Zivilrecht welchen Staates die Vollmacht erteilt worden ist. Auf den Tätigkeitsort des Vertreters kommt es insoweit nicht an.4 Entscheidend ist vielmehr das Kollisionsrecht des internationalen Privatrechts, das für schuldrechtliche Verträge mit Wirkung ab 17.11.2009 durch die Art. 3 und 4 Rom-I-VO5 geregelt wird. Kommt hiernach deutsches Zivilrecht zur Anwendung, ist zwar unter dem Begriff „Vollmacht“ gem. § 166 Abs. 2 BGB nur die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht zu verstehen. Als solche sind die Innenvollmacht, Außenvollmacht, ausdrückliche Vollmacht, konkludente Vollmacht, Duldungs- und Anscheinsvollmacht anzusehen.6 Jedoch ist diese Betrachtung zu eng. So besteht weitgehend Einigkeit, dass auch die durch Gesetz eingeräumte Vertretungsmacht, insbesondere die der Organe juristischer Personen (s. Rz. 132), geeignet ist, eine Vollmacht i.S.d. Art. 5 Abs. 5 darzustellen.7 Teilweise wird darüber hinaus auch eine Vollmacht im wirtschaftlichen Sinne als ausreichend angesehen.8 Bei dieser wird das Handeln des Vertreters dem Prinzipal zugerechnet, weil dieser die Folgen des Vertreterhandelns tatsächlich für und gegen sich gelten lässt.9 Letztgenannter Ansicht ist zuzustimmen. Denn nur so wird der zivilrechtlichen Rückwirkung (§ 184 Abs. 1 BGB) einer nachträglichen Genehmigung (§ 177 Abs. 1 BGB) Rechnung getragen. Und es ist kein Grund ersichtlich, warum die fahrlässige Unwissenheit des Prinzipals bei der Anscheinsvollmacht für eine Vertreterbetriebsstätte ausreichen soll,10 nicht aber dessen bewusste und gewollte, rückwirkende Genehmigung des Vertreterhandelns. In diesem Sinne äußert sich auch die OECD, die als prägendes Merkmal für eine Abschlussvollmacht die wirtschaftliche Bindung des Prinzipals ansieht (vgl. Art. 5 Rz. 32.1 OECD-MK).11 Unbeachtlich ist hiernach, ob die Zurechnung des Vertreterhandelns durch nachträgliche Genehmigung oder durch abweichende steuerliche Beurteilung (z.B. gem. § 39 AO oder § 42 AO) erfolgt. Auf die formale Erteilung eines Auftrags oder einer Vollmacht kommt es daher nicht an.12 Entscheidend ist damit nur, ob der Prinzipal das Ergebnis des Vertreterhandelns wirtschaftlich gegen sich gelten lässt.13 Da die Vertreter-
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 203; Öst. BMF EAS 2988 v. 23.7.2008, SWI 2008, 386. 2 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 3 Vgl. Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 5. 4 Ebenso: Piltz, IStR 2004, 181 (183). 5 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 v. 17.6.2008, Abl. EU 2008, L 177/6. 6 Vgl. Heinrichs in Palandt71, § 167 Rz. 1. 7 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (184); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 93. 8 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 118; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.2.; ebenso BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494 zu § 13 AO. 9 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. 10 Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (182). 11 Ablehnend: Andresen in W/A/D, Betriebsstättenhandbuch, Rz. 10.214. 12 So aber: Wassermeyer in FS Schaumburg, 971 (978); Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. 13 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.2.
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Art. 5 Rz. 134–137
Betriebstätte
stellung i.S.v. § 13 AO nur weisungsabhängige tatsächliche Handlungen verlangt, kommt es auf eine Vollmachterteilung nicht an.1
IV. Handlungen des Vertreters 135
Tätigkeit für ein Unternehmen. Der Vertreter muss für ein Unternehmen tätig sein. Ebenso wie bei der festen Geschäftseinrichtung muss ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vertreterhandeln und dem Unternehmen des Prinzipals bestehen, m.a.W. es muss sich um „die“ Geschäfte des vertretenen Unternehmens handeln, welche der Vertreter besorgt. Es müssen also Geschäfte sein, die in den Betrieb dieses Unternehmens fallen.2 Ebenso wie bei § 13 AO3 sind dies alle Geschäfte, die unmittelbar dazu dienen, den Unternehmenszweck zu verwirklichen. In Betracht kommt zwar grundsätzlich jede Tätigkeit wirtschaftlicher Art, d.h. nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch Handlungen tatsächlicher Art.4 Wegen des zusätzlichen Tätigkeitserfordernisses in Art. 5 Abs. 5, Verträge im Quellenstaat abzuschließen (s. Rz. 136), reichen jedoch allein Handlungen tatsächlicher Art nicht.5 Diese können lediglich rechtsgeschäftliche Handlungen ergänzen.
136
Tatsächliche Ausübung der Vollmacht (Außenverhältnis). Der Vertreter muss von seiner Vollmacht, Verträge mit Wirkung für den Prinzipal abzuschließen (s. Rz. 133), tatsächlich Gebrauch machen. Dies setzt voraus, dass der Vertreter auf dem Markt im Quellenstaat rechtsgeschäftlich tätig wird (vgl. Art. 5 Rz. 32 OECD-MK).6 Nicht erforderlich ist, dass der Vertreter den Vertrag formal schließt. Vielmehr genügt es, wenn das vertretene Unternehmen durch seine Erklärung gebunden wird, selbst wenn die Verträge nicht im Namen des Unternehmens abgeschlossen werden (vgl. Art. 5 Rz. 33 OECD-MK).7 Damit wird die wirtschaftliche Betrachtung der Vollmacht (s. Rz. 133) im Außenverhältnis umgesetzt. Im Unterschied zu § 13 AO reichen jedoch Geschäftsbesorgungen, wie etwa die Auslieferung von Waren oder schlichte Handlungen im Rahmen des internen Geschäftsbetriebs, wie z.B. die Erteilung von Weisungen an Mitarbeiter, nicht aus (s. Rz. 127). Rechtsgeschäftliche Handlungen, die sich nur auf Hilfs- oder Vorbereitungstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 beschränken, sind zwar grundsätzlich geeignet, jedoch reicht ihre Intensität für sich allein nicht aus (s. Rz. 6, 108 ff.).
137
Offenheit der Vertreterstellung. Seinem Wortlaut nach muss der Vertreter im Innenverhältnis bevollmächtigt sein, im Namen des Prinzipals zu handeln und diese Vollmacht auch tatsächlich im Außenverhältnis ausüben. Dementsprechend reicht nach der wohl vorherrschenden Meinung8 eine mittelbare Stellvertretung für Art. 5 Abs. 5 nicht aus.9 Unbestritten hat das Wortlautargument vordergründig eine gewisse Stärke. Es steht jedoch im klaren Widerspruch zur systematischen Auslegung der Abs. 5 und 6. Denn der Nennung des Kommissionärs in Art. 5 Abs. 6 als Ausnahmetatbestand i.S.d. Art. 5 Abs. 5 bedürfte es nicht, wenn dieser als Vertreter i.S.v. Art. 5 Abs. 5 von vornherein ausgeschlossen wäre, weil nur ein Fall mittelbarer Stellvertretung vorliegt. Vielmehr will das Abkommen den Kommissionär nur im Fall seiner Unabhängigkeit unter Art. 5 Abs. 6 subsumieren.10 Für dieses Verständnis spricht auch die Auslegung nach dem rein wirtschaftlich orientierten Verständnis der OECD-Mitgliedsstaaten (vgl. Art. 5 Rz. 32.1 OECD-MK). Und für die Wirksamkeit des Vertreter1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 9. Vgl. BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395. Vgl. Kruse in T/K, § 13 AO Rz. 4. So: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 91; BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776. Ebenso: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (184); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 201; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. A.A. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 117; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.2. Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (185).
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F. Abhängiger Vertreter (Absatz 5)
Rz. 137–138 Art. 5
handelns kommt es für Deutschland als Anwenderstaat nicht ausschließlich auf das eigene Zivilrecht an (s. Rz. 133). Nach anderen Rechtsordnungen kann aber der Vertreter den Prinzipal auch dann binden, wenn er im eigenen Namen handelt.1 Auch gestehen die Befürworter der Wortlautinterpretation eine Vertreterstellung i.S.d. Art. 5 Abs. 5 zu, wenn der Vertreter im Innenverhältnis neben dem Auftrag auch die Vollmacht hatte, im Namen des Prinzipals zu handeln, von diesem Recht im Außenverhältnis jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.2 Mangels Offenheit des Vertreterhandelns führt dieses Verhalten nach deutschem Zivilrecht zum Durchgangserwerb.3 Auf das Bestehen der Vollmacht kommt es nicht an. Hält sich der mittelbare Stellvertreter an seine Vereinbarung im Innenverhältnis und handelt ohne Vollmacht im eigenen Namen für fremde Rechnung, kommt es ebenso zum Durchgangserwerb. Darüber hinaus kommt es sogar zum Direkterwerb des Prinzipals, wenn der Vertreter im Innenverhältnis den Auftrag hat, im eigenen Namen zu handeln, jedoch nach außen ohne Vollmacht im Namen des Prinzipals handelt und dieser das Geschäfts rückwirkend genehmigt (s. Rz. 133). Wirtschaftlich ist das Ergebnis sämtlicher Fälle identisch, nämlich der Prinzipal lässt das Vertreterhandeln gegen sich gelten. Zur Vermeidung von Zufälligkeiten ist daher der Ansicht, dass auch Fälle der mittelbaren Stellvertretung von Art. 5 Abs. 5 erfasst werden, der Vorzug zu gewähren. Maßgeblich ist damit nur der wirtschaftliche Gehalt des Handelns der Beteiligten. In diesem Sinne kann auch der Kommissionär Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 sein, obwohl der Prinzipal durch das Handeln des Kommissionärs nur im Wege des Durchgangserwerbs verpflichtet oder berechtigt wird (§§ 383 ff. HGB).4 Dementsprechend erkennt z.B. die Schweiz bei sog. Prinzipal-Strukturen (s.u. Rz. 182) eine Vertreterbetriebsstätte der Muttergesellschaft bei ihrer Tochtergesellschaft, die als Kommissionärin der Mutter tätig ist, an.5
V. Dauerhaftigkeit der Ausübung Gewöhnliche Ausübung. Der Vertreter muss seine Tätigkeit im Quellenstaat ge- 138 wöhnlich ausüben, d.h. er muss wiederholt und nicht nur gelegentlich tätig werden.6 Notwendiges Ausmaß und Häufigkeit des Vertreterhandelns hängen aber von der Art der Geschäftstätigkeit ab (vgl. Art. 5 Rz. 33.1 OECD-MK). Im Zweifel ist die Dauerhaftigkeit nach denselben Kriterien zu beurteilen, wie sie bei festen Geschäftseinrichtungen anzuwenden sind.7 Für die Praxis kommt damit die sechs-monatige Faustregel zum Tragen.8 Diese ist unstreitig bei einer ständigen Anwesenheit ohne größere Unterbrechungen (i.Ü. vgl. Rz. 47) oder bei regelmäßig wiederkehrenden, kurzfristigen Anwesenheiten9 über diesen Zeitraum erfüllt. Nach der Rspr. genügt hierfür eine einmalige, vierwöchige Anwesenheit hierfür ebenso wenig wie durchschnittlich zehn Aufenthalte in unregelmäßigen Abständen über einen Zeitraum von vier Jahren.10 Durch seinen Verweis auf die Regelungen zur zeitlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung verdeutlicht Art. 5 Rz. 33.1 OECD-MK den Normzweck des Art. 5 Abs. 5, nach dem das persönliche Anknüpfungsmoment des Vertreters lediglich das sachliche der festen Geschäftseinrichtung ersetzen soll.11 Auf den Wohnsitz, die Ansässigkeit oder eine vergleichbare Anwesenheit des Vertreters im Quellenstaat12 kommt es damit nicht an
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Siehe hierzu Piltz, IStR 2004, 181 (185). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. Vgl. Heinrichs in Palandt71, § 164 BGB Rz. 1; G. Maier-Reimer in Erman13, § 164 BGB Rz. 4. Ebenso Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. Kreisschreiben Nr. 8 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (EStV) v. 18.12.2001; abgedruckt in F/W/K, DBA-Schweiz, Materialien, 6.37. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 120. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 120; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 195. Vgl. § 6 Abs. 1 DBA NL-KonsVerV. Vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220; krit. Kempermann, FR 2006, 191 (192). Vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220. So Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 194.
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Art. 5 Rz. 138–142
Betriebstätte
(vgl. Art. 5 Rz. 32 OECD-MK),1 obwohl diese das typische Zuordnungskriterium für Personen zu einem der beiden Vertragsstaaten ist (Art. 4).
VI. Negativkatalog 139
Keine reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit. Nachdem der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht erst ab einer bestimmten Mindestaktivität erhalten soll (vgl. Rz. 6), darf sich die Tätigkeit des Vertreters im Quellenstaat nicht ausschließlich auf Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 beschränken. Ob eine solche Tätigkeit gegeben ist, bestimmt sich aus dem Blickwinkel der Gesamttätigkeit des Unternehmens.2 Da Art. 5 Abs. 5 zur Betriebsstättenbegründung über die Tätigkeitsvoraussetzungen im Zusammenhang mit einer festen Geschäftseinrichtung (vgl. Rz. 58) zumindest auch ein rechtsgeschäftliches Handeln des Vertreters verlangt (vgl. Rz. 135), scheiden ausschließlich tatsächliche Handlungen i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a – c von vornherein aus. Eigenständige Bedeutung erlangt der Verweis nur im Fall des Art. 5 Abs. 4 Buchst. d, soweit der Vertreter ausschließlich rechtsgeschäftlich Güter, Waren oder Informationen beschafft oder sowie in den Fällen, in denen der Vertreter Verträge schließt, deren Wirkung sich ausschließlich auf Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. e beschränkt. Im Ergebnis begründen damit Mitarbeiter, insbesondere Organe, keine Vertreterbetriebsstätte, wenn sich ihr Handlungsspektrum im Quellenstaat auf den internen Geschäftsbetrieb beschränkt und zwar selbst dann, wenn sie innerhalb dieses Rahmens Verträge, z.B. zur Einstellung von Mitarbeitern, abschließen (vgl. Art. 5 Rz. 33 OECD-MK).3
VII. Reichweite der Vertreterbetriebsstätte 140
Betriebsstättenumfang. Sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 erfüllt, besteht die Betriebsstätte in dem vollen Umfang, in dem der Vertreter für den Prinzipal tätig wird, d.h. nicht nur insoweit, als die Person die Abschlussvollmacht ausübt (vgl. Art. 5 Rz. 34 OECD-MK). Als solche umfasst sie auch die Aufwendungen und Erträge, die sich aus den tatsächlich an den anderen Unternehmensteil erbrachten Leistungsbeziehungen ergeben.
141
Kein Ortsbezug. Art. 5 Abs. 5 fordert keinen konkreten Ortsbezug des Vertreterhandelns im Quellenstaat. Dies folgt aus der tatbestandlichen Lücke, die sich aus dem Vergleich des Art. 5 Abs. 1 mit Abs. 5 ergibt. Denn während die „Festigkeit“ des Art. 5 Abs. 1 neben der „tatsächlichen Sachherrschaft“ und „Dauerhaftigkeit“ eine „gewisse örtliche Verwurzelung“ (vgl. Rz. 43 ff.) verlangt, fordert Art. 5 Abs. 5 nur die Surrogate (vgl. Rz. 124) „Abhängigkeit“ und „Gewöhnlichkeit“. Anders als bei der festen Geschäftseinrichtung werden daher alle von einem Vertreter für das vertretene Unternehmen im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeiten zu einer Betriebsstätte zusammengefasst. Der Vertreter muss weder im Quellenstaat ansässig sein noch dort über eine feste Geschäftseinrichtung verfügen.4
G. Unabhängiger Vertreter (Absatz 6) I. Regelungszweck 142
Regelungszweck. Grundgedanke des Art. 5 Abs. 6 ist, dass ein selbständiger Unternehmer keine (unselbständige) Vertreterbetriebsstätte eines anderen Unternehmens darstellen kann, soweit er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt.5 Denn soweit der Vertreter hierfür ein fremdübliches Entgelt bezieht, unterliegt die territoriale Wertschöpfung bei ihm dem Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Art. 5 Abs. 6 hat insoweit nur deklaratorische Bedeutung (vgl. Art. 5 Rz. 36 OECDMK). Dessen ungeachtet konkretisiert er die Tatbestandsmerkmale „Unabhängig1 2 3 4 5
Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (182). Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 123. Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 Rz. 202; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 117. Vgl. § 6 Abs. 1 KonsVerNLDV; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 205. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 105.
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G. Unabhängiger Vertreter (Absatz 6)
Rz. 142–145 Art. 5
keit“ der Vertretertätigkeit und „Handeln im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit“ als negative Abgrenzungsmerkmale zur Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5.1
II. Unabhängiger Vertreter Vertreter. Ebenso wie die Person i.S.d. Art. 5 Abs. 5 muss die Person i.S.d. Art. 5 Abs. 6 Vertreter sein, d.h. von der Person des Vertretenen verschieden sein (vgl. Rz. 131), Abschlussvollmacht besitzen (vgl. Rz. 134) und die Vollmacht tatsächlich nach außen (vgl. Rz. 136) gewöhnlich (vgl. Rz. 138) ausüben.
143
Unabhängigkeit. Art. 5 Abs. 6 nennt als Oberbegriff den unabhängigen Vertreter. 144 Ob eine Person von dem durch sie vertretenen Unternehmen unabhängig ist, bestimmt sich nach den Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen (vgl. Art. 5 Rz. 38 OECD-MK).2 Da sich abhängige und unabhängige Vertreter ausschließen, ist es methodisch grds. unerheblich, ob man die Abhängigkeit positiv begründet oder die Unabhängigkeit negativ abgrenzt. Insoweit gelten die Ausführungen zur Abhängigkeit des Vertreters i.S.v. Art. 5 Abs. 5 (s. Rz. 133) spiegelbildlich.3 Typischerweise gehören zu den unabhängigen Vertretern in Deutschland die Handelsvertreter i.S.v. §§ 84 ff. HGB4 inkl. der Sonderform der Versicherungs- und Bausparkassenvertreter gem. §§ 92 ff. HGB. Makler und Kommissionäre. Art. 5 Abs. 6 nennt ausdrücklich die Makler und 145 Kommissionäre als typische Beispielsfälle unabhängiger Vertreter. Nach deutschem Verständnis sind Makler Personen, die gewerbsmäßig Verträge vermitteln (§§ 93 ff. HGB). Kommissionäre sind Personen, die gewerbsmäßig Wirtschaftsgüter im eigenen Namen für fremde Rechnung kaufen bzw. verkaufen (§§ 383 ff. HGB). Die Nennung der Makler in Art. 5 Abs. 6 hätte es aus deutscher Sicht nicht bedurft, da diese Person nach dem deutschen Verständnis gar kein (mittelbarer) Vertreter ist, da sie nur eine Vermittlungsleistung im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringt. Im Englischen entspricht der des „Maklers“ verwendete Begriff des „agent“ jedoch dem des Vertreters. Insofern hat diese Formulierung nur für den englischsprachigen Raum Bedeutung.5 Diese nur eingeschränkte Vergleichbarkeit wie auch die Bezugnahme durch die Formulierung „… und andere unabhängige Vertreter …“ bringen zum Ausdruck, dass Art. 5 Abs. 6 nur einen deklaratorischen, beispielhaften Katalog enthält. Deshalb ist für jeden Vertreter unabhängig von seiner Bezeichnung zu prüfen, ob seine Rechtsbeziehung zum Prinzipal den gesetzlichen Vorstellungen an eine (mittelbare) Vertreterstellung (zur Offenheit der Vertreterstellung s. Rz. 137) entspricht6 und ob er unabhängig ist. Denn auch die Position eines Kommissionärs kann so beschränkt sein, dass er seine typische Unabhängigkeit verliert.7 Verfahrenstechnisch wirken diese Regelfallbeispiele damit wie eine Beweislastumkehr, nach der der Beweis des ersten Anscheins für eine unabhängige Vertreterposition spricht. Ist die unabhängige Vertreterposition unstreitig, kann es gleichwohl zu einer Vertreterbetriebsstätte kommen, sofern die Person außerhalb ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt.8 Ob vor diesem Hintergrund ein Kommissionär eine Vertreterbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 5 und 6 begründen kann, ist umstritten.9 Die h.M. geht indessen – mangels Vollmacht – davon aus, dass die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 und 6 bei einem Kommissionär i.S.d. § 383 HGB nicht erfüllt sind, so dass er nicht als abhängiger Vertreter eingestuft
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 105. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 145. Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 106. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 146. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 144. Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (186). Vgl. Piltz, IStR 2004, 181 (185). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 96. Vgl. dazu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.28; Piltz, IStR 2004, 184; Endres, IStR 1996, 3; Kroppen/Hüffmeyer, IWB 1995, 641.
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Art. 5 Rz. 145–147
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werden kann.1 Dies wird im Übrigen auch durch die Entscheidung des französischen Conseil d’Etat bestätigt.2 Umgekehrt sieht die Schweiz den konzernabhängigen Kommissionär als Vertreterbetriebsstätte der Obergesellschaft an (s.u. Prinzipalstruktur Rz. 182).3
III. Handeln innerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit 146
Ordentliche Geschäftstätigkeit. Nach Art. 5 Abs. 6 begründet ein unabhängiger Vertreter für seinen Prinzipal keine Vertreterbetriebsstätte, solange er im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit handelt. Ob er in diesem Rahmen tätig ist, ist anhand eines Soll-Ist-Vergleichs zu ermitteln. Dieser lässt sich anhand eines konkretindividuellen oder abstrakt-generellen Maßstabs vornehmen. Kommt es nur auf die konkrete, gegenwärtige Geschäftstätigkeit des Vertreters im Übrigen, d.h. dessen individuelle Gesamttätigkeit an,4 erfolgen Nebentätigkeiten grundsätzlich außerhalb der ordentlichen Geschäftstätigkeit, da sie nicht den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit bilden. Umgekehrt ist nach dieser Ansicht jede Tätigkeit allein deshalb eine ordentliche, weil sie überwiegend oder ausschließlich ausgeübt wird. Im Ergebnis bestimmt sich die „Ordentlichkeit“ des Handelns damit allein anhand quantitativer Kriterien. Auf die Qualität des Vertreterhandelns kommt es indes nicht an. Gegen diese Auslegung spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 6, der durch Nennung des unabhängigen Vertreters und der beiden Regelfallbeispiele einen abstrakt-generellen Maßstab aufstellt. Dahingehend äußert sich auch Art. 5 Rz. 38.7, 38.8 OECD-MK. Ferner spricht für diese Sicht die nationale Rechtspraxis,5 die die Ordnungsmäßigkeit des Handelns bestimmter Personen am objektiven Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers misst (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG, § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG). Vor diesem Hintergrund ist zuletzt genannter Meinung der Vorzug zu geben und die Ordentlichkeit anhand der verkehrsüblichen Vertretertätigkeit im branchenüblichen Geschäftsbereich der jeweiligen Berufsgruppe zu prüfen.6 Entscheidend ist damit das typisierte Leistungsspektrum der jeweiligen Vergleichsgruppe und dessen konkrete Umsetzung durch den untersuchten Vertreter. Nimmt daher ein Unternehmen eine unabhängige Vertretertätigkeit neben seiner bisherigen andersartigen Tätigkeit neu auf, kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit in der bisherigen, sondern ob sie in der neuen Branche üblich ist.7
147
Fremdunübliches Verhalten. Der nationalen Rechtspraxis folgend8 umfasst der abstrakt-generelle Vergleichsmaßstab nicht nur die Art und Menge der Tätigkeit, sondern auch deren inhaltliche Ausgestaltung. Und ein unabhängiger Vertreter würde sich vom Prinzipal die von ihm ausgeübten Funktionen und die damit zusammenhängenden, von ihm getragenen Risiken fremdüblich vergüten lassen. In diesem Fall entspricht der Vorteil, den der Vertretene durch die Tätigkeit des Vertreters erfährt, seinem Aufwand, den er in Form der fremdüblichen Vergütung an den Vertreter leistet (Nullsummen-Theorie, vgl. dazu Art. 7 (2008) Rz. 195).9 Dieser Mechanismus ist gestört, wenn sich Prinzipal und Vertreter nahe stehen und ihre internen Vertragsbeziehungen zu fremdunüblichen Konditionen abwickeln. Diese Störung bewirkt, dass dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht für eine sachlich unzutreffende Be-
1 Vgl. Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 163 (173); Wassermeyer in FS Schaumburg, 978; Faix/Wangler, IStR 2001, 69. 2 Vgl. dazu Ditz, IStR 2010, 553 (555); Rasch, IStR 2011, 6 ff. 3 Kreisschreiben Nr. 8 der eidgenössischen Steuerverwaltung v. 18.12.2001; abgedruckt in F/W/K, DBA-Schweiz, Materialien, 6.37. 4 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 110. 5 Vgl. H 36 KStH 2008. 6 Vgl. BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 150; Scherer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 83; Haase in Haase, Art. 5 OECD-MA Rz. 174; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, 2009, S. 78; BFH v. 23.9.1983 – III R 76/81, BStBl. II 1984, 94. 7 Ebenso: BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 8 Vgl. H 36 KStH 2008. 9 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 217.
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H. Beherrschte Gesellschaften (Absatz 7)
Rz. 147–150 Art. 5
messungsgrundlage i.S.v. Art. 7 Abs. 2 bzw. Art. 9 Abs. 1 zugesprochen wird. Bleibt also die Vergütung des Vertreters hinter den vom ihm getragenen Risiken und den von ihm ausgeübten Funktionen zurück, entsteht im Quellenstaat ein Gewinn/Verlust des Vertretenen, der grundsätzlich im Quellenstaat besteuert werden soll (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 195 ff.). Wenn aber Ziel des Art. 5 Abs. 6 ist, die Existenz einer Betriebsstätte bereits dem Grunde nach zu verneinen, wenn bei deren gedachtem Vorhandensein kein anderes Ergebnis heraus käme,1 dann knüpft die Nullsummentheorie auch an das fremdübliche Verhalten des Vertreters an. Im Ergebnis muss daher die Ordentlichkeit der Geschäftstätigkeit die Fremdüblichkeit des Verhaltens umfassen. Dementsprechend spricht vieles für eine (Vertreter-)betriebsstätte des Prinzipals, wenn die Vergütung des Vertreters fremdunüblich ist. Bestehen dahingehende Anhaltspunkte, kann das Finanzamt eine hierauf gerichtete Prüfungsanordnung2 gegen den Prinzipal erlassen. Sodann unterliegt dieser unmittelbar den allgemeinen und speziellen verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 90 AO, § 200 AO). In der Praxis hat diese Überlegung besondere Bedeutung für Kommissionärstrukturen (s.u. Prinzipalstruktur Rz. 182). Reichweite der „außerordentlichen“ Vertreterbetriebsstätte. Wird der unabhängi- 148 ge Vertreter außerhalb seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit tätig, begründet er für seinen Prinzipal nur insoweit eine Betriebsstätte, als er dort tätig wird und insoweit die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 erfüllt.3
H. Beherrschte Gesellschaften (Absatz 7) I. Regelungszweck Anti-Organ-Klausel. Art. 5 Abs. 7 regelt, dass allein dadurch, dass eine in einem 149 Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebsstätte oder auf andere Weise) ihre Geschäftstätigkeit ausübt, keine der beiden Gesellschaften zur Betriebsstätte der anderen wird. Die Regelung wird auch als „Anti-Organ-Klausel“ bezeichnet,4 da sie sich u.a. gegen Rechtsauffassungen richtet, wie etwa die vom RFH entwickelte Filialtheorie.5 Nach dieser wurde – verkürzt gesprochen – die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers angesehen.6 Im nationalen Recht7 findet sich eine dahingehende Fiktion nur für Zwecke der Gewerbesteuer in § 2 Abs. 2 Satz 7. 2 GewStG. Wegen Art. 5 Abs. 7 greift diese Fiktion jedoch abkommensrechtlich nicht durch.8 Das bedeutet aber nicht, dass verbundene Unternehmen wechselseitig keine (Vertreter-)betriebsstätte eines nahestehenden Unternehmens begründen können. Jedoch bedarf es hierzu zusätzlicher Voraussetzungen (vgl. Art. 5 Rz. 41 OECD-MK). Deklaratorische Wirkung. Zweck von Art. 5 Abs. 7 ist es, die Existenz einer (Ver- 150 treter-)Betriebsstätte nicht allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit abzuleiten.9 Hierzu stellt der Absatz klar, dass die rein gesellschaftsrechtliche Beherrschung dem Gesellschafter weder eine Sachherrschaft i.S.v. Art. 5 Abs. 1 über die Geschäftseinrichtung der beherrschten Gesellschaft noch eine Abhängigkeit i.S.v. Art. 5 Abs. 5 vermittelt. Dies gilt nicht nur für die gesellschaftsrechtlich bestehende 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 217. Vgl. BFH v. 15.7.2005 – I B 25/05, BFH/NV 2005, 1967; Schallmoser in H/H/Sp, § 193 AO Rz. 11. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 153. Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.256; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 241; Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 165. Vgl. RFH v. 21.1.1930 – I A 682/28, RStBl 1930, 148 (150); v. 16.9.1930 – I A 129/30, RStBl 1930, 757 (758). Ausführlich: von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, Berlin 1978, S. 171 f. Vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 154/81, BStBl. II 1985, 160. Vgl. BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, DStR 2011, 762, (766); Nichtanwendungserlass: BMF v. 27.12.2011 – IV C 2-S 2770/11/10002, 2011/0965132, BStBl. I 2012, 119. Vgl. Ditz, IStR 2010, 553 (553).
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407
Art. 5 Rz. 150–153
Betriebstätte
Möglichkeit, sondern auch für deren tatsächliche Ausübung. Dementsprechend lässt sich auch aus der reinen Inanspruchnahme von Gesellschaftsrechten weder Sachherrschaft noch Abhängigkeit ableiten. Daher folgt aus Art. 5 Abs. 7, dass die gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit keine i.S.d. Art. 5 Abs. 5 sein kann, denn anderenfalls wäre jedes beherrschte Unternehmen zwangsläufig ein abhängiges. Umgekehrt stellt Art. 5 Abs. 7 klar, dass aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine sachliche oder persönliche Einflussnahmemöglichkeit der Gesellschaft auf ihren Gesellschafter abgeleitet werden kann. Strenggenommen ergeben sich diese Erkenntnisse bereits aus dem Grundverständnis, nach dem sich eine Betriebsstätte von einer anderen Person durch ihre rechtliche Unselbständigkeit abgrenzt (s. Rz. 2). Insofern entfaltet Art. 5 Abs. 7 nur deklaratorische Wirkung1 dergestalt, dass allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine betriebsstättenspezifischen Rückschlüsse gezogen werden dürfen. 151
Persönlicher Anwendungsbereich. Seinem Wortlaut nach gilt Art. 5 Abs. 7 nur für Gesellschaften. Betroffen sind insoweit nur juristische Personen oder Rechtsträger, die im Anwenderstaat für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b). Damit richtet sich der Wortlaut der Regelung vorrangig an Mutter-/Tochterbeziehungen im kapitalistisch organisierten Konzern.2 Auf Personengesellschaften ist Art. 5 Abs. 7 aus deutscher Sicht nicht anwendbar, da diese als transparent – und damit nicht als Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b – behandelt werden (s. Rz. 64). Entsprechend ist die Norm auch auf natürliche Personen als Gesellschafter nicht anwendbar.3 Wegen seiner deklaratorischen Wirkung gilt aber nichts anderes, wenn Gesellschafter eine natürliche Person ist.4 In diesem Fall ergibt sich diese Folge allerdings nur aus der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaft.
152
Betriebsstätten in Konzernfällen. Durch den Wortlaut des Art. 5 Abs. 7 wird indessen auch deutlich, dass eine beherrschte Gesellschaft (z.B. eine Tochtergesellschaft) eine Betriebsstätte ihrer beherrschenden Gesellschaft (z.B. Muttergesellschaft) werden kann (und umgekehrt) (vgl. Art. 5 Rz. 41 OECD-MK).5 Die Betriebsstättenbegründung kann ihre Ursache aber nicht im Beherrschungsverhältnis haben, weil dadurch keine Verfügungsmacht der beherrschenden Gesellschaft über eine Geschäftseinrichtung der beherrschten Gesellschaft vermittelt wird. Vielmehr ist es auch im Verhältnis zwischen verbundenen Unternehmen (z.B. Mutter- und Tochtergesellschaft) notwendig, dass die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 1 bis 4 bzw. der Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 und 6 erfüllt sind.6
II. Beherrschung 153
Beherrschung. Der Begriff der Beherrschung ist im OECD-MA nicht geregelt und daher unter Heranziehung des nationalen Rechts auszulegen (Art. 3 Abs. 2). Hiernach ist Voraussetzung, dass das herrschende Unternehmen auf das abhängige Unternehmen unmittelbar oder mittelbar Einfluss ausüben kann (§ 17 Abs. 1 AktG) bzw. finanziell eingegliedert ist (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG, § 17 KStG). Hiervon ist typischerweise auszugehen, wenn ein Unternehmen die Mehrheit der Anteile des abhängigen Unternehmens hält (§ 17 Abs. 2 AktG). Entscheidendes Kriterium ist die Durchsetzbarkeit des Gesellschafterwillens. Die dazu notwendige Rechtsposition kann dem Herrschenden auch durch schuldrechtliche Verträge eingeräumt werden,7 z.B. durch Übertragung von Stimmrechten. Andere Einflussnahmemöglichkeiten, wie etwa die Einräu-
1 2 3 4 5 6 7
Statt aller: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 111. Vgl. Ditz, IStR 2010, 553 (553). Ebenso: Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 112. I.E. zustimmend: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 250. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Ditz, IStR 2010, 553 (553). Vgl. zu Beispielsfällen Ditz, IStR 2010, 553 (553 ff.). Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 111.
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I. Einzelfälle zu Betriebsstätten
Rz. 153–156 Art. 5
mung einer Geschäftsführungsposition mit entsprechenden Weisungsbefugnissen, sind indes nach Sinn und Zweck der Norm (s. Rz. 150) auszugrenzen.
I. Einzelfälle zu Betriebsstätten Agent. Der Begriff des Agenten ist weder im Abkommensrecht noch im innerstaat- 154 lichen Steuerrecht eigenständig definiert. Im englischsprachigen Raum wird unter dem „agent“ ein Vertreter verstanden, d.h. eine Person die im Außenverhältnis im fremden oder eigenen Namen mit Wirkung für den Prinzipal Verträge schließen kann. Nach dem deutschen Verständnis beschreibt der Begriff des Agenten lediglich das Innenverhältnis mit dem Geschäftsherrn, das in Form eines Dauerschuldverhältnisses über eine lose – ggf. wiederkehrende Beziehung – hinausgeht.1 Typischerweise wird der Ausdruck des „Agenten“ im Steuerrecht daher für Geschäftsbesorger verwendet, die Geschäfte, insbesondere Vorbereitungs- oder Hilfsleistungen, z.B. Vermittlungsoder Maklertätigkeiten im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringen. Versteht man den Begriff im beschriebenen Sinn, erfüllen „Agenten“ bei dauerhafter Tätigkeit im Auftrag eines anderen wegen ihrer Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis zwar die Voraussetzungen des § 13 AO. Für einen Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 bzw. 6 fehlt es dem Agenten typischerweise aber an der notwendigen (wirtschaftlichen) Bindung (vgl. Rz. 136) des Prinzipals. Arbeitsgemeinschaft (ArGe). Bei einer Arbeitsgemeinschaft (ArGe) handelt es 155 sich um einen Zusammenschluss von Unternehmern zur gemeinschaftlichen Auftragserfüllung,2 insbesondere im Baugewerbe, in der Rechtsform einer GbR.3 Die Beiträge der Gesellschafter bestehen in Geldmitteln, Stellung von Bürgschaften, Personal, Wirtschaftsgütern, Geräten und sonstigen Leistungen und sind grundsätzlich erst im Rahmen der Auseinandersetzung zu verrechnen.4 Das Gesamtergebnis wird üblicherweise unter den ArGe-Partnern anteilig aufgeteilt.5 Hierdurch unterscheidet sich die ArGe vom Konsortium (vgl. Rz. 173). Die Tätigkeiten der ArGe-Partner sind in sachlicher und zeitlicher Hinsicht als Einheit anzusehen, so dass die Frage, ob eine Betriebsstätte im Quellenstaat vorliegt oder nicht, nur einheitlich für die ArGe beurteilt werden kann.6 Sofern an der ArGe Gesellschafter unterschiedlicher Staaten beteiligt sind, ist jedoch die einheitliche Tätigkeit an den ggf. unterschiedlichen Maßstäben der einzelnen DBA gesondert zu messen (vgl. Rz. 64). Ist etwa ein Portugiese nur fünf Monate an einer Bau-ArGe im Inland beteiligt, deren Bauausführung insgesamt zehn Monate dauert, muss er die tätigkeitsbezogene zehn-monatige Dauer mit der Folge gegen sich gelten lassen, dass Deutschland als Quellenstaat seinen Gewinnanteil gem. Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 3 DBA-Portugal 1980 wegen der dort geregelten Sechs-Monatsfrist auch dann besteuern darf, wenn in Bezug auf die anderen Mitglieder der ArGe die Zwölf-Monatsfrist des OECD-MA gilt. Verfahrensrechtlich sind die Einkünfte grundsätzlich gesondert festzustellen; § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO kann aber gem. Art. 5 Abs. 4 bei schlichter Erfüllung von Einzelleistungen zurücktreten. Atypisch stille Gesellschaft. Bei der atypisch stillen Gesellschaft sind Kaufmann 156 und atypisch Stiller steuerlich als Mitunternehmer des kaufmännischen Betriebs anzusehen, da die durch den Gesellschaftsvertrag begründete Rechtsstellung des atypisch Stillen von §§ 230 ff. HGB derart abweicht, dass sie nicht mehr als Forderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG angesehen werden kann.7 Durch diesen Gesellschaftsvertrag räumt der Kaufmann der atypisch stillen Gesellschaft Sachherrschaft über sei-
1 2 3 4 5
Vgl. OLG Düsseldorf v. 30.8.2005 – I-20 U 182/00 zum Agenten i.S.v. § 11 MarkenG. Vgl. Albrod, StBp. 94, 6; Paus, FR 1998, 994. Vgl. BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577. Vgl. Sprau in Palandt71, § 705 BGB Rz. 37. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.4. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.4; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 Rz. 145. 7 Vgl. Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 341.
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Art. 5 Rz. 156–162
Betriebstätte
nen Betrieb ein, die dem atypisch Stillen anteilig zuzurechnen ist.1 Im Ergebnis begründet damit die Betriebsstätte des Unternehmers eine anteilige Betriebsstätte des atypisch Stillen (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 59).2 157
Betriebsaufspaltung. Nach Ansicht der Rechtsprechung3 stellt die reine Vermietung oder Verpachtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung keine unternehmerische Geschäftstätigkeit dar (vgl. Rz. 34).4 Dessen ungeachtet begründen die überlassenen Geschäftseinrichtungen keine Betriebsstätte des Besitzunternehmens, da die tatsächliche Sachherrschaft vom Betriebsunternehmen als Mieter oder Pächter ausgeübt wird (s. Rz. 53).
158
Bezirk. Der Bezirk eines Versicherungsvertreters5 oder Schornsteinfegermeisters6 ist zwar eine Geschäftseinrichtung, da er als solcher physisch greifbar ist. Gleichwohl begründen solche Territorien keine Betriebsstätte für den jeweiligen Berechtigten, da ihnen zwar in Bezug auf die zugeteilten Bezirke spezielle Nutzungs-, Betretungs- bzw. Abwehrrechte (z.B. ggü. einem Konkurrenten) eingeräumt wurden, jedoch mit diesen Rechtspositionen keine Sachherrschaft verbunden ist, vermöge derer der Berechtigte (jeden) Dritten von der Nutzung tatsächlich ausschließen kann (vgl. Rz. 55).
159
Bodenschatzsuche und -förderung. Werden Bodenschätze (insbes. Öl und Gas) mittels einer Bohrinsel oder einer anderen Geschäftseinrichtung, die dauerhaft mit dem Festlandsockel verbunden ist, auf See gesucht oder gefördert, begründet dies regelmäßig eine Betriebsstätte.7 Indes fehlt es meist am dauerhaften Ortsbezug, wenn die Tätigkeiten von einem Schiff ausgeübt werden, da dieses nur in Ausnahmefällen fest mit dem Boden (via Förderleitungen u.Ä.) verbunden ist. Die Tätigkeit mittels Betriebsstätte kann aber nur zu einem Besteuerungsrecht des Quellenstaates führen, wenn diese Tätigkeiten auf dem ihm zuzurechnenden Festlandsockel erfolgen. Nicht notwendig ist, dass die Tätigkeit innerhalb der 12-Meilenzone stattfindet (vgl. Rz. 5).
160
Bürohotel. Werden in sog. Bürohotels Räume ggf. mit Personal zur kurzfristigen Nutzung angemietet, fehlt es typischerweise an der notwendigen Dauerhaftigkeit (vgl. Rz. 45) der Sachherrschaft des Mieters. Dies gilt grundsätzlich auch für regelmäßig wiederkehrende kurzfristige Nutzungen. Anders ist dies jedoch zu beurteilen, wenn die Räume zwar nur kurzzeitig und wiederkehrend, jedoch auf Grund eines Rahmenvertrags in Anspruch genommen werden, der dem Mieter ein durchsetzbares Recht zur Nutzung eines Raumes in dem Bürohotel (vgl. Verwurzelung Rz. 43) einräumt.8
161
Cloud-Computing. Unter Cloud-Computing sind von einem Provider zur Verfügung gestellte virtuelle Hostsysteme in virtualisierten Rechenzentren zu verstehen.9 Typischerweise begründet die Nutzung derartiger Systeme keine Betriebsstätte des Nutzers, da dieser wegen der Virtualität des Gesamtvorgangs keinerlei tatsächliche Sachherrschaft über eine Geschäftseinrichtung erlangt (vgl. auch Rz. 169).
162
Filmkoproduktion. Vereinbaren die Beteiligten im Rahmen einer Koproduktion, dass der Film in den Geschäftseinrichtungen der Beteiligten hergestellt wird, besteht typischerweise Einvernehmen, dass der jeweils betroffene Gesellschafter seine Geschäftseinrichtungen der Gesamthand für die vereinbarten Zwecke zur Filmherstellung überlässt (vgl. Rz. 67). Damit erhalten die Gesamthand und über sie auch die 1 Vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35. 2 Vgl. BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I, 354 Rz. 4.1.1.1.2. 3 A.A. wohl BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.1. 4 Ebenso BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 1.2.1.1. 5 Vgl. BFH v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. III 1962, 227. 6 Vgl. BFH v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. 2001, 734. 7 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 -1 11/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.6.2. 8 Zu Kettenanflügen an Flughäfen vgl. FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – II 39/70 G, EFG 1978, 503. 9 Vgl. Tappe, IStR 2011, 870 (871).
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I. Einzelfälle zu Betriebsstätten
Rz. 162–168 Art. 5
anderen Gesellschafter (anteilige) Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung.1 Soweit die Tätigkeit der Gesamthand über eine reine Hilfstätigkeit hinausgeht und daher von Unternehmensgewinnen auszugehen ist,2 ist daher – bei Erfüllen der übrigen Voraussetzungen – von einer (anteiligen) Betriebsstätte der anderen Gesellschafter auszugehen. Im Ergebnis können sich somit Koproduzenten wechselseitig Betriebsstätten vermitteln.3 Flughafen. Für die dauerhafte und regelmäßige Reinigung von Flugzeugen begrün- 163 det der Flughafen, auf dem sich die Flugzeuge während der Reinigung befinden, keine Betriebsstätte, da das dem Reinigungspersonal vom Flughafenbetreiber – ggf. konkludent eingeräumte – Betretungsrecht keine ausreichende Sachherrschaft über den Flughafen vermittelt.4 Etwas anderes gilt indes für Fluggesellschaften, wenn sie einen Flughafen regelmäßig wiederkehrend (sog. Kettenanflüge) anfliegen.5 Der Unterschied zur Reinigungsfirma liegt in der (regelmäßig wiederkehrenden) tatsächlichen Sachherrschaft der Fluggesellschaft über das Terminal. Diese Einflussnahmemöglichkeit geht deutlich über ein reines Nutzungsrecht hinaus. Mit ihr ist auch die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit verbunden, Dritte während der Überlassung von der Nutzung auszuschließen. Flugzeuge. Vgl. Rz. 185.
164
Geschäftsstelle. Vgl. Rz. 81.
165
Gleisanlagen. Vgl. materielles Wirtschaftsgut.
166
Holdingbetriebsstätte (reine und geschäftsleitende). Werden Wirtschaftsgüter ei- 167 nes Unternehmens in einer festen Geschäftseinrichtung ausschließlich gehalten, begründet diese reine Holdingaktivität keine Betriebsstätte. Für bewegliche Wirtschaftsgüter regelt dies Art. 5 Abs. 4 Buchst. a, der die bloße Lagerung von Gütern in einer Einrichtung nicht zur Betriebsstättenbegründung als ausreichend ansieht. Daher begründet der angemietete Safe, in dem ausschließlich betriebliches Gold als Wertanlage gelagert wird, keine Betriebsstätte des Unternehmens. Für immaterielle Wirtschaftsgüter kann im Ergebnis nichts anderes gelten.6 Allerdings fehlt solchen ausschließlichen Lagerstätten typischerweise die Funktion, die auf Grund der Betriebsstättenvorbehalte i.S.v. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 13 Abs. 2 und Art. 21 Abs. 2 notwendig ist, um die nämlichen Wirtschaftsgüter der Geschäftseinrichtung zuzuordnen. Damit scheitert die Zuordnung nicht nur am fehlenden funktionalen Zusammenhang, sondern nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 109) bereits vorher am Vorhandensein einer Betriebsstätte. Etwas anderes gilt, wenn durch die feste Geschäftseinrichtung neben dem reinen Halten auch Geschäftsleitungsaufgaben ausgeübt werden.7 Denn in diesem Fall übt das Unternehmen wenigstens einen Teil seiner Haupttätigkeit in der Einrichtung aus und überschreitet damit die Mindestaktivitätsschwelle des Art. 5 Abs. 4. Entscheidend dafür ist, dass die ausgeübten Leitungsaufgaben Einfluss auf das Tagesgeschäft der nachgeordneten Gesellschaften nimmt.8 Die Wahrnehmung bloßer Gesellschafterrechte reicht hierfür nicht.9 Homeoffice. Nach Auffassung der OECD im Entwurf des OECD-MK zu Art. 5 v. 168 13.10.2011 kann das Homeoffice eines Mitarbeiters dann eine Betriebsstätte seines Arbeitgebers begründen, wenn der Arbeitsplatz nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig, dauerhaft und den Vorgaben des Unternehmens entsprechend zur Ausführung von Geschäftstätigkeiten genutzt wird und nach den Umständen des Einzelfalls 1 A.A. Sendlbeck-Schickor in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 1. Aufl. 2003, Rz. 1552. 2 Vgl. BMF v. 23.2.2001 – IV A 6-S 2241-8/01, BStBl. I 2001, 175, Rz. 29, 29a. 3 Ebenso BMF v. 23.2.2001 – IV A 6-S 2241-8/01, BStBl. I 2001, 175, Rz. 45a, 45b. 4 Vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922. 5 Vgl. FG Düsseldorf v. 11.4.1978 – II 39/70 G, EFG 1978, 503. 6 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. 7 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 8 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 9 Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771.
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Art. 5 Rz. 168–172
Betriebstätte
die vom Arbeitnehmer ausgeführte Tätigkeit der Einrichtung eines Büros bedurft hätte. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist einzelfallabhängig zu prüfen.1 169
Internet. Werden Leistungen mittels (Inhaltsanbieter) bzw. für (Zugangsanbieter) das Internet angeboten, ist dies für den Leistungsanbieter (Unternehmer) betriebsstättenbegründend, sofern er diese Leistungen durch eine feste Geschäftseinrichtung erbringt (vgl. Art. 5 Rz. 42.3–42.9 OECD-MK). Hierfür muss er über einen bestimmten oder örtlich bestimmbaren Computerserver (Hardware) Sachherrschaft (s. Rz. 53) haben.2 Eine solche Bestimmbarkeit ist beispielsweise gegeben, wenn eine definierte Speicherkapazität in einem bestimmten Serverpark zur Verfügung gestellt wird. Denn in diesem Fall materialisiert sich die Sachherrschaft an dem Server, der innerhalb des Parks „verwurzelt“ ist (s. Rz. 43). Dies gilt selbst dann, wenn als Server nicht die Hardware, sondern die Software angesehen wird, solange diese dauerhaft auf der Hardware gespeichert und damit örtlich zuordenbar ist.3 Eine nur allgemein zur Verfügung stehende Speicherkapazität ohne örtlichen Anknüpfungspunkt genügt nicht.4 Personal vor Ort ist nicht erforderlich (s. Rz. 60). Die Software (Programm, Website) als solche begründet keine Betriebsstätte, da mangels Körperlichkeit keine Geschäftseinrichtung vorliegt (s. Rz. 37). Sie ist lediglich Grundlage der (programmtechnisch gesteuerten) unternehmerischen Tätigkeit, die durch den Server abgewickelt wird. Verkörpert diese Tätigkeit wenigstens einen Teil der Haupttätigkeit des Unternehmens (z.B. den Handel mit Musik, Filmen und/oder Spielen), begründet die feste Hardware eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5. Wegen ihrer niedrigen Funktion ist allerdings der Serverbetriebsstätte keine oder nur eine geringe Gewinnmarge zuzuordnen.5 Vertreibt indes ein Unternehmer seine Waren lediglich via Internet (sog. E-Tailer) begründet auch ein fest installierter Server, über den der Unternehmer allein oder mit mehreren Sachherrschaft ausübt, regelmäßig keine Betriebsstätte i.S.d Art. 5 Abs. 1, da die (rein technische) Abwicklung des Vertragsschlusses/-abwicklung über den Server typischerweise reine Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. darstellen.
170
Kabel- oder Rohrleitungen. Kabel- oder Rohleitungen sind zwar als Geschäftseinrichtungen oder Anlagen anzusehen (vgl. Rz. 194). Ihr bloßes zur Verfügung stellen begründet zwar eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO,6 jedoch noch keine i.S.d. Art. 5, da insoweit durch die Geschäftseinrichtung keine Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. Rz. 59). Sofern jedoch Liefertätigkeiten, wie z.B. die Beschleunigung der durchgeleiteten Stoffe durch Pumpstationen, erfolgen, muss unterschieden werden, ob die Liefertätigkeiten als Haupt- oder reine Nebentätigkeit anzusehen sind (vgl. Rz. 122). Liegen insgesamt die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 vor, ist bei Kabel- und Rohrleitungen auf dem Festlandsockel der tätigkeitsabhängige Inlandsbezug zu beachten (vgl. Rz. 5).
171 172
Kommissionär. Vgl. Rz. 145. Konsignationslager. Das Konsignationslager ist ein Warenlager eines Lieferanten, welches sich zumeist in den Räumen des Kunden (Abnehmers) befindet. Die Ware verbleibt solange im Eigentum des Lieferanten, bis der Kunde sie aus dem Lager entnimmt. Erst zum Zeitpunkt der Entnahme findet eine Lieferung als Grundlage der Rechnungsstellung statt. Von Sachherrschaft ist in diesen Fällen auszugehen, wenn der Lieferant eine Zugangsberechtigung zu den Lagerräumen besitzt. Dass diese u.U. an Kontrollen durch den Abnehmer geknüpft ist, ist unbeachtlich.7 Solche Einrichtungen begründen eine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 5 AO. Indes sind sie nicht 1 Vgl. Art. 5 Rz. 4.8 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011; s. dazu auch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (496). 2 Vgl. Findeis/Eickmann, DStZ 2008, 139 (1412); Kessler/Peter, BB 2000, 1545 (1551). 3 A.A. Tappe, IStR 2011, 870. 4 Ebenso Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.26. 5 Ebenso: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33b. 6 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; FG Düsseldorf v. 10.9.1991 – 9 K 524/86, EFG 1992, 717. 7 Vgl. BFH v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154.
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I. Einzelfälle zu Betriebsstätten
Rz. 172–176 Art. 5
geeignet, eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 zu begründen, da Warenlager unter das Ausschlusskriterium des Art. 5 Abs. 4 Buchst. a fallen. Konsortium. Bei einem Konsortium handelt es sich um eine Gelegenheitsgesell- 173 schaft in der Rechtform einer GbR (§§ 705 ff. BGB), deren Zweck auf die gemeinsame Erlangung des Auftrags gerichtet ist. Häufig anzutreffen ist diese Rechtsform in der Bau- und Bankenwirtschaft. Mit Auftragserteilung ist der Gesellschaftszweck erreicht. Typisch für ein Konsortium ist, dass es nach außen einheitlich (erkennbar oder verdeckt) auftritt, aber im Innenverhältnis die beteiligten Konsorten klar gegeneinander abgegrenzte Leistungen mit eigenem Entgeltanspruch erbringen, m.a.W. keinen gemeinsamen Zweck fördern, sondern nur ihre eigenen Ziele verfolgen. Hierin liegt der Unterschied zu einer ArGe (s. Rz. 155). Ist die Personengruppe der Konsorten für den Auftraggeber erkennbar, spricht man von einem Außenkonsortium. Tritt hingegen nur einer der Konsorten gegenüber dem Auftraggeber auf und handelt er neben sich für die anderen Konsorten als mittelbarer Stellvertreter, wird dies als Innenkonsortium bezeichnet. Der Gesellschaftscharakter kommt daher nur in Form der Gesamtverantwortung für die Vertragserfüllung und die Funktionsgarantie (gesamtschuldnerische Haftung) zum Tragen. Hingegen handeln die Konsorten im Innenverhältnis auf rein gegenseitiger Basis. Für eine gesonderte Feststellung gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO fehlt daher üblicherweise der Grund für die gemeinsame Zurechnung von Einkünften.1 Kann aber mangels gemeinsamen Handlungswillens die Tätigkeit des einen Konsorten dem anderen Konsorten nicht zugerechnet werden, ist die Frage, ob bei einem Baukonsortium die Fristerfordernisse zur Betriebsstättenbegründung i.S.v. Art. 5 Abs. 3 erfüllt sind, für jeden einzelnen Konsorten zu prüfen.2 Kontroll-, Koordinierungs- und Finanzierungstätigkeiten. Werden in festen Ge- 174 schäftseinrichtungen eines Unternehmens Kontroll-, Koordinierungs- und/oder Finanzierungstätigkeiten ausgeübt, sind diese zwar grundsätzlich Betriebsstätten im Sinne des § 12 AO, da sie dem Unternehmen dienen. Sofern in ihnen jedoch lediglich Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten verrichtet werden, begründen sie jedoch keine Betriebsstättenfolgen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2. Nach der Verwaltungsansicht3 kann dies insbesondere der Fall sein, wenn sie nur der Beschaffung von Informationen für die Konzernspitze dienen oder für die Konzernspitze lediglich vorbereitende Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten ausüben; solche sind insbesondere gegeben, soweit die Geschäftsstelle lediglich Weisungen der Konzernspitze übermittelt, vorbereitet oder durch Ermittlungen in ihrem Zuständigkeitsbereich unterstützt. Zur Gewinnabgrenzung bei Kontroll- und Koordinierungsbetriebsstätten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 207). Land- und forstwirtschaftlich genutzte Fläche. Eine land- und forstwirtschaftlich 175 genutzte Fläche ist keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 52).4 Selbst wenn man entgegen Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 von einer Unternehmenstätigkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c ausgeht,5 fehlen die Voraussetzungen für die Prüfung, ob diese Tätigkeit einer Betriebsstätte zuzuordnen ist. Denn gem. Art. 7 Abs. 7 und Art. 6 Abs. 4 ist für Gewinne aus der Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Flächen stets Art. 6 die einschlägige Norm. Diese stellt für die Zuordnung ausschließlich auf die Belegenheit – nicht aber auf das Vorhandensein einer Betriebsstätte – ab (s. hierzu Art. 6 Rz. 98 ff.). Lohnveredler. Der Lohnveredler erbringt gegenüber seinem Auftraggeber eine 176 Leistung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. In dieser Funktion übt der 1 Vgl. Tipke in T/K, § 180 AO Rz. 35. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.3.4. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.4.2. 4 BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457; a.A. FG Köln v. 23.3.2011 – 9 K 286/06, EFG 2011, 1322. 5 So aber FG Köln v. 23.3.2011 – 9 K 286/06, EFG 2011, 1322.
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Art. 5 Rz. 176–182
Betriebstätte
Auftraggeber keine Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung des Lohnveredlers aus. Daher begründet dieses Verhältnis für den Auftraggeber weder eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO noch i.S.d. Art. 5 Abs. 1.1 Anders kann der Fall allerdings zu beurteilen sein, wenn die Geschäftseinrichtung, in der der Lohnveredler tätig wird, dem Auftraggeber zuzurechnen ist.2 Zwar ist er als ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen, da er den Weisungen des Auftraggebers unterliegt, jedoch schließt er keine Geschäfte mit Wirkung für diesen ab. Daher begründet er keine Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5. 177
Makler. Vgl. dazu Rz. 145.
178
Managementgesellschaft. Grundsätzlich reicht das schuldrechtliche Auftragsverhältnis, vermöge dessen eine Person in eigenen Räumen für einen anderen Managementaufgaben ausübt nicht aus, um dem Auftraggeber Sachherrschaft über die Geschäftseinrichtung des Auftragnehmers zuzurechnen (s. Rz. 54). Ausnahmsweise ist aber von einer Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1 auszugehen, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer zwar rechtlich verschieden, jedoch tatsächlich personenidentisch sind, z.B. weil dieselbe Person Geschäftsführer zweier Kapitalgesellschaften ist und diese in Räumen der einen Kapitalgesellschaft im Auftrag der anderen Kapitalgesellschaft dauerhaft Managementaufgaben erledigt.3 Denn in diesem Fall übt der Geschäftsführer seine unmittelbare Sachherrschaft nicht nur für den zivilrechtlich berechtigten Auftragnehmer, sondern gleichzeitig mit dessen zivilrechtlich anerkannten Willen (Auftrag) für den Auftraggeber aus.4 Im Übrigen ist der Auftragnehmer bei dauerhaftem Tätigwerden zwar als ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO anzusehen; für eine Vertreterbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 5 muss er aber darüber hinaus dauerhaft Verträge mit Wirkung für den Prinzipal abschließen.
179
Metagesellschaft.5 Es handelt sich um eine (schuldrechtliche) Vereinbarung dahin, dass ein Beteiligter (Metist) nach außen allein handelt und der Gewinn im Innenverhältnis auf gemeinschaftliche Rechnung erzielt wird.6 Ob eine GbR oder Gemeinschaft vorliegt, entscheidet sich im Innenverhältnis danach, ob die Beteiligten die Gesamtrisiken und -chancen anteilig (dann GbR) oder konkret verteilt (dann Gemeinschaft) tragen. Je nachdem ist dem anderen die Betriebsstätte des nach außen Handelnden zuzurechnen oder nicht (vgl. auch: Konsortium Rz. 173; ArGe Rz. 155).
180
Ölbohrinsel. S. Rz. 5.
181
Ort der Leitung. S. Rz. 75.
182
Prinzipal-Struktur. Unter dem Begriff „Prinzipal-Struktur“ wird die Einschaltung von Obergesellschaften (Prinzipal-Gesellschaft), insbesondere mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, verstanden, die für die globalisierten Märkte von Konzernen insbesondere den Einkauf, die Planung der Forschung und Entwicklung, die Produktionsplanung und -steuerung, die Lagerverwaltung und Logistikplanung, die Entwicklung der Marketingstrategie, die Absatzplanung und -steuerung, Treasury and Finance sowie die Administration übernehmen. Die Landesgesellschaften, die die Funktionen der Obergesellschaft bisher ausgeübt haben, üben für die Prinzipal-Gesellschaft ausschließlich die Funktion abschlussberechtigter Agenten (Kommissionäre) aus. Umstritten ist, ob die so tätigen Landesgesellschaften „Vertreter-Betriebsstätten“ für ihre Obergesellschaft begründen.7 Nach der hier vertretenen Ansicht (s.o. Rz. 137, 145) ist hiervon auszugehen, da die Landesgesellschaften als abhängige 1 Vgl. FG BaWü v. 11.5.1992 – 3 K 309/91, EFG 1992, 653. 2 Vgl. FG BaWü v. 7.11.1996 – 3 K 54/93, IStR 1997, 240; BFH v. 7.7.1997 – I B 26/97, BFH/NV 1998, 19; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 3.1.3; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42c. 3 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085; v. 23.2.2011 - I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354. 4 Ebenso Blumers/Weng, DStR 2012, 551 (553). 5 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. 6 Vgl. BGH v. 10.6.2002 – II ZR 68/00, NJW 1990, 573, 1454. 7 Vgl. dazu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.28; Piltz, IStR 2004, 184; Endres, IStR 1996, 3; Kroppen/Hüffmeyer, IWB 1995, 641.
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I. Einzelfälle zu Betriebsstätten
Rz. 182–186 Art. 5
Vertreter – wenn auch nur im eigenen Namen – die Prinzipalgesellschaft binden. Diese Ansicht deckt sich mit derjenigen der Schweizer Steuerverwaltung, nach der die Aktivitäten der Landesgesellschaften, soweit sie auf die Kommissionstätigkeit entfallen, gem. Art. 5 Abs. 5 Betriebsstätten der Prinzipal-Gesellschaft begründen.1 Repräsentanz. Von einer Repräsentanz spricht man bei festen Geschäftseinrich- 183 tungen, in denen lediglich Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten verrichtet werden. Als solche sind sie als Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 1 AO, nicht aber i.S.v. Art. 5 Abs. 1, Abs. 4 anzusehen. Typische Beispielsfälle sind sog. Showrooms oder Informationszentren, in denen ein Unternehmen seine Leistungen darstellt, ohne durch die Einrichtung selbst im Quellenstaat werbend tätig zu werden. Roamingvertrag. Das sog. Roaming ermöglicht es einem Mobilfunknetz-Teilneh- 184 mer, in einem anderen, fremden Netzwerk als seinem Heimnetzwerk selbsttätig Anrufe empfangen oder tätigen zu können, Daten schicken und empfangen zu können oder Zugriff auf andere Mobilfunknetzdienste zu haben. Schließt der Heimnetzwerkbetreiber mit dem Fremdnetzwerkbetreiber einen Roamingvertrag, der ihn berechtigt, die Leistungen des Fremdnetzwerbetreibers seinem Endkunden anzubieten, begründet er keine Betriebsstätte auf dem Gebiet des Fremdnetzwerkbetreibers, da er durch diesen Vertrag weder eine Geschäftseinrichtung oder Anlage noch Sachherrschaft über das Fremdnetz erhält (vgl. Art. 5 Rz. 9.1 OECD-MK). Schiffe und Flugzeuge. Sofern Schiffe nicht ständig an einem Liegeplatz fest- 185 gemacht sind, können sie keine Betriebsstätte begründen,2 da ihnen der Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche fehlt. Abkommensrechtlich regelt daher die Spezialregelung des Art. 8 die Verteilung der Gewinne aus Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt. Auf das Vorhandensein einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 kommt es dort nicht an (s. hierzu Art. 8 Rz. 2). Im nationalen Rechts stellt § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG den Inlandsbezug oder § 34d Nr. 2 Buchst. b EStG den Auslandsbezug auf gleiche Weise her. Einkünfte aus dem Betrieb eines Unternehmens auf einem Schiff (z.B. Bordrestaurant, Verkaufsstand) fallen nicht unter diese Sonderregeln. Für sie ist Art. 7 und damit das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Quellenstaat maßgeblich. Ebenso wie dem Schiff fehlt es der auf ihm befindlichen Geschäftseinrichtung an dem notwendigen örtlichen Bezug zur Erdoberfläche.3 Im Ergebnis können daher unternehmerische Tätigkeiten auf einem Schiff auch keine Betriebsstätte begründen.4 Soweit § 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG etwas anderes besagt, handelt es sich um eine spezielle gewerbesteuerliche Regelung, die jedoch auf die Anwendung der DBA nicht durchschlägt.5 Für Flugzeuge gelten diese Überlegungen entsprechend. Satellit (geostationärer). Geostationäre Satellitenanlagen sind zumindest als fes- 186 te Anlage geeignet, eine Betriebsstätte zu begründen.6 Unter dem Aspekt der Verwurzelungstheorie (s. Rz. 43) sind sie örtlich als fest anzusehen. Allerdings bestehen Zweifel, ob sich die Anlage im Orbit noch auf dem Hoheitsgebiet des Quellenstaats befindet. Theoretisch erstreckt sich das Staatsgebiet ausgehend vom Erdmittelpunkt radial über seine politischen Grenze bis ins Unendliche des Weltalls.7 Völkerrechtlich besteht aber Einigkeit, dass das Hoheitsgebiet auf den Luftraum begrenzt ist. Dieser endet ca. 100 km über der Erdoberfläche.8 Geostationäre Satelliten bewe-
1 Kreisschreiben Nr. 8 der eidgenössischen Steuerverwaltung v. 18.12.2001; abgedruckt in F/W/K, DBA-Schweiz, Materialien, 6.37. 2 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BFH/NV 1998, 400; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.5.1. 3 Vgl. Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 289. 4 Vgl. BFH v. 13.2.1974 – I R 218/71, BFHE 111, 416; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECDMA Rz. 39. 5 Vgl. BFH v. 13.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361. 6 Vgl. BFH v. 17.2.2000 – I R 130/97, BFH/NV 2000, 1182, im Urteilsfall ging es aber um die Frage, ob der Nutzungsvertrag für die Satellitenanlage dem Berechtigten Verfügungsmacht einräumt. 7 Weltraumvertrag v. 27.1.1967, UNTS, Bd. 610, 205; BGBl. 1969 II, 1969. 8 Sog. Karman-Linie; http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsgebiet.
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Art. 5 Rz. 186–192
Betriebstätte
gen sich in einer Höhe von ca. 36.000 km über der Erdoberfläche. Daher besteht zwischen den OECD-Mitgliedsstaaten Einigkeit, dass sich derartige Anlagen im Niemandsland befinden (vgl. Art. 5 Rz. 5.5 OECD-MK). 187
188
Softwareinstallation. Installiert ein Unternehmen im anderen Staat eigene oder fremde Software, so ist hierin keine Montage i.S.v. Art. 5 Abs. 3 zu sehen, d.h. die reine Tätigkeitsdauer vor Ort begründet für sich noch keine Betriebsstätte i.S.v. § 12 Satz 2 Nr. 8 AO bzw. Art. 5 Abs. 3 (s. Rz. 93). Allerdings ist zu prüfen, ob dem Leistungserbringer im Wege einer ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Nebenleistung Sachherrschaft über eine feste Geschäftseinrichtung im Quellenstaat eingeräumt wird. Für diese Frage sind die zu Unternehmensberatung (s. Rz. 189) dargestellten Grundsätze entsprechend anzuwenden. Transportanlagen. S. Wirtschaftsgut materielles (Rz. 194).
189
Unternehmensberatung. Typischerweise werden Unternehmensberater projektbezogen für ihren Auftraggeber tätig.1 Stellt ihnen der Auftraggeber für die Projektdauer eigene Räumlichkeiten in seinem Unternehmen zur Verfügung, begründet die Unternehmensberatung bei einer mindestens sechs-monatigen Beratungstätigkeit in diesen Räumen eine Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1, da die Unternehmensberatung in der Geschäftseinrichtung wenigstens einen Teil ihrer Haupttätigkeit persönlich, örtlich und zeitlich fest ausübt (vgl. Art. 5 Rz. 45.7 OECD-MK). Nichts anderes gilt, wenn den Unternehmensberatern örtlich wechselnde Arbeitsplätze in einem Großraumbüro des Auftraggebers zur Verfügung gestellt werden. Denn es ist unerheblich, ob ein Anspruch auf die Arbeitsplätze ausdrücklich vereinbart ist (vgl. Rz. 53). Er muss ich auch nicht auf einen bestimmten Raum oder Arbeitsplatz beziehen (vgl. Rz. 43); es genügt vielmehr, wenn aus tatsächlichen Gründen anzunehmen ist, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung steht.2 Anders ist dies m.E., wenn dem Beratungsunternehmen keine ortsfesten Räumlichkeiten oder Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, sondern diesem lediglich ein allgemeines Betretungsrecht zu den Geschäftseinrichtungen des Auftraggebers eingeräumt wird. Erstrecken sich in diesem Fall die tatsächlich genutzten Arbeitsplätze über Deutschland weit verteilte Standorte des Auftraggebers, und erreicht nur die Tätigkeit in allen Standorten zusammen die Mindestdauer, wirkt diese Tätigkeit gleichwohl nicht Betriebsstätten begründend, da die verschiedenen Geschäftseinrichtungen zwar eine wirtschaftliche Einheit (vgl. Rz. 42) bilden, ihnen jedoch in diesem Fall der notwendige Ortsbezug fehlt (vgl. Rz. 43).
190
Vermietungs-/Verpachtungstätigkeit. Werden feste Geschäftseinrichtungen vermietet, begründen diese typischerweise für den Vermieter keine Betriebsstätte, da die tatsächliche Sachherrschaft über die vermietete Geschäftseinrichtung der Mieter ausübt indem er die Möglichkeit eingeräumt bekommt, unmittelbar auf die Geschäftseinrichtung einzuwirken. Wird hingegen die Vermietungstätigkeit innerhalb eines Unternehmens durch eine feste Geschäftseinrichtung ausgeübt, handelt es sich zwar um eine Geschäftstätigkeit (vgl. Rz. 59), die jedoch nicht über die notwendige Mindestaktivität hinausgeht und daher keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 OECD-MA begründen kann (s. auch Vermögensverwaltung).
191
Vermögensverwaltung. Nach der hier vertretenen Ansicht (vgl. Rz. 58) muss in der festen Geschäftseinrichtung eine Geschäftstätigkeit ausgeübt werden, deren Mindestaktivität gem. Art. 3 Abs. 2 i.V.m. § 14 Satz 3 AO die Schwelle der privaten Vermögensverwaltung überschreiten muss. Ausschließliche Tätigkeiten zur Vermögensnutzung durch Anlage von Kapitalvermögen oder Vermietung bzw. Verpachtung unbeweglichen Vermögens reichen daher nicht aus, Betriebsstättenfolgen i.s.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 auszulösen.
192
Versorgungsleitungen. Vgl. Rz. 170, 194. 1 Vgl. dazu auch Art. 5 Rz. 4.2 OECD-MK in der Entwurfsfassung v. 12.10.2011. 2 Vgl. BFH v. 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 14.7.2004 – I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; v. 10.11.1998 – I B 80/97, BFH/NV 1999, 665. Dazu kritisch Ditz/Quilitzsch, FR 2012, 493 (495).
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I. Einzelfälle zu Betriebsstätten
Rz. 193–196 Art. 5
Windpark; Windkraftanlage.1 Jede einzelne Windkraftanlage stellt neben ihrer Ver- 193 kabelung und der Zuwegung ein eigenständiges Wirtschaftsgut dar.2 Werden diese Einzelwirtschaftsgüter im Rahmen des Betriebs eines – auch mehrere km2 großen – Windparks zur Stromgewinnung zusammengestellt (vgl. Rz. 41) und sind diese einem Steuerpflichtigen zuzurechnen, handelt es sich bei dem Windpark mit allen Windkraftanlagen um eine einheitliche Betriebsstätte, da die einzelnen Windkraftanlagen sowie die Verkabelung und Zuwegung in einem wirtschaftlichen (vgl. Rz. 42) und geographischen (vgl. Rz. 43) Zusammenhang stehen. Die Ableitung des erzeugten Stroms stellt insoweit nur eine zur Erzeugung des Stroms dazugehörige Nebentätigkeit dar. Sind die einzelnen Windkraftanlagen des Windparks unterschiedlichen Personen(-mehrheiten) zuzurechnen, begründet jede Einheit für sich eine feste Geschäftseinrichtung. Nach deutschem Verständnis befindet sich diese nur im Inland, sofern sich die Anlagen nach dem 1.1.2008 auf dem Deutschland zustehenden Anteil am Festlandsockel befinden und sie der Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien dienen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EStG). Ist der Abtransport des erzeugten Stroms einem anderen als dem Stromerzeuger zuzurechnen, fehlt der Geschäftseinrichtung und der Tätigkeit der Inlandsbezug, da die ausschließliche Transporttätigkeit nicht auf dem tätigkeitsabhängigen Hoheitsgebiet Deutschlands stattfindet (vgl. Rz. 5). Wirtschaftsgut, materielles. Materielle Wirtschaftsgüter (bewegliche und unbe- 194 wegliche) begründen eine Betriebsstätte, wenn sie fest (vgl. Rz. 49 ff.) sind und durch sie die Haupttätigkeit des Unternehmens wenigstens teilweise ausgeübt wird (vgl. Rz. 108). Personal ist zur Ausübung nicht erforderlich (vgl. Rz. 60). Daher begründen etwa Computerserver (vgl. Rz. 169) oder Pumpstationen3 (für Öl, Erdgas o.Ä.) eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5, wenn die Tätigkeit mehr als eine reine Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit des Unternehmens ist. Eine solche Hilfstätigkeit ist etwa gegeben, wenn die Pumpstation nur der Auslieferung der selbst geförderten Rohstoffe oder hergestellten Güter dient (Art. 5 Abs. 4 Buchst. a). Anders ist dies hingegen, wenn ein Unternehmen den Transport als Haupttätigkeit betreibt.4 Fehlt es an der (teilweisen) Ausübung der Haupttätigkeit, begründen Transportanlagen (Pipeline, Kabelleitung, Gleisanlage) als festes Wirtschaftsgut des notwendigen Betriebsvermögens zwar keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 Abs. 1, aber jedenfalls eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO.5 Wirtschaftsgut, immaterielles. Reine Rechtspositionen, wie etwa Beteiligungen an 195 Körperschaften, Forderungen oder andere Immaterialgüterrechte (Patente, Software etc.) begründen keine Betriebsstätte,6 da sie nicht körperlicher Art sind. Dies gilt ebenso für registergerichtliche Eintragungen, z.B. des Sitzes einer Gesellschaft, reine Postanschriften,7 Bankkonten8 oder eine Internetseite.9 Wohnung (des Arbeitnehmers). Eigene Geschäftseinrichtungen, die Arbeitnehmer 196 zur Verrichtung ihrer geschuldeten Arbeitsleistung nutzen, räumen dem Arbeitgeber typischerweise keine Mitsachherrschaft ein.10 Eine gewisse Sachherrschaft besteht erst, wenn der Arbeitgeber berechtigt ist, das Büro oder die Wohnung in einem gewis-
1 Zum Ganzen siehe auch Behrendt/Wischott/Krüger, BB 2012, 1827 (1827). 2 Vgl. BFH v. 14.4.2011 – IV R 46/09, DStRE 2011, 782. 3 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; FG Düsseldorf v. 10.9.1991 – 9 K 524/86, EFG 1992, 717. 4 Ebenso: BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.8 der sämtliche Transportleistungen als Hauptleistungen ansieht. 5 Vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - 1300 – 111/99 – Betriebsstätten-VWG, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 4.8; a.A. BFH v. 12.10.1977 – I R 226/75, BStBl. II 1978, 111. 6 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 13. 7 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 30. 8 Vgl. BFH v. 7.6.1966 – I B 124/64, BStBl. III 1966, 548. 9 Vgl. Wiater/Bosch, IStR 1998, 757, 758. 10 Vgl. BFH v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512.
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Art. 5 Rz. 196–202
Betriebstätte
sen Umfang und nicht nur vorübergehend für eigene Zwecke zu benutzen1 Die Befugnis des Arbeitgebers, die Räume zur Prüfung von Geschäftsvorfällen, Büchern, Belegen und zur Kontrolle des Geldverkehrs zu betreten, reicht selbst dann nicht aus, wenn davon in weitem Umfang Gebrauch gemacht wird.2 197
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Zebragesellschaft. Von Zebragesellschaften spricht man, wenn an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft sowohl Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften als auch solche mit Gewinneinkünften beteiligt sind. Verfügt diese im Quellenstaat über eine feste Geschäftseinrichtung, kann sie gleichwohl für die unternehmerisch tätigen Gesellschafter keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründen, da in ihr naturgemäß nur vermögensverwaltende Tätigkeiten ausgeübt werden können und diese die Mindestaktivitätserfordernisse an eine Betriebsstätte nicht erfüllen (vgl. Rz. 191). Dementsprechend sind auch die Einkünfte der unternehmerisch tätigen Gesellschafter gem. Art. 7 Abs. 7 vorrangig nach den „übrigen Verteilungsnormen“ zuzuordnen.3 Zweigniederlassung. Vgl. Rz. 79.
J. Deutsches Muster-DBA 199
Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten 200
Allgemeines. Art. 5 enthält lediglich eine eigenständige abkommensrechtliche Begriffsbestimmung (s.o. Rz. 32). Unmittelbare Konsequenzen ergeben sich nicht aus dieser Vorschrift, sondern aus den Verteilungsnormen bzw. dem Methodenartikel. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich die weitere Darstellung – im Unterschied zur Kommentierung der anderen Vorschriften – auf die Abweichungen vom OECD-MA.
I. DBA-Belgien 201
Art. 5 Abs. 1 DBA-Belgien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Belgien entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
202
Art. 5 Abs. 2 DBA-Belgien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Belgien entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). In Abweichung zum OECD-MA sind die Bauausführungen und Montagen (s.o. Rz. 89 ff.) nicht in einem eigenständigen Art. 5 Abs. 3, sondern in der Aufzählung des Art. 5 Abs. 2 DBA-Belgien unter der Nr. 7 genannt. Systematische Rückschlüsse können aus der abweichenden Normierung nicht gezogen werden. Vielmehr soll der Begriff der Bauausführung und Montage nach Maßgabe des OECD-MK 1977 ausgelegt werden.4 Dementsprechend führt die abweichende Formulierung zu keiner Ausdehnung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs (s.o. Rz. 74) i.S.d. § 12 Satz 2 AO, bei dem nach h.M. auch ein Ort der Geschäftsleitung ohne feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte angesehen wird (s.o. Rz. 78). Gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 7 DBA-Belgien beträgt die Frist für Bauausführungen und Montagen nur neun Monate. Jedoch verlängert sich dieser Zeitraum auf zwölf Monate, sofern Belgien mit einem Nachbarstaat eine solche Frist in einem DBA vereinbart (Nr. 2 Schlussprotokoll). Seit dem Abschluss des neuen DBA Belgien-Niederlande v. 5.6.2001 ist dies der Fall. Dieses sieht in Art. 5 Abs. 3 – wie im OECD-MA – eine Frist von zwölf Monaten für die Begründung einer Bau- oder Mon-
1 Vgl. BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; FG München v. 10.9.1997 – 7 V 3061/97, EFG 1997, 1482. 2 Vgl. BFH v. 9.3.1962 – I B 156/58 S, BStBl. 1962, 227. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.2.2. 4 Verständigungsvereinbarung v. 2.7.1984, BMF – IV C 5 - S 1301 Bel - 55/84.
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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 202–209 Art. 5
tagebetriebsstätte vor. Der neue Zeitraum gilt ab dem Inkrafttreten des neuen DBA Belgien-Niederlande im Jahr 2003 auch im Verhältnis Belgien-Deutschland.1 Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien entspricht 203 weitgehend Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.). Allerdings enthält Art. 5 Abs. 3 DBA-Belgien keine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA, nach der auch die Verrichtung verschiedener Tätigkeiten i.S.d. Abs. 4 in der festen Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätteneigenschaft zur Folge hat, sofern diese in ihrer Gesamtheit lediglich vorbereitender oder nur unterstützender Natur sind. Nach Sinn und Zweck der Norm ergeben sich aus dem Unterschied jedoch keine Abweichungen zum OECDMA. Erst wenn die „Geschäftsverdichtung“ das Wesen der festen Geschäftseinrichtung so nachhaltig verändert, dass von bloßen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht mehr die Rede sein kann, ist es gerechtfertigt, eine Betriebsstätte anzunehmen.2 Art. 5 Abs. 4 DBA-Belgien (Abhängiger Vertreter). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 5 204 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.) verweist Art. 5 Abs. 4 letzter Halbs. DBA-Belgien zur Abgrenzung der Betriebsstätten begründenden Tätigkeit des Vertreters von reinen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht allgemein auf den Negativkatalog des Abs. 3, sondern nennt als Hilfstätigkeiten lediglich den Einkauf von Gütern und Waren (s. Rz. 112). Diese Formulierung ist deutlich enger als der allgemeine Bezug auf Abs. 4 in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Daher begründen abhängige Vertreter, die Dienst- oder Werkleistungen einkaufen, eine Betriebsstätte.3 Soweit der Vertreter allerdings ausschließlich sonstige Hilfs- bzw. Vorbereitungstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECDMA verrichtet, wird er in der Regel keine Betriebsstätte für seinen Prinzipal begründen, da er abkommensrechtlich hierfür eine Abschlussvollmacht benötigt, die er dauerhaft ausübt.4 Hieran wird es aber in der Praxis regelmäßig fehlen. Im Ergebnis führt daher die Abweichung im Wortlaut zu keiner anderen Rechtsfolge. Art. 5 Abs. 5 DBA-Belgien (Unabhängiger Vertreter). Grundsätzlich entspricht 205 Art. 5 Abs. 5 DBA-Belgien dem Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.). Allerdings enthält die Norm im Unterschied zu Art. 5 OECD-MA eine eigenständige Regelung für Versicherungsvertreter. So fällt gem. Art. 5 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien auch ein unabhängiger Vertreter, der für ein Versicherungsunternehmen tätig ist und eine Vollmacht besitzt, im Namen dieses Unternehmens Verträge abzuschließen, und die Vollmacht gewöhnlich ausübt, unter die Regelung des abhängigen Vertreters i.S.v. Abs. 4 und zwar auch dann, wenn er im Rahmen seiner eigenen Geschäftstätigkeit handelt.5 Art. 5 Abs. 6 DBA-Belgien (Anti-Organ-Klausel). Die Anti-Organ-Klausel des Art. 5 Abs. 6 DBA-Belgien ist vom Wortlaut her weiter gefasst als Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.), da sie von Unternehmen und nicht von Gesellschaften spricht. Im Ergebnis folgen hieraus jedoch keine materiellen Konsequenzen (vgl. Rz. 151).
206
II. DBA-China Art. 5 Abs. 1 DBA-China (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-China entspricht rt. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
207
Art. 5 Abs. 2 DBA-China (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.).
208
Art. 5 Abs. 3 DBA-China (Bauausführungen, Montagen und Dienstleistungen). 209 Vorbehaltlich der im Folgenden dargestellten Abweichungen gelten für die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 DBA-China die allgemeinen Regeln zu Bau- und Montageausführungen (s.o. Rz. 89 ff.). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s. Rz. 95) wirkt gem. Art. 5 Abs. 3 Buchst. a DBA-China auch die reine Aufsichtstätigkeit im Zusam1 2 3 4
Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 10. Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 18. Vgl. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 21. Ebenso: Kramer in Wassermeyer zum wortlautidentischen Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 70; a.A. Malinski in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Belgien Rz. 21, der Betriebsstättenfolgen auch bei der bloßen Verrichtung anderer Hilfstätigkeiten annimmt. 5 Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 142.
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419
Art. 5 Rz. 209–217
Betriebstätte
menhang mit Bauausführungen und Montagen betriebsstättenbegründend (s.a. Art. 5 Rz. 11 OECD-MK). Ferner beträgt die Frist zur Begründung nur sechs Monate. Ferner enthält das DBA-China eine Regelung zur Begründung einer Dienstleistungsbetriebsstätte (s. Rz. 9). So führt gem. Art. 5 Abs. 3 Buchst. b DBA-China – in Abweichung vom OECD-MA – auch das Erbringen von Dienstleistungen, einschließlich von Leistungen auf dem Gebiet der Beratung, durch Angestellte oder anderes Personal eines Unternehmens eines Vertragsstaats, wenn diese Tätigkeiten im anderen Vertragsstaat (für das gleiche oder ein damit zusammenhängendes Projekt) länger als insgesamt sechs Monate innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatszeitraums dauern, zu einer Betriebsstätte. Im Ergebnis ist damit der Begriff der Betriebsstätte im DBAChina deutlich weiter als der im OECD-MA mit der Folge, dass China als Quellenstaat im Vergleich zu Staaten, die sich nach dem OECD-MA orientieren, deutlich schneller ein Besteuerungsrecht erhält. 210
Art. 5 Abs. 4 DBA-China (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.).
211
Art. 5 Abs. 5 DBA-China (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.).
212
Art. 5 Abs. 6 DBA-China (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
213
Art. 5 Abs. 7 DBA-China (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-China entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
III. DBA-Frankreich 214
Allgemeines. Die Betriebsstättendefinition im DBA-Frankreich ist nicht in einem eigenen Artikel, sondern als Bestandteil der allgemeinen Begriffsdefinitionen in Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich geregelt. Zwar weichen Formulierung und Gliederung von der des Art. 5 OECD-MA erheblich ab. Funktion und Inhalt entsprechen sich aber im Wesentlichen.1
215
Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich (feste Geschäftseinrichtung). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.). Gem. Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 DBA-Frankreich muss die Unternehmenstätigkeit zwar „in der“ und nicht „durch die“ Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. Eine inhaltliche Abweichung von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ergibt sich hierdurch nicht.2
216
Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst a DBA-Frankreich (Positivkatalog). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a DBA-Frankreich entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). In Abweichung zum OECD-MA sind die Bauausführungen und Montagen (s.o. Rz. 89 ff.) nicht in einem eigenständigen Art. 5 Abs. 3, sondern in der Aufzählung unter Buchst. (gg) genannt. Systematische Rückschlüsse können aus der abweichenden Normierung nicht gezogen werden. Denn wie aus dem Zusatzabkommen von 2001 deutlich wird, folgen die Vertragsparteien dem allgemeinen OECD-Verständnis, vermöge dessen die anderen Katalogbetriebsstätten stets die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Abs. 1 erfüllen müssen (vgl. Art. 5 Rz. 12 OECD-MK), um ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat zu begründen. Dem entsprechend führt die abweichende Formulierung zu keiner Ausdehnung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs (s.o. Rz. 74) i.S.d. § 12 Satz 2 AO, bei dem nach h.M. auch ein Ort der Geschäftsleitung ohne feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte angesehen wird (s.o. Rz. 78).
217
Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b DBA-Frankreich (Negativkatalog). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b DBA-Frankreich enthält einen Negativkatalog, der mit dem OECD-MA 1963 übereinstimmt und zum großen Teil auch dem OECD-MA 1977 entspricht..Dies
1 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 51. 2 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 51; a.A. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 57.
420
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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 217–223 Art. 5
gilt insbesondere für die Buchst. (aa)–(dd) (s.o. Rz. 107 ff.).1 Soweit in Buchst. (ee) für andere Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten ausdrücklich die Werbung, Erteilung von Auskünften bzw. wissenschaftliche Forschung genannt sind, ergeben sich keine abweichenden Rechtsfolgen, denn entscheidend ist nach dem Wortlaut, dass es sich um ähnliche Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten handelt. Charakterisiert werden diese durch den fehlenden rechtsverbindlichen Marktauftritt der festen Einrichtung oder des Vertreters. Im Ergebnis handelt es sich daher bei den erwähnten Tätigkeiten lediglich um Beispiele, die keine konstitutive und damit Buchst (ee) einschränkende Wirkung entfalten. Eben so wenig können aus dem Fehlen einer dem Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA entsprechenden Regelung in Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst b DBA-Frankreich gezogen werden. Denn neben der Art der Tätigkeit ist für die Betriebsstättenfolge stets auch die Intensität der Tätigkeit entscheidend. Solange diese die Schwelle zur „teilweise ausgeübten Haupttätigkeit“ nicht überschreitet, ist es unbeachtlich, ob sich die Hilfs- und/oder Vorbereitungstätigkeit aus einem oder mehreren Tatbeständen zusammensetzt.2 Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c DBA-Frankreich (Abhängiger Vertreter). Im Unter- 218 schied zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.) verweist 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. c DBA-Frankreich zur Abgrenzung der Betriebsstätten begründenden Tätigkeit des Vertreters von reinen Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht allgemein auf den Negativkatalog des Abs. 3, sondern nennt als Hilfstätigkeiten lediglich den Einkauf von Gütern und Waren (s. Rz. 112). Diese Formulierung ist deutlich enger als der allgemeine Bezug auf Abs. 4 in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA. Daher begründen abhängige Vertreter, die andere Leistungen als Waren (insbes. Dienstleistungen) einkaufen, eine Betriebsstätte. Soweit der Vertreter allerdings ausschließlich sonstige Hilfs- bzw. Vorbereitungstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA verrichtet, wird er in der Regel keine Betriebsstätte für seinen Prinzipal begründen, da er abkommensrechtlich hierfür eine Abschlussvollmacht benötigt, die er dauerhaft ausübt.3 Hieran wird es aber in der Praxis regelmäßig fehlen. Im Ergebnis führt daher die Abweichung im Wortlaut zu keiner anderen Rechtsfolge. Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. d DBA-Frankreich. (Versicherungsvertreter). Im Unter- 219 schied zu Art. 5 OECD-MA enthält Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. d DBA-Frankreich eine eigenständige Regelung für Versicherungsvertreter. Hiernach begründet ein abhängiger Versicherungsvertreter eine Vertreterbetriebsstätte des Versicherungsunternehmens, sofern er im Quellenstaat Prämien empfängt oder auf diesem Gebiet gelegene Risiken versichert. Im Unterschied zum abhängigen Vertreter i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c DBA-Frankreich genügen hier Hilfs- und Vorbereitungstätigkeiten zur Betriebsstättenbegründung. Lediglich die reine Prämienverwaltung scheidet nach dem Notenwechsel v. 21.7.1959 aus den Betriebsstätten begründenden Tätigkeiten aus.4 Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e DBA-Frankreich (Unabhängiger Vertreter). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. e DBA-Frankreich entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
220
Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. f DBA-Frankreich (Anti Organ Klausel). Art. 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. f DBA-Frankreich entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
221
IV. DBA-Großbritannien Allgemeines. Das DBA-Großbritannien 2011 ersetzt das DBA-Großbritannien 1964/70 und basiert auf dem OECD-MA 2008.5
222
Art. 5 Abs. 1 DBA-Großbritannien (feste Geschäftseinrichtung).Art. 5 Abs. 1 DBA- 223 Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.). Allerdings hat Großbritannien in Art. 5 Rz. 45.5 OECD-MK klargestellt, dass ein Internetserver, der 1 2 3 4 5
Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 63. Ebenso Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 66. Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 2 DBA-Frankreich Rz. 70. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 142. Zum Ganzen siehe Schröder, IStR-LB 2010, 38.
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421
Art. 5 Rz. 223–231
Betriebstätte
von einem „E-Tailer“ (Begriff: s. Rz. 169) genutzt wird, als solcher noch keine Betriebsstätte darstellt. 224
Art. 5 Abs. 2 DBA Großbritannien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA Großbritannien entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Großbritannien nennt allerdings in Abweichung zum OECD-MA als Katalogbetriebsstätten nicht andere Stätten der Ausbeutung „von Bodenschätzen“, sondern „von natürlichen Ressourcen“. Diese Definition umfasst auch die Ausbeutung erneuerbarer Energiequellen, wie etwa Wind-Wasser- und Solarkraft (s.a. Rz. 87).
225
Art. 5 Abs. 3 DBA-Großbritannien (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 89 ff.).
226
Art. 5 Abs. 4 DBA-Großbritannien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.).
227
Art. 5 Abs. 5 DBA-Großbritannien (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBAGroßbritannien entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.).
228
Art. 5 Abs. 6 DBA-Großbritannien (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBAGroßbritannien entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
229
Art. 5 Abs. 7 DBA-Großbritannien (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-Großbritannien entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
V. DBA-Indien 230
Art. 5 Abs. 1 DBA-Indien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Indien entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
231
Art. 5 Abs. 2 DBA Indien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–e DBA-Indien entsprechen Art. 5 Abs. 2 Buchst. a–e OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. f OECD-MA (s. Rz. 87) nennt Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Indien im Zusammenhang mit Bodenschätzen auch Einrichtungen und Vorrichtungen für die Erforschung. Damit können auch isolierte Explorationstätigkeiten unter den Voraussetzungen des Abs. 1 eine Betriebsstätte begründen.1 Ferner nennt Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Indien ausdrücklich auch Lager und Verkaufseinrichtungen als beispielhafte Geschäftseinrichtungsbetriebsstätten genannt. Wegen der gem. Art. 5 Abs. 4 DBA-Indien (insbes. Buchst. a) notwendigen Mindestaktivität können aber insbesondere reine Lager ohne Zusatzaktivität keine Betriebsstätte i.S.v. Abs. 1 begründen. Eine Abweichung vom OECD-MA ergibt sich damit nicht.2 In Art. 5 Abs. 2 Buchst. h DBA-Indien werden weiterhin Farmen, Plantagen oder andere Orte, an denen land- oder forstwirtschaftliche, plantagenwirtschaftliche oder verwandte Tätigkeiten als Betriebsstättenbeispiele genannt. Hierdurch kommt es zu einer Normenkonkurrenz zwischen Art. 7 i.V.m. Art. 5 DBA-Indien einerseits und Art. 6 DBA-Indien auf der anderen Seite. Im Ergebnis ist diese jedoch unbeachtlich, da beide Normenkreise das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der nämlichen Tätigkeit dem Belegenheitsstaat zuweisen.3 Schließlich enthält der Betriebsstättenkatalog des Art. 5 Abs. 2 DBA-Indien auch eine Regelung für Bau und Montageausführungen (s.o. Rz. 89 ff.). Aus der systematischen Ansiedelung lassen sich keine Rechtsfolgen für die übrigen in Abs. 2 genannten Katalogbetriebsstätten ziehen. Denn wie Art. 5 Rz. 12 OECD-MK zu entnehmen ist, folgt Indien dem allgemeinen OECD-Verständnis ohne Vorbehalte oder Bemerkungen. Nach diesem müssen die anderen Katalogbetriebsstätten stets die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Abs. 1 erfüllen, um ein Besteuerungsrecht für den Quellenstaat zu begründen. Dementsprechend führt die abweichende Formulierung zu keiner Ausdehnung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs (s.o. Rz. 74) i.S.d. § 12 Satz 2 AO, bei dem nach h.M. auch ein Ort der Geschäftsleitung ohne feste Geschäftseinrichtung als Betriebsstätte angesehen 1 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 16. 2 Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 17. 3 Ebenso: Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 18; Görl in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 18.
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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 231–238 Art. 5
wird (s.o. Rz. 78). Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. i DBA-Indien beträgt die Frist zur Begründung von Bau- oder Montagebetriebsstätten nur sechs Monate. Statt der Begriffe „Planung und Überwachung“ verwendet das DBA den Begriff der „Aufsichtstätigkeit“. Damit werden reine Bauplanungstätigkeiten vom Betriebsstättenbegriff nicht erfasst. Die ausdrückliche Erwähnung der Aufsichtstätigkeit führt aber dazu, dass jegliche Aufsichtstätigkeit über eine Baumaßnahme bei entsprechender Zeitdauer betriebsstättenbegründend wirkt und nicht nur die vom Generalunternehmer ausgeübte.1 Art. 5 Abs. 3 DBA-Indien (Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Erfo- 232 schung und Förderung von Erdöl). Nach Art. 5 Abs. 3 DBA-Indien führen Dienstleistungen, das Vorhalten von Einrichtungen oder das Verleihen von Anlagen und Maschinen im Zusammenhang mit der Prospektion (=Erforschung) oder Förderung von Erdöl zu einer Betriebsstätte. Einer festen Geschäftseinrichtung bedarf es hierzu nicht. Insoweit wird der Betriebsstättenbegriff des Art. 5 OECD-MA, der keine entsprechende Regelung enthält, um eine besondere Form der Dienstleistungsbetriebsstätte erweitert. Die Betriebsstättenfiktion gilt nicht generell für die Exploration oder Ausbeutung von Bodenschätzen. Aufgrund ihres ausdrücklichen Wortlauts gilt sie nur für die Aufsuchung und Förderung von Erdöl.2 Art. 5 Abs. 4 DBA-Indien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 DBA-Indien entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.).
233
Art. 5 Abs. 5 DBA-Indien (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 Buchst. a DBA-In- 234 dien 1995 entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s. Rz. 129 ff.). Der Tatbestand wird jedoch darüber hinaus ausgedehnt. Zum einen begründet ein Vertreter ohne Abschlussvollmacht (s. Rz. 134) eine Betriebsstätte, wenn er einen Bestand an Gütern oder Waren unterhält, aus dem er regelmäßig für das Unternehmen Güter oder Waren ausliefert (Art. 5 Abs. 5 Buchst. b DBA-Indien 1995). Zum anderen begründet die ausschließliche oder fast ausschließliche Einholung von Aufträgen für eines oder mehrere verbundene Unternehmen eine Vertreterbetriebsstätte, sofern diese Tätigkeit gewöhnlich, d.h. dauerhaft (s. Rz. 138) ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 5 Buchst. c DBA-Indien 1995). Ein Verbund im Sinne des DBA-Indien liegt bei einem Beherrschungsverhältnis vor. Dies setzt eine (un-)mittelbare Beteiligung von mehr als 50 % voraus. Art. 5 Abs. 6 DBA-Indien (Unabhängiger Vertreter). Vom Wortlaut her verlangt 235 Art. 5 Abs. 6 DBA-Indien 1995 mehr als das OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.), da der Vertreter in seinen kaufmännischen und finanziellen Beziehungen vom vertretenen Unternehmen unabhängig sein muss. Vom Wortlaut her wird damit der Fremdvergleichsmaßstab als Kriterium für die Unabhängigkeit eingeführt.3 Inhaltlich entspricht diese Anforderung aber dem unbestimmten Tatbestandsmerkmal der Unabhängigkeit (s. Rz. 133). Damit wird deutlich, dass auch typischerweise unabhängige Vertreter, wie insb. die Kommissionäre, wirtschaftlich abhängige Vertreter i.S.d. Art. 5 Abs. 5 sein können. Art. 5 Abs. 7 DBA-Indien (Anti-Organ-Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-Indien ent- 236 spricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
VI. DBA-Italien Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien 237 entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.). Zwar muss gem. Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien die Tätigkeit „in der“ und nicht wie im OECD-MA „durch die“ Geschäftseinrichtung ausgeübt werden. Inhaltliche Unterschiede ergeben sich hieraus nicht.4 Art. 5 Abs. 2 DBA Italien (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA Italien entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). Der in Art. 5 Rz. 12 OECD-MK vertretenen 1 2 3 4
Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 25. Ebenso Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 35. Vgl. Strauß in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Indien Rz. 55. Vgl. Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 34.
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423
238
Art. 5 Rz. 238–245
Betriebstätte
Auffassung, die in Art. 5 Abs. 2 OECD-MA genannten Beispiele von Betriebsstätten begründeten nur dann Betriebsstätten, wenn sie die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllten, hat Italien widersprochen (vgl. Art. 5 Rz. 43 OECD-MK). Nach ital. Auffassung ist bei diesen Beispielen stets eine Betriebsstätte anzunehmen.1 Damit entspricht das diesbezügliche italienische Abkommensverständnis dem des § 12 AO. Dafür spricht auch die Erfassung der Bauausführung und Montage (s.o. Rz. 89 ff.) unter Buchst. g in Art. 5 Abs. 2 DBA-Italien 1990, der damit weitgehend dem § 12 Satz 2 AO entspricht (s.o. Rz. 74). Bedeutung hat dies insbesondere für den Ort der Leitung, der damit auch dann eine Betriebsstätte begründen kann, wenn er keiner festen Geschäftseinrichtung zuzuordnen ist (s.a. Rz. 73). 239
Art. 5 Abs. 4 DBA-Italien (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 Buchst. a)–e) DBA-Italien entsprechen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a)–e) OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.). Zwar fehlt in Art. 5 Abs. 3 DBA-Italien eine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA zur Geschäftsverdichtung (s. Rz. 123). Nach dem Willen der Vertragsparteien soll sich aber daraus keine abweichende Regelung im Verhältnis Deutschland-Italien ergeben.2
240
Art. 5 Abs. 4 DBA-Italien (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 4 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.).
241
Art. 5 Abs. 5 DBA-Italien (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
242
Art. 5 Abs. 6 DBA-Italien (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 6 DBA-Italien entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
VII. DBA-Japan 243
Art. 5 Abs. 1 DBA-Japan (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Japan entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
244
Art. 5 Abs. 2 DBA Japan (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a)–f) DBA Japan entsprechen weitgehend Art. 5 Abs. 2 Buchst. a)–f) OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). Lediglich Öl- und Gasvorkommen sind in Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Japan nicht enthalten. Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Japan, der die Betriebsstätteneigenschaft von Bau und Montageausführungen definiert, basiert auf dem OECD-MA 1963.3 Inhaltlich entspricht er Art. 5 Abs. 3 OECD-MA 2008 (s.o. Rz. 89 ff.). Nachdem Japan – im Unterschied zu Italien (s. Rz. 237) – der Beispielhaftigkeit des Positivkatalogs in Abs. 2 (vgl. Art. 5 Rz. 12 OECD-MK) nicht widersprochen hat, ist aus dieser Gesetzessystematik im Rahmen des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie keine konstitutive Wirkung abzuleiten. Zum Notenwechsel 1966 hat das BMF mitgeteilt, dass zwischenstaatliches Einvernehmen besteht, auch Bauüberwachungstätigkeiten in Zusammenhang mit einer Bauausführung oder Montage als Betriebsstätten begründend anzusehen sind.4 Im Notenwechsel zum Revisionsprotokoll 19795 ist diese Aussage nicht mehr enthalten. In jedem Fall wird aber deutlich, dass eine isolierte Bauüberwachung nicht ausreicht. Im Ergebnis ist die Überwachungstätigkeit nur in die Fristberechnung einzubeziehen, sofern der Unternehmer selbst vor Ort tätig geworden ist. Dies entspricht dem Verständnis des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s. Rz. 95).
245
Art. 5 Abs. 3 DBA-Japan (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 Buchst. a)–e) DBA-Japan entsprechen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a)–e) OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.). Zwar fehlt in Art. 5 Abs. 3 DBA-Japan eine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA zur Geschäftsverdichtung (s. Rz. 123). Nach dem Willen der Vertragsparteien soll sich aber daraus keine abweichende Regelung im Verhältnis Deutschland-Japan ergeben.6
1 2 3 4 5 6
Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Italien Rz. 12. Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Italien Rz. 16. Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Japan Rz. 8. Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Japan Rz. 8. V. 17.4.1979. Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Japan Rz. 9, 73.
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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 246–261 Art. 5
Art. 5 Abs. 4 DBA-Japan (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 4 DBA-Japan ent- 246 spricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.). Art. 5 Abs. 5 DBA-Japan (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Japan ent- 247 spricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.). Art. 5 Abs. 6 DBA-Japan (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 6 DBA-Japan entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
248
VIII. DBA-Kanada Art. 5 Abs. 1 DBA-Kanada (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
249
Art. 5 Abs. 2 DBA-Kanada (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Kanada entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.).
250
Art. 5 Abs. 3 DBA-Kanada (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA- 251 Kanada entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 89 ff.). Art. 5 Abs. 4 DBA-Kanada (Nutzung schwimmender Einrichtungen). Das OECD- 252 MA enthält keine entsprechende Regelung. Gem. Art. 5 Abs. 4 DBA-Kanada begründet die Nutzung von Einrichtungen, Bohrinseln oder Schiffen in einem Vertragsstaat, die der Erforschung oder Ausbeutung von Naturschätzen dienen, eine Betriebsstätte, jedoch nur, wenn sie in einem Zwölfmonatszeitraum länger als drei Monate zu diesem Zweck eingesetzt werden. In Abweichung von Abs. 1 muss die Einrichtung nicht ortsfest sein.1 Da es für den Dreimonatszeitraum nur auf die Nutzung geeigneter Einrichtungen ankommt, ist insbesondere bei Schiffen der gesamte Zeitraum auf dem jeweiligen Hoheitsgebiet (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. b DBA-Kanada 2001) vom Ablegen bis zum Anlegen in die Fristberechnung einzubeziehen. Art. 5 Abs. 5 DBA-Kanada (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 5 Buchst. DBA-Kanada 253 entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.). Art. 5 Abs. 6 DBA-Kanada (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-Kanada ent- 254 spricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.). Art. 5 Abs. 7 DBA-Kanada (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 7 DBA-Kanada 255 entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.). Art. 5 Abs. 8 DBA-Kanada (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 8 DBA-Kanada ent- 256 spricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
IX. DBA-Luxemburg 257
Art. 5 DBA-Luxemburg 2012 entspricht vollumfänglich Art. 5 OECD-MA.
X. DBA-Niederlande Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
258
Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlan- 259 de 2012 entspricht Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 89 ff.).
260
Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 (Tätigkeiten vor der Küste). Eine Art. 5 Abs. 4 261 DBA-Niederlande 2012 entsprechende Regelung enthält das OECD-MA nicht. Es handelt sich um eine besondere Form der Dienstleistungsbetriebsstätte (s.o. Rz. 9). So können die Vertragsstaaten sämtliche Tätigkeiten von Unternehmen des anderen Staates (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h DBA-Niederlande 2012) auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1
1 Ebenso: W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Kanada Rz. 40.
Hruschka
425
Art. 5 Rz. 261–265
Betriebstätte
und 2 DBA-Niederlande 2012 besteuern, wenn diese Tätigkeiten im Küstenmeer oder ausschließlichen Wirtschaftszone (s.o. Rz. 5) an mindestens 30 Tagen während eines Zeitraums von 12 Monaten verrichtet werden. Im Ergebnis wird damit das Besteuerungsrecht der Küstenstaaten für sämtliche Tätigkeiten i.S.v. Art. 56 i.V.m. Art. 77 SRÜ (s.o. Rz. 5) abkommensrechtlich manifestiert. Dem entsprechend können die Küstenstaaten insbesondere auch Gewinne aus Fischerei, Transport- oder auch Wartungsaktivitäten, z.B. an Off-Shore-Windparks, besteuern. Hierunter fällt z.B. auch die Zur-Verfügung-Stellung von Rohr- und Kabelleitungen zum Transport der erzeugten Energie. Ausgenommen sind nur Tätigkeiten aus nichtselbständiger Arbeit (Art. 14 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012) sowie die in Abs. 5 genannten Vorbereitungs- und/oder Hilfstätigkeiten. Offen ist das Konkurrenzverhältnis von Abs. 3 (Bau- und Montageausführung) zu Abs. 4 (Tätigkeiten im Küstenmeer). Bedeutsam wird dies bei Bauausführungen und Montagen, deren Dauer die Mindestfrist von 12 Monaten nicht überschreitet. Denn bei beiden Vorschriften handelt es sich um eine Form der Dienstleistungsbetriebsstätte, die lediglich an eine (unterschiedliche) Dauer der Tätigkeit anknüpft. Im Ergebnis ist dieser Konflikt zu Gunsten des Art. 5 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 als der spezielleren Norm zu entscheiden. Dies entspricht auch dem allgemeinen Normenverhältnis von Abs. 1 zu Abs. 3 (vgl. Art. 5 Rz. 16 OECD-MK). Daher verbleibt das Besteuerungsrecht auch dann im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers, wenn er an mindestens 30 Tagen Bau- und oder Montagetätigkeiten von einer Gesamtdauer unter 12 Monaten vor der Küste verrichtet. Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 erfasst § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG bzw. § 1 Abs. 2 KStG nur die Erforschung, Ausbeutung und Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien. Sonstige Tätigkeiten wie z.B. die Fischerei, die Errichtung von Anlagen, deren Wartung oder der Transport von Energie werden – im Unterschied zu Art. 56 SRÜ – von dem nationalen Inlandsbegriff nicht erfasst. Trotz Besteuerungsrecht gem. DBA können daher solche Tätigkeiten nicht in den Katalog der inländischen Einkünfte i.S.v. § 49 EStG fallen. 262
Art. 5 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 (Hilfstätigkeiten vor der Küste). Eine dem Art. 5 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 entsprechende Regelung enthält das OECD-MA nicht. Inhaltlich grenzt die Vorschrift folgende Tätigkeiten aus dem Tätigkeitsbereich des Abs. 4 aus: a) Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeiten i.S.d. Abs. 7 (s.u. Rz. 263), b) das Schleppen oder Ankerziehen durch Schiffe, die hauptsächlich für diesen Zweck vorgesehen sind, und alle anderen von diesen Schiffen durchgeführten Tätigkeiten sowie c) die Beförderung von Vorräten oder Personal durch Schiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr. Im Ergebnis verbleibt das Besteuerungsrecht für diese Tätigkeiten unabhängig von ihrer Dauer im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers.
263
Art. 5 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 (Tätigkeiten verbundener Unternehmen vor der Küste). Eine dem Art. 5 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 entsprechende Regelung enthält das OECD-MA nicht. Nach Abs. 6 werden die zeitlich aufeinander folgenden Tätigkeiten verbundener Unternehmen an demselben Projekt wechselseitig zugerechnet. Dauert die Projekttätigkeit sämtlicher verbundener Unternehmen mindestens 30 Tage innerhalb von 12 Monaten, wird jedes der verbundenen Unternehmen so behandelt, als habe es selbst die Fristvoraussetzungen erfüllt. Im Ergebnis erhält damit der Quellenstaat das Besteuerungsrecht für die gesamte Projekttätigkeit unabhängig davon, wie viele verbundene Unternehmen hierin eingebunden waren. Gem. Art. 5 Abs. 6 Satz 2 DBA-Niederlande 2012 gilt ein Unternehmen als verbunden, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar über mindestens ein Drittel des Kapitals des anderen Unternehmens oder eine Person unmittelbar oder mittelbar über mindestens ein Drittel des Kapitals beider Unternehmen verfügt.
264
Art. 5 Abs. 7 DBA-Niederlande 2012 (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 7 Buchst. DBANiederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.).
265
Art. 5 Abs. 8 DBA-Niederlande (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 8 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.).
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K. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 266–277 Art. 5
Art. 5 Abs. 9 DBA-Niederlande 2012 (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 7 DBA- 266 Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.). Art. 5 Abs. 10 DBA-Niederlande 2012 (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 10 DBA- 267 Niederlande 2012 entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
XI. DBA-Österreich 268
Art. 5 DBA-Österreich entspricht vollumfänglich Art. 5 OECD-MA.
Rz. 2 des Schlussprotokolls zu Art. 5 DBA-Österreich (Anti-Organ-Klausel). Rz. 2 269 des Schlussprotokolls zum DBA-Österreich weitet Art. 5 Abs. 6 DBA-Österreich in Bezug auf die Vertreterbetriebsstätten des Art. 5 Abs. 5 und 6 DBA-Österreich dahin aus, dass eine Vertreterbetriebsstätte selbst bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen nicht anzunehmen ist, wenn die jeweiligen Funktionen durch Ansatz angemessener Verrechnungspreise abgegolten werden.
XII. DBA-Russland 270
Art. 5 DBA-Russland entspricht vollumfänglich Art. 5 OECD-MA.
XIII. DBA-Schweiz Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA- 271 Schweiz entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.). Zwar muss die Tätigkeit nach dem Wortlaut nur „in der“ und nicht „durch die“ Betriebsstätte erfolgen. Abweichende Rechtsfolgen ergeben sich hieraus jedoch nicht.1 Art. 5 Abs. 2 DBA Schweiz (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a)–f) DBA 272 Schweiz entsprechen weitgehend Art. 5 Abs. 2 Buchst. a)–f) OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). Im Unterschied zu Art. 5 Abs. 2 Buchst. f OECD-MA nennt Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Schweiz keine Öl- oder Gasvorkommen als beispielhafte Betriebsstätten. Er wird aber vom Begriff „andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen“ umfasst. Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Schweiz, der die Betriebsstätteneigenschaft von Bau- und Montageausführungen definiert, basiert auf dem OECD-MA 1963.2 Inhaltlich entspricht er Art. 5 Abs. 3 OECD-MA 2008 (s.o. Rz. 89 ff.). Nachdem die Schweiz – im Unterschied zu Italien (s. Rz. 237) – der Beispielhaftigkeit des Positivkatalogs in Abs. 2 (vgl. Art. 5 Rz. 12 OECD-MK) nicht widersprochen hat, ist aus dieser Gesetzessystematik im Rahmen des Grundsatzes der Entscheidungsharmonie keine konstitutive Wirkung abzuleiten. Art. 5 Abs. 3 DBA-Schweiz (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 3 Buchst. a)–e) DBA- 273 Schweiz entsprechen Art. 5 Abs. 4 Buchst. a)–e) OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.). Zwar fehlt in Art. 5 Abs. 3 DBA-Schweiz eine Regelung i.S.d. Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA zur Geschäftsverdichtung (s. Rz. 123). Nach dem Willen der Vertragsparteien soll sich aber daraus keine abweichende Regelung im Verhältnis Deutschland-Schweiz ergeben.3 Art. 5 Abs. 4 DBA-Schweiz (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 4 DBA-Schweiz ent- 274 spricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.). Art. 5 Abs. 5 DBA-Schweiz (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Schweiz entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
275
Art. 5 Abs. 6 DBA-Schweiz (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 6 DBA-Schweiz ent- 276 spricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
XIV. DBA-Spanien Allgemeines. Das DBA-Spanien 2011 ersetzt das DBA-Spanien 1966. Es basiert auf dem OECD-MA 2008.
1 Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 1. 2 Scherer in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 28. 3 Ebenso Scherer Wassermeyer Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 56.
Hruschka
427
277
Art. 5 Rz. 278–292
Betriebstätte
278
Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBASpanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.).
279
Art. 5 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.). In Art. 5 Abs. 2 Buchst. f DBA-Spanien 2011 werden allerdings nicht andere Stätten der Ausbeutung „von Bodenschätzen“, sondern „von natürlichen Ressourcen“ genannt. Diese Definition umfasst auch die Ausbeutung erneuerbarer Energiequellen, wie etwa Wind-Wasser- und Solarkraft (s.a. Rz. 87).
280
Art. 5 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 89 ff.).
281
Art. 5 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 Buchst. DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.).
282
Art. 5 Abs. 5 DBA-Spanien 2011 (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.).
283
Art. 5 Abs. 6 DBA-Spanien 2011 (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
284
Art. 5 Abs. 7 DBA-Spanien 2011 (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
XV. DBA-USA 285
Allgemeines. Art. 5 DBA-USA 1989/2006 entspricht fast vollständig dem Wortlaut des Art. 5 OECD-MA.
286
Art. 5 Abs. 1 DBA-USA (feste Geschäftseinrichtung). Art. 5 Abs. 1 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (s.o. Rz. 31 ff.). Lediglich im Schlussprotokoll Nr. 3 zum DBA wird klargestellt, dass für auftretende Künstler, die nicht unter Art. 17 fallen (z.B. da ihre Einnahmen aus dieser Tätigkeit 20 000 $ im betreffenden Kalenderjahr nicht übersteigen), erst ab 183 Tage Verweildauer im Quellenstaat das Vorhandensein einer Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 DBA-USA 1989/2006 geprüft werden darf.
287
Art. 5 Abs. 2 DBA-USA (Positivkatalog). Art. 5 Abs. 2 DBA-USA entspricht weitgehend Art. 5 Abs. 2 OECD-MA (s.o. Rz. 72 ff.).
288
Art. 5 Abs. 3 DBA-USA (Bau und Montageausführungen). Art. 5 Abs. 3 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (s.o. Rz. 89 ff.).
289
Art. 5 Abs. 4 DBA-USA (Negativkatalog). Art. 5 Abs. 4 Buchst. DBA-USA entspricht weitgehendArt. 5 Abs. 4 OECD-MA (s.o. Rz. 107 ff.). Abweichend vom OECDMA nennt Art. 5 Abs. 4 Buchst. e DBA-USA 1989/2006 allerdings als Hilfstätigkeiten, die keine Betriebsstätte begründen, das Werben und das Erteilen von Informationen sowie wissenschaftliche Aktivitäten für das Unternehmen. Die Aufzählung ist beispielhaft und begründet keine materielle Abweichung vom OECD-MA (vgl. Art. 5 Rz. 23 OECD-MK).1
290
Art. 5 Abs. 5 DBA-USA (Abhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 5 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (s.o. Rz. 129 ff.).
291
Art. 5 Abs. 6 DBA-USA (Unabhängiger Vertreter). Art. 5 Abs. 6 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 6 OECD-MA (s.o. Rz. 143 ff.).
292
Art. 5 Abs. 7 DBA-USA (Anti Organ Klausel). Art. 5 Abs. 7 DBA-USA entspricht Art. 5 Abs. 7 OECD-MA (s.o. Rz. 149 ff.).
1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 5 DBA-USA Rz. 43.
428
Hruschka
Abschnitt III. Besteuerung des Einkommens Artikel 6
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (1) Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben) bezieht, das im anderen Vertragsstaat liegt, können im anderen Staat besteuert werden. (2) Der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ hat die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaats zukommt, in dem das Vermögen liegt. Der Ausdruck umfasst in jedem Fall das Zubehör zum unbeweglichen Vermögen, das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen sowie Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen; Schiffe und Luftfahrzeuge gelten nicht als unbewegliches Vermögen. (3) Absatz 1 gilt für die Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens. (4) Die Absätze 1 und 3 gelten auch für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu Art. 7 . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu Art. 8 . . . . . . . . . . . c) Verhältnis zu Art. 10 . . . . . . . . . . d) Verhältnis zu Art. 11 . . . . . . . . . . e) Verhältnis zu Art. 12 . . . . . . . . . . f) Verhältnis zu Art. 13 . . . . . . . . . . g) Verhältnis zu Art. 21 . . . . . . . . . . h) Verhältnis zu Art. 22 . . . . . . . . . . 2. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . a) Deutschland als Belegenheitsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutschland als Ansässigkeitsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
.. . . . . . . . . . . . . . .
1
. . . . . . . . . . . . . .
1 4 8 11 11 11 15 16 18 20 21 24 25 26
..
26
..
27
B. Belegenheitsprinzip (Absatz 1) . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkünftebegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezug von Einkünften . . . . . . . . . . . . III. In einem Vertragsstaat ansässige Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Im anderen Vertragsstaat belegenes unbewegliches Vermögen . . . . . . . . . 1. Begriff des unbeweglichen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
30 30
. . .
31 31 33
.
34
.
37
.
37
2. Belegenheit im anderen Vertragsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsfolge: Zuweisung des Besteuerungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerungsrecht des Quellenstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausübung des Besteuerungsrechts . . C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2). I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verweis auf das Recht des Belegenheitsstaats (Absatz 2 Satz 1) . . . . . . . 1. Recht des Belegenheitsstaats . . . . . . . 2. Unbewegliches Vermögen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgebliche Vorschriften . . . . . . . b) Grundstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gebäudeteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestandteile eines Gebäudes/Betriebsvorrichtungen . . . . . . . . . . . . f) Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen . . . . . . . . . . . . . g) Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . III. Konkretisierung des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ (Absatz 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Positivkatalog (Absatz 2 Satz 2 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu Absatz 2 Satz 1 . . . . . b) Zubehör zum unbeweglichen Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lebendes und totes Inventar landund forstwirtschaftlicher Betriebe .
Lieber
38 39 39 40 42 42 43 43 44 44 45 48 49 50
52 58
60 60 60 61 62
429
Art. 6
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
d) Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . . . . aa) Dingliche Nutzungsrechte . . . bb) Obligatorische Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ausbeuterechte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Negativkatalog (Absatz 2 Satz 2 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einkünfte aus jeder anderen Art der Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abgrenzung zur Veräußerung . . . . . .
.
66
. .
67 68
. .
73 74
.
81
. .
84 84
.
85
.
89
. .
95 96
E. Unternehmerisch genutztes unbewegliches Vermögen (Absatz 4) . 97 I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Vorrang des Belegenheits- vor dem Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . . . . 98 1. Einkünfte eines Unternehmens . . . . . 98 2. Unbewegliches Vermögen im Ansässigkeitsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Unbewegliches Vermögen in einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 F. Deutsches Muster-DBA. . . . . . . . . . . . 103 G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . .
430
Lieber
. . . . . . . . . . . . . . .
104 104 104 107 109 110 110 112 113 115 115 121 124 126 126
2. V. 1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. 4. X. 1. 2. 3. 4. XI. 1. 2. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3.
Vermeidung der Doppelbesteuerung . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Luxemburg 2012 . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Niederlande 2012 . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .
127 129 129 131 132 134 134 136 137 139 139 142 144 146 146 151 153 155 155 159 163 164 166 166 171 176 178 182 182 183 184 184 187 189 191 191 194 196 198 198 201 206 208 208 209 211
Art. 6
OECD-Musterkommentar
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 6 CONCERNING THE TAXATION OF INCOME FROM IMMOVABLE PROPERTY 1. Paragraph 1 gives the right to tax income from immovable property to the State of source, that is, the State in which the property producing such income is situated. This is due to the fact that there is always a very close economic connection between the source of this income and the State of source. Although income from agriculture or forestry is included in Article 6, Contracting States are free to agree in their bilateral conventions to treat such income under Article 7. Article 6 deals only with income which a resident of a Contracting State derives from immovable property situated in the other Contracting State. It does not, therefore, apply to income from immovable property situated in the Contracting State of which the recipient is a resident within the meaning of Article 4 or situated in a third State; the provisions of paragraph 1 of Article 21 shall apply to such income. 2. Defining the concept of immovable property by reference to the law of the State in which the property is situated, as is provided in paragraph 2, will help to avoid difficulties of interpretation over the question whether an asset or a right is to be regarded as immovable property or not. The paragraph, however, specifically mentions the assets and rights which must always be regarded as immovable property. In fact such assets and rights are already treated as immovable property according to the laws or the taxation rules of most OECD member countries. Conversely, the paragraph stipulates that ships, boats and aircraft shall never be considered as immovable property. No special provision has been included as regards income from indebtedness secured by immovable property, as this question is settled by Article 11. 3. Paragraph 3 indicates that the general rule applies irrespective of the form of exploitation of the immovable property. Paragraph 4 makes it clear that the provisions of paragraphs 1 and 3 apply also to income from immovable property of industrial, commercial and other enterprises. Income in the form of distributions from Real Estate Investment Trusts (REITs), however, raises particular issues which are discussed in paragraphs 67.1 to 67.7 of the Commentary on Article 10. 4. It should be noted in this connection that the right to tax of the State of source has priority over the right to tax of the other State and applies also where, in the case of an enterprise, income is only indirectly derived from immovable property. This does not prevent income from immovable property, when derived through a permanent establishment, from being treated as income of an enterprise, but secures that income from immovable property will be taxed in the State in which the property is situated also in the case where such property is not part of a permanent establishment situated in that State. It should further be noted that the provisions of the Article do not prejudge the application of domestic law as regards the manner in which income from immovable property is to be taxed. Reservations on the Article 5. Finland reserves the right to tax income of shareholders in Finnish companies from the direct use, letting, or use in any other form of the right to enjoyment of immovable property situated in Finland and held by the company, where such right is based on the ownership of shares or other corporate rights in the company. 6. France wishes to retain the possibility of applying the provisions in its domestic laws relative to the taxation of income from shares or rights, which are treated therein as income from immovable property. 7. Spain reserves its right to tax income from any form of use of a right to enjoyment of immovable property situated in Spain when such right derives from the holding of shares or other corporate rights in the company owning the property. Lieber
431
Art. 6
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
8. Canada reserves the right to include in paragraph 3 a reference to income from the alienation of immovable property. 9. New Zealand reserves the right to include fishing and rights relating to all natural resources under this Article. 10. The United States reserves the right to add a paragraph to Article 6 allowing a resident of a Contracting State to elect to be taxed by the other Contracting State on a net basis on income from real property. 11. Australia reserves the right to include rights relating to all natural resources under this Article. 12. Mexico reserves the right to treat as immovable property any right that allows the use or enjoyment of immovable property situated in a Contracting State where that use or enjoyment relates to time sharing since under its domestic law such right is not considered to constitute immovable property.
POSITIONS ON ARTICLE 6 (INCOME FROM IMMOVABLE PROPERTY) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article Paragraph 1 1. India and Indonesia wish to address the issue of the inclusion of the words “including income from agriculture or forestry” through bilateral negotiations. Paragraph 2 2. Given the meaning of the term “immovable property” under its domestic law, Belarus reserves the right to omit the second sentence of this paragraph. 2.1 Latvia and Lithuania reserve the right to include in the definition of the term “immovable property” any option or similar right to acquire immovable property. 2.2 Estonia reserves the right to include in the definition of the term “immovable property” any right of claim in respect of immovable property because such right of claim may not be included in its domestic law’s meaning of the term. 3. Lithuania reserves the right to modify the second sentence of the definition of the term “immovable property” to make clear that the sentence does not apply for domestic law purposes. 3.1 Morocco wishes to retain the possibility of applying the provisions in its domestic laws relative to the taxation of income from shares or rights, which are treated therein as income from immovable property. Paragraph 3 4. Latvia and Lithuania reserve the right to include in paragraph 3 a reference to income from the alienation of immovable property. 5. Latvia and Lithuania also reserve the right to tax income of shareholders in resident companies from the direct use, letting, or use in any other form of the right to enjoyment of immovable property situated in their country and held by the company, where such right is based on the ownership of shares or other corporate rights in the company.
432
Lieber
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–5 Art. 6
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 6 Ausgewählte Literatur: Bisle, Das neue DBA-Spanien, PIStB 2011, 163; Büttgen/Kaiser/Raible, Praxishinweise zum neuen DBA mit Großbritannien, BB 2011, 862; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des Internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1285; Demuth, Auslandsimmobilien und – beteiligungen im Ertragsteuerrecht, KÖSDI 2010, 17245; Eisennack/Pohl, Altes und Neues zur Besteuerung von Immobilieninvestitionen in Großbritannien, IStR 2007, 259; Gaillinger, Solaranlagen und Windkraftanlagen im OECD-Musterabkommen, IWB Fach 10, Gruppe 2, 2033 (2008); Günkel, Einschaltung ausländischer Besitzgesellschaften, StbJb 1998/99, 143; Hoheisel, Ertragsteuerliche Folgen bei der Investition in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Ausland, IWB 2010, 521; Holthaus, Ausländische Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und deren Veräußerung nach den DBA – Streitfall Spanien und andere DBA, IStR 2011, 385; Käshammer/Kestler, Das neue DBA-Luxemburg: Bestandsaufnahme und erste Folgerungen für die Beratungspraxis, IStR 2012, 477; Kessler/Arnold, Unbewegliches Vermögen im neuen DBA-Niederlande, IStR 2012, 519; Plewka/Beck, Qualifikation als Immobiliengesellschaft nach dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2007, 125; Reimer, Seminar I: Unbewegliches Vermögen und DBA, IStR 2011, 677; Scholten/Griemla, Abkommensrechtliche Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen bei Fehlen einer Art. 13 OECD-MA entsprechenden Spezialvorschrift – Auslegungshinweise unter anderem zum aktuellen DBA-Australien, IStR 2008, 661; Tischbirek, Steuerplanungsüberlegungen bei Immobilieninvestitionen durch Steuerausländer im Inland, in: Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. 2011, 1187 ff.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Belegenheitsprinzip. Für Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens 1 wird dem Staat, in dem das Vermögen belegen ist, ein vollumfängliches Besteuerungsrecht zugewiesen. Das Besteuerungsrecht des Quellenstaats wird mit der finanzwissenschaftlichen Erwägung gerechtfertigt, dass das Grundvermögen als Quelle der Einkünfte wirtschaftlich eng mit dem Belegenheitsstaat verbunden ist (vgl. Art. 6 Rz. 1 Satz 2 OECD-MK). Für die Bestimmung und den Umfang des unbeweglichen Vermögens wird auf das Recht des Quellenstaats Bezug genommen. Dadurch sollen potentielle Konflikte der Vertragsstaaten über die Zuordnung von Vermögenswerten und Rechten zum unbeweglichen Vermögen vermieden werden. Vorrang des Belegenheitsprinzips. Die Steuerberechtigung des Quellenstaats gilt 2 selbst dann, wenn das unbewegliche Vermögen zu einem Unternehmen gehört. Dadurch wird erreicht, dass Einkünfte aus dem Immobilienvermögen auch dann in dem Staat besteuert werden, in dem sich das Vermögen befindet, wenn das Vermögen nicht zu einer in diesem Staat gelegenen Betriebsstätte gehört. Verteilungsnorm mit offener Rechtsfolge (unvollständige Verteilungsnorm). Art. 6 bezieht sich nur auf den Quellenstaat. Die Besteuerung im Wohnsitzstaat wird nicht geregelt. Diese richtet sich nach Art. 23 A oder B.
3
II. Aufbau der Vorschrift Abs. 1 enthält den Grundgedanken der Vorschrift, d.h. Tatbestand und Rechtsfol- 4 ge. Das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben), die eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person bezieht, wird dem Belegenheitsstaat zugewiesen. Die Doppelbesteuerung wird dementsprechend durch den Wohnsitzstaat des Einkünfteempfängers vermieden. Abs. 2 verweist für die Bestimmung des „unbeweglichen Vermögens“ auf das natio- 5 nale Recht des Belegenheitsstaats (Satz 1). Satz 2 Halbs. 1 enthält einen Positivkatalog von Vermögenswerten und Rechten, die unabhängig vom Recht des Belegenheitsstaats immer zum unbeweglichen Vermögen gehören. Satz 2 Halbs. 2 schließt Schiffe und Luftfahrzeuge ausdrücklich aus (Negativkatalog).
Lieber
433
Art. 6 Rz. 6–12
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
6
Abs. 3 stellt klar, dass das Belegenheitsprinzip ohne Rücksicht auf die Art der Nutzung des unbeweglichen Vermögens gilt. Insofern konkretisiert Abs. 3 neben Abs. 2 die Tatbestandsmerkmale des Abs. 1.
7
Abs. 4 regelt den Vorrang des Belegenheitsprinzips vor dem Unternehmensgewinnartikel (Art. 7). Damit wird sichergestellt, dass dem Belegenheitsstaat auch dann das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen zusteht, wenn das Vermögen nicht einer dort gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen ist.
III. Rechtsentwicklung 8
OECD-MA 1963. Art. 6 besteht im Wesentlichen noch in der Fassung des OECDMA 1963.
9
Im OECD-MA 1977 wurde für Abs. 1 klargestellt, dass das unbewegliche Vermögen „im anderen Vertragsstaat“ belegen sein muss. Außerdem wurde der Klammerzusatz zur Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben aufgenommen. In Abs. 2 wurden geringfügige sprachliche Änderungen vorgenommen, ohne dass damit eine materiell-rechtliche Änderung verbunden war. In Abs. 4 wurde statt des Ausdrucks „freier Beruf“ die weitere Formulierung „selbständige Arbeit“ gewählt.
10
Im OECD-MA 2000/2005 wurde in Abs. 4 der Hinweis auf Art. 14 a.F. MA (unbewegliches Vermögen, das der Ausübung einer selbständigen Arbeit dient) gestrichen. Da die selbständige Arbeit i.S. des Art. 14 a.F. nun in den Anwendungsbereich von Art. 7 fällt, führte die Streichung nicht zu einer materiell-rechtlichen Änderung.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht a) Verhältnis zu Art. 7 11
Vorrang von Art. 6. Die Zuteilungsnorm hat Vorrang vor Art. 7, wenn es sich um die Nutzung von unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens handelt. Das gilt allerdings nur bei der Nutzung unternehmerisch gebundenen Vermögens für die indirekte Einkünfteerzielung (z.B. Verpachtung), nicht aber für die Nutzung als Produktionsstätte;1 das Produktionsvermögen kann sich nur im Rahmen der Gewinnermittlung bei Art. 7 auswirken. Einkünfte aus der Eigennutzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens fallen dagegen in den Anwendungsbereich von Art. 6. Auch Einkünfte aus der Gestattung bzw. Duldung der Ausbeutung von Bodenschätzen werden von Art. 6 erfasst. Der „Ausbeuter“ selbst erzielt demgegenüber Unternehmensgewinne, soweit er als gewerblicher Unternehmer in dem Vertragsstaat, in dem die Bodenschätze belegen sind, eine Betriebsstätte unterhält. Nach Art. 6 Rz. 4 OECD-MK soll das Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats auch dann vorgehen, wenn im Rahmen eines Unternehmens Einkünfte nur mittelbar aus unbeweglichem Vermögen stammen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen auch dann in dem Staat besteuert werden, in dem das Vermögen belegen ist, wenn das Vermögen nicht zu einer dort vorhandenen Betriebsstätte gehört, wenn also Betriebsstättenstaat und Belegenheitsstaat auseinander fallen. Dementsprechend kann es auch ohne Betriebsstätte im Belegenheitsstaat nicht zu einem Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats kommen.
12
Betriebsstätte im Belegenheitsstaat. Unterhält das Unternehmen im Belegenheitsstaat eine Betriebsstätte und wird das Immobilienvermögen dieser Betriebsstätte zugerechnet, wirkt sich das Vorrangverhältnis i.d.R. nur bei der Anwendung des Methodenartikels aus. Denn häufig ist die Steuerfreistellung der Betriebsstätteneinkünfte im Belegenheitsstaat an Aktivitätsvorbehalte geknüpft, während die Frei-
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 106; Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 26.
434
Lieber
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 12–17 Art. 6
stellung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 regelmäßig ohne weitere Vorbehalte und Bedingungen erfolgt.1 Unternehmerische Einkünfte. Die Feststellung, ob es sich um unternehmerisch 13 genutztes Vermögen handelt, richtet sich nach Abkommensrecht. Rechtsform spezifische Fiktionen wie die gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG spielen hierbei keine Rolle. Für die Annahme eines Unternehmens kommt es allein auf die tatsächliche Betätigung einer Personengesellschaft an. Eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, die nur vermietend/verpachtend tätig ist, erzielt abkommensrechtlich keine Unternehmensgewinne, sondern Einkünfte gem. Art. 6. Die Rspr.2 und die h.M. im Schrifttum3 befürworten eine abkommensautonome Auslegung des Begriffs „Unternehmensgewinne“. Unternehmerische Einkünfte liegen nur vor, wenn und soweit die Personengesellschaft tatsächlich eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt. Gleiches gilt für das innerstaatliche Konstrukt der „mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung“, mit dem die Einkünfte der Besitzgesellschaft, die vermögensverwaltender Natur sind, in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden.4 Land- und Forstwirtschaft. Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrie- 14 ben werden nach dem Klammerzusatz in Art. 6 Abs. 1 als Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen behandelt. Nach Art. 6 Rz. 1 Satz 3 OECD-MK steht es den Vertragsstaaten aber frei, diese Einkünfte abweichend hiervon als Unternehmensgewinne zu qualifizieren. Wenn von dieser Option Gebrauch gemacht wird, geht insofern Art. 7 dem Art. 6 vor. b) Verhältnis zu Art. 8 Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrzeugen. 15 Für Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrzeugen gilt vorrangig Art. 8. Außerdem werden Schiffe und Luftfahrzeuge nach der ergänzenden abkommensrechtlichen Abgrenzung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich von Art. 6 ausgenommen. Insofern besteht ein Qualifikationsunterschied zum innerstaatlichen Recht, wonach registerrechtlich erfasste Schiffe als unbewegliches Vermögen gewertet werden (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). c) Verhältnis zu Art. 10 Dividendendefinition. Art. 10 ist vorrangig vor Art. 6 anzuwenden. Denn Art. 10 16 Abs. 3 enthält eine eigene Dividendendefinition. Folglich fallen auch Ausschüttungen aus Immobilienkapitalgesellschaften (z.B. Real Estate Investment Trusts – REITs) unter Art. 10.5 Allerdings verweisen sowohl Art. 6 Abs. 2 als auch Art. 10 Abs. 3 bei der Dividendendefinition für „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte“ auf das Recht des Quellenstaats. Wenn dieser Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen nach seinem Recht nicht „Einkünften aus Aktien“ steuerlich gleichstellt, sondern als unbewegliches Vermögen behandelt, findet auf diese Einkünfte Art. 6 Anwendung. Immobilien-Sondervermögen. Für inländische Spezial-Sondervermögen regelt 17 § 15 Abs. 2 InvStG, dass Ausschüttungen nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f
1 Anders aber Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Unterabschnitt vii DBA-Spanien; Art. 23 Abs. 5 Buchst. b Unterabschnitt iii DBA-Finnland; Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz. 2 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, IStR 2010, 525 m. Anm. Ch. Schmidt, IStR 2010, 520 ff.; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BFHE 232, 145; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1. 3 Vgl. nur Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16a, 49; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 32; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.23. 4 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688. 5 Vgl. Art. 10 Rz. 67.1 bis 67.7 OECD-MK10; kritisch Reimer, IStR 2011, 677 (679).
Lieber
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Art. 6 Rz. 17–23
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
oder Nr. 6 EStG) führen. Folglich gilt für diese Erträge Art. 6 und nicht der Dividendenartikel.1 d) Verhältnis zu Art. 11 18
Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen. Der Zinsartikel findet auch dann Anwendung, wenn es sich um grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen handelt (vgl. Art. 11 Abs. 3). Lediglich Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Ägypten weist zurzeit noch das Besteuerungsrecht für Zinseinkünfte aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen dem Belegenheitsstaat der Immobilie zu.2
19
Zinsen aus Mietüberschüssen. Auch Zinsen, die mit Vermietungseinkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (z.B. aus der Anlage von Liquiditätsüberschüssen, Instandhaltungsrücklagen), sind Einkünfte aus der Nutzung von Kapital und nicht Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen.3 e) Verhältnis zu Art. 12
20
Lizenzzahlungen für Ausbeutungsrechte. Für Lizenzgebühren findet grundsätzlich Art. 12 Anwendung. Von Art. 6 werden allerdings auf Grund ausdrücklicher Anordnung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Vergütungen für Rechte zur Ausbeutung von unbeweglichem Vermögen (Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen) erfasst (vgl. auch Art. 12 Rz. 19 OECD-MK). f) Verhältnis zu Art. 13
21
Veräußerung von unbeweglichem Vermögen. Für die Veräußerung von unbeweglichem Vermögen gilt Art. 13 Abs. 1, der das Besteuerungsrecht – parallell zu Art. 6 Abs. 1 für laufende Einkünfte – ebenfalls dem Belegenheitsstaat zuordnet. Für die Definition des unbeweglichen Vermögens nimmt Art. 13 Abs. 1 auf Art. 6 Bezug. Veräußerung liegt im Grundsatz dann vor, wenn die Einkunftsquelle wirtschaftlich und dauerhaft auf einen anderen übertragen wird. Wird das Eigentum nur befristet übertragen, z.B. zur Ausbeutung von bestimmten Bodenschätzen, handelt es sich im Regelfall um eine Nutzungsüberlassung und nicht um Veräußerung.
22
Fehlen einer Regelung entsprechend Art. 13 Abs. 1. Fehlt eine dem Art. 13 Abs. 1 entsprechende Vorschrift im DBA, wird auf die allgemeinere Regelung des Art. 6 zurückgegriffen.4 Gegen die Anwendung von Art. 6 spricht jedoch, dass die Vertragsstaaten auf eine Regelung der Veräußerungsgewinne in der Zuteilungsnorm für laufende Einkünfte verzichtet haben.5 Die Anwendung der Auffangvorschrift des Art. 21 Abs. 1 würde jedoch zu dem nicht sinnvollen Ergebnis führen, dass das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn beim Ansässigkeitsstaat verbleibt, während das Besteuerungsrecht für die laufenden Einkünfte dem Belegenheitsstaat zusteht. Dem DBA-Australien fehlt sowohl eine ausdrückliche Regelung für Veräußerungsgewinne als auch eine dem Art. 21 entsprechende Auffangvorschrift. Wenn hier nicht auf die Regelung zur Besteuerung der laufenden Einkünfte aus Immobilienvermögen in Art. 6 DBA-Australien zurückgegriffen wird, bleibt es für Veräußerungsgewinne aus unbeweglichem Vermögen bei einem Besteuerungsrecht beider Staaten nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht.6
23
Art. 13 Abs. 4. Art. 13 Abs. 4 weist das Besteuerungsrecht auch dann dem Belegenheitsstaat zu, wenn Anteile an einer Gesellschaft veräußert werden, deren Vermögen 1 Vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1-S 1980-1/08/10019 (2009/0539738), BStBl. I 2009, 931, Rz. 257 f. 2 Früher noch Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande bis 20.2.1992 sowie Art. 3 Abs. 3 DBA-Österreich bis 31.12.1992. 3 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.3.2; kritisch Salzmann, IStR 2010, 333 f. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 22b; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECDMA Rz. 24; Scholten/Griemla, IStR 2008, 661, 663; BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948 zum DBA-Italien 1925. 5 So Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 61, 68; Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 63. 6 Für eine solche Lösung Reimer in V/L5, Art. 13 OECD-MA Rz. 64 ff.
436
Lieber
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 23–27 Art. 6
überwiegend aus im Quellenstaat belegenem unbeweglichen Vermögen besteht. Bei diesen Immobiliengesellschaften wird die Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft durchbrochen und damit Gestaltungen vorgebeugt, die auf eine Verschiebung des Besteuerungsrechts vom Belegenheits- in den Ansässigkeitsstaat des Veräußerers abzielen. Eine entsprechende Regelung für die laufenden Einkünfte aus Immobilienvermögen fehlt in Art. 6 (s. auch zum Verhältnis zu Art. 10 Rz. 16). g) Verhältnis zu Art. 21 Belegenheit im Ansässigkeitsstaat oder Drittstaat. Einkünfte, die in den Vertei- 24 lungsnormen der Art. 6 bis 20 nicht geregelt sind, werden als sonstige Einkünfte nach Art. 21 Abs. 1 dem Ansässigkeitsstaat zur Besteuerung zugewiesen. Die Auffangregelung ist insbesondere dann anzuwenden, wenn das Vermögen nicht im anderen Vertragsstaat, sondern im Ansässigkeitsstaat belegen ist (vgl. Art. 6 Rz. 1 Satz 5 OECD-MK); für Immobilienvermögen eines Unternehmens ergibt sich die gleiche Rechtsfolge aus Art. 7 Abs. 1 Satz 1. Für Einkünfte aus in einem Drittstaat belegenen Vermögen gilt das DBA mit diesem Belegenheitsstaat, sofern vorhanden. h) Verhältnis zu Art. 22 Vermögensbesteuerung. Für die Vermögensbesteuerung des unbeweglichen Ver- 25 mögens ist Art. 22 Abs. 1 anzuwenden. Eine Besteuerung des Einkommens, für die Art. 6 maßgeblich ist, liegt vor, wenn die Steuer als Ertragssteuer ausgestaltet ist, auch wenn sie in Randbereichen unabhängig vom tatsächlichen Zufluss erhoben wird (z.B. Nutzungswertbesteuerung der eigengenutzten Immobilie).1 Demgegenüber handelt es sich um Vermögensbesteuerung, wenn die Steuerbemessung im Grundsatz an den Sollertrag anknüpft. Die Abgrenzung hat allerdings kaum praktische Relevanz, da die Rechtsfolgen von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 identisch sind. 2. Innerstaatliches Recht a) Deutschland als Belegenheitsstaat Besteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Deutschland unterwirft 26 die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen der beschränkten Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft), gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder Buchst. f EStG (gewerbliche Einkünfte) oder gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) bzw. der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 EStG). Zu einer Gewerbesteuerpflicht kommt es nur dann, wenn die Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können (§ 2 Abs. 1 GewStG i.V.m. § 12 AO). Die vermietete oder verpachtete Immobilie begründet per se keine Betriebsstätte, weil es an einer Verfügungsmacht des Vermieters bzw. Verpächters über das Bauwerk fehlt.2 b) Deutschland als Ansässigkeitsstaat Einkunftsart. Nach der Art der wirtschaftlichen Betätigung können die Einkünfte 27 aus unbeweglichem Vermögen im Grundsatz solche aus Vermietung und Verpachtung gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder aus Land- und Forstwirtschaft gem. § 13 EStG sein; in Ausnahmefällen kann auch § 22 Nr. 1 oder 3 EStG in Betracht kommen. Infolge der Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG oder aufgrund der Umqualifikation in gewerbliche Einkünfte (insbesondere § 8 Abs. 2 KStG, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) können diese Einkünfte auch als Einkünfte i.S. des § 15 EStG oder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 EStG eingeordnet werden. Die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung, also insb. Einkünften nach § 21 EStG, und gewerblichem Grundstückshandel erfolgt nach der Rspr. u.a. nach Maßgabe der DreiObjekt-Grenze.3 Als Zählobjekte werden – jedenfalls nach Auffassung der Finanzver-
1 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 12. 2 Vgl. BFH v. 30.6.2005 – III R 76/03, BStBl. II 2006, 84; v. 13.6.2006 – I R 84/05, BFH/NV 2006, 2334. 3 Vgl. BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291.
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Art. 6 Rz. 27–30
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
waltung – auch solche Grundstücke berücksichtigt, die der Steuerpflichtige im Ausland erwirbt und veräußert.1 28
Progressionsvorbehalt. Der Progressionsvorbehalt ist seit der Einfügung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG durch das JStG 20092 mit Wirkung ab 2008 nur bei durch DBA freigestellten Einkünften anwendbar, wenn das unbewegliche Vermögen in einem Drittstaat (nicht EU- oder EWR-Staat) belegen ist. Das hat zur Folge, dass z.B. die positiven Einkünfte einer in Frankreich oder den Niederlanden belegenen Immobilie im Inland nicht mehr dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Dementsprechend kann bei Verlusten ein negativer Progressionsvorbehalt nicht mehr geltend gemacht werden. Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wird eine land- oder forstwirtschaftliche Betriebsstätte in einem EU/EWR-Staat vorausgesetzt, damit der Progressionsvorbehalt keine Anwendung findet. Im Regelfall wird ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb über eine Betriebsstätte verfügen; im Einzelfall, insbesondere bei sog. Traktatländereien (inländische Betriebe, die sich auf ausländische Flächen erstrecken, die vom Inland aus bewirtschaftet werden), kann eine feste Geschäftseinrichtung im Ausland fehlen, so dass in diesen Fällen der Progressionsvorbehalt auch für unbewegliches Vermögen in einem EU/EWR-Staat anwendbar bleibt.3 Für Verluste, die bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 entstanden sind, kann der negative Progressionsvorbehalt geltend gemacht werden, weil § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG a.F. als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gewertet wurde.4 Bei abkommensrechtlich freigestellten Einkünften aus in einem Drittstaat (z.B. USA, Schweiz) belegenen Immobilien ist der negative Progressionsvorbehalt unter den Voraussetzungen des § 2a EStG ausgeschlossen.5 Denn die steuermindernde Berücksichtigung von freigestellten Auslandseinkünften im Rahmen des Progressionsvorbehalts würde zu einem Wertungswiderspruch mit den Fällen führen, in denen kein DBA besteht oder die Anrechnungsmethode Anwendung findet und die nicht freigestellten Verluste weder bei der Ermittlung des Einkommens noch bei der Ermittlung des Steuersatzes abgezogen werden können.
29
Verluste. Wurde die Freistellungsmethode vereinbart, sind nach der Rspr. des BFH6 im Grundsatz auch negative ausländische Einkünfte von der inländischen Besteuerung ausgenommen (siehe dazu i.E. Art. 23 A/B Rz. 31). Bei Geltung der Anrechnungsmethode bei einer in einem EU-/EWR-Staat belegenen Auslandsimmobilie (z.B. Spanien, Finnland) sind die negativen Einkünfte unbeschränkt ausgleichs- und abzugsfähig (vgl. § 2a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2a EStG). Für Auslandsverluste aus Drittstaaten (z.B. Schweiz) greift die Verlustabzugsbeschränkung nach § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 EStG oder § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a EStG ein. Verluste aus der Vermietung einer ausländischen Immobilie fallen unter § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn die Auslandsimmobilie einer gewerblichen Betriebsstätte in einem Drittstaat zuzuordnen ist;7 dadurch kann es zu einer Infizierung der an sich „aktiven“ Betriebsstätte durch „passive“ Vermietungseinkünfte kommen.
B. Belegenheitsprinzip (Absatz 1) I. Regelungszweck 30
Zuweisung des Besteuerungsrechts. Abs. 1 regelt als Grundgedanken der Vorschrift, dass dem Staat, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, das Recht 1 Vgl. BMF v. 15.12.1994, BStBl. I 1994, 883. 2 V. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794 (2799). 3 Vgl. OFD Münster, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 006/2009 v. 12.2.2009, S 2149 – 20 – St 23 – 33, IStR 2009, 364. 4 Vgl. EuGH v. 29.3.2007 – C-347/04 – Rewe Zentralfinanz“, BStBl. II 2007, 492. 5 Vgl. Heinicke in Schmidt31, § 2a EStG Rz. 46; Gosch in Kirchhof11, § 2a EStG Rz. 48; BFH v. 12.1.2011 – I R 35/10, IStR 2011, 395. 6 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 9.6.2010 – I R 100/09, BStBl. II 2010, 1065; FG Rh.-Pf. v. 5.5.2010 – 5 K 2408/08, EFG 2010, 1614 zu Verlusten aus der Vermietung eines Ferienhauses in Frankreich. 7 Vgl. BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605.
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B. Belegenheitsprinzip (Absatz 1)
Rz. 30–33 Art. 6
zur Besteuerung der Einkünfte aus diesem Vermögen zustehen soll. Grundlage hierfür ist die enge wirtschaftliche Beziehung des Belegenheitsstaats zu dem unbeweglichen Vermögen als fundierte Einkunftsquelle. Abs. 1 enthält insofern Tatbestand und Rechtsfolge, während die nachfolgenden Abs. 2 und 3 die im Tatbestand verwendeten Begriffe wie „unbewegliches Vermögen“ und „Einkünfte aus (diesem Vermögen)“ näher bestimmen. Die Besteuerung im Wohnsitzstaat wird nicht geregelt; diese ergibt sich aus Art. 23 A und B.
II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen 1. Einkünftebegriff Einkünfte. Der Begriff „Einkünfte“ ist abkommensrechtlich nicht definiert. Aller- 31 dings lassen sich nachfolgende Konkretisierungen aus dem Abkommenswortlaut entnehmen: – Mit dem Klammerzusatz wird klargestellt, dass zu den Einkünften auch Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft gehören können. Nach Art. 6 Rz. 1 Satz 3 OECD-MK steht es den Vertragsstaaten allerdings frei, ob sie Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft abweichend vom OECD-MA als Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 qualifizieren wollen. – In Bezug auf die Erwerbsgrundlage werden sowohl vermögensbezogene Einkünfte (insb. Nutzung und Verwaltung unbeweglichen Vermögens) als auch tätigkeitsbezogene Einkünfte (insb. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) erfasst. Zur weiteren Bestimmung der „Einkünfte“ wird auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats zurückgegriffen (vgl. Art. 3 Abs. 2). Einkünfte können somit alle Mehrungen und Minderungen, Zu- und Abflüsse vermögenswerter Vorteile sein, die nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats steuerbar sind. Erfasst werden sowohl wiederkehrende als auch einmalige Zahlungen. Hierzu gehört auch die Besteuerung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Immobilie.1 Ermittlung der Einkünfte. Die Einkünfteermittlung richtet sich ebenfalls nach 32 dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaats. Der Rückgriff auf das nationale Steuerrecht kann dazu führen, dass die Einkünfte in den beiden Vertragsstaaten in unterschiedlicher Höhe ermittelt werden. Das ist insbesondere der Fall, wenn bestimmte Aufwendungen (z.B. Abschreibungen, Finanzierungskosten, Instandhaltungsaufwendungen) nicht oder nur in begrenztem Umfang berücksichtigungsfähig sind. Ist Deutschland der Anwenderstaat, richtet sich die Einkünfteermittlung nach der jeweiligen Einkunftsart, der die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen zugeordnet werden, d.h. §§ 13 ff., § 15, § 18, § 21 oder § 22 EStG (bzw. i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a oder f, 6 EStG). Dementsprechend sind die Einkünfte als Nettoeinkünfte (Reineinkünfte) zu verstehen und entweder durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 EStG bzw. Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch Einnahme-Überschuss-Rechnung zu erfassen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 8, 11 EStG). Für letztere gilt der Zufluss-/Abfluss-Prinzip. Die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) ist bei ausländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten nicht möglich, da die Regelung an die Feststellung von bewertungsrechtlichen Größen anknüpft.2 2. Bezug von Einkünften Zurechnung der Einkünfte nach innerstaatlichem Recht des Anwenderstaates. 33 Wem die Einkünfte persönlich zugerechnet werden, d.h. wer die Einkünfte „bezieht“, bestimmt sich nach dem nationalen Steuerrecht des Anwenderstaates. Aufgrund unterschiedlicher Zurechnungskriterien der Vertragsstaaten können sich verschiedene Einkünfteempfänger ergeben mit der Konsequenz einer Doppelbesteuerung; diese kann durch ein Verständigungsverfahren beseitigt werden (vgl. Art. 25). Ist Deutsch1 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 157 f. 2 Vgl. Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 9; Debatin, DB 1988, 1285 (1286); Hoheisel, IWB 2010, 521 f.
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Art. 6 Rz. 33–36
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
land der Anwenderstaat, kommt es auf die Rechtszuständigkeit, insbesondere auf die Eigentumsverhältnisse an dem unbeweglichen Vermögen nicht an. Entscheidend ist die wirtschaftliche, nicht die rechtliche Dispositionsbefugnis über das Vermögen (z.B. unbefugte Untervermietung einer Wohnung). Es gelten die Grundsätze von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Aus § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG folgt, dass Einkünfte demjenigen persönlich zuzurechnen sind, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften verwirklicht. Bei der Nutzungsüberlassung ist dies derjenige, der die rechtliche oder tatsächliche Macht hat, das unbewegliche Vermögen anderen zur zeitlich begrenzten Nutzung gegen Entgelt zu überlassen. Bei Treuhandgestaltungen werden die Einkünfte regelmäßig dem Treugeber als dem wirtschaftlichen Eigentümer der Einkunftsquelle zugerechnet (z.B. bei geschlossenen Immobilienfonds, vgl. Rz. 58). Ob nach einer Nießbrauchsbestellung die Einkünfte dem Nießbraucher oder dem Nießbrauchsbesteller zuzurechnen sind, hängt davon ab, wer von beiden den Tatbestand der Einkunfteerzielung verwirklicht.1 Kann der Nießbraucher über die Erwerbsgrundlage verfügen, d.h. rechtlich und tatsächlich in der Lage sein, den Grundbesitz zu vermieten bzw. zu verpachten, erfüllt er und nicht der Eigentümer der Immobilie den Tatbestand der Einkünfteerzielung; das gilt allerdings nicht für den sog. Ertragsnießbraucher, dem nur die Erträge aus der Nutzungsüberlassung zustehen, nicht aber die Verfügungsbefugnis über die Erwerbsgrundlage.2 Folglich ist in diesen Fällen der Nießbrauchsbesteller derjenige, der den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht. Der Ertragsnießbraucher hat jedoch die ihm zustehenden Erträge als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG zu versteuern und bezieht dementsprechend die Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 1. Unerheblich ist insofern, dass der Einkünftebezieher nicht der Nutzungsberechtigte ist.3
III. In einem Vertragsstaat ansässige Person 34
Person. Wer Person sein kann, richtet sich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b (s. Art. 3 Rz. 10 ff.). Erfasst werden natürliche Personen, juristische Personen und andere Personenvereinigungen (z.B. land- und forstwirtschaftliche Genossenschaft). Bei steuerlich transparenten Personengesellschaften bzw. Sondervermögen (z.B. offener Immobilienfonds i.S. von § 2 Abs. 1 und 2 InvG) werden die Einkünfte den einzelnen Gesellschaftern (Mitunternehmern) bzw. Anlegern als eigene Einkünfte zugerechnet; dementsprechend kommt es auf die Ansässigkeit des einzelnen Gesellschafters bzw. Anlegers an. Die Einordnung der Personengesellschaft als steuerlich intransparent durch den Sitzstaat hat dabei keine Bindungswirkung für die Anwendung des deutschen nationalen Steuerrechts.4
35
Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat. Der Empfänger der Einkünfte muss eine natürliche oder juristische Person sein, die in mindestens einem Vertragsstaat ansässig ist (vgl. Art. 1 Rz. 26 ff.), d.h. die Person muss nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht unbeschränkt steuerpflichtig und damit abkommensberechtigt sein (vgl. Art. 4 Rz. 22 ff.). Die Abkommensberechtigung muss im Zeitpunkt der Einkünfteerzielung vorliegen. Bei transparenten Personengesellschaften kommt es auf die dahinterstehenden Gesellschafter (Mitunternehmer) an.
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Zeitbezug zwischen Abkommensberechtigung und Einkünfteerzielung. Die Person muss im Zeitpunkt des Bezugs der Einkünfte abkommensberechtigt sein. Bezug bedeutet hier Tatbestandserfüllung; auf den nachträglichen Zufluss von Einnahmen kommt es im Regelfall nicht an. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der tatsächliche Zufluss von Einnahmen erst zur Tatbestandserfüllung führt (z.B. bei der Einnahme-Überschuss-Rechnung).5 Unerheblich ist, ob die Person Eigentümer des
1 Vgl. BFH v. 9.4.1991 – IX R 78/88, BStBl. II 1991, 809. 2 Vgl. BFH v. 26.4.1983 – VIII R 205/80, BStBl. II 1983, 502. 3 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 19; wie hier Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 19 f., 174. 4 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, IStR 2011, 688; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 25a, Beispiel.
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B. Belegenheitsprinzip (Absatz 1)
Rz. 36–41 Art. 6
Vermögensgegenstandes ist oder nur als Untervermieter/Pächter über den Vermögensgegenstand wirtschaftlich verfügt.
IV. Im anderen Vertragsstaat belegenes unbewegliches Vermögen 1. Begriff des unbeweglichen Vermögens Definition. Das unbewegliche Vermögen ist in Art. 6 Abs. 2 definiert. Siehe hierzu Rz. 43 ff.
37
2. Belegenheit im anderen Vertragsstaat Geographische Grenzen des Belegenheitsstaats. Das unbewegliche Vermögen 38 muss im anderen Vertragsstaat belegen sein. „Anderer Vertragsstaat“ ist der Staat, der nicht Ansässigkeitsstaat des Einkünfteempfängers ist. Die tatsächliche Belegenheit richtet sich nach den geographischen Grenzen des jeweiligen Staates einschließlich Küstenmeer, Festlandsockel und sog. Dreimeilenzone, ggf. Zollausschlussgebiete (vgl. Art. 29 Rz. 13 ff.). Wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb Grundstücke im grenznahen Bereich bewirtschaftet (sog. Traktatländereien), sind diese Grundstücke im anderen Vertragsstaat belegen und werden nicht etwa dem Inland zugeordnet.1 Es kommt allein auf die Belegenheit des Grundstücks selbst an, auch für bewegliche Vermögensgegenstände, die nach Abs. 2 zum unbeweglichen Vermögen gehören. Dies gilt insbesondere für Zubehör und Inventar, das sich vorübergehend an einem anderen Ort befindet als das Grundstück, zu dem sie gehören. Grundstücksgleiche Rechte sind dort belegen, wo das Grundstück liegt, welches durch das Recht belastet wird.
V. Rechtsfolge: Zuweisung des Besteuerungsrechts 1. Besteuerungsrecht des Quellenstaats Können besteuert werden. Dem Quellenstaat wird das volle Besteuerungsrecht 39 für die Einkünfte aus dem unbeweglichen Vermögen belassen, jedoch nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht zugewiesen. Ob der Quellenstaat das Besteuerungsrecht durch tatsächliche Besteuerung wahrnimmt, steht ihm frei. Der Ansässigkeitsstaat wird in seinem Besteuerungsrecht durch Art. 6 Abs. 1 nicht beschränkt. Eine solche Beschränkung kann sich nur aus dem Methodenartikel ergeben (vgl. Art. 23 A/B). 2. Ausübung des Besteuerungsrechts Kein Ausübungszwang. Der Belegenheitsstaat kann sein Recht zur Besteuerung 40 ausüben, muss es aber nicht. Die tatsächliche Besteuerung (u.a. Besteuerungsgrundlage, Tarif) richtet sich nach dem innerstaatlichen Steuerrecht des Belegenheitsstaats. Deutschland als Ansässigkeitsstaat. Deutschland als Ansässigkeitsstaat stellt die 41 Einkünfte aus im Ausland belegenen unbeweglichen Vermögen regelmäßig unter Progressionsvorbehalt steuerfrei; durch die innerstaatliche Neuregelung in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG i.d.F. des JStG 2009 wurde der Progressionsvorbehalt allerdings mit Wirkung ab 2008 weitgehend eingeschränkt (vgl. Rz. 28). Abweichend hiervon wurde in einigen Abkommen die Anrechnungsmethode vereinbart (z.B. Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Unterabschnitt vii DBA-Spanien; Art. 23 Abs. 5 Buchst. b DBA-Finnland; Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz, die die Steueranrechnung anordnen, sofern das unbewegliche Vermögen nicht einer im Belegenheitsstaat gelegenen gewerblichen Betriebsstätte dient bzw. tatsächlich zu einer solchen Betriebsstätte gehört).
1 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 29; BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260.
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Art. 6 Rz. 42–44
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2) I. Regelungszweck 42
Schiedscharakter. Im Grundsatz soll der abkommensrechtliche Begriff des unbeweglichen Vermögens durch Verweis auf das innerstaatliche Recht desjenigen Staates bestimmt und begrenzt werden, in dem der Vermögensgegenstand (das Grundstück) belegen ist. Durch die Bindung der abkommensrechtlichen Definition des „unbeweglichen Vermögens“ an das Recht des Belegenheitsstaats wird zum einen auf eine eigenständige abkommensrechtliche Bestimmung verzichtet; dies abschwächend verankert Satz 2 einen Katalog von Vermögenswerten, die entweder immer (Positivkatalog) oder in keinem Fall (Negativkatalog) zum unbeweglichen Vermögen gehören. Zum anderen wird durch die Qualifikationsverkettung eine Bindung des Ansässigkeitsstaats geschaffen, d.h. beide Vertragsstaaten sind bei der Anwendung des Abkommens an einen bestimmten Umfang des Vermögens gebunden. Damit wird der Doppelbesteuerung infolge von Qualifikationskonflikten vorgebeugt (vgl. Art. 6 Rz. 2 Satz 1 OECD-MK).
II. Verweis auf das Recht des Belegenheitsstaats (Absatz 2 Satz 1) 1. Recht des Belegenheitsstaats 43
Dynamischer Verweis. Der Ausdruck „unbewegliches Vermögen“ hat die Bedeutung, die ihm nach dem Recht des Vertragsstaats zukommt, in dem das Vermögen belegen ist. Mit dem Verweis wird die gesamte Rechtsordnung des Belegenheitsstaats einbezogen und zwar in seiner jeweiligen Fassung. Gesetzesänderungen sind insofern beachtlich. Allerdings setzt die bona-fide-Klausel in Art. 31 Abs. 1 WÜRV einer willkürlichen oder überraschenden Ausdehnung des innerstaatlichen Begriffsverständnisses durch den jeweiligen Belegenheitsstaat Grenzen, d.h. Vermögensgegenstände ohne jeden Bodenbezug sind auch dann abkommensrechtlich kein unbewegliches Vermögen, wie sie als solches nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaat definiert sind.1 In erster Linie maßgeblich ist das jeweilige Steuerrecht des Belegenheitsstaats; das ergibt sich aus der größeren Sachnähe.2 Zivilrechtliche und ggf. auch öffentlichrechtliche Regelungen gelten nachrangig und sind insbesondere dann anzuwenden, wenn das Steuerrecht keine eigenständigen Definitionen der unbeweglichen Vermögenswerte vorhält.3 Das Recht des Belegenheitsstaates erfordert auch die Beachtung der Gesetzesauslegung durch gefestigte Rspr. und Verwaltungsanweisungen, aus denen sich eine gefestigte Verwaltungspraxis ergibt.4 Bei einem unterschiedlichen Verständnis eines steuerrechtlichen Begriffs in verschiedenen Steuerarten (z.B. Ertragsteuerrecht, Umsatzsteuer-, Grunderwerbsteuer- oder Bewertungsrecht) ist im Zweifel die ertragsteuerliche Bedeutung maßgebend. 2. Unbewegliches Vermögen nach deutschem Recht a) Maßgebliche Vorschriften
44
Deutsches Steuerrecht. Das ertragsteuerlich relevante unbewegliche Vermögen ist in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und die Land- und Forstwirtschaft in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG definiert. Die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beispielhaft aufgezählten Gegenstände des unbeweglichen Vermögens sind Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z.B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht). Zu beachten ist, dass die Aufzählung nicht abschlie-
1 Vgl. Reimer, IStR 2011, 677 (678). 2 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 32; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 57; Reimer, IStR 2011, 677 (678); s. auch Art. 3 Abs. 2 Halbs. 2. 3 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768 (770). 4 So auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 68; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 32.
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C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2)
Rz. 44–47 Art. 6
ßend ist („insbesondere“);1 zudem werden Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, nach deutschem Steuerrecht erfasst, gehören aber abkommensrechtlich nicht zum unbeweglichen Vermögen (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2). Gleiches gilt für Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle2 eingetragen sind. Diese werden zwar nicht gesetzlich erwähnt, der BFH behandelt sie jedoch nach innerstaatlichem Recht ebenfalls als unbewegliches Vermögen.3 b) Grundstück Begriff des Grundstücks. Mit dem Begriff „Grundstück“ in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 45 EStG wird an den zivilrechtlichen Grundstücksbegriff angeknüpft. Grundstück ist ein abgegrenzter, katastermäßig vermessener und bezeichneter Teil der Erdoberfläche (auch Gewässer), der im Regelfall im Grundbuch als Grundstück geführt wird (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO); letzteres gilt dann nicht, wenn es sich um Grundstücke (z.B. des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Kirchen) handelt, die nur auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten ein Grundbuchblatt erhalten oder wenn das Grundbuchamt wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 GBO von der Führung eines Grundbuchblatts absieht. Bestandteile des Grundstücks. Aufstehende Gebäude und Bauwerke sind nach 46 § 94 Abs. 1 BGB wesentliche Bestandteile des Grundstücks; dies gilt aber dann nicht, wenn es sich bei dem Gebäude um einen Scheinbestandteil i.S. des § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt oder die Sonderregelung nach Art. 231 § 5 Abs. 1 EGBGB für im Beitrittsgebiet gelegene Gebäude, Baulichkeiten, Anlagen, Anpflanzungen oder Einrichtungen eingreift. Bei Bestehen eines Erbbaurechts sind Gebäude Bestandteile desselben. Wesentliche Bestandteile sind auch die Erzeugnisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammenhängen (§ 94 Abs. 1 Satz 1 BGB), z.B. das aufstehende Holz. Pflanzen werden bereits mit dem Einpflanzen, Samen mit dem Aussäen wesentliche Grundstücksbestandteile (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB). Als Bestandteile des Grundstücks gelten ferner Rechte, die mit dem Eigentum am Grundstück verbunden sind (§ 96 BGB). Solche Rechte sind z.B. Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB), Überbau- und Notwegrenten (§§ 912 ff. BGB), das Vorkaufsrecht, wenn es zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt ist (§ 1094 Abs. 2 BGB). Ist das Recht zur Gewinnung von Bodenbestandteilen eines anderen Grundstücks (z.B. Recht zur Sandausbeute) Inhalt einer Grunddienstbarkeit, gehört es zum Eigentum am herrschenden Grundstück und ist für das dienende Grundstück eine dauernde Last.4 Von den Grundstücksbestandteilen zu unterscheiden ist das Zubehör (s. hierzu Rz. 61). Keine Bestandteile des Grundstücks. Keine Bestandteile des Grundstücks sind 47 sog. Scheinbestandteile, d.h. Bauwerke oder andere Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in das Gebäude eingefügt sind, und zwar unabhängig von der Festigkeit der Verbindung bzw. Einfügung (§ 95 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Nutzungsdauer der eingefügten Sache die voraussichtliche Vertragsdauer übersteigt und die Sache nach ihrem zu erwartenden Ausbau noch einen Wiederverwendungswert haben wird. In diesen Konstellationen einer Errichtung bzw. Einfügung für eine begrenzte Dauer sind die maßgeblichen Vermögenswerte sowohl zivilrechtlich als bewegliche Sachen als auch ertragsteuerlich als bewegliche Wirtschaftsgüter einzuordnen. Sie sind demnach auch kein unbewegliches Vermögen i.S. des Art. 6. Gleiches gilt für solche Bauwerke, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden worden sind (§ 95 1 Der Auffangtatbestand hat allerdings in der Praxis bisher kaum eine Rolle gespielt; vgl. Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 107. 2 Vgl. § 2 LuftVG. 3 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Gerechtfertigt wird die Gleichstellung damit, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquelle geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind. 4 Vgl. BFH v. 22.6.1966 – II 74/63, BStBl. III 1966, 550; v. 19.11.1968 – II R 16/68, BStBl. II 1969, 90.
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Art. 6 Rz. 47–51
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Abs. 1 Satz 2 BGB). Diese sind Bestandteil des entsprechenden dinglichen Rechts und nur dann unbewegliches Vermögen, wenn es sich bei dem dinglichen Recht um ein grundstücksgleiches Recht handelt (z.B. Erbbaurecht). c) Gebäude 48
Begriff des Gebäudes. Unter „Gebäude“ versteht man Bauwerke, die Menschen, Tieren oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewähren, den Aufenthalt von Menschen gestatten, fest mit dem Grund und Boden verbunden sind, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest sind.1 Der Begriff des Gebäudes setzt nicht voraus, dass das Bauwerk über die Erdoberfläche hinaus ragt. Auch unter der Erd- oder Wasseroberfläche befindliche Bauwerke, z.B. Tiefgaragen, Lagerkeller, können Gebäude sein. Unerheblich ist auch, ob das Bauwerk auf eigenem oder fremden Grund und Boden steht. Eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden ist auch dann anzunehmen, wenn bei Bauwerken entweder eine auf Dauer angelegte Nutzung (mindestens sechs Jahre) gegeben ist oder aufgrund der Zweckbestimmung eine dauernde Nutzung zu erwarten ist (z.B. Wohn- oder Bürocontainer2). d) Gebäudeteile
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Begriff der Gebäudeteile. Gebäudeteile sind zivilrechtlich keine selbständigen Sachen, sie sind aber steuerrechtlich selbständige Wirtschaftsgüter, wenn sie in einem von der übrigen Gebäudenutzung zu unterscheidenden Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen, d.h. unterschiedlich genutzt werden.3 Sie können dementsprechend Gegenstand einer Vermietung sein (z.B. Wohnung, Fassadenteile, die zu Werbezwecken oder zur Erzeugung von Solarstrom überlassen werden; Ladeneinund umbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten). Bei der Vermietung einer möblierten Wohnung oder eines Büros mit Büroeinrichtung fällt das auf die Überlassung der Möbel bzw. der Büroeinrichtung entfallende Entgelt unter § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, weil die Möbel bzw. die Büroeinrichtung eine bewegliche Sache in Form eines Sachinbegriffs darstellen. Gleichwohl werden die Möbel und die Büroeinrichtung von Art. 6 erfasst, da es sich regelmäßig um Zubehör i.S. des § 97 BGB handelt (s. dazu Rz. 61). e) Bestandteile eines Gebäudes/Betriebsvorrichtungen
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Bestandteile eines Gebäudes. Bestandteile eines Gebäudes können im Unterschied zu Gebäudeteilen nicht Gegenstand besonderer Rechte sein und lassen keine unabhängige Nutzung zu. Hierzu gehören die in § 94 Abs. 1 und 2 BGB genannten Bestandteile von Grundstücken und Gebäuden wie z.B. Mauern, Türen, Fenster, Ziegel sowie Pflanzen, Aussaat etc., die fest mit dem Gebäude bzw. dem Grundstück verbunden sind. Versorgungsleitungen für Strom, Wasser, Heizung sind nur insoweit Bestandteile eines Gebäudes, als sie in das Gebäude eingefügt sind. Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Gebäude verbunden sind, gehören nicht zum Gebäude. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Mieter oder Pächter Sachen auf das Grundstück bzw. in das Gebäude einbringen/einbauen, die nach Ablauf der Miet- bzw. Pachtzeit wieder beseitigt werden müssen. Vermögensgegenstände, die als Scheinbestandteile zu qualifizieren sind, sind sowohl zivilrechtlich als auch steuerlich bewegliches und nicht unbewegliches Vermögen.
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Betriebsvorrichtungen. Betriebsvorrichtungen sind Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Unter diesen Begriff fallen alle Vorrichtungen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben wird.4 Sie sind zivilrechtlich häufig wesentliche Bestandteile eines Grundstücks bzw. Gebäudes. Steu1 Vgl. BFH v. 28.5.2003 – II R 41/01, BStBl. II 2003, 693; v. 14.3.2006 – I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812. 2 Vgl. BFH v. 23.9.1988 – III R 67/85, BStBl. II 1989, 113. 3 Vgl. BFH v. 25.9.2007 – IX R 28/07, BStBl. II 2008, 218. 4 Vgl. BFH v. 11.12.1991 – II R 14/89, BStBl. II 1992, 278; z.B. Lastenaufzüge, Autoaufzüge in Parkhäusern, Laderampen, Kaimauern zur Be- und Entladung.
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C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2)
Rz. 51–54 Art. 6
erlich werden sie im Bewertungs- und im Grunderwerbsteuerrecht von Grundstück bzw. Gebäude getrennt und als sonderrechtsfähige Gegenstände betrachtet (§ 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG);1 dies sollte jedoch nicht für das Ertragsteuerrecht gelten, d.h. bei der Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG werden die Betriebsvorrichtungen als unselbständiger Grundstücks- bzw. Gebäudebestandteil behandelt.2 Selbst wenn man Betriebsvorrichtungen auch ertragsteuerlich nicht zum unbeweglichen Vermögen rechnen würde, sind sie jedenfalls im Regelfall, d.h. sofern es sich nicht um Scheinbestandteile handelt, unbewegliches Vermögen i.S. von Art. 6 Abs. 2. Dies ergibt sich schon aus der Zuordnung des Zubehörs zum unbeweglichen Vermögen (Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). Wenn das Zubehör, das regelmäßig eine losere Verbindung zum Grundstück bzw. Gebäude aufweist, als unbewegliches Vermögen qualifiziert, dann muss dies erst recht für wesentliche Gebäudebestandteile in der besonderen Form der Betriebsvorrichtungen gelten.3 f) Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen Rechte nach Landesrecht. Zu den Rechten, auf die die Vorschriften des bürgerli- 52 chen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, gehören neben dem Erbbaurecht, dem Mineralgewinnungsrecht, dem Wohnungs- und Teileigentum, Dauerwohnrecht, Wohnungs- und Teilerbbaurecht und dem Bergwerkeigentum gem. §§ 9 ff., 17 BBergG die Rechte nach Landesrecht. Das sind insbesondere das nach Landesrecht grundstücksgleiche Bergwerkseigentum (Art. 67 EGBGB), soweit es gem. § 149 BBergG fortbesteht, die Rechte auf Abbau nichtbergrechtlicher Mineralien nach Maßgabe des Landesrechts (§ 68 EGBGB), die als selbständige Gerechtigkeiten bestellten Kohlenabbaugerechtigkeiten und Salzabbaugerechtigkeiten in Niedersachsen sowie entsprechende Rechte nach dem jeweiligen Landesrecht (Art. 68 EGBGB), die Bahneinheiten, soweit nach Landesrecht grundstücksgleich (Art. 112 EGBGB), die Realgewerbeberechtigungen, sofern nach Landesrecht grundstücksgleich (Art. 74 EGBGB), die jagd-, fischerei- und wasserrechtlichen Gerechtigkeiten, sofern nach Landesrecht grundstücksgleich (Art. 65, 69 EGBGB). Erbbaurecht. Das Erbbaurecht ist bürgerlich-rechtlich ein grundstücksgleiches 53 Recht, da die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften sowie die Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum gem. § 11 Abs. 1 ErbbauRG entsprechende Anwendung finden. Ein Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Oberfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Nicht nur das von dem Berechtigten errichtete Bauwerk wird zum wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts, sondern auch ein bei der Bestellung des Erbbaurechts bereits vorhandenes Bauwerk, sofern es gem. § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB zuvor bereits Bestandteil des Grundstücks war (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ErbbauRG). Ein Erbbaurecht kann entgeltlich oder unentgeltlich bestellt werden. Für die entgeltliche Bestellung kann als Gegenleistung eine einmalige Zahlung oder auch die Verpflichtung zu laufenden Zahlungen (Erbbauzins) oder die Leistung eines anderen Gegenstandes (z.B. Grundschulden oder Rentenschulden) vereinbart werden. Im Fall einer entgeltlichen Bestellung des Erbbaurechts erzielt der Grundstückseigentümer Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Nutzung des Grundstücks). Der Erbbauberechtigte erzielt ebenfalls Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen, wenn er das Erbbaurecht bzw. das Gebäude einem Dritten gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Mineralgewinnungsrecht. Das Mineralgewinnungsrecht (Bergbauberechtigung) 54 ist eine besondere Form der Gewerbeberechtigung. Grundsätzlich ist der Eigentümer eines Grundstücks zum Abbau von Grundstückssubstanz (z.B. Sand, Kies) be1 Zur Abgrenzung s. Gleichlautender Ländererlass v. 15.3.2006 – 3 – S – 3190/16, BStBl. I 2006, 314. 2 Vgl. Kulosa in H/H/R, § 21 EStG Rz. 102. 3 So auch Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 229 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 36b; krit. Plewka/Beck, IStR 2007, 125 (129 f.), für die Ermittlung des unbeweglichen Vermögens bei Anwendung der Sonderregelung für die Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften i.S. des Art. 13 Abs. 4 bzw. Art. 13 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA.
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Art. 6 Rz. 54–58
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
rechtigt. Bzgl. bestimmter Mineralien bzw. Bodenschätze ist das Ausbeuterecht des Grundstückseigentümers durch das Bergrecht eingeschränkt. Während grundeigene Bodenschätze im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen, gilt dies nicht für sog. bergfreie Bodenschätze (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG). Dies sind insbesondere Metalle wie Gold, Silber, Platin, Aluminium, Blei, Eisen, Mangan, Nickel, Zinn, Zink und die seltenen Metalle einschließlich der Lanthaniden und Aktiniden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BBergG), Halbmetalle und Nichtmetalle (insbesondere Phosphor und Schwefel), bestimmte Erze, Kohlenwasserstoffe, Graphit, Stein- und Braunkohle, Stein-, Kali-, Magnesium- und Bohrsalze sowie Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b BBergG). Wer bergfreie Bodenschätze gewinnen will, bedarf hierzu einer Bewilligung durch schriftlichen Verwaltungsakt (§ 16 BBergG) oder des Bergwerkseigentums. 55
Wohnungs- und Teileigentum. Wohnungs- und Teileigentum gehören nach h.M. zu den grundstücksgleichen Rechten.1 Nach Maßgabe des WEG kann an Wohnungen Wohnungseigentum, an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes Teileigentum begründet werden (§ 1 Abs. 1 WEG). Wohnungseigentum und Teileigentum sind Sondereigentum, das untrennbar mit dem Miteigentumsanteil am gemeinsamen Grundstück verbunden ist (§ 1 Abs. 2 bis 5, § 6 WEG). Der Miteigentumsanteil umfasst das Grundstück und Teile des Gebäudes. Dementsprechend ist das mit Sondereigentum verbundene Miteigentum Grundstück i.S. des bürgerlichen Rechts. Ein Erbbauberechtigter kann das Erbbaurecht in entsprechender Anwendung des § 8 WEG teilen (§ 30 Abs. 2 WEG).
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Bergwerkseigentum. Bergwerkseigentum ist ein durch staatliche Verleihung entstehendes dingliches Nutzungsrecht, das zum Abbau von Bodenschätzen auf einem Grundstück und ihrer Aneignung berechtigt (§ 9 Abs. 1 BBergG). Es beschränkt das Recht des Grundstückseigentümers und ist ein grundstücksgleiches Recht mit gesonderter Eintragung im Grundbuch (§ 17 Abs. 3 BBergG).
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Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen. Kein unbewegliches Vermögen ist die Miet- oder Pachtzinsforderung, die aus der Vermietung bzw. Verpachtung unbeweglichen Vermögens resultiert, auch wenn nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG die Veräußerung von bereits entstandenen, aber noch nicht eingezogenen Miet- und Pachtzinsforderungen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehört.2 Das innerstaatliche Recht will solche Einkünfte nicht als Veräußerungserlös, sondern als laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfassen. Das rechtfertigt jedoch keine Qualifikation der Forderung als unbewegliches Vermögen; das zugrundeliegende Rechtsgeschäft ist ein Forderungsverkauf und keine Nutzungsüberlassung von unbeweglichem Vermögen. Der Gewinn aus dem Forderungsverkauf fällt in den Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 2 oder 5. g) Immobilienfonds
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Geschlossene Immobilienfonds. Geschlossene Immobilienfonds werden als Personengesellschaft (zumeist als vermögensverwaltende GmbH & Co. KG, aber auch als einfache KG oder GbR) strukturiert. Damit wird der Tatbestand der Einkünfteerzielung durch die Gesellschaft selbst verwirklicht. Infolge der vollständigen steuerlichen Transparenz der Gesellschaft werden die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen den Gesellschaftern (Anlegern) anteilig zugerechnet. Teilweise beteiligen sich die einzelnen Anleger nicht unmittelbar als Gesellschafter an der Fonds-Personengesellschaft, sondern schalten eine natürliche oder juristische Person als Treuhänder zwischen, die dann auch im Handelsregister eingetragen wird (Beteiligungstreuhand, Treuhandkommanditist). Ist der Treugeber tatsächlich weisungsbefugt, ist ihm die zivilrechtliche Gesellschafterstellung des Treuhänders steuerlich zuzurechnen, d.h. auch in dieser Konstellation erzielen die Anleger Einkünfte aus unbeweglichem Ver1 Vgl. FG Köln v. 26.10.2006 – 6 K 394/04, EFG 2007, 185; offen gelassen in BFH v. 11.8.1967 – VI R 67/66, BStBl. II 1967, 685. 2 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 41; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 184.
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C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2)
Rz. 58–61 Art. 6
mögen.1 Für die Zurechnung an den Treugeber genügt es allerdings nicht, dass diesem das wirtschaftliche Ergebnis der Vermietung zu Gute kommt; er muss hinreichend, insbesondere auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Mietverhältnisses, weisungsbefugt sein.2 Offene Immobilienfonds. Offene Immobilienfonds sind im Gegensatz zu geschlos- 59 senen Fonds als Kapitalanlagegesellschaft in der Rechtsform der AG oder GmbH strukturiert. Die auf Ebene der Fondsgesellschaft erwirtschafteten Einkünfte können dem Anleger aufgrund des für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner grundsätzlich geltenden Trennungsprinzips nicht direkt zugeordnet werden. Allerdings wird infolge der Steuerfreistellung der Kapitalanlagegesellschaft der Umfang der Steuerpflicht des Anteilseigners durch spezialgesetzliche Vorschriften so geregelt, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen auch über die Ausschüttungen hinaus zu versteuern sein können (teilweise Durchbrechung des Transparenzprinzips), dann jedoch als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (i.V.m. § 2 InvStG). Nur die Kapitalanlagegesellschaft erzielt nach innerstaatlichem Recht Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen.
III. Konkretisierung des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ (Absatz 2 Satz 2) 1. Positivkatalog (Absatz 2 Satz 2 Halbs. 1) a) Verhältnis zu Absatz 2 Satz 1 Hilfszweck. Nach dem Positivkatalog gelten bestimmte Vermögenswerte und 60 -rechte immer als unbewegliches Vermögen und zwar unabhängig vom innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats (s. auch Art. 6 Rz. 2 Satz 2 OECD-MK). Damit überlagert das Abkommensrecht insofern das nationale Recht. Das bedeutet aber nicht, dass die in Satz 2 genannten Vermögenswerte unabhängig vom Recht des Belegenheitsstaats auszulegen wären. Die enge Verbindung des unbeweglichen Vermögens an die Rechtsordnung des Staats, in dem sich das Vermögen befindet, rechtfertigt auch hier eine Bindung an das Recht des Belegenheitsstaats.3 Außerdem wird so ein Auseinanderfallen der Auslegung von Satz 1 und Satz 2 vermieden.4 b) Zubehör zum unbeweglichen Vermögen Begriff des Zubehörs. Der Begriff „Zubehör“ ist abkommensrechtlich nicht defi- 61 niert. Ist Deutschland der Belegenheitsstaat, ergibt sich die Begriffsbestimmung mangels steuerrechtlicher Regelung aus § 97 BGB.5 Zubehör sind diejenigen beweglichen Sachen, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BGB). Entscheidend ist grundsätzlich die Verkehrsauffassung (§ 97 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es muss sich um einen Nutzungs- und Funktionszusammenhang der Sachen mit dem Grundstück handeln, der von einer gewissen Dauerhaftigkeit ist. Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet keine Zubehöreigenschaft (§ 97 Abs. 2 BGB). Zubehör sind danach z.B. die zum Grundstück gehörenden Treppenläufer, Beleuchtungskörper, Mülltonnen, mitvermietete Einrichtungsgegenstände, Hotelinventar, Gaststätteninventar, Baumaterial und Baugeräte auf einem Baugrundstück, Waschmaschinen, Einbauküchen, Herde, Öfen
1 Vgl. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691. 2 Vgl. BFH v. 27.1.1993 – IX R 269/87, BStBl. II 1994, 615. 3 So auch Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 72; Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 249 f.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 53 ff.; Plewka/Beck, IStR 2007, 125 (129). 4 In diesem Sinne auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 76. 5 A.A. Plewka/Beck, IStR 2007, 125 (129), die darauf hinweisen, dass der wirtschaftliche Zusammenhang des „Zubehörs“ mit einem Produktionsbetrieb die Verbindung des beweglichen Vermögens mit den unbeweglichen Vermögen überlagert.
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Art. 6 Rz. 61–63
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
u.Ä.1 Die vorübergehende räumliche Trennung eines Zubehörgegenstands vom Grundstück hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf (§ 97 Abs. 2 BGB). Reimer2 schließt aus der separaten Nennung des Inventars land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dass zumindest das vertretbare Mobiliar vermieteter Wohnungen nicht unter Satz 2 fällt (zweifelnd für bewegliche Einrichtungsgegenstände im allgemeinen). Das ist nicht überzeugend. Die Nennung des Inventars im Zusammenhang mit der Landund Forstwirtschaft trägt den Besonderheiten dieser Bewirtschaftungsformen Rechnung. Nichtkörperliche Gegenstände (z.B. Mietforderung, Bankguthaben, Recht) sind kein Zubehör.3 c) Lebendes und totes Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe 62
Auslegungskriterien. Der Begriff „Land- und Forstwirtschaft“ ist insofern abkommensrechtlich auszulegen, als eine Verbindung mit dem unbeweglichen Vermögen bestehen muss, d.h. land- und forstwirtschaftliche Betriebe fallen nur dann unter Art. 6, wenn sie einen Bezug zum Grund- und Boden aufweisen.4 Im Rahmen dieser Einschränkung ist auf das Recht des Belegenheitsstaats zurückzugreifen.
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Land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft setzt eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit der Absicht der Gewinnerzielung unternommen wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG). Landwirtschaft ist die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung und Verwertung von lebenden Pflanzen und Tieren, d.h. im Wesentlichen die Bewirtschaftung von Acker und Dauergrünland, aber auch Tierzucht und Tierhaltung, jedenfalls soweit die Tiere auf die natürlichen Ressourcen des Bodens zurückgreifen.5 Die Landwirtschaft umfasst auch jede sonstige bodenbezogene Pflanzenzucht, die nicht Forstwirtschaft ist, d.h. auch Weinbau, Gartenbau, Baumschulen etc. gehören dazu. Eigene Flächen sind nicht erforderlich, ebenso kein voller landwirtschaftlicher Apparat (Betriebsgebäude, Inventar etc.). Bei einer eigenbewirtschafteten Fläche von mindestens 3000 qm kann i.d.R. ein landwirtschaftlicher Betrieb angenommen werden.6 Forstwirtschaft ist Bodenbewirtschaftung zur Gewinnung von Walderzeugnissen, insbesondere Holz. Für die Annahme eines Forstbetriebs genügt nicht schon jede Forstfläche i.S. des BWaldG. Erforderlich ist eine gewisse Größe, die die Erzielung eines Totalgewinns ermöglicht.7 Nicht unter Land- und Forstwirtschaft fallen die Jagdwirtschaft, Imkerei, Vogelzucht und Fischzucht, weil hierzu keine Bewirtschaftung des Grund und Bodens erforderlich ist. Unerheblich ist, dass diese Bewirtschaftungsarten nach innerstaatlichem Recht zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führen können (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 62 Abs. 1 BewG; § 13 Abs. 1 Nr. 3 EStG).8 Auch Nebenbetriebe (wie z.B. Be- und Verarbeitungsbetriebe, Handelsbetriebe, Speisewirtschaften, Schlachtereien, Kraftwerke oder Produktionsstätten für Biogas) fallen – anders als nach innerstaatlichem Recht (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG) – nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6.9 Abkommensrechtlich sind einheitlich ermittelte Einkünfte ggf. aufzuteilen.
1 Vgl. auch Abschn. 1 Abs. 4 BewRGr. 2 In V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 82. 3 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 54; Reimer in V/L5, Art. 6 OECDMA Rz. 83. 4 So auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 35, 66; Galke in Haase2, Art. 6 OECD-MA Rz. 73; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16. 5 Die gewerbliche Viehzucht fällt unter Art. 7. 6 Vgl. BFH v. 24.11.1994 – IV R 53/94, BFH/NV 1995, 592 (593); v. 5.5.2011 – IV R 48/08, FR 2011, 907. 7 Vgl. BFH v. 13.4.1989 – IV R 30/87, BStBl. II 1989, 718 (719 f.). 8 So auch Galke in Haase2, Art. 6 OECD-MA Rz. 78; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 37, 38; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16a; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 44; Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 325. 9 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 44; wie hier Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 41.
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C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2)
Rz. 64–69 Art. 6
Lebendes Inventar. Lebendes Inventar ist insbesondere das Vieh, das der Arbeits- 64 leistung dient, oder zur Gewinnung von Erzeugnissen oder zu Zuchtzwecken eingesetzt wird. Daher sind Rinder eines landwirtschaftlichen Betriebs grundsätzlich ebenso Inventar wie ein Wachhund oder ein Zuchthengst. Mast-Vieh bleibt solange Inventar des Betriebs, bis es zur Veräußerung bestimmt wird, weil sich damit die Widmung ändert. Pflanzen sind ebenfalls lebendes Inventar. Totes Inventar. Totes Inventar sind insbesondere die landwirtschaftlichen Ar- 65 beitsgeräte wie z.B. Ackerwagen, Pflug, Traktor. Nichtkörperliche Gegenstände wie Wertpapiere, Bankguthaben etc. gehören nicht zum Inventar.1 Landwirtschaftliche Erzeugnisse wie z.B. Saatgut und Dünger gehören nur zum Inventar, soweit sie zur Fortführung der Landwirtschaft bis zur voraussichtlichen Gewinnung gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse erforderlich sind (vgl. § 98 Nr. 2 BGB). d) Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten Grundstücksgleiche Rechte. Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über 66 Grundstücke gelten, werden auch abkommensrechtlich den Grundstücken gleichgestellt. Entscheidend ist das jeweilige Privatrecht des Quellenstaats. Zu den Rechten, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, gehören nach deutschem Rechtsverständnis die in Rz. 52 bis 56 beschriebenen grundstücksgleichen Rechte (Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht, Wohnungs- und Teileigentumsrechte, Bergrechte, Bergwerkseigentum, Wasserrechte, Jagdrechte, Fischereirechte, Gerechtigkeiten und Bahneinheiten, soweit sie nach Landesrecht als grundstücksgleich angesehen werden, Realgewerbeberechtigungen (Art. 74 EGBGB)). Nicht einheitlich beurteilt werden Grundpfandrechte. Sie sind formal auch beschränkt dingliche Rechte, berechtigten jedoch nicht zu einer Nutzung von Grundbesitz, sondern haben einen Sicherungscharakter. Insofern werden sie mit der Begründung, es handele sich nur um Rechte an einem Grundstück, bereits aus den grundstücksgleichen Rechten herausgenommen.2 Nach anderer Auffassung sind Grundpfandrechte beschränkt dingliche Rechte mit Grundstücksbezug.3 Zu einer Nutzungsüberlassung soll es kommen, wenn das Grundstück entgeltlich als Sicherheit für die Schuld eines Dritten zur Verfügung gestellt wird.4 Dieser Sachverhalt sollte u.E. bereits durch die umfassende Bestimmung der Nutzung von Grundbesitz in Art. 6 Abs. 3 erfasst sein (s. Rz. 95). e) Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen Inhalt. Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen umfassen sowohl dingliche als auch obligatorische Nutzungsrechte.
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aa) Dingliche Nutzungsrechte Begriff der dinglichen Nutzungsrechte. Für Deutschland als Belegenheitsstaat 68 sind dingliche Nutzungsrechte zivilrechtlich definiert. Hierunter fallen Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB), beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) und Reallasten, nicht jedoch dinglich gesicherte Vorkaufsrechte (§§ 1094 ff. BGB) und Grundpfandrechte; hier fehlt der Nutzungscharakter der Regelung.5 Nießbrauch. Ein Nießbrauch liegt vor, wenn das unbewegliche Vermögen in der 69 Weise belastet ist, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung wirkt, die Nutzungen des unbeweglichen Vermögens zu ziehen berechtigt ist (§ 1030 Abs. 1 BGB). 1 Vgl. FG Nürnberg v. 17.12.1980 – V 55/77, EFG 1981, 331 zum DBA-Österreich 1954, welches das Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nicht bei den Positivbeispielen aufführte; a.A. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 86, der Wertpapiere, Kontokorrentforderungen u.Ä. in betriebsüblicher Menge und Höhe zum toten Inventar rechnen will. 2 Vgl. Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 74a; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 77, 79. 3 A.A. Galke in Haase2, Art. 6 OECD-MA Rz. 66; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 90. 4 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 176. 5 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768 (770); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 74a f.; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 92.
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Art. 6 Rz. 69–75
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Nach § 1031 BGB erstreckt sich der Nießbrauch an einem Grundstück auf das Grundstückszubehör. Gegenstand eines Nießbrauchs an einem Grundstück kann auch das Grundstück einschließlich des Inventars sein. Das Nießbrauchsrecht selbst wird abkommensrechtlich als unbewegliches Vermögen fingiert mit der Folge, dass der Nießbrauchsberechtigte durch entgeltliche Nutzung des Nießbrauchs Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen erzielen kann. 70
Grunddienstbarkeit. Grunddienstbarkeit bedeutet, dass das Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (§ 1018 BGB). Überlässt der Inhaber einer Grunddienstbarkeit das Grundstück einem anderen entgeltlich zur Nutzung, erzielt er Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Die Bestellung der Grunddienstbarkeit selbst kann für den Eigentümer des belasteten Grundstücks zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen führen. Grunddienstbarkeiten können beispielsweise für die Errichtung von Anlagen (z.B. Stromleitungen), Wegerechte oder Bebauungsbeschränkungen bestellt werden.
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Beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Für eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit wird ein Grundstück in der Weise belastet, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann. Der Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit kann grundsätzlich dem Inhalt einer Grunddienstbarkeit entsprechen. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist z.B. das dingliche Wohnrecht (vgl. § 1093 BGB). Wird die Berechtigung aus der persönlichen Dienstbarkeit entgeltlich zur Nutzung überlassen, erzielt der Inhaber Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Die Bestellung der Dienstbarkeit durch den Grundstückseigentümer gegen Entgelt führt ebenfalls zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen.
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Grundpfandrechte, Hypotheken, dingliches Vorkaufsrecht. Grundpfandrechte, Hypotheken, dingliches Vorkaufsrecht (§ 1094 Abs. 1 BGB) sind keine Nutzungsrechte. Ihnen fehlt der Nutzungscharakter. Sie dienen der Sicherung von Geldforderungen bzw. sichern eine Berechtigung zum Erwerb eines Grundstücks, wenn dieses veräußert werden soll.1 bb) Obligatorische Nutzungsrechte
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Obligatorische Nutzungsrechte. Unter den Begriff „Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen“ können auch schuldrechtliche Nutzungsrechte fallen. Einkünfte aus obligatorischen Nutzungsrechten sind insbesondere die Einkünfte aus Untervermietung und -verpachtung sowie Entgelte für den Verzicht auf Rechte aus schuldrechtlichen Nutzungsverhältnissen, z.B. Abstandszahlungen für die vorzeitige Aufgabe eines Miet- oder Pachtverhältnisses.2 f) Ausbeuterechte
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Inhalt. Zum unbeweglichen Vermögen gehören auch Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen.
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Recht auf veränderliche oder feste Vergütung. Bei dem Vergütungsanspruch handelt es sich i.d.R. um eine Geldforderung, die der Überlassende als Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks zur Ausbeute oder eines Ausbeuterechts von ei-
1 Vgl. auch Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 287; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 74a, 75. 2 Vgl. BFH v. 28.4.1982 – I R 151/78, BStBl. II 1982, 566 (567); krit. Reimer in V/L5, Art. 6 OECDMA Rz. 185.
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Lieber
C. Unbewegliches Vermögen (Absatz 2)
Rz. 75–81 Art. 6
nem Dritten erhält. Diese gehört nicht zum unbeweglichen Vermögen.1 Die Vergütung selbst führt zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Ausbeutung. Ein Grundstück zur Ausbeutung überlassen kann zunächst der Ei- 76 gentümer. Aber auch ein Nichteigentümer, der das Recht an einem vom Eigentum getrennten Bodenschatz hat (sog. bergfreier Bodenschatz i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 2 BBergG), kann den Bodenschatz zur Ausbeutung überlassen.2 Es muss sich um eine Nutzungsüberlassung zur Ausbeutung handeln. Derjenige, der selbst Bodenschätze abbaut, erzielt i.d.R. Unternehmensgewinne.3 Recht auf Ausbeutung. Ein Recht auf Ausbeutung steht demjenigen zu, dem ein Grundstück bzw. Grundstücksteil zur Ausbeute überlassen wurde. Der Inhaber eines Förderrechts oder einer Abbaukonzession kann dieses Recht nutzen, in dem er es an einen anderen gegen Entgelt überträgt.
77
Mineralvorkommen. Mineralvorkommen sind chemisch und physikalisch einheitli- 78 che Bestandteile der Erdkruste (natürliche Ablagerungen anorganischer Stoffe aller Aggregatszustände). Hierzu zählen z.B. Metalle, Edelsteine, Halbedelsteine und andere Steine wie z.B. Marmor, Salze, Quarze, Erz, Steinkohle, Mineralöl, Schwefel und Schwefelverbindungen.4 Nicht dazu gehören Erde, Kies und Sand als unmittelbarer Bestandteil der Grundstückssubstanz. Quellen. Quellen sind Stätten, an denen Flüssigkeiten aus dem Boden an die Erd- 79 oberfläche treten.5 Die Quellen müssen Bodenschatzcharakter haben. Für Deutschland gelten ausdrücklich Wasser- und Heilwasserquellen nicht als Bodenschatz i.S. des § 3 Abs. 1 BBergG. Andere Bodenschätze. Ist Deutschland der Belegenheitsstaat, ergeben sich die 80 möglichen Ausbeuteobjekte aus § 3 BBergG v. 13.8.1980.6 Bodenschätze sind mit Ausnahme von Wasser alle mineralischen Rohstoffe in festem oder flüssigem Zustand und Gase, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen (Lagerstätten) in oder auf der Erde oder im Meerwasser vorkommen.7 Grundeigene Bodenschätze stehen im Eigentum des Grundstückseigentümers und sind damit Bestandteil des Grundstücks; auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück hingegen nicht (§ 3 Abs. 2 BBergG). § 3 Abs. 3 und 4 BBergG enthalten Auflistungen grundeigener und bergfreier Bodenschätze. 2. Negativkatalog (Absatz 2 Satz 2 Halbs. 2) Auslegungskriterien. Schiffe und Luftfahrzeuge sind ausdrücklich aus dem „unbe- 81 weglichen Vermögen“ ausgenommen. Insofern wird der Verweis auf das innerstaatliche Recht des Belegenheitsstaats eingeschränkt. Da es sich um eine Negativabgrenzung handelt, macht eine Auslegung der Begriffe „Schiffe“ und „Luftfahrzeuge“ nach dem Recht des Belegenheitsstaats keinen Sinn. Insofern gilt die allgemeine Regel des Art. 3 Abs. 2, wonach ein Rückgriff auf das Recht des jeweiligen Anwenderstaats erfolgt.8 Dabei geht es ausschließlich um die Nutzungsüberlassung von Schiffen und Luftfahrzeugen; Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8. Hierzu gehört auch die Vercharterung eines vollständig ausgerüsteten und bemannten Schiffes. Für die reine Vermietung (bare-boatCharter) dürften Einkünfte nach Art. 7 Abs. 1 oder Art. 21 Abs. 1 in Betracht kommen.
1 Vgl. BFH v. 15.12.1993 – II R 66/89, BStBl. II 1994, 220; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 78; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 105. 2 Vgl. Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 272, 293. 3 Dies ergibt sich u.a. auch aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. f. 4 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 110. 5 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 111; Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 300. 6 BGBl. I 1980, 1310. 7 Vgl. § 3 Abs. 1 BBergG v. 13.8.1980, BGBl. I 1980, 1314. 8 Vgl. Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 303; a.A. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 113, der auf den Abkommenszusammenhang zurückgreifen will; ähnlich Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 82.
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Art. 6 Rz. 82–86
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
82
Schiffe. Schiffe sind alle auf und unter dem Wasser sich bewegenden oder bewegten Transportmittel.1 Sie gehören nach deutschem Steuerrecht nur dann zum unbeweglichen Vermögen, wenn sie in ein Schiffsregister eingetragen sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).
83
Luftfahrzeuge. Luftfahrzeuge sind alle im Wasser oder auf dem Festland startenden und landenden Fahrzeuge, die sich im Luftraum fortbewegen (vgl. Art. 8 Rz. 24). Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle2 eingetragen sind, werden nach innerstaatlichem Recht jedenfalls nach Auffassung des BFH als unbewegliches Vermögen behandelt.3
D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Absatz 3) I. Regelungszweck 84
Definition der Einkunftserzielungshandlungen. Abs. 3 definiert die Einkunftserzielungshandlungen. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts soll für jede Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens gelten. Mit der umfassenden Nutzung wird der Zusammenhang zwischen den Einkünften und der Einkunftsquelle, dem unbeweglichen Vermögen definiert (Einkünfte „aus“ unbeweglichem Vermögen). Mit den Begriffen der „unmittelbaren Nutzung“ (direkter Gebrauch) und der „Vermietung und Verpachtung“ (Nutzung durch Gebrauchsüberlassung) nennt das Abkommen zwei Regelbeispiele. Da diese und der Begriff „Nutzung“ abkommensrechtlich nicht definiert sind, ist auf das Recht des Anwenderstaats zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2).4
II. Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung 85
Nutzung. Nutzung ist die zeitlich begrenzte Bewirtschaftung des Vermögensgegenstands. Nutzender kann sowohl der Eigentümer (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) als auch ein Mieter (z.B. Untervermietung) als auch ein Untermieter (durch Gebrauch oder weitere Untervermietung) und so weiter sein; es können somit auch unterschiedliche Personen sein, die dasselbe unbewegliche Vermögen gleichzeitig nutzen und jeweils Einkünfte aus diesem Vermögen erzielen.
86
Unmittelbare Nutzung. Unmittelbare Nutzung bezeichnet die Eigennutzung des unbeweglichen Vermögens durch den Nutzenden, z.B. durch Bewohnen eines Gebäudes (Gebrauch für den persönlichen Lebensraum) oder Fruchtziehung aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb; letztere ist durch die unmittelbare Ausbeutung des Grund- und Bodens gekennzeichnet. Mit dem Erfordernis der „Unmittelbarkeit“ wird die direkte persönliche Nutzung durch den Steuerpflichtigen bzw. die Bewirtschaftung auf eigene Rechnung von der entgeltlichen Nutzungsüberlassung abgegrenzt. Ob diese unmittelbare private Nutzung tatsächlich besteuert wird, bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates (so z.B. aktuell Belgien, Niederlande, Italien, Schweiz, Spanien;5 in Deutschland galt bis einschließlich VZ 1986 die Nutzungswertbesteuerung nach §§ 21 Abs. 2, 21a EStG). Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich genutzt wird; ausreichend ist bereits, dass die Immobilie bzw. Wohnung dem Steuerpflichtigen jederzeit zur Verfügung steht.6
1 Vgl. BFH v. 21.9.1955 – V 106/55 U, BStBl. III 1955, 358 (359); Hemmerlrath in V/L5, Art. 8 OECDMA Rz. 12. 2 Vgl. § 2 LuftVG. 3 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Gerechtfertigt wird die Gleichstellung damit, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquelle geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind. 4 A.A. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 133: abkommensautonome Auslegung; wie hier Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 273; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 92; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 85. 5 Vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 158. 6 Vgl. BFH v. 22.1.1980 – VIII R 134/78, BStBl. II 1980, 447.
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D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Absatz 3)
Rz. 87–89 Art. 6
Negativabgrenzung: betriebliche Nutzung. Dagegen ist die Nutzung einer Immobi- 87 lie im Rahmen eines Betriebs keine unmittelbare Nutzung, weil die Immobilie hier als Produktionsfaktor eingesetzt wird.1 Dies gilt nur für die gewerbliche und freiberufliche Eigennutzung der Immobilie, nicht für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung (zum Begriff der Land- und Forstwirtschaft s. Rz. 63). Es kommt somit in diesen Fällen der betrieblichen Eigennutzung nicht zu fiktiven Einkünften. Im wirtschaftlichen Ergebnis werden lediglich Miet- bzw. Pachtaufwendungen gespart, die bei einer Anmietung bzw. -pachtung angefallen wären. Auch der Betrieb von Windenergie-, Solar- und Wasserkraftanlagen ist keine unmittelbare Nutzung des Grund- und Bodens, sondern der Energie des Windes, der Sonne oder des Wassers. Wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich genutzt und teils fremdvermietet, führt die entgeltliche Nutzungsüberlassung zu Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen. Die sog. Exploration, d.h. die 88 Suche nach Bodenschätzen durch Probebohrungen oder -grabungen, begründet keine unmittelbare Nutzung.2 Hier steht der Forschungsgedanke im Vordergrund und nicht die Nutzung; entsprechende Einkünfte fallen in den Anwendungsbereich von Art. 7. Gleiches gilt für die aktive Ausbeutung von Bodenschätzen.3 Denn die Ausbeutung führt nur dann zu Einkünften, wenn das Ausbeutungssubstrat am Markt verwertet wird. Dadurch wird der Ausbeutende unternehmerisch tätig und verlässt den unmittelbaren Bezug zum unbeweglichen Vermögen. Der Abbau von Bodenschätzen führt dementsprechend regelmäßig zu Einkünften i.S. des Art. 7 Abs. 1. Hierfür spricht auch Art. 5 Abs. 2 Buchst. f, nach dem eine „Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen“ vom abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff umfasst ist. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Ausbeutung von Bodenschätzen, die Erforschung dieser Vorkommen ist nicht erwähnt. Den Vertragsstaaten steht frei, eine Regelung für die Einkünfte aus diesen Tätigkeiten im jeweiligen Abkommen zu vereinbaren (Art. 5 Rz. 15 OECD-MK).
III. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Begriff der Vermietung und Verpachtung. Die Vermietung und Verpachtung wird 89 gekennzeichnet durch das zeitlich begrenzte Überlassen des Vermögensgegenstands an einen Dritten. Der steuerliche Begriff der Vermietung und Verpachtung umfasst nicht nur die zivilrechtlichen Vertragstypen der Miete und Pacht (vgl. §§ 535 ff.; 581 ff. BGB), sondern auch alle sonstigen Rechtsverhältnisse, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einer Vermietung und Verpachtung im zivilrechtlichen Sinn vergleichbar sind. Es muss sich um die zeitlich begrenzte Überlassung von unbeweglichem Vermögen zur Nutzung gegen Entgelt handeln. Bei der Vermietung wird dem Mieter eine bestimmte Grundstücksfläche unter Ausschluss anderer zur Nutzung überlassen und der Mieter ist zur Rückgabe der Mietsache verpflichtet. Bei der Verpachtung kommt die Berechtigung zur Fruchtziehung hinzu. Dabei kann es sich sowohl um schuldrechtliche Verträge als auch um dingliche Rechtsverhältnisse (z.B. Erbbaurechtsvertrag, Nießbrauch) handeln. Auch Vergütungen für die zwangsweise Überlassung von unbeweglichem Vermögen sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.4 Ferner ist auch die Abstandszahlung für die vorzeitige Aufgabe des Besitzrechts am Vermögen ein Entgelt für eine Vermietungs- bzw. Verpachtungsleistung; denn wirtschaftlich stellt sich die Abstandszahlung als Marge für eine fiktive Rückverpachtung des Mieters/Pächters an den Eigentümer für die restliche Laufzeit des Miet-/Pachtvertrags dar.5 Werden neben dem Grundbesitz bewegliche Wirtschaftsgüter vermietet, ist das vereinnahmte Entgelt entsprechend aufzuteilen; für die Vermietung von beweglichen Wirtschaftsgüter findet entweder Art. 7 Abs. 1 oder 1 So auch Galke in Haase2, Art. 6 OECD-MA Rz. 87, 90; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 117; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 89. 2 Vgl. auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 163 ff.; Art. 5 Rz. 15 OECD-MK. 3 Ebenso Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 319; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECDMA Rz. 77; a.A. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 166 ff. 4 Vgl. BFH v. 19.4.1994 – IX R 19/90, BStBl. II 1994, 640. 5 Vgl. BFH v. 28.4.1982 – I R 151/78, BStBl. II 1982, 566; Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 141.
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Art. 6 Rz. 89–93
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Art. 21 Abs. 1 Anwendung; bei Anwendung der Auffangklausel kommt es regelmäßig zum Auseinanderfallen des Besteuerungsrechts zwischen dem Belegenheitsstaat einerseits und dem Ansässigkeitsstaat andererseits für die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung beweglicher Vermögenswerte.1 90
Untergeordnete Nebenleistungen oder Nebenabreden. Untergeordnete Nebenleistungen oder Nebenabreden berühren die Einordnung als Vermietung bzw. Verpachtung nicht und führen auch nicht zu einer Aufteilung der Einkünfte auf unterschiedliche Verteilungsnormen.2 Allerdings sollte die Attraktivkraft der Überlassungsvereinbarung nicht der Regelfall sein. Weist die Vereinbarung neben der Nutzungsüberlassung wesentliche miet- und pachtfremde Elemente auf, ist zwischen einem „gemischten Vertrag“ und einem „Vertrag besonderer Art“ zu unterscheiden. Bei einem gemischten Vertrag ist eine Abtrennung von Miet-/Pachtelementen als Hauptleistungen möglich; bei einem Vertrag besonderer Art ist dies nicht mehr möglich, das Miet-/Pachtelement wird durch andere Vertragsbestandteile vollständig überlagert und verdrängt. Während bei einem gemischten Vertrag das Gesamtentgelt in Entgeltsbestandteile für die Vermietungsleistung, die dem Anwendungsbereich des Art. 6 unterfällt, und die anderen Leistungen, für die andere Verteilungsnormen wie insbesondere Art. 7, 11, 12 und 21 gelten, aufzuteilen ist, wird das Leistungsbündel bei einen Vertrag besonderer Art insgesamt einer anderen Verteilungsnorm, im Regelfall Art. 7 zugeordnet.
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Gemischter Vertrag. Ein typengemischter Vertrag liegt vor, wenn er sowohl Kriterien einer Vermietung/Verpachtung als auch Merkmale anderer Leistungen aufweist, ohne dass neben der Vermietung/Verpachtung als Hauptleistungspflicht nur untergeordnete Nebenleistungspflichten gegeben sind. Es handelt sich um einen Vertrag mit mehreren Hauptpflichten, bei denen sich eine Hauptpflicht als Vermietung/Verpachtung darstellt. Eine Zerlegung des Vertrags setzt voraus, dass sich die Pflichten rechtlich voneinander trennen lassen. So sind z.B. bei der Ferienwohnungsvermietung die Nutzungsüberlassung und die Serviceleistungen (z.B. Reinigung) grundsätzlich trennbar. Nur der – ggf. durch Schätzung zu ermittelnde – Entgeltanteil, der auf die Vermietung an sich entfällt, bezieht sich auf die Nutzung von unbeweglichem Vermögen und fällt insoweit in den Anwendungsbereich von Art. 6. Das Besteuerungsrecht für den Entgeltanteil, der auf die Serviceleistungen entfällt, bestimmt sich nach Art. 7 oder nach Art. 21.
92
Vertrag besonderer Art. Ein Vertrag besonderer Art liegt vor, wenn die Nutzungsüberlassung des Grundbesitzes gegenüber anderen wesentlicheren Leistungen zurücktritt und das Vertragsverhältnis ein einheitliches, unteilbares Ganzes darstellt. Bei solchen Rechtsverhältnissen handelt es sich nicht mehr um Vermietung bzw. Verpachtung. Solche Verträge besonderer Art liegen z.B. vor bei Hotel-Vermietung an Endnutzer (Beherbergungsverträge), bei Verpachtung von Messeflächen an Aussteller, Verpachtung von Grundstücksflächen an Schausteller auf Jahrmärkten und Lagergeschäften (vgl. §§ 416 ff. HGB), bei denen der Unternehmer neben der Raumüberlassung die Lagerung und Aufbewahrung von Gütern übernimmt.3 Einkünfte aus solchen vertraglichen Leistungen fallen i.d.R. in den Anwendungsbereich von Art. 7 oder auch Art. 8 (z.B. Nutzung von Häfen oder Hangars).
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Leasingverträge. Beim Leasing ist danach zu unterscheiden, wem das wirtschaftliche Eigentum am Leasinggegenstand zuzurechnen ist: Verbleibt das wirtschaftliche Eigentum beim Leasinggeber, liegt eine reine Nutzungsüberlassung vor. Geht das wirtschaftliche Eigentum/Verfügungsmacht auf den Leasingnehmer über, liegt statt einer Nutzungsüberlassung eine Veräußerung mit Kreditgewährung vor. Die deutsche Finanzverwaltung hat in den Immobilien-Leasingerlassen4 Kriterien für den 1 2 3 4
Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. In diesem Sinne auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 147 ff. Vgl. BFH v. 14.11.1968 – V 191/65, BStBl. II 1969, 120 zur Umsatzsteuer. Vgl. BMF v. 21.3.1972 – F/IV B 2 – S 2170 – 11/72, BStBl. I 1972, 188 zum Vollarmortisations-Leasing; BMF v. 23.12.1991 – IV B 2 – S 2170 – 115/91, BStBl. I 1992, 13 zum Teilamortisations-Leasing.
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D. Nutzung unbeweglichen Vermögens (Absatz 3)
Rz. 93–96 Art. 6
Übergang des wirtschaftlichen Eigentums entwickelt, nach denen es auf folgende Kriterien ankommt: Verhältnis von unkündbarer Grundmietzeit zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer, Vorhandensein von Kauf- und Mietverlängerungsoptionen, Relation der Kaufoptions-Kaufpreise zum Restbuchwert, Relation einer Anschlussmiete zur Marktmiete, besondere Verpflichtungen des Leasingnehmers, die diesem bestimmte Investitionsrisiken aufbürden. Immobilien, die Gegenstand eines SpezialLeasing-Vertrags sind, sind stets dem Leasingnehmer zuzurechnen. Überlassung zur Ausbeutung von Bodenschätzen. Verträge über die zeitlich be- 94 grenzte Überlassung von Grundstücken zwecks Gewinnung von Bodenschätzen sind grundsätzlich als Verpachtung zu qualifizieren, unabhängig davon, wie die Vertragsparteien den Vorgang rechtlich bezeichnet haben.1 Das sollte auch dann gelten, wenn das Grundstück zwar zivilrechtlich übereignet wird, die Vertragsparteien aber die Rückübereignung nach Beendigung der Ausbeutung vereinbart haben.2 Ein Kaufvertrag (Übereignung von Bodensubstanz) kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn eine dauerhafte Eigentumsübertragung gewollt war (z.B. Lieferung einer fest begrenzten Menge eines bestimmten Vorkommens).3
IV. Einkünfte aus jeder anderen Art der Nutzung Auffangklausel. Mit der anderen Art der Nutzung sollen Sachverhalte erfasst wer- 95 den, die nicht schon unmittelbare Nutzung oder Vermietung/Verpachtung sind, wie z.B. die Erbbaurechtsbestellung gegen Zahlung eines einmaligen oder laufenden Erbbauzinses. Hierunter können auch Vertragsverhältnisse fallen, die einem Anderen nur den Gebrauch des unbeweglichen Vermögens zu einem vertraglich festgelegten Zweck ermöglichen. Häufig werden Grundstücke nicht insgesamt, sondern nur im Hinblick auf bestimmte Teilbereiche ihres Nutzungspotentials zur Verfügung gestellt, z.B. auf der Grundlage von Dienstbarkeiten oder Konzessionen. Beispiele hierfür sind Rechte zur Verlegung und zum Betrieb von Leitungen (Gas, Wasser, Strom, Öl) auf dem Grundstück, oberhalb des Grundstücks (z.B. Überspannrechte) oder unterhalb der Erdoberfläche, Wegerechte, Dienstbarkeiten zur Errichtung von Wegen und Plätzen auf fremden Grundstücken, Rechte zur Verfüllung von Grundstücken etc. Derartige Rechtsverhältnisse sind regelmäßig als Verpachtung von Grundbesitz zu qualifizieren (z.B. Verpflichtung/Baulast, eine Kanalleitung auf dem Grundstück zu dulden;4 Zahlung für die Überspannung des Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung, sofern dies mit der Einräumung einer Nutzungsbefugnis verbunden ist5). Dies gilt auch dann, wenn die vom Nutzungsberechtigten geleisteten Zahlungen aus Sicht des Empfängers auch einen Wertverlust am Grundstück kompensieren. Eine Nutzungsüberlassung ist auch die Bestellung eines Grundpfandrechts am eigenen unbeweglichen Vermögen gegen Entgelt zur Sicherung der Forderung eines Darlehensgläubigers gegen einen dritten Darlehensschuldner, d.h. der am Darlehensvertrag nicht beteiligte Eigentümer erzielt Einkünfte als Sicherungsgeber aus dem beschränkt dinglichen Recht (Grundpfandrecht).6
V. Abgrenzung zur Veräußerung Kein endgültiger Verlust der Herrschaftsgewalt. Veräußerung und nicht mehr 96 Nutzungsüberlassung liegt vor, wenn der zur Nutzungsüberlassung Verpflichtete zwar zivilrechtlich Eigentümer des Grundbesitzes bleibt, jedoch wirtschaftlich seine Herrschaftsgewalt endgültig und in vollem Umfang verliert und eine Rückübertragung der Herrschaftsgewalt praktisch unmöglich ist. Es kommt darauf an, ob das Entgelt für die Hinnahme einer Nutzungseinschränkung oder für den wertmäßigen Ausgleich eines dauerhaften, endgültigen Verlustes von wesentlichen Teilen der wirt1 2 3 4 5 6
Vgl. auch BFH v. 21.7.1993 – IX R 9/89, BStBl. II 1994, 231. Vgl. BFH v. 5.10.1973 – VIII R 78/70, BStBl. II 1974, 130. Vgl. BFH v. 12.12.1969 – VI R 197/67, BStBl. II 1970, 210. Vgl. BFH v. 4.9.1996 – XI R 20/96, BFH/NV 1997, 336. Vgl. BFH v. 19.4.1994 – XI R 19/90, BStBl. II 1994, 640. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 94.
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Art. 6 Rz. 96–98
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
schaftlichen Substanz des Vermögens (dann Veräußerung) gezahlt wird.1 Ist das Vertragsverhältnis auf einen endgültigen, irreversiblen und vollständigen Verzicht auf Teile des Nutzungspotentials eines Grundstücks gerichtet, so wird der Sachverhalt ungeachtet seiner zivilrechtlichen Bezeichnung nicht mehr als Verpachtung, sondern als Veräußerung qualifiziert.2 Auch die Einräumung eines beschränkt dinglichen Rechts oder dessen Übertragung kann zu einer endgültige Verfügung über einen Teil des Vollrechts „Eigentum am Grundvermögen“ führen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn das dingliche Recht seinerseits zeitlich beschränkt ist.
E. Unternehmerisch genutztes unbewegliches Vermögen (Absatz 4) I. Regelungszweck 97
Belegenheitsprinzip gilt auch für im Rahmen eines Unternehmens genutztes unbewegliches Vermögen. Abs. 4 bestimmt, dass das Belegenheitsprinzip auch für im Rahmen eines Unternehmens genutztes unbewegliches Vermögen gilt. Damit soll gewährleistet werden, dass unbewegliches Vermögen in jedem Fall im Belegenheitsstaat besteuert wird, unabhängig davon, ob im Belegenheitsstaat eine Betriebsstätte (oder eine feste Einrichtung nach Art. 14 a.F.) existiert bzw. ob das unbewegliche Vermögen zu einer dort belegenen Betriebsstätte gehört (vgl. Art. 6 Rz. 4 Satz 2 OECDMK). Das Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats soll erhalten bleiben und zwar sowohl für den Fall, dass der andere Staat die Gewinne des Unternehmens nicht nach Art. 7 besteuern darf, als auch für den Fall, dass das unbewegliche Vermögen in einer Betriebsstätte im Belegenheitsstaat gehalten wird (Vermittlung durch die Betriebsstätte; vgl. Art. 6 Rz. 4 Satz 1 a.E. OECD-MK). Denn die wirtschaftliche Zugehörigkeit grundstücksbezogener Einkünfte zum Belegenheitsstaat wird durch die Tatsache, dass das Grundstück zum Betriebsvermögen eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmen gehört, nicht verändert. Nach dem Wortlaut von Abs. 4 soll auch nicht lediglich die Rechtsfolge des Immobilienartikels vorgehen, sondern die Anwendung von Art. 6 schließt die Anwendung von Art. 7 aus;3 aus Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 ergibt sich ebenfalls der Anwendungsvorrang. Stellt allerdings das unbewegliche Vermögen selbst eine Betriebsstätte dar, weil es im Rahmen des Betriebs als Produktionsfaktor genutzt wird, dann gilt Art. 7 vorrangig vor Art. 6. Außerdem gilt Art. 7 für die Fragen der Gewinnermittlung, soweit die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen einer Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnen sind.4
II. Vorrang des Belegenheits- vor dem Betriebsstättenprinzip 1. Einkünfte eines Unternehmens 98
Begriff des Unternehmens. Der Begriff des Unternehmens ist in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h definiert. Nach allg. Auffassung muss es sich um eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit, nicht dagegen um die „passive“ Nutzung von Vermögenswerten handeln; diese Tätigkeit muss selbständig ausgeübt werden und sie darf nicht land- und forstwirtschaftlicher Art sein.5 Die Betriebsaufspaltung führt nicht per se zu unternehmerischen Einkünften für das Besitzunternehmen.6 Gleiches 1 Zu der Kasuistik in der Rspr. des BFH vgl. Fuchs/Lieber, FR 2005, 285 ff. 2 Vgl. BFH v. 18.8.1977 – VIII R 7/74, BStBl. II 1977, 797: Vergütung zur dauernden und unwiderruflichen Duldung eines U-Bahnbaus. 3 Vgl. BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; Schmidt/Blöchle, IStR 2003, 685 (690); krit. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 200: Idealkonkurrenz; ähnlich BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1 mit der Konsequenz, dass diese Einkünfte unter einen Aktivitätsvorbehalt im jeweiligen DBA fallen, auch wenn dieser nur für Unternehmensgewinne und nicht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen gilt. 4 Insbesondere Art. 7 Abs. 2 bis 6 OECD-MA; vgl. Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 208. 5 A.A. Reimer in V/L (5), Art. 6 OECD-MA Rz. 204, der auch land- und forstwirtschaftliche Betriebe einbeziehen will; wie hier BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457 zu Art. 6 DBASpanien 1966; krit. Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff. 6 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; anders wohl Reimer in V/L5, Art. 6 OECDMA Rz. 204 unter Hinweis auf Günkel, StbJb 1998/99, 143, 151.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 98–104 Art. 6
gilt für die gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG einer rein vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft.1 Betriebliche Eigennutzung. Wird unbewegliches Vermögen unmittelbar zur Erzie- 99 lung von Unternehmensgewinnen (oder zur Erwirtschaftung von Einkünften aus selbständiger Arbeit nach Art. 14 a.F.) genutzt, so dient das Vermögen nicht der Erzielung von Einkünften aus Art. 6, sondern als Produktionsfaktor dem Unternehmenszweck. Somit ist in Fällen, in denen das unbewegliche Vermögen zu einer Betriebsstätte in einem anderen Vertragsstaat gehört und von dem Betrieb z.B. als Produktionsstätte genutzt wird, Art. 7 und nicht Art. 6 anwendbar. Wird die Betriebsstätte mit dem unbeweglichen Vermögen verpachtet, fallen die Verpachtungseinkünfte in den Anwendungsbereich von Art. 6. Sonderbetriebsvermögen. Steht das unbewegliche Vermögen im Eigentum eines 100 Mitunternehmers, der es seiner Mitunternehmerschaft als Produktionsfaktor entgeltlich zur Verfügung stellt, dann liegt nur bei der Mitunternehmerschaft betriebliche Eigennutzung vor. Der Mitunternehmer selbst erzielt Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art. 6.2 2. Unbewegliches Vermögen im Ansässigkeitsstaat Identität zwischen Belegenheits- und Wohnsitzstaat. Ist das unbewegliche Ver- 101 mögen Teil einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte, liegt es aber in dem Vertragsstaat, in dem auch der Einkünftebezieher ansässig ist (z.B. in Deutschland belegenes vermietetes Bürogebäude eines grenzüberschreitenden Betriebs mit Betriebstätte in den Niederlanden), liegt kein Fall des Abs. 4 vor. Auch Art. 7 Abs. 1 kommt nicht zur Anwendung, weil die Einkünfte ihrer Art nach unter Art. 6 Abs. 2 zu subsumieren sind (Art. 7 Abs. 4 OECD/MA 2010). Nach der Auffangvorschrift des Art. 21 Abs. 1 liegt das Besteuerungsrecht in diesen Fällen beim Ansässigkeitsstaat.3 3. Unbewegliches Vermögen in einem Drittstaat Unbewegliches Vermögen in Drittstaaten. Ist das unbewegliche Vermögen Teil ei- 102 ner im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte, liegt jedoch in einem Drittstaat (z.B. deutsches Unternehmen erzielt Vermietungseinkünfte aus einer Immobilie, die zu einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat gehört, aber in einem zu dem Betriebsstättenstaat grenznahen Drittstaat belegenen ist), findet Abs. 4 ebenfalls keine Anwendung. Auch hier greift Art. 21 Abs. 1 ein, d.h. im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander steht das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zu (vgl. auch Art. 6 Rz. 1 Satz 5 OECD-MK).
F. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 103 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien fehlt der Bezug auf die in 104 einem Vertragsstaat ansässige Person. Außerdem fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden. 1 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFHE 229, 252; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BFHE 232, 145. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 19a; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 102. 3 So auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 32.
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Art. 6 Rz. 105–114
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
105
Art. 6 Abs. 2 und 3 DBA-Belgien. Die Regelungen entsprechen materiell-rechtlich Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-MA.
106
Art. 6 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 6 Abs. 4 DBA-Belgien verwendet statt des Ausdrucks „selbständige Arbeit“ noch den aus dem OECD-MA 1963 stammenden engeren Ausdruck „freier Beruf“. 2. Konsequenzen
107
Art. 6 Abs. 1 DBA-Belgien. Aus den Abweichungen ergeben sich aber keine sachlichen Änderungen zum OECD-MA. Der fehlende Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person ist unerheblich, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt nur dann vorliegt, wenn der Einkünftebezieher nicht im Belegenheitsstaat ansässig ist. Die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören auch ohne Klammerzusatz zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Belgien, in dem das lebende und tote Inventar landund forstwirtschaftlicher Betriebe als Positivbeispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird.
108
Art. 6 Abs. 4 DBA-Belgien. Aus der abweichenden Wortwahl „freier Beruf“ ergibt sich keine Einschränkung gegenüber Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Bezug genommen wird auch hier auf Einkünfte, die unter Art. 14 DBA-Belgien bzw. Art. 14 a.F. fallen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
109
Freistellung. Sowohl für Belgien als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat ist die Freistellung unter Progressionsvorbehalt der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vereinbart (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 DBA-Belgien für Deutschland als Wohnsitzstaat; Art. 23 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 DBA-Belgien für Belgien als Wohnsitzstaat). Ob ein Progressionsvorbehalt eingreift, richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht.
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 110
Art. 6 Abs. 1 DBA-China. In Art. 6 Abs. 1 DBA-China fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden. Die Regelung entspricht insofern noch dem Wortlaut des OECD-MA 1963.
111
Art. 6 Abs. 2 bis 4 DBA-China. Die Regelungen stimmen inhaltlich mit Art. 6 Abs. 2, 3 und 4 OECD-MA überein. 2. Konsequenzen
112
Art. 6 Abs. 1 DBA-China. Gleichwohl gehören die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-China, in dem das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe als Beispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
113
China als Wohnsitzstaat. China als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung. Die anzurechnende deutsche Steuer ist auf den Betrag der chinesischen Steuer begrenzt, der nach den steuerlichen Vorschriften der Volksrepublik China auf diese Einkünfte entfällt (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-China).
114
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in China belegenem unbeweglichen Vermögen Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-China). Al-
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 114–123 Art. 6
lerdings ordnet Nr. 6 Buchst. b des Protokolls1 zum DBA-China einen Aktivitätsvorbehalt an für Einkünfte aus einer Betriebsstätte sowie auf das bewegliche und unbewegliche Vermögen, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte darstellt. Hierunter fallen auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Anwendungsbereich von Art. 6 DBA-China.2
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 3 DBA-Frankreich weicht nicht unerheblich von Art. 6 OECD- 115 MA ab. Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich enthält anstelle der 116 Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einen Klammerzusatz, mit dem das Zubehör und das lebende und tote Inventar der landund forstwirtschaftlichen Betriebe erfasst werden. Außerdem regelt Abs. 1 durch die Formulierung „können nur“ das ausschließliche Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats. Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich. Nach Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich bestimmt sich 117 der Begriff des unbeweglichen Vermögens nach den Gesetzen des Vertragsstaats, in dem dieses Vermögen belegen ist. Art. 3 Abs. 3 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 3 DBA-Frankreich fingiert grundstücks- 118 gleiche Rechte, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen sowie Rechte aus Lizenzgebühren für die Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen als unbewegliches Vermögen. Nur Schiffe gelten nicht als unbewegliches Vermögen. Art. 3 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich ent- 119 spricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 3. Es wird allerdings klargestellt, dass sich die Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens einschließlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft verstehen. Abs. 4 Satz 2 entspricht Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, d.h. die Vorschrift bezieht Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens in den Anwendungsbereich von Art. 3 DBA-Frankreich ein. Art. 3 Abs. 5 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 5 DBA-Frankreich entspricht materiellrechtlich Art. 6 Abs. 4 OECD-MA, auch wenn der Wortlaut abweicht („Betriebe, die nicht land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind“).
120
2. Konsequenzen Art. 3 Abs. 1 und 4 DBA-Frankreich. Die Erfassung der Einkünfte aus Land- und 121 Forstwirtschaft in Abs. 4 sowie des lebenden und toten Inventars land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in Abs. 1 statt in Art. 6 Abs. 1 bzw. Abs. 2 führt nicht zu einer sachlichen Abweichung vom OECD-MA. Die Zuweisung des ausschließlichen Besteuerungsrechts an den Belegenheitsstaat führt dazu, dass der Wohnsitzstaat nicht besteuern darf. Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 3 Abs. 2 DBA-Frankreich verweist für die Be- 122 stimmung des unbeweglichen Vermögens nur auf die Gesetze des Belegenheitsstaats und nicht auf das „Recht“ des Belegenheitsstaats wie Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Dieser Abweichung sollte keine materiell-rechtliche Bedeutung zukommen, da sich die Gesetzesauslegung auch aus Rspr., Verwaltungsregelungen und dem meinungsbildenden Schrifttum ergibt.3 Art. 3 Abs. 3 DBA-Frankreich. Eine materiell-rechtliche Abweichung ergibt sich aus dem fehlenden Ausschluss der Luftfahrzeuge aus dem Begriff des unbeweglichen 1 Vom 14.5.1986, BGBl. II 1986, 731. 2 A.A. Ellsel in G/K/G, Art. 6 DBA-China Rz. 16; Hackemann/Pfaar in Wassermeyer, Art. 6 DBAChina Rz. 2. 3 So auch Kramer in Wassermeyer, Art. 3 DBA-Frankreich Rz. 9.
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459
123
Art. 6 Rz. 123–130
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Vermögens. Da Deutschland Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle1 eingetragen sind, nach innerstaatlichem Recht als unbewegliches Vermögen behandelt,2 gelten diese auch abkommensrechtlich als unbewegliches Vermögen nach dem DBA-Frankreich, wenn Deutschland der Belegenheitsstaat ist. Für Einkünfte aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen gilt allerdings die Spezialregelung des Art. 6 DBA-Frankreich. Zudem fehlt das Recht auf Ausbeutung im Positivkatalog zum unbeweglichen Vermögen; dort wird nur die Ausbeutung von Bodenschätzen selbst erfasst. Allerdings dürfte die Vergütung bzw. Lizenzgebühr für „die Ausbeutung“ wirtschaftlich auch als Vergütung „für das Recht auf Ausbeutung“ zu verstehen sein, so dass sich insofern keine materiell-rechtliche Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA ergibt. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung 124
Frankreich als Wohnsitzstaat. Frankreich als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung. Die anzurechnende deutsche Steuer ist auf den Betrag der französischen Steuer begrenzt, der nach den steuerlichen Vorschriften Frankreichs auf diese Einkünfte entfällt (Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Satz 4 Doppelbuchst. cc DBA-Frankreich). Diese Vorschrift widerspricht dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 DBA-Frankreich, welcher dem Belegenheitsstaat bereits das ausschließliche Besteuerungsrecht zuweist.3
125
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in Frankreich belegenem unbeweglichen Vermögen Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBAFrankreich).
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA 126
Keine Abweichungen zum OECD-MA. Art. 6 DBA-Großbritannien entspricht Art. 6 OECD-MA. 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung
127
Großbritannien als Wohnsitzstaat. Großbritannien als Wohnsitzstaat gewährt für Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen die Anrechnung der deutschen Steuer auf die britische Steuer (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien).
128
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Großbritannien belegenem unbeweglichen Vermögen, wenn diese in Großbritannien tatsächlich besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und d DBA-Großbritannien). Für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 Abs. 4 DBA-Großbritannien gilt ein Aktivitätsvorbehalt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien).
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 129
Allgemeines. Art. 6 DBA-Indien hat nur drei Absätze, wobei Abs. 2 Art. 6 Abs. 3 OECD-MA und Abs. 3 Art. 6 Abs. 4 OECD-MA entspricht. Die Definition des unbeweglichen Vermögens findet sich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. f DBA-Indien. Dieser entspricht Art. 6 Abs. 2 OECD-MA.
130
Art. 6 Abs. 1 DBA-Indien. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Indien fehlt der Klammerzusatz, wonach zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen auch die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben zu rechnen sind. 1 Vgl. § 2 LuftVG. 2 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. 3 Vgl. Ellsel in G/K/G, Art. 3 DBA-Frankreich Rz. 19.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 131–138 Art. 6
2. Konsequenzen Art. 5 DBA-Indien. In Art. 5 DBA-Indien wird als Betriebsstätte auch definiert „ei- 131 ne Farm, eine Plantage oder ein anderer Ort, an dem eine landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche, plantagenwirtschaftliche oder verwandte Tätigkeit ausgeübt wird“ (Art. 5 Abs. 2 Buchst. h DBA-Indien). Daraus ergibt sich, dass Einkünfte aus landund forstwirtschaftlichen Betrieben als Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBAIndien und nicht als Einkünfte aus unbeweglichen Vermögen behandelt werden.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Indien als Wohnsitzstaat. Indien als Wohnsitzstaat gewährt für Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen die Anrechnung der deutschen Steuer auf die indische Steuer (Art. 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 DBA-Indien).
132
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Frei- 133 stellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Indien belegenem unbeweglichen Vermögen, unabhängig davon, ob diese Einkünfte in Indien tatsächlich besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Indien; Nr. 6 Buchst. a des Schlussprotokolls).
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 6 DBA-Italien. Art. 6 DBA-Italien stimmt sachlich mit Art. 6 OECD-MA überein. Nur die Aussagen von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA finden sich in Art. 6 Abs. 2 DBA-Italien in drei Sätzen (Satz 2 bis 4).
134
Protokoll. Nr. 4 des Protokolls zum DBA-Italien 19892 sieht für in Deutschland be- 135 legenes unbewegliches Vermögen eine Übernahme der deutschen Bemessungsgrundlage für die italienische Besteuerung vor, soweit sich nicht nach italienischem Recht eine niedrigere Steuer ergibt. 2. Konsequenzen Nr. 4 des Protokolls. Die Regelung der Nr. 4 des Protokolls betrifft nur Italien als 136 Ansässigkeitsstaat. Die deutsche Steuerbemessungsgrundlage ist dann maßgebend, wenn sie für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Durch die Regelung sollten unzumutbare Härten für in Italien ansässige Personen mit deutschem Immobilienvermögen vermieden werden, die sich aus dem Übergang der Freistellungsmethode nach dem DBA-Italien 1925 zur Anrechnungsmethode nach dem DBA-Italien 1989 ergeben konnten. Es muss sich um eine positive Bemessungsgrundlage für die deutsche Besteuerung (z.B. laut deutschem Steuerbescheid) handeln. Die Übernahme eines negativen Wertes oder eines Nullwertes – mangels Besteuerung in Deutschland – kommt nicht in Betracht.3 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Italien als Wohnsitzstaat. Italien als Wohnsitzstaat rechnet die deutsche Steuer 137 auf Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen auf die italienische Steuer an (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Italien). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Frei- 138 stellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Italien belegenem unbeweglichen Vermögen, allerdings abhängig davon, ob diese Einkünfte in Italien tatsächlich besteuert werden (Art. 24 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Italien; Nr. 16 Buchst. d des Protokolls).
1 Ebenso Ellsel in G/K/G, Art. 6 DBA-Indien Rz. 6; a.A. Strauß in Wassermeyer, Art. 6 DBA-Indien Rz. 18. 2 Protokoll vom 10.8.1990, BGBl. II 1990, 742. 3 So auch Krabbe in Wassermeyer, Art. 24 DBA-Italien Rz. 39.
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Art. 6 Rz. 139–150
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 139
Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan fehlt der Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person. Außerdem fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden.
140
Art. 6 Abs. 2 und 3 DBA-Japan. Die Regelungen entsprechen in ihrer materiellrechtlichen Aussage Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-MA.
141
Art. 6 Abs. 4 DBA-Japan. Art. 6 Abs. 4 DBA-Japan verwendet statt des Ausdrucks „selbständige Arbeit“ noch den aus dem OECD-MA 1963 stammenden engeren Ausdruck „freier Beruf“. 2. Konsequenzen
142
Art. 6 Abs. 1 DBA-Japan. Aus den Abweichungen ergeben sich keine sachlichen Änderungen zum OECD-MA. Der fehlende Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person ist unerheblich, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt nur dann vorliegt, wenn der Einkünftebezieher nicht im Belegenheitsstaat ansässig ist. Die Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören auch ohne Klammerzusatz zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Japan, in dem das lebende und tote Inventar landund forstwirtschaftlicher Betriebe als Beispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird, sowie dem Begriff der „unmittelbaren Nutzung“ in Art. 6 Abs. 3 DBA-Japan.
143
Art. 6 Abs. 4 DBA-Japan. Aus der abweichenden Wortwahl „freier Beruf“ ergibt sich keine Einschränkung gegenüber Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Bezug genommen wird auch hier auf Einkünfte, die unter Art. 14 DBA-Japan bzw. Art. 14 a.F. fallen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
144
Japan als Wohnsitzstaat. Japan als Wohnsitzstaat rechnet die deutsche Steuer auf Einkünfte aus in Deutschland belegenem unbeweglichen Vermögen auf die japanische Steuer an (Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan).
145
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt die Freistellung unter Progressionsvorbehalt von Einkünften aus in Italien belegenem unbeweglichen Vermögen, unabhängig davon, ob diese Einkünfte in Japan tatsächlich besteuert werden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Japan).
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 146
Art. 6 Abs. 1 DBA-Kanada. Die Vorschrift ist wortgleich mit Art. 6 Abs. 1 OECDMA.
147
Art. 6 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DBA-Kanada verweist anders als Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA nicht auf das gesamte Recht des Belegenheitsstaats, sondern auf das „einschlägige Steuerrecht“ des Belegenheitsstaats.
148
Art. 6 Abs. 3 DBA-Kanada. In Art. 6 Abs. 3 DBA-Kanada werden die Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens um die Einkünfte aus der Veräußerung dieses Vermögens ergänzt. Eine Regelung zu den Veräußerungsgewinnen findet sich auch in Art. 13 Abs. 1 DBA-Kanada.
149
Art. 6 Abs. 4 DBA-Kanada. Die Regelung entspricht inhaltlich Art. 6 Abs. 4 OECDMA.
150
Protokoll. Durch Nr. 2 des Protokolls zum DBA-Kanada1 wird ergänzend geregelt, dass zum unbeweglichen Vermögen auch Beteiligungen an Mineralvorkommen, Quel1 Protokoll vom 23.3.2002, BGBl. II 2002, 670.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 150–157 Art. 6
len und anderen Bodenschätzen sowie Anwartschaften (Optionen) auf unbewegliches Vermögen gehören. 2. Konsequenzen Art. 6 Abs. 2 DBA-Kanada. Der Verweis auf das „einschlägige Steuerrecht“ statt 151 auf das gesamte Recht des Belegenheitsstaats führt zu einer sachlichen Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Dadurch wird ein Rückgriff auf zivilrechtliche und andere Regelungen (z.B. öffentliches Recht) gesperrt, außer das Steuerrecht selbst nimmt Bezug auf andere Rechtsvorschriften. Ergänzung um Beteiligungen und Anwartschaften an Bodenschätzen. Hierdurch 152 wird der Positivkatalog für Vermögenswerte, die in jedem Fall zum unbeweglichen Vermögen gehören, gegenüber Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA erweitert. Beteiligung meint eine vermögensmäßige Teilhabe an einem Mineralvorkommen, einer Quelle oder einem anderen Bodenschatz. Anwartschaft bedeutet zivilrechtlich die rechtlich gesicherte Aussicht auf einen Erwerb, die darauf beruht, dass der normale Erwerbstatbestand schon teilweise verwirklicht ist und seine Vollendung mit einiger Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann. Der Begriff der Anwartschaft unterscheidet sich von dem des Anwartschaftsrechts; bei Letzterem muss sich die Aussicht rechtlich schon soweit verfestigt haben, dass der Verpflichtete den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada als Wohnsitzstaat. Die Vermeidungsnorm des Art. 23 Abs. 1 DBA-Kanada 153 sieht für Kanada als Wohnsitzstaat ausschließlich die Anwendung der Anrechnungsmethode vor. Deutschland als Wohnsitzstaat. Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 DBA-Kanada 154 stellt Deutschland als Wohnsitzstaat Einkünfte aus in Kanada belegenem unbeweglichen Vermögen unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung frei. Zu beachten ist der Aktivitätsvorbehalt für Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 4 DBA-Kanada (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Kanada).
IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 4 DBA-Luxemburg a.F. weicht erheblich von Art. 6 OECD-MA 155 ab. Die Regelung enthält weder eine eigenständige Begriffsdefinition des unbeweglichen Vermögens noch einen Verweis auf das jeweilige Recht des Belegenheitsstaats zur Qualifikation des unbeweglichen Vermögens (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Es fehlt auch ein dem Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA entsprechender Positiv- und Negativkatalog. Schließlich fehlt eine dem Art. 6 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Vorschrift, die einen Vorrang des Belegenheitsprinzips für Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit bzw. selbständiger Arbeit anordnet. Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg a.F. Art. 4 Abs. 1 DBA-Luxemburg a.F. enthält an- 156 stelle der Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einen Klammerzusatz, mit dem das Zubehör erfasst wird. Außerdem regelt Abs. 1 durch die Formulierung „hat der andere Staat das Besteuerungsrecht“ das ausschließliche Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats. Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. entspricht 157 im wesentlichen Art. 6 Abs. 3 OECD-MA. Es wird allerdings klargestellt, dass die Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben zu verstehen sind. Zudem werden Einkünfte, die bei der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen erzielt werden, erfasst. 1 Vgl. Heinrichs in Palandt71, Einf. vor § 158 BGB Rz. 9 f.; BFH v. 19.12.2007 – VIII R 14/06, BStBl. II 2008, 475.
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Art. 6 Rz. 158–162 158
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Protokoll. Nr. 6 des Protokolls zum DBA-Luxemburg a.F.1 erstreckt das unbewegliche Vermögen auf Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Vertragsstaaten über Grundstücke unterliegen. 2. Konsequenzen
159
Keine Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaats. Die fehlende Qualifikationsverkettung führt dazu, dass sowohl Ansässigkeitsstaat als auch Belegenheitsstaat das unbewegliche Vermögen nach ihrem nationalen Recht bestimmen (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F.). Daraus können Qualifikationskonflikte folgen.2
160
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Das DBA-Luxemburg a.F. erstreckt die Einbeziehung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf Einkünfte aus Nebenbetrieben. Nebenbetrieb ist nach deutschem Verständnis ein unselbständiger Bestandteil eines land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebs, der – wenn er isoliert betrachtet würde – ein selbständiger Gewerbebetrieb wäre.3 Nach deutschem innerstaatlichen Recht muss ein Nebenbetrieb dem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt sein (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Nach Maßgabe der Rspr. des BFH4 sind hierfür folgende Kriterien erforderlich: – Als Hauptbetrieb muss die Land- und Forstwirtschaft die ausschließliche oder hauptsächliche Grundlage für den Nebenbetrieb bilden. – Der „Gesamtbetrieb“ muss nach der Verkehrsauffassung ein Betrieb der Landund Forstwirtschaft sein bzw. im Bereich der Land- und Forstwirtschaft liegen. – Der Nebenbetrieb muss dem Hauptbetrieb untergeordnet sein. – Die Inhaber von Haupt- und Nebenbetrieb müssen identisch sein. Als gewerbliche Nebenbetriebe zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb kommen insbesondere Absatzbetriebe, Be- und Verarbeitungsbetriebe und Substanzbetriebe in Betracht.5
161
Schiffe und Luftfahrzeuge. Schiffe und Luftfahrzeuge können nach dem Zivil- oder Steuerrecht des jeweiligen Anwenderstaates als unbewegliches Vermögen gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); gleiches gilt nach der Rspr. des BFH für Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind.6 Für Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen gilt allerdings die Spezialregelung des Art. 7 DBA-Luxemburg a.F.
162
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das einem Unternehmen oder der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit dient. Auch wenn das DBA-Luxemburg a.F. keine Regelung enthält, sollte das Belegenheitsprinzip nach der Natur der Sache hier Vorrang vor der Zuordnung von Unternehmensgewinnen und Einkünften aus selbständiger Arbeit haben. Das Belegenheitsprinzip ist Ausdruck der stärksten Beziehung zum Quellenstaat.7 Im Verhältnis zu den Unternehmensgewinnen ergibt sich das aus Nr. 9 des Protokolls zu Art. 5 DBA-Luxemburg a.F.
1 Protokoll i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973, BGBl. II 1978, 111. 2 So auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 128; Ellsel in G/K/G, Art. 4 DBA-Luxemburg Rz. 15; Siegers in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Luxemburg Rz. 42. 3 Vgl. BFH v. 12.12.1996 – IV R 78/95, BStBl. II 1997, 427. 4 Vgl. BFH v. 16.10.1970 – III R 25/69, BStBl. II 1971, 287; BFH v. 12.12.1996 – IV R 78/95, BStBl. II 1997, 427. 5 Zu den Abgrenzungsfragen s. Kube in Kirchhof11, § 13 EStG Rz. 22 ff. 6 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. Dahinter steht der Gedanke, dass in ein öffentliches Register eingetragene bewegliche Sachen ähnlich wie Immobilien auf Dauer als Einkunftsquelle geeignet und für Zwecke der Besteuerung einfach zu erfassen sind. 7 Vgl. auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 210, 212b; Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 21.
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Lieber
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 163–170 Art. 6
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Freistellung. Die Vermeidungsnorm des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 DBA-Luxem- 163 burg a.F. ordnet sowohl für Luxemburg als Wohnsitzstaat als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat die Freistellung der Einkünfte aus im jeweils anderen Staat belegenem unbeweglichen Vermögen unter Progressionsvorbehalt an. 4. DBA-Luxemburg 2012 Keine Abweichungen zum OECD-MA. Art. 6 DBA-Luxemburg 2012 ist fast wort- 164 gleich mit Art. 6 OECD-MA. Lediglich in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Luxemburg 2012 wird statt des Begriffes der „anderen Bodenschätze“ der Ausdruck „andere natürliche Ressourcen“ verwandt. Aus dieser unterschiedlichen Begrifflichkeit ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA. Freistellung. Sowohl für Luxemburg als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat 165 ist die Freistellung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen unter Progressionsvorbehalt vereinbart (Art. 22 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 für Deutschland; Art. 22 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 für Luxemburg). Subject-to-tax-Klauseln und Switchover-Klauseln bei Qualifikationskonflikten sind zu beachten. Die Aktivitätsklausel in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Luxemburg 2012 erfasst nicht Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen.
X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 4 DBA-Niederlande a.F. weicht erheblich von Art. 6 OECD-MA 166 ab. Die Regelung enthält weder eine eigenständige Begriffsdefinition des unbeweglichen Vermögens noch einen Verweis auf das jeweilige Recht des Belegenheitsstaats zur Qualifikation des unbeweglichen Vermögens (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Es fehlt auch ein dem Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA entsprechender Positiv- und Negativkatalog. Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. enthält an- 167 stelle der Einbeziehung der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben einen Klammerzusatz, mit dem das Zubehör erfasst wird. Außerdem regelt Abs. 1 durch die Formulierung „hat der andere Staat das Besteuerungsrecht“ das ausschließliche Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaats. Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F. entspricht 168 im Wesentlichen Art. 6 Abs. 3 OECD-MA. Es wird allerdings klargestellt, dass die Einkünfte aus der Nutzung des unbeweglichen Vermögens einschließlich der Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieben zu verstehen sind. Außerdem spricht die Vorschrift von „Vergütungen für die Ausbeutung von Grund und Boden“ statt von der Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen (Art. 6 Abs. 2 OECD-MA). Ferner werden Einkünfte, die bei der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen erzielt werden, erfasst. Eine dem Art. 13 Abs. 1 OECD-MA entsprechende Vorschrift fehlt im DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. Art. 4 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. entspricht Art. 6 Abs. 4, regelt aber nur das Vorrangverhältnis für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehört, enthält somit keine Regelung für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das einer selbständigen Arbeit i.S. des Art. 9 DBA-Niederlande a.F. dient.
169
Protokoll. Nr. 4 des Protokolls zum DBA-Niederlande a.F.1 erstreckt das unbeweg- 170 liche Vermögen auf Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Vertragsstaaten über Grundstücke unterliegen.
1 Protokoll vom 16.6.1959, BGBl. II 1960, 1781.
Lieber
465
Art. 6 Rz. 171–175
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
2. Konsequenzen 171
Keine Verweisung auf das Recht des Belegenheitsstaats. Die fehlende Qualifikationsverkettung führt dazu, dass sowohl Ansässigkeitsstaat als auch Belegenheitsstaat das unbewegliche Vermögen nach ihrem nationalen Recht bestimmen (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F.). Daraus können Doppelbesteuerungen oder weiße Einkünfte folgen.1
172
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Das DBA-Niederlande a.F. erstreckt die Einbeziehung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf Einkünfte aus Nebenbetrieben (z.B. Weiterverarbeitung land- und forstwirtschaftlicher Produkte, Vermietung von landwirtschaftlichen Maschinen).2 Bzgl. Traktatländereien haben Deutschland und die Niederlande eine Verständigungsvereinbarung getroffen, wonach Einkünfte, die ein in einem Vertragsstaat ansässiger Landwirt aus Grundbesitz, welcher im Grenzgebiet auf der Seite des anderen Vertragsstaats belegen ist, erzielt, im Belegenheitsstaat besteuert werden. Aus Vereinfachungsgründen werden bei der Besteuerung im Belegenheitsstaat die vom Ansässigkeitsstaat ermittelten (Teil-)Betriebsergebnisse zugrunde gelegt.3 Die von der deutschen Besteuerung freizustellenden Einkünfte können dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen, wenn das Traktatland in den Niederlanden keine Betriebsstätte begründet.4
173
Vergütungen für die Ausbeutung von Grund und Boden. Vergütungen für die Ausbeutung von Grund und Boden sind umfassend als Vergütungen für die Ausbeutung von Bodenschätzen zu verstehen. Eine materiell-rechtliche Abweichung von der Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA liegt insofern nicht vor.
174
Schiffe und Luftfahrzeuge. Schiffe und Luftfahrzeuge können nach dem Zivil- oder Steuerrecht des jeweiligen Anwenderstaates als unbewegliches Vermögen gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG); gleiches gilt nach der Rspr. des BFH für Luftfahrzeuge, die in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind.5 Für Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen gilt grundsätzlich die Spezialregelung des Art. 7 DBA-Niederlande a.F., allerdings nur soweit das Schiff dem Betrieb eines Unternehmens der Seeschifffahrt oder der Binnenschifffahrt dient. Bei einer Eintragung in ein niederländisches Schiffsregister steht aus deutscher Sicht den Niederlanden das Besteuerungsrecht zu;6 die Einkünfte dürfen aber nicht aus dem Betrieb des Schiffes durch ein Unternehmen stammen. Denn dann steht das Besteuerungsrecht dem Vertragsstaat zu, in dem sich der Ort der Leitung dieses Unternehmens befindet (Art. 7 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F.). Für Einkünfte aus der sog. „Bare-Boat-Charter“ geht Art. 15 Abs. 3 DBA-Niederlande a.F. vor.7
175
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, das der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit dient. Auch wenn das DBA- Niederlande keine Regelung enthält, sollte das Belegenheitsprinzip nach der Natur der Sache hier Vorrang vor der Zuordnung von Einkünften aus selbständiger Arbeit i.S. des Art. 9 DBA-Niederlande a.F. haben. Das Belegenheitsprinzip ist Ausdruck der stärksten Beziehung zum Quellenstaat und damit auch der stärkere Anknüpfungspunkt für die Besteuerung; die wirtschaftliche Verbindung der grundstücksbezogenen Einkünfte mit dem Belegenheitsstaat wird
1 So auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 128; Ellsel in G/K/G, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 14; a.A. Mick in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 6, 17: für Auslegung nach dem Zivil- und Steuerrecht des Belegenheitsstaats. 2 Siehe hierzu auch die Regelung in Art. 4 Abs. 2 DBA-Luxemburg; zu Konsequenzen Rz. 154. 3 Vgl. BMF v. 30.11.2001, EStG-Kartei NRW DBA NL Nr. 9. 4 Vgl. OFD Münster, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 006/2009 v. 12.2.2009, S 2149 -20 – St 23 – 33, IStR 2009, 364. 5 Vgl. BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. 6 Vgl. BdF v. 27.1.1960 – IV B/5 – S 1301 – Niederlande – 34/59, EStG-Kartei NW zu § 49 EStG Nr. 1. 7 So auch Mick in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Niederlande Rz. 13.
466
Lieber
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 175–183 Art. 6
durch den Umstand, dass ein Grundstück zum Betriebsvermögen eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens gehört, nicht abgeschwächt.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande als Wohnsitzstaat. Die Vermeidungsnorm des Art. 20 Abs. 3 DBA-Nie- 176 derlande a.F. sieht für die Niederlande als Wohnsitzstaat zwar eine Anrechnung der deutschen Steuer auf die niederländische Steuer vor; wirtschaftlich handelt es sich jedoch um eine Steuerbefreiung, weil die niederländische Steuer um den auf die maßgeblichen Einkünfte entfallenden Steueranteil ermäßigt wird. Im Unterschied zur Standardregelung der Steuerfreistellung wird hier nicht bei der Bemessungsgrundlage, sondern bei dem Steuertarif angesetzt. Deutschland als Wohnsitzstaat. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 DBA-Niederlande 177 a.F. stellt Deutschland als Wohnsitzstaat Einkünfte aus in Niederlanden belegenem unbeweglichen Vermögen unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung frei. 4. DBA-Niederlande 2012 Art. 6 Abs. 1, 3 und 4 DBA-Niederlande 2012. Die Vorschriften entsprechen den Regelungen in Art. 6 OECD-MA.
178
Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Niederlande. In Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 179 DBA-Niederlande 2012 wird statt des Begriffes der „anderen Bodenschätze“ der Ausdruck „andere natürliche Ressourcen“ verwandt. Aus dieser unterschiedlichen Begrifflichkeit ergeben sich keine inhaltlichen Abweichungen zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DBA-Niederlande. Die Regelung konkretisiert Schiffe 180 als „See- und Binnenschiffe“. Demnach können Schiffe anderer Art abkommensrechtlich unbewegliches Vermögen sein, wenn sie nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats als solche gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Freistellung. Sowohl für die Niederlande als auch für Deutschland als Wohnsitz- 181 staat ist die Freistellung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen unter Progressionsvorbehalt vereinbart (Art. 22 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 für Deutschland; Art. 22 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 für die Niederlande). Subject-to-tax-Klauseln und Switch-over-Klauseln bei Qualifikationskonflikten sind zu beachten. Der Aktivitätsvorbehalt in Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande 2012 gilt auch für unternehmerische Einkünfte i.S. des Art. 6 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012.
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Keine Abweichungen zum OECD-MA. Art. 6 DBA-Österreich entspricht Art. 6 182 OECD-MA 1977, d.h. vor der Abschaffung von Art. 14 OECD-MA a.F. und Einbeziehung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in die Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 OECD-MA. 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung Freistellung. Sowohl für Österreich als auch für Deutschland als Wohnsitzstaat 183 ist die Freistellung unter Progressionsvorbehalt der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vereinbart (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Österreich für Deutschland als Wohnsitzstaat; Art. 23 Abs. 2 Buchst. a und d DBA-Österreich für
1 Vgl. auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 210, 212b; a.A. Mick in Wassermeyer, Art. 4 DBANiederlande Rz. 33.
Lieber
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Art. 6 Rz. 183–194
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
Österreich als Wohnsitzstaat). Ob ein Progressionsvorbehalt eingreift, richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht.
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 184
Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland. Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland weicht insofern geringfügig von Art. 6 Abs. 1 OECD-MAab, als der Klammerzusatz nicht von Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, sondern von „Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft“ spricht.
185
Art. 6 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Russland entspricht im Wesentlichen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA. Im Positivkatalog finden sich statt Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, „Rechte, für die die Vorschriften des Rechts für Grund- und Boden“ gelten.
186
Art. 6 Abs. 3 und 4 DBA-Russland. Die Regelungen entsprechen in ihrer materiellrechtlichen Aussage Art. 6 Abs. 3 und 4 OECD-MA. 2. Konsequenzen
187
Art. 6 Abs. 1 DBA-Russland. Eine materiell-rechtliche Abweichung liegt insofern nicht vor.
188
Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Russland. Die Regelung beruht auf der Eigenständigkeit des Bodenrechts in Russland.1 Eine inhaltliche Abweichung vom Verständnis dieser Rechte als grundstücksgleiche Rechte sollte damit nicht verbunden sein. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
189
Russland als Wohnsitzstaat. Russland als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung. Die anzurechnende deutsche Steuer ist auf den Betrag der russischen Steuer begrenzt, der nach den russischen Steuervorschriften auf diese Einkünfte entfällt (Art. 23 Abs. 1 DBA-Russland).
190
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in Russland belegenem unbeweglichen Vermögen Freistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 und 2 DBA-Russland). Die Aktivitätsklausel des Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland erfasst nicht Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Russland.
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 191
Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz. In Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz fehlt der Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person. Außerdem fehlt der Klammerzusatz, mit dem auch Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erfasst werden.
192
Art. 6 Abs. 2 und 3 DBA-Schweiz. Die Regelungen sind wort- und inhaltsgleich mit Art. 6 Abs. 2 und 3 OECD-MA.
193
Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz. Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz verwendet statt des Ausdrucks „selbständige Arbeit“ noch den aus dem OECD-MA 1963 stammenden engeren Ausdruck „freier Beruf“. 2. Konsequenzen
194
Art. 6 Abs. 1 DBA-Schweiz. Aus den Abweichungen ergeben sich aber keine sachlichen Änderungen zum OECD-MA. Der fehlende Bezug auf die in einem Vertragsstaat ansässige Person ist unerheblich, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt nur dann vorliegt, wenn der Einkünftebezieher nicht im Belegenheitsstaat ansässig ist. Die
1 Vgl. Koslow, IWB DBA Fach 5, Russische Föderation, Gruppe 2, 75 (79).
468
Lieber
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 194–202 Art. 6
Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören auch ohne Klammerzusatz zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen. Das ergibt sich mittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz, in dem das lebende und tote Inventar landund forstwirtschaftlicher Betriebe als Beispiel für unbewegliches Vermögen aufgeführt wird, sowie dem Begriff der „unmittelbaren Nutzung“ in Art. 6 Abs. 3 DBASchweiz. Art. 6 Abs. 4 DBA-Schweiz. Aus der abweichenden Wortwahl „freier Beruf“ ergibt 195 sich keine Einschränkung gegenüber Art. 6 Abs. 4 OECD-MA. Bezug genommen wird auch hier auf Einkünfte, die unter Art. 14 DBA-Schweiz bzw. Art. 14 OECD-MA a.F. fallen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Schweiz als Wohnsitzstaat. Die Schweiz als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung unter Progressionsvorbehalt (Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz).
196
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grund- 197 sätzlich für Einkünfte aus in der Schweiz belegenem unbeweglichen Vermögen Anrechnung der schweizerischen Steuer auf die deutsche Steuer (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz). Die Aktivitätsklausel des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz erfasst auch Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S. des Art. 6 DBA-Schweiz. Sie enthält allerdings wiederum Rückausnahmen, d.h. die Anrechnungs- wird durch die Freistellungsmethode ersetzt, wenn das unbewegliche Vermögen der aktiven Tätigkeit einer Betriebsstätte in der Schweiz oder der Ausübung eines freien Berufs dient.
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 6 Abs. 1, 3 und 5 DBA-Spanien 2011. Art. 6 DBA-Spanien 2011 entspricht in 198 den Abs. 1, 3 und 5 mit geringfügigen Abweichungen den Regelungen in Art. 6 OECDMA. Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Spanien 2011 199 spricht bei den Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von „anderen natürlichen Ressourcen“ statt von „anderen Bodenschätzen“ (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1). Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DBA-Spanien 2011 konkretisiert Schiffe als „See- und Binnenschiffe“. Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 2011. Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 enthält eine Son- 200 derregelung zu Aktien und anderen Anteilen, deren Eigentum unmittelbar oder mittelbar zur Nutzung des unbeweglichen Vermögens berechtigt. Liegt eine solche Berechtigung vor, dann können die Einkünfte aus der unmittelbaren Nutzung, der Vermietung oder Verpachtung sowie jeder anderen Art der Ausübung des Nutzungsrechts im Belegenheitsstaat besteuert werden.1 2. Konsequenzen Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 DBA-Spanien 2011. Der Begriff „natürliche Ressour- 201 cen“ sollte im Sinne von Bodenschätzen zu verstehen sein.2 Eine materiell-rechtliche Abweichung von der Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA liegt insofern nicht vor. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 DBA-Spanien 2011. Es werden nur See- und Binnen- 202 schiffe sowie Luftfahrzeuge aus der Definition des unbeweglichen Vermögens heraus-
1 Vgl. auch Vorbehalt Spaniens zum OECD-MA in Nr. 7 zu Art. 6 OECD-MK, eingefügt am 23.7.1992; für eine Einbeziehung gesellschaftsrechtlich begründeter Nutzungsrechte bereits in den Positivkatalog des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 98 ff. 2 Vgl. auch Reimer in V/L5, Art. 6 OECD-MA Rz. 126.
Lieber
469
Art. 6 Rz. 202–207
Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen
genommen; Schiffe anderer Art können abkommensrechtlich unbewegliches Vermögen sein, wenn sie nach dem innerstaatlichen Recht des Belegenheitsstaats als solche gewertet werden. Aus deutscher Sicht sind Schiffe, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, unbewegliches Vermögen (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). 203
Regelungszweck des Art. 6 Abs. 4 DBA-Spanien 2011. Durch die Regelung wird sichergestellt, dass der Belegenheitsstaat Einkünfte aus der Nutzung unbeweglichen Vermögens auch dann besteuern kann, wenn die Nutzung aufgrund des Eigentums an Aktien oder ähnlichen Anteilen erfolgt. Dadurch wird verhindert, dass durch die Zwischenschaltung einer juristischen Person das Besteuerungsrecht abweichend vom Belegenheitsprinzip in den Ansässigkeitsstaat verlagert wird, indem die Anteile an der Gesellschaft mit dem Recht zur Nutzung unbeweglichen Vermögens i.S. des Art. 6 DBA-Spanien 2011 ausgestattet werden (z.B. bei sog. Time-Sharing-Ferienanlagen, bei denen sog. „Wohnberechtigungspunkte“ gutgeschrieben werden, die zur unentgeltlichen Nutzung von Ferienhäusern oder -wohnungen in verschiedenen Ländern berechtigten).1 Mit der tatsächlichen Nutzung erzielt der Inhaber Sachdividenden i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und grundsätzlich abkommensrechtlich Dividenden i.S. des Art. 10 DBA-Spanien 2011. Durch die Sonderregelung wird Art. 6 DBA-Spanien 2011 Vorrang vor der Dividendenbesteuerung nach Art. 10 DBA-Spanien 2011 eingeräumt und das Besteuerungsrecht dem Belegenheitsstaat anstelle des Wohnsitzstaats zugewiesen.
204
Tatbestandsmerkmale des Abs. 4. Aktien sind die Anteile am Grundkapital einer AG oder KGaA, unabhängig davon, ob sie auf einen festen Betrag lauten oder auf einen Bruchteil des Grundkapitals oder ob es sich um Quotenaktien oder stimmrechtslose Vorzugsaktien handelt. Andere Anteile sind solche Gesellschaftsrechte, die sich durch eine Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft auszeichnen und die ebenso wie Aktien mit einem Recht auf Nutzung an einer im Eigentum der Gesellschaft befindlichen Immobilie verbunden werden können (z.B. Kapitalgesellschaftsanteile, unverbriefte und verbriefte Genussrechte, Kuxe). Die Berechtigung zur Nutzung muss sich unmittelbar aus der rechtlichen Ausgestaltung der Anteile ergeben. Das Immobilienvermögen, zu dessen Nutzung die Anteile berechtigen, muss im anderen Vertragsstaat belegen sein.
205
Rechtsfolge des Abs. 4. Sowohl Spanien als auch Deutschland können als Belegenheitsstaat die Einkünfte aus der Nutzung von über Kapitalgesellschaften gehaltenen Immobilien besteuern, wenn ein entsprechendes Nutzungsrecht gesellschaftsrechtlich begründet wurde. Das Besteuerungsrecht bezieht sich dabei nur auf das in Spanien bzw. Deutschland belegene Immobilienvermögen; unbewegliches Vermögen, welches ebenfalls von dem Nutzungsrecht erfasst wird, aber in einem Drittstaat belegen ist, wird nicht erfasst. Nach innerstaatlichem Recht dürfte es sich dabei i.d.R. um eine Sachdividende bzw. verdeckte Gewinnausschüttung handeln und damit dem Recht über Kapitalerträge (für Deutschland § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterliegen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
206
Spanien als Wohnsitzstaat. Spanien als Wohnsitzstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien 2011).
207
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat gewährt grundsätzlich für Einkünfte aus in Spanien belegenem unbeweglichen Vermögen Anrechnung der spanischen Steuer auf die deutsche Steuer (Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Ziffer vii DBA-Spanien 2011). Die Einkünfte aus in Spanien belegenem unbeweglichen Vermögen werden allerdings dann freigestellt, wenn das unbewegliche Vermögen tatsächlich zu einer spanischen – i.S. des § 8 Abs. 1 AStG aktiv tätigen – Betriebsstätte gehört (Art. 22 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien 2011).
1 Vgl. auch Siegers in Wassermeyer, Art. 6 DBA-Estland Rz. 13; BFH v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399 (402); v. 24.10.1984 – I R 228/81; v. 26.8.1993 – I R 44/92, BFH/NV 1994, 318.
470
Lieber
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 208–212 Art. 6
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 6 DBA-USA. Art. 6 DBA-USA ist fast wortgleich mit Art. 6 OECD-MA. In Art. 6 Abs. 2 Satz 3 DBA-USA, der Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 OECD-MA entspricht, wird der Ausdruck „Schiffe“ durch „Seeschiffe“ ersetzt.
208
2. Konsequenzen Schiffe, die nicht Seeschiffe sind. Der Negativkatalog zur Bestimmung des abkom- 209 mensrechtlich relevanten unbeweglichen Vermögens bezieht sich somit nur auf Seeschiffe. Sind Schiffe anderer Art (z.B. Binnenschiffe) unbewegliches Vermögen nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates, kann es insofern zu Qualifikationskonflikten kommen. Allerdings geht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen Art. 8 DBA-USA vor. Zweigniederlassungssteuer (Branch-Profits-Tax). Art. 10 Abs. 9 DBA-USA ermög- 210 licht den USA die Erhebung einer Zweigniederlassungssteuer auf Einkünfte aus der Nutzung von in den USA belegenen unbeweglichen Vermögens, welche eine deutsche Gesellschaft erzielt und die nicht einer US-Betriebsstätte zuzurechnen sind. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft der Nettobesteuerung und nicht einer Abzugssteuer vom Bruttobetrag unterliegt, d.h. dass die Einkünfte im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit in den USA stehen bzw. auf Antrag des Stpfl. als solche behandelt werden. Die US-Abzugssteuer darf 5 % der Bruttomieten nicht übersteigen. Zu Einzelheiten vgl. Art. 10 Rz. 495. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung USA als Wohnsitzstaat. Die USA wenden auf Einkünfte, die nach Art. 6 DBA-USA in Deutschland besteuert werden können, die Steueranrechnungsmethode an (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA).
211
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland stellt Einkünfte aus in den USA bele- 212 genem unbeweglichen Vermögen nach Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 und 2 DBAUSA unter Progressionsvorbehalt von der deutschen Besteuerung frei. Nach Art. 23 Abs. 4 Buchst. b 2. Alt. DBA-USA erfolgt keine Freistellung, wenn die USA die Einkünfte nach dem Abkommen zwar besteuern können, aber dies nach ihrem innerstaatlichen Recht nicht tun (Subject-to-tax-Klausel).
Lieber
471
Artikel 7 (2008)
Unternehmensgewinne (1) Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus. Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne des Unternehmens im anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebstätte zugerechnet werden können. (2) Übt ein Unternehmen eines Vertragsstaats seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte aus, so werden vorbehaltlich des Absatzes 3 in jedem Vertragsstaat dieser Betriebstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. (3) Bei der Ermittlung der Gewinne einer Betriebstätte werden die für diese Betriebstätte entstandenen Aufwendungen, einschließlich der Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten, zum Abzug zugelassen, gleichgültig, ob sie in dem Staat, in dem die Betriebstätte liegt, oder anderswo entstanden sind. (4) Soweit es in einem Vertragsstaat üblich ist, die einer Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne durch Aufteilung der Gesamtgewinne des Unternehmens auf seine einzelnen Teile zu ermitteln, schließt Absatz 2 nicht aus, dass dieser Vertragsstaat die zu besteuernden Gewinne nach der üblichen Aufteilung ermittelt; die gewählte Gewinnaufteilung muss jedoch derart sein, dass das Ergebnis mit den Grundsätzen dieses Artikels übereinstimmt. (5) Auf Grund des bloßen Einkaufs von Gütern oder Waren für das Unternehmen wird einer Betriebstätte kein Gewinn zugerechnet. (6) Bei der Anwendung der vorstehenden Absätze sind die der Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne jedes Jahr auf dieselbe Art zu ermitteln, es sei denn, dass ausreichende Gründe dafür bestehen, anders zu verfahren. (7) Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Absatz 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Absatz 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Absatz 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Absatz 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . a) Beschränkung der Steuerpflicht b) Self Executing Wirkung der Gewinnabgrenzung . . . . . . . . . . . . .
472
Ditz
.. . . . . . . . . . . . . . . .
1
. . . . . . . . . . . . . . .
1 5 7 7 9 13 15 16 17 18 19 19 30 33 33
..
35
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1) . . . I. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewinne eines Unternehmens . . . . . . 4. Unternehmen eines Vertragsstaates . 5. Ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates. . . . . . . . . . . 6. Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Einzelheiten zu Personengesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abkommensberechtigung . . . . . . . b) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf die transparente Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf Sondervergütungen . . . . .
49
49 49 50 60 62 64 65 67 67
71 78
Art. 7 (2008)
Unternehmensgewinne II. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zurechnungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte . . . . . . . . . 1. Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte . . . 2. Auffassung der OECD . . . . . . . . . . . . 3. Auffassung der Finanzverwaltung . . 4. Auffassung der Rechtsprechung . . . . 5. Eigene Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmung des Betriebsstättengewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Buchführung der Betriebsstätte . . . . 2. Funktionsanalyse als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuordnung von Wirtschaftsgütern . . 4. Zuordnung von Fremd- und Eigenkapital. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zuordnung von Außenerträgen. . . . . 6. Zuordnung von Außenaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen. . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit der Berücksichtigung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . b) Bewertung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . c) Überführung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . e) Gemeinsame Nutzung von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . f) Erbringung von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gewährung von Darlehen . . . . . . . h) Funktionsverlagerungen . . . . . . . 8. Währungsumrechnung . . . . . . . . . . . 9. Gründung der Betriebsstätte . . . . . . 10. Schließung der Betriebsstätte . . . . . IV. Betrachtung einzelner Betriebsstättentatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Produktionsbetriebsstätten . . . . . . . 2. Vertriebsbetriebsstätten . . . . . . . . . . 3. Vertreterbetriebsstätten . . . . . . . . . . 4. Bau- und Montagebetriebsstätten . . 5. Geschäftsleitungsbetriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Dokumentationspflichten . . . . . . . . .
85 85 86
. .
89 89
.
90
. 90 . 98 . 106 . 108 . 110 . 117 . 117 . 121 . 124 . 135 . 143 . 146 . 151
. 151 . 156 . 160 . 167 . 172 . . . . . .
174 176 177 179 184 186
. . . . .
189 189 192 195 200
. 206 . 208
D. Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . 210 I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
II. Entstehungslandunabhängige Aufwandszuordnung . . . . . . . . . . . . . . 211 III. Verhältnis zu Art. 7 Absatz 2 . . . . . . . . 213 E. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsvoraussetzungen der globalen Gewinnaufteilungsmethode III. Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . .
214 214 215 218
F. Gewinnabgrenzung bei Einkaufstätigkeiten (Absatz 5) . . . . . . . . . . . . . 221 I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Keine Gewinnzurechnung zu Einkaufstätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 G. Stetigkeitsgebot (Absatz 6) . . . . . . . . 225 I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Beibehaltung der Gewinnabgrenzungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 H. Vorrang der Spezialartikel (Absatz 7) 229 I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Verhältnis zu den Rückverweisungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 I. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . 233 J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . VI. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung . VII. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . VIII. Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung . IX. Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . .
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234 234 234 235 236 237 237 238 239 240 240 241 242 243 243 244 245 245 247 248 249 249 250 251 251 252 253 254 254 255 256 256
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Art. 7 (2008) 2. 3. X. 1. 2. 3. XI. 1. 2. 3. XII. 1. 2.
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Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
257 258 259 259 260 261 262 262 263 265 266 266 267
3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3.
Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .
268 269 269 270 271 272 272 273 274 275 275 276 277
OECD-Musterkommentar (2008) PREVIOUS VERSION OF THE COMMENTARY ON ARTICLE 7 CONCERNING THE TAXATION OF BUSINESS PROFITS I. Preliminary remarks 1. This Article is in many respects a continuation of, and a corollary to, Article 5 on the definition of the concept of permanent establishment. The permanent establishment criterion is commonly used in international double taxation conventions to determine whether a particular kind of income shall or shall not be taxed in the country from which it originates but the criterion does not of itself provide a complete solution to the problem of the double taxation of business profits; in order to prevent such double taxation it is necessary to supplement the definition of permanent establishment by adding to it an agreed set of rules by reference to which the profits attributable to the permanent establishment are to be calculated. To put the matter in a slightly different way, when an enterprise of a Contracting State carries on business in the other Contracting State the authorities of that second State have to ask themselves two questions before they levy tax on the profits of the enterprise: the first question is whether the enterprise has a permanent establishment in their country; if the answer is in the affirmative the second question is what, if any, are the profits on which that permanent establishment should pay tax. It is with the rules to be used in determining the answer to this second question that Article 7 is concerned. Rules for ascertaining the profits of an enterprise of a Contracting State which is trading with an enterprise of the other Contracting State when both enterprises are associated are dealt with in Article 9. 2. Articles 7 and 9 are not particularly detailed and were not strikingly novel when they were adopted by the OECD. The question of what criteria should be used in attributing profits to a permanent establishment, and of how to allocate profits from transactions between associated enterprises, has had to be dealt with in a large number of double taxation conventions and in various models developed by the League of Nations before the OECD first dealt with it and the solutions adopted have generally conformed to a standard pattern. 3. It is generally recognised that the essential principles on which this standard pattern is based are well founded, and, when the OECD first examined that question, it was thought sufficient to restate them with some slight amendments and modifications primarily aimed at producing greater clarity. The two Articles incorporate a number of directives. They do not, nor in the nature of things could they be expected to, lay down a series of precise rules for dealing with every kind of problem that may arise when an enterprise of one State makes profits in another. Modern commerce or-
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ganises itself in an infinite variety of ways, and it would be quite impossible within the fairly narrow limits of an Article in a double taxation convention to specify an exhaustive set of rules for dealing with every kind of problem that may arise. 4. It must be acknowledged, however, that there has been considerable variation in the interpretation of the general directives of Article 7 and of the provisions of earlier conventions and models on which the wording of the Article is based. This lack of a common interpretation of Article 7 can lead to problems of double taxation and nontaxation. For that reason, it is important for tax authorities to agree on mutually consistent methods of dealing with these problems, using, where appropriate, the mutual agreement procedure provided for in Article 25. 5. Over the years, the Committee on Fiscal Affairs has therefore spent considerable time and effort trying to ensure a more consistent interpretation and application of the rules of the Article. Minor changes to the wording of the Article and a number of changes to the Commentary were made when the 1977 Model Tax Convention was adopted. A report that addressed that question in the specific case of banks was published in 1984.1 In 1987, noting that the determination of profits attributable to a permanent establishment could give rise to some uncertainty, the Committee undertook a review of the question which led to the adoption, in 1993, of the report entitled “Attribution of Income to Permanent Establishments”2 and to subsequent changes to the Commentary. 6. Despite that work, the practices of OECD and non-OECD countries regarding the attribution of profits to permanent establishments and these countries’ interpretation of Article 7 continued to vary considerably. The Committee acknowledged the need to provide more certainty to taxpayers: in its report Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, adopted in 1995, it indicated that further work would address the application of the arm’s length principle to permanent establishments. That work resulted, in 2008, in a report entitled Attribution of Profits to Permanent Establishments. The approach developed in that report was not constrained by either the original intent or by the historical practice and interpretation of Article 7. Instead, the focus has been on formulating the most preferable approach to attributing profits to a permanent establishment under Article 7 given modern-day multinational operations and trade. 7. The approach put forward in that Report deals with the attribution of profits both to permanent establishments in general (Part I of the Report) and, in particular, to permanent establishments of businesses operating in the financial sector, where trading through a permanent establishment is widespread (Part II of the Report, which deals with permanent establishments of banks, Part III, which deals with permanent establishments of enterprises carrying on global trading and Part IV, which deals with permanent establishments of enterprises carrying on insurance activities). The Committee considers that the guidance included in the Report represents a better approach to attributing profits to permanent establishments than has previously been available. It does recognise, however, that there are differences between some of the conclusions of the Report and the interpretation of the Article previously given in this Commentary. For that reason, this Commentary has been amended to incorporate a number of conclusions of the Report that did not conflict with the previous version of this Commentary, which prescribed specific approaches in some areas and left considerable leeway in others. The Report therefore represents internationally agreed principles and, to the extent that it does not conflict with this Commentary, provides guidelines for the application of the arm’s length principle incorporated in the Article. 8. Before 2000, income from professional services and other activities of an independent character was dealt with under a separate Article, i.e. Article 14. The provisions 1 “The Taxation of Multinational Banking Enterprises”, in Transfer Pricing and Multinational Enterprises Three Taxation Issues, OECD, Paris, 1984. 2 Reproduced in Volume II of the loose-leaf version of the OECD Model Tax Convention at page R(13)-1.
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of that Article were similar to those applicable to business profits but it used the concept of fixed base rather than that of permanent establishment since it had originally been thought that the latter concept should be reserved to commercial and industrial activities. However, it was not always clear which activities fell within Article 14 as opposed to Article 7. The elimination of Article 14 in 2000 reflected the fact that there were no intended differences between the concepts of permanent establishment, as used in Article 7, and fixed base, as used in Article 14, or between how profits were computed and tax was calculated according to which of Article 7 or 14 applied. The effect of the deletion of Article 14 is that income derived from professional services or other activities of an independent character is now dealt with under Article 7 as business profits. This was confirmed by the addition of a definition of the term “business” which expressly provides that this term includes professional services or other activities of an independent character. II. Commentary on the provisions of the Article Paragraph 1 9. This paragraph is concerned with two questions. First, it restates the generally accepted principle of double taxation conventions that an enterprise of one State shall not be taxed in the other State unless it carries on business in that other State through a permanent establishment situated therein. It is hardly necessary to argue here the merits of this principle. It is perhaps sufficient to say that it has come to be accepted in international fiscal matters that until an enterprise of one State sets up a permanent establishment in another State it should not properly be regarded as participating in the economic life of that other State to such an extent that it comes within the jurisdiction of that other State’s taxing rights. 10. The second principle, which is reflected in the second sentence of the paragraph, is that the right to tax of the State where the permanent establishment is situated does not extend to profits that the enterprise may derive from that State but that are not attributable to the permanent establishment. This is a question on which there have historically been differences of view, a few countries having some time ago pursued a principle of general “force of attraction” according to which income such as other business profits, dividends, interest and royalties arising from sources in their territory was fully taxable by them if the beneficiary had a permanent establishment therein even though such income was clearly not attributable to that permanent establishment. Whilst some bilateral tax conventions include a limited anti-avoidance rule based on a restricted force of attraction approach that only applies to business profits derived from activities similar to those carried on by a permanent establishment, the general force of attraction approach described above has now been rejected in international tax treaty practice. The principle that is now generally accepted in double taxation conventions is based on the view that in taxing the profits that a foreign enterprise derives from a particular country, the tax authorities of that country should look at the separate sources of profit that the enterprise derives from their country and should apply to each the permanent establishment test, subject to the possible application of other Articles of the Convention. This solution allows simpler and more efficient tax administration and compliance, and is more closely adapted to the way in which business is commonly carried on. The organisation of modern business is highly complex. There are a considerable number of companies each of which is engaged in a wide diversity of activities and is carrying on business extensively in many countries. A company may set up a permanent establishment in another country through which it carries on manufacturing activities whilst a different part of the same company sells different goods or manufactures in that other country through independent agents. That company may have perfectly valid commercial reasons for doing so: these may be based, for example, on the historical pattern of its business or on commercial convenience. If the country in which the permanent establishment is situated wished to go so far as to try to determine, and tax, the profit element of each of the transactions carried on through independent agents, with a view to aggregating that profit with the profits of the permanent establishment, that ap476
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proach would interfere seriously with ordinary commercial activities and would be contrary to the aims of the Convention. 11. When referring to the part of the profits of an enterprise that is attributable to a permanent establishment, the second sentence of paragraph 1 refers directly to paragraph 2, which provides the directive for determining what profits should be attributed to a permanent establishment. As paragraph 2 is part of the context in which the sentence must be read, that sentence should not be interpreted in a way that could contradict paragraph 2, e.g. by interpreting it as restricting the amount of profits that can be attributed to a permanent establishment to the amount of profits of the enterprise as a whole. Thus, whilst paragraph 1 provides that a Contracting State may only tax the profits of an enterprise of the other Contracting State to the extent that they are attributable to a permanent establishment situated in the first State, it is paragraph 2 that determines the meaning of the phrase “profits attributable to a permanent establishment”. In other words, the directive of paragraph 2 may result in profits being attributed to a permanent establishment even though the enterprise as a whole has never made profits; conversely, that directive may result in no profits being attributed to a permanent establishment even though the enterprise as a whole has made profits. 12. Clearly, however, the Contracting State of the enterprise has an interest in the directive of paragraph 2 being correctly applied by the State where the permanent establishment is located. Since that directive applies to both Contracting States, the State of the enterprise must, in accordance with Article 23, eliminate double taxation on the profits properly attributable to the permanent establishment. In other words, if the State where the permanent establishment is located attempts to tax profits that are not attributable to the permanent establishment under Article 7, this may result in double taxation of profits that should properly be taxed only in the State of the enterprise. 13. The purpose of paragraph 1 is to provide limits to the right of one Contracting State to tax the business profits of enterprises of the other Contracting State. The paragraph does not limit the right of a Contracting State to tax its own residents under controlled foreign companies provisions found in its domestic law even though such tax imposed on these residents may be computed by reference to the part of the profits of an enterprise that is resident of the other Contracting State that is attributable to these residents’ participation in that enterprise. Tax so levied by a State on its own residents does not reduce the profits of the enterprise of the other State and may not, therefore, be said to have been levied on such profits (see also paragraph 23 of the Commentary on Article 1 and paragraphs 37 to 39 of the Commentary on Article 10). Paragraph 2 14. This paragraph contains the central directive on which the attribution of profits to a permanent establishment is intended to be based. The paragraph incorporates the view that the profits to be attributed to a permanent establishment are those which that permanent establishment would have made if, instead of dealing with the rest of the enterprise, it had been dealing with an entirely separate enterprise under conditions and at prices prevailing in the ordinary market. This corresponds to the “arm’s length principle” discussed in the Commentary on Article 9. Normally, the profits so determined would be the same profits that one would expect to be determined by the ordinary processes of good business accountancy. 15. The paragraph requires that this principle be applied in each Contracting State. Clearly, this does not mean that the amount on which the enterprise will be taxed in the source State will, for a given period of time, be exactly the same as the amount of income with respect to which the other State will have to provide relief pursuant to Articles 23 A or 23 B. Variations between the domestic laws of the two States concerning matters such as depreciation rates, the timing of the recognition of income and restrictions on the deductibility of certain expenses that are in accordance with paragraph 3 of this Article will normally result in a different amount of taxable income in each State. Ditz
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16. In the great majority of cases, trading accounts of the permanent establishment – which are commonly available if only because a well-run business organisation is normally concerned to know what is the profitability of its various branches – will be used to ascertain the profit properly attributable to that establishment. Exceptionally there may be no separate accounts (cf. paragraphs 51 to 55 below). But where there are such accounts they will naturally form the starting point for any processes of adjustment in case adjustment is required to produce the amount of profits that are properly attributable to the permanent establishment under the directive contained in paragraph 2. It should perhaps be emphasised that this directive is no justification to construct hypothetical profit figures in vacuo; it is always necessary to start with the real facts of the situation as they appear from the business records of the permanent establishment and to adjust as may be shown to be necessary the profit figures which those facts produce. As noted in paragraph 19 below and as explained in paragraph 39 of Part I of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments, however, records and documentation must satisfy certain requirements in order to be considered to reflect the real facts of the situation. 17. In order to determine whether such an adjustment is required by paragraph 2, it will be necessary to determine the profits that would have been realised if the permanent establishment had been a separate and distinct enterprise engaged in the same or similar activities under the same or similar conditions and dealing wholly independently with the rest of the enterprise. Sections D-2 and D-3 of Part I of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments describe the two-step approach through which this should be done. This approach will allow the calculation of the profits attributable to all the activities carried on through the permanent establishment, including transactions with other independent enterprises, transactions with associated enterprises and dealings (e.g. the internal transfer of capital or property or the internal provision of services – see for instance paragraphs 31 and 32) with other parts of the enterprise (under the second step referred to above), in accordance with the directive of paragraph 2. 18. The first step of that approach requires the identification of the activities carried on through the permanent establishment. This should be done through a functional and factual analysis (the guidance found in the Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations1 will be relevant for that purpose). Under that first step, the economically significant activities and responsibilities undertaken through the permanent establishment will be identified. This analysis should, to the extent relevant, consider the activities and responsibilities undertaken through the permanent establishment in the context of the activities and responsibilities undertaken by the enterprise as a whole, particularly those parts of the enterprise that engage in dealings with the permanent establishment. Under the second step of that approach, the remuneration of any such dealings will be determined by applying by analogy the principles developed for the application of the arm’s length principle between associated enterprises (these principles are articulated in the Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations) by reference to the functions performed, assets used and risk assumed by the enterprise through the permanent establishment and through the rest of the enterprise. 19. A question that may arise is to what extent accounting records should be relied upon when they are based on agreements between the head office and its permanent establishments (or between the permanent establishments themselves). Clearly, such internal agreements cannot qualify as legally binding contracts. However, to the extent that the trading accounts of the head office and the permanent establishments are both prepared symmetrically on the basis of such agreements and that those agreements reflect the functions performed by the different parts of the enterprise, these trading accounts could be accepted by tax authorities. Accounts should not be regarded as prepared symmetrically, however, unless the values of transactions or 1 The original version of that report was approved by the Council of the OECD on 27 June 1995. Published in a full format as Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, OECD, Paris, 1995.
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the methods of attributing profits or expenses in the books of the permanent establishment corresponded exactly to the values or methods of attribution in the books of the head office in terms of the national currency or functional currency in which the enterprise recorded its transactions. Also, as explained in paragraph 16, records and documentation must satisfy certain requirements in order to be considered to reflect the real facts of the situation. For example, where trading accounts are based on internal agreements that reflect purely artificial arrangements instead of the real economic functions of the different parts of the enterprise, these agreements should simply be ignored and the accounts corrected accordingly. One such case would be where a permanent establishment involved in sales were, under such an internal agreement, given the role of principal (accepting all the risks and entitled to all the profits from the sales) when in fact the permanent establishment concerned was nothing more than an intermediary or agent (incurring limited risks and entitled to receive only a limited share of the resulting income) or, conversely, were given the role of intermediary or agent when in reality it was a principal. 20. It may therefore be concluded that accounting records and contemporaneous documentation that meet the above-mentioned requirements constitute a useful starting point for the purposes of attributing profits to a permanent establishment. Taxpayers are encouraged to prepare such documentation, as it may reduce substantially the potential for controversies. Section D-2 (vi)b) of Part I of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments discusses the conditions under which tax administrations would give effect to such documentation. 21. There may be a realisation of a taxable profit when an asset, whether or not trading stock, forming part of the business property of a permanent establishment situated within a State’s territory is transferred to a permanent establishment or the head office of the same enterprise situated in another State. Article 7 allows the former State to tax profits deemed to arise in connection with such a transfer. Such profits may be determined as indicated below. In cases where such transfer takes place, whether or not it is a permanent one, the question arises as to when taxable profits are realised. In practice, where such property has a substantial market value and is likely to appear on the balance sheet of the importing permanent establishment or other part of the enterprise after the taxation year during that in which the transfer occurred, the realisation of the taxable profits will not, so far as the enterprise as a whole is concerned, necessarily take place in the taxation year of the transfer under consideration. However, the mere fact that the property leaves the purview of a tax jurisdiction may trigger the taxation of the accrued gains attributable to that property as the concept of realisation depends on each country’s domestic law. 22. Where the countries in which the permanent establishments operate levy tax on the profits accruing from an internal transfer as soon as it is made, even when these profits are not actually realised until a subsequent commercial year, there will be inevitably a time lag between the moment when tax is paid abroad and the moment it can be taken into account in the country where the enterprise’s head office is located. A serious problem is inherent in the time lag, especially when a permanent establishment transfers fixed assets or – in the event that it is wound up – its entire operating equipment stock, to some other part of the enterprise of which it forms part. In such cases, it is up to the head office country to seek, on a case by case basis, a bilateral solution with the outward country where there is serious risk of overtaxation. 23. Paragraph 3 of Article 5 sets forth a special rule for a fixed place of business that is a building site or a construction or installation project. Such a fixed place of business is a permanent establishment only if it lasts more than twelve months. Experience has shown that these types of permanent establishments can give rise to special problems in attributing income to them under Article 7. 24. These problems arise chiefly where goods are provided, or services performed, by the other parts of the enterprise or a related party in connection with the building site or construction or installation project. Whilst these problems can arise with any permanent establishment, they are particularly acute for building sites and construction or installation projects. In these circumstances, it is necessary to pay close atDitz
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tention to the general principle that income is attributable to a permanent establishment only when it results from activities carried on by the enterprise through that permanent establishment. 25. For example, where such goods are supplied by the other parts of the enterprise, the profits arising from that supply do not result from the activities carried on through the permanent establishment and are not attributable to it. Similarly, profits resulting from the provision of services (such as planning, designing, drawing blueprints, or rendering technical advice) by the parts of the enterprise operating outside the State where the permanent establishment is located do not result from the activities carried on through the permanent establishment and are not attributable to it. 26. Where, under paragraph 5 of Article 5, a permanent establishment of an enterprise of a Contracting State is deemed to exist in the other Contracting State by reason of the activities of a so-called dependent agent (see paragraph 32 of the Commentary on Article 5), the same principles used to attribute profits to other types of permanent establishment will apply to attribute profits to that deemed permanent establishment. As a first step, the activities that the dependent agent undertakes for the enterprise will be identified through a functional and factual analysis that will determine the functions undertaken by the dependent agent both on its own account and on behalf of the enterprise. The dependent agent and the enterprise on behalf of which it is acting constitute two separate potential taxpayers. On the one hand, the dependent agent will derive its own income or profits from the activities that it performs on its own account for the enterprise; if the agent is itself a resident of either Contracting State, the provisions of the Convention (including Article 9 if that agent is an enterprise associated to the enterprise on behalf of which it is acting) will be relevant to the taxation of such income or profits. On the other hand, the deemed permanent establishment of the enterprise will be attributed the assets and risks of the enterprise relating to the functions performed by the dependent agent on behalf of that enterprise (i.e. the activities that the dependent agent undertakes for that enterprise), together with sufficient capital to support those assets and risks. Profits will then be attributed to the deemed permanent establishment on the basis of those assets, risks and capital; these profits will be separate from, and will not include, the income or profits that are properly attributable to the dependent agent itself (see section D-5 of Part I of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments). Paragraph 3 27. This paragraph clarifies, in relation to the expenses of a permanent establishment, the general directive laid down in paragraph 2. The paragraph specifically recognises that in calculating the profits of a permanent establishment allowance is to be made for expenses, wherever incurred, that were incurred for the purposes of the permanent establishment. Clearly in some cases it will be necessary to estimate or to calculate by conventional means the amount of expenses to be taken into account. In the case, for example, of general administrative expenses incurred at the head office of the enterprise, it may be appropriate to take into account a proportionate part based on the ratio that the permanent establishment’s turnover (or perhaps gross profits) bears to that of the enterprise as a whole. Subject to this, it is considered that the amount of expenses to be taken into account as incurred for the purposes of the permanent establishment should be the actual amount so incurred. The deduction allowable to the permanent establishment for any of the expenses of the enterprise attributed to it does not depend upon the actual reimbursement of such expenses by the permanent establishment. 28. It has sometimes been suggested that the need to reconcile paragraphs 2 and 3 created practical difficulties as paragraph 2 required that prices between the permanent establishment and the head office be normally charged on an arm’s length basis, giving to the transferring entity the type of profit which it might have been expected to make were it dealing with an independent enterprise, whilst the wording of paragraph 3 suggested that the deduction for expenses incurred for the purposes of perma-
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nent establishments should be the actual cost of those expenses, normally without adding any profit element. 29. In fact, whilst the application of paragraph 3 may raise some practical difficulties, especially in relation to the separate enterprise and arm’s length principles underlying paragraph 2, there is no difference of principle between the two paragraphs. Paragraph 3 indicates that in determining the profits of a permanent establishment, certain expenses must be allowed as deductions whilst paragraph 2 provides that the profits determined in accordance with the rule contained in paragraph 3 relating to the deduction of expenses must be those that a separate and distinct enterprise engaged in the same or similar activities under the same or similar conditions would have made. Thus, whilst paragraph 3 provides a rule applicable for the determination of the profits of the permanent establishment, paragraph 2 requires that the profits so determined correspond to the profits that a separate and independent enterprise would have made. 30. Also, paragraph 3 only determines which expenses should be attributed to the permanent establishment for purposes of determining the profits attributable to that permanent establishment. It does not deal with the issue of whether those expenses, once attributed, are deductible when computing the taxable income of the permanent establishment since the conditions for the deductibility of expenses are a matter to be determined by domestic law, subject to the rules of Article 24 on Non-discrimination (in particular, paragraphs 3 and 4 of that Article). 31. In applying these principles to the practical determination of the profits of a permanent establishment, the question may arise as to whether a particular cost incurred by an enterprise can truly be considered as an expense incurred for the purposes of the permanent establishment, keeping in mind the separate and independent enterprise principles of paragraph 2. Whilst in general independent enterprises in their dealings with each other will seek to realise a profit and, when transferring property or providing services to each other, will charge such prices as the open market would bear, nevertheless, there are also circumstances where it cannot be considered that a particular property or service would have been obtainable from an independent enterprise or when independent enterprises may agree to share between them the costs of some activity which is pursued in common for their mutual benefit. In these particular circumstances, it may be appropriate to treat any relevant costs incurred by the enterprise as an expense incurred for the permanent establishment. The difficulty arises in making a distinction between these circumstances and the cases where a cost incurred by an enterprise should not be considered as an expense of the permanent establishment and the relevant property or service should be considered, on the basis of the separate and independent enterprises principle, to have been transferred between the head office and the permanent establishment at a price including an element of profit. The question must be whether the internal transfer of property and services, be it temporary or final, is of the same kind as those which the enterprise, in the normal course of its business, would have charged to a third party at an arm’s length price, i.e. by normally including in the sale price an appropriate profit. 32. On the one hand, the answer to that question will be in the affirmative if the expense is initially incurred in performing a function the direct purpose of which is to make sales of a specific good or service and to realise a profit through a permanent establishment. On the other hand, the answer will be in the negative if, on the basis of the facts and circumstances of the specific case, it appears that the expense is initially incurred in performing a function the essential purpose of which is to rationalise the overall costs of the enterprise or to increase in a general way its sales.1 33. Where goods are supplied for resale whether in a finished state or as raw materials or semi-finished goods, it will normally be appropriate for the provisions of paragraph 2 to apply and for the supplying part of the enterprise to be allocated a profit, 1 Internal transfers of financial assets, which are primarily relevant for banks and other financial institutions, raise specific issues which have been dealt with in Parts II and III of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments.
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measured by reference to arm’s length principles. But there may be exceptions even here. One example might be where goods are not supplied for resale but for temporary use in the trade so that it may be appropriate for the parts of the enterprise which share the use of the material to bear only their share of the cost of such material e.g. in the case of machinery, the depreciation costs that relate to its use by each of these parts. It should of course be remembered that the mere purchase of goods does not constitute a permanent establishment (subparagraph 4 d) of Article 5) so that no question of attribution of profit arises in such circumstances. 34. In the case of intangible rights, the rules concerning the relations between enterprises of the same group (e.g. payment of royalties or cost sharing arrangements) cannot be applied in respect of the relations between parts of the same enterprise. Indeed, it may be extremely difficult to allocate “ownership” of the intangible right solely to one part of the enterprise and to argue that this part of the enterprise should receive royalties from the other parts as if it were an independent enterprise. Since there is only one legal entity it is not possible to allocate legal ownership to any particular part of the enterprise and in practical terms it will often be difficult to allocate the costs of creation exclusively to one part of the enterprise. It may therefore be preferable for the costs of creation of intangible rights to be regarded as attributable to all parts of the enterprise which will make use of them and as incurred on behalf of the various parts of the enterprise to which they are relevant accordingly. In such circumstances it would be appropriate to allocate between the various parts of the enterprise the actual costs of the creation or acquisition of such intangible rights, as well as the costs subsequently incurred with respect to these intangible rights, without any mark-up for profit or royalty. In so doing, tax authorities must be aware of the fact that the possible adverse consequences deriving from any research and development activity (e.g. the responsibility related to the products and damages to the environment) shall also be allocated to the various parts of the enterprise, therefore giving rise, where appropriate, to a compensatory charge. 35. The area of services is the one in which difficulties may arise in determining whether in a particular case a service should be charged between the various parts of a single enterprise at its actual cost or at that cost plus a mark-up to represent a profit to the part of the enterprise providing the service. The trade of the enterprise, or part of it, may consist of the provision of such services and there may be a standard charge for their provision. In such a case it will usually be appropriate to charge a service at the same rate as is charged to the outside customer. 36. Where the main activity of a permanent establishment is to provide specific services to the enterprise to which it belongs and where these services provide a real advantage to the enterprise and their costs represent a significant part of the expenses of the enterprise, the host country may require that a profit margin be included in the amount of the costs. As far as possible, the host country should then try to avoid schematic solutions and rely on the value of these services in the given circumstances of each case. 37. However, more commonly the provision of services is merely part of the general management activity of the company taken as a whole as where, for example, the enterprise conducts a common system of training and employees of each part of the enterprise benefit from it. In such a case it would usually be appropriate to treat the cost of providing the service as being part of the general administrative expenses of the enterprise as a whole which should be allocated on an actual cost basis to the various parts of the enterprise to the extent that the costs are incurred for the purposes of that part of the enterprise, without any mark-up to represent profit to another part of the enterprise. 38. The treatment of services performed in the course of the general management of an enterprise raises the question whether any part of the total profits of an enterprise should be deemed to arise from the exercise of good management. Consider the case of a company that has its head office in one country but carries on all its business through a permanent establishment situated in another country. In the extreme case it might well be that only the directors’ meetings were held at the head office and that 482
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all other activities of the company apart from purely formal legal activities, were carried on in the permanent establishment. In such a case there is something to be said for the view that at least part of the profits of the whole enterprise arose from the skillful management and business acumen of the directors and that part of the profits of the enterprise ought, therefore, to be attributed to the country in which the head office was situated. If the company had been managed by a managing agency, then that agency would doubtless have charged a fee for its services and the fee might well have been a simple percentage participation in the profits of the enterprise. But whatever the theoretical merits of such a course, practical considerations weigh heavily against it. In the kind of case quoted the expenses of management would, of course, be set against the profits of the permanent establishment in accordance with the provisions of paragraph 3, but when the matter is looked at as a whole, it is thought that it would not be right to go further by deducting and taking into account some notional figure for “profits of management”. In cases identical to the extreme case mentioned above, no account should therefore be taken in determining taxable profits of the permanent establishment of any notional figure such as profits of management. 39. It may be, of course, that countries where it has been customary to allocate some proportion of the total profits of an enterprise to the head office of the enterprise to represent the profits of good management will wish to continue to make such an allocation. Nothing in the Article is designed to prevent this. Nevertheless it follows from what is said in paragraph 38 above that a country in which a permanent establishment is situated is in no way required to deduct when calculating the profits attributable to that permanent establishment an amount intended to represent a proportionate part of the profits of management attributable to the head office. 40. It might well be that if the country in which the head office of an enterprise is situated allocates to the head office some percentage of the profits of the enterprise only in respect of good management, while the country in which the permanent establishment is situated does not, the resulting total of the amounts charged to tax in the two countries would be greater than it should be. In any such case the country in which the head office of the enterprise is situated should take the initiative in arranging for such adjustments to be made in computing the taxation liability in that country as may be necessary to ensure that any double taxation is eliminated. 41. The treatment of interest charges raises particular issues. First, there might be amounts which, under the name of interest, are charged by a head office to its permanent establishment with respect to internal “loans” by the former to the latter. Except for financial enterprises such as banks, it is generally agreed that such internal “interest” need not be recognised. This is because: – From the legal standpoint, the transfer of capital against payment of interest and an undertaking to repay in full at the due date is really a formal act incompatible with the true legal nature of a permanent establishment. – From the economic standpoint, internal debts and receivables may prove to be non existent, since if an enterprise is solely or predominantly equity funded it ought not to be allowed to deduct interest charges that it has manifestly not had to pay. Whilst, admittedly, symmetrical charges and returns will not distort the enterprise’s overall profits, partial results may well be arbitrarily changed. 42. For these reasons, the ban on deductions for internal debts and receivables should continue to apply generally, subject to the special situation of banks, as mentioned below. 43. A different issue, however, is that of the deduction of interest on debts actually incurred by the enterprise. Such debts may relate in whole or in part to the activities of the permanent establishment; indeed, loans contracted by an enterprise will serve either the head office, the permanent establishment or both. The question that arises in relation to these debts is how to determine the part of the interest that should be deducted in computing the profits attributable to the permanent establishment.
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44. The approach suggested in this Commentary before 1994, namely the direct and indirect apportionment of actual debt charges, did not prove to be a practical solution, notably since it was unlikely to be applied in a uniform manner. Also, it is well known that the indirect apportionment of total interest payment charges, or of the part of interest that remains after certain direct allocations, comes up against practical difficulties. It is also well known that direct apportionment of total interest expense may not accurately reflect the cost of financing the permanent establishment because the taxpayer may be able to control where loans are booked and adjustments may need to be made to reflect economic reality, in particular the fact that an independent enterprise would normally be expected to have a certain level of “free” capital. 45. Consequently, the majority of member countries consider that it would be preferable to look for a practicable solution that would take into account a capital structure appropriate to both the organization and the functions performed. This appropriate capital structure will take account of the fact that in order to carry out its activities, the permanent establishment requires a certain amount of funding made up of “free” capital and interest bearing debt. The objective is therefore to attribute an arm’s length amount of interest to the permanent establishment after attributing an appropriate amount of “free” capital in order to support the functions, assets and risks of the permanent establishment. Under the arm’s length principle a permanent establishment should have sufficient capital to support the functions it undertakes, the assets it economically owns and the risks it assumes. In the financial sector regulations stipulate minimum levels of regulatory capital to provide a cushion in the event that some of the risks inherent in the business crystallise into financial loss. Capital provides a similar cushion against crystallisation of risk in non-financial sectors. 46. As explained in section D-2 (v)b) of Part I of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments, there are different acceptable approaches for attributing “free” capital that are capable of giving an arm’s length result. Each approach has its own strengths and weaknesses, which become more or less material depending on the facts and circumstances of particular cases. Different methods adopt different starting points for determining the amount of “free” capital attributable to a permanent establishment, which either put more emphasis on the actual structure of the enterprise of which the permanent establishment is a part or alternatively, on the capital structures of comparable independent enterprises. The key to attributing “free” capital is to recognise: – the existence of strengths and weaknesses in any approach and when these are likely to be present; – that there is no single arm’s length amount of “free” capital, but a range of potential capital attributions within which it is possible to find an amount of “free” capital that can meet the basic principle set out above. 47. It is recognised, however, that the existence of different acceptable approaches for attributing “free” capital to a permanent establishment which are capable of giving an arm’s length result can give rise to problems of double taxation. The main concern, which is especially acute for financial institutions, is that if the domestic law rules of the State where the permanent establishment is located and of the State of the enterprise require different acceptable approaches for attributing an arm’s length amount of free capital to the permanent establishment, the amount of profits calculated by the State of the permanent establishment may be higher than the amount of profits calculated by the State of the enterprise for purposes of relief of double taxation. 48. Given the importance of that issue, the Committee has looked for a practical solution. OECD member countries have therefore agreed to accept, for the purposes of determining the amount of interest deduction that will be used in computing double taxation relief, the attribution of capital derived from the application of the approach used by the State in which the permanent establishment is located if the following two conditions are met: first, if the difference in capital attribution between that State and the State of the enterprise results from conflicting domestic law 484
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choices of capital attribution methods, and second, if there is agreement that the State in which the permanent establishment is located has used an authorised approach to the attribution of capital and there is also agreement that that approach produces a result consistent with the arm’s length principle in the particular case. OECD member countries consider that they are able to achieve that result either under their domestic law, through the interpretation of Articles 7 and 23 or under the mutual agreement procedure of Article 25 and, in particular, the possibility offered by that Article to resolve any issues concerning the application or interpretation of their tax treaties. 49. As already mentioned, special considerations apply to internal interest charges on advances between different parts of a financial enterprise (e.g. a bank), in view of the fact that making and receiving advances is closely related to the ordinary business of such enterprises. This problem, as well as other problems relating to the application of Article 7 to the permanent establishments of banks and enterprises carrying on global trading, is discussed in Parts II and III of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments. 50. The determination of the investment assets attributable to a permanent establishment through which insurance activities are carried on also raises particular issues, which are discussed in Part IV of the Report. 51. It is usually found that there are, or there can be constructed, adequate accounts for each part or section of an enterprise so that profits and expenses, adjusted as may be necessary, can be allocated to a particular part of the enterprise with a considerable degree of precision. This method of allocation is, it is thought, to be preferred in general wherever it is reasonably practicable to adopt it. There are, however, circumstances in which this may not be the case and paragraphs 2 and 3 are in no way intended to imply that other methods cannot properly be adopted where appropriate in order to arrive at the profits of a permanent establishment on a “separate enterprise” footing. It may well be, for example, that profits of insurance enterprises can most conveniently be ascertained by special methods of computation, e.g. by applying appropriate co-efficients to gross premiums received from policy holders in the country concerned. Again, in the case of a relatively small enterprise operating on both sides of the border between two countries, there may be no proper accounts for the permanent establishment nor means of constructing them. There may, too, be other cases where the affairs of the permanent establishment are so closely bound up with those of the head office that it would be impossible to disentangle them on any strict basis of branch accounts. Where it has been customary in such cases to estimate the arm’s length profit of a permanent establishment by reference to suitable criteria, it may well be reasonable that that method should continue to be followed, notwithstanding that the estimate thus made may not achieve as high a degree of accurate measurement of the profit as adequate accounts. Even where such a course has not been customary, it may, exceptionally, be necessary for practical reasons to estimate the arm’s length profits based on other methods. Paragraph 4 52. It has in some cases been the practice to determine the profits to be attributed to a permanent establishment not on the basis of separate accounts or by making an estimate of arm’s length profit, but simply by apportioning the total profits of the enterprise by reference to various formulae. Such a method differs from those envisaged in paragraph 2, since it contemplates not an attribution of profits on a separate enterprise footing, but an apportionment of total profits; and indeed it might produce a result in figures which would differ from that which would be arrived at by a computation based on separate accounts. Paragraph 4 makes it clear that such a method may continue to be employed by a Contracting State if it has been customary in that State to adopt it, even though the figure arrived at may at times differ to some extent from that which would be obtained from separate accounts, provided that the result can fairly be said to be in accordance with the principles contained in the Article. It is emphasised, however, that in general the profits to be attributed to a permanent esDitz
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tablishment should be determined by reference to the establishment’s accounts if these reflect the real facts. It is considered that a method of allocation which is based on apportioning total profits is generally not as appropriate as a method which has regard only to the activities of the permanent establishment and should be used only where, exceptionally, it has as a matter of history been customary in the past and is accepted in the country concerned both by the taxation authorities and taxpayers generally there as being satisfactory. It is understood that paragraph 4 may be deleted where neither State uses such a method. Where, however, Contracting States wish to be able to use a method which has not been customary in the past the paragraph should be amended during the bilateral negotiations to make this clear. 53. It would not, it is thought, be appropriate within the framework of this Commentary to attempt to discuss at length the many various methods involving apportionment of total profits that have been adopted in particular fields for allocating profits. These methods have been well documented in treatises on international taxation. It may, however, not be out of place to summarise briefly some of the main types and to lay down some very general directives for their use. 54. The essential character of a method involving apportionment of total profits is that a proportionate part of the profits of the whole enterprise is allocated to a part thereof, all parts of the enterprise being assumed to have contributed on the basis of the criterion or criteria adopted to the profitability of the whole. The difference between one such method and another arises for the most part from the varying criteria used to determine what is the correct proportion of the total profits. It is fair to say that the criteria commonly used can be grouped into three main categories, namely those which are based on the receipts of the enterprise, its expenses or its capital structure. The first category covers allocation methods based on turnover or on commission, the second on wages and the third on the proportion of the total working capital of the enterprise allocated to each branch or part. It is not, of course, possible to say in vacuo that any of these methods is intrinsically more accurate than the others; the appropriateness of any particular method will depend on the circumstances to which it is applied. In some enterprises, such as those providing services or producing proprietary articles with a high profit margin, net profits will depend very much on turnover. For insurance enterprises it may be appropriate to make an apportionment of total profits by reference to premiums received from policy holders in each of the countries concerned. In the case of an enterprise manufacturing goods with a high cost raw material or labour content, profits may be found to be related more closely to expenses. In the case of banking and financial concerns the proportion of total working capital may be the most relevant criterion. It is considered that the general aim of any method involving apportionment of total profits ought to be to produce figures of taxable profit that approximate as closely as possible to the figures that would have been produced on a separate accounts basis, and that it would not be desirable to attempt in this connection to lay down any specific directive other than that it should be the responsibility of the taxation authority, in consultation with the authorities of other countries concerned, to use the method which in the light of all the known facts seems most likely to produce that result. 55. The use of any method which allocates to a part of an enterprise a proportion of the total profits of the whole does, of course, raise the question of the method to be used in computing the total profits of the enterprise. This may well be a matter which will be treated differently under the laws of different countries. This is not a problem which it would seem practicable to attempt to resolve by laying down any rigid rule. It is scarcely to be expected that it would be accepted that the profits to be apportioned should be the profits as they are computed under the laws of one particular country; each country concerned would have to be given the right to compute the profits according to the provisions of its own laws. Paragraph 5 56. In paragraph 4 of Article 5 there are listed a number of examples of activities which, even though carried on at a fixed place of business, are deemed not to be in486
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cluded in the term “permanent establishment”. In considering rules for the allocation of profits to a permanent establishment the most important of these examples is the activity mentioned in paragraph 5 of this Article, i.e. the purchasing office. 57. Paragraph 5 is not, of course, concerned with the organisation established solely for purchasing; such an organisation is not a permanent establishment and the profits allocation provisions of this Article would not therefore come into play. The paragraph is concerned with a permanent establishment which, although carrying on other business, also carries on purchasing for its head office. In such a case the paragraph provides that the profits of the permanent establishment shall not be increased by adding to them a notional figure for profits from purchasing. It follows, of course, that any expenses that arise from the purchasing activities will also be excluded in calculating the taxable profits of the permanent establishment. Paragraph 6 58. This paragraph is intended to lay down clearly that a method of allocation once used should not be changed merely because in a particular year some other method produces more favourable results. One of the purposes of a double taxation convention is to give an enterprise of a Contracting State some degree of certainty about the tax treatment that will be accorded to its permanent establishment in the other Contracting State as well as to the part of it in its home State which is dealing with the permanent establishment; for this reason, paragraph 6 gives an assurance of continuous and consistent tax treatment. Paragraph 7 59. Although it has not been found necessary in the Convention to define the term “profits”, it should nevertheless be understood that the term when used in this Article and elsewhere in the Convention has a broad meaning including all income derived in carrying on an enterprise. Such a broad meaning corresponds to the use of the term made in the tax laws of most OECD member countries. 60. This interpretation of the term “profits”, however, may give rise to some uncertainty as to the application of the Convention. If the profits of an enterprise include categories of income which are treated separately in other Articles of the Convention, e.g. dividends, it may be asked whether the taxation of those profits is governed by the special Article on dividends etc., or by the provisions of this Article. 61. To the extent that an application of this Article and the special Article concerned would result in the same tax treatment, there is little practical significance to this question. Further, it should be noted that some of the special Articles contain specific provisions giving priority to a specific Article (cf. paragraph 4 of Article 6, paragraph 4 of Articles 10 and 11, paragraph 3 of Article 12, and paragraph 2 of Article 21). 62. It has seemed desirable, however, to lay down a rule of interpretation in order to clarify the field of application of this Article in relation to the other Articles dealing with a specific category of income. In conformity with the practice generally adhered to in existing bilateral conventions, paragraph 7 gives first preference to the special Articles on dividends, interest etc. It follows from the rule that this Article will be applicable to business profits which do not belong to categories of income covered by the special Articles, and, in addition, to dividends, interest etc. which under paragraph 4 of Articles 10 and 11, paragraph 3 of Article 12 and paragraph 2 of Article 21, fall within this Article (cf. paragraphs 12 to 18 of the Commentary on Article 12 which discuss the principles governing whether, in the particular case of computer software, payments should be classified as business profits within Article 7 or as a capital gain within Article 13 on the one hand or as royalties within Article 12 on the other). It is understood that the items of income covered by the special Articles may, subject to the provisions of the Convention, be taxed either separately, or as business profits, in conformity with the tax laws of the Contracting States. 63. It is open to Contracting States to agree bilaterally upon special explanations or definitions concerning the term “profits” with a view to clarifying the distinction
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between this term and e.g. the concept of dividends. It may in particular be found appropriate to do so where in a convention under negotiation a deviation has been made from the definitions in the special Articles on dividends, interest and royalties. It may also be deemed desirable if the Contracting States wish to place on notice, that, in agreement with the domestic tax laws of one or both of the States, the term “profits” includes special classes of receipts such as income from the alienation or the letting of a business or of movable property used in a business. In this connection it may have to be considered whether it would be useful to include also additional rules for the allocation of such special profits. 64. It should also be noted that, whilst the definition of “royalties” in paragraph 2 of Article 12 of the 1963 Draft Convention and 1977 Model Convention included payments “for the use of, or the right to use, industrial, commercial, or scientific equipment”, the reference to these payments was subsequently deleted from that definition in order to ensure that income from the leasing of industrial, commercial or scientific equipment, including the income from the leasing of containers, falls under the provisions of Article 7 rather than those of Article 12, a result that the Committee on Fiscal Affairs considers to be appropriate given the nature of such income. Observations on the Commentary 65. Italy and Portugal deem as essential to take into consideration that – irrespective of the meaning given to the fourth sentence of paragraph 8 – as far as the method for computing taxes is concerned, national systems are not affected by the new wording of the model, i.e. by the elimination of Article 14. 66. Belgium cannot share the views expressed in paragraph 13 of the Commentary. Belgium considers that the application of controlled foreign companies legislation is contrary to the provisions of paragraph 1 of Article 7. This is especially the case where a Contracting State taxes one of its residents on income derived by a foreign entity by using a fiction attributing to that resident, in proportion to his participation in the capital of the foreign entity, the income derived by that entity. By doing so, that State increases the tax base of its resident by including in it income which has not been derived by that resident but by a foreign entity which is not taxable in that State in accordance with paragraph 1 of Article 7. That Contracting State thus disregards the legal personality of the foreign entity and acts contrary to paragraph 1 of Article 7. 67. Luxembourg does not share the interpretation in paragraph 13 which provides that paragraph 1 of Article 7 does not restrict a Contracting State’s right to tax its own residents under controlled foreign companies provisions found in its domestic law as this interpretation challenges the fundamental principle contained in paragraph 1 of Article 7. 68. With reference to paragraph 13, Ireland notes its general observation in paragraph 27.5 of the Commentary on Article 1. 69. With regard to paragraph 45, Greece notes that the Greek internal law does not foresee any rules or methods for attributing “free” capital to permanent establishments. Concerning loans contracted by an enterprise that relate in whole or in part to the activities of the permanent establishment, Greece allows as deduction the part of the interest which corresponds to the amount of a loan contracted by the head office and actually remitted to the permanent establishment. 70. Portugal wishes to reserve its right not to follow the position expressed in paragraph 45 of the Commentary on Article 7 except whenever there are specific domestic provisions foreseeing certain levels of “free” capital for permanent establishments. 71. With regard to paragraph 46, Sweden wishes to clarify that it does not consider that the different approaches for attributing “free” capital that the paragraph refers to as being “acceptable” will necessarily lead to a result in accordance with the arm’s length principle. Consequently, when looking at the facts and circumstances of each case in order to determine whether the amount of interest deduction resulting from the application of these approaches conforms to the arm’s length principle, Sweden
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in many cases would not consider that the other States’ approach conforms to the arm’s length principle. Sweden is of the opinion that double taxation will therefore often occur, requiring the use of the mutual agreement procedure. 72. Portugal wishes to reserve its right not to follow the “symmetry” approach described in paragraph 48 of the Commentary on Article 7, insofar as the Portuguese internal law does not foresee any rules or methods for attributing “free” capital to permanent establishments. In eliminating double taxation according to Article 23, Portugal, as the home country, determines the amount of profits attributable to a permanent establishment according to the domestic law. 73. Germany, Japan and the United States, whilst agreeing to the practical solution described in paragraph 48, wish to clarify how this agreement will be implemented. Neither Germany, nor Japan, nor the United States can automatically accept for all purposes all calculations by the State in which the permanent establishment is located. In cases involving Germany or Japan, the second condition described in paragraph 48 has to be satisfied through a mutual agreement procedure under Article 25. In the case of Japan and the United States, a taxpayer who seeks to obtain additional foreign tax credit limitation must do so through a mutual agreement procedure in which the taxpayer would have to prove to the Japanese or the United States competent authority, as the case may be, that double taxation of the permanent establishment profits which resulted from the conflicting domestic law choices of capital attribution methods has been left unrelieved after applying mechanisms under their respective domestic tax law such as utilisation of foreign tax credit limitation created by other transactions. 74. With reference to paragraphs 6 and 7, New Zealand notes that it does not agree with the approach put forward on the attribution of profits to permanent establishments in general, as reflected in Part I of the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments. Reservations on the Commentary Chile1
75. Australia, and New Zealand reserve the right to include a provision that will permit their domestic law to apply in relation to the taxation of profits from any form of insurance. 76. Australia and New Zealand reserve the right to include a provision clarifying their right to tax a share of business profits to which a resident of the other Contracting State is beneficially entitled where those profits are derived by a trustee of a trust estate (other than certain unit trusts that are treated as companies for Australian and New Zealand tax purposes) from the carrying on of a business in Australia or New Zealand, as the case may be, through a permanent establishment. 77. Korea and Portugal reserve the right to tax persons performing professional services or other activities of an independent character if they are present on their territory for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period, even if they do not have a permanent establishment (or a fixed base) available to them for the purpose of performing such services or activities. 78. Chile,2 Italy and Portugal reserve the right to tax persons performing independent personal services under a separate article which corresponds to Article 14 as it stood before its elimination in 2000. 79. The United States reserves the right to amend Article 7 to provide that, in applying paragraphs 1 and 2 of the Article, any income or gain attributable to a permanent establishment during its existence may be taxable by the Contracting State in which the permanent establishment exists even if the payments are deferred until after the permanent establishment has ceased to exist. The United States also wishes to note that it reserves the right to apply such a rule, as well, under Articles 11, 12, 13 and 21.
1 Chile was added to this reservation when it joined the OECD in 2010. 2 Chile was added to this reservation when it joined the OECD in 2010.
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Art. 7 (2008)
Unternehmensgewinne
80. Turkey reserves the right to subject income from the leasing of containers to a withholding tax at source in all cases. In case of the application of Articles 5 and 7 to such income, Turkey would like to apply the permanent establishment rule to the simple depot, depot-agency and operational branches cases. 81. Norway and the United States reserve the right to treat income from the use, maintenance or rental of containers used in international traffic under Article 8 in the same manner as income from shipping and air transport. 82. Australia and Portugal reserve the right to propose in bilateral negotiations a provision to the effect that, if the information available to the competent authority of a Contracting State is inadequate to determine the profits to be attributed to the permanent establishment of an enterprise, the competent authority may apply to that enterprise for that purpose the provisions of the taxation law of that State, subject to the qualification that such law will be applied, so far as the information available to the competent authority permits, in accordance with the principles of this Article. 83. Mexico reserves the right to tax in the State where the permanent establishment is situated business profits derived from the sale of goods or merchandise carried out directly by its home office situated in the other Contracting State, provided that those goods and merchandise are of the same or similar kind as the ones sold through that permanent establishment. The Government of Mexico will apply this rule only as a safeguard against abuse and not as a general “force of attraction” principle; thus, the rule will not apply when the enterprise proves that the sales have been carried out for reasons other than obtaining a benefit under the Convention.
Positions on the previous Version of Article 7 and its Commentary The following is the text of the non-OECD economies’ positions on Article 7 and its Commentary as it read before 22 July 2010. That previous version of the positions on Article 7 and its Commentary is provided for historical reference as it will continue to be relevant for the application and interpretation of bilateral tax conventions that use the previous version of the Article. Positions on the Article 1. Argentina and Chile reserve the right to include a special provision in the Convention that will permit them to apply their domestic law in relation to the taxation of the profits of an insurance and re-insurance enterprise. 2. Malaysia, Thailand and Ukraine reserve the right to add a provision to the effect that, if the information available to the competent authority of a Contracting State is inadequate to determine the profits to be attributed to the permanent establishment of an enterprise, the competent authority may apply to that enterprise the provisions of the taxation law of that State, subject to the qualification that such law will be applied, so far as the information available to the competent authority permits, in accordance with the principles of this Article. 2.1 Albania, Argentina, Brazil, Chile, Croatia, Gabon, India, Ivory Coast, Malaysia, Morocco, the People’s Republic of China, Russia, Serbia, Tunisia and Vietnam reserve the right to maintain in their conventions a specific article dealing with the taxation of “independent personal services”. Accordingly, reservation is also made with respect to all the corresponding modifications in the Articles and the Commentaries, which have been modified as a result of the elimination of Article 14. 2.2 Bulgaria reserves the right to propose in bilateral negotiations the replacement, in this Article, of the term “profits” with the term “business profits”, provided that it is defined in Article 3.
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OECD-Musterkommentar (2008)
Art. 7 (2008)
2.3 Tunisia reserves the right to propose in bilateral negotiations to add a criterion for the taxation in the Source State of the independent personal services, under the former Article 14, based on the amount (to be established through bilateral negotiations) of the remuneration paid. Paragraphs 1 and 2 3. Argentina, Morocco and Thailand reserve the right to tax in the State where the permanent establishment is situated business profits derived from the sale of goods or merchandise which are the same as or of a similar kind to the ones sold through a permanent establishment situated in that State or from other business activities carried on in that State of the same or similar kind as those effected through that permanent establishment. They will apply this rule only as a safeguard against abuse and not as a general “force of attraction principle”. Thus, the rule will not apply when the enterprise proves that the sales or activities have been carried out for reasons other than obtaining a benefit under the Convention. 4. Albania and Vietnam reserve the right to tax in the State where the permanent establishment is situated business profits derived from the sale of goods or merchandise which are the same as or of a similar kind to the ones sold through a permanent establishment situated in that State or from other business activities carried on in that State of the same or similar kind as those effected through that permanent establishment. 4.1 Morocco and the Philippines reserve the right to adopt a length of stay and fixed base criteria in determining whether an individual rendering personal services is taxable. 4.2 Chile and India reserve the right to amend Article 7 to provide that, in applying paragraphs 1 and 2 of the Article, any income or gain attributable to a permanent establishment during its existence may be taxable by the Contracting State in which the permanent establishment exists even if the payments are deferred until after the permanent establishment has ceased to exist. Furthermore, India also reserves the right to apply such a rule under Articles 11, 12, 13 and 21. Paragraph 3 5. With respect to paragraph 3, Argentina reserves the right to provide that a Contracting State shall not be obliged to allow the deduction of expenses incurred abroad which are not reasonably attributable to the activity carried on by the permanent establishment, taking into account the general principles contained in domestic legislation concerning executive and administrative expenses for assistance services. 6. Brazil reserves its position on the words “whether in the State in which the permanent establishment is situated or elsewhere” found in paragraph 3. 7. Armenia, India, Lithuania and Slovenia reserve the right to add to paragraph 3 a clarification that expenses to be allowed as deductions by a Contracting State shall include only expenses that are deductible under the domestic laws of that State. 7.1 Estonia and Latvia reserve the right to add to paragraph 3 a clarification that expenses to be allowed as deductions by a Contracting State shall include only expenses that would be deductible if the permanent establishment were a separate enterprise of that Contracting State. 8. Ukraine and Vietnam reserve the right to add to paragraph 3 a clarification to the effect that the paragraph refers to actual expenses incurred by the enterprise (other than interest in the case of a banking enterprise). Paragraph 4 9. Brazil reserves the right not to adopt paragraph 4. Paragraph 5 10. Vietnam reserves the right not to adopt paragraph 5. Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 1–2
Unternehmensgewinne
Paragraph 6 11. Brazil reserves the right not to adopt paragraph 6. Positions on the previous Commentary 12. India does not agree with the interpretation given in paragraph 25. 13. As regards paragraphs 41–50 of the Commentary on Article 7, Chile does not adhere to the specific methods provided as the rules on the amount of profit attributable to a permanent establishment; these must be established in and follow domestic law (including foreign exchange legislation).
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 7 (2008) A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1
Besteuerungsrecht an Unternehmensgewinnen. Art. 7 betrifft die Abgrenzung von Besteuerungsrechten im Hinblick auf Unternehmensgewinne und bildet damit eine der praktisch bedeutsamsten Vorschriften des OECD-MA. Der Begriff der „Unternehmensgewinne“ bezieht sich in seinem Kern auf gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG (vgl. Rz. 52 f.). Darüber hinaus erfasst Art. 7 seit dem „Update 2000“ des OECD-MA und der damit verbundenen Streichung des Art. 14 auch Einkünfte aus freiberuflicher und sonstiger selbständiger Arbeit (vgl. Rz. 25). Die materielle Bedeutung des Art. 7 liegt in der Bestimmung des Umfangs der Besteuerungsrechte, im Rahmen derer die Vertragsstaaten Unternehmensgewinne besteuern dürfen. Dazu regelt die Vorschrift die Besteuerung von Unternehmensgewinnen zunächst in einem Regel-AusnahmeVerhältnis (vgl. Art. 7 Rz. 9 OECD-MK 2008): Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 können Gewinne eines Unternehmens grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers besteuert werden. Eine Ausnahme besteht gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 für den Fall, dass „das Unternehmen […] seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte“ ausübt. Nach diesem sog. Betriebsstättenprinzip steht einem Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne nicht für jede Tätigkeit zu, sondern nur für solche, die die Intensitätsschwelle einer Betriebsstätte überschreiten (vgl. Rz. 65). Insofern ist Art. 7 im Zusammenhang mit Art. 5, welcher die Betriebsstätte im Einzelnen definiert, zu sehen (vgl. Rz. 19). Während Art. 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 5 vorgibt, ob eine unternehmerische Tätigkeit dem Grunde nach der Quellenbesteuerung unterliegen darf, d.h., ob dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht auf die Unternehmensgewinne zusteht, gibt Art. 7 im Weiteren ein Regelwerk zur Bestimmung der Höhe dieses Besteuerungsrechtes vor. Nach ständiger Rspr. werden dabei durch den Terminus der „Unternehmensgewinne“ auch Verluste als „negative Unternehmensgewinne“ erfasst.1
2
Quellenprinzip. Das Betriebsstättenprinzip war bereits in den ersten deutschen DBA enthalten und beruht auf dem Ursprungs- bzw. Quellenprinzip. Danach soll jeder Vertragsstaat die Einkünfte besteuern dürfen, die in seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet werden. Dadurch unterliegen die Betriebsstättengewinne dem gleichen Steuerniveau wie die der unmittelbaren ausländischen Mitbewerber, sodass im Rahmen der sog. Kapitalimportneutralität eine wettbewerbspolitische Gleichstellung der Betriebsstätten mit Konkurrenzunternehmen in ihrem Quellenstaat hergestellt wird.2
1 Vgl. BFH v. 11.3.2008 - I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161 m.w.N.; v. 17.7.2008 - I R 84/04, BStBl. II 2009, 630. 2 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 19 ff.
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Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2–4 Art. 7 (2008)
Dieses Ergebnis wird auf Basis der Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat durch die Freistellungsmethode erreicht, wobei die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen nicht durch Art. 7, sondern durch Art. 23A und 23B vermieden wird (vgl. Rz. 28). Denn Art. 7 Abs. 1 schließt die Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Ansässigkeitsstaat auch bei gleichzeitiger Quellenbesteuerung im Betriebsstättenstaat nicht aus. Die Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne wird damit erst durch den Methodenartikel vermieden, wobei die deutsche Abkommenspraxis – häufig unter Beachtung von sog. Aktivitätsklauseln1 – i.d.R.2 die Freistellung des Betriebsstättengewinns im Ansässigkeitsstaat unter Progressionsvorbehalt vorsieht (zur Verlustberücksichtigung vgl. Rz. 32). Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. Wird ei- 3 nem Vertragsstaat im Rahmen der Begründung einer Betriebsstätte das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zugewiesen, stellt sich in einem nächsten Schritt zwangsläufig die Frage, wie dieses Besteuerungsrecht der Höhe nach zu quantifizieren ist. Dazu gibt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 vor, dass Unternehmensgewinne nur insoweit durch den Betriebsstättenstaat besteuert werden dürfen, „als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“ Infolgedessen erstreckt sich das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates weder auf den Gesamtgewinn des Unternehmens noch auf sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen in diesem Staat. Das sog. Attraktionsprinzip findet demnach keine Anwendung (vgl. Rz. 85).3 Vielmehr belässt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 dem Betriebsstättenstaat lediglich ein Besteuerungsrecht auf die Gewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind (sog. Zurechnungsprinzip, vgl. Rz. 86 f.).4 Allerdings bestimmt die Vorschrift noch keinen konkreten Zuordnungsmaßstab, nach welchem der der Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn zu bestimmen ist. Ein solcher Abgrenzungsmaßstab der Höhe nach ist in Art. 7 Abs. 2 niedergelegt. Danach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen, die sie als selbständiges und von ihrem Stammhaus unabhängiges Unternehmen unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes hätte erzielen können. Das Zurechnungsprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 und kann nicht ohne dessen Einbeziehung konkretisiert werden (vgl. Rz. 87).5 Das wesentliche Ziel des Art. 7 besteht folglich – neben der Kodifizierung des Betriebsstättenprinzips (vgl. Rz. 1 und 65 f.) – darin, Einzelheiten der Abgrenzung des Gewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu regeln. Dazu fingiert Art. 7 Abs. 2, dass die Betriebsstätte ihre Tätigkeit als „selbständiges Unternehmen“ ausübt (sog. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte) und in diesem Zusammenhang „völlig unabhängig“ von ihrem Stammhaus agiert (sog. Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte).6 Die auf diesen Grundsätzen vorzunehmende Betriebsstättengewinnabgrenzung gehört zu den umstrittensten und schwierigsten Themengebieten der internationalen Unternehmensbesteuerung (vgl. Rz. 97). Begriff des Stammhauses und seiner Betriebsstätte. Soweit Art. 7 den Begriff der Betriebsstätte verwendet, ist dieser in Art. 5 definiert (vgl. Rz. 19). Der häufig verwendete Begriff des Stammhauses wird indessen weder von der OECD noch von der Rspr.7 konkretisiert. Als „Stammhaus“ wird gemeinhin derjenige Unternehmensteil bezeich1 Vgl. dazu Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 ff.; Holthaus, IStR 2003, 632 ff. 2 Eine Ausnahme bildet z.B. Art. 22 DBA-Vereinigte Arabische Emirate. 3 Vgl. Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008. Das deutsche Steuerrecht kennt gemeinhin ein Attraktionsprinzip nicht, vgl. BFH v. 1.4.1987 - II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. Zum Attraktionsprinzip im ehemaligen DBA-USA 1954 vgl. BFH v. 27.2.1991 - I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 4 Vgl. BFH v. 27.2.1991 - I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 27.2.1991 - I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 5 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 311, nach dem es sachgerechter wäre, wenn Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Art. 7 Abs. 2 in einem Absatz zusammengefügt worden wären. 6 Vgl. dazu Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 45 f. 7 Im Urt. v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 Rz. 21, verwendet der BFH den Begriff, ohne ihn zu definieren.
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4
Art. 7 (2008) Rz. 4–6
Unternehmensgewinne
net, dessen Besteuerung sich nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 richtet, d.h., es handelt sich um denjenigen Unternehmensteil, welcher im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers liegt (vgl. Rz. 49 und 64).1 Das Stammhaus befindet sich daher i.d.R. in der Betriebsstätte, bei der sich die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens befindet,2 muss es jedoch nicht.3
II. Aufbau der Vorschrift 5
Umfangreiche Verteilungsnorm. Art. 7 ist mit sieben Absätzen eine der umfangreichsten Verteilungsnormen. Die Vorschrift umfasst nicht nur allgemeine Regelungen der Abgrenzung von Besteuerungsrechten bei Unternehmensgewinnen (Art. 7 Abs. 1–4), sondern enthält eine Reihe von Sonderbestimmungen (Art. 7 Abs. 5–7). Im Einzelnen regelt die Vorschrift Folgendes: Art. 7 Abs. 1 statuiert das sog. Betriebsstättenprinzip, wonach das Recht zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat liegt und der andere Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht nur für den Fall der Begründung einer Betriebsstätte erwirbt. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 erwirbt der Betriebsstättenstaat allerdings nur insoweit ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne, als diese der in seinem Hoheitsgebiet belegenen Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind. Nach welchen Kriterien diese Zurechnung von Gewinnen zur Betriebsstätte zu erfolgen hat, ist in Art. 7 Abs. 2–4 bestimmt. Tragender Grundsatz der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist dabei der in Art. 7 Abs. 2 und 3 niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length“-Prinzip), welcher auf der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte fußt. Neben der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zur Betriebsstättengewinnabgrenzung ist gem. Art. 7 Abs. 4 die Anwendung der indirekten Methode denkbar. Bei dieser wird der auf eine Betriebsstätte entfallende Unternehmensgewinn durch die Aufteilung des gesamten Unternehmensgewinns über eine Schlüsselgröße bestimmt. Eine spezielle Regelung für Gewinne aus dem Einkauf für Güter und Waren enthält Art. 7 Abs. 5, während Art. 7 Abs. 6 das sog. Stetigkeitsgebot kodifiziert. Schließlich enthält Art. 7 Abs. 7 eine Vorschrift zur Abgrenzung von Einkünften, die sowohl von Art. 7 als auch von anderen Vorschriften des OECD-MA erfasst werden. Im Grundsatz wird hier eine Ausnahme von der in Art. 7 Abs. 1–6 vorgesehenen Betriebsstättenbesteuerung statuiert, wonach die in anderen Vorschriften des OECD-MA getroffenen Regelungen Art. 7 vorgehen. Dieser – zunächst sehr weitreichend erscheinende – Vorbehalt wird allerdings durch Art. 10 Abs. 5, Art. 11 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 3 wiederum erheblich eingeschränkt.
6
Grundlegende Überarbeitung in 2010. Am 17.7.2008 hat der OECD-Steuerausschuss einen Bericht zur Betriebsstättengewinnabgrenzung verabschiedet (vgl. Rz. 99 ff.), wonach die Grundsätze des sog. „Functionally Separate Entity Approach“ in den OECD-MK aufzunehmen sind (sog. „Authorised OECD Approach“).4 Der OECD-MK wurde in diesem Zusammenhang bereits im Rahmen des OECD-Updates 2008 – zunächst noch eingeschränkt – an den „Functionally Separate Entity Approach“ angepasst (vgl. Rz. 103). In einem zweiten Schritt verabschiedete der OECDRat am 22.7.2010 im Rahmen des „Update 2010“ weitgehende Änderungen des Art. 7. In diesem Zusammenhang wurden der Inhalt und die Struktur der Vorschrift grundlegend verändert (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 16 ff.):5 – In Art. 7 Abs. 1 Satz 2 wurde ein klarstellender Verweis auf Abs. 2 der Vorschrift aufgenommen, wonach die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne nach den Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 zu ermitteln sind (vgl. Rz. 8).
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Vgl. auch KB, IStR 2004, 201 mit Verweis auf BFH v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932. So BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.1. Vgl. auch Frotscher in GS Krüger, 95 (98). Vgl. Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008. Vgl. dazu Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 ff.; Wichmann, FR 2011, 1082 (1085); Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 ff.; Kahle/Mödinger, DB 2011, 2338 (2342 f.); Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 ff.; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840 ff.); Kofler/van Thiel, ET 2011, 327 ff.; Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (82 f.).
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 6–9 Art. 7 (2008)
– Art. 7 Abs. 2 wurde dahin gehend angepasst, dass die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung deutlicher hervorgeht und infolgedessen eine Gewinnabgrenzung nach Maßgabe des „Functionally Separate Entity Approach“ unter Berücksichtigung der von der Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken und der von ihr eingesetzten Wirtschaftsgüter erfolgen soll (vgl. Rz. 12). – Art. 7 Abs. 3 wurde durch eine Regelung analog Art. 9 Abs. 2 ersetzt. Danach soll es bei einer Korrektur der Betriebsstättengewinne durch einen Vertragsstaat im anderen Vertragsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eine korrespondierende Gewinnberichtigung geben (vgl. Rz. 14). – Art. 7 Abs. 4–6 wurden ersatzlos gestrichen. Der bisherige Art. 7 Abs. 7 wurde zu Art. 7 Abs. 4.
III. Rechtsentwicklung 1. Absatz 1 Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Das abkommensrechtliche Be- 7 triebsstättenprinzip hat eine lange Tradition. So enthielt bereits das Abkommensmuster des Völkerbundes aus 1927 in Art. 5 eine dem Betriebsstättenprinzip im Wesentlichen entsprechende Vorschrift.1 Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA 2008 ist in seiner englischen Originalfassung seit 1963 völlig identisch geblieben. In der deutschen Übersetzung wurden in diesem Zeitraum lediglich formale Änderungen vorgenommen, welche ohne inhaltliche Auswirkung blieben. Durch das OECD-MA 2000 wurde dann der Begriff der „Tätigkeit“ durch den Begriff der „Geschäftstätigkeit“ ersetzt. Diese Änderung folgte aus der Streichung des Art. 14 im Jahr 2000, welche mit einer Definition der Geschäftstätigkeit in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und h einherging (vgl. Rz. 25). Änderung durch das OECD-MA 2010. In Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 wurde 8 ein ergänzender Verweis auf Art. 7 Abs. 2 aufgenommen („die der Betriebsstätte gem. den Bestimmungen von Absatz 2 zuzurechnen sind“). Dadurch wurde klargestellt, dass die Frage der Gewinnzurechnung zu einer Betriebsstätte konkret auf den Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 (insbesondere unter Berücksichtigung der Unabhängigkeitsund Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte) zu erfolgen hat (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 16 ff.).2 Folglich kann einer Betriebsstätte nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) ein höherer Gewinn als der Gewinn des Gesamtunternehmens zugerechnet werden. Dies war in Bezug auf den alten Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 strittig.3 Infolgedessen stellt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 mit dem unmittelbaren Verweis auf Art. 7 Abs. 2 klar, dass der unternehmerische Gesamtgewinn die Höhe des der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinns nicht begrenzt (vgl. Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 2010). Im Ergebnis können damit nach Auffassung der OECD einer Betriebsstätte auch Gewinne zugerechnet werden, wenn das Gesamtunternehmen Verluste erwirtschaftet. Dieser Grundsatz gilt indessen auch in Bezug auf das OECD-MA 2008 (vgl. Rz. 87). 2. Absatz 2 Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Die Idee einer Gewinnabgren- 9 zung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes unter Berücksichtigung einer Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte geht auf umfangreiche Studien von Carroll in 1932/33 zurück.4 Der darauf aufbauende Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 1963 ist bis 2008 weit-
1 Zu Einzelheiten der historischen Entwicklung vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 39 ff. m.w.N. 2 Vgl. auch Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840). 3 Vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 253. 4 Vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 41 m.w.N.
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Art. 7 (2008) Rz. 9–11
Unternehmensgewinne
gehend identisch geblieben. Neben einigen, rein formalen Änderungen1 bezieht sich die einzig wesentliche Änderung der Vorschrift auf die Einfügung der Formulierung „vorbehaltlich des Absatzes 3“ in das OECD-MA 1977. Aufgrund dieser Ergänzung wurde im Schrifttum eine eingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion dahin gehend abgeleitet, dass statt einer fremdvergleichskonformen Leistungsverrechnung eine bloße Aufwandsverrechnung zu erfolgen habe (sog. eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte).2 Eine solche Interpretation auf Basis einer rein grammatikalischen Auslegung des Art. 7 Abs. 2 und 3 OECD-MA 2008 ist indessen nicht sachgerecht (vgl. Rz. 111 und 213) und war von der OECD auch nicht beabsichtigt (vgl. Art. 7 Rz. 29 und 30 OECD-MK 2008). 10
Betriebsstättenbericht 1994. Der OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA wurde 1994 aufgrund eines Sonderberichts der OECD unter dem Titel „Attribution of Income to Permanent Establishments“3 substanziell geändert und ergänzt (vgl. Rz. 98). Der Bericht beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im Rahmen des unternehmensinternen Leistungsaustauschs und somit insbesondere mit der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Dabei wird im Kern die Frage erörtert, inwieweit ein marktorientierter Preis bzw. eine bloße Aufwandserstattung für Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen ist. Die OECD stellt dazu grundlegend fest, dass das in Art. 7 Abs. 2 kodifizierte „dealing at arm’s length“-Prinzip mit dem des Art. 9 für verbundene Unternehmen übereinstimmt.4 Diese methodische Maxime wurde indessen durch die OECD im Rahmen des OECD-MK 1994 nicht stringent umgesetzt (vgl. Rz. 98 ff.).5
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Betriebsstättenbericht 2008. Nachdem die Revision des OECD-MK in 1994 nicht zu einer stringenten Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten in den OECD-Mitgliedstaaten führen konnte,6 wurde das Thema von der OECD erneut aufgegriffen. Die Arbeiten der OECD mündeten in einem „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ v. 17.7.2008 (vgl. Rz. 99 ff.),7 wonach der sog. „Functionally Separate Entity Approach“ durch die OECD als bevorzugte Interpretation des Art. 7 angenommen wurde (sog. „Authorised OECD Approach“). Nach diesem erfolgt die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in zwei Schritten (vgl. Rz. 100 f.). In einem ersten Schritt wird eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse des Stammhauses und der Betriebsstätte unter Berücksichtigung der spezifischen Funktions- und Risikoallokation durchgeführt. Dabei wird die Betriebsstätte als (vollständig) selbständiges und unabhängiges Unternehmen behandelt, das – entgegen der zivilrechtlichen Ausgangssituation – auch eigene Risiken tragen kann.8 In einem zweiten Schritt sollen dann die für verbundene Unternehmen in den OECD-Leitlinien 2010 niedergelegten Verrechnungspreisgrundsätze (vgl. Art. 9 Rz. 27 und 49 ff.) auch im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten Anwendung finden. Insoweit finden die Regelungen zur Ermittlung von Verrechnungspreisen für verbundene Unternehmen im Wesentlichen auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung Anwendung. Dies läuft im Ergebnis auf eine rechtsformneutrale Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes als tragenden Maßstab der internationalen Einkünfteabgrenzung hinaus. In ihrem Betriebsstättenbericht v. 17.7.2008 kommt die OECD ferner zu der Erkenntnis, dass eine uneingeschränkte Umsetzung der Selbständigkeitsfiktion der 1 2 3 4
5 6 7 8
Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 7. Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 119 ff. OECD, Attribution of Income to Permanent Establishments, Paris 1994. Vgl. zu Einzelheiten Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 114 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 47 f. Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 125 f. Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 127 f. Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008. Dazu kritisch Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.42.
496
Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 11–12 Art. 7 (2008)
Betriebsstätte nur durch eine Änderung des Wortlauts des Art. 7 und des OECD-MK realisiert werden kann. Allerdings wollte die OECD ihren neuen Interpretationsansatz auch für bereits bestehende Abkommen angewendet wissen und nicht erst auf Basis eines neuen Art. 7 umsetzen. Vor diesem Hintergrund hat die OECD eine zweistufige Strategie zur Umsetzung des „Functionally Separate Entity Approach“ gewählt: Parallel zur Entwicklung eines neuen Art. 7 und des dazugehörigen OECDMK im „Update 2010“ wurde in 2008 der OECD-MK, der für bereits abgeschlossene DBA und neue DBA gilt, die zukünftig auf Basis des OECD-MA 2008 abgeschlossen werden, angepasst.1 Die Änderungen des OECD-MK 2008 beziehen sich dabei auf solche Klarstellungen unter Berücksichtigung des „Functionally Separate Entity Approach“, welche mit dem Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2008 vereinbar sind (vgl. Rz. 103). Das „Update 2008“ des OECD-MK wurde am 17.7.2008 durch den Rat der OECD angenommen und am 18.7.2008 veröffentlicht.2 Neufassung in 2010. Neben den Arbeiten zur Revision des OECD-MK durch das 12 „Update 2008“ arbeitete die OECD an einer Neufassung des Art. 7 sowie eines dazugehörigen (neuen) OECD-MK. Auf dieser Basis wurde Art. 7 Abs. 2 im Rahmen des „Update 2010“ im Hinblick auf eine vollständige Umsetzung des „Functionally Separate Entity Approach“ in wesentlichen Punkten geändert bzw. völlig neu gefasst (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 20 ff.):3 – Die erste Änderung des Art. 7 Abs. 2 bezieht sich auf dessen Einleitungssatz. Darin heißt es im OECD-MA 2010 nunmehr: „Für Zwecke dieses Artikels und Artikel 23A und 23B […]“. Durch diese Ergänzung soll sichergestellt werden, dass die Grundsätze der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht nur für den Betriebsstättenstaat zum Zwecke der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage der beschränkten Steuerpflicht, sondern auch für den Ansässigkeitsstaat zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung finden (vgl. Art. 7 Rz. 18 und 27 OECD-MK 2010). Andererseits wird klargestellt, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 7 nicht auf die weiteren Verteilungsnormen erstreckt. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung zur Quellenbesteuerung von Zinsen gem. Art. 11 und Lizenzgebühren gem. Art. 12, über welche man im Hinblick auf die uneingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte im Rahmen des „Functionally Separate Entity Approach“ und der damit verbundenen Abrechnung interner Leistungsbeziehungen (vgl. Rz. 101) zumindest nachdenken könnte. Eine solche Quellenbesteuerung auf Entgelte für zwischen den betrieblichen Teileinheiten fingierte Leistungsbeziehungen ist durch die Klarstellung einer alleinigen Anwendung der Vorschrift für Zwecke der Abgrenzung der Besteuerungsrechte gem. Art. 7 und der Anwendung des Art. 23A und 23B ausgeschlossen (vgl. Art. 7 Rz. 28 OECD-MK 2010).4 – Eine weitere wesentliche Änderung des Art. 7 Abs. 2 bezieht sich auf dessen Ergänzung um „einer in Absatz 1 genannten Betriebsstätte zuzurechnen sind“. Durch diese Formulierung wird klargestellt, dass die Gewinne, die der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 zuzurechnen sind, nach Art. 7 Abs. 2 zu bestimmen sind. Insoweit handelt es sich um eine Ergänzung zur Neufassung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 (vgl. Rz. 8), welcher seinerseits auf Art. 7 Abs. 2 verweist (vgl. Rz. 87). – Die dritte Änderung bezieht sich auf die Formulierung in der englischen Originalfassung des Art. 7 Abs. 2 „distinct and separate enterprise“, welche in „separate and independant enterprise“ geändert wurde. Diese Änderung wird sich wohl 1 Es ist davon auszugehen, dass die Neufassung des Art. 7 OECD-MA 2010 zukünftig nicht allen deutschen DBA zugrunde gelegt sein wird; vgl. Wichmann, FR 2011, 1082 (1085). 2 Vgl. OECD, The 2008 Update to the OECD Model Tax Convention v. 18.7.2008, Paris 2008. 3 Vgl. dazu auch Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 253 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 759 ff.; Kahle/ Mödinger, DStZ 2012, 802 ff.; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840). 4 In Art. 7 Rz. 29 OECD-MK 2010 wird allerdings erwähnt, dass manche Staaten die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 nicht auf Art. 7 und 23A/B beschränken wollen. In diesem Fall seien Quellensteuerregelungen auf fingierte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen denkbar, wobei in diesen Fällen eine gesonderte Regelung in das DBA aufzunehmen ist.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 12–14
Unternehmensgewinne
nicht auf den Wortlaut der deutschen Vorschrift niederschlagen, da insoweit bereits bisher lediglich von „selbständiges Unternehmen“ gesprochen wurde. Nach dem Arbeitspapier des OECD-Sekretariats sollte die vorgenommene Änderung der Klarstellung der Umsetzung des „Functionally Separate Entity Approach“ dienen.1 Im Übrigen spricht Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 unmittelbar von der Betriebsstätte als „selbständiges und unabhängiges Unternehmen“, während Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 am Ende noch folgenden Wortlaut hatte: „im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.“ Gemeint ist damit die Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte als Basis einer Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 96). – Schließlich wurde in Art. 7 Abs. 2 die Formulierung „insbesondere mit anderen Teilen des Unternehmens“ aufgenommen. Damit wird klargestellt, dass die in Art. 7 Abs. 2 niedergelegten Grundsätze der Betriebsstättengewinnabgrenzung auch auf (interne) Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen den betrieblichen Teileinheiten (Stammhaus und Betriebsstätte) Anwendung finden sollen (vgl. Rz. 155 ff.; vgl. dazu auch Art. 7 Rz. 24 OECD-MK 2010). Durch die Formulierung „insbesondere“ kommt allerdings auch zum Ausdruck, dass die „internen Leistungsbeziehungen“ nur einen (bislang umstrittenen) Anwendungsfall (vgl. Rz. 95 f.) im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung darstellen. – Die letzte Ergänzung besteht schließlich in der Einfügung der Formulierung „unter Berücksichtigung der vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, genutzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken“. Mit dieser Formulierung wird explizit auf die gewinndeterminierenden Faktoren, welche im ersten Schritt des „Functionally Separate Entity Approach“ zu analysieren sind, verwiesen (sog. Funktions- und Risikoanalyse, vgl. Rz. 100 und 121 ff.). – Die Neufassung des Art. 7 Abs. 2 im Rahmen des „Update 2010“ ist indessen international nicht unumstritten. So haben bereits fünf Mitgliedsstaaten der OECD einen Vorbehalt gegen die Anwendung des Art. 7 OECD-MA 2010 im Rahmen ihrer Abkommenspolitik geäußert (Neuseeland, Chile, Griechenland, Mexiko und die Türkei). Darüber hinaus stehen auch die Vereinten Nationen, die Art. 7 OECD-MA nicht in das UN-MA übernommen haben, dem „Authorised OECD Approach“ genauso kritisch gegenüber wie zahlreiche Nicht-OECD-Mitgliedstaaten (z.B. Brasilien, China und Indien). 3. Absatz 3 13
Unveränderter Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 seit 1963. Art. 7 Abs. 3 blieb von 1963–2008 unverändert.
14
Neufassung in 2010. Im Rahmen des OECD-MA 2010 wurde Art. 7 Abs. 3 völlig neu gefasst. Während sich die Vorschrift bislang auf die Aufwandszuordnung im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung bezog (vgl. Rz. 210 ff.), beinhaltet sie im OECD-MA 2010 eine Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für den Fall, dass ein Vertragsstaat Änderungen an der Gewinnabgrenzung des internationalen Einheitsunternehmens vornimmt (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 47 ff.).2 Zur Verwirklichung dieses Ziels wurde in Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 ein mit Art. 9 Abs. 2 OECD-MA vergleichbarer Mechanismus (vgl. Art. 9 Rz. 124 ff.) aufgenommen. Danach wird ein Vertragsstaat zu einer Gewinnanpassung verpflichtet (Gegenberichtigung), soweit der andere Vertragsstaat die Betriebsstättengewinnabgrenzung korrigiert hat (Erstberichtigung). Art. 7 Abs. 3 wurde angepasst, da sein bisheriger Wortlaut zu Missverständnissen im Rahmen der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 führte (vgl. Rz. 111 und 213; vgl. auch Art. 7 Rz. 38 ff. OECD-MK 2010). 1 Vgl. OECD-Secretariat, ADV (07) 10 Rz. 10. 2 Vgl. dazu auch Kahle/Mödinger, IStR 2011, 821 ff.; Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 (806); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 262 ff.; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA, 2012.
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Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 15–20 Art. 7 (2008)
4. Absatz 4 Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 4, welcher sich auf 15 die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung bezieht (vgl. Rz. 214 ff.), wurde in 1977 in zwei Punkten geringfügig geändert (aus „die Art der angewendeten Gewinnaufteilung“ wurde „die gewählte Gewinnaufteilung“ und aus „muss so sein“ wurde „muss derart sein“). Diese rein formalen Änderungen haben auf die Auslegung der Vorschrift keinen Einfluss. Mit dem „Update 2010“ ist Art. 7 Abs. 4 entfallen, da er nach Auffassung der OECD mit dem „Functionally Separate Entity Approach“ nicht vereinbar ist (vgl. Art. 7 Rz. 41 OECD-MK 2010). 5. Absatz 5 Unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 5, welcher die Gewinnabgrenzung 16 beim Einkauf von Gütern und Waren durch eine Betriebsstätte betrifft (vgl. Rz. 221 ff.), blieb von 1963–2008 unverändert. Die Vorschrift ist im Rahmen des „Updates 2010“ entfallen, da sie nach Auffassung der OECD nicht mit dem „Functionally Separate Entity Approach“ vereinbar ist (vgl. Art. 7 Rz. 43 OECD-MK 2010). 6. Absatz 6 Im Wesentlichen unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 6 (vgl. Rz. 225 ff.) wurde in 1977 im Wortlaut geringfügig geändert: Aus „Bei Anwendung“ wurde „Bei der Anwendung“. Insoweit ergeben sich keine inhaltlichen Veränderungen. Art. 7 Abs. 6 wurde in 2010 gestrichen (vgl. Art. 7 Rz. 42 OECD-MK 2010).
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7. Absatz 7 Unveränderter Wortlaut seit 1963. Art. 7 Abs. 7 (vgl. Rz. 229 ff.) blieb von 1963–2008 18 unverändert. Der Wortlaut der Vorschrift wurde in Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 beibehalten (vgl. Art. 7 Rz. 71 ff. OECD-MK 2010).
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Verhältnis zu Art. 5. Nach dem Betriebsstättenprinzip (vgl. Rz. 1 und 65 f.) können 19 Unternehmensgewinne im anderen Vertragsstaat nur besteuert werden, wenn dort eine Betriebsstätte begründet wird. Unter welchen Voraussetzungen eine Betriebsstätte anzunehmen ist, regelt Art. 7 nicht. Die Definition der Betriebsstätte ergibt sich vielmehr aus Art. 5, welcher eine reine Definitionsnorm darstellt, ohne selbst eine Aussage über die Zuordnung bzw. Begrenzung von Besteuerungsrechten zu treffen. Art. 5 stellt folglich eine Ergänzung zu Art. 7 dar. Verhältnis zu Art. 6. Nach Art. 6 Abs. 4 gelten die Grundsätze des Art. 6 auch für 20 Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen eines Unternehmens. Infolgedessen geht das Belegenheitsprinzip des Art. 6 dem Betriebsstättenprinzip des Art. 7 vor (vgl. Art. 7 Rz. 61 OECD-MK 2010). Verfügt ein Unternehmen eines Vertragsstaats etwa über ein Grundstück im anderen Vertragsstaat, ohne dass dort eine Betriebsstätte nach Art. 5 begründet wird, ist durch die Anwendung des Art. 6 gewährleistet, dass der Quellenstaat unabhängig von der Nichterfüllung der Voraussetzungen einer Betriebsstätte die Einkünfte aus dem Grundstück besteuern kann.1 Ist unbewegliches Vermögen im anderen Vertragsstaat einer Betriebsstätte zuzurechnen, ist – aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 6 Abs. 4 – auch in diesen Fällen das Belegenheitsprinzip anzuwenden (zu daraus resultierenden Fragen der Besteuerung von Personengesellschaften vgl. Rz. 54 ff.).2 Hinsichtlich der Vermeidung der Doppelbesteuerung in Bezug auf Einkünfte, die aus dem einer Betriebsstätte zuzuordnenden unbeweglichen Vermögen resultieren, sind folglich Art. 23A und 23B gesondert zu prüfen. Dies macht ggf. eine sepa1 Vgl. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 17. 2 Vgl. BFH v. 23.2.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354.
Ditz
499
Art. 7 (2008) Rz. 20–25
Unternehmensgewinne
rierte Ermittlung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen von den (sonstigen) Betriebsstätteneinkünften erforderlich. Soweit die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte nach dem einschlägigen DBA unter dem Vorbehalt einer Aktivitätsklausel steht, ist diese in Bezug auf das der Betriebsstätte zugeordnete unbewegliche Vermögen nicht anwendbar.1 21
Verhältnis zu Art. 8. Bei Art. 8 handelt es sich um eine spezielle Vorschrift im Hinblick auf Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und der Luftfahrt. Die Vorschrift geht Art. 7 vor.2
22
Verhältnis zu Art. 9. Der Grundsatz des Art. 7 Abs. 1 Satz 1, dass Gewinne eines Unternehmens nur in dessen Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, gilt grundsätzlich auch für verbundene Unternehmen i.S.d. Art. 9 Abs. 1. Während sich allerdings Art. 7 hinsichtlich der Gewinnabgrenzung auf das Verhältnis zwischen Stammhaus und seiner rechtlich unselbständigen Betriebsstätte (vgl. Rz. 90) bzw. die Gewinnabgrenzung bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft (vgl. Rz. 67 ff.) bezieht, setzt Art. 9 mindestens zwei rechtlich selbständige Unternehmen (i.S. verschiedener Steuersubjekte) voraus, die miteinander verbunden sind. Art. 7 bezieht sich dagegen nur auf ein Steuersubjekt, das über mehrere rechtlich unselbständige Einheiten (in Form von Betriebsstätten) verfügt. Damit schließen sich Art. 7 und Art. 9 hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs gegenseitig aus. Beide Vorschriften haben indessen auch eine zentrale Gemeinsamkeit: Sie beziehen sich hinsichtlich des Maßstabes der internationalen Gewinnabgrenzung auf den Fremdvergleichsgrundsatz. Nach neuer Auffassung der OECD ist dabei der Fremdvergleichsgrundsatz – bis auf wenige Ausnahmen – des Art. 7 und des Art. 9 gleich auszulegen (vgl. Rz. 99 ff.; vgl. auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008).
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Verhältnis zu Art. 10, 11 und 12. Die Art. 10, 11 und 12 sehen für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren eine Beschränkung der Quellenbesteuerung vor. Die Vorschriften gehen gem. Art. 7 Abs. 7 dem Art. 7 grundsätzlich vor (Rz. 229). Nach dem sog. Betriebsstättenvorbehalt gilt dies jedoch nicht für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnen sind (vgl. Rz. 231). In diesem Fall ist Art. 7 anzuwenden.3 Unternehmensinterne Leistungsbeziehungen, welche auf Basis des Art. 7 Abs. 2 zwischen Stammhaus und der fiktiv als selbständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandelnden Betriebsstätte abgerechnet werden (insbesondere in Form „fiktiver“ Zinsen oder Lizenzgebühren), können keiner Quellenbesteuerung unterliegen (vgl. Rz. 12). Die Thematik des Verhältnisses von Art. 7 zu Art. 10, 11 und 12 stellt sich insbesondere bei Personengesellschaften (vgl. Rz. 78 ff.).
24
Verhältnis zu Art. 13. Art. 13 Abs. 2 ergänzt Art. 7, in dem klargestellt wird, dass auch Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Vermögens, welches einer Betriebsstätte zugeordnet ist, und Gewinne aus der Veräußerung der Betriebsstätte im Ganzen durch den Betriebsstättenstaat besteuert werden dürfen.
25
Verhältnis zu Art. 14. Der OECD-Steuerausschuss hat am 29.4.2000 – auf der Grundlage eines Berichts zu Art. 144 – beschlossen, Art. 14 im Rahmen des „Update 2000“ des OECD-MA zu streichen. Art. 14 Abs. 1 hatte in Bezug auf Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus einer sonstigen selbständigen Tätigkeit das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen. Eine Ausnahme bestand für den Fall, dass die Tätigkeit in einer „festen Einrichtung“ ausgeübt wird. Insoweit bestand eine unmittelbare Parallele zum Betriebsstättenprinzip des Art. 7 Abs. 1; der wesentliche (rein terminologische) Unterschied bestand lediglich darin, dass Art. 7 Abs. 1 an das Vorliegen einer „Betriebsstätte“ anknüpft, während sich Art. 14 Abs. 1 auf eine „feste Geschäftseinrichtung“ bezog. Da nach Auffassung der OECD keine materiellen Unterschiede beabsichtigt waren und folglich Art. 7 Abs. 1 und Art. 14 1 2 3 4
So auch Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 9. Vgl. Art. 7 Abs. 7; BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313. Vgl. Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 3. Vgl. OECD, Issues Related to Article 14 of the Model Tax Convention, Paris 2000.
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Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 25–29 Art. 7 (2008)
Abs. 1 letztlich zu gleichen Ergebnissen führten (vgl. Art. 5 Rz. 1.1 OECD-MK 2008), konnte Art. 14 entfallen. Mit der Streichung des Art. 14 wurde der Begriff „Unternehmen“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c im Hinblick auf die „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ neu definiert. Der Begriff der „Geschäftstätigkeit“ umfasst dabei nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. h auch die „Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit“ (vgl. Rz. 50 ff.).1 Verhältnis zu Art. 21. Art. 21 Abs. 2 stellt klar, dass Art. 7 auch in Bezug auf andere 26 Einkünfte gilt, wenn die diesen zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte einer Betriebsstätte zuzuordnen sind. Art. 21 Abs. 2 erfasst insbesondere Einkünfte aus Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus Drittstaaten oder dem Ansässigkeitsstaat, die über eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat bezogen werden, sowie für andere unter Art. 21 Abs. 1 fallende Einkünfte im Zusammenhang mit diesen Rechten und Vermögenswerten (z.B. Entschädigungen, Zuschüsse oder Zulagen). Art. 21 ist insbesondere bei der grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung (vgl. Rz. 56) und der Verpachtung eines Geschäftsbetriebs (vgl. Rz. 57) von Bedeutung. Verhältnis zu Art. 22. Art. 22 Abs. 2 enthält eine Art. 7 Abs. 1 entsprechende Regelung für die Vermögensbesteuerung von beweglichem Vermögen einer Betriebsstätte. Das Besteuerungsrecht wird auch insoweit dem Betriebsstättenstaat zugewiesen.
27
Verhältnis zu Art. 23A und 23B. Art. 7 enthält das Recht des Betriebsstätten- 28 staates, die der Betriebsstätte zuzurechnenden Unternehmensgewinne zu besteuern. Ob der Betriebsstättenstaat von diesem Besteuerungsrecht tatsächlich Gebrauch macht, ergibt sich aus seinem innerstaatlichen Recht. Hingegen lässt Art. 7 offen, auf welche Weise der Ansässigkeitsstaat die aus der Besteuerung von Betriebsstättengewinnen im anderen Vertragsstaat resultierende (rechtliche) Doppelbesteuerung2 vermeidet (vgl. Rz. 2). Dies ergibt sich vielmehr aus Art. 23A (Freistellungsmethode) bzw. Art. 23B (Anrechnungsmethode). Bis auf wenige Ausnahmen3 sehen die DBA der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf Betriebsstättengewinne – häufig unter Anwendung einer Aktivitätsklausel4 – die Freistellungsmethode vor (zur Verlustverrechnung vgl. Rz. 32). Die Regelungen des Art. 7 Abs. 2–6 im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung gelten nicht nur im Betriebsstätten-, sondern auch im Ansässigkeitsstaat. Dies wird in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 klargestellt (vgl. Rz. 12). Verhältnis zu Art. 24. Art. 24 Abs. 3 ergänzt Art. 7. Denn nach dieser Vorschrift darf 29 die Besteuerung einer Betriebsstätte im Quellenstaat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung eines Unternehmens dieses Staates, das die gleiche Tätigkeit ausübt. Die Feststellung der Diskriminierung verlangt dabei einen hypothetischen Vergleich zwischen der Besteuerung der Betriebsstätte und der Besteuerung eines vergleichbaren, rechtlich selbständigen Unternehmens.5 Erhebt vor diesem Hintergrund der Betriebsstättenstaat z.B. zusätzlich zur Ertragbesteuerung des Betriebsstättengewinns eine Quellensteuer auf Gewinnüberführungen der Betriebsstätte an das Stammhaus,6 ist dies zwar durch Art. 7 Abs. 1 gerechtfertigt; allerdings ist damit die insgesamt auf Ebene der Betriebsstätte erhobene Steuer höher als die Steuer eines vergleichbaren inländischen Unternehmens, sodass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 3 vorliegt (vgl. zu Einzelheiten Art. 24 Rz. 83 ff.).7 Art. 24 ist auch im Rahmen der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 zu beachten (vgl. Rz. 116).
Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 11 f. Zum Begriff vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 3 ff. Vgl. etwa Art. 22 DBA-Vereinigte Arabische Emirate. Vgl. dazu Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2011, 169 ff.; Holthaus, IStR 2003, 632 ff. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 46. 6 So z.B. die „Branch Profits Tax“ in den USA. 7 Vgl. auch Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 17.
1 2 3 4
Ditz
501
Art. 7 (2008) Rz. 30–31
Unternehmensgewinne
2. EU-Recht 30
Verhältnis zur EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention1 enthält Regelungen, welche die Mitgliedstaaten der EU gegenseitig verpflichten, im Falle von Einkünftekorrekturen die daraus resultierende Doppelbesteuerung durch ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren zu beseitigen. Die EU-Schiedskonvention ist auch in Bezug auf die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten anwendbar, wobei sie hinsichtlich des Gewinnabgrenzungsmaßstabs – analog Art. 7 Abs. 2 – auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und den Fremdvergleichsgrundsatz verweist. Dabei ist zu beachten, dass der Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 – entgegen Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 – von Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention abweicht.2 Konsequenzen sollten daraus nicht resultieren.3 Der wesentliche Vorteil der EU-Schiedskonvention besteht darin, dass diese eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wege eines Verständigungs- bzw. Schiedsverfahrens vorsieht. Der Schutz der EU-Schiedskonvention geht damit über Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 und Art. 25 hinaus. Denn beide Vorschriften sehen keinen Einigungszwang der Vertragsstaaten im Hinblick auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung vor.4 In EU-Fällen empfiehlt es sich daher, unmittelbar ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention zu beantragen, da insoweit klare Vorgaben zur Durchführung des Verfahrens bestehen5 und im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 und Art. 25 die Vertragsstaaten verpflichtet sind, sich auf eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu einigen.
31
Betriebsstättengewinnabgrenzung und EU-Recht. Europarechtlich stellt sich die Frage, ob die Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ausfüllenden innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 35 ff.) gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstoßen, soweit sie sich – wie insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG – nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen. In diesem Zusammenhang geht die h.M. davon aus, dass die sog. Entstrickungsregeln des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten, insbesondere in Form der Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 49 AEUV, verstoßen, weil vergleichbare inländische Vorgänge keiner Besteuerung unterliegen.6 Überzeugende Rechtfertigungsgründe für einen solchen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit existieren nicht.7 Insbesondere kann die Wahrung der Aufteilung der nationalen Besteuerungsbefugnisse nicht als Rechtsfertigungsgrund dienen, zumal die in § 4g EStG (bzw. in § 36 Abs. 5 EStG)8 enthaltenen Stundungsregelungen unzureichend
1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10. 2 Vgl. Art. 4 EU-Schiedskonvention; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.1.2. 3 Zu Einzelheiten vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (333 f.). 4 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das entsprechende DBA eine Art. 25 Abs. 5 nachgebildete verpflichtende Schiedsverfahrens-Regelung enthält. 5 Vgl. nur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Tätigkeit des gemeinsamen EU-Verrechnungspreisforums im Bereich der Unternehmensbesteuerung von Oktober 2002 bis Dezember 2003 und über den Vorschlag eines Verhaltenskodex zur effektiven Durchführung der Schiedskonvention v. 23.4.2004, KOM (2004) 297; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 – 340/06, BStBl. I 2006, 461 Rz. 10 ff. 6 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372); Forster, DB 2007, 72 (75); Hahn, IStR 2006, 797 (803); Heinicke in Schmidt31, § 4g EStG Rz. 1; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.28, wobei auf EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409 verwiesen wird. A.A. Musil, FR 2011, 545 (548 f.); Mitschke, IStR 2011, 294 ff.; Hruschka, DStR 2011, 2343 (2343 f.). 7 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 7.1.2011 – V 1217/10, EFG 2011, 1096 (rkr.) mit Verweis auf EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Lasteyrie du Saillant, EuGHE 2004, I-2409; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGHE 2006, I-7409. 8 Vgl. dazu Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (176) und Richter/Heydt, Ubg 2011, 534 (535).
502
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 31–32 Art. 7 (2008)
sind.1 Darüber hinaus sind die Argumente des Missbrauchs und der Kohärenz nicht geeignet, den offensichtlichen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen.2 Die Europarechtswidrigkeit des § 12 Abs. 1 KStG wurde – in aller Deutlichkeit – durch das FG Rh.-Pf. v. 7.1.20113 bestätigt. Danach verstößt die Sofortbesteuerung von im Inland gebildeten stillen Reserven gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV. Denn durch den unmittelbaren Besteuerungszugriff – so das FG Rh.-Pf. – kann eine inländische Kapitalgesellschaft von einem Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat der EU abgehalten werden. Die Verlegung ihres Sitzes im Inland wäre demgegenüber steuerneutral möglich. Europarechtlich zulässig ist demgegenüber – entsprechend § 6 Abs. 5 AStG und § 17 Abs. 5 EStG – eine aufgeschobene Besteuerung, im Rahmen derer eine Besteuerung der in einem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven erst im Zeitpunkt der späteren tatsächlichen Veräußerung erfolgt.4 Unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben ist damit lediglich die Besteuerung des tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinns legitimiert, was zur Folge hat, dass eine Nachversteuerung der im Inland belegenen stillen Reserven europarechtlich nicht zulässig ist, wenn diese tatsächlich nicht realisiert werden.5 Diese Voraussetzungen erfüllt die in § 4g EStG nur bezogen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vorgesehene aufgeschobene Besteuerung über fünf Jahre nicht.6 So hat auch der BFH in seinen Urt. zur finalen Entnahme7 und zur finalen Betriebsaufgabe8 judiziert, dass eine sofortige Besteuerung stiller Reserven in Wegzugs- und Überführungsfällen nicht europarechtskonform ist. Schließlich ist die Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG auch vor dem Hintergrund des EuGH-Urt. v. 29.11.2011 in der Rs. National Grid Indus9 nicht sachgerecht.10 Zwar betraf das EuGH-Urt. den Sachverhalt eines Wegzugs einer niederländischen Kapitalgesellschaft nach England. Allerdings bestehen zwischen den Regelungen zur niederländischen Schlussrechnungssteuer und den deutschen Entstrickungsregeln erhebliche Ähnlichkeiten, sodass die Erkenntnisse dieser Entscheidung unmittelbar auf die Regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, des § 12 Abs. 1 KStG und des § 16 Abs. 3a EStG bezogen werden können.11 Betriebsstättenverlustverrechnung und EU-Recht. Die Freistellung (vgl. Rz. 28) 32 der einer ausländischen Betriebsstätte im Abkommensfall zugerechneten Einkünfte erstreckt sich nicht nur auf Gewinne, sondern erfasst auch den Verlustfall. Damit sind nach der sog. Symmetriethese des BFH auch Betriebsstättenverluste aus der inländischen Steuerbemessungsgrundlage auszunehmen.12 Eine solche Abkommens1 Vgl. Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (175); Heinicke in Schmidt31, § 4g EStG Rz. 1; a.A. Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 211 mit Verweis auf EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, EuGHE 2005, I-10837. 2 A.A. Mitschke, FR 2008, 1144 (1145); Müller-Gatermann in FS Schaumburg, 939 (942). 3 Vgl. FG Rh.-Pf. v. 7.1.2011 – V 1217/10, EFG 2011, 1096 (rkr.) und dazu Körner, IStR 2011, 527; Mitschke, IStR 2011, 294 ff.; Kessler/Philipp, DStR 2011, 1888 ff. 4 Vgl. auch BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. Vgl. dazu auch Ditz, IStR 2009, 115 (118). 5 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.28. 6 Vgl. auch Hölscher, Die grenzüberschreitende Verlegung der Geschäftsleitung, 166 m.w.N.; FG Köln v. 16.11.2011 – 10 V 2336/11, IStR 2012, 184 (rkr.). 7 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 8 Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1009; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004 (2011/0802578), BStBl. I 2011, 1278. 9 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, DStR 2011, 2334. 10 Vgl. Körner, IStR 2012, 1 (5 ff.); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (18 ff.); Prinz, GmbHR 2012, 195 (197 f.); a.A. Mitschke, IStR 2012, 6 (9 ff.); Hruschka, DStR 2011, 2334 (2334 f.). 11 Vgl. auch Gosch, IWB 2012, 779 (780 ff.). S. ferner Vorlagebeschluss des FG Hamburg v. 26.1.2012 – 2 K 224/10, EFG 2012, 1206. 12 Vgl. nur BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630, belegt durch Nichtanwendungserlass v. des BMF 13.7.2009 – IV B 5 - S 2118 - a/07/10004, BStBl. I 2009, 835 und dazu Ditz/Plansky, IStR 2009, 661.
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Art. 7 (2008) Rz. 32
Unternehmensgewinne
auslegung ist auch nach Auffassung des EuGH europarechtlich unbedenklich, wenn die Verluste im Betriebsstättenstaat in künftigen Steuerzeiträumen berücksichtigt werden können.1 Im Umkehrschluss sind damit Betriebsstättenverluste im Stammhausstaat abzugsfähig, wenn „endgültige Verluste“ der Betriebsstätte vorliegen. Konkrete Aussagen, wann ein Verlust endgültig ist, enthält das EuGH-Urt. in der Rs. Lidl Belgium indessen nicht. Auch im fortgeführten Revisionsverfahren in dieser Rechtssache hat der BFH die Kriterien eines „endgültigen Betriebsstättenverlusts“ nicht weiter konkretisiert.2 Eine solche erfolgte allerdings im Rahmen der beiden grundlegenden BFH-Urt. v. 9.6.2010,3 welche im Ergebnis durch die EuGH-Entscheidung v. 21.2.2013 in der Rs. A Oy4 bestätigt wurden:5 – Nach dem ersten Urt. des BFH v. 9.6.20106 sind Verluste nicht „endgültig“, wenn sie im Betriebsstättenstaat aufgrund einer Verlustvortragsbeschränkung des innerstaatlichen Rechts nicht verwertet werden können. Dies gilt auch in den Fällen, wenn die Verluste im Nachhinein aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können.7 Damit knüpft der BFH an das EuGH-Urt. v. 23.10.2008 in der Rs. Krankenheim Ruhesitz am Wannsee8 unmittelbar an. – Nach der zweiten Entscheidung des BFH v. 9.6.20109 sind Verluste dann endgültig, wenn sie im Betriebsstättenstaat aus tatsächlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können. Als tatsächliche Gründe nennt der BFH die Umwandlung einer ausländischen Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft, deren entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung oder deren endgültige Aufgabe. In diesen Fällen unterstelle das Gesetz – in Anlehnung an § 2a Abs. 4 EStG a.F. – eine „Endgültigkeit“ der betreffenden Verluste. Gleiches müsste daher gelten, wenn in Fällen der Umwandlung, des Verkaufs oder der Aufgabe der Betriebsstätte eine zukünftige Verlustnutzung im Einklang mit dem ausländischen Steuerrecht definitiv ausgeschlossen ist.10 In diesen Fällen sei es geboten, die gemeinschaftsrechtlich grundsätzlich anerkannte Symmetriewirkung der abkommensrechtlichen Freistellung ausnahmsweise zu durchbrechen und eine Verlustnutzung beim inländischen Stammhaus zuzulassen. Im Hinblick auf die Frage, ob die finalen Betriebsstättenverluste auch im Rahmen der Ermittlung des Gewerbeertrags zu berücksichtigen sind, beruft sich der BFH11 auf den Gleichklang zwischen Körperschaft- und Gewerbesteuer in DBA-Freistellungsfällen. Danach wirkt sich die abkommensrechtlich vorgesehene Freistellung bereits im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens über § 7 Satz 1 GewStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) auf die Ermittlung des Gewerbeertrages aus. § 9 Nr. 3 GewStG, der als Konsequenz des Inlandsbezugs der Gewerbesteuer für ausländische Betriebsstättengewinne eine Kürzung des Gewerbeertrags vorsieht, kommt somit bereits aus systematischen Gründen nicht zur Anwendung und kann damit keine eigenständige Diskriminierung entfalten.12 Schließlich hat der BFH in zeitlicher Hinsicht klargestellt,
1 Vgl. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, EuGHE 2008, I-3601. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630. 3 Zu Einzelheiten vgl. Pohl, IWB 2010, 626; Quilitzsch, DB 2010, 2757; Kessler/Philipp, IStR 2010, 865; Spengel/Matinaer, IStR 2010, 817; Richter, DB 2010, 2734; Schwenke, IStR 2010, 368; Heurung/Engel, GmbHR 2010, 1065. 4 Vgl. EuGH v. 21.2.2013 – Rs. C-123/11– A Oy, ISR 2013, 103 mit Anm. Müller. 5 Vgl. Ditz/Quilitzsch, IStR 2013, 242 (242 f.); a.A. Hruschka, DStR 2013, 396; Mitschke, IStR 2013, 209 (209 f.). 6 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 100/09, DB 2010, 1731. 7 Vgl. auch BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918. 8 Vgl. EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, EuGHE 2008, I-8061 und dazu Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1671 f.). 9 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733. 10 So auch FG Nds. v. 16.6.2011 – 6 K 445/09, EFG 2011, 2088, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 48/11. 11 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733. 12 Dazu kritisch Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 359; Pohl, IWB 2010, 628. Siehe ferner Englisch, IStR 2008, 404; van Lishaut, FR 2009, 1030.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 32–35 Art. 7 (2008)
dass es für den Verlustabzug im Stammhausstaat nur auf jenen Veranlagungszeitraum ankommen kann, in welchem die Verluste tatsächlich endgültig werden.1 3. Innerstaatliches Recht a) Beschränkung der Steuerpflicht Verhältnis zur unbeschränkten Steuerpflicht. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 nor- 33 miert für Unternehmensgewinne ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates („können nur in diesem Staat besteuert werden“). Dem anderen Vertragsstaat wird, soweit in seinem Hoheitsgebiet keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründet wird, das Recht zur Besteuerung entzogen. Ob überhaupt und in welcher Höhe der Ansässigkeitsstaat von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht und folglich die Unternehmensgewinne tatsächlich besteuert, regelt alleine sein innerstaatliches Recht. Dies betrifft nach deutschem Verständnis insbesondere die Definition der unbeschränkten Steuerpflicht,2 den Umfang der Besteuerung,3 die Abgrenzung der steuerpflichtigen von den steuerfreien Einnahmen,4 die Definition der abzugsfähigen Betriebsausgaben5 sowie die weitere Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens.6 Die Abgrenzung der Steuerpflicht sowie die konkrete Ermittlung des steuerlichen Einkommens sind nicht Regelungsgegenstand des Art. 7, sie werden vielmehr durch das innerstaatliche Recht vorgegeben. Mit anderen Worten: Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 kodifiziert lediglich ein Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats auf Unternehmensgewinne, wobei sich Einzelheiten der Besteuerung hinsichtlich Steuerpflicht, Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens, Steuertarifs etc. aus dem innerstaatlichen Recht ergeben (vgl. Rz. 35). Diese werden durch Art. 7 nicht eingeschränkt.7 Verhältnis zur beschränkten Steuerpflicht. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i.V.m. 34 Abs. 1 Satz 2 weist dem anderen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, wenn ein Unternehmen in diesem eine Betriebsstätte begründet. Die Vorschrift begrenzt die im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht vorgesehene Quellenbesteuerung8 in zweierlei Hinsicht: Einerseits steht dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht nur zu, soweit das Unternehmen in seinem Hoheitsgebiet die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte gem. Art. 5 erfüllt. Infolgedessen reicht für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates die Begründung einer Betriebsstätte, wie sie im innerstaatlichen Recht definiert ist,9 nicht aus. Damit schränkt Art. 7 Abs. 1 die nach innerstaatlichem Recht vorgesehene beschränkte Steuerpflicht des Quellenstaates ein. Ein Vertragsstaat kann dabei Unternehmensgewinne auch nicht besteuern, wenn zwar der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff des Art. 5 erfüllt ist, jedoch keine Betriebsstätte nach innerstaatlichem Recht vorliegt. Andererseits beschränkt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf diejenigen Gewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind (kein Attraktionsprinzip der Betriebsstätte, vgl. Rz. 85). b) Self Executing Wirkung der Gewinnabgrenzung Gewinnermittlung nach innerstaatlichem Recht. Im Rahmen der internationalen 35 Unternehmensbesteuerung sind hinsichtlich der Bestimmung des Betriebsstättengewinns zwei Ebenen zu unterscheiden: die Gewinnermittlung und die Gewinnabgren1 Vgl. BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733 m.w.N.; a.A. die Vorinstanz des FG Hamburg v. 18.11.2009 – 6 K 147/08, EFG 2010, 265; Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1672). 2 Vgl. § 1 EStG und § 1 KStG sowie hinsichtlich der Definition der Gewerbesteuerpflicht § 2 GewStG. 3 Vgl. etwa § 2 EStG und § 7 KStG. 4 Vgl. etwa § 3 EStG und § 5 KStG. 5 Vgl. etwa § 4 Abs. 4 und 5 EStG, § 12 EStG sowie §§ 8, 9 und 10 KStG. 6 Vgl. §§ 4 ff. EStG und §§ 8 ff. KStG. 7 Vgl. auch BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399. 8 Nach deutschem Recht gem. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie § 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. 9 Nach deutschem Recht gem. § 12 AO.
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Art. 7 (2008) Rz. 35–37
Unternehmensgewinne
zung.1 Die Gewinnermittlung bezieht sich auf die Frage, ob steuerpflichtige Einkünfte – im Rahmen des Art. 7 Unternehmensgewinne – dem Grunde nach vorliegen, d.h., ob überhaupt eine Besteuerung eingreift, und falls ja, wie die entsprechenden Einkünfte der Höhe nach zu berechnen sind. Die Gewinnermittlung regelt damit, das „Ob, Wie und Wann der Besteuerung“2. Dabei richtet sich die Gewinnermittlung auch bei internationalen Sachverhalten immer und ausschließlich nach dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Vertragsstaates.3 Im deutschen Recht sind dabei insbesondere die folgenden steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu beachten, wobei außerhalb des § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, des § 4g EStG und des § 12 Abs. 1 KStG (Rz. 41) keine spezifisch für die Betriebsstättengewinnermittlung formulierten Gesetzesnormen existieren:4 – Buchführungspflichten (§§ 140 ff. AO);5 – Methoden der Gewinnermittlung und Gewinnermittlungszeitraum (§§ 4 und 4a EStG); – Definition der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (§ 3 sowie § 4 Abs. 4 und 5 EStG); – Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze, soweit vorgesehen unter Berücksichtigung handelsrechtlicher GoB (§§ 5, 6 und 6a EStG); – Bildung steuerfreier Rücklagen gem. §§ 6 b–d EStG; – Abschreibungsvorschriften gem. §§ 7–7k EStG. 36
Gewinnabgrenzung nach Abkommensrecht. Von der Gewinnermittlung ist die Gewinnabgrenzung, auf welche sich Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Art. 7 Abs. 2–6 beziehen, zu trennen. Kernproblem im Rahmen der Gewinnabgrenzung ist, dass die Betriebsstätte aufgrund ihrer zivilrechtlichen Unselbständigkeit (vgl. Rz. 90) keinen originär eigenständigen Gewinn6 erwirtschaften kann. Ein Gewinn kann folglich nicht für die Betriebsstätte selbst, sondern nur für das Gesamtunternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit mehrerer betrieblicher Teileinheiten entstehen. Da allerdings ein internationales Einheitsunternehmen im Rahmen seiner Ertragbesteuerung dem Zugriff des Stammhaus- und des Betriebsstättenstaates unterliegt, ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, diesen Gesamtgewinn auf die beteiligten Unternehmensteile aufzuteilen und somit den Stammhaus- bzw. Betriebsstättenerfolg zu quantifizieren (sog. Gewinnabgrenzung). Die besondere Schwierigkeit der Gewinnabgrenzung besteht dabei darin, für steuerliche Zwecke das rechtlich und wirtschaftlich Zusammengehörige aufzuteilen. Den der Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinnanteil möglichst präzise zu bemessen und somit den im Gesamtunternehmen auf Basis der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 35) entstandenen Gewinn auf die betrieblichen Teileinheiten Stammhaus und Betriebsstätte für steuerliche Zwecke zu verteilen, ist die zentrale Aufgabe des Art. 7. Die Notwendigkeit einer Gewinnabgrenzung ergibt sich dabei erst dann, wenn eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 in einem der Vertragsstaaten vorliegt und demnach beide Steuerhoheiten hinsichtlich desselben Steuerpflichtigen über Besteuerungsrechte verfügen (vgl. Rz. 2). Insoweit ist die Gewinnabgrenzung ein der Feststellung, ob eine Betriebsstätte überhaupt vorliegt, nachgelagerter Tatbestand (vgl. Rz. 19).
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Auffassungen zur Self Executing Wirkung. Das konkrete, gem. Art. 57 Abs. 2 GG in das innerstaatliche Recht transformierte DBA ist ohne weiteren Rechtsakt unmit1 Vgl. BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; Wassermeyer in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 1.11; Ditz, IStR 2005, 37 (38) m.w.N.; Kleineidam, IStR 2000, 577 (577 f.). 2 Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 49. 3 Vgl. BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 4 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.10. 5 Zu den Buchführungspflichten einer Betriebsstätte ausführlich Rz. 117 ff. 6 Soweit hier und im Folgenden von „Gewinn“ gesprochen wird, ist damit auch der Verlustfall als „negativer Gewinn“ gemeint.
506
Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 37 Art. 7 (2008)
telbar anwendungsfähig und wirkt somit auf das jeweilige Steuerrechtsverhältnis direkt ein. Infolgedessen kommt den Normen eines DBA im Allgemeinen Self Executing Wirkung zu.1 Allerdings bedeutet die prinzipielle Self Executing Wirkung der DBA nicht, dass von allen Vorschriften des DBA tatsächlich Self Executing Wirkung ausgeht. Vielmehr existieren – wie Art. 9 zeigt (vgl. Art. 9 Rz. 18) – auch Vorschriften, die als Ermächtigungsnorm zu qualifizieren sind und zu deren konkreter Umsetzung es einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage bedarf. In diesem Zusammenhang ist die Frage des Self Executing des Art. 7, d.h. die Frage, ob diese Vorschrift unmittelbar einen in deutsches innerstaatliches Recht übertragenen Gesetzesbefehl enthält, umstritten: – Nach Auffassung von Wassermeyer2 und Debatin3 entfaltet Art. 7 keine Self Executing Wirkung. Vielmehr schränke Art. 7 lediglich das innerstaatliche Recht in dem Sinne ein, als keine Besteuerung durchgesetzt werden dürfe, die dem Fremdvergleichsgrundsatz widerspreche. Darüber hinaus bedürfe es einer Ausfüllung der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 durch innerstaatliches Recht. Insofern beschränkt sich nach Wassermeyer die Rechtsfolge des Art. 7 auf die Frage, ob die nach innerstaatlichem Recht durchgeführte Gewinnzuordnung zur Betriebsstätte über denjenigen Betriebsstättengewinn hinausgeht, der sich bei Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ergibt. Ist dies der Fall, ist der Betriebsstättengewinn auf den Gewinn unter Beachtung des Grundsatzes des Fremdvergleichs zu begrenzen. Im Ergebnis regele Art. 7 demnach nur den Gewinn, den jeder Vertragsstaat höchstens ausschöpfen dürfe.4 – Entgegen der Auffassung von Wassermeyer gehen Teile des Schrifttums5 davon aus, dass Art. 7 sowohl auf Ebene der Gewinnabgrenzung als auch auf Ebene der Gewinnermittlung Self Executing Wirkung entfalte. Damit würde die Art. 7 entsprechende DBA-Vorschrift auch im Rahmen der Gewinnermittlung unmittelbar anwendbares Recht darstellen, sodass der in Art. 7 Abs. 2 niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz auch als Rechtsgrundlage für die Gewinnrealisierung fungieren würde.6 Auch die deutsche Finanzverwaltung scheint in Bezug auf die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische DBA-Betriebsstätte bis zur Einführung der Entstrickungsnormen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG durch das SEStEG v. 7.12.20067 von einer Self Executing Wirkung des Art. 7 auf Ebene der Gewinnermittlung ausgegangen zu sein. Denn nach dem Betriebsstättenerlass waren bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische DBA-Betriebsstätte die in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven als Differenz zwischen Fremdvergleichspreis und Buchwert aufzudecken, wobei nur „aus Billigkeit“ von einer Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der Überführung abgesehen wurde.8
1 Vgl. FG Nds. v. 14.5.1991 – VI 676/89, RIW 1991, 963 rkr.; Kluge, StuW 1975, 294 (296); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 m.w.N.; a.A. Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (30). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315; Wassermeyer in FS Offerhaus, 405 (406); Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (30). 3 Vgl. Debatin in FS Scherpf, 305 (316). 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 5 Vgl. Kluge, StuW 1975, 294 (302 ff.); Becker, DB 1989, 10 (14); Sieker, DB 1996, 110 (112); Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung – insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte, Baden-Baden 1986, 80 f.; wohl auch Mitschke, FR 2009, 1144 (1146). 6 Unklar Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 346 (347), die die Frage der Gewinnrealisierung von der OECD im Rahmen der Gewinnabgrenzung geklärt wissen wollen. 7 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 8 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. Der Betriebsstättenerlass wurde mit BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888, an die neue Rechtslage nach dem SEStEG v. 7.12.2006 angepasst. Vgl. dazu i.E. Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 ff.
Ditz
507
Art. 7 (2008) Rz. 37–38
Unternehmensgewinne
– Schließlich wird im Schrifttum1 sowie durch den BFH2 die Auffassung vertreten, dass Art. 7 Self Executing Wirkung zukommt. Diese beschränkt sich allerdings auf die Gewinnabgrenzung, sodass diese nicht den autonomen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten überlassen sei. Mithin entfalte Art. 7 nur hinsichtlich der Gewinnabgrenzung eine Bindungswirkung für die Vertragsstaaten, nicht hingegen für die Gewinnermittlung. 38
Eigene Auffassung. Art. 7 in seiner Fassung des OECD-MA 2008 und des OECDMA 2010 kommt Self Executing Wirkung für den Bereich der Gewinnabgrenzung, nicht jedoch für die Ebene der Gewinnermittlung zu. Dies folgt aus einer grammatikalischen, teleologischen, systematischen und historischen Auslegung der Vorschrift, wobei dem Wortlaut des Art. 7 besondere Bedeutung zukommt.3 – Grammatikalische Auslegung: Nach Art. 7 Abs. 2 „werden“ die Gewinne der Betriebsstätte zugeordnet, die sie unter Annahme ihrer hypothetischen Selbständigkeit und Unabhängigkeit hätte erzielen können. Der Begriff „werden“4 bringt insoweit einen eindeutigen Gesetzesbefehl zum Ausdruck, nach dem die Gewinnabgrenzung unzweifelhaft von beiden Vertragsstaaten (vgl. Art. 7 Rz. 12 OECDMK 2008) am Fremdvergleichsgrundsatz auszurichten ist. Insofern unterscheidet sich auch der Wortlaut der Vorschrift vom „dürfen“ des Art. 9 Abs. 1 (vgl. Art. 9 Rz. 18).5 – Teleologische Auslegung: Spricht bereits die grammatikalische Auslegung des Art. 7 Abs. 2 für dessen Self Executing Wirkung, wird dieses Ergebnis im Rahmen der teleologischen Auslegung bekräftigt. Denn die Zielsetzung der DBA, die Vermeidung der Doppelbesteuerung, kann nur realisiert werden, wenn der im Betriebsstättenstaat der Quellenbesteuerung unterliegende Betriebsstättengewinn mit dem im Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung freigestellten Gewinn (vgl. Rz. 28) korrespondiert. Vor diesem Hintergrund kann die Gewinnabgrenzung nicht den innerstaatlichen Vorschriften der Vertragsstaaten überlassen werden. Art. 7 Abs. 2 kommt somit nicht nur eine Schrankenwirkung in Bezug auf die Quantifizierung des Betriebsstättengewinns und einer damit einhergehenden Beschränkung des Quellenbesteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates, sondern auch eine Verteilungsfunktion zu, die letztlich nur über eine Self Executing Wirkung realisiert werden kann. Dies wird auch durch den Verweis auf Art. 23A und 23B durch das „Update 2010“ bekräftigt (vgl. Rz. 12). – Systematische Auslegung: Wassermeyer begründet die fehlende Self Executing Wirkung mit dem systematischen Zusammenhang des Art. 7 Abs. 2 zu Art. 9 Abs. 1.6 Da von der letztgenannten Norm keine Self Executing Wirkung ausgehe, könne eine solche auch von Art. 7 Abs. 2 nicht ausgehen. Vielmehr seien beide Vorschriften nur als Ermächtigungsnormen zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob die Annahme eines Self Executing des Art. 7 Abs. 2 überhaupt zu einer steuerbegründenden Wirkung führt.7 Die Self Executing Wirkung des Art. 7 kann sich nämlich nur auf die Ebene der Gewinnabgrenzung, nicht jedoch auf die der Gewinnermittlung (vgl. Rz. 35) beziehen. Insoweit beschränkt sich die Funktion des Art. 7 auf die Zuordnung des nach innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Unternehmensgewinns, ohne in die Ebene der Gewinnermittlung einzugreifen. Die Funktion des Art. 7 reduziert sich damit nicht auf die Beschränkung des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates, sondern fungiert als Maßstab zur Aufteilung des Unternehmens-
1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.266 m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510 in Bezug auf Art. 7 Abs. 2 DBA-Schweiz. Vgl. ferner BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 3 Vgl. zu Einzelheiten auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 59 ff.; Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.). 4 Art. 7 Rz. 14 OECD-MK 2008 spricht von „zuzurechnen sind“. 5 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 7 Kritisch auch Lang, SWI 2002, 86 (88).
508
Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 38–40 Art. 7 (2008)
gesamtgewinns auf das Stammhaus und die Betriebsstätte. Insoweit ist Art. 7 für beide Vertragsstaaten bindend. – Genetische Auslegung: Der OECD-MK lehnt eine Self Executing Wirkung des Art. 7 für die Ebene der Gewinnermittlung ab (vgl. Art. 7 Rz. 15 und 21 OECD-MK 2008). Insofern ist nach Auffassung der OECD z.B. die Frage der Gewinnrealisierung im Rahmen der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte – auch auf Basis des „Update 2010“ und im Hinblick auf den „Functionally Separate Entity Approach“ – alleine dem Geltungsbereich der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften vorbehalten. Vielmehr spricht sich der OECDSteuerausschuss eindeutig für eine unmittelbare Geltungswirkung des Art. 7 für Zwecke der Gewinnabgrenzung aus (vgl. Art. 7 Rz. 11 und 12 OECD-MK 2008). Konsequenzen. Art. 7 dient im Zusammenspiel mit Art. 23A und Art. 23B primär 39 der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, in dem kollidierende Besteuerungsansprüche der Vertragsstaaten im Hinblick auf Unternehmensgewinne gegeneinander abgegrenzt, die Besteuerungsrechte dem Grunde und der Höhe nach zugeordnet und die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat geregelt werden. Des Weiteren bildet Art. 7 eine Besteuerungsschranke, die den Steuerpflichtigen vor einer nicht fremdvergleichskonformen Gewinnzuordnung und somit vor einer überhöhten Besteuerung im Betriebsstättenstaat schützt. Dies ist jedoch nur gewährleistet, wenn sich die Vertragsstaaten auf einen verbindlichen Gewinnabgrenzungsmaßstab festlegen. Diese Zielsetzungen des Art. 7 können nur über eine Self Executing Wirkung gewährleistet werden, wobei die Vorschrift für beide Vertragsstaaten bindend ist.1 Damit wird dem Betriebsstättenstaat abkommensrechtlich in der Höhe ein Besteuerungsrecht auf den insgesamt erzielten Unternehmensgewinn eingeräumt, den die Betriebsstätte als fiktiv selbständiges und unabhängiges Unternehmen erwirtschaftet hätte. Hierbei ist der Fremdvergleichsgrundsatz nach Art. 7 OECD-MA 2008 stringent umzusetzen (vgl. Rz. 110 ff.). Soweit ist dem Betriebsstättenstaat aber zunächst nur das Besteuerungsrecht für die nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes ermittelten Teilgewinne zugewiesen. Ob der Vertragsstaat dieses Besteuerungsrecht tatsächlich wahrnimmt und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt dies geschieht, ergibt sich nicht aus Art. 7, sondern allein aus den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 35). Vor diesem Hintergrund ist nach Maßgabe der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu prüfen, ob ein Gewinn für das Gesamtunternehmen realisiert, mithin also ein Gewinnrealisierungstatbestand verwirklicht wurde oder nicht. Erst aus dem Zusammenwirken der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften und den Vorgaben des Art. 7 kann das tatsächliche Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates ermittelt werden. Dieses dient einerseits als steuerliche Bemessungsgrundlage der beschränkten Steuerpflicht im Betriebsstättenstaat, und andererseits ist es der Betrag, den der Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen der Anwendung der Freistellungsmethode zum Ansatz bringen muss. Ein Anwendungsvorrang der einen vor der anderen Ebene besteht dabei nicht.2 Innerstaatliche Ersatzrealisationstatbestände. Vor dem Hintergrund, dass Art. 7 40 lediglich auf Ebene der Gewinnabgrenzung Self Executing Wirkung entfaltet, ist er im Bereich der Gewinnermittlung durch innerstaatliche Vorschriften auszufüllen. Ideal wäre insoweit, wenn die in Art. 7 Abs. 2 vorgesehene Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte verbunden mit einer Abrechnung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen auf Ebene der Gewinnabgrenzung mit den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften abgestimmt wäre. Würden beide Vertragsstaaten insoweit ihre Gewinnermittlungsvorschriften an den abkommensrechtlichen Maßstäben ausrichten, wäre im Idealfall eine Kongruenz zwischen dem im Quellenstaat der Besteuerung unterliegenden und im Ansässigkeitsstaat freigestellten Betriebsstättengewinn gewährleistet. Da allerdings die innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften der Vertragsstaaten regelmäßig voneinander abweichen, wird das Ziel der Kongruenz der im 1 Gl.A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.266. 2 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 51 ff.
Ditz
509
Art. 7 (2008) Rz. 40–42
Unternehmensgewinne
Betriebsstättenstaat besteuerten und im Ansässigkeitsstaat freigestellten Gewinngröße realiter nur in seltenen Ausnahmefällen erreicht.1 41
Unzureichende Abstimmung der Ebenen. De lege lata sind die Wirkungsebenen der Gewinnabgrenzung und der Gewinnermittlung im deutschen Steuerrecht nur unzureichend aufeinander abgestimmt. Die Rechtsunsicherheit bezieht sich dabei insbesondere auf die „Abrechnung“ interner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Rz. 95 f. und 151 ff.). So tritt nach dem Realisationsprinzip eine Gewinnrealisierung erst ein, wenn eine Außentransaktion erfolgt ist, d.h., wenn der Unternehmer eine Lieferung oder Leistung gegenüber Dritten erbracht hat.2 Dies ist aber bei unternehmensinternen Leistungsbeziehungen zwischen rechtlich unselbständigen Unternehmenseinheiten nicht der Fall, weil die Fiktionen der Selbständigkeit und der Unabhängigkeit der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2 auf Ebene der Gewinnermittlung keine Bedeutung haben. Vor diesem Hintergrund kann eine Gewinnrealisierung im Zusammenhang mit unternehmensinternen Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nur über einen sog. Ersatzrealisationstatbestand erfolgen. Ein solcher wurde durch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG mit dem SEStEG v. 7.12.20063 bzw. durch § 16 Abs. 3a EStG4 mit dem JStG 20105 eingeführt. Der Anwendungsbereich beider Entstrickungsvorschriften ist allerdings – insbesondere vor dem Hintergrund des BFH-Urt. v. 17.7.20086 – umstritten.7 Daran ändern auch die durch das JStG 20108 eingeführten „Anwendungsbeispiele“ nichts (zur mangelnden Europarechtskonformität vgl. Rz. 31).9 Hinsichtlich der Frage einer fingierten Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern des Stammhauses an die Betriebsstätte wird – auch nach der Klarstellung des JStG 2010 – die Auffassung vertreten, dass beide Vorschriften aufgrund ihres Wortlauts die ihnen zugedachte Funktion nicht erfüllen können.10
42
Anpassung des § 1 AStG nach dem Entwurf eines JStG 2013. De lege ferenda sieht der Entwurf des JStG 201311 weitreichende Änderungen des § 1 AStG
1 Vgl. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 257. 2 Abgeleitet aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. 3 Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 Vgl. dazu Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (175 f.). 5 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 6 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 7 Vgl. nur Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 m.w.N. 8 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 9 Vgl. Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (157); Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (174 ff.); Musil, FR 2011, 545 (550) sowie Micker, IWB 2011, 711 ff.; Mitschke, FR 2011, 706 zu der Frage der verfassungsrechtlichen Rückwirkung beider Vorschriften. 10 Vgl. Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (104). 11 Vgl. Entwurf eines JStG 2013, Gesetzesantrag der Länder Rheinland-Pfalz, Hamburg und Nordrhein-Westfalen v. 22.2.2013, BR-Drucks. 139/13 v. 1.3.2013 sowie BT-Drucks. 17/13033 v. 10.4.2013. Der Deutsche Bundestag hatte bereits am 25.10.2012 den Entwurf eines JStG 2013 (BT-Drucks. 17/10000) i.d.F. der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses v. 24.10.2012 (BT-Drucks. 17/11190) beschlossen. In dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages blieben Änderungen, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme v. 6.7.2012 (BR-Drucks. 302/12 (B)) vorgeschlagen hatte, weitgehend unberücksichtigt. Nachdem der Bundesrat am 23.11.2012 die Zustimmung zu dem Gesetz verweigerte (BR-Drucks. 632/12 Beschluss), rief die Bundesregierung am 28.11.2012 den Vermittlungsausschuss an (BR-Drucks. 632/12 Beschluss). In den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses konnte bis auf die steuerliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe ein Einvernehmen über das JStG 2013 erzielt werden. Der Deutsche Bundestag hat dennoch am 17.1.2013 den mehrheitlich vom Vermittlungsausschuss beschlossenen Einigungsvorschlag v. 13.12.2012 (BTDrucks. 17/11844) insgesamt abgelehnt (BR-Drucks. 33/13). Ob und in welcher Fassung das JStG 2013 noch in der 17. Legislaturperiode in Kraft treten wird, bleibt abzuwarten.
510
Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 42–43 Art. 7 (2008)
vor.1 Die Änderungen, welche sich überwiegend auf die Betriebsstättengewinnermittlung beziehen, sollen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2013 gelten.2 Durch die Anpassung des § 1 AStG soll dessen Anwendungsbereich auf die Betriebsstättengewinnermittlung ausgedehnt und darüber hinaus der „Authorised OECD Approach“3 (vgl. Rz. 99 ff.) in innerstaatliches Recht aufgenommen werden. Dazu sollen „Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat belegenen Betriebsstätte“ eine Geschäftsbeziehung als „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“ darstellen (§ 1 Abs. 4 Satz 3 AStG n.F.). Damit werden unternehmensinterne Lieferungen und Leistungen, wie sie zwischen Stammhaus und Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung „abzurechnen“ sind (vgl. Rz. 151 ff.), einer Geschäftsbeziehung zwischen nahe stehenden Personen (i.S. einer schuldrechtlichen Leistungsbeziehung) gleichgestellt. Darüber hinaus regelt § 1 Abs. 5 AStG n.F. Einzelheiten der Betriebsstättengewinnermittlung. Dazu werden die zwei Stufen des „Authorised OECD Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) im Einzelnen dargestellt. Dies betrifft einerseits die Durchführung einer Funktionsanalyse (Stufe 1 gem. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG n.F.) sowie andererseits die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf „Geschäftsbeziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG n.F.). Diese sind – unter Berücksichtigung der Grundsätze der OECD-Verrechnungspreisleitlinien – grundsätzlich auf Basis eines Fremdvergleichspreises zu bewerten und „abzurechnen“.4 Die neu in § 1 Abs. 4 und 5 AStG n.F. kodifizierten Regelungen zur Betriebsstättengewinnabgrenzung sollen auch auf „ständige Vertreter“ (gemeint ist die Vertreterbetriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 und 6) anzuwenden sein (§ 1 Abs. 5 Satz 5 AStG n.F.). Neben der Anpassung des § 1 AStG sollen Einzelheiten der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung in einer Rechtsverordnung geregelt werden (§ 1 Abs. 6 AStG n.F.). Kritische Würdigung des § 1 AStG n.F. Die Begründung des Entwurfs des JStG v. 43 22.2.20135 beschreibt zutreffend die Tatsache, dass die OECD mit dem „Authorised OECD Approach“ die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten nunmehr stringent an dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz ausrichtet (vgl. Rz. 99 ff.). Das insoweit durch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 bzw. die darauf aufbauenden deutschen DBA vorgesehene Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne wird indessen durch innerstaatliches Recht de lege lata nicht vollständig ausgeschöpft (vgl. Rz. 41). Daher ist es aus fiskalischen Gründen nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber eine innerstaatliche Rechtsgrundlage schafft, welche das in Art. 7 OECD-MA 2010 vorgesehene Besteuerungsrecht in innerstaatliches Recht transformiert. Die Umsetzung (alleine) in § 1 AStG ist jedoch nicht sachgerecht; vielmehr handelt es sich bei der Gewinnermittlung der Betriebsstätte um einen Tatbestand der Einkommensermittlung (sowohl für in- als auch ausländische Betriebsstätten), welcher im Einkommensteuergesetz hätte geregelt werden müssen (vgl. Rz. 35). § 1 AStG ist demgegenüber eine Einkünftekorrekturvorschrift6, welche nur dann greift, wenn die deutsche Finanzverwaltung einkünfteerhöhende Korrekturen vornehmen möchte. Der „Authorised OECD Approach“ bezieht sich hingegen auf originäre Themen der Einkommensermittlung, welche im EStG zu regeln sind: – Definition eines Ersatzrealisationstatbestandes im Hinblick auf die „Abrechnung“ unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte („Durchbrechung“ des Realisationsprinzips); – Regelungen zur bilanziellen Zuordnung von Wirtschaftsgütern zur Betriebsstätte;
1 Vgl. dazu Andresen, DB 2012, 879 (883 ff.); Wassermeyer, IStR 2012, 277 ff.; Andresen/Busch, Ubg 2012, 451 ff.; Busch, BB 2012, 2281 ff.; Kahle, DStZ 2012, 691 (697 ff.); Schnitger, IStR 2012, 633 ff.; Wilke, IWB 2012, 271 ff.; Hemmelrth/Kepper, IStR 2013, 37 (41 f.). 2 Vgl. § 21 Abs. 20 AStG n.F. 3 Vgl. Ditz, ISR 2012, 48 ff. 4 Vgl. Begr. zu § 1 Abs. 5 Satz 4 AStG n.F. 5 Vgl. Entwurf eines JStG 2013; vgl. zum Entwurf die erste Fußnote zu Rz. 42. 6 So auch die Idee des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F.
Ditz
511
Art. 7 (2008) Rz. 43–44
Unternehmensgewinne
– Regelungen zur bilanziellen Ermittlung des Dotationskapitals der Betriebsstätte; – Anerkennung eines Betriebsausgabenabzugs fiktiver Liefer- und Leistungsentgelte bei in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Betriebsstätten, bei welchen in der derzeitigen Entwurfsfassung des Gesetzes ein Betriebsausgabenabzug nicht sichergestellt ist.1 Im Übrigen würde durch eine Regelung des Authorised OECD Approach im EStG das – derzeit noch völlig offene – Verhältnis des § 1 Abs. 5 AStG n.F. zu den Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG klargestellt werden.2 Mithin könnten diese Entstrickungsregelungen sogar entfallen, wenn im Einkommensteuergesetz eine allgemeine Vorschrift zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnermittlung verankert werden würde. Dies würde zu einer Vereinfachung der Rechtsgrundlagen der Betriebsstätteneinkünfteermittlung führen. 44
Europarechtliche Bedenken. § 1 Abs. 5 AStG n.F. sieht keine allgemeine Stundungsregelung im Hinblick auf die Gewinnrealisierung bei unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vor. Damit stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 5 AStG n.F., der nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte Anwendung findet, gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstößt. In diesem Zusammenhang geht die h.M. davon aus, dass die sog. „Entstrickungsregeln“ des § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und des § 12 Abs. 1 KStG gegen die europarechtliche Niederlassungsfreiheit verstoßen, weil vergleichbare inländische Vorgänge keiner Besteuerung unterliegen (vgl. Rz. 31). Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lässt sich allenfalls mit dem Argument der „Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten“ und damit mit der Sicherung des Besteuerungsrechts des Staates rechtfertigen, in welchem stille Reserven gebildet bzw. eine bestimmte Wertschöpfung erbracht wurde.3 Allerdings ist nach der aktuellen EuGH-Rechtsprechung – im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung – die sofortige Erhebung von Steuern auf noch nicht tatsächlich realisierte stille Reserven im Zeitpunkt der Überführung eines Wirtschaftsgutes in eine ausländische Betriebsstätte unverhältnismäßig.4 Ferner kann aus der Entscheidung des EuGH in der Rs. National Grid Indus B.V.5 abgeleitet werden, dass auch die aufschiebende Besteuerung von im Stammhausstaat gebildeten stillen Reserven, welche im Zusammenhang mit der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte zu entstricken sind, dann unverhältnismäßig ist, wenn diese mit erhöhten Mitwirkungs- und Nachweispflichten über den Verbleib des betroffenen Wirtschaftsguts im Unternehmensvermögen verbunden ist. Infolgedessen ist – so der EuGH – dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen einer Sofortbesteuerung und einer aufgeschobenen Besteuerung einzuräumen.6 Ein solches Wahlrecht sieht indessen § 1 Abs. 5 AStG n.F. nicht vor; vielmehr sieht § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F. eine Einkünftekorrektur im Hinblick auf eine sofortige Gewinnrealisierung beim im Inland Steuerpflichtigen vor, wenn fiktive Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen inländischem Stammhaus (bzw. einer inländischen Betriebsstätte) und ausländischer Betriebsstätte (bzw. ausländischem Stammhaus) nicht fremdvergleichskonform bepreist wurden. Die daraus resultierende europarechtliche Problematik liegt auf der Hand.7
1 2 3 4
Vgl. § 50 Abs. 1 EStG; Schnitger, IStR 2012, 633 (635). Vgl. dazu auch Gosch, IWB 2012, 779 (785). So Gosch, IWB 2012, 779 (781). Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – Rs. National Grid Indus B.V., DStR 2011, 2334. Vgl. dazu auch Körner, IStR 2012, 1 (5 ff.); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 (18 ff.); Prinz, GmbHR 2012, 195 (197 f.); a.A. Mitschke, IStR 2012, 6 (9 ff.); Hruschka, DStR 2011, 2334 (2334 f.). 5 Vgl. EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – Rs. National Grid Indus B.V., DStR 2011, 2334. 6 Vgl. dazu auch Gosch, IWB 2012, 779 (782). 7 Vgl. auch Andresen/Busch, Ubg 2012, 451 (454); dagegen krit. Wassermeyer, IStR 2012, 277 (281), nach dem der EuGH „die Problematik der Wegzugsbesteuerung gar nicht durchschaut hat“.
512
Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 45–47 Art. 7 (2008)
Unklarer Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG n.F. § 1 Abs. 5 AStG n.F. verwendet unklare 45 bzw. inkonsistente Begrifflichkeiten, die seine praktische Anwendung äußerst problematisch machen: – Während Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 von der Fiktion eines „selbständigen“ Unternehmens spricht (vgl. Rz. 92), wird in § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F. der Begriff des „eigenständigen“ Unternehmens verwandt. Worin der Unterschied liegt, bleibt unklar. – § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG n.F. spricht nur von „Personalfunktionen“, während die OECD von „wesentlichen Personalfunktionen“ („significant people functions“) ausgeht (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 23 ff. und 44). – § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG n.F. verwendet den Begriff „Vermögenswerte“. Dies ist für das deutsche Ertragsteuerrecht ein völlig neuer Begriff, welcher die Anwendung und Auslegung der Vorschrift unnötig verkompliziert. – § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG n.F. regelt eine Selbstverständlichkeit, wonach der Vorrang eines DBA zu beachten ist. Dieser Abkommensvorrang wird allerdings an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, so dass es sich bei § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG n.F. im Ergebnis um ein sog. Treaty override handelt. Ein solches ist verfassungsrechtlich problematisch.1 Im Übrigen erfolgt durch die Nachweispflicht des Steuerpflichtigen eine Beweislastumkehr zu seinen Lasten. Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 6 AStG n.F. Einzelheiten der Einkünfteermittlung 46 bei Betriebsstätten sollen in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Es ist allerdings fraglich, ob der Ermächtigungsrahmen des § 1 Abs. 6 AStG n.F. im Hinblick einer Konkretisierung der Einkünftekorrekturvorschrift des § 1 AStG nicht durch die Regelung von Einzelheiten der Betriebsstättengewinnermittlung verlassen wird. Insoweit besteht das Risiko, dass die Rechtsverordnung rechtswidrig erlassen und in Folge dessen unwirksam ist. Zeitpunkt der Gewinnzurechnung. Je nach Ausgestaltung der innerstaatlichen 47 Gewinnermittlungsvorschriften bzw. die in diesen vorgesehenen Ersatzrealisationstatbestände kann die Zurechnung von Gewinnen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen. So ist einerseits denkbar, dass der nach innerstaatlichem Gewinnermittlungsrecht vorgesehene Ersatzrealisationstatbestand bereits im Zeitpunkt der unternehmensinternen Lieferungs- oder Leistungsbeziehung zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte verwirklicht wird (so etwa die Auffassung der Finanzverwaltung im Hinblick auf die Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und § 12 Abs. 1 KStG).2 In diesem Fall gewährt Art. 7 Abs. 2 dem Vertragsstaat das Recht, die über den Ersatzrealisationstatbestand nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der unternehmensinternen Transaktion bis zur Höhe des Fremdvergleichspreises zu besteuern (zu den europarechtlichen Konsequenzen vgl. Rz. 31). Lässt das innerstaatliche Gewinnermittlungsrecht indessen eine Besteuerung von im Inland gebildeten stillen Reserven erst im Zeitpunkt der Realisierung des späteren Außenumsatzes zu, ist Art. 7 Abs. 2 erst in diesem Zeitpunkt anwendbar. In diesem Sinne hat auch der BFH in seinem grundlegenden Urt. v. 17.7.20083 im Hinblick auf die Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsregeln durch das SEStEG v. 7.12.20064 judiziert. Danach gehen die in einem Wirtschaftsgut in Deutschland gebildeten stillen Reserven bei seiner Überführung in eine ausländische Betriebsstätte auf Basis des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 nur in einem solchen Umfang verloren, wie die realisierten stillen 1 Vgl. Vorlagebeschluss des BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, DStR 2012, 949. 2 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.6.1; dazu kritisch Ditz/ Schneider, DStR 2010, 81 (84 f.). 3 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 4 Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782.
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Art. 7 (2008) Rz. 47–48
Unternehmensgewinne
Reserven tatsächlich durch die ausländische Betriebsstätte nach der Überführung des Wirtschaftsguts erwirtschaftet werden. Im Ergebnis erkennt daher der BFH die Aufteilung von tatsächlich realisierten Einkünften zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes an.1 Als Anhaltspunkt einer Gewinnaufteilung bei einer tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven kann dabei der im Zeitpunkt der Innentransaktion bestimmte Fremdvergleichspreis herangezogen werden. Im Ergebnis lässt damit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 eine Besteuerung in einem Vertragsstaat auch bei späterer Realisierung im anderen Vertragsstaat zu. 48
Besonderheiten bei Personengesellschaften. Im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen einem Unternehmen des Gesellschafters (Mitunternehmer) und seiner Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) ist zu berücksichtigen, dass beide zwei selbständige Rechtssubjekte darstellen, die miteinander Verträge abschließen können. Insofern besteht im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bei Personengesellschaften ein wesentlicher Unterschied zur Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und seiner (rechtlich unselbständigen) Betriebsstätte (vgl. Rz. 90 f.). Dies hat Konsequenzen für die Anwendung des § 1 AStG. Während diese Vorschrift zwischen Stammhaus und Betriebsstätte de lege lata nicht anwendbar ist,2 kann sie im Verhältnis zwischen Gesellschafter und seiner Personengesellschaft einschlägig sein.3 Die Anwendung des § 1 AStG bei Personengesellschaften soll im Übrigen nach dem Entwurf des JStG 20134 klargestellt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG n.F.). Ist die Vorschrift einschlägig, stellt sich allerdings die Frage ihres Konkurrenzverhältnisses zu anderen Einkünftekorrekturvorschriften (z.B. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG, § 6 Abs. 5 EStG).5
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1) Literatur: Becker, Die Besteuerung von Betriebsstätten, DB 1989, 10; Bendlinger, Das OECDMusterabkommen 2008 – Praxisrelevante Änderungen, SWI 2008, 545; Blumers, Die Europarechtswidrigkeit der Betriebsstättenzurechnung im Betriebsstättenerlass, DB 2006, 856; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, Baden-Baden 1986; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692, 1739; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils v. 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, DStR 2010, 81; Gassner/Lang/ Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der DBA, Wien 1998; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, Frankfurt/M. 1995; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349, 395; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 294; Korff, Abkommensrechtliche Besteuerungskonflikte beim Einsatz von Betriebsstätten in der internationalen Steuerplanung, Bremen 2011; Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, München 2011; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, 326; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Nowotny, Betriebsstättengewinnabgrenzung, Wien 2004; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2010; Richter/Heydt, Die Konkretisierung
1 Vgl. Ditz, IStR 2009, 115 (117 f.). 2 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 894; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.20; Kaminski/Strunk, DB 2008, 2501 (2592). 3 So auch die Finanzverwaltung in BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sonder-Nr. 1/2004, 3 Rz. 1.4.3. Zur Anwendung des § 1 AStG bei Personengesellschaften vgl. auch Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.19 ff. 4 Zu Einzelheiten vgl. Rz. 42 ff. 5 Vgl. dazu Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.24.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 49–51 Art. 7 (2008)
der Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabe durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 172; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22; Sieker, Betriebsstättengewinn und Fremdvergleichsgrundsatz, DB 1996, 110; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wassermeyer/ Schnittker/Richter, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010; Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Lohmar/Köln 2008.
I. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 1) 1. Regelungszweck Zuordnung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen. Art. 7 Abs. 1 49 Satz 1 bildet die grundlegende Vorschrift im Hinblick auf die Zuordnung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen. Danach sind Gewinne eines Unternehmens, das eine in einem Vertragsstaat ansässige Person betreibt, grundsätzlich nur in deren Ansässigkeitsstaat zu besteuern (vgl. Rz. 64). Dies gilt selbst für den Fall, dass die Gewinne durch eine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat erwirtschaftet wurden. Einzelheiten der Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Ansässigkeitsstaat regelt dessen innerstaatliches Recht (vgl. Rz. 33 und 35). Übt das in einem Vertragsstaat ansässige Unternehmen seine Tätigkeit allerdings im anderen Vertragsstaat durch eine Betriebsstätte aus, sieht Art. 7 Abs. 1 Satz 1 ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne durch den anderen Vertragsstaat (Betriebsstättenstaat) vor (vgl. Rz. 65 f.). 2. Unternehmen Fehlende abkommensrechtliche Definition. Weder Art. 7 noch Art. 3 enthalten ei- 50 ne Definition des Begriffs „Unternehmen“. Vielmehr bestimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, welcher im Rahmen des „Update 2000“ (vgl. Rz. 25) aufgenommen wurde, lediglich, dass sich der Ausdruck „Unternehmen“ auf die „Ausübung einer Geschäftstätigkeit bezieht“. Der Begriff der „Geschäftstätigkeit“ bleibt indessen undefiniert; Art. 3 Abs. 1 Buchst. h stellt nur klar, dass der Begriff auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit erfasst. Damit wird deutlich, dass die „Selbständigkeit“ ein wesentliches Merkmal der Geschäftstätigkeit und damit ein wesentliches Merkmal des Unternehmens darstellt (vgl. Rz. 52). Eindeutige Hinweise, was neben einer freiberuflichen und selbständigen Tätigkeit den Kernbereich der „Geschäftstätigkeit“ bildet, enthält das OECD-MA nicht. Abkommensautonome Auslegung. Aufgrund der fehlenden eindeutigen Definition 51 des „Unternehmens“ im OECD-MA wird – auf Grundlage des Art. 3 Abs. 2 – sowohl im Schrifttum1 als auch von Finanzverwaltung2 die Auffassung vertreten, dass der Begriff des Unternehmens nach innerstaatlichem Recht auszulegen sei. Dies hat konsequenterweise zur Folge, dass auch Gewinne gewerblich geprägter Personengesellschaften von Art. 7 erfasst werden würden. Dieser Auffassung folgt der BFH mit einer überzeugenden Argumentation indessen nicht (vgl. Rz. 54).3 Denn abkommensrechtlich ausschlaggebend ist allein die tatsächlich verwirklichte Einkunftsart. So bestimmt Art. 3 Abs. 2 ausdrücklich, dass jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck nach innerstaatlichem Recht auszulegen ist. Eine Begriffsauslegung rein auf Basis innerstaatlichen Rechts hat demnach nur zu erfolgen, wenn das OECD-MA den entsprechenden Begriff selbst nicht definiert. Dies ist indessen beim Begriff des „Unternehmens“ nicht der Fall (vgl. Rz. 50).4 Zwar ist die Definition des Art. 3 Abs. 1 wenig konkret; gleichwohl existiert sie. Im Übrigen spricht für eine abkommensautonome Begriffsauslegung, dass sich die Aufteilung der Besteuerungsrechte in erster Linie
1 Vgl. Wassermeyer, StuW 1990, 404 (406); Krabbe, IStR 2002, 147 (148); Schmidt/Dendorfer, IStR 2000, 46 (49); Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 48; wohl auch Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 22. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1. 3 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 m.w.N. 4 Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2010, 37 (38).
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Art. 7 (2008) Rz. 51–52
Unternehmensgewinne
an der Art der Einkunftserzielung ausrichtet und der systematischen Einordnung der Einkünfte im innerstaatlichen Recht insoweit nur eine Hilfsfunktion zukommen kann.1 Ferner würde eine rein an innerstaatlichem Recht orientierte Auslegung das Risiko fördern, dass das DBA durch die Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird und damit das angestrebte Ziel einer Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht realisiert werden kann. Im Ergebnis ist folglich der Betriff „Unternehmen“ aus dem Abkommen selbst auszulegen.2 Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH.3 52
Weite Auslegung. Der Begriff des Unternehmens ist weit auszulegen. Dies folgt aus der sehr allgemeinen Formulierung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. c „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“, wobei die englische Formulierung „any business“ noch deutlicher ist. Ferner weist auch der OECD-MK auf das weite Begriffsverständnis i.S. einer offenen Formulierung hin (vgl. Art. 3 Rz. 4 OECD-MK 2008). Schließlich hat auch die Integration des Art. 14 in Art. 7 im Rahmen des „Update 2000“ (vgl. Rz. 25) und die damit verbundene Konkretisierung der Geschäftstätigkeit als freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit in Art. 3 Abs. 1 Buchst. h zu einer Ausweitung des Unternehmensbegriffs geführt. Auf Basis einer abkommensautonomen Auslegung des Unternehmensbegriffs ist dieser durch folgende Merkmale geprägt: – Selbständigkeit: Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. h wird deutlich, dass die Selbständigkeit ein wesentliches Merkmal des Unternehmens darstellt (vgl. Rz. 50). Die selbständige Tätigkeit ist im Übrigen auch ein zentrales Merkmal des betriebswirtschaftlichen Unternehmensbegriffs.4 Sie ist durch die Übernahme eines Unternehmensrisikos (Handeln auf eigene Rechnung) und einer Unternehmerinitiative (Handeln auf eigene Verantwortung) gekennzeichnet.5 Dadurch erfolgt auch eine Abgrenzung zur unselbständigen Tätigkeit gem. Art. 15 und 18. – Auf Gewinn gerichtete Tätigkeit: Die Gewinnerzielungsabsicht kann bereits aus dem Wortsinn der „Geschäftstätigkeit“ abgeleitet werden. Im Übrigen ist es die ureigenste Zielsetzung eines Unternehmens, Gewinne zu erwirtschaften.6 – Nachhaltigkeit: Dass ein Unternehmen nur dann vorliegt, wenn die entsprechende Tätigkeit mit einer gewissen Nachhaltigkeit ausgeübt wird, kann aus dem Wort „betrieben“ des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d abgeleitet werden. Denn „betreiben“ enthält ein Element der Dauerhaftigkeit.7 Einmalige auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Handlungen werden folglich nicht von Art. 7 erfasst. – Keine Vermögensverwaltung: Art. 3 Abs. 1 Buchst. c fordert die „Ausübung“ einer Geschäftstätigkeit. Damit muss ein aktives, d.h. positives Handeln vorliegen, um eine Unternehmenstätigkeit auszuüben. Infolgedessen kann bspw. die Überlassung von Kapital oder die Vermietung, Verpachtung oder Lizenzierung von Wirtschaftsgütern kein Unternehmen i.S.d. Art. 7 begründen. Insofern schließen sich die Anwendung des Art. 6, welcher sich auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und damit insbesondere auf die Vermögensverwaltung von Immobilien bezieht, und Art. 7 gegenseitig aus (vgl. Rz. 20). Ferner wird die Vermietung und Verpachtung von beweglichem Vermögen nicht von Art. 7, sondern von Art. 21 erfasst (vgl. auch Art. 1 Rz. 45).
1 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550. 2 Gl.A. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 ff.; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 43 ff.; Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 41; wohl a.A. Art. 3 Rz. 4 OECD-MK 2008. 3 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457; v. 12.10.2011 – I R 15/11, BFH/NV 2012, 640. 4 Vgl. Schierenbeck/Wöhle, Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, München 2008, 30; Wittmann/Kern/Köhler/Küpper/v. Wysocki, Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1993, Stichwort „Unternehmens- und Betriebsgröße“. 5 Definition in Anlehnung an § 15 Abs. 2 EStG, vgl. etwa BFH v. 27.9.1988 – VIII R 193/83, BStBl. II 1989, 414; v. 31.7.1990 – I R 173/88, BStBl. II 1991, 66 m.w.N. 6 Vgl. Wöhe/v. Döring, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, München 2010, 10. 7 Vgl. Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, 44; a.A. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 64.
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B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 52–55 Art. 7 (2008)
– Keine Land- und Forstwirtschaft: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft werden im Grundsatz von Art. 6 Abs. 1 erfasst und können damit nicht Gegenstand eines Unternehmens sein.1 Besonderheiten gelten dabei für den Bereich der Tierzucht, welche nur bei eigenem, engem Bodenbezug Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft darstellen kann. Damit sollten z.B. die Imkerei, die Fisch- oder Vogelzucht sowie die Massenzucht von Schweinen, Rindern etc. als Unternehmenstätigkeit zu qualifizieren sein.2 Greifen die Tiere hingegen auf natürliche Ressourcen des Bodens zurück (z.B. im Rahmen der Bodentierhaltung), kann es zu einer Anwendung des Art. 6 kommen. Letztlich sind die Gegebenheiten des Einzelfalls ausschlaggebend. Parallele zu § 15 Abs. 2 EStG. Die in der vorstehenden Rz. abgeleiteten Vorausset- 53 zungen eines Unternehmens zeigen, dass der Begriff abkommensautonom ausgelegt werden kann.3 Es ist allerdings offensichtlich, dass eine deutliche Parallele zur Definition des Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 2 EStG besteht. Danach setzt ein Gewerbebetrieb eine Gewinnermittlungsabsicht, eine Selbständigkeit, eine nachhaltige Tätigkeit sowie eine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr voraus. Aufgrund der offensichtlichen Parallelen können daher diese Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebes sowie ihre inhaltliche Konkretisierung durch die Rspr. hilfsweise für die abkommensrechtliche Definition des Unternehmens herangezogen werden (in diesem Sinne wohl auch Art. 3 Rz. 4 OECD-MK 2008). Sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 erfüllt, spricht daher vieles dafür, dass auch abkommensrechtlich von einem Unternehmen auszugehen ist.4 Im Gegensatz zu den gewerblichen Einkünften gem. § 15 Abs. 2 EStG werden durch Art. 7 allerdings auch Einkünfte aus freiberuflicher und selbständiger Tätigkeit erfasst (seit dem OECD-MA 2000, Rz. 25). Gewerblich geprägte Personengesellschaft. Nach ständiger Rspr. des BFH vermit- 54 telt eine Personengesellschaft ihren Gesellschaftern (Mitunternehmern) jeweils eine Betriebsstätte (vgl. Rz. 68).5 Damit ist im Zusammenhang mit Personengesellschaften Art. 7 einschlägig, soweit durch diese eine Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. Auch in diesem Zusammenhang ist der Begriff des Unternehmens rein abkommensrechtlich auszulegen, sodass die in Rz. 52 dargestellten Kriterien eines Unternehmens auch bei Personengesellschaften gelten. Daraus folgt, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG kein Unternehmen darstellt, wenn sie lediglich eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausübt (vgl. auch Art. 1 Rz. 45).6 Denn insoweit greift Art. 6 Abs. 4, nach welchem Art. 6 gegenüber Art. 7 vorrangig anzuwenden ist (zur Behandlung von Sondervergütungen vgl. Rz. 78 ff.). Gewerbliche Infektion. Ist eine Personengesellschaft teils freiberuflich, land- und 55 forstwirtschaftlich oder vermögensverwaltend und teils gewerblich tätig, gilt die Tätigkeit der Personengesellschaft nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG „in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb. Das Abkommensrecht kennt eine solche „Abfärbe- oder Infektionstheorie“ nicht (vgl. auch Art. 1 Rz. 45).7 Werden daher von einer Personengesellschaft erkennbar getrennt eine Unternehmenstätigkeit und eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt, sind diese getrennt voneinander zu beurteilen, sodass Art. 7 und 1 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457 und dazu kritisch Engel/Hilbert, IWB 2012, 316 ff. 2 Vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 64 m.w.N. 3 A.A. Wassermeyer, IStR 2010, 37 (38): „Die Auslegung des DBA aus sich selbst heraus versagt gewissermaßen.“ 4 So wohl auch BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 5 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165 m.w.N.; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. 6 Ständige Rspr. des BFH, vgl. nur BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 m.w.N.; a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1. 7 A.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1.
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Art. 7 (2008) Rz. 55–59
Unternehmensgewinne
Art. 6 nebeneinander Anwendung finden können. Nur für den Fall, dass zwischen den Tätigkeiten ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht und folglich diese nicht gesondert beurteilt werden können, kann die Gesamtbetätigung einheitlich unter Art. 7 subsumiert werden.1 Dies setzt freilich voraus, dass die Personengesellschaft die Voraussetzungen eines Unternehmens (vgl. Rz. 52) erfüllt. 56
Betriebsaufspaltung. Die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung durch das Besitzunternehmen erzielten Einkünfte werden nicht von Art. 7 erfasst, wenn sie nicht über eine reine vermögensverwaltende Tätigkeit hinausgehen. Insoweit schlägt die nach ständiger Rspr. als Gewerbebetrieb zu qualifizierende Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens nicht auf die Anwendung des Art. 7 durch.2 Ferner stellt sich die Frage, ob das Besitzunternehmen eine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründet, wovon i.d.R. aufgrund der rein vermögensverwaltenden Tätigkeit nicht auszugehen ist. Daher ist bei dem Besitzunternehmen in Bezug auf die Verpachtung von unbeweglichem Vermögen Art. 6 und in Bezug auf die Verpachtung beweglichen Vermögens Art. 21 einschlägig.3
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Verpachtung eines Geschäftsbetriebs. Die Einkünfte aus der Verpachtung eines Betriebes können auch dann nicht unter Art. 7 subsumiert werden, wenn eine Betriebsaufgabe nicht erklärt wurde. Zwar führt eine solche gewerbliche Betriebsverpachtung ohne Betriebsaufgabeerklärung nach innerstaatlichem Recht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb;4 aufgrund der abkommensautonomen Auslegung des Unternehmensbegriffs (vgl. Rz. 51 f.) liegen indessen keine Unternehmensgewinne vor, da es sich um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handelt. Im Übrigen wird der verpachtete Betrieb i.d.R. keine Betriebsstätte nach Art. 5 begründen.5 Die entsprechenden Einkünfte werden daher von Art. 6 oder 21 erfasst.
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Handel mit Wertpapieren oder Grundstücken. Soweit ein Steuerpflichtiger im Rahmen des An- und Verkaufs von Wirtschaftsgütern (insbesondere von Wertpapieren, Beteiligungen oder Immobilien) „wie ein Händler“ agiert, kann die entsprechende Tätigkeit unter Art. 7 fallen. Indizien dafür, dass eine solche Tätigkeit als Unternehmenstätigkeit zu qualifizieren ist, sind der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsetzung beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von entsprechenden Wirtschaftsgütern gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere für eine rein private Vermögensverwaltung ungewöhnliche Verhaltensweisen. Die insoweit im Hinblick auf die Definition gewerblicher Einkünfte gem. § 15 Abs. 2 ergangene Rspr. ist auch im Hinblick auf die Definition von Unternehmensgewinnen i.S.d. Art. 7 anwendbar (vgl. Rz. 53).6 Dies gilt auch, wenn die entsprechenden Tätigkeiten durch eine Personengesellschaft ausgeübt werden.
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Rechtsformen und atypisch still Beteiligte. Art. 7 gilt rechtsformübergreifend (vgl. Rz. 63). Der Begriff des Unternehmens erfasst damit Einzelunternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 2 KStG) sowie Beteiligungen an Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Ferner zählen atypisch stille Gesellschaften, bei der die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters derjenigen eines Kom-
1 So auch Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 86. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; FG Nürnberg v. 28.9.2011 – 3 K 959/2008, NZB eingelegt (Az. beim BFH: I B 173/11); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 262 ff.; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.68; Prinz, FR 2012, 381 (383); a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 57; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 34. 3 Vgl. auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 Rz. 24. 4 Zum Wahlrecht der Erklärung einer Betriebsaufgabe im Rahmen der Betriebsverpachtung vgl. etwa Reiß in Kirchhof11, § 16 EStG Rz. 218. 5 Vgl. auch BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 Rz. 22. 6 So auch BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 59–61 Art. 7 (2008)
manditisten entspricht1 zu den Unternehmen. Infolgedessen erzielen atypisch stille Beteiligte keine Dividenden i.S.d. Art. 10 oder Zinsen i.S.d. Art. 11, sondern Unternehmensgewinne (vgl. Art. 1 Rz. 83).2 Im Übrigen stellen auch Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV), die nach deutschem Recht als offene Handelsgesellschaften (§ 1 EWIV-AG) behandelt werden, Unternehmen dar, soweit sie gewerbliche Einkünfte erzielen (vgl. Art. 1 Rz. 80).3 Zur Behandlung weiterer Rechtsformen vgl. Art. 1 Rz. 80 ff. 3. Gewinne eines Unternehmens Konkretisierung durch innerstaatliches Recht. Der Begriff „Gewinne“ ist weder in 60 Art. 7 noch in anderen Vorschriften des OECD-MA definiert. Aus dem Zusammenhang der Abs. 2 und 3 des Art. 7 ergibt sich lediglich, dass der Begriff des Gewinns eine Saldogröße von Erträgen und Aufwendungen meint, ohne Einzelheiten zu konkretisieren. Diese ergeben sich vielmehr aus den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 35). Der Begriff des Gewinns erfasst dabei auch einen Verlust (verstanden als negativer Gewinn).4 Da jeder Vertragsstaat zur Ermittlung des Gewinns auf sein innerstaatliches Recht zurückgreift, kann es durchaus vorkommen, dass in einem Vertragsstaat der Betriebsstätte für Zwecke der Quantifizierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (vgl. Rz. 34) ein Gewinn zugewiesen wird und der andere Vertragsstaat im Hinblick auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der Freistellungsmethode (vgl. Rz. 28) einen Verlust bestimmt. Das Abkommensrecht kann diese Problematik nicht lösen; sie ist vielmehr Konsequenz der Anwendung zweier aufeinander nicht abgestimmter Steuerrechtsordnungen, welche regelmäßig im Hinblick auf ihre Gewinnermittlungsvorschriften nicht deckungsgleich sind. Ferner enthält das OECD-MA an keiner Stelle eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, den im anderen Vertragsstaat ermittelten Gewinn seiner Besteuerung zugrunde zu legen. Denn Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 beziehen sich nur auf die Frage der Gewinnabgrenzung eines nach innerstaatlichem Recht ermittelten Gewinns (vgl. Rz. 36 ff.). Folgen der Subsidiaritätsregel des Art. 7 Abs. 7. Der Anwendung innerstaatlichen 61 Rechts werden durch Art. 7 Abs. 7 sowie durch die isolierende Betrachtungsweise5 Schranken gesetzt, was insbesondere bei der Gewinnermittlung von Personengesellschaften offensichtlich wird. So sind Sondervergütungen zwar nach deutschem innerstaatlichen Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG); abkommensrechtlich sind sie hingegen aufgrund des Art. 7 Abs. 7 – soweit § 50d Abs. 10 EStG nicht greift – regelmäßig als Zinsen (Art. 11) oder als Lizenzgebühren (Art. 12) zu behandeln.6 Der für Zinsen und Lizenzvergütungen in Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 3 niedergelegte Betriebsstättenvorbehalt greift in diesem Zusammenhang deshalb nicht, weil die diesen Sondervergütungen zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte nicht tatsächlich der von der Personengesellschaft begründeten Betriebsstätte zuzuordnen sind.7 Einzelheiten werden in Rz. 78 ff. dargestellt.
1 Vgl. BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 (210). 2 Vgl. BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Krabbe, IStR 1999, 591 ff.; Schmidt, IStR 1996, 213 ff. 3 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 184 ff. 4 Vgl. etwa BFH v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161 m.w.N.; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630. 5 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.214. 6 Vgl. BFH v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.11; a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1; v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.3. 7 Vgl. etwa BFH v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 m.w.N.; a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 62–64
Unternehmensgewinne
4. Unternehmen eines Vertragsstaates 62
Definition gem. Art. 3. Welchem Vertragsstaat das Unternehmen zuzurechnen ist, bestimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. d. Danach ist ein Unternehmen eines Vertragsstaates ein „Unternehmen, das von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird.“ Damit wird auf die Ansässigkeit der Person, die das Unternehmen betreibt, abgestellt und nicht etwa auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird. Ein Unternehmen wird von demjenigen „betrieben“, der tatsächlich über die Geschäftstätigkeit bestimmt, d.h. das Unternehmen führt oder seine Geschäftsleitung bestimmt. Dazu ist es nicht notwendig, dass der Steuerpflichtige das Tagesgeschäft des Unternehmens führt und in diesem Zusammenhang die aus dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr resultierenden Entscheidungen trifft. Vielmehr reicht die „tatsächliche Bestimmungsmacht“, welche regelmäßig bei der Person liegt, die das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens trägt.1 Im Ergebnis wird folglich das Unternehmen von derjenigen, in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben, die das aus der unternehmerischen Tätigkeit resultierende wirtschaftliche Risiko trägt.
63
Abkommensberechtigte Personen. Ein Unternehmen kann nur von einer Person betrieben werden, welche in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Damit kommt es darauf an, welche Person der „Unternehmer“ ist, welchem die entsprechenden Gewinne zuzurechnen sind. Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die möglichen Rechtsformen (vgl. Rz. 59) eines Unternehmens folgende Konsequenzen: Betreibt eine natürliche Person ein Unternehmen, ist es ein Unternehmen des Vertragsstaates, in welchem die natürliche Person gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 ansässig ist. Auf den Ort, an welchem das Unternehmen betrieben wird, oder den Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens kommt es nicht an. Es handelt sich folglich auch dann um ein Unternehmen des Vertragsstaates, wenn die natürliche Person in diesem ansässig ist, jedoch die gesamte unternehmerische Tätigkeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird.2 Entscheidend ist vielmehr, wer die tatsächliche Bestimmungsmacht ausübt, die Geschäftsleitung bestellt und insbesondere das unternehmerische Risiko trägt (vgl. Rz. 62). In Bezug auf – nach deutschem Verständnis transparent zu behandelnde – Personengesellschaften folgt daraus, dass deren Unternehmen dort betrieben wird, wo der Gesellschafter der Personengesellschaft ansässig ist.3 Abkommensrechtlich wird daher das Unternehmen der Personengesellschaft als Unternehmen desjenigen Vertragsstaates qualifiziert, in dem der Gesellschafter der Personengesellschaft ansässig ist.4 Bei Personengesellschaften ist damit lediglich der Gesellschafter abkommensberechtigt i.S.d. Art. 1. Zwar handelt es sich bei Personengesellschaften um eine Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a; ihre Abkommensberechtigung scheitert jedoch am Merkmal der „Ansässigkeit“. Denn nach Art. 4 Abs. 1 sind nur solche Personen in einem Vertragsstaat ansässig, die hier selbst Einkommen- oder Körperschaftsteuersubjekt sind. Mithin ist dies bei transparent besteuerten Personengesellschaften nicht der Fall, denn Steuersubjekt ist hier nicht die Personengesellschaft selbst, sondern ihre Gesellschafter als Mitunternehmer (vgl. Rz. 67). Wird demgegenüber ein Unternehmen von einer Gesellschaft i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, d.h. einer juristischen Person oder einem Rechtsträger, der im Hinblick auf seine Besteuerung wie eine juristische Person behandelt wird, betrieben, wird auf die Ansässigkeit der Gesellschaft abgestellt (Art. 4 Abs. 1). Vor diesem Hintergrund gilt bei Kapitalgesellschaften als „Unternehmen eines Vertragsstaats“ die Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat. 5. Ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates
64
Grundregel. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 enthält die Grundregel, dass Gewinne eines Unternehmens ausschließlich („können nur“) im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens (vgl. 1 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 43; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 126. 2 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 3 Vgl. Toifl, Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 112 ff.; siehe ferner BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563. 4 Vgl. BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563 m.w.N.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.178 ff.
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B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 64–66 Art. 7 (2008)
Rz. 49) besteuert werden dürfen. Dieser Grundsatz gilt rechtsformunabhängig für Einzelunternehmen, Kapital- und Personengesellschaften (vgl. Rz. 59) und greift immer dann, wenn im anderen Vertragsstaat keine Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 begründet wird. Ob sich im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens eine Betriebsstätte befindet, ist für dessen ausschließliches Besteuerungsrecht nicht maßgeblich.1 Mithin gibt es damit auch keine „betriebsstättenlose“ Unternehmensgewinne (kein sog. „Floating Income“).2 Fehlt es damit an einer Betriebsstätte im In- und Ausland, ist der gesamte Unternehmensgewinn stets dem Ansässigkeitsstaat zuzuordnen. Dies gilt auch im Anwendungsbereich des § 50d Abs. 10 EStG (vgl. Rz. 84). Im Übrigen wird das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates auch dann nicht eingeschränkt, wenn sich Betriebsstätten im anderen Vertragsstaat befinden und folglich diesem ein Besteuerungsrecht auf die Betriebsstättengewinne zusteht. In diesem Fall ergibt sich ein endgültiger Verlust des Besteuerungsrechts des Ansässigkeitsstaates nur dann, wenn die der Betriebsstätte in anderem Vertragsstaat zugeordneten Einkünfte nach Art. 23A von der Besteuerung freigestellt werden. Kommt hingegen die Anrechnungsmethode – z.B. aufgrund des § 20 Abs. 2 AStG oder einem abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalt – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der im anderen Vertragsstaat besteuerten Betriebsstätteneinkünfte zur Anwendung, bleibt das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates neben demjenigen des Betriebsstättenstaates bestehen. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 hat dann allerdings der Betriebsstättenstaat ein (vorrangiges) Besteuerungsrecht, während der Ansässigkeitsstaat unter Anrechnung der im anderen Vertragsstaat entrichteten Steuern sein Besteuerungsrecht wahrnimmt und die Doppelbesteuerung vermeidet. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 sieht das Recht des Ansässigkeitsstaates vor, Unternehmensgewinne zu besteuern. Ob er dieses wahrnimmt, ergibt sich aus seinem innerstaatlichen Recht (Rz. 35). Er ist nicht verpflichtet, sein Besteuerungsrecht tatsächlich auszuüben. 6. Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates Ausnahmeregel. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 sieht eine Ausnahme zum ausschließ- 65 lichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates vor, wenn das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 ausübt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht (auch) dem Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht zu, allerdings nur auf solche Unternehmensgewinne, die der Betriebsstätte zugerechnet werden können. Aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 könnte dabei der (unzutreffende) Rückschluss gezogen werden, dass dem Betriebsstättenstaat nur auf Gewinne, die aus Tätigkeiten in diesem erwirtschaftet wurden, ein Besteuerungsrecht zusteht. Mithin würden damit Gewinne aus Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat oder in einem Drittstaat nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können. Eine solche Auslegung der Vorschrift würde indessen nicht im Einklang mit dem in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 niedergelegten Zurechnungsprinzip stehen (vgl. Rz. 86). Nach dem Zurechnungsprinzip kommt es nicht auf den Ort der Tätigkeit, sondern ausschließlich darauf an, ob der Unternehmensgewinn der Tätigkeit der Betriebsstätte zugerechnet werden kann. Infolgedessen steht dem Betriebsstättenstaat auch ein Besteuerungsrecht auf Gewinne aus Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens oder in Drittstaaten zu, wenn diese der Betriebsstätte tatsächlich zugerechnet werden können.3 Beweislastverteilung. Durch die Formulierung „es sei denn“ wird in Art. 7 Abs. 1 66 Satz 1 unmissverständlich klargestellt, dass die Besteuerung durch den Betriebsstättenstaat eine Ausnahme zum ausschließlichen Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen des Ansässigkeitsstaates (vgl. Rz. 64) darstellt. Für Fälle, in denen eine eindeutige Abgrenzung des Besteuerungsrechts auf Unternehmensgewinne zwischen Ansässigkeits- und (potenziellem) Betriebsstättenstaat nicht möglich ist, beinhaltet 1 Vgl. Kramer, IStR 2010, 239 (240). 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Wassermeyer, IStR 2010, 37 (40 f.); Meretzki, IStR 2009, 217 (220 f.). 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 172; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECDMA Rz. 65; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 229; Debatin, DB 1989, 1692 (1693).
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Art. 7 (2008) Rz. 66–67
Unternehmensgewinne
die Vorschrift damit auch eine Regelung zur Beweislastverteilung.1 Nach dieser steht dem Betriebsstättenstaat nur dann ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, wenn nachgewiesen werden kann, dass erstens die Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 erfüllt werden und zweitens präzise quantifiziert werden kann, welche Einkünfte dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind. Die Beweislast geht dabei zulasten desjenigen, der sich auf das Vorliegen einer Betriebsstätte bzw. auf die Zurechnung von Einkünften zu dieser beruft. Je nach Ausgestaltung des Einzelfalls kann dies der Steuerpflichtige oder die Finanzverwaltung sein. Beispiel: Ein in Österreich ansässiges Beratungsunternehmen im Bereich der IT war in 2010 im Rahmen eines zehnmonatigen Projektes in München tätig. In diesem Zusammenhang wurden Räumlichkeiten des inländischen Kunden sehr intensiv genutzt, sodass die deutsche Finanzverwaltung davon ausgeht, dass die Mitarbeiter des österreichischen Unternehmens die Verfügungsmacht über Räumlichkeiten in Deutschland hatten und folglich eine „Dienstleistungsbetriebsstätte“ anzunehmen sei. Einzelheiten des Sachverhaltes – insbesondere im Hinblick auf eine konkrete Verfügungsgewalt der österreichischen Mitarbeiter über inländische Räumlichkeiten – lassen sich nicht abschließend aufklären, obwohl das Unternehmen seinen Mitwirkungspflichten vollumfänglich nachkommt. In diesem Fall trifft die Beweislast die Finanzverwaltung, die sich auf die Begründung einer Betriebsstätte und die Zurechnung von Gewinnen zu dieser beruft. Da der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 und 3 AO nachgekommen ist, kommt eine Schätzung gem. § 162 AO nicht in Betracht. Im Ergebnis trägt damit die inländische Finanzverwaltung die Beweislast, sodass sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zu ihren Ungunsten auswirkt.2
7. Einzelheiten zu Personengesellschaften a) Abkommensberechtigung 67
Keine Ansässigkeit. Wenngleich Personengesellschaften als „andere Personenvereinigung“ abkommensrechtliche „Person[en]“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a sind, können sie – trotz partieller Rechtsfähigkeit – nach deutschem Verständnis nicht in einem Vertragsstaat ansässig sein (vgl. Art. 1 Rz. 40 ff. und Rz. 63). Denn sie sind aus deutscher Sicht aufgrund ihrer in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgesehenen transparenten Besteuerung kein Steuersubjekt; vielmehr unterliegen ihre Gesellschafter der Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht. Im Ergebnis ist damit die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt. Abkommensberechtigte Personen sind vielmehr ihre Gesellschafter (als Mitunternehmer), soweit es sich bei diesen um natürliche oder juristische Personen handelt. Mangels Abkommensberechtigung können Personengesellschaften die abkommensrechtlich gewährte Entlastung von Quellensteuern (z.B. Art. 10 Abs. 2) nicht in Anspruch nehmen. Allerdings geht die deutsche Abkommenspolitik zunehmend dahin, die Ansässigkeit von Personengesellschaften und folglich ihre Abkommensberechtigung explizit in den DBA zu regeln.3 Daneben konzediert die deutsche Finanzverwaltung ausländischen Personengesellschaften, die in ihrem Sitzstaat der subjektiven Steuerpflicht unterliegen, eine Entlastungsberechtigung in eigener Person, wobei sie sich ausdrücklich auf den OECD-MK (vgl. Art. 1 Rz. 5 OECD-MK) und die dort verankerten Ergebnisse des sog. Partnership-Reports (vgl. Rz. 72) stützt.4 1 Vgl. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 168; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 172. 2 Vgl. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 168 f. 3 Vgl. Art. 4 Abs. 4 DBA-Algerien; Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 und Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien; Art. 4 Abs. 4 DBA-Finnland; Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c DBA-Frankreich; Art. II Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Griechenland; Art. 4 Abs. 4 DBA-Island; Abs. 2 Protokoll zum DBA-Italien; Art. 4 Abs. 4 DBA-Portugal; Art. 4 Abs. 4 DBA-Slowenien; Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e und f DBA-Spanien. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.2. Für diese grundsätzlich zu begrüßende Auffassung besteht jedoch keine Rechtsgrundlage, weil nicht die Personengesellschaft, sondern ihre Gesellschafter der beschränkten Steuerpflicht unterliegen und – für Zwecke des § 50d Abs. 4 EStG – als Gläubiger der quellensteuerpflichtigen Einnahmen anzusehen sind. Vgl. kritisch auch Wassermeyer, IStR 2011, 87.
522
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B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 68–69 Art. 7 (2008)
Betriebsstätte eines jeden Gesellschafters. Ob die Einkünfte des Gesellschafters 68 einer Personengesellschaft unter Art. 7 oder eine andere Verteilungsnorm fallen, bestimmt sich zunächst nach den Voraussetzungen des Unternehmensbegriffs. Die hierfür gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c erforderliche „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“ (Rz. 50 ff.) ist bezogen auf die Personengesellschaft zu beurteilen. Für das duale Verteilungssystem des Art. 71 kann eine Personengesellschaft wegen ihrer transparenten Besteuerung und der deshalb mangelnden Abkommensberechtigung nicht „Unternehmen ihres Sitzstaates“ sein. Art. 3 Abs. 1 Buchst. d erfordert hierfür, dass das Unternehmen „von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person betrieben wird“. Da sich die subjektive Unternehmenszuordnung und mit ihr verbunden die Bestimmung des Wohnsitzstaates für Zwecke des Wohnsitzprinzips des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 auf eine „ansässige Person“ beziehen, kann nur auf die Gesellschafter abgestellt werden, soweit diese die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 erfüllen. Sie müssen das Unternehmen zudem „betreiben“, ohne dass das OECD-MA für diesen Begriff eine Definition bereithält. Für die Auslegung ist deshalb auf innerstaatliches Recht zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2). Im deutschen Steuerecht ist dieser Begriff zwar nicht definiert. Der Mitunternehmerbegriff weist jedoch eine weitestgehende Entsprechung mit der Zwecksetzung des Art. 3 Abs. 1 Buchst. d auf, derjenigen ansässigen Person das Unternehmen zuzuordnen, die das wirtschaftliche Risiko trägt2 bzw. auf deren Rechnung die unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird.3 Im Übrigen regelt das OECD-MA Fragen der Einkünftezurechung nicht.4 Die abkommensrechtliche Unternehmenszuordnung folgt dieser, dem innerstaatlichen Recht vorbehaltenen Einkünftezurechnung.5 Dementsprechend ist das Unternehmen der Personengesellschaft abkommensrechtlich den jeweiligen Mitunternehmern zuzuordnen. Es existieren jeweils so viele Unternehmen, wie Gesellschafter an der Personengesellschaft beteiligt sind,6 und zwar als „Unternehmen ihres (jeweiligen) Wohnsitzstaates“. Zurechnung der Betriebsstätte der Personengesellschaft. Die Anwendung des Be- 69 triebsstättenprinzips des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 erfordert die Ausübung der Unternehmenstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte. Betriebsstättenbegründung und -zurechnung folgen hierbei einer zweistufigen Prüfungsreihenfolge.7 Im Hinblick auf die Betriebsstättenbegründung sind die Voraussetzungen des Art. 5 auf Ebene der Personengesellschaft zu erfüllen. Weder begründen der statutarische Sitz einer Personengesellschaft – für sich genommen – noch die Beteiligung an einer Personengesellschaft eine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5. Als Regeltatbestand ist jedoch der Ort der Leitung einer Personengesellschaft stets Betriebsstätte (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a). Soweit die Personengesellschaft weitere feste Geschäftseinrichtungen außerhalb ihres Geschäftsleitungsstaates unterhält, ist deren Betriebsstättenqualität gesondert zu beurteilen. Dagegen ist eine Unterscheidung mehrerer Betriebsstätten im Geschäftsleitungsstaat abkommensrechtlich entbehrlich. Ferner sind Betriebsstätten eines anderweitigen Gesellschafterunternehmens keine solche der Personengesellschaft, die allen Gesellschaftern zurechenbar wären. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 bezieht sich auf die spezifische Geschäftstätigkeit des Unternehmensbegriffs (Rz. 68). Die das Unternehmen begründende Tätigkeit der Personengesellschaft wird nicht per se „durch“ eine Betriebsstätte des Gesellschafters ausgeübt, sie kann es aber. Es besteht auch insoweit keine Attraktivkraft einer anderweitigen Betriebsstätte des Gesellschafterunternehmens, d.h., Einkünfte der Personengesell1 Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 regelt das Wohnsitzprinzip, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 und Abs. 2 das Betriebsstättenprinzip, vgl. hierzu Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, 720 f. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 43. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 24. 4 Vgl. BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 5 Vgl. Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 185 f. 6 Vgl. Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 66. 7 Vgl. Piltz, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, 80 f. und 154; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, 113 ff.
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Art. 7 (2008) Rz. 69–71
Unternehmensgewinne
schaft können nicht nur deshalb in einem Vertragsstaat besteuert werden, weil ein Gesellschafter dort für seine anderweitige Unternehmenstätigkeit eine Betriebsstätte unterhält. Im Hinblick auf die Zurechnung dieser Betriebsstätten zum „Unternehmen eines Vertragsstaates“ folgt die Zurechnung aufgrund des Transparenzprinzips unmittelbar der Unternehmenszuordnung.1 Die Betriebsstätten einer Personengesellschaft sind deshalb allen Gesellschaftern als eigene Betriebsstätte zuzuordnen.2 70
Keine Unterbetriebsstätten. Die Betriebsstätte einer Personengesellschaft ist dem Gesellschafter stets als eigene Betriebsstätte zuzurechnen. Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte einer Personengesellschaft ist nicht „Oberbetriebsstätte“ zu anderen Betriebsstätten außerhalb des Geschäftsleitungsstaates als deren „Unterbetriebsstätten“. Das Betriebsstättenprinzip ist streng quellenprinziporientiert, sodass eine Oberbetriebsstätte keine Attraktivkraft für Einkünfte anderer Betriebsstätten haben kann. Insofern besteht abkommensrechtlich kein Raum für die Existenz einer „Unterbetriebsstätte“.3 Dem steht es nicht entgegen, dass auch für Zwecke der Gewinnabgrenzung im Einheitsunternehmen einer Personengesellschaft zwischen Stammhaus und Betriebsstätte(n) unterschieden wird und der Geschäftsleitungsstaat (= Stammhausstaat) und der Wohnsitzstaat bei Personengesellschaften wegen der Unternehmenszuordnung zum jeweiligen Wohnsitzstaat des Gesellschafters voneinander abweichen können.4 Nichts anderes gilt für doppelstöckige Personengesellschaftsstrukturen, in denen eine Personengesellschaft als Obergesellschaft an einer anderen Personengesellschaft als Untergesellschaft beteiligt ist.5 Auch in diesem Fall werden die Betriebsstätten der Untergesellschaft den Gesellschaftern der Obergesellschaft unmittelbar als eigene Betriebsstätten zugerechnet.6 b) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf die transparente Besteuerung
71
Subjektive Qualifikationskonflikte. Ist eine im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Person an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt, stellt sich die Frage, ob die ausländische Gesellschaft nach innerstaatlichem Recht als Kapital- oder Personengesellschaft zu qualifizieren ist (sog. Subjektqualifikation). Nach Abkommensrecht ist dagegen die Frage zu beantworten, ob die ausländische Gesellschaft abkommensberechtigt ist und deshalb die Schutzwirkungen des Abkommens in eigener Person beanspruchen kann (zu Einzelheiten vgl. Art. 1 Rz. 41 ff.). Allerdings wird die Personengesellschaft hinsichtlich ihrer Steuersubjekteigenschaft international sehr unterschiedlich behandelt.7 So existieren einige Staaten, welche die Personengesellschaft – entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG – als transparent behandeln.8 Dies hat zur Folge, dass die Personengesellschaft allenfalls als Einkünfteermittlungssubjekt fungiert, nicht hingegen als eigenständiges Steuersubjekt. In diesem Transparenzmodell ist vielmehr der Gesellschafter der Personengesellschaft als Mitunternehmer Steuerpflichtiger. International werden Personengesellschaften indessen nicht immer nach dem Transparenzgedanken besteuert, sondern häufig als eigenständiges Steuersubjekt behandelt. Dies hat zur Folge, dass das sog. Trennungsprinzip greift, wonach die Besteuerung des Gesellschafters einerseits und seiner Gesellschaft andererseits strikt voneinander zu trennen sind. Schließlich existieren auch Staaten, in welchen ein Wahlrecht zwischen einer Anwendung des Transparenz- und 1 Vgl. Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 68; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 190 ff. 2 Vgl. BFH v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165. 3 Vgl. Buciek in FS Flick, 652 ff.; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.5; Lang in FS Wassermeyer, 709 ff.; a.A. Wolff, SWI 2004, 15. 4 Vgl. im Einzelnen Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 77 f. 5 Vgl. dazu BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; FG Nürnberg – VII 90/2004, EFG 2007, 847 (rkr.). 6 Vgl. BFH v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631. 7 Vgl. dazu die Analysen von Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 ff.; Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 ff. 8 Vgl. dazu die Analysen von Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2010, 44 ff.; Spengel/Schaden/Wehrße, StuW 2012, 105 ff.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 71–72 Art. 7 (2008)
des Trennungsprinzips besteht (z.B. das sog. „check the box“-Verfahren in den USA).1 Im internationalen Kontext werden damit nicht selten Personengesellschaften im Inland nach dem Transparenzprinzip besteuert, während in dem anderen Vertragsstaat die Gesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt behandelt wird. Umgekehrt sind auch Fälle denkbar, in denen der ausländische Staat die entsprechende Gesellschaft nach dem Transparenzgedanken besteuert, während aus deutscher Sicht eine ausländische Kapitalgesellschaft vorliegt. Damit können hinsichtlich der Besteuerung von Personengesellschaften im grenzüberschreitenden Kontext Steuersubjektqualifikationskonflikte entstehen, welche häufig mit einer Minder- oder Doppelbesteuerung verbunden sind.2 Lösungsansatz der OECD. Die OECD hat zu den Fragen der Steuersubjektqualifi- 72 kation im Rahmen der internationalen Besteuerung von Personengesellschaften sowie zu weiteren Fragestellungen der abkommensrechtlichen Behandlung und Besteuerung von Personengesellschaften in 1999 einen umfangreichen Bericht vorgelegt (sog. „OECD-Partnership-Report 1999“3), der zu wesentlichen Änderungen des OECD-MK und zur Neueinführung des Art. 23 Abs. 4 mit dem „Update 2000“ führte (vgl. zu Einzelheiten auch Art. 1 Rz. 52 f.). In dem OECD-Partnership-Report 1999 verfolgt die OECD einen fallbezogenen Ansatz, bei dem sie zwischen der Abkommensanwendung als Quellenstaat und der Abkommensanwendung als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters unterscheidet. Zur quellenstaatsbezogenen Abkommensanwendung vertritt die OECD die Auffassung, dass eine Personengesellschaft (in beiden Staaten!) als abkommensberechtigte Person zu behandeln ist, wenn sie in ihrem Sitzstaat als eigenständiges Steuersubjekt fungiert. Damit ist nach Ansicht der OECD die Behandlung der Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat ausschlaggebend, wobei es auf die Einordnung der Gesellschaft und die Einkünftezurechnung im Quellenstaat nicht ankommt. Im Ergebnis ist damit für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen die Abkommensqualifikation der Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat maßgeblich (vgl. Art. 1 Rz. 6.4 OECD-MK; Art. 4 Rz. 8.7 OECD-MK).4 Im Schrifttum wird diese Auffassung der OECD kritisch diskutiert: Einerseits wird die Ansicht der OECD im Hinblick auf eine abkommensrechtliche Entscheidungsharmonie und einer damit verbundenen Möglichkeit der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung befürwortet.5 Andererseits wird die Auffassung der OECD mit Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage und der Unbestimmtheit einer Abgrenzung zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat abgelehnt.6 Trotz der im Schrifttum zur Auffassung der OECD vorgetragenen Kritik folgt die deutsche Finanzverwaltung weitestgehend der im OECD-Partnership-Report 1999 vorgeschlagenen Qualifikationsverkettung (vgl. zu Einzelheiten Art. 1 Rz. 57).7 Für die Abkommensanwendung als Ansässigkeitsstaat empfiehlt die OECD dagegen eine auf die Quellenstaatsbindung gerichtete einschränkende Auslegung des Art. 23A/B. Hiernach soll der Ausdruck „nach diesem Abkommen besteuert werden können“ für den Ansässigkeitsstaat dann als erfüllt anzusehen sein, wenn der Quellenstaat aufgrund seiner Abkommensanwendung zu dem Ergebnis kommt, sein Besteuerungsrecht bestünde 1 Vgl. dazu Flick, IStR 1998, 110 ff. 2 Vgl. auch Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 536; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 491 ff.; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.5 ff.; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.3 und 4.1.4. 3 Vgl. OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Paris 1999, und hierzu ausführlich Gündisch, Personengesellschaften im DBA-Recht – Eine Analyse des OECD-Partnership-Reports, München 2004, 71 ff. 4 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 53. 5 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 500 f. 6 Vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.15. 7 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.1.2 und 4.1.3.3.1; noch a.A. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411, wonach eine nach USamerikanischem Recht als Körperschaft qualifizierte LLC nicht abkommensberechtigt ist; siehe dazu auch Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.9; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 500 f.
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Art. 7 (2008) Rz. 72–73
Unternehmensgewinne
(uneingeschränkt oder eingeschränkt) fort.1 Allerdings beschränkt sich dieser Lösungsansatz auf Fälle, in denen für den Qualifikationskonflikt unterschiedliches innerstaatliches Recht ursächlich ist (vgl. Art. 23 Rz. 32.3 OECD-MK). Sofern der Qualifikationskonflikt auf andere Ursachen zurückgeht (nämlich eine unterschiedliche Sachverhaltsinterpretation oder eine unterschiedliche Auslegung von Abkommensvorschriften) und zu Doppelbesteuerungen führt, lässt sich eine Auflösung dieses sog. positiven Qualifikationskonflikts nur über ein Verständigungsverfahren erlangen. Führen solche Qualifikationskonflikte dagegen zu einer Minder- oder Nichtbesteuerung (sog. negativer Qualifikationskonflikt), soll Art. 23A Abs. 4 zum Tragen kommen. 73
Auffassung der Rechtsprechung. Nach Auffassung des BFH in seinem Urt. v. 25.5.20112 lässt sich – entgegen der Auffassung der OECD (vgl. Rz. 72) – abkommensrechtlich (präziser: aus dem DBA-Ungarn) keine Bindung des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters an die Steuersubjektqualifikation der Personengesellschaft im Quellenstaat entnehmen (vgl. zu Einzelheiten auch Art. 1 Rz. 54 ff.).3 Infolgedessen bestimmt sich die Steuersubjektqualifikation einer ausländischen Personengesellschaft rein aus Sicht des deutschen Steuerrechts; auf die Qualifikation der ausländischen Personengesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt (d.h. Anwendung des Trennungsprinzips) im anderen Vertragsstaat kommt es hingegen nicht an (zum Rechtstypenvergleich vgl. Rz. 74). Denn die Frage, welcher Person steuerliche Einkünfte zuzurechnen sind, ergibt sich nicht aus dem Abkommensrecht, sondern aus dem innerstaatlichen Recht. Der BFH hat sich damit expressis verbis gegen die Auffassung des OECD-Partnership-Reports 1999 und die diesem folgende Literatur gewandt.4 Eine Bindungswirkung an die Steuersubjektqualifikation des Quellenstaates lässt sich folglich weder aus dem OECD-MA noch aus dem OECD-MK entnehmen:5 – Der Methodenartikel des Art. 23A verlangt im Ansässigkeitsstaat die Freistellung für Einkünfte, die „nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden“ können. Eine Bindungswirkung des Ansässigkeitsstaates an die Steuersubjektqualifikation im Quellenstaat lässt sich insoweit nicht entnehmen. – Ferner kann sich abkommensrechtlich ein Grundsatz, wonach die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten einheitlich zu behandeln ist, nicht ableiten. Vielmehr widerspricht ein solches Konzept gerade dem Grundsatz der sog. „virtuellen Doppelbesteuerung“, welcher zugunsten einer erleichterten Steueradministration darauf abzielt, dass der jeweilige Vertragsstaat sich mit der Steuerrechtsordnung des jeweils anderen Vertragsstaates nicht auseinandersetzen muss. – Art. 3 Abs. 2 verweist ausdrücklich hinsichtlich der Klärung von im OECD-MA selbst nicht definierten Ausdrücken auf innerstaatliches Recht des Vertragsstaates. Dabei werde nicht zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat unterschieden. Auch Art. 23A Abs. 1 kann daran nichts ändern. – Der OECD-Partnership-Report 1999 stellt lediglich eine Hilfe für die Abkommensauslegung dar und ist weder für die Finanzgerichtsbarkeit noch für den Steuerpflichtigen bindend. Ferner kann der OECD-Partnership-Report 1999 bzw. die darauf aufbauende Neufassung des OECD-MK 2010 erst in DBA angewandt werden, welche nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden (vgl. Rz. 105). In dem BFHUrt. v. 25.5.20116 zugrunde liegenden Sachverhalt war dies indessen im Hinblick 1 Vgl. OECD-Partnership-Report 1999, Rz. 103 ff. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 und dazu im Einzelnen Prinz, FR 2012, 381 (382 ff.). 3 Die Frage der Behandlung eines Qualifikationskonflikts aufgrund unterschiedlicher Subjektqualifikationen noch offenlassend BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521 unter III.2.d; siehe ferner FG Hamburg v. 22.8.2006 – 7 K 134/03, EFG 2007, 96 unter 2.b.aa und dazu die Revision des BFH v. 1.10.2008 – II R 73/06, BFH/NV 2009, 113. 4 Vgl. insbesondere Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 500 f.; Schmidt, IStR 2010, 413 (426); Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.41 ff. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 unter II.2.bb). 6 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 73–74 Art. 7 (2008)
auf das DBA-Ungarn v. 27.10.1979 nicht der Fall. Damit bestätigt der BFH seine bisherige Rspr., wonach Änderungen des OECD-MA und des OECD-MK für die Auslegung bereits bestehender DBA ohne Einfluss sind.1 Der BFH hat sich in seiner Entscheidung v. 25.5.20112 eindeutig gegen eine Qualifikationsverkettung3 im Hinblick auf eine Bindung des Ansässigkeitsstaats des Gesellschafters an die Steuersubjektqualifikation des Sitzstaates der Personengesellschaft entschieden. Dies mag zwar nicht zu einer einheitlichen Auslegung des DBA in beiden Vertragsstaaten und damit zu einer aus praktischer Sicht wünschenswerten Vermeidung der Doppelbesteuerung führen; eine solche ist indessen durch die Rechtsgrundlagen des OECD-MA nicht gedeckt. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BFH überzeugend. Rechtstypenvergleich. Zur Beantwortung der Frage, ob die ausländische Gesell- 74 schaft für deutsche Besteuerungszwecke als Personengesellschaft oder als Körperschaft einzustufen ist, ist ein sog. Rechtstypenvergleich durchzuführen (vgl. auch Art. 1 Rz. 36).4 Danach ist darauf abzustellen, ob die ausländische Gesellschaft einer inländischen Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG oder einer sonstigen juristischen Person i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG gleicht.5 Damit ist eine ausländische Gesellschaft als Körperschaft einzuordnen, wenn sich bei einer Gesamtbetrachtung der einschlägigen ausländischen Bestimmungen und der getroffenen Vereinbarungen über die Organisation und die Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Körperschaft oder sonstigen juristischen Person gleicht. Für den Vergleich sind alle Elemente heranzuziehen, die nach deutschem Recht die wesentlichen Strukturmerkmale einer Körperschaft ausmachen (vgl. Art. 1 Rz. 36). Im Einzelnen vollzieht sich der Rechtstypenvergleich dabei in zwei Schritten:6 – In einem ersten Schritt werden die gesellschaftsrechtlichen Eigenschaften der ausländischen Gesellschaft nach dem für sie geltenden ausländischen Recht bestimmt. Dabei ist insbesondere auf solche zivilrechtliche Merkmale abzustellen, die eine Grenzbeziehung zwischen Personengesellschaft und Körperschaft ermöglichen. – In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es eine inländische Gesellschaftsform gibt, welche vergleichbare Eigenschaften zu der ausländischen Gesellschaft aufweist. Insofern findet ein Rechtsvergleich zwischen ausländischem und deutschem Steuerrecht statt, wobei eine individuell-konkrete Betrachtung unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände des Einzelfalls (z.B. hinsichtlich des konkreten Gesellschaftsvertrags) durchzuführen ist.7 Ist das Ergebnis des Rechtstypenvergleichs, dass die ausländische Gesellschaft einer Personengesellschaft deutschen Rechts entspricht, wird die ausländische Gesellschaft für deutsche Besteuerungszwecke als (transparent besteuerte) Personengesellschaft behandelt. Dies gilt unabhängig von der Einordnung der Gesellschaft nach dem Gesellschafts- und Steuerrecht des anderen Vertragsstaats (vgl. Rz. 73).8
1 Vgl. auch BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, DStR 2011, 762; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 2 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 3 Vgl. Rz. 105 und 109 OECD-Partnership-Report 1999; Art. 23 Rz. 32.3 und 32.5 OECD-MK 2008; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.3.3.1. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 1.2; v. 19.3.2004 – IV B 4 S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 Rz. IV. 5 Vgl. bereits RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RFHE 27, 79; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399. 6 Zu Einzelheiten vgl. Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 4.5 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 491 ff.; Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 540 ff. 7 Vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 Rz. V; BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 8 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.6 f.
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Art. 7 (2008) Rz. 75–77
Unternehmensgewinne
75
Transparente Besteuerung in beiden Vertragsstaaten. Wird die Personengesellschaft übereinstimmend in beiden Vertragsstaaten nach dem Transparenzprinzip behandelt und ist deshalb aus der Sicht keines Vertragsstaates als ansässige Person i.S.d. Art. 4 Abs. 1 einzustufen (vgl. auch Art. 1 Rz. 44), richten beide Vertragsstaaten ihre Abkommensanwendung auf die Gesellschafter der Personengesellschaft aus, sofern diese selbst abkommensberechtigt sind (vgl. Rz. 63 und 67). In diesem Fall ist auf den Gewinnanteil das Betriebsstättenprinzip anzuwenden, wenn die Personengesellschaft eine Unternehmenstätigkeit ausübt (vgl. Rz. 50 ff.) und die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 erfüllt sind. Der Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter hat die Unternehmensgewinne – vorbehaltlich bestehender Aktivitätsvorbehalte und des § 20 Abs. 2 AStG – unter Progressionsvorbehalt freizustellen (vgl. Rz. 28 und 64). Hierbei beschränkt Deutschland innerstaatlich die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf Nicht-EU/EWR-Staaten (§ 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG).
76
Intransparente Besteuerung in beiden Vertragsstaaten. Wird die Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten als selbständiges Steuersubjekt eingeordnet, gelten die Grundsätze der Besteuerung von Körperschaften (vgl. auch Art. 1 Rz. 43). Damit werden Gewinne im Ansässigkeitsstaat der Personengesellschaft einer Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterworfen. Der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters hat hingegen nur im Falle der Gewinnausschüttung ein Besteuerungsrecht auf die entsprechenden Dividendeneinkünfte (Art. 10). Die Gesellschafter erzielen damit im Fall der Gewinnausschüttung Dividenden i.S.d. Art. 10, wobei die Doppelbesteuerung durch Freistellung bzw. Anrechnung der Quellensteuer vermieden werden kann. Ferner sind die Regelungen des innerstaatlichen Rechts für Gewinnausschüttungen zu beachten (Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b KStG).
77
Transparente und intransparente Besteuerung in beiden Vertragsstaaten. Wird die Personengesellschaft im ausländischen Vertragsstaat als selbständiges Steuersubjekt eingestuft, während sie nach deutschem Verständnis als Personengesellschaft zu qualifizieren ist, liegt ein Qualifikationskonflikt in Bezug auf die Steuersubjekteigenschaft vor (vgl. Rz. 71 und Art. 1 Rz. 50 ff.). In diesem Fall unterliegt die Personengesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat der Körperschaftsteuer, wobei bei einer Gewinnausschüttung i.d.R. eine (ggf. reduzierte) Quellensteuer erhoben wird. Aufgrund der in Deutschland vorzunehmenden transparenten Besteuerung der ausländischen Personengesellschaft werden die Gewinne im Zeitpunkt ihrer Entstehung in Deutschland – vorbehaltlich von Aktivitätsvorbehalten – von der Besteuerung freigestellt. Die Ausschüttung von Gewinnen stellt nach deutschem innerstaatlichem Recht einen nicht steuerbaren Vorgang dar (in Form einer Entnahme), sodass in diesem Fall keine Möglichkeit besteht, die ggf. im Ausland einbehaltene Quellensteuer anzurechnen.1 Wird die Personengesellschaft hingegen nur in Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters als selbständiges Steuersubjekt behandelt, kommt es hier nur dann zu einer Besteuerung, wenn Gewinnausschüttungen der ausländischen Gesellschaft erfolgen. Die in Deutschland ansässigen Gesellschafter erzielen im Rahmen der Ausschüttungen Einkünfte i.S.d. Art. 21 Abs. 1,2 wobei Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters das alleinige Besteuerungsrecht hat. Mithin fallen die Gewinnausschüttungen in diesem Fall nicht unter Art. 10, da die ausschüttende Gesellschaft nach deutschem Verständnis keine im Ausland ansässige Gesellschaft ist. Einzelheiten der unterschiedlichen Behandlung einer Personengesellschaft in beiden Vertragsstaaten sind in Art. 1 Rz. 50 ff. dargestellt.
1 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.1; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.42; Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 129. 2 Vgl. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Seitz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.49; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 4.1.4.2; wohl a.A. Mensching, IStR 2008, 687 (689); Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785); Lüdicke, StbJb 1997/1998, 449 (465).
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 78–79 Art. 7 (2008)
c) Qualifikationskonflikte im Hinblick auf Sondervergütungen Fehlende abkommensrechtliche Regelung. Auch im Hinblick auf die steuerliche 78 Einordnung von Sondervergütungen kann es – trotz übereinstimmender Anwendung einer transparenten Besteuerung in beiden Vertragsstaaten – zwischen den Vertragsstaaten zu Qualifikationskonflikten kommen (vgl. auch Art. 1 Rz. 77 ff.). Dies insbesondere dann, wenn der ausländische Staat eine § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entsprechende Vorschrift nicht kennt und z.B. Zahlungen für Leistungen eines inländischen Gesellschafters (z.B. in Bezug auf Zinsen für ein durch den Gesellschafter gewährtes Darlehen) als Betriebsausgaben anerkennt, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat von einer Vergütung i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeht und die entsprechende Vergütung den Einkünften der ausländischen Personengesellschaft zuordnet. Nach innerstaatlichem Recht gehören Sondervergütungen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und sind damit Bestandteil des Gesamtgewinns aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Mithin ist auch im Hinblick auf die Beteiligung an ausländischen Personengesellschaften der Gesamtgewinn für die Anwendung des einschlägigen DBA nicht als Einheit zu betrachten, sondern in einen Gewinnanteil und Sondervergütungen aufzuteilen.1 Art. 7 enthält indessen – bis auf wenige Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis2 – keine ausdrückliche Vorschrift, wie die Sondervergütungen, die häufig den ausländischen Steuerrechtsordnungen fremd sind, abkommensrechtlich zu behandeln sind. Auffassung der Finanzverwaltung und frühere Rechtsprechung. In seiner früheren 79 Rspr. ging der BFH bis zu seinem Grundsatzurteil v. 27.2.19913 davon aus, dass sämtliche Sondervergütungen sowie Einkünfte aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen abkommensrechtlich als Gewinne eines Unternehmens i.S.d. Art. 7 zu qualifizieren sind, und folglich im Betriebsstättenstaat der Personengesellschaft besteuert werden können.4 Diese Sichtweise wird u.a. in dem der Rspr. folgenden Schrifttum5 damit begründet, dass auf das Verhältnis zwischen Gesellschafter und seiner Personengesellschaft die allgemeinen Gewinnabgrenzungsgrundsätze anzuwenden seien, wie sie zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gelten.6 Diese Argumentation kann indessen insoweit nicht überzeugen, als die Personengesellschaft zwar ihrem Gesellschafter eine Betriebsstätte vermittelt (vgl. Rz. 68), im Verhältnis zwischen beiden jedoch – im Gegensatz zum internationalen Einheitsunternehmen (vgl. Rz. 90 f.) – Vertragsbeziehungen möglich sind, sodass das Unternehmen des Gesellschafters nicht mit einem typischen „Stammhaus“ zu vergleichen ist.7 Die Finanzverwaltung folgt der alten Rspr. des BFH, indem sie Sondervergütungen unter Art. 7 subsumiert, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Sondervergütungen eines inländischen Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft oder um Sondervergütungen eines ausländischen Gesellschafters einer inländischen Personengesellschaft handelt (vgl. auch Art. 1 Rz. 79).8 Die Finanzverwaltung stützt ihre Auffassung dabei insbesondere auf den OECD-Partnership-Report 1999 (vgl. Rz. 72), der eine Anwendung der Freistellungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Hinblick auf Sondervergütungen im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters vorsieht, wenn dies zu einer Kein1 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl. II 2009, 766; vgl. auch Kleineidam, RIW 2003, 734 (736 ff.); kritisch Debatin, DB 1992, 1181 ff.; Hemmelrath, IStR 1995, 570 (571 f.). 2 Vgl. Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Belarus; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Ghana; Art. 7 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kasachstan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Österreich; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Schweiz; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Singapur; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Tadschikistan; Art. 7 Abs. 7 Satz 2 DBA-Usbekistan. Vgl. zur Sonderregelung des DBA-Schweiz auch BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Pohl, IWB 2012, 120 ff. 3 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 4 Vgl. z.B. BFH v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605. 5 Vgl. etwa Krabbe, IStR 2002, 145 (146); Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 98. 6 Vgl. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 44. 7 Vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.20; siehe ferner Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.20. 8 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.2.3 und v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1.
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Art. 7 (2008) Rz. 79–80
Unternehmensgewinne
mal- oder Minderbesteuerung führt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem OECD-Partnership-Report 1999 keine rechtliche Bindungswirkung zukommt (vgl. Rz. 73). Neuerdings kann sich die Finanzverwaltung allerdings zur Rechtfertigung ihrer Auffassung auf die durch das JStG 20071 bzw. das JStG 20092 eingeführten § 50d Abs. 9 und 10 EStG berufen: – Im Hinblick auf den Inbound-Fall der Beteiligung eines ausländischen Gesellschafters an einer inländischen Personengesellschaft führt die Auffassung der Finanzverwaltung dazu, dass die an den Gesellschafter entrichteten Sondervergütungen zu dem der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Betriebsstättengewinn gehören. Die Finanzverwaltung stützt ihre Auffassung auf § 50d Abs. 10 EStG (vgl. Rz. 82). Für den Fall, dass der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die Einkünfte aus den Sondervergütungen als eine andere Einkunftsart qualifiziert (z.B. als Zinsen i.S.d. Art. 11), ist es seine Sache, die Doppelbesteuerung zu vermeiden.3 – Nach Auffassung der Finanzverwaltung ergeben sich im Outbound-Fall zwei Fallunterscheidungen: Behandelt der Quellenstaat die Sondervergütungen – analog § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung – als Betriebsstättengewinne, hat Deutschland die Einkünfte aus den Sondervergütungen unter Progressionsvorbehalt freizustellen.4 Sind nach dem Recht des Quellenstaates die Sondervergütungen allerdings als Betriebsausgaben abzugsfähig und folglich nicht als Betriebsstätteneinkünfte zu qualifizieren (wovon i.d.R. auszugehen ist), sind die Sondervergütungen dem Betriebsstättengewinn zuzuordnen und folglich prinzipiell freizustellen. Um eine doppelte Nichtbesteuerung der Sondervergütungen zu vermeiden, sei allerdings die ggf. im einschlägigen DBA vorgesehene Switch-over-Klausel anzuwenden oder nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ein negativer Qualifikationskonflikt aufzulösen.5 80
Aktuelle BFH-Rechtsprechung. Seit seinem grundlegenden Urt. v. 27.2.19916 geht der BFH davon aus, dass wegen des Spezialitätsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 7) Sondervergütungen isoliert zu subsumieren sind und vorrangig die Rechtsfolgen der spezielleren Verteilungsnormen für Zinsen (Art. 11), Lizenzgebühren (Art. 12), Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15) oder Pensionen (Art. 18)7 vor derjenigen des Betriebsstättenprinzips als allgemeinerer Verteilungsnorm zum Tragen kommen. Die Rechtsfolgen des Betriebsstättenprinzips greifen nur unter den Voraussetzungen der Betriebsstättenvorbehalte (Art. 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2), die auf Art. 7 zurückverweisen, wenn die den Zinsen und Lizenzgebühren zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte (z.B. Darlehensforderungen, Rechte an immateriellen Wirtschaftsgütern) „tatsächlich“ zu der Betriebsstätte gehören. Dies ist indessen in Bezug auf Sondervergütungen nur in seltenen Ausnahmefällen der Fall. Im Einzelnen: – Im Hinblick auf Zinsen negiert der BFH regelmäßig eine tatsächliche Zugehörigkeit zur Betriebsstätte der Personengesellschaft für Forderungen aus Gesellschafterdarlehen.8 Denn die entsprechende Darlehensforderung steht zivilrechtlich nicht der Personengesellschaft, sondern deren Gesellschafter zu, wobei die Gesellschaft selbst eine Verbindlichkeit ausweist. Die von der Finanzverwaltung angenommene Unterscheidung zwischen Inbound- und Outbound-Fällen (vgl. Rz. 79) vollzieht der BFH dabei nicht. So hat der BFH zutreffend in seinem Urt. v.
1 Vgl. JStG 2007 v. 13.12.2006, BGBl. I 2006, 2878. 2 Vgl. JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. 3 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1, Beispiel 3 mit Verweis auf Rz. 3.1 und 4.1.3.3.1. 4 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1., Beispiel 1. 5 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.1., Beispiel 2. 6 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. 7 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556. 8 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BFH/NV 2006, 2326; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFH/NV 2008, 869.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 80 Art. 7 (2008)
17.10.20071 judiziert, dass Zinsen auch dann nicht den Betriebsstättengewinnen einer Personengesellschaft zuzuordnen sind, wenn sich die Personengesellschaft in Deutschland befindet. – Die Grundsätze, welche der BFH im Hinblick auf Zinsen als Sondervergütungen entwickelt hat, gelten analog für Lizenzgebühren.2 In diesem Sinne hat der BFH in seinem Urt. v. 8.9.20103 in Bezug auf den Outbound-Fall einer US-amerikanischen Personengesellschaft entschieden, dass die von dieser vereinnahmten Lizenzgebühren unter Art. 12 Abs. 1 DBA-USA 1989 (= Art. 12 Abs. 1 OECD-MA) fallen und folglich nur in den USA besteuert werden dürfen. Ausschlaggebend ist dabei, dass die den Lizenzgebühren zugrunde liegenden Rechte oder Vermögenswerte nur dann in der gebotenen tatsächlich-funktionalen Weise zu der Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören, wenn sie aus Sicht dieser einen Aktivposten bilden. Maßgeblich für die abkommensrechtliche Gewinnzurechnung ist insofern, wo und von wo aus die Lizenzrechte verwaltet4 und vermarktet werden. Auch die in § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG angeordnete Umqualifikation von Sondervergütungen in abkommensrechtliche Unternehmensgewinne ändert daran nach Auffassung des BFH nichts.5 Wie der BFH in seinem Urt. v. 8.9.2010 deutlich gemacht hat, eröffnet § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG für Sondervergütungen lediglich den Anwendungsbereich des Unternehmensgewinnartikels und zwar einschließlich des sog. Spezialitätsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 7), der wiederum vorrangig die Spezialartikel zum Tragen kommen lässt. Insofern ist § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG eine „Leerformel“. – Vermietet oder verpachtet der Gesellschafter seiner im anderen Vertragsstaat domizilierenden Personengesellschaft ein Grundstück, steht nach Art. 6 dem Belegenheitsstaat ein ausschließliches Besteuerungsrecht zu.6 Dies gilt gem. Art. 6 Abs. 4 auch dann, wenn das der Personengesellschaft zur Nutzung überlassene Grundstück zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehört. Auch § 50d Abs. 10 EStG kann nicht dazu führen, dass die Miet- oder Pachtentgelte des Gesellschafters in Deutschland besteuert werden dürfen, wenn das Grundstück im Ausland belegen ist. Denn in diesem Fall sind die Anwendungsvoraussetzungen des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG regelmäßig nicht erfüllt, weil sich der Belegenheitsstaat wegen Art. 6 Abs. 1 und 4 in seinem Besteuerungsrecht nicht gehindert sieht. Ob dieser von Unternehmensgewinnen oder Einkünften aus unbeweglichem Vermögen ausgeht, ist insofern unbeachtlich; ein Qualifikationskonflikt kann sich wegen des vorrangigen Belegenheitsprinzips insofern nicht auswirken. – Vergütungen für Tätigkeiten, welche die Personengesellschaft an ihren Gesellschafter für Dienste zugunsten der Gesellschaft entrichtet, fallen unter Art. 7 oder 15 (bzw. Art. 14, falls das einschlägige DBA eine entsprechende Regelung enthält).7 Dabei ist von Bedeutung, dass Art. 15 keine Rückverweisungsklausel enthält. Eine Zurechnung zur Betriebsstätte der Personengesellschaft und damit eine Qualifikation als Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 lässt sich hingegen durch die Vereinbarung eines Vorabgewinns erreichen.8 Im Hinblick auf eine anderweitige selbständige – gewerbliche oder freiberufliche – Tätigkeit des Gesellschafters, in deren Rahmen Leistungen an die Personengesellschaft erbracht werden, kommt es für ein Besteuerungsrecht des Sitzstaates der Personengesellschaft darauf an,
1 Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFH/NV 2008, 869. 2 Vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.32; Piltz in Lüdicke, Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 137 (151). 3 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 4 In diesem Sinne auch Wassermeyer, IStR 2010, 37 (41). 5 A.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.1. und 5.1. 6 Vgl. auch Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.43. 7 Vgl. BFH v. 21.7.1999 – I R 71/98, BStBl. II 2000, 336; Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.35. 8 Vgl. Piltz/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 111; Wassermeyer in FS Ruppe, 681 (690).
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Art. 7 (2008) Rz. 80–81
Unternehmensgewinne
ob der Gesellschafter dort für diese Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet. In Bezug auf Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz hat der BFH entschieden, dass Sondervergütungen für Managementleistungen, welche eine deutsche KG an ihren in der Schweiz ansässigen Kommanditisten entrichtet, einer in der Schweiz befindlichen Betriebsstätte des Kommanditisten und folglich nicht der deutschen KG zuzurechnen sind.1 Damit geht der BFH davon aus, dass Sondervergütungen auch einer Betriebsstätte des Gesellschafters einer Personengesellschaft zugeordnet werden können.2 – Pensionszahlungen an einen im Ausland ansässigen (ehemaligen) geschäftsführenden Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft fallen unter Art. 18 und nicht unter Art. 7. Daran ändert auch § 50d Abs. 10 EStG nichts.3 – Werden Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens veräußert, fallen die entsprechenden Einkünfte unter Art. 13.4 81
Sonderbetriebseinnahmen in Form von Dividenden. Dividenden können keine Sondervergütungen darstellen. Erzielt der Gesellschafter einer Personengesellschaft Dividendeneinkünfte, welche dem Sonderbetriebsvermögen II bei seiner Personengesellschaft zuzurechnen sind, liegen Sonderbetriebseinnahmen vor. Im Gegensatz zu Sondervergütungen ist die Personengesellschaft hier kein Schuldner der Vergütung. Auf die von der Kapitalgesellschaft ausgeschütteten Dividenden kommt das Betriebsstättenprinzip zur Anwendung, wenn die Anteile der Kapitalgesellschaft tatsächlich der Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören (Art. 10 Abs. 4). Zu unterscheiden sind grundsätzlich zwei Fallgestaltungen, unter denen Anteile an Kapitalgesellschaften zu dem Sonderbetriebsvermögen II des Gesellschafters bei seiner Personengesellschaft führen: Zum einen gehören bei haftungsbeschränkten Personengesellschaften (z.B. GmbH & Co. KG) die Anteile an der Komplementär-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen, wenn sich die Tätigkeit der Komplementär-GmbH ausschließlich oder fast ausschließlich auf die Geschäftsführung beschränkt.5 Von dieser Fallgruppe zu unterscheiden ist diejenige einer zwischen der Personen- und der Kapitalgesellschaft bestehenden, besonders engen wirtschaftlichen Verflechtung derart, dass die eine Gesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der anderen erfüllt.6 Zu der ersten Fallgruppe hat der BFH entschieden, dass die Anteile tatsächlichfunktional zur Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören.7 Zu der zweiten Fallgruppe steht im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 10 Abs. 4 eine Entscheidung bisher aus. Das Urt. des BFH v. 13.2.20088 betraf zwar diesen Fall. Es erging aber nicht zu laufenden Beteiligungserträgen, sondern zu Gewinnen aus der Veräußerung der Beteiligung und damit zu den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2. Der BFH lehnt die Auffassung der h.M.9 ab, dass mit dem Kriterium der „tatsächlichen Zugehörigkeit“ gleichermaßen über die für Zwecke des Art. 13 Abs. 2 beachtliche Zugehörigkeit zum „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ entschieden sei. Stattdessen vertritt der BFH die Auffassung, dass der Ausdruck „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ nach innerstaatlichem Recht auszulegen ist.10 Der BFH meint hier, dass Art. 13 Abs. 2 OECD-MA nicht auf einer „tatsächlichen“ Zugehörigkeit aufbaue, sondern nur von „Betriebsvermögen“ spreche, was im Grundsatz zum einen eine abkommensrechtlich
1 Vgl. BFH v. 10.7.2002 – I R 71/01, BStBl. II 2003, 191. 2 Zu Einzelheiten vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.36. 3 Vgl. BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, n.v. 4 Vgl. Kempermann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.44. 5 Vgl. BFH v. 11.12.1990 – VIII R 14/87, BStBl. II 1991, 510 ff. 6 Ständige Rspr. des BFH, vgl. grundlegend BFH v. 31.1.1991 – IV R 2/90, BStBl. II 1991, 786 ff. Die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen, wie sie üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen, ist ungeachtet ihres Intensitätsgrads jedoch nicht ausreichend. 7 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/01, BStBl. II 1992, 937. 8 Vgl. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 9 Vgl. zur h.M. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA, Rz. 77; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.392. 10 Siehe ferner BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 81–83 Art. 7 (2008)
unterschiedliche Auslegung und – mangels DBA-Definition dieses Begriffs – solche nach innerstaatlichem Recht rechtfertige. Ferner hat sich der BFH wohl auch davon leiten lassen, dass eine Zuordnungsentscheidung tatsächlich nicht anstand, weil als zuordnungsrelevante Einheit nur die Betriebsstätte der deutschen Personengesellschaft zur Verfügung stand, wobei Gosch hier zu Recht vom Stammhaus (vgl. Rz. 4) spricht.1 Im Schrifttum wird allerdings mit guten Argumenten vertreten, dass in Fällen der engen wirtschaftlichen Verflechtung regelmäßig auch eine tatsächlich-funktionale Zugehörigkeit der Beteiligung zur Betriebsstätte der Personengesellschaft gegeben ist, damit der Betriebsstättenvorbehalt erfüllt ist und die Rechtsfolgen des Betriebsstättenprinzips greifen.2 Bedeutung des § 50d Abs. 10 EStG. § 50d Abs. 10 EStG, der über § 7 Satz 6 82 GewStG auch für die Gewerbesteuer gilt, enthält für Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine als „Treaty override“ wirkende Sonderregelung, wonach für Abkommenszwecke Unternehmensgewinne fingiert werden, soweit abkommensrechtlich eine entsprechende Qualifikation nicht explizit vorgesehen ist. Die Vorschrift verfolgt die Zielsetzung, bei grenzüberschreitenden Sondervergütungen ein deutsches Besteuerungsrecht sicherzustellen. Dies gilt insbesondere für den Inbound-Fall, nach dem der BFH mit Urt. v. 17.10.20073 seine Rspr. zu Outbound-Sondervergütungen bestätigt hatte. Allerdings konnte mit diesem „Treaty override“ nicht die beabsichtigte Absicherung des deutschen Besteuerungsanspruchs auf Sondervergütungen erreicht werden, denn dies hätte es erfordert, dass auch die Zuordnung dieser Sondervergütungen – und der ihnen zugrunde liegenden Vermögenswerte – zur Betriebsstätte der Personengesellschaft für Zwecke der deutschen Abkommensanwendung gesetzlich fingiert worden wäre. Wie der BFH in seinem Urt. v. 8.9.20104 deutlich gemacht hat, eröffnet § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG für Sondervergütungen lediglich den Anwendungsbereich des Art. 7 und zwar einschließlich des sog. Spezialitätsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 7), der wiederum vorrangig die Spezialartikel zum Tragen kommen lässt. Insofern läuft § 50d Abs. 10 Satz 1 EStG im Ergebnis „ins Leere“.5 Andererseits werden durch die Vorschrift nur Sondervergütungen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 und 3 EStG erfasst; die Vorschrift bezieht sich nicht auf nachträgliche Sondervergütungen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG6 und Sondervergütungen an bloß mittelbar beteiligte Mitunternehmer i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG.7 Schließlich ist auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der rückwirkenden Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG8 sowie auf aus dem „Treaty override“ resultierende völker- und verfassungsrechtliche Probleme9 zu verweisen. Bedeutung des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG betrifft 83 dagegen den Outbound-Fall, bei dem eine ausländische Personengesellschaft Sondervergütungen an einen im Inland ansässigen Gesellschafter zahlt. Hier soll in Fällen sog. negativer Qualifikationskonflikte, ohne dass das DBA eine sog. Switch-over-Klausel enthält, die die Freistellung im Wohnsitzstaat von der tatsächlichen Besteuerung im Betriebsstättenstaat abhängig macht, der unilaterale Wechsel zur Anrechnungsmethode abgesichert werden. Der BFH hat im Urt. v. 24.8.201110 ausdrücklich offengelassen, ob diese Regelung als „Treaty override“ und zudem die rückwirkende Anwen-
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Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. Vgl. hierzu Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften, 372 ff. Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BFH/NV 2008, 869. Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. Vgl. auch Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 45; Boller/Eilinghoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (115); Boller/Schmidt, IStR 2009, 852 (852 f.); a.A. Frotscher, IStR 2009, 593 (594 ff.). Vgl. Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 45; BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, n.v. Vgl. Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 46; Prinz, DB 2009, 807 (812). Vgl. dazu Korn, DStR 2009, 2366; Hils, DStR 2009, 888 (891 f.); Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 47. Vgl. Frotscher, IStR 2009, 593 (597 ff.). Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165.
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533
Art. 7 (2008) Rz. 83–86
Unternehmensgewinne
dung (§ 52 Abs. 59a Satz 6 EStG) gegen Verfassungsrecht verstößt. Der BFH hat jedoch mit Beschl. v. 19.5.20101 diesbezüglich bereits ernstliche Zweifel geäußert.2 84
§ 50d Abs. 10 EStG und „Floating Income“. In Zusammenhang mit § 50d Abs. 10 EStG stellt sich auch die Frage, ob abkommensrechtlich sog. „Floating Income“ möglich ist, d.h. Unternehmensgewinne existieren, die abkommensrechtlich keiner Betriebsstätte zuzuordnen sind.3 Solche wären insbesondere dann denkbar, wenn der ausländische Gesellschafter einer inländischen Personengesellschaft über keine (eigene) Betriebsstätte verfügt, welcher die Sondervergütungen zugeordnet werden können. Würde man hier das Konzept eines „Floating Income“ anerkennen, hätte dies zur Folge, dass Sonderbetriebsvergütungen der deutschen, durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte zuzuordnen wären, um betriebsstättenlose Unternehmensgewinne zu vermeiden. Nach zutreffender BFH-Rspr. sind indessen betriebsstättenlose Unternehmensgewinne nicht möglich; vielmehr müssen diese stets einer Betriebsstätte zugerechnet werden (vgl. Rz. 64).4 Hierbei geht die Frage insbesondere dahin, ob der Gesellschafter der Personengesellschaft eine sog. Mitunternehmer-Betriebsstätte begründet.5
II. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 2) 1. Regelungszweck 85
Kein Attraktionsprinzip. Wird dem Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 zugewiesen, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wie dieses Besteuerungsrecht der Höhe nach zu quantifizieren ist. Einen ersten Anhaltspunkt gibt dazu Art. 7 Abs. 1 Satz 2. Danach können Unternehmensgewinne nur insoweit besteuert werden, „als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“ Infolgedessen erstreckt sich das Besteuerungsrecht des anderen Vertragsstaates weder auf den Gesamtgewinn des Unternehmens noch auf sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen in diesem Staat. Das sog. Attraktionsprinzip findet demnach auf Abkommensebene keine Anwendung (vgl. Art. 7 Rz. 10 OECD-MK 2008).6 Infolgedessen hat der Betriebsstättenstaat nicht auf sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen dieses Staates ein Besteuerungsrecht; vielmehr belässt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 dem Betriebsstättenstaat lediglich ein Besteuerungsrecht auf Gewinne, die der Betriebsstätte tatsächlich „zuzurechnen“ sind. 2. Zurechnungsprinzip
86
Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates. Nach dem in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 verankerten Zurechnungsprinzip kommt es nicht auf den Ort der unternehmerischen Tätigkeit, sondern ausschließlich darauf an, ob ein Unternehmensgewinn (verstanden als Saldo von Ertrag und Aufwand, vgl. Rz. 60) der Tätigkeit der im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte zuzurechnen ist. Daher steht dem Betriebsstättenstaat ein Besteuerungsrecht auch auf Gewinne aus Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens oder in Drittstaaten zu, wenn die daraus resultierenden Erträge und Aufwendungen der Betriebsstätte tatsächlich zugerechnet werden können. Was indessen unter „zuzurechnen“ konkret zu verstehen ist, bleibt in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 offen. Im Schrifttum wird die Frage durch Begriffe wie „Prinzip
1 Vgl. BFH v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 2 Zu Einzelfragen des § 50d Abs. 9 EStG vgl. auch Pohl, IWB 2012, 656 ff. 3 Vgl. dazu Meretzki, IStR 2009, 217 (220 ff.); Kramer, IStR 2010, 239 (240); Wassermeyer, IStR 2010, 241 (241 f.); Wassermeyer, IStR 2010, 37 (40 f.). 4 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 (342); Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 48. 5 Zu Einzelheiten vgl. Meretzki, IStR 2009, 217 ff.; siehe ferner BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 6 Vgl. BFH v. 1.4.1997 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550. Zum Attraktionsprinzip im ehemaligen DBA-USA 1954 vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444.
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Ditz
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1)
Rz. 86–88 Art. 7 (2008)
der wirtschaftlichen Zugehörigkeit“1, „Zurechnungsprinzip“2, „Erwirtschaftungs- bzw. Verursachungsprinzip“3 und „Erwirtschaftungsprinzip“4 umschrieben. Der BFH spricht demgegenüber von einer „tatsächlichen Zurechnung“5. Letztlich handelt es sich bei den genannten Begriffen um Konkretisierungen des Art. 7 Abs. 1 Satz 2, die ein Grundkonzept vorgeben, nach dem der Teilgewinn zu quantifizieren ist, den die Betriebsstätte – unter Beachtung der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Rz. 35) – zum Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens beigetragen hat. Diesen Anteil möglichst präzise zu bemessen und somit den im Gesamtunternehmen tatsächlich entstandenen Gewinn auf die betrieblichen Teileinheiten zu verteilen, ist die eigentliche und zentrale Aufgabe des Art. 7. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Zurechnungsprinzip den der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinn nicht auf den Unternehmensgesamtgewinn beschränkt. Vielmehr ist es z.B. auch denkbar, dass der Betriebsstätte Gewinne zugerechnet werden, obwohl das Gesamtunternehmen einen Verlust erwirtschaftet hat (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008). Mithin wird damit die Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht durch Art. 7 Abs. 1 Satz 2 eingeschränkt. Allerdings bestimmt Art. 7 Abs. 1 Satz 2 noch keinen konkreten Zurechnungsmaßstab, nach welchem der Gesamterfolg des Unternehmens den in den beiden Vertragsstaaten belegenen Unternehmenseinheiten „zuzurechnen“ ist. Zusammenhang zu Art. 7 Abs. 2. Ein Abgrenzungsmaßstab, welcher die Frage der 87 „Zurechnung“ von Unternehmensgewinnen zur Betriebsstätte konkretisiert, ist nicht in Art. 7 Abs. 1, sondern in Art. 7 Abs. 2 niedergelegt. Danach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzurechnen, die sie als (fiktiv) selbständiges und unabhängiges Unternehmen erzielt hätte. Dieser zentrale Abgrenzungsmaßstab des „dealing at arm’s length“ ist als Konkretisierung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 zu verstehen. Das Zurechnungsprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 steht somit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der in Art. 7 Abs. 2 dargestellten Gewinnabgrenzung nach Maßgabe des Fremdvergleichsgrundsatzes und kann daher nicht ohne Einbeziehung des Art. 7 Abs. 2 konkretisiert werden. Dies wird auch durch den klarstellenden Verweis des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 auf Art. 7 Abs. 2 im Rahmen des „Update 2010“ offensichtlich (vgl. Rz. 8). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Zurechnungsprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 die Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 Abs. 2 nicht einschränkt (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008). Insbesondere steht Art. 7 Abs. 1 Satz 2 einer Zurechnung von Einkünften zu den (rechtlich unselbständigen) Unternehmensteilen (Stammhaus und Betriebsstätte) mit „unterschiedlichen Vorzeichen“ nicht entgegen. Infolgedessen ist es denkbar, dass der Betriebsstätte ein Gewinn (oder Verlust) „zuzurechnen“ ist, obwohl das Gesamtunternehmen einen Verlust (oder Gewinn) erwirtschaftet.6 Neben der Zuordnung von mit fremden Dritten realisierten Erträgen und Aufwendungen kann eine solche asymmetrische Zuordnung von Unternehmensergebnissen insbesondere auch Folge der „Verrechnung“ interner Leistungsbeziehungen sein. Beweislastverteilung. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 steht dem Betriebsstättenstaat nur 88 dann ein Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, wenn nachgewiesen wird, dass im anderen Vertragsstaat die Voraussetzungen einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 5 erfüllt sind. Ferner setzt ein Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates voraus, dass die der Betriebsstätte zuzurechnenden Unternehmensgewinne hinreichend be1 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 409 und 702 ff.; Kleineidam, IStR 1993, 349; Fink, RIW 1988, 43 (45). So auch die Finanzverwaltung in BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.2. und FG Düsseldorf v. 7.12.2010 – 13 K 1214/06 E, EFG 2011, 878, aufgehoben durch BFH v. 7.12.2011 – I R 5/11, BFH/NV 2012, 556. 2 Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 68. 3 Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise3, 830. 4 Debatin, DB 1989, 1739 (1740). 5 BFH v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444. Siehe ferner BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 Rz. 45; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138 Rz. 19. 6 So auch Förster, IStR 2007, 398 (399).
Ditz
535
Art. 7 (2008) Rz. 88
Unternehmensgewinne
stimmbar sind. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 enthält folglich eine Beweislastregelung, welche die in Satz 1 enthaltene Beweislastregel im Hinblick auf das Bestehen einer Betriebsstätte ergänzt (vgl. Rz. 66).1
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Absatz 2) Literatur: Andresen, Missverstandener Authorised OECD Approach bei inländischer Bankbetriebsstätte mit unterjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: Steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Becker, Die Besteuerung von Betriebsstätten, DB 1989, 10; Becker, Funktionsnutzen oder Erwirtschaftungsgrundsatz, DB 1990, 392; Bendlinger, „Dealing at arm’s length“ bei temporären DBA-Betriebsstätten, SWI 1997, 104; Bendlinger, Der Anlagenbau aus der Sicht der OECD, SWI 2005, 109; Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, Anlagenerrichtungen im internationalen Steuerrecht – ein deutsch-österreichischer Praxisbericht, SWI 2002, 265; Busch, Fiktive Transaktionen im Authorised OECD Approach, BB 2012, 2281; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692 und 1739; Ditz, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – Neue Entwicklungen auf Ebene der OECD unter besonderer Berücksichtigung des E-Commerce, IStR 2002, 210; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFHUrteils vom 17.7.2008 und seine Konsequenzen, IStR 2009, 115; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ditz/Pinkernell, Betriebsstättenbegriff, Einkünftequalifikation und Gewinnabgrenzung beim Online-Vertrieb elektronischer Produkte (Teil I), FR 2001, 1193; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben vom 25.8.2009, DStR 2010, 81; Ditz/Tcherveniachki, Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an ausländische Betriebsstätten, Ubg 2012, 101; Förster, Der OECD-Bericht zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns, IWB 3/2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929, 1939 und 1947; Förster, Veröffentlichung der OECD zur Revision des Kommentars zu Artikel 7 OECD-Musterabkommen, IStR 2007, 398; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Greier/Persch, Auswirkungen der Änderung des Art. 7 OECD-MA auf die Gewinnabgrenzung bei Bankbetriebsstätten, BB 2012, 1318; Hemmelrath/Kepper, Die Bedeutung des „Authorised OECD-Approach“ (AOA) für die deutsche Abkommenspraxis, IStR 2013, 37; Hruschka, Die Ent- und Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG, StuB 2006, 584; Kahle, Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts, DStZ 2012, 691; Kahle/Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349 und 395; Kleineidam, Rechtliche und organisatorische Voraussetzungen der Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 141; Kleineidam, Zur veranlassungsorientierten Steuerentstrickung bei grenzüberschreitenden Vorgängen im Unternehmensbereich, IStR 2000, 577; Kleineidam, Die abkommensrechtliche Behandlung von Erträgen aus Beteiligungen im ausländischen Betriebsstättenvermögen oder: Ist der Betriebsstättenvorbehalt gerechtfertigt?, IStR 2004, 1; Kosch, Der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Vergleich zum deutschen Recht, IStR 2010, 42; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 74; Kroppen, Betriebsstätte – Quo Vadis?, IWB 15/2005, Fach 10, Gruppe 2, 1865; Kroppen, Neue Rechtsentwicklungen bei der Betriebsstätte nach Abkommensrecht, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, Köln 2005; Kußmaul/Rainer/Delarber, Leistungsbeziehungen in internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, München 2011; Mitschke, Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urt. v. 17.7.2009 – I R 77/06, FR 2008, 1144; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung – Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2004; Pfarr, Keine Besteuerung bei Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätten, IStR 2000, 42; Prinz, Gesetzgeberische Wirrungen um Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung, DB 2009, 807; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung – Anmerkungen zum BFH-Urt. v. 17.7.2008 – I R 77/06, FR 2009, 22; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Schön, Gewinnermittlung bei Betriebsstätten, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, Köln 2007, 71; Sieker, Betriebsstättengewinn und Fremdvergleichsgrundsatz, DB 1996,
1 Vgl. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 81.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 89–90 Art. 7 (2008)
110; Sieker, Geschäftsleitungsbetriebsstätten bei internationalen Konzernen, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001, 85; Toifl, Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Wassermeyer, Betriebsstättengewinnermittlung nach „dealing at arm’s length“, SWI 2000, 497; Wassermeyer, Dealing-at-arm’s-length-Prinzip in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001, 25; Wassermeyer, Diskriminierungsfreie Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2004, 733; Wassermeyer, Grundsatzprobleme der Betriebsstättengewinnermittlung, SWI 2006, 254; Wassermeyer, Entstrickung versus Veräußerung und Nutzungsüberlassung steuerrechtlich gesehen, IStR 2008, 176; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung und EU-Recht, IStR 2011, 813; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Staaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006.
I. Regelungszweck Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Während Art. 7 Abs. 1 das Besteuerungsrecht 89 des Betriebsstättenstaates an Unternehmensgewinnen dem Grunde nach bestimmt, regelt Art. 7 Abs. 2 mit dem Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab zur Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte bzw. zwischen mehreren Betriebsstätten der Höhe nach. Die Vorschrift ist als Konkretisierung des Zurechnungsprinzips des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 zu verstehen (vgl. Rz. 86 ff.). Art. 7 Abs. 2 bestimmt dazu als zentrales Prinzip (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008) den Fremdvergleichsgrundsatz („dealing at arm’s length“-Prinzip). Um dessen Anwendung im Hinblick auf die rechtliche Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu ermöglichen, enthält die Vorschrift die sog. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 92). Nach der sog. Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte sind das Stammhaus und die Betriebsstätte in diesem Zusammenhang als „völlig unabhängig“ zu behandeln (vgl. Rz. 93). Folglich enthält Art. 7 Abs. 2 im Ergebnis zwei Fiktionen (Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte), welche die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes als maßgebendes Prinzip der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung ermöglichen. Die Auslegung und Konkretisierung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte sowie die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf unternehmensinterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen gehören zu den umstrittensten Themen der internationalen Unternehmensbesteuerung.1
II. Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte 1. Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte Stellung der Betriebsstätte im Gesamtunternehmen. Weder die handelsrechtliche 90 Zweigniederlassung (§ 13 HGB)2 noch die steuerliche Betriebsstätte (§ 12 AO und Art. 5) verfügen über eine eigene Rechtspersönlichkeit. Vielmehr stellen sie – je nach Umfang ihrer Tätigkeit – eine mehr oder weniger organisatorisch bzw. wirtschaftlich selbständige Einheit des Unternehmens dar.3 Ausgehend von ihrer zivilrechtlichen Unselbständigkeit bildet die Betriebsstätte mit dem Stammhaus demnach ein Einheitsunternehmen, das im Falle einer im Ausland belegenen Betriebsstätte als internationales Einheitsunternehmen bezeichnet wird. Von einem Einheitsunternehmen zu unterscheiden sind verbundene Unternehmen, die als zivilrechtlich voneinander getrennte Rechtssubjekte agieren und zivilrechtlich wirksame Verträge miteinander abschließen können (vgl. Rz. 22).
1 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 1. 2 Die handelsrechtliche Zweigniederlassung ist eine von der Hauptniederlassung räumlich getrennte, selbst nicht rechtsfähige Einrichtung, die mit einer gewissen personellen und organisatorischen Eigenständigkeit im Außenverhältnis wie ein selbständiges Unternehmen am Geschäftsverkehr teilnimmt, im Innenverhältnis gegenüber der Hauptniederlassung jedoch weisungsgebunden ist. Vgl. BGH v. 8.5.1972 – II ZR 155/69, NJW 1972, 1859; BayObLG v. 11.5.1979 – 1 Z 21/79, BB 1980, 335. 3 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 91–93
Unternehmensgewinne
91
Keine schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen. Die Wertung der Betriebsstätte als rechtlich unselbständiger Unternehmensteil hat zur Folge, dass schuldrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen dem Stammhaus und der Betriebsstätte nicht bestehen können. Nach Auffassung der Rspr. sind derartige „Verträge“ als „In-sich-Geschäfte“ zu qualifizieren und infolgedessen steuerrechtlich unbeachtlich.1 Allerdings konstatiert der BFH auch, dass Leistungen zwischen den Unternehmensteilen, z.B. in Form der Überführung von Wirtschaftsgütern oder der Erbringung von Dienstleistungen, grundsätzlich möglich seien (vgl. Rz. 151 ff.).2 Die unternehmensinternen Lieferund Leistungsbeziehungen begründen jedoch keine zivilrechtlichen Forderungen und Verbindlichkeiten, sodass ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist. Nur das Gesamtunternehmen selbst (in Form einer natürlichen oder juristischen Person als Unternehmensträger) kann letztlich Träger von Rechten und Pflichten sein und haftet für Schulden sowohl des Stammhauses als auch der Betriebsstätte. Eine Ausnahme gilt im Verhältnis eines Gesellschafters (Mitunternehmers) zu seiner Personengesellschaft: Zwar ist die Betriebsstätte der Personengesellschaft abkommensrechtlich dem jeweiligen Mitunternehmer zuzuordnen (vgl. Rz. 68); die Personengesellschaft stellt indessen ein eigenständiges Rechtssubjekt dar, welches auch mit seinem Gesellschafter Vertragsbeziehungen eingehen kann (vgl. Rz. 48).3
92
Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist eine Betriebsstättengewinnabgrenzung auf Basis der zivilrechtlichen Gegebenheiten nicht brauchbar. Denn zivilrechtlich kann nur das Gesamtunternehmen als solches Verbindlichkeiten und Forderungen eingehen; infolgedessen können auch nur für dieses Aufwendungen und Erträge entstehen. Ferner kann eine betriebliche Teileinheit kein selbständiges Eigentum an Vermögen erwerben. Daher ist nur ein Maßstab zur Betriebsstättengewinnabgrenzung geeignet, der – im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise – von der zivilrechtlichen Unselbstständigkeit der Betriebsstätte abstrahiert. In diesem Zusammenhang gibt Art. 7 Abs. 2 zwei Fiktionen vor: Zum einen fingiert die Vorschrift, dass die Betriebsstätte ihre Tätigkeit als „selbständiges Unternehmen“ ausübt (sog. Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte). Diese Annahme stellt die Betriebsstätte auf eine mit einer Tochter-Kapitalgesellschaft vergleichbare Ebene und schafft somit die Voraussetzung, für Zwecke der Gewinnabgrenzung von einem Leistungsaustausch zwischen den betrieblichen Teileinheiten auszugehen, obwohl zivilrechtlich reine Innenumsätze vorliegen.
93
Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Zum anderen sieht Art. 7 Abs. 2 vor, dass die als selbständiges Unternehmen zu behandelnde Betriebsstätte im Lieferungs- und Leistungsaustausch mit dem Stammhaus als „völlig unabhängig“ zu behandeln ist.4 Diese Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte entspricht in ihrem Aussagegehalt dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 bei (rechtlich selbständigen) verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 7 Rz. 14 OECD-MK 2008).5 Infolgedessen sind der Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie erzielt hätte, wenn „sie statt mit anderen Unternehmensteilen mit einem völlig fremden Unternehmen zu den Bedingungen und Preisen des freien Marktes in Geschäftsbeziehungen gestanden hätte“ (vgl. Art. 7 Rz. 14 OECD-MK 2008). Die Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind demnach daraufhin zu untersuchen, ob sie im Verhältnis zwischen unabhängigen Dritten ebenso ausgestaltet und der Höhe nach „verrechnet“ worden wären (sog. Fremdvergleichspreis, vgl. Rz. 156 f.). Ferner ist zu prüfen, welche Erträge bzw. Aufwendungen bei einem Verhal-
1 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 2 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 28.1.1976 – I R 84/74, BStBl. II 1976, 744; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.20. 4 A.A. Kroppen in B/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 92, der die „doppelte Fiktion“ des Art. 7 Abs. 2 auf die Begriffe „selbständige“ und „Unternehmen“ bezieht. 5 Vgl. Wassermeyer, StbJb 1998/99, 157 (161).
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 93–96 Art. 7 (2008)
ten wie unter fremden Dritten bei dem Stammhaus oder seiner Betriebsstätte angefallen wären (vgl. Rz. 143 ff. und 146 ff.). Verhältnis der Fiktionen zueinander. Die Fiktionen der Selbständigkeit und der 94 Unabhängigkeit der Betriebsstätte stehen nicht selbstständig nebeneinander, sondern sind in einem inneren Zusammenhang zu sehen. Letztlich ist die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte notwendig, um in einem nächsten Schritt deren Unabhängigkeit gegenüber dem Stammhaus zu fingieren und somit – wie im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 9 Rz. 49 ff.) – die Voraussetzungen für die Durchführung eines Fremdvergleichs zu schaffen. Dagegen würde ohne die Unterstellung einer Selbständigkeit der Betriebsstätte ein Fremdvergleich scheitern, da die zivilrechtliche Einheit von Stammhaus und Betriebsstätte der Betrachtung zweier unabhängiger Marktpartner entgegenstehen würde. Eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion. Die Frage, wie weit die Selbständigkeits- 95 fiktion der Betriebsstätte – insbesondere im Hinblick auf die Erfassung und „Abrechnung“ unternehmensinterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen mit ihrem Stammhaus – reichen soll, ist umstritten. Im Wesentlichen wird dabei zwischen einer eingeschränkten und einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes unterschieden (eingeschränkte versus uneingeschränkte Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte).1 Im Rahmen der Interpretation der Selbständigkeitsfiktion als nur eingeschränkte fiktive Verselbständigung der Betriebsstätte soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Betriebsstätte nur unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens ist und Verträge zwischen den betrieblichen Teileinheiten nicht möglich sind. Demnach findet nach dieser Auffassung der Fremdvergleich dort „sein Ende“, wo Betriebsstätte und Stammhaus als zivilrechtliche Einheit nicht wie fremde Dritte miteinander verkehren können.2 Eine solche Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte führt letztlich dazu, dass ein fremdvergleichsorientiertes Entgelt, das i.d.R. eine Gewinnkomponente enthält, grundsätzlich nicht verrechnet werden darf.3 Ausnahmen werden allerdings für die Verrechnung bestimmter unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen eingeräumt. Dies gilt insbesondere für die unternehmensinterne Überführung von Wirtschaftsgütern, bei der prinzipiell ein Fremdvergleichspreis zu verrechnen sei.4 Schließlich ist nach Auffassung der OECD im Rahmen der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (sog. „Relevant Business Approach“) der Gewinn einer Betriebsstätte auf den im Rahmen einer bestimmten Geschäftstätigkeit durch das Gesamtunternehmen realisierten Gewinn beschränkt.5 Uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion: Auch im Hinblick auf die uneinge- 96 schränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte, welche von der OECD als sog. „Functionally Separate Entity Approach“ bzw. „Authorised OECD Approach“ bezeichnet werden (vgl. Rz. 99 ff.), wird grundsätzlich anerkannt, dass es aufgrund der rechtlichen Einheit von Stammhaus und Betriebsstätte zwischen beiden keine Rechtsbeziehungen geben kann. Jedoch erfordere die Fiktion zweier selbständiger, unabhängiger Unternehmen, dass hinsichtlich der Gewinnabgrenzung die interne Liefer- und Leistungsverrechnung uneingeschränkt wie unter fremden Dritten zu erfolgen habe. Dementsprechend sei der Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt 1 Zu einer detaillierten Darstellung der Diskussion über die Reichweite der Selbständigkeitsfiktion vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 323 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.267. 2 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.268; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECDMA Rz. 82; Wassermeyer, IStR 2004, 733 ff.; Ritter, JbFSt 1976/1977, 288 (301); Debatin, DB 1989, 1739 (1739); Debatin, BB 1992, 1181 (1184); Bendlinger, SWI 1997, 104 (106 f.). 3 Vgl. Neubauer, JbFSt 1976/1977, 312 (314); Debatin, DB 1989, 1739 (1740); Gundel in Fischer, Steuerplanung zwischen Abkommens- und nationalem Außensteuerrecht, Köln 1998, 121 (150 f.). 4 Vgl. für viele Fink, RIW 1988, 43 (48). 5 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Paris 2008, Part I Rz. 61 f.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 96–98
Unternehmensgewinne
anzuwenden, sodass alle Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu Fremdvergleichspreisen abzurechnen seien.1 Mithin sind damit auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung die für verbundene Unternehmen geltenden Regelungen – insbesondere in Form der OECD-Leitlinien 2010 – anzuwenden. 97
Bestehende Rechtsunsicherheiten. Sowohl die eingeschränkte als auch die uneingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte finden zahlreiche Befürworter und wurden sowohl in der deutschsprachigen (vgl. Rz. 95) als auch in der internationalen Literatur2 kontrovers diskutiert. Im Ergebnis ist die Frage der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte – wie auch die grundlegende Anpassung des Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“ zeigt – bislang nicht abschließend beantwortet. Dieser Zustand hat in der Praxis zu einem erheblichen Konfliktpotenzial zwischen dem Steuerpflichtigen und den Finanzbehörden geführt und birgt für das steuerpflichtige Unternehmen die Gefahr einer oft jahrelang andauernden Rechtsunsicherheit bzw. das Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung, welche nur über ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren vermieden werden kann. 2. Auffassung der OECD
98
OECD-MK 1994. Der OECD-MK wurde 1994 aufgrund eines Sonderberichts der OECD unter dem Titel „Attribution of Income to Permanent Establishments“ v. 26.11.19933 grundlegend überarbeitet und in dieser Fassung bis 2008 nicht wieder angepasst. Der Bericht beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Reichweite der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. In diesem Zusammenhang wird zunächst ein „Methodendualismus“ der OECD-Mitgliedsstaaten konstatiert,4 wobei im Kern die Frage erörtert wird, inwieweit ein marktorientierter Preis bzw. bloße Aufwendungen für Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen sind. Die OECD stellt dazu grundlegend fest, dass das in Art. 7 Abs. 2 kodifizierte Fremdvergleichsprinzip mit dem des Art. 9 für verbundene Unternehmen übereinstimmt.5 Eine solche Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte wird durch Art. 7 Rz. 12.1 OECD-MK 1994 unterstützt, nach der zwar unternehmensinterne Vereinbarungen keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, jedoch derartige „Agreements“ steuerlich zu beachten sind, wenn sie den betrieblichen Funktionen Rechnung tragen und bei der Betriebsstätte und dem Stammhaus „spiegelbildlich“ angewandt werden. Hinsichtlich der Behandlung einzelner unternehmensinterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen schränkt der OECD-MK 1994 die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes jedoch erheblich ein:6 – Grundsätzlich sind Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte mit einem „Verkaufspreis“, d.h. mit einem angemessenen Ge1 Vgl. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 98; Kroppen, IStR 2005, 74 ff.; Gundel in Fischer, Steuerplanung zwischen Abkommens- und nationalem Außensteuerrecht, Köln 1998, 121 (135 f.); Kluge, StuW 1975, 294 (304 f.); Sieker, DB 1996, 110 (112 f.); IDW, WPg 1996, 365 (367 f.). 2 Vgl. etwa OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Paris 2008, Part I Rz. 8 ff., 61 ff. und 69 ff.; Kobetsky, BIFD 2006, 411 (415 ff.); Bennett/Dunahoo, Intertax 2005, 51 (54 ff.); Russo, BIFD 2004, 472 (477 ff.); Burgers, BIFD 1995, 137 (137 f.); Athanas, CDFI 1996, 21 (43 f.). 3 Vgl. OECD, Attribution of Income to Permanent Establishments, Paris 1993. Dieser Bericht wird im Schrifttum – trotz seiner Verabschiedung in 1993 – stets als OECD-Betriebsstättenbericht 1994 zitiert. 4 Zu einer Zusammenfassung des OECD-Betriebsstättenberichts 1994 vgl. Menck, IStR 1994, Beihefter V, 1; Loukota in Lang/Loukota/Lüthi, Die Weiterentwicklung des OECD-Musterabkommens, 53 (59 ff.); zur Kritik siehe Romyn, Intertax 1994, 470 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (111 ff.). 5 Vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 1994. 6 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 116 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 165 ff.
540
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 98 Art. 7 (2008)
winnaufschlag, zu verrechnen, wenn das „Unternehmen im normalen Gang seiner Geschäftsführung“1 auch gegenüber einem Dritten einen solchen in Rechnung stellen würde.2 – Vor diesem Hintergrund ist nach dem OECD-MK 1994 zu Art. 7 die Überführung von Waren in Form von Fertigprodukten, Rohmaterialien oder Halbfertigfabrikaten in eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte grundsätzlich mit dem Fremdvergleichspreis zu verrechnen, wobei „ein nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs zu bemessender Gewinn“3 zu berücksichtigen sei. Analog sei auch bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorzugehen, wobei zutreffend (vgl. Rz. 35 ff.) darauf hingewiesen wird, dass sich der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung nach innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften bestimmt.4 – Im Rahmen der Nutzungsüberlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern sind dagegen die tatsächlich entstandenen Kosten „ohne jeden Gewinn- oder Lizenzaufschlag“5 aufzuteilen. Eine unternehmensinterne Verrechnung von Lizenzgebühren ist daher im OECD-MK 1994 nicht vorgesehen. – Auch im Hinblick auf die zeitlich befristete Überlassung von materiellen Wirtschaftsgütern6 sowie für die Überlassung von Finanzmitteln bzw. die Erbringung von Finanzdienstleistungen7 ist eine bloße Kostenverrechnung (ohne Gewinnaufschlag) vorgesehen. Eine Ausnahme zu dieser Grundregel besteht lediglich für geld- und kreditwirtschaftliche Unternehmen, „weil die Gewährung und Entgegennahme von Krediten in engem Zusammenhang mit der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen steht.“8 – Erbringt ein Unternehmensteil Dienstleistungen, die „ganz oder teilweise Gegenstand des Unternehmens“ sind und existieren für deren Erbringung „standardisierte Entgelte“9, soll ein Fremdvergleichspreis verrechnet werden. Im Weiteren sind die zu verrechnenden Kosten ebenfalls um einen Gewinnaufschlag zu erhöhen, wenn eine von der Betriebsstätte an das Stammhaus und/oder an andere Betriebsstätten erbrachte Dienstleistungen deren „Haupttätigkeit“ darstellt und die entsprechenden Kosten einen „bedeutsamen Teil des Unternehmensaufwands“10 ausmachen. – Leistungen der Geschäftsführung sind nach Maßgabe des OECD-MK 1994 ebenfalls lediglich in Höhe der angefallenen Aufwendungen zu verrechnen.11 Die vorstehende Betrachtung macht offensichtlich, dass die OECD im OECD-MK 1994 von einer nur eingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung ausgeht. Darüber hinaus trägt die OECD durch ambivalente Aussagen dazu bei, die aus der Betriebsstättengewinnabgrenzung resultierende Rechtsunsicherheit zu verstärken. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang nur auf die widersprüchliche Auslegung des Verhältnisses der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte zu Art. 7 Abs. 3 (vgl. Rz. 111 und 213) und die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu verweisen. Die Berücksichtigung innerbetrieblicher „Agreements“ bleibt ebenfalls völlig unklar. Die OECD begründet ihren Interpretationsansatz mit praktischen Gesichtspunkten,12 der zivilrechtlichen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Art. 7 Rz. 17.1 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 31 OECD-MK 2008. Vgl. ferner Art. 7 Rz. 17.2 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 32 OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 17.3 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 33 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 15 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 21 f. OECD-MK 2008. Ein derartiger Hinweis war in Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 1977 noch nicht enthalten. Art. 7 Rz. 17.4 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 34 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 17.3 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 33 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 18 ff. OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 41 ff. OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 19 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 49 OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 17.5 OECD-MK 1994 (beide Zitate) und Art. 7 Rz. 35 OECD-MK 2008. Art. 7 Rz. 17.6 OECD-MK 1994 (beide Zitate) und Art. 7 Rz. 36 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 21 f. OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 38 OECD-MK 2008. Vgl. Art. 7 Rz. 17.4 und 21 OECD-MK 1994 und Art. 7 Rz. 34 und 38 OECD-MK 2008.
Ditz
541
Art. 7 (2008) Rz. 98–100
Unternehmensgewinne
Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte1 sowie dem Risiko künstlicher Gewinnverlagerungen.2 99
OECD-Betriebsstättenbericht 2008. Nachdem auch der auf Basis des OECD-Betriebsstättenberichts 1994 angepasste OECD-MK (vgl. Rz. 98) nicht zu einer einheitlichen Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte führte, hat die OECD das Thema der Betriebsstättengewinnabgrenzung bereits im Jahr 2001 erneut aufgegriffen und einen ersten Entwurf im Hinblick auf eine uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung veröffentlicht.3 Die Arbeiten des OECD-Steuerausschusses mündeten – nach weiteren Berichtsentwürfen im Dezember 20064 und August 20075 – in einem konsolidierten OECD-Betriebsstättenbericht „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“, welcher am 17.7.2008 veröffentlicht wurde (kurz: OECDBetriebsstättenbericht 2008).6 In diesem Bericht wurde der „Functionally Separate Entity Approach“ als „Authorised OECD Approach“ definiert.7 Mit diesem „Authorised OECD Approach“ hat der Steuerausschuss der OECD erstmals ein ganzheitliches Konzept zur Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung definiert, welcher weit über die Analyse der Betriebsstättengewinnabgrenzung i.S.d. Art. 7 im OECD-Betriebsstättenbericht 1994 (vgl. Rz. 98) hinausgeht. Kernthese ist dabei eine uneingeschränkte Umsetzung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2, wobei die Betriebsstättengewinnabgrenzung in zwei Stufen vorzunehmen ist (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 22 ff.).8
100
Stufe 1 des „Authorised OECD Approach“. Im Rahmen der ersten Stufe der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist – unter Berücksichtigung der Betriebsstätte als fiktiv eigen- und selbständiges Unternehmen – eine detaillierte Funktionsanalyse durchzuführen (vgl. Rz. 121 ff.).9 Im Rahmen dieser Funktionsanalyse, welche sich an die Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 (vgl. Art. 9 Rz. 52 f.) anlehnt, werden die von den einzelnen Unternehmensteilen ausgeübten Funktionen, von ihnen wahrgenommenen Risiken und von ihnen eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen im Einzelnen analysiert.10 Den konkreten Maßstab für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken bilden dabei die wesentlichen Personalfunktionen („Significant People Functions“), welche Grundlage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 124)
1 Vgl. Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 1994. 2 Vgl. Art. 7 Rz. 12.1 und 18 OECD-MK 1994. 3 Vgl. OECD, Discussion Draft on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, Paris Februar 2001 und dazu Ditz, IStR 2005, 37 ff. 4 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments – Part I (General Considerations), II (Banks) and III (Global Trading), Paris Dezember 2006; vgl. dazu Förster, IStR 2007, 398 ff.; Bennett/Russo, ITPJ, September/October 2007, 279 ff. 5 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments – Part IV (Insurance) – revised Public Discussion Draft, Paris August 2007; vgl. dazu Förster, IStR 2008, 800. 6 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments v. 17.7.2008, Paris 2008. Vgl. dazu auch Kroppen in FS Herzig, 1072 ff.; Kosch, IStR 2010, 42 ff.; Bennett, ET 2008, 467 ff. 7 Zur Entwicklung des „Authorised OECD Approach“ vgl. auch Ditz, IStR 2002, 210 ff.; Förster/ Naumann, IWB 2004, Fach 10, Gruppe 2, 1777 ff.; Russo, BIFD 2004, 479 ff.; Bennett/Dunahou, Intertax 2005, 51 ff.; Ditz, IStR 2005, 37 ff.; Russo, ITPJ 2005, 7 (10 ff.); Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 ff.; Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1939 ff.; Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1947 ff.; Bennett/Russo, ITPJ 2007, 279 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1071 ff.; Konrad, IStR 2003, 786 ff.; Ditz, ISR 2012, 48 ff. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 85 ff.; Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (82 f.). 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 ff. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 ff. Siehe ferner Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (759); Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 (1930); Förster, IStR 2005, 617 (621 f.); Ditz, IStR 2005, 37 (38 f.).
542
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 100–101 Art. 7 (2008)
und Risiken (vgl. Rz. 123) zu den unternehmerischen Teileinheiten bilden. Ferner wird in der ersten Stufe der Betriebsstättengewinnabgrenzung die Frage analysiert, in welcher Art und Weise Funktionen von der Betriebsstätte ausgeübt werden, z.B. als eigenständige Funktion der Betriebsstätte oder als Dienstleistung für einen anderen Unternehmensteil.1 Im Rahmen der Funktionsanalyse ist dabei auch zu analysieren, welche Auswirkungen von der Funktionsausübung der Betriebsstätte auf die Erwirtschaftung von Gewinnen ausgehen, d.h., ob es sich bei der entsprechenden Funktion um eine Neben- oder Unterstützungsfunktion oder um eine Hauptfunktion handelt. Im Einzelnen (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 23 ff.):2 – Zuordnung von Risiken: Während zwischen verbundenen Unternehmen Risiken über entsprechende vertragliche Vereinbarungen zugeordnet werden können, ist dies – aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – im internationalen Einheitsunternehmen nicht möglich (vgl. Rz. 90). Für Zwecke der Gewinnabgrenzung sind daher die Risiken des Gesamtunternehmens (z.B. Absatz-, Markt-, Preis-, Lager-, Kredit-, Währungs- und Gewährleistungsrisiko) den betrieblichen Teileinheiten unter Berücksichtigung der wesentlichen Personalfunktionen zuzuordnen (vgl. Rz. 123).3 – Zuordnung von Wirtschaftsgütern: Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 124 ff.) erfolgt auf Basis eines funktionalen Zusammenhangs.4 Während in Bezug auf materielle Wirtschaftsgüter i.d.R. der Ort der Nutzung entscheidend ist, ist die Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter davon abhängig, in welchem Unternehmensteil die wesentlichen Personalfunktionen im Hinblick auf das entsprechende immaterielle Wirtschaftsgut ausgeübt werden.5 Maßgeblich sind dabei die Entscheidung über das Entwicklungsrisiko und dessen Verwaltung.6 – Zuordnung von Dotationskapital: Der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken zur Betriebsstätte ist ihre Dotation mit „freiem“ Kapital nachgelagert (vgl. Rz. 135 ff.).7 Die Zuordnung wesentlicher Personalfunktionen zur Betriebsstätte hat damit unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe ihres Dotationskapitals. In diesem Zusammenhang beschreibt der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 mehrere Methoden (einschließlich ihrer Vor- und Nachteile), auf Basis welcher das Dotationskapital der Betriebsstätte ermittelt werden kann. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Betriebsstätte über ausreichend Eigenkapital verfügen muss, um die ihr wahrgenommenen Funktionen, die ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter und die von ihr übernommenen Risiken finanzieren zu können.8 Stufe 2 des „Authorised OECD Approach“. Der „Authorised OECD Approach“ er- 101 kennt Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte an.9 Dies gilt nicht nur – wie bisher (vgl. Rz. 98) – in Bezug auf unternehmensinterne Warenlieferungen, sondern bezieht sich auf sämtliche, zwischen unabhängigen Dritten denkbaren Leistungsbeziehungen (wie z.B. Dienstleistungen sowie die Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern). Zur konkreten Bepreisung der unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen (sog. „Dealings“) kommen dabei die allgemeinen Verrechnungspreisgrundsätze, d.h. die Preisvergleichs-, die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode sowie die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethoden, zur Anwendung (vgl. Art. 9 Rz. 61 ff.). Dies gilt sowohl für die Überführung von materiellen10 und immateriellen11 Wirtschaftsgütern als auch
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 89. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 91. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 97 und 99 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104 ff. und 114 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 116. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 31. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 136 und 141. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 207 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 229 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 235 ff. und 241 ff.
Ditz
543
Art. 7 (2008) Rz. 101–103
Unternehmensgewinne
für die Erbringung unternehmensinterner Dienstleistungen.1 Die noch im OECD-Betriebsstättenbericht 1994 bzw. im OECD-MK 1994 vorgesehene Beschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Überführung von Wirtschaftsgütern wird damit im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 abgelehnt. Insofern kommt es zu einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung, wobei die reine Belastung von Kosten nur noch in Ausnahmefällen vorgesehen ist.2 102
Bedeutung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008. Der im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 dargestellte „Authorised OECD Approach“ beschreibt Einzelheiten der bevorzugten Interpretation des Art. 7 durch die OECD-Mitgliedsstaaten.3 In diesem Zusammenhang wird insbesondere festgestellt, dass der „Authorised OECD Approach“ gegenüber der bisherigen Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte durch die OECD den deutlich besseren Interpretationsansatz darstellt. Diese Aussagen belegen die zentrale Rolle des „Authorised OECD Approach“. Daher hat die OECD am 17.7.2008 beschlossen, den im Rahmen des „Authorised OECD Approach“ definierten „Functionally Separate Entity Approach“ in den OECD-MK 2008 aufzunehmen. In einem zweiten Schritt wurde Art. 7 und der OECD-MK durch das „Update 2010“ völlig neu gefasst. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit der im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 niedergelegte Interpretationsansatz auch im Hinblick auf bereits abgeschlossene DBA anzuwenden ist. Hierzu ist einerseits zu berücksichtigen, dass der OECD-MK 2008 (vgl. Rz. 103) an zahlreichen Stellen auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 verweist. Dies spricht für eine Berücksichtigung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 im Hinblick auf die Auslegung bereits bestehender DBA. Andererseits kannten die Vertragsstaaten im (damaligen) Zeitpunkt des DBA-Abschlusses den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 nicht und konnten daher seinen Interpretationsansatz nicht dem konkreten DBA zugrunde legen. Da der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 mit dem „Authorised OECD Approach“ erheblich von dem bis dahin bestehenden OECD-MK (insbesondere in der Fassung von 1994, vgl. Rz. 98) abweicht, kann er zur Auslegung bereits bestehender DBA folglich allenfalls insoweit herangezogen werden, als die dort beschriebenen Grundsätze klarstellender Natur sind.4 Dies ist indessen nur im Hinblick auf einige wenige Passagen der Fall. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 nur sehr bedingt im Hinblick auf die Auslegung bereits in 2008 bestehender DBA Anwendung finden kann. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Erkenntnisse des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 (insbesondere in Form des „Authorised OECD Approach“) nur sehr bedingt Eingang in das „Update 2008“ des OECD-MK gefunden haben (vgl. Rz. 103). In Bezug auf DBA, welche auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2010 abgeschlossen werden, ist indessen der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 als „Auslegungshilfe“ uneingeschränkt heranzuziehen. Dies wird durch die Tatsache unterstützt, dass der OECD-MK 2010 in Bezug auf Detailfragen der Betriebsstättengewinnabgrenzung keine Einzelheiten regelt, sondern häufig auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008 verweist.
103
OECD-MK 2008. Zur Umsetzung des „Authorised OECD Approach“ hat die OECD einen zweistufigen Plan (sog. „Implementation Package“) verfolgt. So wurde neben der Entwicklung eines neu konzipierten Art. 7 OECD-MA 2010 parallel an einer Revision des OECD-MK gearbeitet. Die Arbeiten des OECD-Steuerausschusses mündeten in einem „Update 2008“ des OECD-MK, wobei lediglich solche Änderungen im Hinblick auf die Umsetzung des „Authorised OECD Approach“ aufgenommen wurden, welche mit dem existierenden OECD-MK (in der Fassung von 1994) in keinem Konflikt stehen.5 In den OECD-MK 2008 wurden folglich nur einige Aussagen des 1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 251 ff. sowie die Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern. 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 232 ff. und 246 ff. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 6 und 9. 4 A.A. Kosch, IStR 2010, 42 (45). 5 Vgl. OECD, The 2008 Update to the Model Tax Convention v. 18.7.2008, Paris 2008. Vgl. dazu z.B. Bendlinger, SWI 2008, 545 ff.; Russo, ET 2008, 459 ff.; Panayi, ET 2007, 452 ff.
544
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 103 Art. 7 (2008)
„Authorised OECD Approach“ aufgenommen, wobei im Ergebnis an einer nur eingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte festgehalten wird. Im Einzelnen wurden im OECD-MK 2008 gegenüber der Version aus 1994 (vgl. Rz. 98) folgende wesentliche Änderungen vorgenommen: – Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008 stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass es zu einer inkongruenten Ergebniszurechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kommen kann. Infolgedessen kann der Betriebsstätte auch dann ein Gewinn (Verlust) zugeordnet werden, wenn das Gesamtunternehmen einen Verlust (Gewinn) erwirtschaftet (vgl. Rz. 86 f.). Insoweit handelt es sich um eine Klarstellung des OECD-MK. – In Art. 7 Rz. 16, 19 und 20 OECD-MK 2008 wurden konkrete Anforderungen im Hinblick auf die Betriebsstättenbuchführung und die Dokumentation der Betriebsstättengewinnabgrenzung aufgenommen.1 In diesem Zusammenhang wird klargestellt, dass die Dokumentation des Unternehmens von den Vertragsstaaten anzuerkennen ist, wenn sie den wirtschaftlichen Gehalt der unternehmensinternen Aktivität zutreffend abbildet und die Dokumentation nicht gegen die Prinzipien des „Authorised OECD Approach“ verstößt. Mithin ist damit auch nach dem OECD-MK 2008 die Funktionsanalyse Grundlage der Betriebsstättengewinnabgrenzung (vgl. Rz. 121 ff.). – Der OECD-MK 2008 betont in Rz. 17 f. die Bedeutung der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung und verweist auf das zweistufige Verfahren des „Authorised OECD Approach“ des OECD-Betriebsstättenberichts (vgl. Rz. 100 f.).2 Im Übrigen knüpft der OECD-MK 2008 in Rz. 17 und 18 zu Art. 7 unmittelbar an die Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 zur Funktionsanalyse (Stufe 1) und der Bewertung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen (Stufe 2) an. – Wenngleich die OECD im Hinblick auf die Anpassung des OECD-MK 2008 die Zielsetzung verfolgt, den „Authorised OECD Approach“ soweit als möglich umzusetzen, sind wesentliche Ausführungen des OECD-MK 1994 in Bezug auf die eingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 98) beibehalten worden. Eine Streichung dieser Beschränkungen hätte – so die OECD – eine völlige Abkehrung von ihrer bisherigen Sichtweise bedeutet und wurde aus diesem Grund unterlassen. Infolgedessen bleiben die Ausführungen des OECD-MK 2008 weit hinter den Grundsätzen des „Authorised OECD Approach“ zurück. Infolgedessen kann in Bezug auf den OECD-MK 2008 nicht von einer Umsetzung des „Authorised OECD Approach“ ausgegangen werden. Die Bedeutung der OECDLeitlinien 2010 beschränkt sich vielmehr auf den Bereich der Funktionsanalyse. Im Hinblick auf die Ermittlung der für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen anzusetzenden „Vergütung“ kommt den OECD-Leitlinien 2010 (weiterhin) lediglich eine sehr untergeordnete Bedeutung zu. – In den OECD-MK 2008 wurden erstmalig konkrete Regelungen zur Bau- und Montagebetriebsstätte (vgl. Art. 7 Rz. 23–25 OECD-MK 2008) und zur Vertreterbetriebsstätte (vgl. Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2008) aufgenommen. – Die wohl umfangreichsten Änderungen des OECD-MK 2008 beziehen sich auf den Bereich der Verrechnung von Zinsaufwendungen (vgl. Art. 7 Rz. 41–50 OECD-MK 2008). Dabei hält die OECD an dem Verbot der Verrechnung von Zinsen für interne Kapitalüberlassungen fest (vgl. Art. 7 Rz. 41 f. OECD-MK 2008). Auch insoweit bleibt der OECD-MK 2008 hinter dem „Authorised OECD Approach“ zurück, der in Bezug auf Finanzierungsbetriebsstätten (sog. „Treasury Functions“) die Berücksichtigung von internen Zinsaufwendungen zulässt. Im Ergebnis ist auch der OECD-MK 2008 von einer nur eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte geprägt; der „Authorised OECD Approach“ wurde nicht stringent umgesetzt. 1 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 39. 2 Vgl. Art. 7 Rz. 17 OECD-MK 2008 i.V.m. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 ff. und 218 ff.
Ditz
545
Art. 7 (2008) Rz. 104–105
Unternehmensgewinne
104
OECD-MK 2010. Art. 7 wurde in der Fassung des „Update 2010“ völlig neu gefasst (vgl. Rz. 11). Hintergrund der Änderungen war eine Umsetzung des „Authorised OECD Approach“, wodurch eine uneingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung umgesetzt wird (vgl. Rz. 99 ff.). Der im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Detail dargestellte „Functionally Separate Entity Approach“ wird im OECD-MK 2010 uneingeschränkt angewendet, wobei seine Grundsätze in einen neuerlichen OECD-Betriebsstättenbericht v. 22.7.2010 – nach einer redaktionellen Überarbeitung und einer Anpassung an die OECD-Verrechnungspreisleitlinie 2010 – übernommen wurden (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 7 und 22 ff.). Seit 2010 basieren somit sowohl Art. 7 als auch der OECD-MK auf einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach dem „Authorised OECD Approach“ (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 5 ff. und 22 ff.).
105
Zeitliche Anwendung des OECD-MK. Hinsichtlich der Frage, welche Fassung des OECD-MK für die Auslegung eines DBA heranzuziehen ist, verfolgt die OECD eine dynamische Auslegung: Danach soll auch ein neugefasster OECD-MK zur Auslegung bereits bestehender DBA herangezogen werden, da er den übereinstimmenden Willen der OECD-Mitgliedsstaaten widerspiegelt (vgl. Einleitung OECD-MK 2010 Rz. 33–35). Auch die deutsche Finanzverwaltung scheint dieser Auffassung zu folgen.1 Wenngleich eine solche Heranziehung der jeweils aktuellsten Version des OECD-MK zur Auslegung eines DBA aus praktischen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll ist, folgt der BFH dieser Auffassung nicht. Die Rspr. geht vielmehr davon aus, dass zur Auslegung eines DBA immer die Fassung des OECD-MK heranzuziehen ist, welche im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA gültig war.2 Diese Sichtweise lässt sich mit völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen begründen, wobei lediglich Art. 31 Abs. 3 WVK für die Berücksichtigung von neueren Versionen des OECD-MK sprechen könnte. Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK setzt hingegen eine „spätere Übereinkunft“ zwischen den Vertragsstaaten voraus. Gerade eine solche liegt indessen beim OECD-MK nicht vor, da dieser nicht von den Vertragsstaaten selbst, sondern von den Finanzbehörden der Vertragsstaaten entwickelt wird.3 Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK ist folglich kein taugliches Mittel zur Berücksichtigung späterer Kommentarversionen bei der Auslegung von bereits bestehenden DBA. Im Übrigen scheint auch Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WVK nicht geeignet, eine dynamische Auslegung des OECD-MK zu rechtfertigen.4 Damit ist der Auffassung des BFH zu folgen, wonach die Version des OECD-MK als Hilfe für die Auslegung eines konkreten DBA heranzuziehen ist, welche beim Abschluss des entsprechenden DBA galt.5 Neueren Versionen des OECDMK kann nur dann eine Bedeutung zukommen, wenn sie zur Klarstellung dienen oder weitergehende Erläuterungen enthalten. Vor diesem Hintergrund gilt in Bezug auf den OECD-MK 2008 Folgendes:6 – DBA, die nach Veröffentlichung des „Update 2008“ des OECD-MK (d.h. nach dem 18.7.2008) abgeschlossen oder revidiert wurden und auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2008 basieren, sind unter Berücksichtigung des OECD-MK 2008 auszulegen. – Bereits abgeschlossene DBA sind auf Basis derjenigen Version des OECD-MK auszulegen, welcher bei Abschluss des DBA vorlag. Änderungen des OECD-MK 2008 sind allerdings zu berücksichtigen, wenn sie klarstellend sind bzw. zur weitergehenden Erläuterung dienen.
1 So zumindest Vertreter der Finanzverwaltung, vgl. Wichmann, IStR 2012, 711 (711 f.); Wichmann in Lüdicke, Wo steht das deutsche Internationale Steuerrecht?, Köln 2009, 103 (104 f.); Wichmann, FR 2011, 1082 (1083). Vgl. im Übrigen auch Lampert, IStR 2012, 513 ff. 2 Vgl. etwa BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, FR 2011, 127; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 m.w.N.; a.A. Wichmann, IStR 2012, 711 (712); siehe ferner Schnitger, IStR 2002, 407; Pohl, RIW 2012, 677 (678 f.). 3 A.A. Wichmann, FR 2011, 1082 (1083). 4 Kritisch auch Lang, IStR 2001, 536 (537) m.w.N. 5 A.A. Lampert, IStR 2012, 513 ff. 6 Vgl. auch Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 214 f.
546
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 105–107 Art. 7 (2008)
– DBA, welche auf Basis des Art. 7 OECD-MA 2010 abgeschlossen wurden, sind auf Basis des OECD-MK 2010 auszulegen. 3. Auffassung der Finanzverwaltung BMF v. 24.12.1999. In Rz. 2.2 BS-VWG1 folgt die Finanzverwaltung im Rahmen der 106 Betriebsstättengewinnabgrenzung dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte erfahre allerdings ihre Einschränkung in der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und in der Tatsache, dass „schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, wie z.B. Darlehens-, Miet- und Lizenzverträge, rechtlich nicht möglich sind.“2 Insofern seien Gewinne aus „Innentransaktionen“ nicht zu berücksichtigen. Während demnach die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische DBA-Betriebsstätte grundsätzlich mit dem Fremdvergleichspreis zu bewerten sei,3 seien unternehmensinterne Leistungen auf reiner Aufwandsbasis (d.h. ohne Gewinnaufschlag) zu verrechnen. Dies gilt insbesondere für Kosten der Werbung und Markterschließung, Zinsen und Finanzierungskosten, Geschäftsführungskosten sowie allgemeine Verwaltungskosten.4 Eine Ausnahme zu der nur eingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gilt nach Ansicht der Finanzverwaltung allerdings bei Leistungen, die zur „ordentlichen Geschäftstätigkeit“ gehören.5 Ferner sei ein Fremdvergleich anzusetzen, wenn die Erbringung von Dienstleistungen die Haupttätigkeit der Betriebsstätte darstellt.6 Im Ergebnis besteht somit auf Basis der BSVWG v. 24.12.1999 eine inhaltliche Parallele zur Auffassung der OECD im OECD-MK 1994 (vgl. Rz. 98), wonach ein Fremdvergleichspreis nur für bestimmte unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen (insbesondere die Überführung von Wirtschaftsgütern) zum Ansatz kommen soll. Die Finanzverwaltung folgt damit der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte.7 BMF v. 25.8.2009. Mit dem BMF v. 25.8.20098 wurden die BS-VWG v. 24.12.19999 an 107 die durch das SEStEG v. 7.12.200610 eingefügten Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG angepasst und die insoweit veralteten Regelungen der BS-VWG überarbeitet.11 In diesem Zusammenhang weist die Finanzverwaltung weiterhin darauf hin, dass das Stammhaus und seine Betriebsstätte eine rechtliche und tatsächliche Einheit bilden und folglich schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen beiden Unternehmensteilen nicht möglich sind.12 Allerdings wurde gegenüber der Fassung der BS-VWG v. 24.12.1999 der Hinweis, dass Gewinne aus solchen Innentransaktionen bei der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht zu berücksichtigen sind, gestrichen. Dies kann als Absicht der Finanzverwaltung interpretiert werden, bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung den Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt anzuwenden und insoweit die Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten an diejenige zwischen verbundenen Unternehmen anzunähern. Dafür spricht auch, dass die Passage in Rz. 2.2 BS-VWG a.F.,13 wonach sich die Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte von Abgrenzungsregeln für selbständige verbundene Unternehmen unterscheidet, entfallen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
11 12 13
Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.2. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.5.1. m.w.N. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.2. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.1.2. Zu Einzelheiten vgl. auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 131 ff. Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 und dazu Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 ff. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. Vgl. dazu im Einzelnen Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 ff. Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.2. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.2.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 107–109
Unternehmensgewinne
ist.1 Im Ergebnis verfolgt die Finanzverwaltung allerdings auch im BMF v. 25.8.2009 eine nur eingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Die wesentliche Änderung gegenüber den BS-VWG v. 24.12.1999 besteht lediglich darin, dass im Hinblick auf die Überführung bzw. fingierte Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an eine ausländische Betriebsstätte die Regelungen an § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG angepasst wurden. Infolgedessen geht die Finanzverwaltung nur im Hinblick auf die Überführung bzw. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an eine ausländische Betriebsstätte von einer stringenten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes aus. Der (weite) Bereich der Dienstleistungen ist hingegen weiterhin nur in Ausnahmefällen auf Basis von Fremdvergleichspreisen abzurechnen. Insoweit sieht das BMF v. 25.8.20092 gegenüber der Fassung v. 24.12.19993 keine Änderung vor. 4. Auffassung der Rechtsprechung 108
Eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Während der BFH im Rahmen seiner – mittlerweile überholten4 – Rspr. zur finalen Entnahmetheorie5 die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte schlichtweg übergangen hat,6 setzt der BFH in seinem sog. „Warenschuldenurteil“ v. 21.1.19727 bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens durch den Ansatz von Marktpreisen den Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt um. Dabei weist der BFH zutreffend darauf hin, dass die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ausschließlich auf Ebene der Gewinnabgrenzung Anwendung findet und die Ebene der Gewinnermittlung unberührt lässt (Rz. 35 ff.).8 Demgegenüber schränkt der BFH in seinem sog. „Zinsurteil“ v. 27.7.19659 die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte in Bezug auf Finanzierungsleistungen und sonstigen Leistungen ein und lässt hier lediglich die Verrechnung von Aufwendungen zu. Diese Auffassung wird durch das BFH-Urt. v. 20.7.198810 bestätigt.11
109
BFH-Urteil v. 17.7.2008. Der BFH konstatiert in seinen Urteilen v. 16.2.1996, welche zur Problematik der Zuordnung von Währungsverlusten bei der Umrechnung des Dotationskapitals der Betriebsstätte ergingen, unmissverständlich, dass das Abkommensrecht nur eine „eingeschränkte Selbständigkeit der Betriebsstätte“ fingiere.12 Der Begriff der „Einschränkung“ wird durch den BFH so verstanden, dass die Fiktion der Selbständigkeit lediglich einen Abgrenzungsmaßstab vorgibt, um das in den DBA angelegte Betriebsstättenprinzip durchführen zu können. Der Grundsatz des
1 Es überrascht, dass das BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.2 Abs. 3, auf den OECD-MK 1994 verweist. Denn diese Fassung des OECD-MK enthält nur die eingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (Rz. 98). 2 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 4 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6-S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 5 Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187. 6 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, IStR 2009, 115 (117); Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 143 ff. 7 Vgl. BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374. 8 So auch BFH v. 13.1.1970 – I 32/65, BStBl. II 1970, 790; FG Hess. v. 12.7.1977 – IV 111/75, EFG 1977, 608 (rkr.). 9 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24 und dazu im Einzelnen Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 151 f. 10 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 11 Vgl. auch BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145; FG München v. 18.10.2010 – 13 K 2802/08, DStRE 2012, 142, rkr.; Nds. FG v. 10.1.2008 – 6 K 63/06, EFG 2008, 772, rkr.; FG Nürnberg v. 26.11.2004 – VII 90/2004, EFG 2007, 847, rkr. 12 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 109–110 Art. 7 (2008)
Fremdvergleichs fingiere allerdings nicht, die Betriebsstätte einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft gleichzustellen; vielmehr sei abkommensrechtlich lediglich eine wirtschaftliche Selbständigkeit der Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung anzunehmen.1 Im Übrigen ist das Urt. des BFH v. 17.7.20082 zu beachten. Danach soll Art. 7 Abs. 2 lediglich eine Aufteilung des Gewinns zwischen Stammhaus und Betriebsstätte „nach Verursachungsbeiträgen“ gewährleisten. Eine Anwendung des „Functionally Separate Entity Approach“ der OECD (vgl. Rz. 99 ff.), der Lieferund Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmensteilen fingiert, wird dabei – zumindest nach der Rechtslage des Urteilsfalls von 1995 – abgelehnt.3 Daraus indessen eine grundsätzliche Ablehnung des BFH einer Anwendung der Selbständigkeitsund Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte abzuleiten, ginge allerdings zu weit.4 Denn immerhin erkennt der BFH die Aufteilung des zukünftigen Veräußerungsgewinns zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes an; damit erkennt er auch die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung an, wobei er – mangels anderslautender innerstaatlicher Gewinnermittlungsvorschrift (i.S. eines Ersatzrealisationstatbestandes) – den Zeitpunkt der Realisierung dem späteren Außenumsatz zuordnet (vgl. Rz. 44). 5. Eigene Auffassung Uneingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. 110 Nach der hier vertretenen Auffassung ist Art. 7 bereits in seiner Fassung des OECDMA 2008 i.S. einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und damit i.S. einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auszulegen. Dies gilt indessen nur in Bezug auf die abkommensrechtliche Ebene der Gewinnabgrenzung. Wie bereits in Rz. 35 ff. im Einzelnen dargestellt, kommt Art. 7 für Zwecke der Gewinnermittlung keine Self Executing Wirkung zu. Infolgedessen bedarf es zur Ausfüllung einer am Fremdvergleichsgrundsatz ausgerichteten Betriebsstättengewinnabgrenzung oder präziser zur Ausfüllung eines nach Art. 7 auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes definierten Besteuerungsrechts von Unternehmensgewinnen regelmäßig einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts, welche die Realisierung stiller Reserven oder eines Gewinnelements in Bezug auf unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen anordnet. Eine solche Rechtsgrundlage existiert im deutschen Steuerrecht lediglich in § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG (vgl. Rz. 40). Außerhalb beider Normen kann es zu einer Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der Durchführung der unternehmensinternen Liefer- oder Leistungsbeziehungen nicht kommen. Infolgedessen können in diesem Fall Gewinne aus einer unternehmensinternen Liefer- oder Leistungsbeziehung erst ausgewiesen und besteuert werden, wenn sie im Außenverhältnis (d.h. mit einem externen Dritten) realisiert wurden.5 Mithin bestimmt sich damit der Zeitpunkt der Realisierung und Besteuerung der aus unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen resultierenden Gewinne alleine nach innerstaatlichem Recht (vgl. Rz. 44), wobei ab dem Veranlagungszeitraum 2013 die in § 1 AStG auf Basis des Entwurfs eines JStG 2013 geplanten Änderungen zu berücksichtigen sind (vgl. Rz. 42 ff.). Dies ergibt sich
1 So auch BFH v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 3 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 Rz. 47 f. Siehe dazu auch Ditz, IStR 2009, 115 (118); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 (24 f.); a.A. Mitschke, FR 2008, 1144 (1146); Mitschke, FR 2009, 326 (328 f.). 4 A.A. Andresen, DB 2012, 879 (879). 5 Vgl. auch BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019, jeweils belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278.
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Art. 7 (2008) Rz. 110–112
Unternehmensgewinne
auch aus dem BFH-Urt. v. 17.7.2008.1 Im Einzelnen lässt sich die uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung wie folgt begründen:2 111
Keine Einschränkung des Art. 7 Abs. 2 durch Art. 7 Abs. 3. Sowohl das Schrifttum3 als auch zahlreiche Mitgliedsstaaten der OECD4 stützen ihre eingeschränkte Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auf Art. 7 Abs. 3. Da die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in Art. 7 Abs. 2 ausdrücklich unter dem Vorbehalt des Art. 7 Abs. 3 steht, sei im Rahmen von unternehmensinternen Leistungsbeziehungen kein Fremdvergleichspreis anzusetzen, sondern lediglich eine Verrechnung der entstandenen Aufwendungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vorzunehmen. Dieser Auffassung ist indessen nicht zu folgen: Zwar kann aus einer rein grammatikalischen Auslegung der Absätze 2 und 3 des Art. 7 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die bloße Aufwandsverrechnung einer fremdvergleichskonformen Leistungsverrechnung vorgeht und infolgedessen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch Art. 7 Abs. 3 eine Einschränkung erfährt. Eine solche Interpretation ist indessen nicht sachgerecht und auch von der OECD nicht beabsichtigt (vgl. Art. 7 Rz. 27 ff. OECD-MK 2008).5 Dies zeigt die historische Entwicklung des Art. 7 Abs. 3.6 Daher ist Art. 7 Abs. 3 lediglich als Ergänzung und Konkretisierung der in Art. 7 Abs. 2 niedergelegten Grundregel einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verstehen. Die Vorschrift soll klarstellen, dass die Zurechnung der Aufwandskomponenten unabhängig von ihrem Entstehungsort und von ihrer tatsächlichen Verrechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist (vgl. Rz. 210 ff.).7 Insofern wird durch die Vorschrift (lediglich) sichergestellt, dass wirtschaftlich für die Betriebsstätte entstandener Aufwand dieser zugerechnet wird, auch wenn der Aufwand nicht bei ihr, sondern beim Stammhaus oder in einer anderen Betriebsstätte entstanden ist.
112
Gesamtheit des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses. Im Rahmen der Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte durch die OECD (vgl. Rz. 98 ff.), die Finanzverwaltung (vgl. Rz. 106 f.) und die Rspr. (vgl. Rz. 108 f.) wird hinsichtlich der Verrechnung von Fremdvergleichspreisen zwischen der Überführung (Lieferung) von Wirtschaftsgütern, der Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern, der Erbringung von Dienstleistungen und der Vermögensverwaltung differenziert. Die bloße Aufwandszuordnung außerhalb der Überführung von Wirtschaftsgütern kann indessen bereits deswegen nicht überzeugen, weil letztlich alle betrieblichen Wertschöpfungsbereiche zur Erwirtschaftung des unternehmerischen Gesamtgewinns beitragen und somit bestimmte Funktionen nicht per se von einer Gewinnzuordnung ausgeklammert werden können. Denn auch Dienstleistungen bzw. die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern verfügen über einen wertschöpfungsbringenden Charakter und sind damit i.d.R. nach außen genauso ertragswirksam wie etwa die in eine ausländische Betriebsstätte überführten und durch diese vertriebenen Wirtschaftsgüter. Im Übrigen kann die von der OECD (vgl. Rz. 98 und 103) und der Finanzverwaltung (vgl. Rz. 106) vorgenommene Unterscheidung zwischen Hauptund Nebentätigkeiten in Zusammenhang mit der Verrechnung unternehmensinterner Dienstleistungen nicht überzeugen. Denn aus dem Fremdvergleichsgrundsatz 1 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Zu Einzelheiten vgl. auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 158 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1085 ff.; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 112 ff. 3 Vgl. etwa Ritter, JbFSt 1976/1977, 288 (300 f.); Köhler, RIW 1991, 1024 (1030); Bendlinger, SWI 1995, 303 (306); Weber/Werra in FS Ritter, 285 (299); Schmidt in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei Internationalen Steuersachverhalten, 1999, 53 (56). 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 52. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 284 ff. 6 Vgl. dazu im Einzelnen Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 123 f. 7 Vgl. auch BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, DB 2003, 1147; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; FG Nds. v. 30.5.2000 – 9 K 228/95, EFG 2000, 941; a.A. FG Hess. v. 8.12.1983 – 5 K 248/81, EFG 1984, 367, nachgehend BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 112–115 Art. 7 (2008)
lassen sich keinerlei Rechtfertigungsgründe ableiten, welche die Verrechnung einer Gewinnkomponente innerhalb der Dienstleistungserbringung von der qualitativen bzw. quantitativen Einordnung der Tätigkeit des Gesamtunternehmens bzw. der Betriebsstätte abhängig machen. Vielmehr werden fremde Dritte i.d.R. auch sog. Nebenleistungen mit einem Fremdvergleichspreis abrechnen, sodass eine Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebentätigkeiten mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs nicht vereinbar ist. Dies wird auch daraus offensichtlich, dass eine solche Differenzierung weder bei der Überführung von Wirtschaftsgütern noch in den OECD-Leitlinien 2010 vorgenommen wird. Kein Abschluss von Verträgen. Die h.M. stützt die Einschränkung der Selbstän- 113 digkeitsfiktion der Betriebsstätte insbesondere auch auf die zivilrechtliche Einheit des internationalen Einheitsunternehmens und auf die daraus folgende Tatsache, dass zwischen den betrieblichen Teileinheiten keine zivilrechtlich wirksamen Verträge abgeschlossen werden können.1 Abgesehen davon, dass auch für die Bereiche der Wirtschaftsgutüberführung und der Dienstleistungen der Haupttätigkeit keine Verträge abgeschlossen werden können und demnach ein Fremdvergleichspreis ebenfalls nicht in Betracht kommen dürfte, kann eine solche Argumentation nicht überzeugen, da die Fiktion der Selbständigkeit der Betriebsstätte im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise von der zivilrechtlichen Unternehmenseinheit abstrahiert (vgl. Rz. 92). Ausweis fiktiver Gewinne. In einem engen Zusammenhang mit der fehlenden 114 (rechtlichen) Möglichkeit des Abschlusses von Verträgen steht der Vorwurf, dass durch die Verrechnung von Fremdvergleichspreisen (einschließlich Gewinnelement) für Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ein nicht realisierter Gewinn fingiert und somit das Unternehmen „an sich selbst verdienen“ würde.2 Diese Auffassung verkennt die eigentliche Zielsetzung der Gewinnabgrenzung: Hier geht es nicht darum, einen für das Gesamtunternehmen nicht entstandenen Gewinn zu fingieren, sondern den auf Basis der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften und des Grundsatzes des Fremdvergleichs bestimmten Gewinn (vgl. Rz. 35 ff.) den betrieblichen Teileinheiten zuzuordnen. Dabei bleibt die Verrechnung unternehmensinterner Leistungsbeziehungen – außerhalb der Übertragung von Wirtschaftsgütern – auch im Rahmen einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für das Gesamtunternehmen immer erfolgsneutral. Denn den beim leistungsabgebenden Unternehmensteil ausgewiesenen Erträgen stehen in korrespondierender Höhe beim leistungsempfangenden Unternehmensteil entsprechende Aufwendungen gegenüber. Eine so verstandene Verrechnung von Fremdvergleichsentgelten kann allerdings dazu führen, dass ein Unternehmensteil einen Gewinn ausweist, während dem anderen Unternehmensteil Verluste zugerechnet werden (vgl. Rz. 87). Diese inkongruente Gewinnzuordnung ist der Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte immanent und wird sowohl von der OECD (vgl. Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008) als auch von der Rspr.3 und der Literatur4 anerkannt. Ferner entspricht sie der relativen Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen des internationalen Steuerrechts, nach der die gesamte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in eine in- und eine ausländische Komponente aufzuteilen ist.5 Dabei können sich durchaus eine positive Leistungsfähigkeit im einen Vertragsstaat und eine negative Leistungsfähigkeit im anderen Vertragsstaat ergeben. Sinn und Zweck der DBA. Der wesentliche Sinn und Zweck der DBA kann nur durch eine uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte realisiert 1 Vgl. etwa Ritter, JbFSt 1076/1977, 288 (301 f.); Debatin, BB 1992, 1181 (1184); Wassermeyer, IStR 2005, 84 ff.; Wassermeyer, IStR 2004, 733 (733 f.). 2 Vgl. etwa Debatin, DB 1989, 1739 (1740); Köhler, RIW 1991, 1024 (1034). 3 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24. 4 Vgl. Roth, StbJb 1997/98, 427 (434); Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (37); a.A. Debatin, DB 1989, 1739 (1743). 5 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 96 ff.
Ditz
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115
Art. 7 (2008) Rz. 115–117
Unternehmensgewinne
werden. Dies zeigt der durch ambivalente und inkonsistente Aussagen geprägte OECD-MK 1994 (vgl. Rz. 98), welcher zu einer sehr unterschiedlichen Vorgehensweise im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung in den OECD-Mitgliedsstaaten geführt hat. Die Erfahrungen der OECD mit der eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte zeigen daher, dass sie zu einem erheblichen Doppelbesteuerungsrisiko führt und infolgedessen mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit für den Steuerpflichtigen verbunden ist.1 Beides führte letztlich zu den umfangreichen Arbeiten der OECD, die in den Betriebsstättenberichten 2008 (vgl. Rz. 99) und 2010 (vgl. Rz. 104) mündeten. Darüber hinaus kann nur auf Basis einer uneingeschränkten Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung eine verteilungsgerechte Abgrenzung von Besteuerungsrechten zwischen den Vertragsstaaten gewährleistet werden.2 116
Diskriminierungsverbot der Betriebsstätte. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 das in Art. 24 Abs. 3 niedergelegte Diskriminierungsverbot der Betriebsstätte zu beachten (so auch Art. 7 Rz. 38 f. OECD-MK 2010). Danach darf die Besteuerung einer Betriebsstätte im Quellenstaat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung eines Unternehmens dieses Staates, das die gleiche Tätigkeit ausübt. Die Feststellung der Diskriminierung verlangt dabei einen hypothetischen Vergleich zwischen der Besteuerung der Betriebsstätte und der Besteuerung eines vergleichbaren, rechtlich selbständigen Unternehmens (vgl. Art. 24 Rz. 83 ff.).3 Zieht man als hypothetisches Vergleichsunternehmen eine von einem ausländischen Unternehmen beherrschte inländische Tochterkapitalgesellschaft heran, ist bei dieser im Rahmen ihrer Einkünfteermittlung dem Grundsatz des Fremdvergleichs uneingeschränkt Rechnung zu tragen, während dies bei einer inländischen Betriebsstätte eines im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen nicht der Fall ist. Aus einer solchen rechtsformabhängigen Interpretation des Fremdvergleichsgrundsatzes werden i.d.R. unterschiedliche steuerliche Bemessungsgrundlagen resultieren, die letztlich zu einer höheren steuerlichen Belastung der Betriebsstätte führen können. Eine solche Diskriminierung der Betriebsstätte kann nur über eine rechtsformübergreifende, einheitliche Auslegung und Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes vermieden werden.
III. Bestimmung des Betriebsstättengewinns 1. Buchführung der Betriebsstätte 117
Vorrang der direkten Methode. Der Gewinn der Betriebsstätte ist nach Auffassung der OECD (vgl. Art. 7 Rz. 52 OECD-MK 2008), der Finanzverwaltung4 und der Rspr.5 vorrangig nach der direkten Methode zu ermitteln (zur globalen Gewinnermittlungsmethode vgl. Rz. 214 ff.). Denn nur durch die direkte Methode lässt sich der Betriebsstättengewinn auf Basis einer eigenen Buchführung unter Berücksichtigung der (uneingeschränkten, vgl. Rz. 110) Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte bestimmen (vgl. Art. 7 Rz. 16 OECD-MK 2008).6 Die Praxis zeigt allerdings, dass die direkte Methode häufig gar nicht oder nicht mit zumutbarem Aufwand angewendet werden kann. Dies gilt insbesondere für den Fall nachträglich erkannter Betriebsstätten, für welche i.d.R. die zur Anwendung der direkten Methode notwendigen Einzelinformationen fehlen. In diesen Fällen kommt der globalen Gewinnermittlungs-
1 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 2. 2 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 167 ff. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 46. Siehe auch BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3.1; Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (82). 5 Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017 m.w.N. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3.1; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 556.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 117–119 Art. 7 (2008)
methode eine nicht unerhebliche Bedeutung zu.1 Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Umsetzung der direkten Methode die Erfassung und Bewertung von unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach dem Fremdvergleichsgrundsatz notwendig macht, was praktisch – insbesondere im Nachhinein (z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) – häufig nicht möglich ist. Ausländische Betriebsstätten. Für den Fall eines im Inland unbeschränkt steuer- 118 pflichtigen Unternehmens mit einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte erfassen § 238 HGB sowie §§ 140 und 141 AO nicht nur die inländischen Einkünfte; beide Vorschriften beziehen sich vielmehr auf das Gesamtunternehmen, sodass die durch die ausländische Betriebsstätte realisierten Geschäftsvorfälle in der inländischen Buchführung (des Gesamtunternehmens) zu erfassen sind.2 Im deutschen Verfahrensrecht existieren keine Vorschriften, die den unbeschränkt Steuerpflichtigen zur Erstellung einer gesonderten Betriebsstättenbuchführung verpflichten.3 Gleichwohl ist im Falle einer ausländischen Betriebsstätte deren Ergebnis für steuerliche Zwecke gesondert zu bestimmen, insbesondere zur Bestimmung der von der deutschen Besteuerung freizustellenden Einkünfte, zur Anwendung des § 9 Nr. 3 GewStG und ggf. zur Bestimmung der anzurechnenden ausländischen Steuern.4 Der daraus resultierenden Verpflichtung einer gesonderten Betriebsstättengewinnermittlung kann der Steuerpflichtige einerseits dadurch nachkommen, dass die Betriebsstätteneinkünfte über einen gesonderten Kontenkreis im Rahmen der „Weltbuchführung“ bestimmt werden. Die Betriebsstättenbuchführung ist damit Teil der gesamten Unternehmensbuchführung. Andererseits wird sich häufig im Zusammenhang mit einer ausländischen Betriebsstätte eine Buchführungspflicht nach ausländischem Recht ergeben. In diesem Zusammenhang müssen die Ergebnisse der lokalen, nach ausländischem Recht erstellten Betriebsstättenbuchführung in die Buchführung des inländischen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die inländische Besteuerung von Bedeutung sind (§ 146 Abs. 2 Satz 3 AO). Dabei sind sämtliche Positionen der ausländischen Betriebsstättenbuchführung – soweit erforderlich – an die inländischen steuerlichen Vorschriften anzupassen und die entsprechenden Anpassungen kenntlich zu machen (§ 146 Abs. 2 Satz 4 AO).5 In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der Währungsumrechnung (vgl. Rz. 179 ff.). Für den Fall, dass im anderen Vertragsstaat eine Buchführungspflicht besteht und der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung nachkommt, können die entsprechenden Aufzeichnungen auch im Ausland geführt und aufbewahrt werden (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). Inländische Betriebsstätten. Unterhält ein im Ausland ansässiges Unternehmen im 119 Inland eine Betriebsstätte, besteht handelsrechtlich gem. §§ 238 ff. HGB eine Buchführungspflicht, wenn diese als Zweigniederlassung gem. § 13d HGB6 einzustufen ist. In diesem Fall besteht nach § 140 AO auch eine – daraus abgeleitete – steuerliche Buchführungspflicht. Eine nach ausländischem Recht ggf. ebenfalls bestehende Buchführungspflicht ist dabei für die inländische Besteuerung ohne Bedeutung.7 Wird im Inland keine Zweigniederlassung i.S.d. § 13d HGB begründet, ergibt sich eine Buchführungspflicht, wenn die Größenmerkmale des § 141 AO überschritten werden. Die in der Vorschrift genannten Beträge beziehen sich auf die inländische Betriebsstätte und nicht auf das gesamte internationale Einheitsunternehmen.8 Die Buchführungspflicht
1 Vgl. auch Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.165. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.4.2; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.8. 3 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 4 Insbesondere bei Anwendung der Anrechnungsmethode aufgrund einer abkommensrechtlichen Aktivitätsklausel oder des § 20 Abs. 2 AStG. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.4.2. 6 Vgl. zum Begriff Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 49 f. m.w.N. 7 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 215 mit Verweis auf BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 119–122
Unternehmensgewinne
gem. § 141 Abs. 1 AO setzt eine Aufforderung durch das FA voraus, welche in einem Steuer- oder Feststellungsbescheid oder einem gesonderten Verwaltungsakt ergehen kann.1 120
Anzeigepflichten. Die Gründung einer Betriebsstätte ist sowohl im Inlands- (§ 138 Abs. 1 Satz 1 AO) als auch im Auslandsfall (§ 138 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO) gegenüber der Gemeinde (Inlandsfall) bzw. dem zuständigen FA (Auslandsfall) anzuzeigen. Kommt ein Unternehmen seiner Anzeigepflicht gem. § 138 Abs. 2 AO vorsätzlich oder leichtfertig nicht nach, besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO, die – vorbehaltlich des § 378 AO – mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro geahndet werden kann.2 2. Funktionsanalyse als Ausgangspunkt
121
Gewinnabgrenzung dem Grunde nach. Die Funktionsanalyse nimmt innerhalb der internationalen Einkünfteabgrenzung – unabhängig von der Rechtsform – eine zentrale Stellung ein (vgl. Art. 9 Rz. 51 f.). Insofern ist der Auffassung der OECD3 und der Finanzverwaltung4 zuzustimmen, nach der die Funktionsanalyse den Ausgangspunkt einer Betriebsstättengewinnabgrenzung darstellt (vgl. Rz. 189 für den Bereich der Produktion und Rz. 192 für den Bereich des Vertriebs). Ziel der Funktionsanalyse ist die detaillierte Untersuchung der von den betrieblichen Teileinheiten wahrgenommenen Funktionen und ihrer relativen Bedeutung im gesamten Wertschöpfungsprozess des Unternehmens.5 Dabei ist die strategische Positionierung des Gesamtunternehmens bzw. der einzelnen betrieblichen Teileinheiten zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist festzustellen, welche Risiken dem Stammhaus bzw. der Betriebsstätte zuzuordnen sind (vgl. Rz. 123). Im Rahmen der Funktionsanalyse ist ferner zu untersuchen, welchen betrieblichen Teileinheiten die im zivilrechtlichen Eigentum des Gesamtunternehmens stehenden Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind (vgl. Rz. 124). In diesem Zusammenhang können einerseits aus den ausgeübten Funktionen Rückschlüsse auf das jeweils eingesetzte Betriebsvermögen gezogen werden. Andererseits kann umgekehrt der Einsatz bestimmter Wirtschaftsgüter auf die Übernahme bestimmter Funktionen hindeuten. Sind die von den Unternehmensteilen übernommenen Funktionen und Risiken identifiziert und herrscht Klarheit über die Interdependenzen innerhalb des Leistungserstellungsprozesses, kann aus den Ergebnissen der Funktionsanalyse auf die unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen den betrieblichen Teileinheiten geschlossen werden. Nach Auffassung der OECD soll die Funktionsanalyse dabei eng an den Vorgaben der OECD-Leitlinien für verbundene Unternehmen erfolgen (vgl. Art. 9 Rz. 27 und 52 f.; vgl. auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008).6 Hierbei steht nach Auffassung der OECD die Identifikation und Analyse der „wesentlichen Personalfunktionen“ im Vordergrund (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 23), d.h. die Frage, welche Personen in welchen betrieblichen Teileinheiten des Unternehmens welche Aktivitäten wahrnehmen (vgl. Rz. 100; vgl. auch Art. 7 Rz. 91 OECD-MK 2008).7
122
Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Aus der Funktionsanalyse ergibt sich auch eine unmittelbare Konsequenz für die Frage der Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Denn insbesondere die Bestimmung von Verrechnungspreisen für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen (vgl. Rz. 156 ff.) hat sich maßgeblich an den von den betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen und den ihnen zuge1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 1.1.3.2. 2 Zu Einzelheiten vgl. BMF v. 15.4.2010 – IV B 5 - S 1300/07/10087, BStBl. I 2010, 346. 3 Vgl. Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008; Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 86 und 89 ff.; Art. 7 Rz. 21 OECD-MK 2010; OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1071 (1075 ff.). 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3.1.; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.5.1. 5 Zum Beispiel einer Funktionsanalyse vgl. auch Pinkernell/Ditz, FR 2001, 1271 (1272 ff.); Ditz, IStR 2002, 210 (213 ff.). 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 87 f. 7 Vgl. Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 (1930).
554
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 122–123 Art. 7 (2008)
ordneten Wirtschaftsgütern und Risiken auszurichten. Hintergrund einer solchen Vorgehensweise ist der dem Fremdvergleich immanente Grundsatz, dass der von einem unabhängigen Unternehmen für eine Leistung geforderte Preis umso höher ist, je mehr Funktionen und Risiken von diesem wahrgenommen bzw. je wertvollere Wirtschaftsgüter von diesem eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Funktionsanalyse eine Unternehmenscharakterisierung vorzunehmen, wobei zwischen Routinefunktionen, strategischen Funktionen und „Mittelfunktionen“ unterschieden werden kann (vgl. Art. 9 Rz. 53). Im Ergebnis bilden damit der Umfang und die Art der wahrgenommenen Funktionen, die daraus resultierenden Risiken sowie der damit einhergehende Kapitaleinsatz die für die Bestimmung von Verrechnungspreisen für unternehmensinterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen determinierenden Faktoren. Darüber hinaus stellt der einer betrieblichen Teileinheit zugeordnete Gewinn – genauso wie der für eine Leistung entgoltene Verrechnungspreis – ein Äquivalent für die von der entsprechenden betrieblichen Teileinheit wahrgenommenen Funktionen und Risiken dar. Infolgedessen sind einer betrieblichen Teileinheit, die nur geringe Funktionsbeiträge zum gesamten Leistungserstellungsprozess leistet (z.B. sog. Routinefunktionen), geringere Gewinne zuzuordnen als einer betrieblichen Teileinheit, die einen wesentlichen Beitrag zur Gesamtwertschöpfung des Unternehmens leistet. Eine in diesem Verständnis verstandene Funktionsanalyse hat auch eine verteilungsgerechte Aufteilung von Besteuerungsrechten nach dem Äquivalenzprinzip zur Folge.1 Zuordnung von Risiken. Eine der wesentlichen Schwierigkeiten der Betriebsstät- 123 tengewinnabgrenzung resultiert daraus, dass im Rahmen dieser zu berücksichtigende Risiken rechtlich nur für das Unternehmen insgesamt und nicht für einzelne betriebliche Teileinheiten entstehen können.2 Insofern kann die Zuordnung von Risiken nur losgelöst von der rechtlichen Risikoträgerschaft durch den Unternehmer im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise erfolgen. Während zwischen verbundenen Unternehmen i.d.R.3 die vertraglichen Abreden Grundlage der Zuordnung von Risiken zwischen den Vertragsparteien bilden, kann eine solche Vorgehensweise aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Rz. 90) nicht auf die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen übertragen werden. Auch die Forderung, im Rahmen der Erstellung von Eigenbelegen eine seitens des Steuerpflichtigen gewünschte Risikozuordnung zu dokumentieren,4 ist zu weitgehend. Die Zuordnung von Risiken zu den betrieblichen Teileinheiten hat sich vielmehr an funktionalen Gesichtspunkten auszurichten. Der Betriebsstätte sind somit diejenigen Risiken zuzuordnen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den von ihr ausgeübten Funktionen stehen.5 Infolgedessen ist etwa im Hinblick auf die Produktionsfunktion zwischen abhängigen und unabhängigen Produktions-Betriebsstätten zu unterscheiden (vgl. Rz. 189). Während der unabhängigen Produktions-Betriebsstätte z.B. das Auslastungsrisiko und das Beschaffungsrisiko zuzuordnen sind, können entsprechende Risiken einer abhängigen Produktions-Betriebsstätte nicht zugeordnet werden.6 Eine solche Zuordnung von Risiken nach funktionalen Gesichtspunkten ergibt sich unmittelbar aus dem Grundsatz des Fremdvergleichs. So ist davon auszugehen, dass fremde Dritte i.d.R. Risiken nur dann zu tragen bereit sind, wenn sie über diese entscheiden und sie kontrollieren können.7 Die eigene Beeinflussung der Risiken ist allerdings nur dann möglich, wenn das entsprechende Unterneh-
1 Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.41. 2 Vgl. dazu etwa Wassermeyer, IStR 2004, 733 ff.; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.42. 3 Im Übrigen kann sich eine Risikoverteilung auch aus gesetzlichen Vorschriften (z.B. Produkthaftung) ergeben. 4 So Kroppen, IStR 2005, 74 (74) und Kroppen in FS Herzig 1071 (1086 ff.) mit der Forderung nach „Pro-Forma-Verträgen“. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 97 und 99 f. unter Verweis auf die „wesentlichen Personalfunktionen“. 6 Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.71. 7 Vgl. Rz. 9.23 OECD-Leitlinien 2010.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 123–124
Unternehmensgewinne
men die Funktion, aus der das Risiko resultiert, tatsächlich innehat. Darüber hinaus setzt die funktionale Zuordnung von Risiken nach Maßgabe der Möglichkeiten ihrer Beeinflussung den Einsatz von Entscheidungsträgern in der betreffenden betrieblichen Teileinheit voraus. Nur Menschen als Entscheidungsträger können letztlich auf identifizierte Risiken reagieren, Maßnahmen zu deren Vermeidung einleiten und sie somit beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist das Abstellen der OECD auf die „wesentlichen Personalfunktionen“ im Hinblick auf die Allokation von Risiken im internationalen Einheitsunternehmen überzeugend (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 24).1 3. Zuordnung von Wirtschaftsgütern 124
Auffassung der OECD. Während der OECD-MK 2008 (vgl. Rz. 103) nicht konkret auf die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte eingeht, beschäftigt sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Zusammenhang mit der Auslegung des „Authorised OECD Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) sehr intensiv mit dieser Frage (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 25).2 Nach Auffassung der OECD ist im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern das wirtschaftliche Eigentum entscheidend, wobei auf die durch die Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken abzustellen ist.3 Diese funktionale Betrachtungsweise findet ihre Konkretisierung in den wesentlichen Mitarbeiterfunktionen (sog. „significant people functions“); dabei ist zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern zu unterschieden:4 Materielle Wirtschaftsgüter sind i.d.R. derjenigen betrieblichen Teileinheit zuzuordnen, in der sie genutzt werden. Wird z.B. eine Maschine ausschließlich in der Betriebsstätte genutzt, soll sie dieser zugeordnet werden.5 Neben der ausschließlichen Zuordnung zu einem Unternehmensteil sind nach Auffassung der OECD eine Aufteilung des Eigentums an einem Wirtschaftsgut und folglich die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu mehreren Unternehmensteilen zulässig (vgl. Rz. 159 und 173).6 Im Hinblick auf immaterielle Wirtschaftsgüter unterscheidet die OECD zwischen selbst erstellten7 und erworbenen,8 ohne indessen wesentliche Unterschiede herauszuarbeiten. Bei selbst erstellten immateriellen Wirtschaftsgütern ist entscheidend, in welchem Unternehmensteil die wesentlichen Personalfunktionen in Bezug auf das immaterielle Wirtschaftsgut ausgeübt werden. Die wesentlichen Personalfunktionen werden dabei als die aktive Entscheidung, das Entwicklungsrisiko des immateriellen Wirtschaftsguts zu tragen und dieses Risiko zu verwalten, definiert.9 Infolgedessen ist es denkbar, immaterielle Wirtschaftsgüter, welche in einer Forschungsbetriebsstätte entwickelt werden, dem Stammhaus zuzuordnen, wenn in diesem die wesentlichen Entscheidungen im Hinblick auf die Entwicklung getroffen werden und die Betriebsstätte faktisch als reiner Auftragsentwickler oder -forscher agiert.10 Auf den Ort der Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts kommt es daher nicht an. Auch im Hinblick auf erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter sind die wesentlichen Personalfunktionen das maßgebliche Kriterium ihrer Zuordnung. Hierbei ist auf die Entscheidung über die Übernahme und die Verwaltung der im Zusammenhang mit dem Erwerb des immateriellen Wirtschaftsguts entstehenden Risiken abzustellen.11 Schließlich geht die OECD explizit auf marketingbezogene immaterielle Wirtschaftsgüter („Marketing Intangibles“), wie z.B. den Firmennamen, ein Logo oder eine Marke, ein. Auch insoweit soll eine Zuord1 A.A. Kroppen in FS Herzig, 1071 (1086 ff.). Siehe ferner auch Ditz, ISR 2012, 48 (53). 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101und dazu auch Kroppen in FS Herzig, 1071 (1077 f.); Förster, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929 (1931). 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101. S. dazu auch Kaeser, ISR 2012, 63 (66). 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104 f. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101; gl.A. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.44; a.A. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4.; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 90. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 105 ff. und 114 ff. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 123 ff. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 105 und 107. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 118 und 121. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 125.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 124–126 Art. 7 (2008)
nung auf Basis der wesentlichen Personalfunktionen erfolgen, wobei der Schaffung und der Kontrolle von Strategien zur Markenpolitik, dem Schutz von Marken und Firmennamen und der Aufrechterhaltung des immateriellen Wirtschaftsguts besondere Bedeutung zukommt. Bedeutung der Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Der Frage der Zuordnung von 125 Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte kommt im Rahmen der Gewinnabgrenzung eine erhebliche Bedeutung zu. Denn in diesem Zusammenhang wird nicht nur das Betriebsvermögen der Betriebsstätte definiert, sondern auch über die Zuordnung der von den Wirtschaftsgütern ausgehenden Ertrags- und Aufwandswirkungen entschieden. Darüber hinaus kann die Zuordnung von Wirtschaftsgütern – insbesondere bei Personengesellschaften – Auswirkungen auf die Qualifikation der Einkunftsart haben (z.B. auch im Rahmen der Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG, Rz. 82). Im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte ist zu berücksichtigen, dass das zivilrechtliche Eigentum insoweit als Kriterium ausscheidet, da die Betriebsstätte zivilrechtlich ein unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens ist (vgl. Rz. 90).1 Maßgeblich ist vielmehr das wirtschaftliche Eigentum, wobei sich gewisse Gestaltungsspielräume – z.B. im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Überführung und Nutzungsüberlassung (vgl. Rz. 172) – ergeben.2 Rechtsprechung und Auffassung der Finanzverwaltung. Nach Ansicht der Finanz- 126 verwaltung ist ein Wirtschaftsgut entweder dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zuzuordnen.3 Die Finanzverwaltung lehnt damit die in der Literatur4 und von der OECD5 anerkannte Möglichkeit, für Zwecke der Gewinnabgrenzung Wirtschaftsgüter anteilig dem Stammhaus und der Betriebsstätte zuzuordnen, ab. Hinsichtlich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern folgt die Finanzverwaltung der ständigen Rspr. des BFH, nach der unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips (i.S. einer tatsächlichen Zugehörigkeit) und seiner Konkretisierung durch den Fremdvergleichsgrundsatz6 der Betriebsstätte die Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, die ihr in Bezug auf die von ihr ausgeübten Funktionen dienen.7 Zuordnungskriterium ist folglich die Notwendigkeit eines Wirtschaftsguts für die von der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen. Unter Berücksichtigung der funktionalen Betrachtungsweise sind nach Auffassung des BFH der Betriebsstätte insbesondere solche Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die ein selbständiger Gewerbebetrieb am gleichen Ort und unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen zur Erzielung eines vergleichbaren Geschäftserfolgs benötigt.8 Dies sind diejenigen Wirtschaftsgüter, die der Betriebsstätte tatsächlich „dienen“,9 mit anderen Worten: mit deren Hilfe der Betriebsstättengewinn erwirtschaftet wird.10 Unter Berücksichtigung dieser von der Rspr. aufgestellten Grundsätze ist nach Auffassung der Finanzverwaltung von einem funktionalen Zusammenhang mit der Betriebsstätte insbesondere für Wirtschaftsgüter auszugehen, die zur „ausschließlichen Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind.“11 Weder der BFH noch die Finanzverwaltung stellen demnach auf das von der OECD vorgegebene Kriterium der „wesentlichen Personalfunktionen“ (vgl. Rz. 124) ab.12
1 2 3 4 5 6 7 8
9 10 11 12
Vgl. auch Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (151); Kaeser, ISR 2012, 63 (64 f.). Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 f.). Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4. Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.44. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101. Vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356. So ausdrücklich BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 29.11.2000 – I R 84/99, DStRE 2001, 600. Vgl. BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; FG Hamburg v. 6.12.1988 – II 281/86, EFG 1989, 396, nachgehend BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4. So auch Kaeser, ISR 2012, 63 (67).
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 126–128
Unternehmensgewinne
Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund von (erheblicher) Bedeutung, weil die Kriterien der „Verwertung und Nutzung“ einerseits und „wesentliche Personalfunktionen“ andererseits zu unterschiedlichen Zuordnungsentscheidungen kommen können. Dies gilt insbesondere für die Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter, bei welchen das „Nutzen“ und die „Entscheidungen über die Risiken“ durchaus bei unterschiedlichen Unternehmensteilen liegen können. 127
Zentralfunktion des Stammhauses. Der Grundsatz der funktionalen Zuordnung von Wirtschaftsgütern kann nicht in allen Fällen zu einer Lösung der Zuordnungsentscheidung führen. Zwar lässt sich häufig das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte auf Basis der tatsächlichen Zweckbestimmung und der Belegenheit des Wirtschaftsguts ermitteln. Jedoch existiert eine Fülle von Wirtschaftsgütern, die ihre durch den Steuerpflichtigen zugewiesenen Funktionen sowohl im Stammhaus als auch in der Betriebsstätte erfüllen können (insbesondere sog. neutrale Wirtschaftsgüter wie z.B. Beteiligungen, liquide Mittel, Finanz- und Geldanlagen). Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind diese Wirtschaftsgüter dem Stammhaus aufgrund seiner „Zentralfunktion“ zuzuordnen.1 Diese Regelung, welche bereits in der alten Fassung der BS-VWG enthalten war,2 wird im Schrifttum zu Recht kritisiert.3 Dies auch deswegen, weil die zwingende Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum Stammhaus im Widerspruch zur Rspr. des BFH4 steht.5 Darüber hinaus kann es eine wie immer geartete Zentralfunktion des Stammhauses nicht geben, da die Funktionsaufteilung des Unternehmens in der Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen steht.6 Außerdem wird eine solche pauschale Zuordnungsregelung modernen Organisationsformen international agierender Unternehmen nicht gerecht. Dies gilt z.B. für ein Financial Treasury mit einem zentralen Management von Finanzmitteln oder für eine zentrale Verwaltung von Beteiligungen im Rahmen einer Holding-Betriebsstätte. Schließlich ist die von der Finanzverwaltung praktizierte Vorgehensweise nicht mit einer Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach den Grundsätzen der OECD vereinbar (vgl. Rz. 124),7 sodass die Gefahr einer nicht korrespondierenden Zuordnung von Wirtschaftsgütern und folglich das Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung bestehen.
128
Gewillkürtes Vermögen der Betriebsstätte. Ist unter Berücksichtigung des funktionalen Zusammenhangs keine unmittelbare Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum Stammhaus bzw. der Betriebsstätte möglich, ist – infolge der prinzipiellen Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen bei der Bestimmung der Funktionsaufteilung seines Unternehmens8 – auf die Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen abzustellen (sog. gewillkürtes Vermögen der Betriebsstätte). Dies setzt eine Dokumentation der Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen – insbesondere in der Buchführung – voraus. Eine solche Zuordnungsfreiheit sieht auch die Rspr. vor, soweit sie nicht im Widerspruch zu kaufmännischen und wirtschaftlichen Erfordernissen steht.9 Damit liegt es grundsätzlich im erkennbaren Willen des Steuerpflichtigen, den Funktionsumfang der Betriebsstätte zu bestimmen. Ist eine solche Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen nicht feststellbar und bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu den betrieblichen Teileinheiten, ist im Zweifel eine Zuordnung des Wirtschaftsguts zu dem Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen (Stammhausstaat, vgl. Rz. 4) vorzunehmen. Wenn soweit Zweifel hinsicht1 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4 Abs. 4. 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4. 3 Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.6; Kessler/Jehl, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1982; Kumpf/Roth, DB 2000, 746; Breuninger in FS Schaumburg, 587 (606 f.). 4 Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. 1993, 63; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 5 Gl.A. Kessler/Jehl, IWB 2007, Fach 10, Gruppe 2, 1982; Breuninger in FS Schaumburg, 587 (606 f.). 6 Vgl. zu Einzelheiten Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.6. 7 So auch Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (153). 8 Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.6. 9 Vgl. BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 29.7.1992 – II R 38/89, BStBl. II 1993, 63.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 128–131 Art. 7 (2008)
lich der Gewinnzuordnung bestehen, bleibt es bei einem ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (zur Beweislastregelung vgl. Rz. 66 und 88). Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter. Materielle Wirtschaftsgüter (z.B. Anla- 129 gevermögen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse und fertige Erzeugnisse) können i.d.R. auf der Grundlage eines funktionalen Zusammenhangs dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden. Damit sind materielle Wirtschaftsgüter i.d.R. dem Unternehmensteil zuzuordnen, in dem sie sich befinden und von dem sie genutzt werden. Dies entspricht der Auffassung der OECD im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. Rz. 99).1 Es ist aber auch eine anteilige Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter denkbar, z.B. wenn ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens (z.B. eine Maschine) in mehreren Unternehmensteilen regelmäßig genutzt wird. Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter. Während die Zuordnung von materiel- 130 len Wirtschaftsgütern i.d.R. wenig Probleme aufwirft, ist die Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern häufig nicht unproblematisch. Dies betrifft insbesondere selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter, die dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG unterliegen (z.B. Patente, Marken, Know-how, Kundenstamm). Unter Berücksichtigung einer Zurechnung nach funktionalen Gesichtspunkten hat der BFH in seinem Urt. v. 8.9.20102 entschieden, dass für die Zuordnung von Markenrechten allein entscheidend ist, „wo und von wo aus die Lizenzrechte verwaltet und vermarktet“ werden. Damit stellt der BFH nicht auf die Nutzung der entsprechenden Markenrechte ab, sondern orientiert sich an markenrechtlichen („verwalten“) sowie marketingspezifischen („vermarkten“) Gesichtspunkten. Insoweit kann durchaus eine Parallele zur Auffassung der OECD gesehen werden, wonach immaterielle Wirtschaftsgüter auf Basis der „wesentlichen Personalfunktionen“ zuzuordnen sind (hier: verwaltungs- und vermarktungsspezifische Entscheidungen). Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Rspr. des BFH zur Konkretisierung eines Veranlassungszusammenhangs bzw. einer „tatsächlichen Zugehörigkeit“ bislang in keiner Entscheidung auf „wesentliche Personalfunktionen“ abgestellt hat. Insbesondere ist auch keine Rechtsgrundlage des innerstaatlichen oder des Abkommensrechts erkennbar, welche eine solche Auslegung anordnen bzw. zulassen würde. Vielmehr wurde das Kriterium der „wesentlichen Personalfunktionen“ im Hinblick auf die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte durch die OECD erstmalig im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. Rz. 99) erwähnt. Da das Kriterium auch keinen Eingang in den OECD-MK 2008 (vgl. Rz. 103) gefunden hat, kann es allenfalls für DBA eine Rolle spielen, welche auf dem OECD-MA 2010 basieren (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 26).3 Lässt sich ein funktionaler Zusammenhang des immateriellen Wirtschaftsguts mit der Tätigkeit der Betriebsstätte nicht rechtfertigen, ist der Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen zu folgen, soweit diese nicht willkürlich bzw. nicht missbräuchlich ist (vgl. Rz. 128). Werden immaterielle Wirtschaftsgüter von mehreren betrieblichen Teileinheiten gemeinsam entwickelt bzw. wurde ein immaterielles Wirtschaftsgut zur Nutzung durch mehrere Unternehmensteile entgeltlich erworben, kann dieses auch mehreren Unternehmensteilen zugeordnet werden (vgl. Rz. 126). In diesem Fall sind die aus dem immateriellen Wirtschaftsgut resultierenden Aufwendungen den betroffenen Unternehmensteilen anteilig zuzuordnen (vgl. Rz. 150). Zuordnung von unbeweglichem Vermögen. Unbewegliches Vermögen (insbeson- 131 dere Grundstücke) sind regelmäßig dem Unternehmensteil zuzuordnen, der in dem Staat der Belegenheit des unbeweglichen Vermögens liegt. Dies auch deswegen, weil Art. 6 – anders als Art. 10, 11, 12, 13 und 21 – keine Rückverweisungsklausel auf Art. 7 enthält.4 1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 104. 2 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 3 Zu Einzelheiten der Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.79 ff.; Looks/Maier in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, 291 ff. 4 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.83.
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559
Art. 7 (2008) Rz. 132 132
Unternehmensgewinne
Zuordnung von Beteiligungen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind Beteiligungen an einer Gesellschaft – aufgrund der Zentralfunktion – grundsätzlich dem Stammhaus zuzuordnen. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn die Beteiligung einer in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit dient.1 Der BFH wendet auch für die Zuordnung von Beteiligungen – zutreffend – das Kriterium des funktionalen Zusammenhangs bzw. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit an:2 – Im BFH-Urt. v. 26.2.19923 ging es im Kern um die Frage, ob die Anteile an der Komplementär-GmbH einer inländischen GmbH & Co. KG dem (inländischen) Betriebsstättenvermögen des zugleich als Kommanditisten beteiligten Schweizer Gesellschafters für Zwecke des DBA-Schweiz zuzuordnen ist. Diese Frage wurde durch den BFH bejaht. Denn die Komplementär-GmbH übte fast ausschließlich die Geschäftsleitung der Personengesellschaft aus, sodass das Kriterium der tatsächlichen Zugehörigkeit erfüllt sei. – Im Urt. v. 17.12.20034 hat der BFH dagegen die Zuordnung von Beteiligungen an luxemburgischen Kapitalgesellschaften (in Form von Grundstücksbesitz- und Tankstellenbetriebsgesellschaften) zu einer luxemburgischen Betriebsstätte einer geschäftsleitenden Holding-GbR verneint. Denn der Holding-GbR kam im Urteilsfall lediglich die Funktion zu, die einzelnen Arbeitsabläufe zu kontrollieren und zu koordinieren und dadurch Synergieeffekte – insbesondere beim Wareneinkauf – zu nutzen. Ihre Aufgaben waren darüber hinaus die Wahrnehmung von Personalangelegenheiten, Fragen der Preispolitik, der Werbung, der Öffentlichkeitsarbeit, des Vertriebs sowie der Unternehmensstrategie. Darin sah der BFH lediglich eine unterstützende Tätigkeit für die Kapitalgesellschaften, was für eine Zuordnung zur luxemburgischen Holding-Betriebsstätte nicht ausreiche, da hierfür die Beteiligungen tatsächlich von der Betriebsstätte hätten genutzt werden und zu deren Ergebnis hätten beitragen müssen. Auch insoweit wurde die funktionale und tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise bestätigt. Die Entscheidung zeigt, dass bloße Hilfstätigkeiten einer Betriebsstätte nicht genügen, um ihr Beteiligungen funktional zuzuordnen. Die Schlussfolgerung, dass Beteiligungen einer Holding-Betriebsstätte grundsätzlich nicht zugeordnet werden können, kann indessen aus der Entscheidung nicht abgeleitet werden.5 Bestätigt wurde hingegen der Grundsatz, dass rechtliche Zuordnungskriterien letztlich keine Rolle spielen. – In seiner Entscheidung v. 19.12.20076 hat der BFH eine Zuordnung von Vertriebskapitalgesellschaften zu einer ausländischen (Personengesellschafts-)Betriebsstätte abgelehnt, da diese in keiner Weise eine positive Auswirkung auf die von der niederländischen Personengesellschaft (rein für die Niederlande) ausgeübten Vertriebstätigkeiten hätten und die Beteiligungserträge deshalb auch nicht als Nebenerträge zu dem Gewinn aus der Betriebsstättentätigkeit anzusehen wären. Weiterhin ging der BFH davon aus, dass die niederländische Personengesellschaft keine geschäftsleitenden Holdingfunktionen ausübe und daher die Beteiligungen auch nicht unter Veranlassungsgesichtspunkten und ihrem Funktionszusammenhang der niederländischen Personengesellschaft hätten zugeordnet werden können. Während der BFH in seinem Urt. v. 17.12.20037 in einem obiter dictum noch generelle Zweifel geäußert hat, inwieweit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften für abkommensrechtliche Zwecke einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte zugeordnet werden können, kann aus der Entscheidung v. 19.12.20078 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass unter Veranlassungsgesichtspunkten Kapitalgesellschaftsbeteiligungen sehr wohl einer Betriebsstätte (auch in Form einer Personengesellschaft) funktional zuzuordnen sind, wenn diese eine geschäftslei1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4 Abs. 4. Vgl. auch Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (153 ff.); Kaeser, ISR 2012, 63 (64 ff.). Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Vgl. dazu auch Blumers, DB 2007, 312 (314); Blumers, DB 2008, 1765 (1769). Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. Vgl. BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 132–135 Art. 7 (2008)
tende Funktion wahrnimmt und dabei eine aktive Vermögensverwaltung ausübt.1 Dies sollte auch i.S.d. „Authorised OECD Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) der OECD sein, wonach die Zuordnung von Wirtschaftsgütern am Kriterium der „wesentlichen Personalfunktionen“ (vgl. Rz. 124) auszurichten ist. Werden demnach in einer geschäftsleitenden Holdingbetriebsstätte Entscheidungen im Hinblick auf Unternehmensbeteiligungen (strategisch und operativ) getroffen, können ihr auch die entsprechenden Beteiligungen zugeordnet werden. Entscheidend sind allerdings die Umstände des Einzelfalls. Zuordnung von Finanzmitteln. Finanzmittel, welche für den Geschäftsbetrieb ei- 133 ner Betriebsstätte notwendig sind und tatsächlich durch sie verwendet werden (bzw. verwendet werden sollen), sind regelmäßig der Betriebsstätte unter funktionalen Gesichtspunkten zuzuordnen. Finanzmittel, welche von einer Finanzierungs-Betriebsstätte verwaltet werden, sind dieser ebenfalls zuzuordnen. Lässt sich ein funktionaler Zusammenhang mit der Tätigkeit einer Betriebsstätte dem Grunde oder der Höhe nach nicht rechtfertigen, ist im Ergebnis der Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen zu folgen, wenn diese nicht willkürlich bzw. missbräuchlich ist (vgl. Rz. 128). Forderungen sind einer Betriebsstätte zuzuordnen, wenn sie aus Sicht der Betriebsstätte „einen Aktivposten“ bilden.2 Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Personengesellschaften. Auch bei Personen- 134 gesellschaften kommt es nach Auffassung des BFH nicht auf die rechtliche Zuordnung des Wirtschaftsguts, sondern auf dessen tatsächliche Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der Betriebsstätte der Personengesellschaft an; auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann insoweit nicht abgestellt werden.3 Diese Ansicht ist indessen nicht unproblematisch: Im Gegensatz zu typischen internationalen Einheitsunternehmen (Stammhaus und Betriebsstätte) stellen Wirtschaftsgüter des zivilrechtlichen Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft zivilrechtlich Gesellschaftsvermögen und steuerlich Betriebsvermögen der Personengesellschaft dar. Die Personengesellschaft ist – bezogen auf die Einkünfteerzielung, -qualifikation und Gewinnermittlung – nach innerstaatlichem Recht partielles Steuerrechtssubjekt.4 Dementsprechend ist steuerrechtlich keine Rechtsgrundlage ersichtlich, wonach ein Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft vollständig oder anteilig dem Gesellschafterunternehmen „zuzuordnen“ ist. Dies hat der BFH für die Anwendung innerstaatlicher Rechtsnormen zur sog. „Bilanzierungskonkurrenz“ im Sonderbetriebsvermögen für Zwecke des § 2a EStG5 und für Zwecke des § 9 Nr. 2 GewStG6 ausdrücklich entschieden. Hiernach sind die abkommensrechtlichen Anforderungen an die tatsächliche Zugehörigkeit unbeachtlich. Im Übrigen entspricht es der ständigen Rspr. des BFH, dass das DBA Fragen der Gewinnermittlung nicht regelt (vgl. Rz. 35 ff.). Insofern ist die Gewinnermittlung der Personengesellschaft (einschließlich des ihr zuzuordnenden Betriebsvermögens) streng von der Gewinnermittlung des Gesellschafterunternehmens zu trennen. Handelsrechtlich sind damit Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens der Personengesellschaft nur dann bei dem Gesellschafterunternehmen zu aktivieren, wenn dieser wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts ist. Dies gilt sowohl im Rahmen der Handels-7 als auch der Steuerbilanz.8 4. Zuordnung von Fremd- und Eigenkapital Bedeutung des Dotationskapitals. Zentrales Problem im Rahmen der Bestimmung 135 der Kapitalstruktur einer Betriebsstätte ist die Ermittlung des Dotationskapitals. Als
1 Vgl. auch Schönfeld, IStR 2008, 370 ff. 2 Zu Einzelheiten vgl. BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 m.w.N. 3 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 4 Vgl. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617. 5 Vgl. BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605. 6 Vgl. BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BStBl. II 2000, 399. 7 Vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB. 8 Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG; § 49 Abs. 2 Nr. 1 AO.
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561
Art. 7 (2008) Rz. 135–136
Unternehmensgewinne
Dotationskapital der Betriebsstätte ist der Anteil am Eigenkapital des Gesamtunternehmens zu verstehen, welcher der Betriebsstätte zuzuordnen ist (Eigenkapital der Betriebsstätte). Rechnerisch bestimmt sich das Dotationskapital der Betriebsstätte aus der Differenz der Summe der Werte der der Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgüter abzüglich des ihr zugeordneten Fremdkapitals. Die Frage eines angemessenen Dotationskapitals ist folglich unmittelbar mit der Frage der Zuordnung von Fremdkapital zur Betriebsstätte verbunden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Bestimmung einer angemessenen Kapitalstruktur der Betriebsstätte in der Praxis nur schwerlich möglich ist.1 Eindeutig ist insoweit nur, dass das (gesamte) Eigenkapital des internationalen Einheitsunternehmens die Obergrenze dessen darstellt, was als Eigenkapital zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt werden kann (vgl. Rz. 137).2 Die darüber hinausgehenden Grundsätze der Bestimmung eines angemessenen Dotationskapitals der Betriebsstätte lassen sich hingegen nur schwerlich definieren. Dies liegt bereits daran, dass die Betriebswirtschaftslehre keine allgemeine Aussage über eine optimale und sachgerechte Finanzierungsstruktur eines Unternehmens treffen kann, mithin damit auch der Fremdvergleichsgrundsatz zur Ableitung einer angemessenen Betriebsstättenkapitalstruktur versagt.3 Im Übrigen ist es aufgrund der rechtlichen Unselbständigkeit der Betriebsstätte problematisch, dieser unmittelbar Finanzierungsmittel zuzuordnen. Damit offenbart die Frage der Ermittlung einer angemessenen Kapitalstruktur der Betriebsstätte die Grenzen der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung.4 Mithin gibt es nicht die „richtige“ Kapitalstruktur einer Betriebsstätte,5 vielmehr liegt die Frage weitgehend im Ermessen des Unternehmers (unternehmerische Finanzierungsfreiheit, vgl. Rz. 140). Diese ist grundsätzlich von der Finanzverwaltung zu akzeptieren, soweit sie schlüssig begründet werden kann. 136
Zuordnung von Verbindlichkeiten. Der Betriebsstätte sind diejenigen Verbindlichkeiten zuzuordnen, die mit ihrer Tätigkeit in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.6 Ein solcher Zusammenhang liegt vor, wenn die Verbindlichkeit auch bei einem fiktiv selbständigen, vergleichbaren Unternehmen eine Betriebsschuld darstellen würde.7 Damit sind Verbindlichkeiten, die von der Betriebsstätte direkt bei fremden Dritten oder bei verbundenen Unternehmen für eigene Zwecke aufgenommen werden, der Betriebsstätte zuzuordnen.8 Das Gleiche gilt für Verbindlichkeiten, die von dem Stammhaus bei fremden Dritten oder verbundenen Unternehmen für Zwecke der Betriebsstätte aufgenommen und an die Betriebsstätte weitergeleitet werden (sog. durchgeleitete Darlehen).9 Während diese direkte Zuordnung von Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel10 weitgehend unproblematisch ist, kann die Zuordnung von nicht direkt zuordenbarem Fremdkapital nur im Zusammenspiel mit der Ermittlung des Dotationskapitals der Betriebsstätte bestimmt werden. Allgemein ist dabei zu berücksichtigen, 1 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.16; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 693 f. 2 Vgl. BFH v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207. 3 Gl.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 291; Kraft, StbJb 2000/2001, 205 (219 f.); Engelke/Clemens, DStR 2002, 285 (289); Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 365; a.A. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.5.1; Kumpf/Roth, DB 2000, 787 (787); Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, 72. 4 Vgl. auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 365 f. 5 Vgl. auch BFH v. 22.8.2011 – I B 169/10, BFH/NV 2011, 2119. 6 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017. 7 Vgl. auch BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374. 8 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.3. 9 Vgl. BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017. 10 Vgl. BFH v. 29.3.2000 – I R 15/99, BFH/NV 2000, 1283.
562
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 136–139 Art. 7 (2008)
dass die mit dem Fremdkapital entstehenden (externen) Finanzierungsaufwendungen von dem Unternehmensteil zu tragen sind, welchem das Fremdkapital zuzuordnen ist. Zuordenbar ist dabei nur der tatsächlich entstandene (externe) Finanzierungsaufwand ohne Gewinnaufschlag.1 Die Verrechnung fiktiver Zinsen ist – auch in Bezug auf das Dotationskapital – nicht zulässig.2 Eine Ausnahme besteht nach Auffassung der OECD bei Finanzunternehmen (vgl. Art. 7 Rz. 41 und 49 OECD-MK 2008) sowie dann, wenn ein Unternehmensteil aufgrund der Ausübung der wesentlichen Personalfunktionen als wirtschaftlicher Eigentümer der Finanzmittel angesehen werden kann. Dies soll – so die OECD – regelmäßig bei sog. Finanzierungsbetriebsstätten („Treasury Functions“) der Fall sein.3 Ermittlung des Dotationskapitals. Eine Abgrenzung des nicht direkt zuorden- 137 baren Fremdkapitals und des „unverzinslichen“ Dotationskapitals der Betriebsstätte ist nur auf indirektem Wege auf Basis der Kapitalspiegelmethode (vgl. Rz. 138), nach branchentypischen Grundsätzen (vgl. Rz. 139) und unter Berücksichtigung der Finanzierungsentscheidung des Steuerpflichtigen (vgl. Rz. 140) möglich.4 Das gesamte Eigenkapital des internationalen Einheitsunternehmens bildet dabei die Obergrenze des Eigenkapitals, welches zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen ist (vgl. Rz. 135). Infolgedessen kann das Dotationskapital der Betriebsstätte maximal dem gesamten Eigenkapital des Einheitsunternehmens entsprechen. Im Umkehrschluss darf folglich das Fremdkapital der Betriebsstätte maximal dem Fremdkapital des (gesamten) Einheitsunternehmens entsprechen.5 Insofern besteht ein deutlicher Unterschied zur Finanzierung eines rechtlich selbständigen, verbundenen Unternehmens, welches völlig unabhängig von der Finanzierung seiner Muttergesellschaft mit Fremd- oder Eigenkapital ausgestattet werden kann.6 Kapitalspiegelmethode. Nach der Kapitalspiegelmethode wird das Dotationskapi- 138 tal der Betriebsstätte nach dem Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital des Gesamtunternehmens bestimmt. Wenngleich die Kapitalspiegelmethode damit praktisch einfach anwendbar ist, ist sie zur Bestimmung des Dotationskapitals einer Betriebsstätte nur dann sinnvoll einsetzbar, wenn Stammhaus und Betriebsstätte im Wesentlichen vergleichbare Funktionen und Risiken wahrnehmen.7 Ist dies nicht der Fall, ist die Kapitalspiegelmethode zur Ermittlung des Dotationskapitals der Betriebsstätte nicht geeignet. Vor diesem Hintergrund wird die Methode sowohl von der Rspr.8 und der Literatur9 zutreffend abgelehnt. Branchenübliches Dotationskapital. Die Ermittlung des Dotationskapitals auf Ba- 139 sis einer Branchenüblichkeit10 führt im Ergebnis zu einer Bestimmung des Dotationskapitals auf Basis eines tatsächlichen Fremdvergleichs (vgl. Art. 9 Rz. 55 ff.).11 Diese Auffassung verkennt allerdings, dass sich die Frage der Finanzierung mit Eigen- bzw. Fremdkapital zwischen selbständigen und unabhängigen Unternehmen nicht stellt, sondern letztlich nur im Verhältnis zwischen Gesellschafter und Gesell-
1 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.3; Art. 7 Rz. 41 ff. OECD-MK 2008; Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 191. 2 Vgl. auch BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 187 ff. 4 Zu den Besonderheiten der Bestimmung des Dotationskapitals bei Betriebsstätten von Kreditinstituten vgl. BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917. 5 Vgl. BFH v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207. 6 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 699. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.5.1. 8 Vgl. BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; siehe aber auch BFH v. 23.8.2000 – I R 98/96, BStBl. II 2002, 207; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; v. 22.8.2011 – I B 169/10, BFH/NV 2011, 2119. 9 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.122; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 697. 10 So etwa Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000, 114. 11 So auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.5.1; Runge, IStR 2002, 825 (826).
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Art. 7 (2008) Rz. 139–142
Unternehmensgewinne
schaft bzw. Stammhaus und Betriebsstätte von Bedeutung ist. Insofern kann das Verhalten unabhängiger Unternehmen als Maßstab zur Ableitung einer angemessenen Finanzierung eines verbundenen Unternehmens bzw. einer Betriebsstätte nicht herangezogen werden. Letztlich bleibt nur der Vergleich mit der Finanzierungsentscheidung eines anderen Gesellschafters bzw. eines anderen Unternehmers. Ein solcher Vergleich würde allerdings aufgrund des fehlenden Interessengegensatzes gegen die Grundvoraussetzung des Fremdvergleichs, dem Vergleich mit dem Verhalten von unabhängigen Unternehmen, verstoßen.1 Im Übrigen scheitert auch die Durchführung eines hypothetischen Fremdvergleichs (vgl. Art. 9 Rz. 57), da auch die betriebswirtschaftliche Theorie keinen Lösungsansatz zur Bestimmung einer angemessenen und optimalen Finanzierungsstruktur gibt. 140
Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen. Da die Frage der Ermittlung des Dotationskapitals der Betriebsstätte nicht auf Basis eines Fremdvergleichs beantwortet werden kann (vgl. Rz. 139 und 135) und darüber hinaus die Kapitalspiegelmethode nur in Ausnahmefällen Anwendung finden kann (vgl. Rz. 138), verbleibt nur, auf die konkrete Entscheidung des Steuerpflichtigen im Hinblick auf die Finanzierung seiner Betriebsstätte abzustellen. Dies entspricht der Rspr. des BFH,2 nach der es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich freisteht, mit welchem Dotationskapital er seine Betriebsstätte ausstattet. Allerdings kann der unternehmerischen Zuordnungsentscheidung nur insoweit gefolgt werden, als es sich nicht um eine missbräuchliche Gestaltung handelt. Anhaltspunkte für eine solche sind aus den durch die Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken und ihrem Geschäftsumfang abzuleiten.3 Der Entscheidung des Steuerpflichtigen ist daher nicht zu folgen, wenn sie betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zuwiderläuft und folglich als willkürlich angesehen werden kann oder wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften (z.B. bei Kreditinstituten und Versicherungen) verstößt.4
141
Auffassung der Finanzverwaltung. Entgegen der Rspr. schränkt die Finanzverwaltung die Finanzierungsfreiheit des Steuerpflichtigen (vgl. Rz. 140) bei der Bestimmung des Dotationskapitals erheblich ein. So wird bei einer ausländischen Betriebsstätte von einer Höchst- und bei einer inländischen Betriebsstätte von einer Mindestgrenze des Dotationskapitals gesprochen.5 Eine solche Betrachtungsweise entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage und verfolgt rein fiskalische Interessen: Denn mit einer Höchstdotierung im Outbound-Fall bzw. einer Mindestdotierung im InboundFall wird der einem inländischen Unternehmensteil zuzuordnende Finanzierungsaufwand aus inländischer Sicht minimiert.6
142
Auffassung der OECD. Während der OECD-MK 2008 keine wesentlichen Ausführungen zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte enthält,7 widmet sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 dieser Thematik in einem umfangreichen Kapitel (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 27).8 Als Grundsatz geht die OECD davon aus, dass der Betriebsstätte genügend Eigenkapital zugeordnet werden muss, damit diese die von ihr wahrgenommenen Funktionen und Risiken sowie die ihr zugeordneten Wirt-
1 Zu Einzelheiten vgl. auch Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.120. 2 Vgl. BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; FG Nds. v. 10.11.1987 – I 265/82, EFG 1988, 221, nachgehend BFH v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/ NV 1994, 690. 3 Vgl. Kleineidam, IStR 1993, 349 (351). 4 Vgl. in Bezug auf die Bestimmung eines Dotationskapitals bei einem Kreditinstitut auch BFH v. 22.8.2011 – I B 169/10, BFH/NV 2011, 2119; BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.5.1. 6 Kritisch auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 699 f. m.w.N. 7 Art. 7 Rz. 45 OECD-MK 2008 enthält nur sehr oberflächliche Hinweise zur Ermittlung des „freien“ Kapitals. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 130 und insbesondere Rz. 149–206. Vgl. dazu auch Kroppen in FS Herzig, 1071 (1078 ff.); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 204 ff.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 142–143 Art. 7 (2008)
schaftsgüter angemessen finanzieren kann.1 Die Dotation einer Betriebsstätte mit „freiem Kapital“ („Free Capital“) ist folglich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken nachgelagert. Mithin basiert sie damit im Wesentlichen auf der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 121 ff.). Hinsichtlich der Ermittlung des Dotationskapitals („freies Kapital“) der Betriebsstätte legt sich die OECD nicht auf eine einzige Methode fest, sondern beschreibt lediglich Prinzipien für seine Ermittlung. In diesem Zusammenhang wird zunächst die Kapitalaufteilungsmethode (vgl. Rz. 138) genannt, wonach das Eigenkapital im Verhältnis der zugeordneten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen ist.2 Ergibt sich demnach im Rahmen der Funktionsanalyse, dass der Betriebsstätte 10 % der Wirtschaftsgüter und/oder der Risiken des Gesamtunternehmens zuzuordnen sind, ist die Betriebsstätte mit 10 % des gesamten Eigenkapitals des Einheitsunternehmens zu dotieren. Die für die Praxis äußerst relevante Frage der Bewertung der Wirtschaftsgüter und Risiken lässt die OECD indessen weitgehend offen.3 Als weitere Alternative nennt der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 die Fremdvergleichsmethode zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte. Danach ist das Dotationskapital der Betriebsstätte aus der Kapitalstruktur unabhängiger Unternehmen (vgl. Rz. 139) im Betriebsstättenstaat abzuleiten.4 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Dotationskapital der Betriebsstätte nicht auf das Eigenkapital des Gesamtunternehmens beschränkt wird.5 Im Ergebnis sind die Verlautbarungen der OECD zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte nicht überzeugend. Denn sie gewährleisten weder eine Rechtssicherheit noch eine international übereinstimmende Vorgehensweise zur Bestimmung der Kapitalstruktur der Betriebsstätte. Vielmehr zeigen die Ausführungen der OECD, dass es letztlich an einem konkreten Maßstab fehlt. Auch insoweit sollte daher am Grundsatz der Finanzierungsfreiheit festgehalten werden, nach welchem die Finanzierungsentscheidung des Steuerpflichtigen der Besteuerung zugrunde zu legen ist, soweit diese nicht missbräuchlich oder willkürlich ist (vgl. Rz. 140). 5. Zuordnung von Außenerträgen Zuordnung nach der tatsächlichen Geschäftsausführung. Nach dem Grundsatz 143 des Fremdvergleichs und unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte sind dieser diejenigen Geschäfte zuzuordnen, die durch sie tatsächlich ausgeführt wurden.6 Dabei kommt es im Rahmen der Zuordnung der Geschäfte, die zu Außenerträgen führen, nur auf das Außenverhältnis an, d.h. auf die tatsächliche Ausgestaltung und Abwicklung des Geschäfts. Vor diesem Hintergrund ist bei einer Bau- und Montagebetriebsstätte der Gewinn aus der Zulieferung von Material, das in der Betriebsstätte verwendet wurde, nicht der Betriebsstätte zuzuordnen (vgl. Rz. 204). Vielmehr ist der Gewinn aus dem Verkauf von Waren nur dann und insoweit Betriebsstättengewinn, als der An- und Verkauf von der Betriebsstätte abgewickelt wird.7 Vor diesem Hintergrund kommt dem Steuerpflichtigen ein Entscheidungsspielraum bei der Zuordnung von Außenerträgen zu den Unternehmensteilen zu. Denn es liegt grundsätzlich in seiner Dispositionsfreiheit, welche Unternehmensteile er in die tatsächliche Durchführung eines Geschäftsvorfalls involviert. Gleichwohl darf das Abstellen auf die tatsächliche Geschäftsabwicklung und die Gestaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen nicht zu willkürlichen Gewinnverlagerungen führen.8 Im 1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 136 und 141. 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 155 ff. 3 Nach Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 143 f. soll der Ansatz der Buchwerte, der Verkehrswerte oder der historischen Anschaffungskosten möglich sein. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 163 ff. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 168. 6 Vgl. BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBASchweizRz. 313; unklar dagegen BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145, nach dem es grundsätzlich ohne Bedeutung ist, „wo die Erträgnisse der Betriebsstätte erwirtschaftet werden.“ 7 Vgl. BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94. 8 Vgl. auch Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 321 (324).
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Art. 7 (2008) Rz. 143–146
Unternehmensgewinne
Übrigen ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass eine an den tatsächlichen Verhältnissen ausgerichtete Ertragszuordnung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz weitere unternehmensinterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen nach sich ziehen kann. Dies betrifft bspw. die Überlassung oder Überführung von Geschäftschancen1 sowie die Überführung bzw. Überlassung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 160 ff. bzw. Rz. 167 ff.). 144
Zuordnungskriterien in Zweifelsfällen. Ist eine Zuordnung von Außenerträgen nach Maßgabe der tatsächlichen Abwicklung des Geschäftes nicht möglich, bieten die durch die betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Zuordnung von Außenerträgen (zur Bedeutung der Funktionsanalyse vgl. Rz. 121 ff.). Liegt demnach ein Geschäft im Funktionsbereich eines Unternehmensteils, ist dies als Anhaltspunkt zu werten, dass diesem auch der entsprechende Außenertrag zuzurechnen ist.2 Dabei hat sich eine funktionale Betrachtungsweise allerdings immer an den tatsächlichen Verhältnissen zu orientieren, d.h., der Betriebsstätte kommt keine Attraktivkraft zu (vgl. Rz. 85 ff.). Ferner ist zu untersuchen, ob die betriebliche Teileinheit sachlich, personell und organisatorisch in der Lage ist, das entsprechende Geschäft auszuführen und abzuwickeln. Für die Zuordnung von Geschäften kommen darüber hinaus eine Reihe von Indizien in Betracht. Diese betreffen insbesondere die Frage, welcher Unternehmensteil das Geschäft ausgeführt und die dem Geschäft immanenten Risiken getragen hätte, wenn die Unternehmensteile selbständige und unabhängige Unternehmen gewesen wären, sowie die Frage, welcher Unternehmensteil das Geschäft angebahnt, die Verhandlungen zum Abschluss des Geschäfts geführt und den Vertrag abgeschlossen hat. Gegebenenfalls geben auch gesetzliche Vorschriften – insbesondere im Banken- und Versicherungsbereich – oder der Inhalt von Verträgen (z.B. Vereinbarungen hinsichtlich des anzuwendenden Rechts) Aufschluss über die Zuordnung von Geschäften.
145
Analogie zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Die Zuordnung von Außenerträgen folgt der Zuordnung der diesen Erträgen zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter. Vor diesem Hintergrund hat die Zuordnung von Wirtschaftsgütern eine wesentliche und unmittelbare Konsequenz für die Zuordnung von Außenerträgen (vgl. Rz. 124 ff.). 6. Zuordnung von Außenaufwendungen
146
Auffassung der Rechtsprechung. Nach der Rspr. des BFH ist die Aufwandszuordnung im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung am Veranlassungsprinzip auszurichten. So hat der BFH in seinem grundlegenden Urt. v. 20.7.19883 einen „wirtschaftlichen Zusammenhang“ i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG angenommen, wenn die Aufwendungen durch die Betriebsstätte veranlasst sind. Insoweit seien der Betriebsstätte diejenigen Außenaufwendungen zuzuordnen, die „sowohl durch ihre Tätigkeit als auch durch ihre Existenz“4 veranlasst wurden, wobei es weder auf einen betriebsnotwendigen oder betriebswirtschaftlich notwendigen Veranlassungszusammenhang noch auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang ankomme. Ferner sei unerheblich, ob die Aufwendungen im Stammhaus oder in der Betriebsstätte angefallen sind und welcher Unternehmensteil die Aufwendungen tatsächlich trägt (vgl. Rz. 210 ff.). Diese Grundsätze gelten auch – so der BFH – vor dem Hintergrund der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2. So sei für die Aufwandszuordnung entscheidend, dass die Betriebsstätte „Voraussetzung für das Entstehen von Aufwendungen“ ist und insofern eine „kausale Verknüpfung“ zwischen Aufwen-
1 Vgl. dazu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.5.3. 2 Insoweit kann auf die im Rahmen der Geschäftschancenlehre des BFH abgeleiteten Kriterien der Zuordnung von Geschäftschancen abgestellt werden; vgl. dazu BFH v. 13.11.1996 – I R 149/94, BB 1997, 508; v. 12.6.1997 – I R 14/96, DStR 1997, 1360 im Hinblick auf die Zuordnung von Geschäftschancen. 3 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; siehe ferner BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFH/NV 2000, 903. 4 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 146–148 Art. 7 (2008)
dungen und Betriebsstätte bestehe.1 Schließlich hat der BFH in seinem Urt. v. 18.9.1996 ausdrücklich konstatiert, dass die Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 Abs. 2 an dem Veranlassungsprinzip auszurichten sei.2 Aufwandszuordnung nach dem Veranlassungsprinzip. Der Begriff der Veranlas- 147 sung ist von demjenigen der Verursachung streng zu trennen.3 Denn das steuerspezifische Veranlassungsprinzip ist von den im Rahmen des Zivil- und Strafrechts entwickelten Kausalitätstheorien und dem naturwissenschaftlichen Kausalitätsbegriff zu unterscheiden.4 So ist die Betrachtung naturgesetzlicher Ursachenzusammenhänge im Rahmen sog. Kausalketten für Zwecke der steuerrechtlichen Aufwandszuordnung aufgrund der zahlreich denkbaren Kausalfaktoren wenig dienlich. Dies macht das Beispiel der Zuordnung von Aufwendungen aus Währungsverlusten (vgl. Rz. 183) bei der Umrechnung des Betriebsstättenergebnisses offensichtlich, wo neben der Existenz der Betriebsstätte weitere Faktoren denkbar sind, die in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit den Währungsverlusten stehen (z.B. die unternehmenspolitische Entscheidung, eine ausländische Betriebsstätte zu gründen, Währungsschwankungen, die technische Notwendigkeit der Währungsumrechnung). Für die Konkretisierung des steuerlichen Veranlassungszusammenhangs ist ferner der äquivalenztheoretische Kausalbegriff wenig tauglich.5 Nach diesem Kausalitätsverständnis sind diejenigen Bedingungen für einen Erfolg kausal, die nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass der eingetretene Erfolg entfiele (sog. „conditio sine qua non“-Formel).6 Aufwendungen wären demnach durch den Betrieb veranlasst, wenn diese ohne den Betrieb nicht angefallen wären. Für die Zuordnung von Aufwendungen folgt daraus, dass ein Aufwand immer dann durch die Betriebsstätte verursacht und folglich dieser zuzuordnen wäre, wenn der entsprechende Aufwand für das Gesamtunternehmen entfiele, würde die Betriebsstätte nicht existieren. Obschon sich aus dieser Sichtweise erste Erkenntnisse im Rahmen einer Veranlassungsanalyse ergeben können, ist eine Ausrichtung der Aufwandszuordnung an einem reinen Kausalitätszusammenhang zwischen Außenaufwand und betrieblicher Teileinheit zum Scheitern verurteilt.7 Damit kann die Konkretisierung des Veranlassungszusammenhangs durch Abstellen auf ein reines Kausalitätsverständnis nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen. Stattdessen ist zu berücksichtigen, dass nicht nur ein Kausalfaktor, sondern eine Vielzahl einzelner Kausalfaktoren existieren, die im Rahmen der steuerlichen Zuordnungsentscheidung zu identifizieren, den Unternehmensteilen zuzuordnen und schließlich zu gewichten bzw. zu bewerten sind.8 Damit ist die Frage der Aufwandszuordnung nach Veranlassungsgesichtspunkten von einer Wertung abhängig und damit subjektiv; auf die bloße Anwendung der „conditio sine qua non“-Formel kann es dagegen nicht ankommen. Vor diesem Hintergrund vermag die Rspr. des BFH im Hinblick auf eine Aufwandszuordnung unter bloßer Berücksichtigung des Kausalfaktors „Existenz der Betriebsstätte“ nicht zu überzeugen. Veranlassungsprinzip und Fremdvergleichsgrundsatz. Auch die Zuordnung von 148 Außenaufwendungen zu den Unternehmensteilen hat sich an dem Fremdvergleichsgrundsatz gem. Art. 7 Abs. 2 auszurichten. Vor diesem Hintergrund ist im Hinblick auf die für das Gesamtunternehmen entstandenen Aufwendungen zu prüfen, ob ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen 1 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111 und die Vorinstanz des FG Münster v. 10.3.1995 – 9 K 5026/92, EFG 1996, 239. 2 Vgl. BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145. 3 Vgl. Prinz, FR 1986, 397 (406). 4 Vgl. Görlich, DB 1979, 711 (712); Kleineidam in FS Fischer, 691 (701 f.). 5 Vgl. Hofstetter, DStZ 1991, 658 (660); Wassermeyer, StuW 1982, 352 (359). 6 Vgl. Hofstetter, DStZ 1991, 658 (659); Ruppe, DStJG 1980, 103 (129). 7 So auch der BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111. Ansonsten wäre, wenn man auf die Geschäftsentscheidung des Stammhauses, eine Betriebsstätte zu gründen, blickt, eine Zuordnung von Aufwendungen zur Betriebsstätte völlig ausgeschlossen. 8 Vgl. Ruppe, DStJG 1980, 103 (133); Wassermeyer, StuW 1982, 352 (363); Wassermeyer, StuW 1981, 245 (246).
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Art. 7 (2008) Rz. 148–150
Unternehmensgewinne
bereit gewesen wäre, den Aufwand zu tragen. Dabei ist – vergleichbar zur Situation bei verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 9 Rz. 102 und 109) – darauf abzustellen, ob der Aufwand im betrieblichen Interesse des betroffenen Unternehmensteils liegt.1 Dies ist immer dann der Fall, wenn die Leistungen einen Vorteil erwarten lassen und eigene Kosten ersparen.2 Insoweit besteht eine inhaltliche Parallele einer am Fremdvergleich orientierten Aufwandszuordnung mit einer solchen nach dem Veranlassungsprinzip. Denn auch die betriebliche Veranlassung nach § 4 Abs. 4 EStG setzt voraus, dass dem Betrieb durch die Aufwendungen ein wirtschaftlicher Vorteil erwachsen kann.3 Vor diesem Hintergrund sind der Betriebsstätte nur dann leistungsbezogene Aufwendungen zuzuordnen, wenn sie aus der an das Unternehmen erbrachten Leistung einen Nutzen ziehen können. Für die Frage, ob ein leistungsbezogener Aufwand von Vorteil für die betriebliche Teileinheit ist, ist dabei ausschließlich auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen (sog. ex ante-Betrachtung). Dagegen ist der tatsächlich eingetretene Vorteil nur von untergeordneter Bedeutung, sodass grundsätzlich auch Aufwendungen im Zusammenhang mit Leistungen, die sich später als Fehlmaßnahmen herausstellen, der Betriebsstätte zuzuordnen sind, wenn im Zeitpunkt der Leistungserbringung ein Vorteil erwartet werden konnte. Vor diesem Hintergrund können Aufwendungen im Zusammenhang mit der Kontrolle der Betriebsstätte und Aufwendungen zur rechtlichen Organisation des Stammhauses nicht der Betriebsstätte zugeordnet werden.4 Denn diese Aufwendungen liegen nicht im eigenen betrieblichen Interesse der Betriebsstätte und wären bei ihr als selbständiges und unabhängiges Unternehmen nicht angefallen. 149
Ablehnung eines kausalen Veranlassungszusammenhangs. Im Ergebnis ist Wassermeyer zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass das Veranlassungsprinzip „in seinem Kern dem Fremdvergleich […] entspricht.“5 Denn auch unter unabhängigen Dritten wird regelmäßig derjenige die Aufwendungen tragen, der sie veranlasst hat. Insoweit ist dem Fremdvergleichsgrundsatz eine Aufwandszuordnung nach Veranlassungsgesichtspunkten immanent. Ist insofern davon auszugehen, dass bei leistungsbezogenen Aufwendungen das Veranlassungsprinzip und der Fremdvergleichsgrundsatz zu identischen Zuordnungsergebnissen führen, ist das Merkmal des betrieblichen Nutzens bzw. Vorteils nicht bei allen Aufwandskategorien als Zuordnungskriterium brauchbar. Dies gilt insbesondere für Aufwendungen, die ihre Veranlassung nicht im Unternehmensbereich selbst, sondern in der unternehmensexternen Umwelt (z.B. Einwirkung fremder Dritter, staatliche Eingriffe, Naturereignisse) finden. Derartige Aufwendungen, denen keine externe Leistungsbeziehung zugrunde liegt, erwachsen häufig im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern. Die Aufwandszuordnung hat dabei der Zuordnung der betroffenen Wirtschaftsgüter zu folgen (vgl. Rz. 124 ff.).
150
Aufteilung von Aufwendungen. Es sind auch Aufwendungen denkbar, die einen betrieblichen Nutzen beim Stammhaus und der Betriebsstätte auslösen. Die entsprechenden Leistungen betreffen häufig ein zentrales Management (z.B. Vorstand oder Geschäftsführung), administrative Leistungen, den Einkauf von Waren sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen oder die Forschung und Entwicklung. Derartige Leistungen sind durch beide Unternehmensteile (gemeinsam) veranlasst und demnach diesen gemeinsam zuzuordnen. Die entsprechenden Aufwendungen sind – unabhängig davon, wo sie angefallen sind und wer sie getragen hat (vgl. Rz. 146 und 210 ff.) – als originäre Aufwendungen des jeweiligen Unternehmensteils anzusehen; ein Leistungsaustausch (vgl. Rz. 151 ff.) findet zwischen den Unternehmensteilen nicht statt (vgl. Rz. 159). Analog dem Poolkonzept der Kostenumlage zwischen verbundenen Unter1 Vgl. auch BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01, BStBl. I 2001, 796 Rz. 3.1 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Rz. 6. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218 Rz. 6.2.2 (geändert durch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570). 3 Vgl. Görlich, DB 1979, 711 (712). 4 A.A. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.7 Abs. 1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 284; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 226; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 556 f. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 186.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 150–152 Art. 7 (2008)
nehmen1 (vgl. Art. 9 Rz. 85) sind in diesen Fällen die entstandenen Aufwendungen (ohne Gewinnaufschlag) auf Basis eines angemessenen Schlüssels2 aufzuteilen. Eine reine Aufwandsaufteilung (ohne Gewinnaufschlag) ist indessen nur möglich, wenn die Leistungen im gleichgerichteten Interesse der betrieblichen Einheit empfangen werden, d.h., dass sie die Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Unternehmensteile gemeinsam die Funktionen ausüben. Unternehmensteile, die Leistungen im Interesse anderer Unternehmensteile erbringen, ohne die Leistungen selbst zu nutzen oder zu verwerten, haben hingegen die insofern erbrachten Leistungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlages „abzurechnen“ (z.B. Leistungen, die die Haupttätigkeit der Betriebsstätte betreffen). Dies setzt allerdings eine Rechtsgrundlage des innerstaatlichen Rechts voraus, welche die Realisierung eines Gewinnaufschlages in diesem Zusammenhang zulässt (Rz. 175). Beispiel: Kontroll- und Koordinierungs-Betriebsstätten werden speziell dafür eingerichtet, bestimmte Managementfunktionen zu übernehmen und/oder spezielle Dienstleistungen an andere Unternehmensteile zu erbringen.3 In diesem Fall erwachsen der insofern spezialisierten Betriebsstätte keine eigenen Vorteile durch die Dienstleistungserbringung. Infolgedessen liegt ein unternehmensinterner Leistungsaustausch (vgl. Rz. 151 ff.) vor, welcher die Verrechnung eines Fremdvergleichspreises (einschließlich Gewinnmarge) rechtfertigt. Gleiches gilt für sog. Geschäftsleitungsbetriebsstätten (vgl. Rz. 206).
7. Unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen a) Notwendigkeit der Berücksichtigung interner Liefer- und Leistungsbeziehungen Implikation des Fremdvergleichsgrundsatzes. Unter Berücksichtigung des Fremd- 151 vergleichsgrundsatzes sind zunächst die für das Gesamtunternehmen im Lieferund Leistungsaustausch mit außenstehenden Dritten entstandenen Erträge (vgl. Rz. 143 ff.) und Aufwendungen (vgl. Rz. 146 ff.) den betrieblichen Teileinheiten zuzuordnen. Daran anschließend sind die unternehmensinternen „Lieferungs- und Leistungsbeziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im Rahmen der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 121; siehe auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008) zu identifizieren und nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs „abzurechnen“. Die Abrechnung von „Preisen“ für diese unternehmensinternen Transaktionen bedingt allerdings i.d.R. keinen tatsächlichen Zahlungsmittelfluss. Vielmehr werden die auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes ermittelten Wertgrößen (vgl. Rz. 156 ff.) im Rahmen der Kostenstellenrechnung bzw. im Rahmen von getrennten Buchführungskreisen der Unternehmensteile (vgl. Rz. 117 ff.) ohne Zahlungsmittelfluss verrechnet. Prinzipiell ist jedoch auch denkbar, dass für das Stammhaus und für die Betriebsstätte separate Bankkonten existieren und der unternehmensinterne Leistungsaustausch entgeltlich vergütet wird.4 Abgrenzung zur veranlassungsgerechten Ertragszuordnung. Dem Grundsatz des 152 Fremdvergleichs würde nicht hinreichend Rechnung getragen werden, wenn unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen im Rahmen der Gewinnabgrenzung keine Berücksichtigung fänden (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 29). Denn in diesem Fall könnte jede betriebliche Teileinheit Leistungen einer anderen in Anspruch nehmen, ohne dass dieser Leistungsaustausch die jeweiligen betrieblichen Teilgewinne beeinflussen würde. Die Abrechnung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen ist indessen umstritten. So wird im Schrifttum auch die Auffassung vertreten, dass die Gewinnabgrenzung bei einer ausländischen Betriebsstätte „gewissermaßen auf der Seite der Erlöse“5 stattfindet. Statt einer Abrechnung unternehmensinterner Liefer-
1 2 3 4
Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122. Vgl. dazu Ditz, DB 2004, 1949 ff. Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.4.1. Zu den möglichen Organisationsformen der Betriebsstättenbuchführung vgl. auch Kleineidam, IStR 1993, 141 (144). 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 244.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 152–153
Unternehmensgewinne
und Leistungsbeziehungen seien vielmehr die tatsächlich realisierten Erträge des Gesamtunternehmens nach Maßgabe der wirtschaftlichen Veranlassung unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes zwischen den betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen.1 Dieser Auffassung folgt auch der BFH in seinem Urt. v. 17.7.20082 zur Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsnormen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG) durch das SEStEG v. 7.12.2006.3 Eine solche Einschränkung der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes kann sich indessen nur aus den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und nicht aus dem Abkommensrecht ergeben. Denn Art. 7 kommt Self Executing Wirkung zu (vgl. Rz. 38 ff.), wobei die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auf Ebene der Gewinnabgrenzung uneingeschränkt Anwendung finden muss (vgl. Rz. 110 ff.). Abkommensrechtlich bestehen keine Gründe, die einer Verrechnung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte entgegenstehen. Vielmehr ist es gerade der Grundsatz des Fremdvergleichs i.S.d. Art. 7 Abs. 2, der zwingend erfordert, dass solche Leistungsbeziehungen wie zwischen fremden Dritten „abzurechnen“ sind (vgl. auch Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008). Im Übrigen steht das Verständnis des Fremdvergleichsgrundsatzes i.S. einer reinen Aufwands- und Ertragszuordnung nach Veranlassungsgesichtspunkten sowohl in seinem theoretischen Ansatz als auch in seiner praktischen Umsetzung vor dem Problem, dass bei jedem Akt der Ertragsrealisierung der entsprechende Ertrag auf seine partielle Veranlassung durch das Stammhaus bzw. die Betriebsstätte zu prüfen und entsprechend aufzuteilen ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, wann überhaupt eine Innentransaktion zu einer „Einkünfteerzielung“4 eingesetzt wird und folglich dem leistungsausführenden Unternehmensteil ein Anteil an dem realisierten Außenertrag zuzurechnen ist. Folglich ist für jeden realisierten Ertrag bzw. Aufwand zu klären, ob, und falls ja, in welcher Höhe er durch das Stammhaus bzw. durch die Betriebsstätte mitveranlasst wurde. Diese Vorgehensweise scheitert in der Praxis regelmäßig an der kaum überwindbaren Problematik, bei jedem Realisationsakt die Ertragsbeiträge der betrieblichen Teileinheiten festzustellen und unter Beachtung eines Fremdvergleichs aufzuteilen. Dies deswegen, weil sich i.d.R. nicht abgrenzen lässt, in welchem Umfang eine unternehmensinterne Leistung im Verhältnis zu anderen Produktionsfaktoren zum Markterfolg beigetragen hat. Vor diesem Hintergrund lässt es sich – um eine gewisse Praktikabilität zu gewährleisten – kaum vermeiden, den unternehmensinternen Liefer- und Leistungsverkehr unmittelbar unter Fremdvergleichsaspekten „abzurechnen“.5 153
Definition der Leistungsbeziehung. Der Begriff der unternehmensinternen Lieferund Leistungsbeziehung ist eng mit dem Begriff der Funktion verbunden. Vor diesem Hintergrund sieht der „Authorised OECD Approach“ der OECD zutreffend eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse vor (vgl. Rz. 100 f.). Es ist davon auszugehen, dass eine betriebliche Teileinheit im Innen- oder Außenverhältnis keine Leistung erbringen kann, wenn sie keine Funktion ausübt. Insoweit ist die Ausübung einer Funktion eine notwendige Voraussetzung für eine Leistungserbringung und somit für das Bestehen einer Leistungsbeziehung.6 Insoweit lässt sich i.d.R. von den durch einen Unternehmensteil ausgeübten Funktionen auf die von ihm erbrachten Leistungen 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 242 ff. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, belegt mit Nichtanwendungserlass des BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. Vgl. dazu auch Ditz, IStR 2009, 115 (118). 3 Vgl. Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 4 So Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA, Rz. 250 und 287. 5 Insbesondere stellt sich auch die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Summe der Fremdvergleichspreise der betrieblichen Einzelleistungen nicht dem tatsächlich realisierten Außenertrag entspricht. 6 Zur Definition der Funktion im Einzelnen vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 14–16; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.2; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 ff.; von Bredow, Reallokation von Funktionen in grenzüberschreitend tätigen Konzernen, 54 ff.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 153–155 Art. 7 (2008)
schließen. Darüber hinaus setzt eine Liefer- oder Leistungsbeziehung eine „Beziehung“ zwischen zwei sich gegenüberstehenden Parteien voraus. Diese „Beziehung“ konkretisiert sich zwischen fremden Dritten in einer auf einen Leistungsaustausch gerichteten, schuldrechtlichen Vereinbarung.1 Dabei wird der Leistungserbringer im Rahmen einer eigenen erwerbswirtschaftlichen Motivation tätig. Demgegenüber erwartet der Leistungsempfänger für seine eigene unternehmerische Tätigkeit einen wirtschaftlichen Vorteil, z.B. in der Form einer Bedarfsdeckung. Für die erbrachte Leistung wird seitens des Leistungserbringers regelmäßig eine Gegenleistung des Leistungsempfängers erwartet, die i.d.R. in der Zahlung des vereinbarten Entgelts besteht. Insoweit stehen sich bei einer Leistungsbeziehung eine Leistung des Leistungserbringers und eine Gegenleistung des Leistungsempfängers korrespondierend gegenüber. Vor diesem Hintergrund kann unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes eine unternehmensinterne Liefer- oder Leistungsbeziehung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nur angenommen werden, wenn diese auch unter fremden Dritten denkbar wäre und somit einem – tatsächlichen oder hypothetischen – Fremdvergleich (vgl. Art. 9 Rz. 55 ff.) zugänglich ist. Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gem. § 1 Abs. 4 AStG n.F. Nach dem 154 Entwurf eines JStG 20132 soll der Anwendungsbereich des § 1 AStG auf Betriebsstätten ausgeweitet und damit der „Authorised OECD Approach“ in innerstaatliches Recht transformiert werden (vgl. Rz. 42 ff.). In diesem Zusammenhang geht § 1 Abs. 4 Satz 3 AStG n.F. in Bezug auf unternehmensinterne Lieferung- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte von „anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen“ aus. Infolgedessen werden unternehmensinterne Lieferungen und Leistungen, wie sie zwischen Stammhaus und Betriebsstätte für Zwecke der Gewinnabgrenzung „abzurechnen“ sind (vgl. Rz. 151 ff.), einer Geschäftsbeziehung zwischen nahestehenden Personen (im Sinne einer schuldrechtlichen Leistungsbeziehung) gleichgestellt. Mit der Änderung der Definition der Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG n.F. will der Gesetzgeber die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um auch Betriebsstättenfälle durch § 1 AStG zu erfassen. Daher wurde auch der Begriff „schuldrechtliche Beziehung“ in „wirtschaftlicher Vorgang“ geändert, da schuldrechtliche Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebsstätte nicht möglich sind. Unabhängige Unternehmen würden vergleichbare wirtschaftliche Vorgänge untereinander durch schuldrechtliche Beziehungen ausgestalten. Da solche wirtschaftlichen Vorgänge auch zwischen dem Stammhaus und seiner Betriebsstätte vorliegen, sollen diese somit genauso Berücksichtigung finden wie bei unabhängigen Unternehmen. Vom Begriff „wirtschaftlicher Vorgang“ sind nach Ansicht des Gesetzgebers alle rechtlichen Beziehungen und tatsächlichen Handlungen erfasst. Darüber hinaus soll durch § 1 Abs. 4 Satz 1 AStG n.F. verdeutlicht werden, dass Geschäftsbeziehungen bzw. „anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aus mehreren Geschäftsvorfällen bestehen können. In welchen konkreten Fällen indessen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine „anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“ anzunehmen ist, geht weder aus dem Entwurf des Gesetzestextes noch der Gesetzesbegründung hervor. Dokumentation. Während eine Leistungsbeziehung zwischen fremden Dritten 155 bzw. zwischen verbundenen Unternehmen i.d.R. durch einen schriftlichen Vertrag, durch schriftliche Korrespondenz (z.B. Auftragserteilung oder Leistungsabrechnung) oder durch sonstige Unterlagen belegbar ist, sind derartige Nachweise im internationalen Einheitsunternehmen i.d.R. nicht vorhanden. Demgegenüber sind es gerade solche Belege, die eine Leistungsbeziehung dokumentieren und insoweit als Bindeglied zwischen Geschäftsvorfall und seiner Abbildung in der Buchführung fungieren. So fordert das sog. Belegprinzip im Rahmen der handelsrechtlichen Buchführung, dass sämtliche Buchungen durch Beleg nachzuweisen sind („keine Buchung
1 Vgl. in diesem Zusammenhang auch § 1 Abs. 5 AStG mit einer Definition der Geschäftsbeziehung und dazu mit Einzelheiten Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 476 ff. 2 Vgl. Rz. 42 ff. zu Einzelheiten.
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Art. 7 (2008) Rz. 155–157
Unternehmensgewinne
ohne Beleg“).1 Dieser Dokumentationsverpflichtung ist auch steuerlich nachzukommen.2 Ordnungsgemäße Belege sind demnach Grundvoraussetzung für die Beweiskraft und die Überprüfung der steuerlichen Buchführung und infolgedessen auch für die Betriebsstättengewinnabgrenzung unabdingbar. Vor diesem Hintergrund kann zunächst nur die Buchführung (vgl. Rz. 117 ff.) als Nachweis einer Leistungsbeziehung zwischen den betrieblichen Teileinheiten fungieren. Im Rahmen der Buchführung ist der Steuerpflichtige verpflichtet, sämtliche Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte festzuhalten und zu quantifizieren. Da allerdings in diesem Zusammenhang Belege, wie z.B. Verträge, Unterlagen zu Vertragsverhandlungen, Rechnungen etc., aufgrund der zivilrechtlichen Unselbständigkeit der Betriebsstätte (vgl. Rz. 90 f.) i.d.R. nicht vorhanden sind,3 ist die Erstellung sog. Eigenbelege notwendig. Aus diesen sollten mindestens die Art und der Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Liefer- oder Leistungsbeziehung sowie der verbuchte Betrag – möglicherweise einschließlich Mengen und Wertangaben – hervorgehen. Entsprechende Nachweise des Steuerpflichtigen sind nach Auffassung der OECD4 anzuerkennen, wenn die Aufzeichnungen mit dem wirtschaftlichen Gehalt der tatsächlich durchgeführten Vorgänge im Einklang stehen und die tatsächlichen Vorgänge insgesamt nicht von den Bedingungen abweichen, die fremde Dritte vereinbart hätten. Im Übrigen sind nach innerstaatlichem Verfahrensrecht die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV zu beachten, welche insbesondere zur Folge haben, dass die Funktions- und Risikoanalyse, die identifizierten unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen sowie deren Bewertung auf Basis eines Fremdvergleichs zu dokumentieren sind.5 b) Bewertung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes 156
Ansatz eines Fremdvergleichspreises. Ausgehend vom Fremdvergleichsgrundsatz und unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 110 ff.) sind Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte grundsätzlich mit ihrem Fremdvergleichspreis zu verrechnen. Dies gilt – ohne Ausnahme – für jegliche Arten von Leistungsbeziehungen, wie z.B. der Überführung sowie der Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern, der Erbringung von Dienstleistungen etc. Eine Ausnahme besteht nur für die Umlage von Aufwendungen nach dem sog. Poolkonzept (vgl. Rz. 150 und 159). Die Bestimmung des Fremdvergleichspreises hat dabei ihren Ausgangspunkt in der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.). Auf deren Grundlage sind die im Rahmen einer unternehmensinternen Liefer- oder Leistungsbeziehung von den betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Wirtschaftsgütern zu bewerten (vgl. Art. 7 Rz. 18 OECD-MK 2008).
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Anwendung der Grundsätze für verbundene Unternehmen. Die Ermittlung von Fremdvergleichspreisen für unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen ist identisch mit der korrespondierenden Problematik der Quantifizierung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise für Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen rechtlich selbständigen, verbundenen Unternehmen. Insofern können sich aus der unterschiedlichen Rechtsform keine differierenden Maßstäbe hinsichtlich der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes und einer an diesem ausgerichteten Verrechnungspreisbestimmung ergeben: Vor diesem Hintergrund bilden die im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen etablierten, international anerkannten Verrechnungspreismethoden (in Form der klassischen Verrechnungspreismethoden und der gewinnorientierten Methoden) die Grundlage zur 1 Vgl. nur Winkeljohann/Klein in Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 238 HGB Rz. 86 ff. 2 Vgl. BFH v. 30.5.1962 – I 199/60, DB 1962, 1029. 3 Ausnahmen können insbesondere bei Personengesellschaften bestehen, welche mit ihren Gesellschaftern grundsätzlich Verträge abschließen können. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 39 und 216. 5 Vgl. § 7 GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.5.1 und 3.4.5.2.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 157–160 Art. 7 (2008)
Ermittlung von Verrechnungspreisen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Art. 9 Rz. 61 ff.). Dabei ist auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu berücksichtigen, dass es den einen „richtigen“ Fremdvergleichspreis nicht gibt, sondern nur eine Bandbreite von Preisen ermittelt werden kann (sog. „Bandbreitenbetrachtung“, vgl. Art. 9 Rz. 54). Gewinnrealisierung nach innerstaatlichem Recht. Art. 7 kommt für Zwecke der Ge- 158 winnermittlung keine Self Executing Wirkung zu (vgl. Rz. 35 ff. und 110). Damit bedarf es zur Ausfüllung einer uneingeschränkten Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Bewertung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen einer Vorschrift des innerstaatlichen Rechts, welche die Realisierung stiller Reserven oder die „Abrechnung“ eines Gewinnelements anordnet. Eine solche Rechtsgrundlage existiert de lege lata im deutschen innerstaatlichen Steuerrecht lediglich in § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 16 Abs. 3a EStG (vgl. Rz. 40). Außerhalb dieser Normen kann es zu keiner Gewinnrealisierung kommen. Sind die Vorschriften nicht einschlägig, können Gewinne aus einer unternehmensinternen Liefer- oder Leistungsbeziehung erst ausgewiesen und besteuert werden, wenn sie im Außenverhältnis realisiert wurden (zu den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl. Rz. 152). Infolgedessen bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung alleine nach innerstaatlichem Recht (vgl. Rz. 44), wobei de lege ferenda die durch das JStG 2013 geplanten Änderungen des § 1 AStG zu beachten sind (vgl. Rz. 42). Umlage von Aufwendungen. Innerhalb eines internationalen Einheitsunterneh- 159 mens werden von zentraler Stelle aus (häufig durch das Stammhaus) Leistungen an verschiedene Unternehmensteile erbracht. Die betroffenen Leistungskategorien betreffen häufig sog. betriebliche Hilfsfunktionen, wie die Erbringung von administrativen Dienstleistungen, den Einkauf von Wirtschaftsgütern, die EDV, Marketing bzw. Werbung sowie die Forschung und Entwicklung. Ferner ist häufig nur ein zentrales Management tätig, das alle Unternehmensteile leitet und koordiniert. Im Rahmen einer solchen „Kooperation“ der Unternehmensteile werden Leistungen in deren gemeinsamen Interesse und zu deren gemeinsamen Nutzen empfangen. Da die Leistungen zum Nutzen jeder betrieblichen Teileinheit erbracht werden, sind sie durch diese gemeinsam veranlasst und demnach nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs diesen gemeinsam zuzuordnen. Die entsprechenden Aufwendungen sind – unabhängig davon, wo sie angefallen und wer sie getragen hat (vgl. Rz. 210 ff.) – als originäre Aufwendungen des jeweiligen Unternehmensteils anzusehen; ein Leistungsaustausch findet zwischen den betrieblichen Teileinheiten nicht statt (vgl. Rz. 150). Vor diesem Hintergrund ist es – analog dem sog. Poolkonzept zwischen verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 9 Rz. 85) – sachgerecht, die entsprechenden Aufwendungen ohne Gewinnaufschlag zwischen den betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen. Der Umlageschlüssel hat sich dabei an dem tatsächlichen oder erwarteten Nutzen der betrieblichen Teileinheiten aus den empfangenen Leistungen auszurichten.1 Da im internationalen Einheitsunternehmen ein Umlagevertrag aufgrund der zivilrechtlichen Unselbständigkeit der betrieblichen Teileinheiten (vgl. Rz. 90) nicht abgeschlossen werden kann, kommt der Dokumentation der Aufwandsumlage zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine große Bedeutung zu. Insofern sind bei Anwendung des Poolkonzepts insbesondere die betroffenen Leistungskategorien, die damit in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden direkten und indirekten Aufwendungen (Umlagemasse) sowie die Bestimmung des Umlageschlüssels durch den Steuerpflichtigen zu dokumentieren (vgl. Rz. 155 und 208 f.). c) Überführung von Wirtschaftsgütern Ansatz eines Fremdvergleichspreises. Auf Basis der uneingeschränkten Selbstän- 160 digkeitsfiktion der Betriebsstätte und unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist gem. Art. 7 Abs. 2 die Überführung eines Wirtschaftsguts (unabhängig da-
1 Vgl. zu Einzelheiten Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 314 ff.; Ditz, DB 2004, 1949 ff.
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Art. 7 (2008) Rz. 160–161
Unternehmensgewinne
von, ob ein materielles oder immaterielles Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens vorliegt) als fiktive Lieferung (sog. „Dealing“) zu werten, die mit dem Fremdvergleichspreis zu bewerten ist (vgl. Art. 7 Rz. 21 OECD-MK 2008).1 Von der Überführung eines Wirtschaftsguts ist auszugehen, wenn ein Wirtschaftsgut zunächst dem Stammhaus (oder einer anderen Betriebsstätte) und dann einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Die OECD spricht insofern von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an dem Wirtschaftsgut vom Stammhaus in die Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 31 f.).2 Mit der Bewertung des Wirtschaftsguts mit dem Fremdvergleichspreis (vgl. Rz. 156) gewährt Art. 7 Abs. 2 den Vertragsstaaten (z.B. dem Stammhaus bzw. Ansässigkeitsstaat) das Recht, stille Reserven aus einem Wirtschaftsgut (d.h. die Differenz zwischen seinem Markt- und dem Buchwert) im Zeitpunkt seiner Überführung zu besteuern. Ob der Vertragsstaat dieses Besteuerungsrecht in Anspruch nimmt, kann sich indessen nur aus seinem innerstaatlichen Recht (vgl. Rz. 35 ff.) ergeben. Darüber hinaus folgt aus Art. 7 Abs. 2 die Verpflichtung des Vertragsstaates, in welchen das Wirtschaftsgut überführt wird (z.B. der Betriebsstättenstaat), den Fremdvergleichspreis des Wirtschaftsguts als dessen Anschaffungskosten anzuerkennen, d.h., für lokale Besteuerungszwecke das Wirtschaftsgut mit seinem Fremdvergleichspreis als Anschaffungskosten zu aktivieren und abzuschreiben (im Fall eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens) bzw. den Fremdvergleichspreis zur Bewertung des Wareneinsatzes (bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens) heranzuziehen (vgl. Rz. 165). 161
Entstrickung stiller Reserven nach innerstaatlichem Recht. Die Rechtsgrundlagen zur Realisierung und Besteuerung von stillen Reserven im Rahmen der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte sind im deutschen innerstaatlichen Recht seit jeher umstritten. So war nach der – durch das BFH-Urt. v. 17.7.20083 nunmehr überholten (vgl. Rz. 162) – finalen Entnahmetheorie die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte als Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zu behandeln, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte nach einem DBA von der deutschen Besteuerung freigestellt war. Dies wurde durch den BFH damit begründet, dass die stillen Reserven des Wirtschaftsguts mit seiner Überführung in die ausländische Betriebsstätte aufgrund der DBA-Freistellung einer inländischen Besteuerung entzogen würden.4 Demnach definierte der BFH einen Gewinnrealisierungstatbestand, nach dem die in einem Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven bei seiner Überführung in eine DBA-Betriebsstätte durch den Ansatz des Teilwerts zu versteuern sind (sog. Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung).5 Wird ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens in eine Betriebsstätte eines Nicht-DBA-Staates überführt, lag nach Auffassung des BFH hingegen kein Anwendungsfall der finalen Entnahmetheorie vor.6 Die finale Entnahmetheorie galt nach Auffassung des BFH neben der Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auch bei einer Überführung eines Betriebs oder Teilbetriebs ins Ausland. In diesem Fall ging der BFH von einer Betriebsaufgabe oder Teilbetriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG aus (sog. finale Betriebsaufgabe).7
1 2 3 4
Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht, 2008 Rz. 231. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 229. Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Vgl. BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 14.6.1988 – VIII R 387/83, BStBl. II 1989, 187. 5 Ob die finale Entnahmetheorie auch bei der Überführung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens Anwendung finden soll bzw. ob sie auch im umgekehrten Fall einer Überführung von Wirtschaftsgütern in das inländische Stammhaus Anwendung finden soll, hat der BFH nie entschieden. 6 Dies gilt selbst dann, wenn zu einem späteren Zeitpunkt ein DBA abgeschlossen wird; vgl. BFH v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246. 7 Vgl. BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 162–163 Art. 7 (2008)
BFH-Urteil v. 17.7.2008. Der BFH begründete die finale Entnahmetheorie damit, 162 dass bei Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Freistellungs-Betriebsstätte die in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven einer deutschen Besteuerung entzogen werden. Bemerkenswert ist dabei, dass der BFH in keiner seiner Entscheidungen zur finalen Entnahmetheorie auf Art. 7 Abs. 2 Bezug nahm. Insofern verkannte er die Tatsache, dass mit dem Veranlassungsprinzip und dem Grundsatz des Fremdvergleichs ein Abgrenzungsmaßstab besteht, der dem deutschen Fiskus das Besteuerungsrecht auf die im Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven durch eine Beteiligung des inländischen Stammhauses an den durch die ausländische Betriebsstätte aus der Verwertung oder Nutzung des Wirtschaftsguts realisierten Erträgen zusichert (vgl. Rz. 160). Die abkommensrechtliche Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte hat demnach grundsätzlich keinen Verlust des Besteuerungsrechts auf die in Deutschland gebildeten stillen Reserven zur Folge. Diesen Fehler arbeitet der BFH in seinem Urt. v. 17.7.20081 systematisch heraus und stellt dabei zutreffend klar, dass die spätere Besteuerung im Inland entstandener stiller Reserven durch die abkommensrechtliche Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne nicht beeinträchtigt wird. Im Ergebnis erkennt daher der BFH die Aufteilung des zukünftigen Veräußerungsgewinns zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes an (vgl. Rz. 44); allerdings fehlt es nach Auffassung des BFH an einer Rechtsgrundlage für eine Steuerentstrickung nach dem damals gültigen Recht (d.h. im VZ 1995). Eine solche könne weder aus dem Realisationsprinzip noch aus § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG abgeleitet werden.2 Mit dieser Ablehnung der finalen Entnahmetheorie folgt der BFH im Ergebnis dem Konzept der sog. aufgeschobenen Besteuerung.3 Danach ist der Entstrickungsgewinn nicht im Zeitpunkt der Überführung des Wirtschaftsguts aufzudecken, sondern erst im Zeitpunkt seiner späteren Realisierung. Die spannende Frage, wie der im Zeitpunkt der tatsächlichen Gewinnrealisierung entstehende (Veräußerungs-)Gewinn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen ist, lässt der BFH allerdings offen. Bereits aus europarechtlichen Gründen kann es allerdings insoweit nur auf die Aufteilung des tatsächlich realisierten Gewinns ankommen (vgl. Rz. 31).4 Die Finanzverwaltung hat auf das BFH-Urt. v. 17.7.2008 mit zwei Nichtanwendungserlassen reagiert.5 Sie hält damit im Hinblick auf die Rechtslage vor Einführung der Entstrickungsregelungen durch das SEStEG v. 7.12.20066 an ihrer bisherigen Auffassung fest, dass bei Überführung von Wirtschaftsgütern in Freistellungs-Betriebsstätten grundsätzlich die in einem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven als Differenz zwischen Fremdvergleichspreis (nicht Teilwert!) und Buchwert aufzudecken sind.7 Allerdings lässt es die Finanzverwaltung – aus Billigkeit – zu, von einer Gewinnrealisierung im Zeitpunkt der Überführung abzusehen (sog. Ausgleichspostenmethode). Dies gilt allerdings nicht bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Personengesellschaften (vgl. Rz. 166).8 Entstrickung nach innerstaatlichem Recht. Mit Einführung der Entstrickungs- 163 regelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG wollte der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage im Hinblick auf die Realisierung stiller Reserven bei der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte schaffen. Nach
1 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. Siehe ferner BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019 sowie v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432 zur Aufgabe der finalen Betriebsaufgabetheorie. 2 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, IStR 2009, 115 (117 ff.); Schneider/Oepen, FR 2009, 22 ff.; Mitschke, FR 2008, 1144 ff.; Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (173 ff.). 3 Vgl. auch Beiser, DB 2008, 2725. 4 So auch Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.19. 5 Vgl. BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671 und v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 6 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.1. 8 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.4.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 163–165
Unternehmensgewinne
h.M. der Literatur wurde dieses Ziel – wie das BFH-Urt. v. 17.7.20081 verdeutlicht (vgl. Rz. 162) – aufgrund des nicht eindeutigen Wortlauts der Vorschriften nicht erreicht. Denn Voraussetzung für die Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG ist „der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung des Wirtschaftsguts.“ Allerdings hat der BFH in seinem Urt. v. 17.7.2008 deutlich herausgearbeitet, dass das Besteuerungsrecht des Stammhausstaates auf die dem Stammhaus zuzurechnenden Gewinnanteile bei einer Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte unberührt bleibt.2 Demnach werden die bereits im Schrifttum zu Recht angebrachten Zweifel bestätigt, dass die beiden Entstrickungsregelungen im Ergebnis „ins Leere laufen“.3 Um die insoweit durch die BFHEntscheidung v. 17.7.2008 verursachten Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, wurden mit dem JStG 20104 die Entstrickungstatbestände ergänzt und mit § 16 Abs. 3a EStG5 ein weiterer Entstrickungstatbestand im Hinblick auf die Betriebs- oder Teilbetriebsverlegung ins Ausland eingeführt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG liegt nunmehr eine fiktive Entnahme bzw. eine fiktive Veräußerung ausdrücklich dann vor, wenn ein Wirtschaftsgut, das bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zugeordnet wurde, künftig einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Der Anwendungsbereich beider Entstrickungsvorschriften blieb allerdings umstritten.6 Darüber hinaus stellt sich – trotz § 4g EStG – die Frage der Europarechtskonformität beider Vorschriften (vgl. Rz. 31). 164
Ergänzung des § 1 AStG durch das JStG 2013. Nach dem Entwurf eines JStG 20137 soll § 1 AStG dahin gehend angepasst werden, dass die Vorschrift zukünftig auch auf Personengesellschaften und Betriebsstätten Anwendung finden soll.8 Im Hinblick auf die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte hat das zur Folge, dass die Überführung als „Geschäftsbeziehung“ i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG n.F. zu qualifizieren und infolgedessen mit einem Fremdvergleichspreis zu bewerten ist (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG n.F.). Wird insofern die Realisierung der im Wirtschaftsgut gebundenen stillen Reserven im Zeitpunkt der Überführung durch eine Bewertung des Wirtschaftsguts mit dem Fremdvergleichspreis gesetzlich angeordnet, stellt sich hier die Frage des Konkurrenzverhältnisses zu § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG, zu § 12 Abs. 1 KStG sowie zu § 16 Abs. 3a EStG.9 Zu Einzelheiten wird auf Rz. 42 ff. verwiesen.
165
Verstrickung von Wirtschaftsgütern. Die sog. Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG stellt die Begründung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich. Die Bewertung dieser fiktiven Einlage erfolgt dabei – unabhängig von der Bewertung des Wirtschaftsguts im Ausland – mit dem gemeinen Wert,10 d.h.
1 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464. 2 Vgl. BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464 unter III. 3. b) cc) der Entscheidungsgründe. 3 Vgl. Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; Wassermeyer, IStR 2008, 176 ff.; Gosch, BFH-PR 2008, 500; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1483); Roser, DStR 2008, 2389 (2394); Schneider/ Oepen, FR 2009, 22 (28); Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (84); a.A. BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671; v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 4 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 5 Vgl. dazu Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (176). 6 Vgl. Gierlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (157); Richter/Heydt, Ubg 2011, 172 (174 ff.); Musil, FR 2011, 545 (550) sowie Micker, IWB 2011, 711 ff.; Mitschke, FR 2011, 706 zu der Frage der verfassungsrechtlichen Rückwirkung beider Vorschriften. 7 Vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff. 8 Vgl. auch Schnitger, IStR 2012, 633 (635 f.). 9 Vgl. dazu auch Gosch, IWB 2012, 779 (785 f.). 10 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; die ursprüngliche Intension des Gesetzgebers, im Rahmen der neuen Verstrickungsregeln eine Anknüpfung an den Wertansatz im Ausland vorzuschreiben, wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens fallengelassen.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 165–166 Art. 7 (2008)
dem Fremdvergleichspreis.1 Nach Auffassung des Gesetzgebers liegt eine „Begründung“ des deutschen Besteuerungsrechts vor, wenn ein Wirtschaftsgut aus einer Freistellungs-Betriebsstätte in das deutsche Stammhaus überführt wird.2 § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG führt damit – korrespondierend zu den Vorgaben des Art. 7 Abs. 2 (vgl. Rz. 160) – dazu, dass in ein in Deutschland belegenes Stammhaus bzw. in eine deutsche Betriebsstätte vom Ausland überführte Wirtschaftsgüter mit ihrem Fremdvergleichspreis zu aktivieren sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Verstrickungsregelung indessen nicht bei der Überführung aus einer Anrechnungs-Betriebsstätte (z.B. aus einem Nicht-DBA-Staat oder einem DBA-Staat bei Anwendung der Anrechnungsmethode) anzuwenden.3 Diese Tatsache wird im Schrifttum zutreffend als Systembruch kritisiert.4 Denn die Verstrickungsregelungen stellen – im Gegensatz zu den Entstrickungsregelungen (vgl. Rz. 40 und 163) – lediglich die „Begründung“, nicht aber die „Erstarkung“ des Besteuerungsrechts einer Einlage gleich. Dies führt dazu, dass Wirtschaftsgüter, welche aus Anrechnungs-Betriebsstätten überführt werden, mit dem Buchwert anzusetzen sind. Im Übrigen ergeben sich im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG zahlreiche Zweifelsfragen, die bislang nicht geklärt sind.5 So ist bspw. fraglich, wie bei der Überführung von selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern aus einer ausländischen Freistellungs-Betriebsstätte in das Inland zu verfahren ist. § 5 Abs. 2 EStG könnte in diesen Fällen einer Aktivierung im Inland entgegenstehen. Allerdings bedient sich der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG der Fiktion einer Einlage. Daher sollte konsequenterweise der für die Einlage von selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern entwickelte Grundsatz gelten, wonach die Einlagevorschriften dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG vorgehen.6 Damit ist z.B. ein von einer ausländischen Betriebsstätte entwickeltes Patent, das in das inländische Stammhaus überführt wird, bei diesem mit dem Fremdvergleichspreis zu aktivieren und abzuschreiben. Die Aktivierung zum Fremdvergleichspreis ist dabei unabhängig von der Besteuerung (oder Nichtbesteuerung) des Vorgangs im Ausland. Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine ausländische Personengesellschaft. 166 Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist bei der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Betriebsvermögen in eine ausländische Personengesellschaft (einschließlich des Sonderbetriebsvermögens) der Fremdvergleichspreis anzusetzen.7 Wenngleich in diesen Fällen der Ansatz des Fremdvergleichspreises aus Art. 7 Abs. 2 abkommensrechtlich abgeleitet werden kann, ist die Rechtsgrundlage für diese Auffassung im innerstaatlichen Recht zweifelhaft. Insbesondere stellt sich die Frage, ob nicht § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG in diesen Fällen eine zwingende Fortführung des Buchwerts des Wirtschaftsguts anordnet, wenn die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist.8 Ferner stellt sich die Frage des Verhältnisses zwischen § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG, wobei das Schrifttum davon ausgeht, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG den Entstrickungsregelungen vorgeht.9 Darüber hinaus kann in Personengesellschaftsfällen – insbesondere auch vor dem Hintergrund der geplanten „Klarstellung“ durch den Entwurf des JStG 201310 – auch § 1 AStG einschlägig sein, da zwischen der Personengesellschaft und ihrem Gesellschaf-
1 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.2. 2 Zu weiteren denkbaren Fällen vgl. Frotscher, § 4 EStG Rz. 426; Förster, DB 2007, 72 (76). 3 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.6.2.; Ehlermann/Müller, ISR 2013, 47 (48). 4 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1486). 5 Zu Einzelheiten vgl. Ehlermann/Müller, ISR 2013, 47 ff. 6 Vgl. nur BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.6.4. 8 Vgl. zu Einzelheiten Ditz, IStR 2009, 115 (119); Prinz, DB 2009, 807 (810 f.). 9 Vgl. Ditz, IStR 2009, 115 (119); Prinz, DB 2009, 807 (811); Körner, IStR 2009, 741 (745); Hruschka, StuB 2006, 584 (587). 10 Vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff.; Schnitger, IStR 2012, 633 (635).
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 166–168
Unternehmensgewinne
ter grundsätzlich Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG denkbar sind (vgl. Rz. 48).1 d) Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern 167
Ansatz eines Fremdvergleichspreises. Unter Berücksichtigung der uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 110 ff.) und des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 ist die (fingierte) Nutzungsüberlassung eines materiellen oder immateriellen Wirtschaftsguts an eine ausländische Betriebsstätte auf Basis einer angemessenen Vergütung (i.d.R. in Form einer Lizenzgebühr) abzurechnen.2 Nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2008 ist die Art und Höhe der Vergütung davon abhängig, welchem Unternehmensteil das Wirtschaftsgut zuzuordnen ist und ob es übertragen oder überlassen wurde (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 31 f.).3 Die Funktionsanalyse könne dabei ergeben, dass das (immaterielle) Wirtschaftsgut der Betriebsstätte zuzuordnen ist und ihr folglich eine Vergütung in Form einer Lizenzgebühr zusteht.4 Hingegen kann – so die OECD – aus der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.) aber auch folgen, dass die Betriebsstätte als Auftragsforscher oder -entwickler agiert und ihr infolgedessen eine kostenorientierte Vergütung zusteht.5 Im Übrigen könne die Nutzung eines immateriellen Wirtschaftsguts nach seiner Entwicklung unterschiedliche Formen annehmen: Zunächst ist denkbar, dass das immaterielle Wirtschaftsgut ausschließlich oder zu Teilen von einem anderen Betriebsteil genutzt wird. In diesem Fall stelle sich die grundlegende Frage, ob von einer Überführung oder einer Lizenzierung des Wirtschaftsguts auszugehen ist (vgl. Rz. 169 f.).6 Darüber hinaus sei es möglich, dass das Wirtschaftsgut von verschiedenen betrieblichen Teileinheiten parallel genutzt wird. Hier sei zu prüfen, ob das Wirtschaftsgut den betrieblichen Teileinheiten anteilig zuzuordnen ist (vgl. Rz. 124) oder ob von einer Nutzungsüberlassung auszugehen sei.7
168
Nutzungsentstrickung nach innerstaatlichem Recht. Das in Art. 7 Abs. 2 niedergelegte Recht der Besteuerung einer fremdvergleichskonformen Vergütung für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern bedarf einer Ausfüllung durch innerstaatliches Recht i.S. eines Ersatzrealisationstatbestands (vgl. Rz. 40). In diesem Zusammenhang werden in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und in § 12 Abs. 1 KStG die Überlassung eines Wirtschaftsguts an die ausländische Betriebsstätte fingiert, sofern das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung bzw. aus der Nutzung des Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt wird. Die Anwendung beider Entstrickungsregelungen hat die Annahme einer (fiktiven) Nutzungsüberlassung zur Folge, die mit dem gemeinen Wert, d.h. nach Ansicht der Finanzverwaltung mit dem Fremdvergleichspreis,8 zu bewerten und zu realisieren ist. Im Schrifttum wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob die Nutzungsüberlassung in ihren Rechtsfolgen mit der Überführung eines Wirtschaftsguts gleichzusetzen ist. Damit wäre der gemeine Wert der (fingierten) Nutzungsüberlassung mit dem kapitalisierten Barwert der zukünftigen Nutzungsvergütungen bezogen auf die voraussichtliche Nutzungsdauer als Einmalbetrag anzusetzen.9 Eine solche (sehr weitgehende) Rechtsfolge ist indessen gesetzgeberisch nicht beabsichtigt und abkommensrechtlich durch Art. 7 Abs. 2 nicht gedeckt.10 Vielmehr kann die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG im Hinblick auf die Nut-
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Vgl. Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.19 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 238; Ditz, ISR 2012, 48 (50 f.). Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 236. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 235. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 236. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 238 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 241 f. Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.2. Abs. 4. Vgl. dazu auch Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (84 f.). 9 Vgl. Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise3, K Rz. 121; Frotscher in Frotscher/Maas, § 12 KStG Rz. 402; Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1456). 10 Vgl. Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (103 f.).
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 168–169 Art. 7 (2008)
zungsüberlassung eines Wirtschaftsguts nur dazu führen, dass eine (fingierte) Miete, Pacht oder Lizenzgebühr zum Ansatz kommt. Dabei ist jedoch umstritten, ob der Wortlaut beider Vorschriften überhaupt geeignet ist, deren Zielsetzung umzusetzen. Im Schrifttum wird dazu die Auffassung vertreten, dass die Begriffe „Ausschluss“ oder „Beschränkung“ des deutschen Besteuerungsrechts im Hinblick auf ein fingiertes Nutzungsverhältnis keinen Sinn machen. Denn der Ausschluss oder die Beschränkung eines Besteuerungsrechts würde voraussetzen, dass bereits nach innerstaatlichem Recht die Möglichkeit besteht, entsprechende Nutzungsentgelte zu besteuern. Vor diesem Hintergrund laufen die Entstrickungsvorschriften im Ergebnis „ins Leere“, woran auch die Ergänzung beider Vorschriften durch das JStG 20101 nichts ändert.2 Infolgedessen wird das gem. Art. 7 Abs. 2 eingeräumte Recht der Besteuerung fingierter Nutzungsüberlassungsverhältnisse zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach innerstaatlichem Recht derzeit nicht ausgenutzt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 ist allerdings die geplante Neufassung des § 1 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 AStG n.F. zu beachten: So soll nach dem Entwurf eines JStG 20133 zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im Hinblick auf die Überlassung von Wirtschaftsgütern eine Geschäftsbeziehung angenommen werden, welche mit dem Fremdvergleichspreis zu bewerten ist (vgl. Rz. 42 ff. und 154). Dies gilt grundsätzlich auch für die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern. Abgrenzung der Nutzungsüberlassung von der Überführung. Hinsichtlich der Fra- 169 ge, ob ein Wirtschaftsgut in die Betriebsstätte überführt oder dieser lediglich zur Nutzung überlassen wird, kommt es auf die Frage seiner Zuordnung an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Wirtschaftsgut entweder nur dem Stammhaus oder der Betriebsstätte zugeordnet werden kann.4 Die im Schrifttum dargestellte und hier vertretene Möglichkeit, für Zwecke der Gewinnabgrenzung Wirtschaftsgüter anteilig dem Stammhaus und der Betriebsstätte zuzuordnen, wird damit von der Finanzverwaltung nicht geteilt (vgl. Rz. 124 und 173).5 Im Hinblick auf die Zuordnung folgt die Finanzverwaltung6 der ständigen Rspr. des BFH,7 wonach unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes der Betriebsstätte die Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, die ihr in Bezug auf die von ihr ausgeübten Funktionen dienen (zu Einzelheiten vgl. Rz. 126 ff.). Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt dabei ein funktionaler Zusammenhang mit der Betriebsstätte insbesondere bei Wirtschaftsgütern vor, die zur ausschließlichen Verwertung und Nutzung durch die Betriebsstätte bestimmt sind. Damit führt eine dauerhafte Nutzung zu einer Überführung des betreffenden Wirtschaftsguts vom Stammhaus in die Betriebsstätte.8 Wird hingegen das Wirtschaftsgut der Betriebsstätte nur vorübergehend, d.h. zeitlich befristet, überlassen und wäre die Überlassung unter fremden Dritten aufgrund eines Miet-, Pacht- oder ähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt, soll es – so die Finanzverwaltung – nicht zu einer Überführung des Wirtschaftsguts vom Stammhaus in die Betriebsstätte kommen.9 Eine Nutzungsüberlassung liege ferner auch dann vor, wenn das entsprechende Wirtschaftsgut von mehreren Betriebsstät-
1 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 2 Vgl. Wassermeyer, IStR 2008, 176 (179); Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (104); a.A. Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 906; Benecke in D/P/M, § 12 KStG Rz. 122. 3 Vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4. 5 Vgl. dazu auch Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.44. 6 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 2.2.4.1. 7 Vgl. etwa BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 m.w.N. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Benecke in D/P/M, § 12 KStG Rz. 123; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 294. 9 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.4; vgl. dazu auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 718; Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 896.
Ditz
579
Art. 7 (2008) Rz. 169–171
Unternehmensgewinne
ten gleichzeitig oder nacheinander genutzt wird. Wann konkret diese Kriterien erfüllt sind, lässt die Finanzverwaltung allerdings offen.1 170
Eigene Auffassung. Hinsichtlich der Frage der Abgrenzung einer Nutzungsüberlassung von einer Überführung eines Wirtschaftsguts ist auf dessen wirtschaftliches Eigentum abzustellen.2 Vor diesem Hintergrund kann nur aus dem Einzelfall bezogen aus den tatsächlichen Verhältnissen abgeleitet werden, ob eine Überführung oder eine Nutzungsüberlassung anzunehmen ist. Anhaltspunkte einer Unterscheidung zwischen Überführung und Nutzungsüberlassung können dabei aus der Rspr. zur Unterscheidung zwischen der Veräußerung und der Lizenzierung von Rechten zwischen rechtlich selbständigen Personen abgeleitet werden. Danach ist darauf abzustellen, ob die Rechte und Pflichten aus dem Wirtschaftsgut in das Vermögen des Nutzungsberechtigten übergehen.3 Als maßgebliches Differenzierungsmerkmal gilt dabei die Dauer der Überlassung des Wirtschaftsguts.4 Demnach ist von einer Überführung insbesondere dann auszugehen, wenn das Wirtschaftsgut dem Nutzungsberechtigten zeitlich unbefristet überlassen wird, d.h. bei ihm endgültig verbleibt oder sich das überlassene Recht während der Dauer seiner Nutzung in seinem wirtschaftlichen Wert erschöpft.5 Vor allem das temporäre Moment sowie die Ausschließlichkeit der Überlassung können daher als Kriterium einer Unterscheidung zwischen Überführung eines Wirtschaftsguts und seiner Nutzungsüberlassung an die ausländische Betriebsstätte herangezogen werden. So spricht die langfristige sowie ausschließliche Nutzung eines Wirtschaftsguts in der Betriebsstätte für dessen Überführung. Ist dagegen nur eine vorübergehende Nutzung des Wirtschaftsguts durch die Betriebsstätte vorgesehen bzw. ist bei der Überführung des Wirtschaftsguts noch nicht abzusehen, wie lange es in der Betriebsstätte zum Einsatz kommt, sollte von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch unter fremden Dritten Miet-, Pacht- oder Lizenzverträge mit sehr langen Laufzeiten abgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund besteht hier seitens des Steuerpflichtigen ein erheblicher Ermessensspielraum. In jedem Fall ist die entsprechende Entscheidung allerdings zu dokumentieren.
171
Fehlende Rechtsgrundlage für eine Nutzungsverstrickung. Da § 4 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG lediglich auf die Begründung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns „aus der Veräußerung“, nicht aber des Gewinns „aus der Nutzung“6 eines Wirtschaftsguts abstellt, kann für die Überlassung von Wirtschaftsgütern von einem ausländischen Stammhaus an seine inländische Betriebsstätte bzw. von einer ausländischen Betriebsstätte an das inländische Stammhaus kein fiktives Nutzungsentgelt abgezogen werden.7 Der Gesetzgeber wollte es wohl nicht zulassen, dass durch die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an das inländische Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte Aufwand durch den Ansatz eines fiktiven Nutzungsentgeltes generiert wird. Diese Vorgehensweise ist indessen abkommensrechtlich nicht gedeckt. Denn nach Art. 7 Abs. 2 besteht ein Besteuerungsrecht Deutschlands nur im Hinblick auf den Unternehmensgewinn, wie er durch das Stammhaus bzw. die Betriebsstätte als selbständiges und unabhängiges Unternehmen erwirtschaftet worden wäre. In diesem Fall wäre indessen ein entsprechender Aufwand aus der Nutzung der entsprechenden Wirtschaftsgüter entstanden, welcher den Gewinn gemindert hätte. Infolgedessen sind bereits aus abkommensrechtlichen Gründen (fingierte) Nutzungsentgelte für die Überlassung von Wirtschaftsgütern abzuziehen.
1 Vgl. Ditz/Schneider, DStR 2010, 81 (87). 2 So auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101 f.; Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, 172. 3 Vgl. BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101. 4 Vgl. BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367 m.w.N. 5 Vgl. BFH v. 27.2.1996 – III R 64/74, BStBl. II 1996, 529. 6 So jedoch § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG. 7 Vgl. auch Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (767).
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 172–174 Art. 7 (2008)
e) Gemeinsame Nutzung von Wirtschaftsgütern Relevante Wirtschaftsgüter. Es kann vorkommen, dass Wirtschaftsgüter nicht 172 durch eine betriebliche Teileinheit allein, sondern durch mehrere betriebliche Teileinheiten gemeinsam genutzt werden. Dies gilt insbesondere für Wirtschaftsgüter, die mehreren oder allen Unternehmensteilen gemeinsam dienen bzw. von ihnen gemeinsam genutzt werden, wie z.B. ein derivativer Geschäfts- oder Firmenwert, ein von allen Unternehmensteilen entwickeltes und genutztes immaterielles Wirtschaftsgut (z.B. Marken oder Patente) oder bestimmte Wirtschaftsgüter einer zentralen Rechnungslegungsabteilung (wie z.B. ERP-Software). Außerdem sind Wirtschaftsgüter betroffen, die in einem regel- oder unregelmäßigen Turnus von mehreren betrieblichen Teileinheiten eingesetzt werden (z.B. Baumaschinen, welche in mehreren Betriebsstätten eingesetzt werden). Anteilige Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Derartige Wirtschaftsgüter werden 173 im gemeinsamen Interesse der betroffenen Unternehmensteile genutzt, sodass die daraus resultierenden Aufwendungen – in korrespondierender Anwendung des sog. Poolkonzepts (vgl. Art. 9 Rz. 85) – unter diesen aufzuteilen sind (vgl. Rz. 150 und 159). Es kommt damit nicht zu unternehmensinternen Leistungsbeziehungen; vielmehr liegen originäre Aufwendungen der jeweiligen Unternehmensteile vor. Werden insoweit Wirtschaftsgüter von mehreren betrieblichen Teileinheiten gemeinsam genutzt, stellt sich die Frage, welchem Unternehmensteil das entsprechende Wirtschaftsgut zuzuordnen ist. Sowohl die Finanzverwaltung1 als auch Teile des Schrifttums2 gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass ein Wirtschaftsgut entweder nur dem Stammhaus oder nur der Betriebsstätte zugerechnet werden kann. Um eine systematisch richtige Allokation der Wirtschaftsgüter zu gewährleisten, ist indessen deren anteilige Zuordnung nach Nutzungsanteilen verbunden mit einer entsprechenden Aufteilung der aus den Wirtschaftsgütern resultierenden Aufwendungen notwendig.3 Da sich die abkommensrechtliche Gewinnabgrenzung außerhalb der GoB vollzieht, können dieser Vorgehensweise keine bilanzrechtlichen Grundsätze entgegengehalten werden.4 Im Übrigen weist auch die OECD explizit darauf hin, dass ein (wirtschaftliches) Miteigentum an einem Wirtschaftsgut von mehreren betrieblichen Teileinheiten zulässig ist (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 31 und 32).5 f) Erbringung von Dienstleistungen Fremdvergleichspreis versus Aufwandsverrechnung. Nach bisheriger Auffassung 174 der OECD im OECD-MK 1994 und 2008, welcher die Finanzverwaltung – zumindest bis zum Veranlagungszeitraum 2012 (vgl. Rz. 42 ff., 154 und 175) – grundsätzlich folgt (vgl. Rz. 106), war die Verrechnung von Dienstleistungen auf Basis eines Fremdvergleichspreises nur in Ausnahmefällen – insbesondere bei Dienstleistungen der Haupttätigkeit der Betriebsstätte – vorgesehen (vgl. Rz. 98). Grundsätzlich seien im Hinblick auf unternehmensinterne Dienstleistungen vielmehr die entstandenen Aufwendungen zu verrechnen bzw. aufzuteilen (vgl. Art. 7 Rz. 35 OECD-MK 2008). Diese Sichtweise verfolgt die OECD im „Authorised OECD Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) nicht mehr. Hier geht die OECD – analog den Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 – davon aus, dass auch im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen grundsätzlich ein Fremdvergleichspreis zu verrechnen sei. Ausnahmen bestehen nur insoweit, als eine Kostenumlage unter Berücksichtigung der Grundsätze des Kapitels VII OECD-Leitlinien 2010 Anwen1 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.4 Abs. 1. 2 Vgl. Runge in Fischer, Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Steuerrecht, 134 (140); Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (745 f.); Schaumburg in Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im internationalen Steuerrecht, 53 (80); a.A. Kleineidam, IStR 1993, 349 (349); BFH v. 20.3.2002 – II R 84/99, IStR 2002, 487. 3 Vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 241; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.44. 4 Gl.A. Kleineidam, IStR 1993, 349 (349); a.A. Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (745); Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, 175. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 101, 236 und 246. Siehe ferner Rz. 8.6 OECDLeitlinien 2010.
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Art. 7 (2008) Rz. 174–175
Unternehmensgewinne
dung findet (vgl. Rz. 150 und 159).1 Darüber hinaus ist nach Auffassung der OECD eine Aufwandsverrechnung auch in den Fällen möglich, wenn sich ein Fremdvergleichsentgelt nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln lässt.2 175
Gewinnrealisierung nach innerstaatlichem Recht. Unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 ist eine Abgrenzung der Verrechnung eines Fremdvergleichsentgelts (einschließlich Gewinnelement) einerseits und einer bloßen Aufwandsverrechnung (ohne Gewinnelement) andererseits nach dem Kriterium des gemeinsamen Interessens bzw. Nutzens vorzunehmen. Infolgedessen sind – analog dem Poolkonzept zwischen verbundenen Unternehmen (vgl. Art. 9 Rz. 85) – nur Aufwendungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen bzw. aufzuteilen, wenn die entsprechende Leistung im gemeinsamen Interesse und zum gemeinsamen Nutzen beider Unternehmensteile erbracht wird (vgl. Rz. 150 und 159). Dies gilt bspw. bei Aufwendungen für Geschäftsführung, allgemeine Verwaltung,3 Werbung und Markterschließung.4 Darüber hinaus können von einer Aufwandsumlage auch alle weiter denkbaren Leistungskategorien (z.B. auch Forschung und Entwicklung) betroffen sein, wenn diese im gemeinsamen Interesse der betroffenen Unternehmensteile empfangen oder erbracht werden. Denn in diesen Fällen ist auch zwischen fremden Dritten denkbar, Leistungen ohne Gewinnelement auf reiner Aufwandsbasis zu verrechnen (vgl. Rz. 150). Ist das Kriterium der Erbringung von Leistungen im gemeinsamen Interesse und im gemeinsamen Nutzen von Stammhaus und Betriebsstätte indessen nicht erfüllt, ist die entsprechende Leistung grundsätzlich auf Basis eines Fremdvergleichspreises (d.h. unter Berücksichtigung eines Gewinnelements) zu verrechnen. Dies gilt insbesondere für den weiten Bereich gewerblicher Dienstleistungen,5 welche typischerweise auf Basis der Kostenaufschlagsmethode unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlags (vgl. Art. 9 Rz. 112) verrechnet wird. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass es de lege lata im deutschen innerstaatlichen Recht an einer Rechtsgrundlage zur Realisierung eines Gewinns im Hinblick auf die Erbringung von unternehmensinternen Dienstleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fehlt. Denn außerhalb des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, des § 12 Abs. 1 KStG und des § 16 Abs. 3a EStG existiert keine Rechtsgrundlage für die Gewinnrealisierung im Zusammenhang mit Innentransaktionen zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte. Vor diesem Hintergrund wird nach deutschem Verständnis das in Art. 7 Abs. 2 grundsätzlich vorgesehene Recht der Besteuerung von Gewinnen aus unternehmensinternen Dienstleistungstransaktionen nicht wahrgenommen. Umgekehrt fungiert Art. 7 Abs. 2 als Rechtsgrundlage dafür, auf Basis eines Fremdvergleichspreises an ein inländisches Stammhaus oder eine inländische Betriebsstätte abgerechnete Dienstleistungen als Betriebsausgabe zu akzeptieren. Denn das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne ist auf den unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ermittelten Betriebsstättengewinn begrenzt, d.h., es darf maximal derjenige Betriebsstättengewinn einer Besteuerung unterworfen werden, welcher unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte erzielt worden wäre. Insofern sind entsprechende Dienstleistungsgebühren gewinnmindernd zu berücksichtigen (zu einer korrespondierenden Thematik bei der Verrechnung von Nutzungsentgelten vgl. Rz. 171). Die Zuordnung von Gewinnen im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen kann sich daher nur auf Basis einer veranlassungsgerechten Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen ergeben.6 Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 sind indessen die durch
1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 255. 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 256 mit Verweis auf Rz. 7.37 OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. dazu BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.4.2. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.2.1. 5 Gewerbliche Dienstleistungen betreffen insbesondere die Lohnfertigung, die Auftragsentwicklung und Forschung, die Tätigkeit von Handelsvertretern, Maklern und Spediteuren, die Baubetreuung und Instandhaltung. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.1.1 und 3.1.3. 6 Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.52.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 175–178 Art. 7 (2008)
den Entwurf des JStG 20131 in § 1 AStG vorgesehenen Regelungen zur Betriebsstättengewinnermittlung zu beachten. Danach wird bei unternehmensinternen Dienstleistungen grundsätzlich eine Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG n.F. fingiert, die mit einem fremdüblichen Dienstleistungsentgelt zu bewerten und abzurechnen ist (vgl. Rz. 42 ff. und 154). g) Gewährung von Darlehen Reine Aufwandsverrechnung. Sowohl nach Auffassung der OECD als auch nach 176 Ansicht der Finanzverwaltung ist die Verrechnung fiktiver Zinsen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – auch in Bezug auf das Dotationskapital – nicht zulässig. Einzelheiten sind in Rz. 136 dargestellt. h) Funktionsverlagerungen Keine Erwähnung im OECD-MK. Regelungen zur Besteuerung der Verlagerung 177 von Funktionen in eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat werden weder im OECD-MK noch im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 explizit dargestellt bzw. gewürdigt. Vor diesem Hintergrund sind nach Auffassung der OECD im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen die allgemeinen Grundsätze zu beachten, d.h., auch bei Funktionsverlagerungen ist – im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.) – zu prüfen, welche Wirtschaftsgüter in die Betriebsstätte überführt bzw. ihr zur Nutzung überlassen bzw. welche Dienstleistungen an die Betriebsstätte erbracht werden. Sind die entsprechenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen identifiziert, sind sie einzeln unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze zu bewerten und abzurechnen (vgl. Rz. 151 ff.). Keine Anwendung des § 1 AStG. Hinsichtlich der Frage, ob die Grundsätze der 178 Funktionsverlagerungsbesteuerung des § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a.F. und der FVerlV2 auch bei Betriebsstätten Anwendung finden sollen, verweist die Finanzverwaltung auf Art. 7 und den dazu ergangenen Musterkommentar.3 Was dies genau bedeutet, bleibt offen. Man kann allerdings mutmaßen, dass die Finanzverwaltung über den in Art. 7 kodifizierten Fremdvergleichsgrundsatz und den Verweis auf die OECD-Leitlinien 2010 die Funktionsverlagerungsbesteuerung auch bei Betriebsstätten anwenden will. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass weder der OECD-MK in seinen Fassungen aus 2008 und 2010 noch die OECD-Leitlinien 2010 eine Funktionsverlagerungsbesteuerung i.S.d. § 1 AStG a.F. vorsehen bzw. zulassen (vgl. Art. 9 Rz. 23 und 117 f.). Selbst wenn beide Quellen Regelungen zur Funktionsverlagerungsbesteuerung enthielten, wäre zu beachten, dass ihnen keine normative Wirkung zukommt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Art. 7 für Zwecke der Gewinnermittlung keine Self Executing Wirkung entfaltet (vgl. Rz. 35 ff.). Damit setzt eine Gewinnrealisierung in Zusammenhang mit der Übertragung von Funktionen eine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraus. Eine solche ist indessen de lege lata nicht ersichtlich. Denn § 1 AStG und die darin angeordnete Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist nach h.M. im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht anwendbar.4 Denn eine Geschäftsbeziehung i.S. einer schuldrechtlichen Vereinbarung gem. § 1 Abs. 5 a.F. AStG ist zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich, da es der Betriebsstätte an einer rechtlichen Selbständigkeit fehlt (vgl. Rz. 90 f.). Deswegen kann eine Betriebsstätte auch keine nahe stehende Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG sein. Etwas anderes kann sich allerdings ab dem VZ 2013 ergeben, wenn die im Entwurf ei-
1 2 3 4
Vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff. Funktionsverlagerungsverordnung v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680. Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 Rz. 178. Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG, Rz. 894; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 14.20; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.61; Kaminski/Strunk, DB 2008, 2501 (2502).
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Art. 7 (2008) Rz. 178–180
Unternehmensgewinne
nes JStG 20131 vorgesehenen Änderungen des § 1 AStG anzuwenden sind (vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff. und 154).2 8. Währungsumrechnung 179
Anwendung Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung. Nach § 146 Abs. 2 Satz 1 AO sind Bücher und sonstige Aufzeichnungen über Geschäftsvorfälle (einschließlich aller ausländischen Betriebsstätten) im Inland zu führen. Eine Ausnahme besteht für ausländische Betriebsstätten nur, wenn für sie nach ausländischem Recht eine Buchführungspflicht besteht und diese tatsächlich erfüllt wird (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). In diesem Fall kann das nach ausländischem Recht und in ausländischer Währung ausgewiesene Betriebsstättenergebnis in die Buchführung des inländischen Unternehmens einbezogen werden, sodass sich die Frage der Währungsumrechnung stellt.3 Nach der Rspr. des BFH hat die Währungsumrechnung – mangels spezifischer steuerlicher Regelungen4 – auf Basis der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung zu erfolgen,5 namentlich dem Grundsatz der Einzelbewertung, dem Realisations-, dem Anschaffungskosten-, dem Imparitäts-, dem Niederstwert- und dem Stichtagsprinzip. Diese Grundsätze müssen auch beachtet werden, wenn ein ausländisches Betriebsstättenergebnis für inländische Zwecke in Euro umgerechnet wird.6
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Grundsatz der Zeitbezugsmethode. Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung sind die einzelnen Geschäftsvorfälle und die insoweit zu erfassenden Wirtschaftsgüter, Aufwendungen und Erträge jeweils mit ihrem spezifischen Währungskurs umzurechnen.7 Vor diesem Hintergrund gilt die Zeitbezugsmethode im Grundsatz als die theoretisch „richtige“ Methode zur Währungsumrechnung.8 Nach der Zeitbezugsmethode ist jeder einzelne Geschäftsvorfall mit dem jeweils gültigen Währungskurs umzurechnen (sog. Grundsatz der geschäftsvorfallbezogenen Umrechnung9). Dies bedeutet unter Berücksichtigung des Realisations- und Anschaffungskostenprinzips, dass jede Bilanzposition auf Basis ihres historischen Kurses umzurechnen und dann unter Berücksichtigung des Niederstwert- und Imparitätsprinzips fortzuschreiben ist. Nach dem BilMoG10 ist § 256a HGB zur Währungsumrechnung zu berücksichtigen, wonach für die Erstbewertung jeder Ansatz gewählt werden kann, der den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung entspricht. Für die daran anschließende Folgebewertung ist dann zu jedem Bilanzstichtag der Devisen-KassaMittelkurs (Stichtagskurs) heranzuziehen. Kommt es im Rahmen der Zeitbezugsmethode zu umrechnungsbedingten Erfolgsauswirkungen11, sind diese nach h.M.12 erfolgswirksam auszuweisen. In diesem Zusammenhang ist zwischen Kursänderungsund Umschichtungsdifferenzen zu unterscheiden.13 Kursänderungsdifferenzen liegen vor, wenn aufgrund von Währungsschwankungen bei der Folgebewertung von Bilanz-
1 Vgl. zu Einzelheiten Rz. 42 ff. 2 Vgl. in Bezug auf Funktionsverlagerungen auch Schnitger, IStR 2012, 633 (638). 3 Zur Thematik der Währungsumrechnung bei einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.2. 4 Auch der OECD-MK zu Art. 7 und der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 enthalten keine Vorgaben zur Währungsumrechnung. 5 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 6 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57. 7 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128 mit Verweis auf § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB. 8 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.8.1. 9 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.1. 10 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 11 Zu Einzelheiten der Anwendung der Zeitbezugsmethode vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 722 ff.; Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 962 ff. 12 Vgl. Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 184; Ziehr, IStR 2009, 261 (262) m.w.N. 13 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (263) m.w.N.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 180–182 Art. 7 (2008)
positionen Vermögensänderungen entstehen. Praktischer Anwendungsfall sind hier insbesondere währungsbedingte Teilwertabschreibungen, welche nicht nur bei Nominalgütern von Bedeutung sind, sondern auch Sachgüter betreffen können, deren Anschaffungskosten bzw. Teilwert in Euro umgerechnet wurde. Umschichtungsdifferenzen können entstehen, wenn neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter mit ihrem Stichtagskurs und damit im Zusammenhang stehende Vermögensabgänge mit abweichenden historischen Wechselkursen umgerechnet werden (z.B. Realisierung einer Forderung unter Berücksichtigung eines Materialaufwands). Im Rahmen der Zeitbezugsmethode kann – aus Praktikabilitäts- und Wesentlichkeitsgründen – von dem Realisations- bzw. Anschaffungskostenprinzip bei unwesentlichen Wechselkursschwankungen abgewichen werden. In diesen Fällen können Forderungen aus Lieferungen oder Leistungen, Vorräte und sonstiges Umlaufvermögen mit dem Stichtagsoder Jahresdurchschnittskurs umgerechnet werden.1 Stichtagskursmethode aus Vereinfachungsgründen. Die Zeitbezugsmethode, nach 181 welcher jeder einzelne Geschäftsvorfall mit dem maßgebenden Tageskurs umgerechnet wird, ist kaum praxistauglich. Deshalb lässt die Finanzverwaltung die Anwendung der Stichtagskursmethode zu, nach welcher sämtliche Abschlusspositionen einheitlich mit dem Stichtagskurs umzurechnen sind. Da diese überschlägige Vorgehensweise indessen i.d.R. mit einer Verletzung des Einzelbewertungs-, des Realisations- und des Anschaffungskostenprinzips einhergeht,2 wird diese Methode nur akzeptiert, wenn keine wesentlichen Kursschwankungen zwischen den Stichtagen bestehen.3 Ist diese Voraussetzung erfüllt, wobei es an einer eindeutigen Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Abweichungen fehlt, ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht zu beanstanden, wenn der Gewinn der Betriebsstätte mit dem Stichtagskurs umgerechnet wird.4 Alternativ kann der Jahresdurchschnittskurs zur Umrechnung des Betriebsstättenergebnisses herangezogen werden.5 Steuerliche Konsequenz einer so verstandenen Stichtagskursmethode ist, dass währungsbedingte Umrechnungsdifferenzen in Höhe der Eigenkapitalveränderung entstehen können, die sich aufgrund einer Wechselkursveränderung zwischen den Abschlussstichtagen ergibt. Diese Umrechnungsdifferenz bleibt indessen nach h.M. bis zur Beendung des Betriebsstättenengagements (z.B. Auflösung, Verkauf oder Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft) erfolgsneutral.6 Infolgedessen werden Währungsdifferenzen erst bei Rückführung des Dotationskapitals erfolgswirksam. Laufende Währungsergebnisse können folglich bei der Stichtagskursmethode nicht entstehen.7 Zuordnung von Währungsverlusten zur Betriebsstätte. Nach der Rspr. des BFH8 182 und der Auffassung der Finanzverwaltung9 sind umrechnungsbedingte Währungsverluste der ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen.10 Begründet wird dies – unter Bezugnahme auf das für die Betriebsstättengewinnermittlung grundlegende Urt. des BFH v. 20.7.198811 – damit, dass der Währungsverlust durch die Existenz der auslän-
1 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (262) m.w.N. 2 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 182. 3 Vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.8.1. 5 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.7. 6 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (263) m.w.N. 7 Vgl. Ziehr, IStR 2009, 261 (263). 8 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BFH/NV 1997, 111; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408. Siehe ferner FG München v. 8.8.1994 – 15 K 3521/88, IStR 1995, 287; FG Münster v. 10.3.1995 FG – 9 K 5026/92, EFG 1996, 239, rkr.; FG Hamburg v. 26.4.1995 – VII 101/92, EFG 1995, 870, nachgehend BFH v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; FG Nds. v. 15.8.1996 – XII (IV) 781/93, EFG 1997, 532, rkr. 9 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.8.1. 10 So auch Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.9; Hruschka, IStR 2008, 500 (504); Kumpf/Roth, DB 2000, 787 (790); Malinski, IStR 2000, 499 (502). 11 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140.
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Art. 7 (2008) Rz. 182–183
Unternehmensgewinne
dischen Betriebsstätte verursacht sei und folglich das Schicksal der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte teilen müsse (zum Kriterium der reinen Betriebsstättenexistenz als Merkmal einer Aufwandszuordnung vgl. Rz. 147 ff.). Die Währungsumrechnung sei Bestandteil der nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ermittelten Betriebsstätteneinkünfte, die nicht nur die aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit der ausländischen Betriebsstätte erwirtschafteten Einkünfte, sondern auch Währungsverluste zu erfassen habe.1 Diese These würde ferner dadurch unterstützt, dass Art. 13 Abs. 2 für Gewinne aus der Veräußerung der ausländischen Betriebsstätte das Besteuerungsrecht dem Betriebsstättenstaat zuweist und für in diesem Zusammenhang entstehende Währungsverluste nichts anderes gelten könne. Ohne Bedeutung für die Zuordnung von Währungsverlusten zur ausländischen Betriebsstätte sei hingegen, dass die Währungsverluste aufgrund der in ausländischer Währung aufgestellten Betriebsstättenbuchführung im Ausland gar nicht erfasst werden können und folglich ins steuerliche „Niemandsland“ fallen. 183
Zuordnung von Währungsverlusten zum Stammhaus. Die h.M. verkennt – wie auch der EuGH in der Rs. „Deutsche Shell“ zutreffend bestätigt2 – die abkommensrechtlichen Grundlagen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Denn auf Basis der Selbstständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte und unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes sind umrechnungsbedingte Währungsverluste nicht der ausländischen Betriebsstätte, sondern dem inländischen Stammhaus zuzurechnen. Denn die Betriebsstätte hätte sie, wäre sie ein selbstständiges und unabhängiges Unternehmen, nicht erwirtschaftet; folglich können sie auch in der Betriebsstättenbuchführung nicht enthalten sein.3 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei Währungsverlusten ein Veranlassungszusammenhang (vgl. Rz. 147) auch mit dem inländischen Stammhaus besteht. Wäre die Betriebsstätte ein selbstständiges und unabhängiges Unternehmen, würde sich die Frage der Währungsumrechnung gar nicht stellen. Mithin ist die Währungsumrechnung nur aufgrund deutscher Gewinnermittlungsvorschriften durchzuführen, sodass insoweit eine Veranlassung auch durch das inländische Stammhaus gegeben ist. Art. 7 Abs. 1 sieht indessen nur dann eine Zurechnung von Gewinnen bzw. Verlusten zur Betriebsstätte vor, wenn die Zugehörigkeit der Einkünfte zur Betriebsstätte positiv feststeht. Bestehen dagegen Zweifel an der Einkünftezurechnung zur ausländischen Betriebsstätte, bleibt das ausschließliche Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat (vgl. Rz. 88). Im Übrigen begründet nach der Entscheidung des EuGH v. 28.2.2008 in der Rs. „Deutsche Shell“4 der Ausschluss der auf das Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte erlittenen Währungsverluste bei der Besteuerung des inländischen Stammhauses eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.5 Insoweit wendet sich der EuGH sowohl gegen die Rspr. des BFH als auch gegen die Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Rz. 182), wonach umrechnungsbedingte Währungsverluste grundsätzlich der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das EuGH-Urt. in der Rs. „Deutsche Shell“ sachverhaltsmäßig auf Währungsverluste bei der Liquidation einer ausländischen Betriebsstätte aus der Umrechnung des Betriebsstättendotationskapitals bezieht. Währungsverluste auf das Dotationskapital einer ausländischen Betriebsstätte sind indessen auch dann europarechtlich beim inländischen Stammhaus zu berücksichtigen, wenn die Betriebsstätte nicht liquidiert wird.6 1 Vgl. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 2 Vgl. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129. 3 Gl.A. Pering, DB 1986, 2299 (2300); Uhrmann, DB 1990, 2037; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung, 249; a.A. BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128, der von einer „eingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte“ für Zwecke der Gewinnabgrenzung ausgeht. 4 Vgl. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, EuGHE 2008, I-1129. Vgl. dazu auch Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1455; Hruschka, IStR 2008, 500 ff.; Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 978; Ziehr, IStR 2009, 261 ff. 5 Zur Anwendung des Urt. aus Sicht der Finanzverwaltung vgl. BMF v. 23.11.2009 – IV B 5 - S 2118 - a/07/10011, BStBl. I 2009, 1332. 6 Vgl. Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1455 ff.
586
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 184–185 Art. 7 (2008)
9. Gründung der Betriebsstätte Arten von Gründungskosten. Im Vorfeld der Gründung einer Betriebsstätte ent- 184 stehen häufig Aufwendungen beim Stammhaus, die mit der Tätigkeit der später begründeten Betriebsstätte im Zusammenhang stehen. Dies betrifft einerseits sämtliche Aufwendungen zur Gründung der Betriebsstätte, welche sich häufig auf die wirtschaftliche und rechtliche Beratung im Zusammenhang mit der Begründung der Betriebsstätte beziehen (z.B. Aufwendungen für Unternehmensberater, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Ingenieure sowie Genehmigungs- und Anmeldegebühren). Andererseits können davon Aufwendungen zur Vorbereitung des wirtschaftlichen Engagements in der ausländischen Betriebsstätte betroffen sein, wie z.B. Aufwendungen für Marktbeobachtung und -forschung, Werbe- und Marketingmaßnahmen, Außendienstmitarbeiter, Informationsbeschaffung, Kosten für die Beschaffung von Personal, Prüfung von Handlungsalternativen, Betriebsanlagen etc.1 Sowohl Gründungsaufwendungen als auch Aufwendungen für vorbereitende Maßnahmen werden regelmäßig nicht die Voraussetzungen eines (immateriellen) Wirtschaftsguts erfüllen.2 Infolgedessen können diese Aufwendungen nicht Gegenstand einer unternehmensinternen Überführung eines Wirtschaftsguts (Rz. 160 ff.) sein. Vielmehr handelt es sich um zeitlich vorgelagerte Aufwendungen, deren betriebswirtschaftliche Vorteile – ggf. neben dem Stammhaus – auch der Betriebsstätte zugutekommen. Zuordnung zum Stammhaus. Die OECD sagt zur Behandlung von Aufwendungen, 185 die mit der Begründung der Betriebsstätte in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, nichts aus. Vielmehr wird insoweit auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten verwiesen.3 Nach Auffassung der Rspr.,4 der Finanzverwaltung5 und der wohl h.M. der Literatur6 sind Aufwendungen, die bei der Errichtung der Betriebsstätte entstehen, aufgrund ihres Veranlassungszusammenhangs bereits der Betriebsstätte zuzuordnen. Dies gilt – so die Finanzverwaltung – sowohl für in- als auch für ausländische Betriebsstätten und unabhängig davon, ob die Betriebsstätte später tatsächlich begründet wird oder nicht.7 Dieser Auffassung ist indessen nicht zu folgen; vielmehr sind die entsprechenden Aufwendungen dem Stammhaus zuzuordnen. Denn ein Aufwand, der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen vor Begründung der Betriebsstätte entsteht, kann nicht der Betriebsstätte zugeordnet werden. Der (Gründungs-)Aufwand ist stattdessen – mangels Anknüpfungspunkt einer beschränkten Steuerpflicht im Ausland vor Begründung der Betriebsstätte – dem Stammhaus zuzurechnen.8 Dies gilt selbst dann, wenn die Begründung der Betriebsstätte in das Wirtschaftsjahr fällt, in dem der vor ihrer Gründung entstandene Aufwand angefallen ist. Eine (mittelbare) Zuordnung der vorbereitenden Aufwendungen oder Gründungsaufwendungen kommt allenfalls nach Begründung der Betriebsstätte in Betracht, wenn die entsprechenden Aufwendungen zu einem Wirtschaftsgut geführt haben. Ist dies der Fall, wird das entsprechende Wirtschaftsgut (z.B. in Form eines Kundenstamms oder einer Geschäftschance) im Zeitpunkt der Begründung der Betriebsstätte in die Betriebsstätte überführt (zu den Konsequenzen vgl. Rz. 160 ff.).
1 Zur Definition der Gründungskosten vgl. auch Schmitz in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 995 ff. 2 Zur Diskussion, ob Gründungsaufwendungen ggf. Geschäftschancen darstellen können, vgl. auch Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 61. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 259. 4 Vgl. BFH v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.9.1. 6 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.35 m.w.N. 7 Eine Ausnahme gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung für Kosten der Auftragsakquisition, welche grundsätzlich dem Stammhaus zuzuordnen sind; vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.9.1. 8 Zu Einzelheiten vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.3 und 5.8 f.
Ditz
587
Art. 7 (2008) Rz. 186
Unternehmensgewinne
10. Schließung der Betriebsstätte 186
Schließung einer inländischen Betriebsstätte. Wird eine Betriebsstätte veräußert, in eine Tochterkapitalgesellschaft eingebracht, stillgelegt oder in den anderen Vertragsstaat verlegt, räumen Art. 7 Abs. 2 bzw. Art. 13 Abs. 2 dem Betriebsstättenstaat das Recht zu einer Besteuerung der in den entsprechenden Wirtschaftsgütern vorhandenen stillen Reserven ein.1 In diesem Zusammenhang stellt sich indessen die Frage, ob überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe dieses abkommensrechtliche Besteuerungsrecht im Hinblick auf eine im Inland belegene Betriebsstätte durch innerstaatliches Recht ausgefüllt wird. Dazu Folgendes: – Veräußerung einer inländischen Betriebsstätte: Wird eine inländische Betriebsstätte im Ganzen veräußert, führt dies zu einer beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 16 EStG. Der insoweit zu realisierende Veräußerungsgewinn darf sich indessen nur auf stille Reserven aus der inländischen Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 124 ff.) beziehen. Werden die Betriebs- bzw. Teilbetriebsvoraussetzungen des § 16 EStG nicht erfüllt, ist der Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn zu realisieren und zu besteuern. – Aufgabe der Betriebsstätte: Wird eine inländische Betriebsstätte geschlossen („Zerschlagung der Betriebsstätte“2), werden die Voraussetzungen einer Betriebsaufgabe im Ganzen gem. § 16 Abs. 3 EStG i.d.R. nicht erfüllt werden. Denn eine Betriebsaufgabe liegt nur vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder insgesamt in das Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens (verstanden als gesamtes Einheitsunternehmen) zu bestehen aufhört.3 Werden im Zusammenhang mit der Schließung der Betriebsstätte Wirtschaftsgüter veräußert, unterliegt der daraus resultierende und der inländischen Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn der beschränkten Steuerpflicht. Werden hingegen Wirtschaftsgüter nicht veräußert, sondern in das ausländische Stammhaus oder eine andere ausländische Betriebsstätte überführt, gelten die im Zusammenhang mit der Überführung von Wirtschaftsgütern dargestellten Grundsätze (vgl. Rz. 160 ff.). – Umwandlung in eine Tochterkapitalgesellschaft: Soweit eine inländische Betriebsstätte in eine Tochterkapitalgesellschaft eingebracht wird, entscheidet sich nach innerstaatlichem Umwandlungssteuerrecht, ob die Einbringung gewinnrealisierend zu erfolgen hat oder auf Basis einer Fortführung der Buchwerte erfolgsneutral ist. Die Finanzverwaltung geht in diesem Zusammenhang grundsätzlich von einem gewinnrealisierenden, tauschähnlichen Vorgang aus.4 Im Übrigen ist in Bezug auf den jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20 UmwStG erfüllt sind. – Verlegung ins Ausland: Wird die inländische Betriebsstätte eingestellt und im Ausland (d.h. in ihrem Stammhaus oder in einer anderen Betriebsstätte) fortgeführt, liegt eine Betriebsverlegung vor. In seiner alten und mittlerweile überholten Rspr. ist der BFH in diesem Zusammenhang im DBA-Fall von einer Betriebsbzw. Teilbetriebsaufgabe i.S.d. § 16 Abs. 3 EStG ausgegangen (sog. finale Betriebsaufgabe).5 Diese Rspr. hat der BFH in 2009 aufgegeben.6 Der BFH stützt seine Auf-
1 2 3 4 5
Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.10., 5.11, 5.12 und 5.13. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.11. Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019 m.w.N. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.10. Vgl. BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76. 6 Vgl. BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH NV 2010, 432, belegt durch Nichtanwendungserlass des BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 - S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278.
588
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 186–188 Art. 7 (2008)
fassung insbesondere auf die fehlende Rechtsgrundlage einer Gewinnrealisierung.1 Ab dem VZ 2006 sind indessen auch im Zusammenhang mit einer Betriebsverlegung die Entstrickungsnormen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG zu beachten. Darüber hinaus wurde mit dem JStG 20102 § 16 Abs. 3a EStG eingeführt. Danach steht einer Aufgabe des Gewerbebetriebs der Ausschluss oder die Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs oder Teilbetriebs gleich. Im Ergebnis wurde damit die finale Betriebsaufgabetheorie aus der alten Rspr. des BFH gesetzlich kodifiziert. Schließung einer ausländischen Betriebsstätte. Wird die ausländische Betriebs- 187 stätte eines im Inland ansässigen Unternehmers verkauft, in eine Tochterkapitalgesellschaft eingebracht, eingestellt oder ins Inland verlegt, hat der ausländische Vertragsstaat gem. Art. 7 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 2 das Besteuerungsrecht auf stille Reserven, die in den der Betriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgütern enthalten sind. Die Besteuerungsfolgen im Ausland ergeben sich dabei nach den dort anzuwendenden innerstaatlichen Vorschriften. Werden im Zusammenhang mit der Schließung der ausländischen Betriebsstätte Wirtschaftsgüter in das inländische Stammhaus oder eine andere inländische Betriebsstätte überführt, gelten die Grundsätze der sog. Steuerverstrickung (vgl. Rz. 165). Zuordnung von nachträglichen Einkünften. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch 188 nach Schließung der Betriebsstätte durch sie veranlasste Einkünfte in Form von nachträglichen Aufwendungen oder Erträgen entstehen (z.B. Ausfall von Forderungen oder nachträglicher Eingang von Forderungen, welche zuvor teilwertberichtigt wurden). Weder die OECD3 noch die Finanzverwaltung geben in diesem Zusammenhang konkrete Hinweise, wie mit nachträglichen Betriebsstätteneinkünften umzugehen ist. Zwar enthielt die alte Fassung der BS-VWG noch die Verpflichtung des Steuerpflichtigen, bei der Auflösung einer Betriebsstätte bis zum Ende des Wirtschaftsjahres, das auf das Jahr der Auflösung der Betriebsstätte folgt, eine sog. „Liquidationsbilanz“ aufzustellen.4 Diese Auffassung der Finanzverwaltung wurde im Schrifttum indessen zu Recht abgelehnt, da keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist.5 Das BMF ist dieser Kritik gefolgt und hat mit BMF v. 25.8.20096 die Verpflichtung zur Erstellung einer „Liquidationsbilanz“ aufgegeben. Hinsichtlich der steuerlichen Folgen der Auflösung einer Betriebsstätte gelten damit – zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung – die allgemeinen Regelungen zur Entstrickung (vgl. Rz. 160 ff.) und Verstrickung (vgl. Rz. 165).7 Nach Auffassung der Rspr.8 sind nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte der Betriebsstätte zuzuordnen, da sie durch diese veranlasst sind.9 Diese Auffassung kann indessen nicht überzeugen, da es an einem der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Steuersubjekt „Betriebsstätte“ fehlt, welchem abkommensrechtlich Einkünfte zugeordnet werden können. Vor diesem Hintergrund sind Aufwendungen und Erträge, die zwar durch die Betriebsstätte veranlasst sind, aber erst nach ihrer Schließung an-
1 Vgl. dazu auch Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.89; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.15; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4024; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 156. 2 Vgl. JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 3 Nach Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 259 ist die Frage der Behandlung von nachträglichen Betriebsstätteneinkünften nach dem innerstaatlichen Recht zu prüfen. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.9.2. 5 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.18; Kumpf/Roth, DB 2000, 787 (791). 6 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.9.2. 7 Vgl. dazu auch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341 - 07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.6.1. und 2.6.2. 8 Vgl. BFH v. 28.10.2008 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH NV 2010, 432; siehe dazu auch Nichtanwendungserlass des BMF v. 18.11.2011 – IV C 6 – S 2134/10/10004, BStBl. I 2011, 1278. 9 So auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.37 m.w.N.
Ditz
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Art. 7 (2008) Rz. 188–189
Unternehmensgewinne
fallen, immer dem Stammhaus zuzuordnen.1 Denn mit Einstellung der Betriebsstätte liegt kein Steuersubjekt mehr vor, bei welchem nachträgliche Aufwendungen und Erträge besteuert werden können.
IV. Betrachtung einzelner Betriebsstättentatbestände 1. Produktionsbetriebsstätten 189
Funktionsanalyse. Ausgangspunkt der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist die Durchführung einer Funktions- und Risikoanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.). In Bezug auf die Produktion wird im Rahmen der Funktionsanalyse zwischen dem Eigenproduzenten und dem Lohnfertiger unterschieden (vgl. Art. 9 Rz. 86 ff.). Eines der maßgeblichen Differenzierungskriterien sind dabei die durch die Produktionsgesellschaft getragenen Risiken, welche regelmäßig in einem Lohnfertigungsvertrag festgehalten werden. Der Abschluss eines solchen Lohnfertigungsvertrages mit einer einhergehenden eindeutigen Zuordnung von Risiken ist indessen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten nicht möglich (vgl. Rz. 90 f.).2 Vielmehr sind im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise deren jeweils ausgeübte Funktionen und wahrgenommenen Risiken zu analysieren. Die Zuordnung von Risiken erfolgt dabei nach funktionalen Gesichtspunkten (vgl. Rz. 123). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Rahmen der Funktionsanalyse zwischen Betriebsstätten, die im Wesentlichen nur für das Stammhaus tätig sind (sog. abhängige Produktionsbetriebsstätten), und Betriebsstätten, die ohne Einschaltung des Stammhauses selbständig die hergestellten Produkte vertreiben und damit autonom am Markt agieren (sog. unabhängige Produktionsbetriebsstätten), zu unterscheiden. Beide Betriebsstättentypen zeichnen sich durch das folgende Funktionsprofil aus: Abhängige Produktionsbetriebsstätte
Unabhängige Produktionsbetriebsstätte
Forschung, Forschungsrisiko
–
+
Produktionsmanagement
–
+
Entwicklungskompetenz
–
+
Produktanpassungen
–
+
Eigentumserwerb an Vorprodukten, Rohstoffen
+/–
+
Rohstoff- und Vorproduktlager
+/–
+
Fertigungsvorbereitende Funktionen
Fertigungsfunktionen –
+
Zuordnung von Produktionsanlagen
+/–
+
Zuordnung von Patenten, Know-how
–
+
Disposition über Fertigungsverfahren
–
+
Qualitätskontrolle
–
+
(Halb-)Fertigproduktlager, Lagerrisiko
–
+
+/–
+
Produktionsplanung, Mengendisposition
Produkthaftung
1 Vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.18. 2 A.A. Kroppen in FS Herzig, 1071 (1088).
590
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 189–192 Art. 7 (2008)
Abhängige Produktionsbetriebsstätte
Unabhängige Produktionsbetriebsstätte
Vermarktung der Produkte
–
+
Absatzmengenrisiko, Absatzpreisrisiko
–
+
Nachgelagerte Funktionen
Zuordnung von Marken Garantieleistungen
–
+
+/–
+
+/–
+
Administrative Funktionen Verwaltungsaktivitäten
Gewinnabgrenzung bei abhängigen Produktionsbetriebsstätten. Die abhängige 190 Produktionsbetriebsstätte ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht in der Lage ist, eigene Erträge am Markt zu realisieren. Stattdessen werden die von ihr hergestellten Produkte ausschließlich oder im Wesentlichen vom Stammhaus abgenommen und von diesem an Unternehmensexterne vertrieben bzw. im Rahmen einer eigenen Produktion verwendet. Folglich besteht ein starkes wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis der Betriebsstätte zum Stammhaus; denn die Betriebsstätte ist auf die Nachfrage des Stammhauses angewiesen und selbst nicht in der Lage, eigene Marktchancen wahrzunehmen. Es ist folglich davon auszugehen, dass die abhängige Produktionsbetriebsstätte an ihr Stammhaus Produktionsdienstleistungen erbringt (vgl. Rz. 174 f.). Der für die Dienstleistung unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Rz. 110 ff.) abzurechnende Fremdvergleichspreis kann auf Basis der Preisvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 60) oder der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 68) bestimmt werden (zu Einzelheiten vgl. auch Art. 9 Rz. 87 f.). Nach innerstaatlichem Recht ist eine solche Abrechnung von Dienstleistungen indessen nur möglich, wenn eine entsprechende Gewinnermittlungsvorschrift (Ersatzrealisationstatbestand) besteht (vgl. Rz. 175). Gewinnabgrenzung bei unabhängigen Produktionsbetriebsstätten. Soweit die Pro- 191 duktionsbetriebsstätte über weitreichende Entscheidungskompetenzen im Hinblick auf die Produktpolitik verfügt, Forschung und Entwicklung betreibt und darüber hinaus in Eigenregie die von ihr hergestellten Produkte vermarktet, liegt eine unabhängige Produktionsbetriebsstätte vor. Werden durch die Produktionsbetriebsstätte die von ihr hergestellten Wirtschaftsgüter in das Stammhaus überführt, ist insoweit ein Fremdvergleichspreis anzusetzen (vgl. Rz. 160 ff.). Zur Bestimmung des Fremdvergleichspreises kann dabei auf die von der OECD anerkannten Verrechnungspreismethoden (vgl. Art. 9 Rz. 60 ff.) zurückgegriffen werden. Soweit die Produktionsbetriebsstätte die von ihr hergestellten Produkte auch an Externe vermarktet, sind die daraus resultierenden Erträge ihr zuzuordnen (vgl. Rz. 143 ff.). 2. Vertriebsbetriebsstätten Funktionsanalyse. Im Rahmen der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.) wer- 192 den bei verbundenen Unternehmen mit dem Vertrags- bzw. Eigenhändler, dem Kommissionär und dem Handelsvertreter drei unterschiedliche rechtliche Gestaltungsalternativen diskutiert (vgl. Art. 9 Rz. 91 f.). In Bezug auf das Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist diese Unterscheidung aufgrund der zivilrechtlichen Einheitlichkeit (vgl. Rz. 90 f.) nicht möglich. Infolge dessen kann im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte keine Unterscheidung zwischen Handlungen im eigenen oder fremden Namen bzw. auf eigene oder fremde Rechnung vorgenommen werden.1 Hinsichtlich der Einordnung einer im Vertrieb tätigen Betriebsstätte ist im 1 Wohl a.A. Art. 7 Rz. 19 OECD-MK 2008, wo von einer als „Agenten“ tätigen Betriebsstätte gesprochen wird. Siehe ferner Kroppen in FS Herzig, 1071 (1088).
Ditz
591
Art. 7 (2008) Rz. 192–194
Unternehmensgewinne
Rahmen der Funktionsanalyse vielmehr zwischen einer funktionsschwachen und einer funktionsstarken Vertriebsbetriebsstätte zu unterscheiden. Beiden Ausprägungsformen einer Vertriebsfunktion bei Betriebsstätten liegen (idealtypisch) die folgende Funktions- und Risikozuordnung zugrunde: Funktionsschwache Vertriebsbetriebsstätte
Funktionsstarke Vertriebsbetriebsstätte
Vertriebsvorbereitende Funktionen –
+
Ausstellung von Waren
+/–
+
Werbung und Kontaktpflege
+/–
+
Pre-Sales Services
+/–
+
–
+
Marktforschung und -beobachtung
Preispolitik Vertriebsfunktionen
+
+
Vertrags- und Preisverhandlungen
+/–
+
Vertragsabschluss
+/–
+
+
+
Lagerhaltung/Vorratsrisiko
–
+
Logistik/Transport
–
+
Gewährleistung/Gewährleistungsrisiko
–
+
After Sales Services
–
+
Kundenakquisition
Auftragsbearbeitung
Nachgelagerte Funktionen
Administrative Funktionen Forderungsausfallrisiko
–
+
Fakturierung
+
+
Sonstige verwaltungsbezogene Funktionen (Controlling, Personal, Rechnungswesen etc.)
+
+
193
Gewinnabgrenzung bei funktionsschwachen Vertriebsbetriebsstätten. Vertriebsbetriebsstätten, die hinsichtlich ihrer Vertriebspolitik, ihrer Organisation und ihres Handlungsspielraums gegenüber dem Kunden sehr eng an das Stammhaus angebunden sind, üben Routinefunktionen aus.1 Routinefunktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nur mit geringen Entscheidungsbefugnissen verbunden sind, nur in geringem Umfang (insbesondere immaterielle) Wirtschaftsgüter eingesetzt und ferner nur geringe Risiken wahrgenommen werden (vgl. Art. 9 Rz. 52). Gewöhnlicherweise werden ihnen keine Verluste, sondern regelmäßig nur geringe, dafür aber stabile Gewinne zugeordnet. Ist eine Vertriebsbetriebsstätte daher als funktionsschwach und damit – wäre sie rechtlich selbständig und unabhängig – als Routineunternehmen einzuordnen, ist ihre Vergütung i.d.R. auf Basis der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln (vgl. Art. 9 Rz. 68 ff. und 92).
194
Gewinnabgrenzung bei funktionsstarken Vertriebsbetriebsstätten. Bei der funktionsstarken Vertriebsbetriebsstätte ist davon auszugehen, dass sie das wirtschaftli1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.410.2 Buchst. a.
592
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 194–196 Art. 7 (2008)
che Eigentum an den von ihr vertriebenen Waren begründet. Infolgedessen sind ihr auch die aus der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Waren resultierenden Lager- und Absatzrisiken sowie das Risiko des zufälligen Untergangs zuzuordnen. Ferner verfügt die funktionsstarke Vertriebsbetriebsstätte i.d.R. über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Vertriebspolitik. Diese betreffen bspw. die Bestimmung der Preispolitik, die Auswahl von lokalen Vertriebspartnern sowie die Durchführung eigener Werbekampagnen bzw. eigener Marktforschung. Die der Vertriebsbetriebsstätte zugeordneten Risiken korrespondieren dabei i.d.R. mit den durch sie ausgeübten Funktionen (vgl. Rz. 123). So ist davon auszugehen, dass ihr neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Forderungsausfallrisiko zuzuordnen ist. Ein wesentliches Risiko ist dabei das Risiko zurückgehender Umsätze, die bei gleichbleibenden Fixkosten zu Verlusten führen können. Werden Waren des Stammhauses in die funktionsstarke Vertriebsbetriebsstätte überführt, können die entsprechenden Preise auf Basis der Preisvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 62 f.), der Wiederverkaufspreismethode (vgl. Art. 9 Rz. 65 ff.) oder der TNMM (vgl. Art. 9 Rz. 76 ff.) bestimmt werden. Die Höhe der angemessenen Gewinnmarge der Vertriebsbetriebsstätte ist dabei vom Umfang der von ihr übernommenen Funktionen und Risiken sowie von weiteren Faktoren (z.B. der Existenz von Hersteller- oder Handelsmarken, Marktverhältnissen im lokalen Markt, Kostensituation der Vertriebsbetriebsstätte) abhängig (vgl. Art. 9 Rz. 93). 3. Vertreterbetriebsstätten Auffassung der OECD. Im Rahmen des „Update 2008“ wurde in Art. 7 Rz. 26 195 OECD-MK erstmalig eine Regelung zur Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten (Art. 5 Abs. 5 und 6) aufgenommen. Danach sind die allgemeinen Grundsätze der Gewinnabgrenzung – insbesondere im Hinblick auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – auch bei Vertreterbetriebsstätten anzuwenden. Vor diesem Hintergrund sind auch bei Vertreterbetriebsstätten in einem ersten Schritt die Funktionen und Risiken zu analysieren, die der Vertreter sowohl für eigene Rechnung als auch für das vertretene Unternehmen wahrnimmt (sog. Funktionsanalyse, vgl. Rz. 100 und 121 ff.). In diesem Zusammenhang sind der Vertreterbetriebsstätte als „fiktive Betriebsstätte“ nach Auffassung der OECD die Wirtschaftsgüter und Risiken zuzuordnen, die sich auf die Funktionen beziehen, die der Vertreter für das Unternehmen wahrnimmt, insbesondere sind die wesentlichen Personalfunktionen zu analysieren, welche der Vertreter für das Unternehmen (präziser: für die Betriebsstätte des Unternehmens) ausübt. Unter Berücksichtigung der der Vertreterbetriebsstätte zugeordneten Wirtschaftsgüter und Risiken ist dieser ein Ertrag zuzuordnen, der sich an den ihr zugeordneten Wirtschaftsgütern und Risiken und nicht an der Vergütung des Vertreters selbst zu orientieren hat. Infolgedessen ist der der Vertreterbetriebsstätte zugeordnete Gewinn oder Verlust unabhängig von der Vergütung des Vertreters.1 Die OECD spricht sich demnach gegen die „Nullsummen-Theorie“2 aus.3 Dies heißt allerdings nicht, dass eine Vertreterbetriebsstätte nach Auffassung der OECD per se ein Gewinn zuzurechnen ist. Denn auch nach ihrer Auffassung kann auf Basis der Funktionsanalyse die Schlussfolgerung zu ziehen sein, dass die Vertreterbetriebsstätte ein Nullergebnis oder einen sehr geringen Gewinn auszuweisen hat.4 Ablehnung der Auffassung der OECD. Die Auffassung der OECD, dass der Vertre- 196 terbetriebsstätte Wirtschaftsgüter und Risiken verbunden mit einem entsprechenden Ergebnisausweis zuzuordnen sind, ist abzulehnen. Denn im Hinblick auf die Funk1 Zu Einzelheiten vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 263 ff., worauf Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2008 unmittelbar verweist. 2 Vgl. dazu Andresen in W/A/D-Betriebsstättenhandbuch, Rz. 10.223 ff., 10.233, 10.234; Sieker, BB 1996, 981 (984 ff.); Grimla, IStR 2005, 857 f. 3 Der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 setzt sich in Part I, Rz. 271 im Einzelnen mit der „Nullsummen-Theorie“ auseinander. Zu einer kritischen Würdigung vgl. auch Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 112 ff. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 264.
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Art. 7 (2008) Rz. 196–198
Unternehmensgewinne
tionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.) der Vertreterbetriebsstätte ist von zentraler Bedeutung, dass diese eine reine Geschäftsbesorgungs- und damit eine reine Vermittlungsleistung erbringt. So wird der Vertreter nur in absoluten Ausnahmefällen das wirtschaftliche Eigentum an den zu vertreibenden Waren erwerben. Dieses wird vielmehr unmittelbar vom Prinzipal auf den Kunden übertragen. Das Risiko des zufälligen Untergangs der Waren, das Absatz- und Preisrisiko, das Forderungsausfallrisiko und das Gewährleistungsrisiko werden damit von dem Prinzipalunternehmen, d.h. dem Stammhaus, getragen und sind folglich auch diesem zuzuordnen. Mithin erbringt die Vertreterbetriebsstätte im Rahmen ihrer Geschäftsbesorgung oder Geschäftsvermittlung eine reine Dienstleistung, die i.d.R. als sog. Routinefunktion einzustufen ist.1 Im Rahmen der Gewinnabgrenzung im Sinne einer veranlassungsgerechten Zuordnung von Erträgen (vgl. Rz. 143 f.) und Aufwendungen (vgl. Rz. 146 ff.) zur Vertreterbetriebsstätte ist damit zu beachten, dass es sich bei der Vertreterbetriebsstätte i.d.R. um eine funktionsschwache Dienstleistungsbetriebsstätte handelt. Dies hat zur Folge, dass die aus den Warenverkäufen originär entstehenden Einkünfte dem Stammhaus zuzuordnen sind. Insofern können sich auch keine unternehmensinternen Lieferungsund Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Vertreterbetriebsstätte (vgl. Rz. 151 ff.) ergeben. Der Vertreterbetriebsstätte steht vielmehr nur ein für ihre erbrachten Dienstleistungen entsprechender Gewinn zu. Dieser ist als Saldo aus den der Vertreterbetriebsstätte zugeordneten Erträgen und Aufwendungen zu bestimmen. 197
Anwendung der direkten Methode. Auch bei Vertreterbetriebsstätten ist die Gewinnabgrenzung auf Basis der direkten Methode (vgl. Rz. 117) durchzuführen. Die Anwendung der direkten Methode setzt zwar eine eigene Betriebsstättenbuchführung voraus. An einer solchen fehlt es jedoch üblicherweise bei Vertreterbetriebsstätten, weil sie ein rein fiktives Gewinnermittlungsobjekt darstellen. Insofern kann jedoch nicht schlussgefolgert werden, dass die indirekte Methode (vgl. Rz. 214 ff.) anzuwenden sei.2 Denn die Anwendung dieser Methode ist nur möglich, wenn die Funktionen des Unternehmens mit denjenigen der Betriebsstätte (hier: Vertreterbetriebsstätte) weitgehend übereinstimmen (vgl. Rz. 215).3 Dies ist indessen im Verhältnis zwischen Stammhaus und Vertreterbetriebsstätte nicht der Fall. Denn die Vertreterbetriebsstätte übt lediglich eine Vertriebsdienstleistung aus, während das Stammhaus üblicherweise wesentliche unternehmerische Funktionen wahrnimmt. Die Voraussetzungen sind damit bei Vertreterbetriebsstätten i.d.R. nicht erfüllt.4
198
Zuordnung von Erträgen. Unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes sind der Vertreterbetriebsstätte die Erträge zuzuordnen, die durch sie erwirtschaftet wurden (vgl. Rz. 143 ff.). Unter Berücksichtigung ihrer reinen Dienstleistungsfunktion (vgl. Rz. 196) ist ihr damit eine angemessene Provision zuzuordnen. Einkünfte des Prinzipalunternehmens aus den von diesem vorgenommenen Warenverkäufen sind der Vertreterbetriebsstätte genauso wenig zuzuordnen wie die Einstandskosten für vom Prinzipal bezogene Waren.5 Dies wird durch das BFH-Urt. v. 13.11.19906 für ausländische Bau- und Montagebetriebsstätten bestätigt, wonach der Liefer- und Montagegewinn getrennt zu beurteilen sind (vgl. Rz. 204). Die Vertreterbetriebsstätte ist lediglich vermittelnd tätig und partizipiert deshalb nicht am Liefergewinn. Vielmehr erhält sie nur einen Anteil der aus den durch den Prinzipal aus der Warenlieferung realisierten Erträgen als „Provision“ für die erbrachte Vermittlungsleistung. Vor diesem Hintergrund sind auch keine Warenbestände in einer (möglichen) Bilanz der Vertreterbetriebsstätte auszuweisen.7 Bei einer ausländischen Ver1 So explizit auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2; siehe ferner Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1551). 2 So jedoch wohl Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 138 ff. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3.2. 4 A.A. Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 141, der die indirekte Methode der Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten bevorzugt, jedoch offenlässt, wie sich diese konkret umsetzen lässt. 5 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.221. 6 Vgl. BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94. 7 A.A. Naumann/Förster, IStR 2004, 249 ff.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 198–200 Art. 7 (2008)
treterbetriebsstätte können folglich auch die Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG keine Rolle spielen. Die Bestimmung der angemessenen Provision der Vertreterbetriebsstätte kann auf Basis der Preisvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 62 ff.) oder der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 68) erfolgen. Zuordnung von Aufwendungen. Dem der Vertreterbetriebsstätte zugeordneten 199 Ertrag in Form einer fremdüblichen Provision ist zur Ermittlung ihres Gewinns der durch sie veranlasste Aufwand gegenüberzustellen. Bei den der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnenden Aufwendungen handelt es sich konkret um die Aufwendungen, die dem Stammhaus durch die Einschaltung des Vertreters entstanden sind. Dies ist im Wesentlichen die an den Vertreter geleistete Vergütung (i.d.R. in Form der an den Vertreter entrichteten Provision).1 Hinsichtlich der Folgen der Aufwandszuordnung zur Vertreterbetriebsstätte ist danach zu differenzieren, ob es sich bei dem Vertreter um eine dem Vertretenen nahe stehende Person handelt bzw. ob der Vertreter ein Organ oder Angestellter des vertretenen Unternehmens ist.2 – Bei Vertretern, die dem vertretenen Unternehmen nicht i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG nahe stehen, ist die zwischen dem vertretenen Unternehmen und dem Vertreter vereinbarte Vergütung (i.d.R. in Form einer Provision) zwischen fremden Dritten vereinbart und folglich angemessen. In diesem Fall entspricht der der Vertreterbetriebsstätte in Form einer fremdüblichen Provision zugeordnete Ertrag den dieser zugeordneten Aufwendungen, sodass ein Gewinn von null entsteht.3 – Soweit es sich bei dem Vertreter um eine dem vertretenen Unternehmen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG nahe stehende Person handelt (z.B. um eine als Handelsvertreter agierende Tochter-Vertriebsgesellschaft), ist der Vertreterbetriebsstätte kein Gewinn zuzuordnen, wenn die Vergütung des Vertreters angemessen ist.4 Ist das durch das vertretene Unternehmen an den nahe stehenden Vertreter entrichtete Entgelt indessen unangemessen, so kann grundsätzlich bei der Vertreterbetriebsstätte ein Gewinn oder Verlust entstehen. Die Praxis zeigt allerdings, dass in Fällen einer unangemessenen Vergütung des Vertreters die Finanzverwaltung i.d.R. (Verrechnungspreis-)Korrekturen auf Basis der einschlägigen Einkünftekorrekturvorschriften (vgl. Art. 9 Rz. 18 ff.) vornimmt. Mit Durchführung der entsprechenden Einkünftekorrektur ist der daraus resultierende Aufwand oder Ertrag der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnen. Infolgedessen ist auch in diesem Fall der der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnende Gewinn null. – Handelt es sich bei dem Vertreter um ein Organ des vertretenen Unternehmens oder um dessen Angestellten, wird i.d.R. der der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnende Aufwand niedriger sein als der angemessene Ertragsanteil für die von der Vertreterbetriebsstätte ausgeübten Funktionen. Infolgedessen ist der durch ein Organ oder einen Angestellten des vertretenen Unternehmens begründeten Vertreterbetriebsstätte i.d.R. ein Gewinn zuzuordnen.5 4. Bau- und Montagebetriebsstätten Auffassung der OECD. Obwohl sich der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. 200 Rz. 102) an keiner Stelle mit der Bau- und Montagebetriebsstätte befasst, wurden in Art. 7 Rz. 23–25 OECD-MK im Rahmen des „Update 2008“ erstmals Hinweise zur Ge1 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.232 ff.; Sieker, BB 1995, 981 (983); Görl in V/L5, Art. 5 OECD-MA Rz. 153. 2 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.232; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.58. 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.59 m.w.N.; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233; a.A. Looks in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 1051; Naumann/Förster, IStR 2004, 249 ff.; Griemla, IStR 2005, 857 (858 ff.) m.w.N.; Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 112 ff. 4 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.9; Andresen in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 10.234. 5 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.59; Andresen in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 10.235; Sieker, BB 1995, 981 (985).
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Art. 7 (2008) Rz. 200–202
Unternehmensgewinne
winnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten aufgenommen. In diesem Zusammenhang stellt die OECD zunächst klar, dass ihre Gewinnabgrenzung mit „besonderen Problemen“ verbunden sei (vgl. Art. 7 Rz. 23 OECD-MK 2008). Diese beziehen sich insbesondere – so die OECD – auf die Frage der Zuordnung von Gewinnen aus Komponenten und Warenlieferungen sowie der Erbringung spezifischer Dienstleistungen (wie z.B. Planung, Erstellung von Entwürfen, Zeichnen von Plänen oder technische Beratung). Nach den allgemeinen Grundsätzen geht die OECD davon aus, dass aus diesen Tätigkeiten resultierende Einkünfte nur dann einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, wenn die entsprechenden Tätigkeiten tatsächlich von ihr ausgeübt werden (vgl. Rz. 204; siehe auch Art. 7 Rz. 24 OECD-MK 2008). Weitergehende Ausführungen im Hinblick auf die konkrete Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Bau- und Montagebetriebsstätten enthält der OECD-MK nicht. 201
Funktionsanalyse. Der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 100 und 121 ff.) kommt im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten eine besondere Bedeutung zu. Denn die Leistungsbeiträge des Stammhauses und der Betriebsstätte sind bei Bau- und Montageprojekten i.d.R. so miteinander verflochten, dass eine Zuordnung einzelner Teilleistungen zu beiden Unternehmensteilen nur schwerlich oder – was häufig der Fall ist – gar nicht möglich ist. So werden im internationalen Anlagebau durch das auftragnehmende, internationale Einheitsunternehmen häufig gegen Festpreis schlüsselfertige Anlagen, Bauwerke oder Infrastrukturprojekte für einen Auftraggeber erstellt (sog. „Turn Key“-Projekte). Der Auftragnehmer erbringt dabei ein ganzes Leistungsbündel, das neben der eigentlichen Bau- und Montagetätigkeit zahlreiche weitere Zusatzleistungen (z.B. Projektfinanzierung, kaufmännische und technische Projektplanung, Bereitstellung von Know-how, Aufbau einer BaustellenInfrastruktur, Bauüberwachung, Inbetriebnahme und Probebetrieb der Anlage, Schulung von Personal, Wartung und Instandhaltung) umfasst. Diese Teilleistungen werden i.d.R. im Rahmen eines kontinuierlichen Herstellungsprozesses – zeitlich und sachlich ineinander verzahnt – sowohl vom Stammhaus als auch von der Bau- und Montagebetriebsstätte erbracht.1 Infolgedessen ist die konkrete Zuordnung von Funktionen und Risiken sowie entsprechender Wirtschaftsgüter zur Bau- und Montagebetriebsstätte in der Praxis häufig sehr schwierig.2 Vor diesem Hintergrund stößt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei Bau- und Montagebetriebsstätten an seine Grenzen.
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Anwendung der direkten Methode. Die Grundsätze des Art. 7 Abs. 2 – namentlich die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und der Fremdvergleichsgrundsatz – sind grundsätzlich auch im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten zu beachten (vgl. Art. 7 Rz. 23 OECD-MK 2008). Damit ist der Gewinn der Bau- und Montagebetriebsstätte durch eine veranlassungsgerechte Zuordnung von Erträgen (vgl. Rz. 143 ff.) und Aufwendungen (vgl. Rz. 146 ff.) zu bestimmen. Infolgedessen setzt die Anwendung der direkten Methode neben der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 201) ein Rechenwerk voraus, aus welchem die der Bau- und Montagebetriebsstätte – ggf. anteilig – zugeordneten Aufwendungen und Erträge hervorgehen. Dieses Rechenwerk kann insbesondere in einer Betriebsstättenbuchführung (vgl. Rz. 117 ff.) bestehen. Soweit keine (ggf. auch freiwillig erstellte) Buchführung für die Bau- oder Montagebetriebsstätte vorliegt, kann auch die Kostenrechnung – im Wesentlichen in Form der Kostenträger-, Kostenstellen- oder Auftragserfolgsrechnung – als Basis der Gewinnermittlung fungieren.3 Während die Zuordnung von Aufwendungen zur Bauoder Montagebetriebsstätte – auf Basis der Kostenrechnung – im Wesentlichen keine größeren Probleme bereitet,4 ist die Zuordnung von Erträgen i.d.R. nicht unproblematisch. Dies liegt darin begründet, dass im Bereich der Bau- oder Montagetätigkeit häu1 Vgl. Remberg in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, 434; Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 115 f.; Bendlinger in FS Loukota, 50. 2 Zu den von einer Bau- und Montagebetriebsstätte im Einzelnen ausgeübten Funktionen vgl. im Einzelnen Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.185. 3 Vgl. Bendlinger in FS Loukota, 70; Löwenstein in Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. 1391. 4 Zu Einzelheiten vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.187.
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C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 202–204 Art. 7 (2008)
fig Pauschalpreise für ein Sammelsurium unterschiedlichster Leistungen vereinbart werden, die sich einer Zuordnung zu einzelnen Funktionen des Stammhauses bzw. der Bau- oder Montagebetriebsstätte entziehen.1 Insbesondere die Problematik der Ertragszuordnung hat damit zur Folge, dass bei Bau- oder Montagebetriebsstätten in der Praxis häufig die Gewinnaufteilungsmethode Anwendung findet (vgl. Rz. 205). Auffassung der Finanzverwaltung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist 203 auch im Hinblick auf Bau- oder Montagebetriebsstätten eine Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz durchzuführen.2 Folglich sei das Auftragsergebnis bei Bau- oder Montagebetriebsstätten zwischen Stammhaus und Betriebsstätte so aufzuteilen, dass die Betriebsstätte erhält, „was ein fremder selbständiger Unternehmer für die Ausführung der Bau- und Montageleistung unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen erhalten hätte.“3 Dabei sei von der Fiktion auszugehen, dass es sich „beim Stammhaus um den General- und bei der Betriebsstätte um den Subunternehmer handelt.“ Mit der Qualifikation der Bau- und Montagebetriebsstätte als „Subunternehmer“ sei ihr daher ein Ertragsanteil, welcher auf Basis der Kostenaufschlagsmethode ermittelt wird, zuzuordnen.4 Die Frage, wie die Kostenaufschlagsmethode bei Bau- und Montagebetriebsstätten im Einzelnen umzusetzen ist, lassen die BS-VWG indessen offen.5 Insoweit kommen die allgemeinen Grundsätze der Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung (vgl. Art. 9 Rz. 69 ff.). Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode führt im Ergebnis dazu, dass der Bau- und Montagebetriebsstätte ein „Standardgewinn“ in Höhe des im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode angesetzten Gewinnaufschlages zugerechnet wird, während der Residualgewinn beim Stammhaus verbleibt. Dies unterstellt eine – in der Praxis nicht immer realistische – Qualifikation des Stammhauses als „Strategieträger“ (vgl. Art. 9 Rz. 53). Darüber hinaus wird bei Anwendung der Kostenaufschlagsmethode der Bau- und Montagebetriebsstätte zwangsläufig ein Gewinn zugeordnet. Dies selbst dann, wenn aus dem Bau- oder Montageprojekt insgesamt ein Verlust erwirtschaftet wird. Auch dieser Gesichtspunkt kann nur zutreffend sein, wenn die Bau- und Montagebetriebsstätte eine reine Routineleistung ausübt. Dies ist indessen in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen der Fall. Die Auffassung der Finanzverwaltung kann daher nicht überzeugen. Zuordnung von Liefergewinnen. Im Rahmen des Bau- oder Montageprojekts ein- 204 gesetzte Baustoffe oder sonstige Materialien (z.B. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Bauteile und -komponenten) sind dem Unternehmensteil zuzuordnen, der die Beschaffungsfunktion tatsächlich ausübt (vgl. Rz. 126 und 146). Wird die Beschaffungsfunktion vom Stammhaus ausgeübt, sind die entsprechenden Wirtschaftsgüter folglich (zunächst) dem Stammhaus zuzuordnen. Eine Zuordnung der Wirtschaftsgüter zur Bau- und Montagebetriebsstätte kommt erst dann in Betracht, wenn diese zur Bauausführung oder Montage verwendet werden. Wird die Beschaffungsfunktion hingegen von der Bau- und Montagebetriebsstätte selbst ausgeübt, sind die eingekauften Baustoffe und Materialien der Bau- und Montagebetriebsstätte zuzuordnen.6 Mit der Zuordnung der Baustoffe bzw. sonstigen Materialien wird auch darüber entschieden, welchem Unternehmensteil die entsprechenden Gewinne aus der Lieferung der Materialien an den Auftraggeber zustehen (sog. Liefergewinne). Soweit in den Erträgen, die aus dem Bau- oder Montageprojekt gegenüber dem Auftraggeber realisiert werden, Erträge für die Materiallieferungen enthalten sind, sind diese dem Unternehmensteil zuzuordnen, der die Beschaffungsfunktion ausübt.7 1 Vgl. dazu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.189. 2 Vgl. auch Runge in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 143 (142 f.). 3 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.3.6. 4 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 107, Rz. 4.3.7. 5 Es wird lediglich ausgeführt, dass Kosten für Subunternehmerleistungen nicht zu berücksichtigen seien, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.3.7. 6 Vgl. BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.3.8.; Art. 7 Rz. 25 OECD-MK 2008. 7 So auch BFH v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94.
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Art. 7 (2008) Rz. 205–206 205
Unternehmensgewinne
Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode. Aufgrund der dargestellten Probleme der direkten Methode (vgl. Rz. 202) kommt im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten der Gewinnmethode eine übergeordnete Bedeutung zu.1 Im Rahmen der Gewinnaufteilungsmethode wird der Gesamtgewinn aus einem Bau- oder Montageprojekt anhand eines sachgerechten Schlüssels zwischen Stammhaus und Bau- und Montagebetriebsstätte aufgeteilt. Insoweit handelt es sich indessen nicht um eine Anwendung einer globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 214 ff.); vielmehr wird der aus einem einzelnen Projekt realisierte Gewinn zwischen Stammhaus und Bau- und Montagebetriebsstätte mittels einer Schlüsselung aufgeteilt. Dies läuft im Ergebnis auf die Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnmethode in Form der Gewinnaufteilungsmethode hinaus (vgl. Art. 9 Rz. 81). Dabei ist der aus einem Bau- oder Montageprojekt für das Gesamtunternehmen resultierende Gewinn oder Verlust zwischen Stammhaus und Bau- und Montagebetriebsstätte aufzuteilen. Dies setzt in einem ersten Schritt die Ermittlung des aus dem Auftrag für das Gesamtunternehmen realisierten Gewinns oder Verlustes voraus. In einem zweiten Schritt ist dann das insoweit ermittelte Auftragsergebnis zwischen Stammhaus und Bau- und Montagebetriebsstätte aufzuteilen. In der Praxis kommt dabei häufig ein sog. Kostenschlüssel zur Anwendung.2 5. Geschäftsleitungsbetriebsstätten
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Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. Eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte3 erbringt i.d.R. ein Sammelsurium von Leistungen an andere Unternehmensteile. Insofern liegen unternehmensinterne Leistungsbeziehungen vor. Neben der eigentlichen Geschäftsführung oder -leitung4 können sich diese auch auf weitere Leistungskategorien beziehen, wie z.B. Controlling, Beteiligungsverwaltung, Innenrevision, Steuerund Rechtsberatung, EDV, Marketing, Markenpflege sowie Verwaltung von Markenund Patentrechten.5 Hinsichtlich der Frage der fremdvergleichskonformen Abrechnung interner Leistungsbeziehungen gelten dabei die allgemeinen Grundsätze für Dienstleistungen (vgl. Rz. 174 f.). Danach ist abkommensrechtlich eine fremdübliche, d.h. eine den durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken entsprechende Vergütung abzurechnen. Da die Preisvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 63 ff.) in Bezug auf Geschäftsleitungstätigkeiten regelmäßig nicht anwendbar ist, läuft dies auf die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 69) hinaus.6 Die von der Finanzverwaltung in diesen Fällen wohl vorgesehene Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode7 ist nicht sachgerecht. So fordert die Finanzverwaltung für ein Stammhaus, welches die geschäftliche Oberleitung von Betriebsstätten übernimmt, diesem „einen angemessenen Anteil vom Gesamtgewinn zuzurechnen.“ Die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist insofern nicht sachgerecht, als durch die Geschäftsleitungsbetriebsstätte einerseits und dem restlichen Unternehmen andererseits sehr unterschiedliche Funktionen wahrgenommen werden (vgl. Rz. 215 ff.).8 Die Abrechnung einer unternehmensinternen Dienstleistung auf Basis der Kostenaufschlagsmethode setzt eine korrespondierende Gewinnrealisationsvorschrift im innerstaatlichen Recht voraus (vgl. Rz. 175). Da diese 1 So ist auch nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Zuordnung des Auftragsergebnisses entsprechend den Tätigkeiten, Funktionen und der Risikoverteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sachgerecht; vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.3.6. 2 Zur Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode im Rahmen der Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten vgl. Ditz in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 10.195 ff. 3 Unter einer Geschäftsleitungsbetriebsstätte ist hier eine Stätte der Geschäftsleitung gem. § 12 Satz 2 Nr. 1 AO bzw. der Ort der Leitung gem. Art. 5 Abs. 2 Buchst. a gemeint. 4 Beide Begriffe werden synonym verwendet; vgl. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.1. 5 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.61. 6 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.1.2. 7 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 3.1.4. 8 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 2.3.2.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 206–209 Art. 7 (2008)
de lege lata fehlt, kommt allenfalls eine Beteiligung der Geschäftsleitungsbetriebsstätte an den tatsächlich realisierten Erträgen des Gesamtunternehmens in Betracht.1 Die entsprechende Ertragsbeteiligung kann auf Basis der Kostenaufschlagsmethode bestimmt werden. Kontroll- und Koordinierungsstellen. Kontroll- und Koordinierungsstellen sind 207 Betriebsstätten, welche verbundene Unternehmen einer Unternehmensgruppe überwachen und deren Tätigkeiten koordinieren. Typische Funktionen von Kontroll- und Koordinierungsstellen sind, das Rechnungswesen und die Berichterstattung von Konzerngesellschaften zu überwachen und zu koordinieren, deren Jahresabschlüsse zu konsolidieren, den Einkauf, die Produktion, das Marketing und/oder weitere betriebliche Funktionen zu koordinieren, Leitlinien der Konzernspitze an örtliche Gegebenheiten anzupassen und vor Ort umzusetzen sowie weitere verwaltungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen.2 Der wesentliche Unterschied zur Geschäftsleitungsbetriebsstätte besteht damit darin, dass Kontroll- und Koordinierungsstellen keine geschäftsleitenden Funktionen i.S. der Steuerung von Unternehmensteilen oder verbundenen Unternehmen einer Unternehmensgruppe ausüben. Die Finanzverwaltung geht zutreffend davon aus, dass der Gewinn einer Kontroll- und Koordinierungsstelle auf Basis der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 69 ff.) zu ermitteln ist.3 Einzelheiten zur Abrechnung von Dienstleistungen sind im Einzelnen in Rz. 174 f. dargestellt.
V. Dokumentationspflichten Dokumentationspflichten. Der OECD-MK zu Art. 7 erwähnt nur am Rande die 208 Notwendigkeit der Dokumentation der Betriebsstättengewinnabgrenzung (vgl. Art. 7 Rz. 16 OECD-MK 2008). In diesem Zusammenhang verweist er auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2008, der sich insbesondere mit der Dokumentation unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen beschäftigt (vgl. Rz. 155). Allerdings kann sich weder aus Art. 7 noch aus dem OECD-MK eine Dokumentationspflicht ergeben. Die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen ergeben sich vielmehr aus dem innerstaatlichen Verfahrensrecht. So regeln § 90 Abs. 3 AO und die GAufzV v. 13.11.20034 Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der internationalen Gewinnabgrenzung, welche sich explizit auch auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung beziehen.5 Die insoweit im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung aus Sicht der Finanzverwaltung zu dokumentierenden Tatbestände sind im Einzelnen in den VWG-Verfahren dargestellt.6 Beweislast. Art. 7 enthält bereits selbst eine Beweislastregelung hinsichtlich der 209 Besteuerung von Unternehmensgewinnen (vgl. Rz. 66 und 88). Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung die Beweislast i.S. einer objektiven Feststellungslast für Tatsachen trägt, die einen Steueranspruch begründen.7 Infolgedessen trägt die Finanzverwaltung die Beweislast für Einkünftekorrekturen i.S. einer Erhöhung der inländischen Einkünfte eines im Inland belegenen Stammhauses oder einer im Inland belegenen Betriebsstätte, z.B. aufgrund einer nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz Rechnung tragenden Gewinnabgrenzung. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass entsprechende Einkünftekorrekturen eine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraussetzen (vgl. Rz. 35 ff.). Erfüllt der Steuerpflichtige seine Dokumentationspflichten gem. § 90 Abs. 3 AO nicht, wird im Übrigen gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte höher sind als die bislang erklärten. Dies führt zu einer faktischen Umkehr der Beweislast zulasten des
1 Vgl. auch Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.7 ff.; Sieker in Piltz/ Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 85 (103). 2 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.4.1. 3 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Rz. 4.4.4. 4 GAufzV v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296. 5 Vgl. § 90 Abs. 3 Satz 4 AO; § 7 GAufzV. 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.5.1. und 3.4.5.2. 7 Vgl. nur BFH v. 11.7.2006 – VIII R 67/04, BStBl. II 2007, 553 m.w.N.
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599
Art. 7 (2008) Rz. 209–212
Unternehmensgewinne
Steuerpflichtigen, welche im Widerspruch zu den allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.1
D. Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung (Absatz 3) I. Regelungszweck 210
Regelung zur Aufwandszuordnung. Art. 7 Abs. 3 stellt klar, dass die Zuordnung von Aufwendungen zum Stammhaus oder der Betriebsstätte unabhängig von ihrem Entstehungsort und unabhängig von ihrer tatsächlichen Verrechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ist (vgl. Rz. 211). Infolgedessen ist Art. 7 Abs. 3 als Ergänzung und Konkretisierung der in Art. 7 Abs. 2 niedergelegten Grundregel einer Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu verstehen. Art. 7 Abs. 3 schränkt die Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2 nicht ein (vgl. Rz. 111 und 213). Dennoch wurde Abs. 3 des Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“ des OECD-MA gestrichen (Rz. 14).
II. Entstehungslandunabhängige Aufwandszuordnung 211
Veranlassungsgerechte Aufwandszuordnung. Nach Art. 7 Abs. 3 ist die Zuordnung von Aufwendungen unabhängig von ihrem Entstehungsort und von ihrer tatsächlichen Verrechnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (sog. „entstehungslandunabhängige Aufwandszuordnung“2).3 Durch die Vorschrift wird sichergestellt, dass wirtschaftlich für die Betriebsstätte entstandener Aufwand dieser zugeordnet wird (vgl. Rz. 146 ff. und 159), auch wenn der Aufwand nicht bei ihr, sondern beim Stammhaus oder in einer anderen Betriebsstätte (auch in einem Drittstaat) entstanden ist. Dies entspricht dem Fremdvergleichsgrundsatz, da auch ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen diese Aufwendungen hätte tragen müssen. Der Umstand, dass die Aufwendungen durch einen anderen Unternehmensteil geleistet wurden, hat demnach bei der Aufwandszuordnung keine Bedeutung.
212
Zuordnung von Aufwendungen der Höhe nach. Art. 7 Abs. 3 gibt keinen Hinweis darauf, in welcher Höhe interne Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu verrechnen sind.4 Vor diesem Hintergrund ist die Frage, ob ein Fremdvergleichspreis mit einer angemessenen Gewinnmarge oder die entstandenen Aufwendungen zu verrechnen sind, allein nach der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 2 und dem Fremdvergleichsgrundsatz zu beurteilen. Die Abrechnung eines Fremdvergleichspreises unter Berücksichtigung einer Gewinnmarge kommt dabei – abkommensrechtlich – nur dann in Betracht, wenn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte eine interne Leistungsbeziehung („Dealing“) besteht (vgl. Rz. 153). Werden hingegen Leistungen im gemeinsamen Interesse und gemeinsamen Nutzen mehrerer Unternehmensteile erbracht oder empfangen, ist – analog dem Poolkonzept zwischen verbundenen Unternehmen – eine reine Aufwandsumlage (ohne Gewinnaufschlag) verpflichtend. Dies kann z.B. – wie von Art. 7 Abs. 3 beispielhaft genannt – bei Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten der Fall sein. Denn diese Funktionen werden i.d.R. im gemeinsamen Interesse und zum gemeinsamen Nutzen des Stammhauses und der Betriebsstätte ausgeübt, sodass eine reine Aufwandsumlage angemessen ist (vgl. Rz. 159). Darüber hinaus sind direkt durch die Betriebsstätte veranlasste Aufwendungen dieser zuzuordnen (vgl. Rz. 146 ff.).
1 Vgl. auch Moebus, BB 2003, 1413 (1414); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20, 37 (39). 2 Kumpf, StbJb 1988/89, 399 (408). 3 So auch BFH v. 18.12.2002 – I R 92/01, DB 2003, 1147; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; FG Nds. v. 30.5.2000 – 9 K 228/95, EFG 2000, 941; a.A. FG Hess. v. 8.12.1983 – 5 K 248/81, EFG 1984, 367, nachgehend BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. I 1989, 140. 4 Vgl. Art. 7 Rz. 21 f. OECD-MK 2008, nach dem Art. 7 Abs. 3 die Verrechnung eines Gewinnaufschlags nicht ausschließt. Siehe dazu auch Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 504 und 516.
600
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E. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Absatz 4)
Rz. 213–214 Art. 7 (2008)
III. Verhältnis zu Art. 7 Absatz 2 Keine Einschränkung des Art. 7 Abs. 2 durch Art. 7 Abs. 3. Das Verhältnis zwi- 213 schen Art. 7 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 3 ist umstritten. Teile der Literatur gehen davon aus, dass ein Widerspruch zwischen den beiden Absätzen des Art. 7 nicht zu verleugnen sei, da einerseits die Betriebsstätte als ein selbständiges Unternehmen fingiert werde und andererseits als Teil des Gesamtunternehmens zu behandeln sei.1 Demgegenüber besteht nach Auffassung der OECD2 keine grundsätzliche Divergenz zwischen den beiden Absätzen; vielmehr enthalte Art. 7 Abs. 3 eine Regel für die „Ermittlung der Gewinne der Betriebsstätte“, in dem bestimmte Ausgaben bei dieser zum Abzug zugelassen werden, während Art. 7 Abs. 2 verlange, dass die so ermittelten Gewinne den Gewinnen entsprechen, die ein selbständiges und unabhängiges Unternehmen erzielt hätte. Im Schrifttum wird aus dieser Aussage die Schlussfolgerung gezogen, der Konflikt zwischen Abs. 2 und 3 des Art. 7 sei dadurch zu lösen, dass Art. 7 Abs. 3 als Gewinnermittlungsvorschrift zu deklarieren und insoweit einer – gegenüber der Gewinnabgrenzung des Art. 7 Abs. 2 – unterschiedlichen Ebene zuzuordnen sei.3 Eine solche Interpretation des Art. 7 Abs. 3 ist nicht sachgerecht. Denn auch diese Vorschrift betrifft ausschließlich die Ebene der Gewinnabgrenzung (Self Executing Wirkung des Art. 7 auf Ebene der Gewinnabgrenzung, vgl. Rz. 35 ff.) und lässt die Ebene der Gewinnermittlung unberührt. Ob eine steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe vorliegt und zu welchem Zeitpunkt bzw. in welcher Höhe eine solche gewinnmindernd zu berücksichtigen ist, regelt alleine das innerstaatliche Gewinnermittlungsrecht.4 Im Übrigen kann aus einer rein grammatikalischen Auslegung der Abs. 2 und 3 des Art. 7 die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die bloße Aufwandsverrechnung einer fremdvergleichskonformen Leistungsverrechnung vorgeht und infolgedessen die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes durch Art. 7 Abs. 3 eine Einschränkung erfährt. Eine solche Auslegung ist indessen nicht sachgerecht (vgl. Rz. 111).
E. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Absatz 4) I. Regelungszweck Aufteilung des Gesamtgewinns. Nach Art. 7 Abs. 4 schließt es Abs. 2 der Vorschrift 214 nicht aus, „die einer Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne durch Aufteilung der Gesamtgewinne des Unternehmens auf seine einzelnen Teile zu ermitteln“, soweit diese Vorgehensweise in den Vertragsstaaten „üblich ist“. Insoweit wird die transaktionsbezogene Betrachtungsweise des Fremdvergleichsgrundsatzes verlassen und – alternativ zur Gewinnabgrenzung im Rahmen einer Betriebsstättenbuchführung (vgl. Rz. 117 ff.) – eine Gewinnallokation nach der globalen Gewinnaufteilungsmethode5 (regelmäßig auch als „indirekte Methode“ bezeichnet)6 zugelassen. Danach ist in einem ersten Schritt der Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens zu ermitteln und daran anschließend in einem zweiten Schritt auf Basis eines angemessenen Aufteilungsschlüssels auf das Stammhaus und die Betriebsstätte aufzuteilen. 1 Vgl. Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, 213; Schmidt in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, 53 (56); Lechner in Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 181 (186). 2 Vgl. dazu Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 284 ff. 3 Vgl. Bendlinger, SWI 1995, 303 (306); Bendlinger, SWI 1997, 104 (107 f.); Schmidt in Piltz/ Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, 53 (56). 4 Vgl. etwa § 4 Abs. 5 EStG. 5 Auch die OECD spricht von der „global formulary appartionment method“, vgl. Part I OECDBetriebsstättenbericht 2008, Rz. 295. 6 Der Begriff der indirekten Methode ist insoweit missverständlich, da er auch im Zusammenhang mit der Abrechnung von Leistungen im Rahmen einer Umlage verwendet wird (vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 Rz. 1.). Art. 7 Abs. 4 bezieht sich hingegen auf eine Aufteilung des durch das internationale Einheitsunternehmen erwirtschafteten Gesamtgewinns auf das Stammhaus und der Betriebsstätte und entspricht damit der globalen Gewinnaufteilungsmethode.
Ditz
601
Art. 7 (2008) Rz. 214–217
Unternehmensgewinne
Voraussetzung für die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist gem. Art. 7 Abs. 4 Halbs. 2, dass deren Ergebnis mit den Grundsätzen des Art. 7 – insbesondere mit dem Fremdvergleichsgrundsatz des Abs. 2 – „übereinstimmt“. Art. 7 Abs. 4 wurde im Rahmen des „Update 2010“ des OECD-MA gestrichen, da er nach Auffassung der OECD mit dem „Functionally Separate Entity Approach“ nicht vereinbar ist (vgl. Rz. 15).
II. Anwendungsvoraussetzungen der globalen Gewinnaufteilungsmethode 215
Vorrang der direkten Methode. Nicht zuletzt aufgrund der praktischen und theoretischen Unzulänglichkeit der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 216 ff.) ist nach Auffassung der Finanzverwaltung,1 der Rspr.2 und der OECD (vgl. Art. 7 Rz. 25 OECD-MK 2008) der direkten Methode gegenüber der globalen Gewinnaufteilungsmethode der Vorzug zu geben (vgl. Rz. 117). Die globale Gewinnaufteilungsmethode, nach welcher der Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens anhand eines angemessenen Verteilungsschlüssels auf das Stammhaus und die Betriebsstätte aufzuteilen ist, ist nur anwendbar, wenn die Unternehmensteile gleiche oder vergleichbare Funktionen ausüben. Denn nur in diesem Fall wird es möglich sein, einen geeigneten Aufteilungsschlüssel zu finden, der die Funktionen und die damit einhergehenden Wertschöpfungsbeiträge der Unternehmensteile angemessen berücksichtigt. Die globale Gewinnaufteilungsmethode kommt daher nur bei homogenen Betriebsstrukturen in Betracht, was insbesondere bei Bank- und Versicherungsbetriebsstätten üblicherweise der Fall ist. Im Übrigen kommt der globalen Gewinnaufteilungsmethode in den Fällen eine praktische Relevanz zu, in denen erst im Nachhinein – z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung – Betriebsstättensachverhalte aufgedeckt werden (vgl. Rz. 178). Die bei Bau- und Montagebetriebsstätten üblicherweise angewandte Kostenschlüsselmethode (vgl. Rz. 205) ist demgegenüber nicht der globalen Gewinnaufteilungsmethode, sondern der transaktionsbezogenen Gewinnaufteilungsmethode zuzuordnen.
216
Üblichkeit in den Vertragsstaaten. Das Kriterium der Üblichkeit ist weit auszulegen, d.h., die globale Gewinnaufteilungsmethode muss in dem Vertragsstaat nicht als ausschließliche Methode angewendet werden, sondern es reicht aus, wenn sich hierauf eine Akzeptanz – auch in Bezug auf bestimmte Betriebsstättentypen – findet.3 Es muss allerdings eine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht existieren, auf Basis derer die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode zulässig ist. Eine solche ist indessen im deutschen innerstaatlichen Recht nicht unmittelbar ersichtlich; sie könnte allenfalls in den Schätzungsbefugnissen der Finanzverwaltung gem. § 162 AO gesehen werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG gesetzlich eine Realisierung stiller Reserven im Zusammenhang mit der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte angeordnet wird. Eine solche kommt hingegen im Rahmen der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode nicht zum Tragen. Denn bei Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode bleiben unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen gänzlich unberücksichtigt. Auch vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob eine Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode durch innerstaatliches Recht gedeckt ist. Denn sie setzt sich im Ergebnis über die Entstrickungsnormen hinweg (vgl. Rz. 218).
217
Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. Als weitere Voraussetzung verlangt Art. 7 Abs. 4, dass das Ergebnis der globalen Gewinnaufteilungsmethode mit dem Fremdvergleichsgrundsatz „übereinstimmt“. Es ist allerdings fraglich, ob die globale Gewinnaufteilungsmethode überhaupt zu einem dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Betriebsstättenergebnis führen kann.4 Die methodischen Unterschiede zwischen der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz 1 Vgl. BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888 Rz. 2.3. 2 Vgl. etwa BFH v. 27.7.1965 – I 110/63, BStBl. III 1966, 24; v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 3 Vgl. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 242. 4 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 295 f.
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E. Globale Gewinnaufteilungsmethode (Absatz 4)
Rz. 217–220 Art. 7 (2008)
und einer pauschalen Gewinnaufteilung nach Schlüsselgrößen haben zur Folge, dass nur in Ausnahmefällen – und dann rein zufällig – beide Methoden zu identischen Ergebnissen führen. Dies zeigt bereits die Tatsache, dass es im Rahmen einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu einer inkongruenten Ergebniszuordnung kommen kann (vgl. Rz. 86). Eine solche ist dagegen im Rahmen der globalen Gewinnaufteilungsmethode methodisch ausgeschlossen. Hier ist es unmöglich, einem Unternehmensteil einen positiven und einem anderen Unternehmensteil einen negativen Anteil am Gesamtgewinn des internationalen Einheitsunternehmens zuzuordnen. Im Ergebnis kann daher die Forderung des Art. 7 Abs. 4 Halbs. 2 einer am Grundsatz des Fremdvergleichs ausgerichteten Ergebnisallokation nicht überzeugen. Nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Übereinstimmung mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs wurde daher Art. 7 Abs. 4 im Rahmen des „Update 2010“ gestrichen (vgl. Rz. 15).1
III. Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode Methodische Vorgehensweise. Der globalen Gewinnaufteilungsmethode liegt ein 218 Verfahren in zwei Schritten zugrunde: Zunächst wird der für das internationale Einheitsunternehmen insgesamt realisierte Gewinn nach den innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften des jeweiligen Vertragsstaates bestimmt. Daran anschließend wird dieser anhand einer angemessenen Schlüsselgröße auf das Stammhaus und die Betriebsstätte verteilt. Es stellt sich damit weder die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern, Verbindlichkeiten, Aufwendungen und Erträge zur Betriebsstätte noch die Frage der Abrechnung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen. Diese sind für die Gewinnallokation auf Basis der globalen Gewinnaufteilungsmethode völlig unmaßgeblich. Damit ist sie für eine veranlassungsgerechte Gewinnabgrenzung unter Berücksichtigung der Wertschöpfungsbeiträge der einzelnen Unternehmensteile nur sehr bedingt tauglich.2 Bereits wegen dieser konzeptionellen Schwäche ist der direkten Methode der Vorzug einzuräumen (vgl. Rz. 117). Ermittlung des Gesamtgewinns des Unternehmens. Ausgangspunkt der Anwen- 219 dung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ist die Ermittlung des Gesamtgewinns des Unternehmens. Die Ermittlung des Gesamtgewinns hat auf Basis der innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu erfolgen (vgl. Rz. 35 ff.), sodass der Gesamtgewinn letztlich zweifach (nämlich aus Sicht des jeweiligen Vertragsstaates) zu ermitteln ist.3 Eine solche Gewinnermittlung wird i.d.R. für das Stammhaus vorliegen, denn unter Berücksichtigung des Welteinkommensprinzips sind hier sowohl das Stammhaus- als auch das Betriebsstättenergebnis im Rahmen der Buchführungspflicht zu erfassen. Aus Sicht des Betriebsstättenstaates entstehen hier allerdings erhebliche praktische Anwendungsprobleme, da nach inländischen Gewinnermittlungsvorschriften das (Gesamt-)Ergebnis eines ausländischen Unternehmens zu bestimmen ist.4 Aufteilungsschlüssel. Neben der praktisch sehr aufwendigen (zweifachen) Ermitt- 220 lung des Gesamtgewinns des Unternehmens besteht das Hauptproblem der globalen Gewinnaufteilungsmethode in der Bestimmung eines angemessenen Verteilungsschlüssels. Vergleichbar zur Problematik der Bestimmung eines angemessenen Umlageschlüssels bei Konzernumlagen (vgl. Art. 9 Rz. 86) und der Aufteilung von Gemeinkosten gibt es hier nicht den „richtigen“ Verteilungsschlüssel. Vielmehr muss sich dieser an den Gegebenheiten des Einzelfalles ausrichten, wobei die von den Unternehmensteilen wahrgenommenen Funktionen und Risiken wesentlichen Einfluss haben sollten. Die OECD nennt drei Hauptgruppen von möglichen Verteilungsschlüsseln, namentlich den Umsatz (oder die erwirtschaftete Provision), die Personalaufwendungen 1 So auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 406 f. 2 Zu den konzeptionellen Schwächen der globalen Gewinnaufteilungsmethode vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 657 ff. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 104. 4 Vgl. auch Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 236; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 191.
Ditz
603
Art. 7 (2008) Rz. 220–224
Unternehmensgewinne
sowie das den Unternehmensteilen zugeordnete Betriebsvermögen (vgl. Art. 7 Rz. 54 OECD-MK 2008). Darüber hinaus sind allerdings noch weitere Schlüsselgrößen, wie z.B. die Gesamtkosten, der Materialeinsatz, F&E-Aufwendungen, denkbar. Ferner ist es möglich, verschiedene Schlüsselgrößen miteinander zu kombinieren. Insofern bestehen erhebliche Ermessensspielräume.
F. Gewinnabgrenzung bei Einkaufstätigkeiten (Absatz 5) I. Regelungszweck 221
Sonderregelung bei Einkaufstätigkeiten. Nach Art. 7 Abs. 5 soll einer Betriebsstätte aufgrund „des bloßen Einkaufs von Gütern oder Waren für das Unternehmen“ kein Gewinn zugerechnet werden. Die Vorschrift stellt folglich eine Ausnahmeregelung zum allgemeinen Grundsatz der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz dar. Betriebswirtschaftlich ist dies nicht nachvollziehbar, stellt die Einkaufstätigkeit doch eine (ggf. sehr wertschöpfungsstarke)1 betriebliche Funktion dar, welcher unter Berücksichtigung des Fremdvergleichs Gewinne zuzuordnen wären. Art. 7 Abs. 5 soll der Exportförderung dienen und verfolgt damit wirtschaftspolitische Ziele.2 Aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz wurde die Vorschrift im Rahmen des „Update 2010“ zu Recht gestrichen.
II. Keine Gewinnzurechnung zu Einkaufstätigkeiten 222
Zusammenhang zu Art. 5 Abs. 4 Buchst. d. Art. 7 Abs. 5 steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 4 Buchst. d.3 Danach stellt eine Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter und Waren einzukaufen, keine Betriebsstätte dar. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 Buchst. d erfüllt, scheidet allerdings die Anwendung des Art. 7 zwangsläufig aus, da es an einer – das Besteuerungsrecht des Quellenstaates i.S.d. Art. 7 Abs. 1 begründenden – Betriebsstätte fehlt. Demnach kann sich Art. 7 Abs. 5 nur auf solche Betriebsstätten beziehen, die neben der Ausübung anderer Tätigkeiten den Einkauf von Waren und Gütern als weitere Funktion übernehmen (vgl. Art. 7 Rz. 57 OECD-MK 2008). Der Einkauf von Gütern oder Waren muss sich dabei auf das Unternehmen selbst beziehen, d.h., die entsprechenden Güter und Waren müssen für den eigenen Bedarf des Unternehmens bestimmt sein, unabhängig davon, ob sie zum Handel oder für einen eigenen Herstellungsprozess eingesetzt werden. Der Begriff „Güter oder Waren“ bezieht sich dabei nur auf bewegliche Sachen. Nicht erfasst werden Rechte, Dienstleistungen, der Herstellungsprozess und die Finanzierung.4
223
Rechtsfolge. Als Rechtsfolge des Art. 7 Abs. 5 sind der Betriebsstätte aus Einkaufstätigkeiten „keine Gewinne zuzurechnen“. Vielmehr wird nach der Grundregel des Art. 7 Abs. 1 das Besteuerungsrecht für diese „Einkaufsgewinne“ dem Ansässigkeitsstaat zugeordnet. Um dies zu gewährleisten, ist der Gewinn für die Einkaufstätigkeit aus dem Gesamtergebnis der Betriebsstätte auszusondern, sodass letztlich eine buchungstechnische Trennung des Einkaufsbereichs von den übrigen Betriebsstättenaktivitäten notwendig wird. Dies ist mit erheblichen praktischen Problemen verbunden, da sich i.d.R. der der Einkaufstätigkeit zuzuordnende Gewinn einer Betriebsstätte nicht isolieren lässt. Insoweit erfordert Art. 7 Abs. 5 quasi eine Gewinnabgrenzung im Rahmen der Gewinnabgrenzung, indem der Einkaufsgewinn aus dem Betriebsstättengewinn zu isolieren und dem Stammhaus zuzuordnen ist. Dies ist praktisch nicht leistbar.
224
Unvereinbarkeit mit dem Fremdvergleichsgrundsatz. Führt bereits die praktische Umsetzung des Art. 7 Abs. 5 zu erheblichen Problemen, kann die Vorschrift auch in
1 2 3 4
Z.B. im Einzel-, Groß- oder Versandhandel. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 347. Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 147. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 349.
604
Ditz
G. Stetigkeitsgebot (Absatz 6)
Rz. 224–227 Art. 7 (2008)
theoretischer Hinsicht nicht überzeugen.1 Dies deswegen, weil sie dem Grundsatz des Fremdvergleichs widerspricht und somit mit der grundsätzlichen Systematik der Gewinnabgrenzung gem. Art. 7 nicht vereinbar ist.2 Nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ist vielmehr unzweifelhaft auch für die Ausübung der Einkaufsfunktion ein angemessenes, den wahrgenommenen Funktionen und Risiken entsprechendes Entgelt anzusetzen. Im Übrigen trägt auch die Funktion des Einkaufs – wie jede andere betriebliche Funktion – als Teil des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses zur Generierung von Gewinnen bei, sodass die aus ihr resultierenden Gewinnwirkungen nach Art. 7 Abs. 1 der Betriebsstätte zuzurechnen sind, soweit diese die Einkaufsfunktion wahrnimmt. Vor diesem Hintergrund bleibt für Art. 7 Abs. 5 kein Raum, sodass die Vorschrift zutreffend durch das „Update 2010“ des OECD-MA gestrichen wurde.
G. Stetigkeitsgebot (Absatz 6) I. Regelungszweck Stetigkeit im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Art. 7 Abs. 6 regelt 225 das sog. „Stetigkeitsgebot der internationalen Betriebsstättengewinnabgrenzung“. Danach sind bei der Anwendung der Gewinnabgrenzungsvorschriften des Art. 7 „die der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinne jedes Jahr auf dieselbe Art zu ermitteln, es sei denn, dass ausreichende Gründe dafür bestehen, anders zu verfahren.“ Weder das Unternehmen noch die Finanzbehörden dürfen daher von einer einmal gewählten Gewinnabgrenzungsmethodik ohne rechtfertigenden Grund abweichen. Dabei bezieht sich Art. 7 Abs. 6 nur auf die Ebene der Gewinnabgrenzung und nicht auf diejenige der Gewinnermittlung. Letztere ergibt sich aus rein innerstaatlichem Recht (vgl. Rz. 35 ff.).
II. Beibehaltung der Gewinnabgrenzungsmethodik Eingeschränkte Auslegung. In Teilen des Schrifttums wird Art. 7 Abs. 6 so verstan- 226 den, dass er allein die Methodik der Gewinnabgrenzung als solche betrifft.3 Insoweit würde die Vorschrift lediglich einen unbegründeten Wechsel von der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Art. 7 Abs. 2) zur globalen Gewinnaufteilungsmethode (Art. 7 Abs. 4) und vice versa verbieten. Demgegenüber sei es nicht erforderlich, im Zeitablauf innerhalb der gewählten Gewinnabgrenzungsmethode nach denselben Kriterien und Prinzipien zu verfahren. Ob auch die OECD eine solche enge Auslegung des Art. 7 Abs. 6 verfolgt, bleibt unklar; vielmehr wird lediglich klargestellt, dass von einer einmal angewandten Methodik nicht auf eine andere übergegangen werden darf, nur weil die andere Methodik zu einem günstigeren Ergebnis führt (vgl. Art. 7 Rz. 58 OECD-MK 2008). Weitergehende Auslegung. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 6 lässt indessen auch eine 227 weitergehende Auslegung des Stetigkeitsgebotes zu.4 Bei einer solchen Interpretation haben nicht nur die Auswahl der Gewinnabgrenzungsmethode selbst, sondern auch die innerhalb der gewählten Gewinnabgrenzungsmethode angewandten Prinzipien einer Kontinuität zu folgen. Dabei sind sowohl eine formelle (z.B. im Rahmen der Dokumentation) als auch eine materielle Stetigkeit (z.B. im Zusammenhang mit den angewandten Verrechnungspreismethoden, dem Aufteilungsschlüssel bei der Aufwandsumlage etc.) zu wahren. Dieser Auslegung des Art. 7 Abs. 6 ist zu folgen. Denn aufgrund der theoretischen und praktischen Unzulänglichkeiten der globalen Gewinnaufteilungsmethode des Art. 7 Abs. 4 kommt es in praxi regelmäßig nicht vor, 1 Vgl. auch Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 298. 2 Ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 347; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 259; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 642; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 153. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 160; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.271. 4 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 351; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECDMA Rz. 278; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 670.
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Art. 7 (2008) Rz. 227–230
Unternehmensgewinne
dass von der direkten auf die indirekte Methode übergegangen wird. Eine enge Auslegung (vgl. Rz. 226) des Art. 7 Abs. 6 würde infolgedessen dazu führen, dass der Vorschrift in praxi keine Bedeutung zukommt. Gleichwohl ist zu konstatieren, dass Art. 7 Abs. 6 in der deutschen Abkommenspraxis häufig dann nicht aufgenommen wird, wenn es an einer in Art. 7 Abs. 4 nachgebildeten Vorschrift fehlt.1 228
Ausreichende Gründe für einen Methodenwechsel. Ein Methodenwechsel ist nach Art. 7 Abs. 6 dann zugelassen, wenn für ihn „ausreichende Gründe“ sprechen. Wann diese Voraussetzung erfüllt ist, bleibt offen. Die OECD nimmt nur insofern eine Konkretisierung vor, als ein jährlicher Wechsel der Gewinnabgrenzungsmethode mit dem Ziel, ein günstigeres steuerliches Ergebnis zu erzielen, nicht möglich ist (vgl. Art. 7 Rz. 58 OECD-MK 2008). Darüber hinaus sollten ausreichende Gründe für einen Methodenwechsel dann bestehen, wenn sog. „good business reasons“ vorliegen. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich das Funktions- und Risikoprofil der betrieblichen Teileinheiten, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder die unternehmerische Strategie verändert haben.
H. Vorrang der Spezialartikel (Absatz 7) I. Regelungszweck 229
Spezialitätsprinzip. Art. 7 Abs. 7 regelt das sog. „Spezialitätsprinzip“. Danach greift Art. 7 nicht bei Einkünften, die in anderen Artikeln des Abkommens behandelt sind. Hintergrund der Regelung ist die Tatsache, dass auch in anderen Artikeln des OECD-MA geregelte Einkunftsarten (Art. 6,2 Art. 8, Art. 10–13 sowie Art. 15–21) Unternehmensgewinne (vgl. Rz. 60 f.) darstellen können. Die Rechtsfolge des Art. 7 Abs. 7 ist, dass die abkommensrechtlichen Spezialvorschriften vorgehen. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass zahlreiche Spezialvorschriften „Zurückverweisungsklauseln“ enthalten (sog. „Betriebsstättenvorbehalt“ in Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2). Diese Rückverweisung gilt allerdings nur für Einkünfte im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern, die „tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehören.“ Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, bleibt es bei einer (reinen) Anwendung des Spezialartikels. Art. 7 Abs. 7 wurde im Rahmen des „Update 2010“ des OECD-MA nicht angepasst, sondern entspricht nunmehr Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010. Die Vorschrift ist insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung von Sondervergütungen von Bedeutung (Rz. 78 ff.).
II. Verhältnis zu den Rückverweisungsklauseln 230
Gewinne eines Unternehmens. Der Begriff des „Gewinns“ eines Unternehmens ergibt sich nach innerstaatlichem Recht (vgl. Rz. 60 f.). Danach werden sieben Einkunftsarten unterschieden, wobei der Grundsatz der Subsidiarität der Überschusseinkünfte gegenüber den betrieblichen Einkunftsarten zu beachten ist.3 Das OECDMA kennt demgegenüber vierzehn Einkunftsarten,4 wobei das Spezialitätsprinzip des Art. 7 Abs. 7 und jenes des Art. 6 Abs. 4 zu beachten sind. Danach geht die Rechtsfolge des jeweiligen Spezialartikels der allgemeineren Regelung vor, soweit nicht ein Betriebsstättenvorbehalt (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2) greift. Dem Spezialitätsprinzip kommt dabei erhebliche praktische Bedeutung zu, da in anderen Spezialartikeln geregelte Einkunftsarten (insbesondere Dividenden, Lizenzgebühren und Zinsen) Unternehmensgewinne darstellen können und sich folglich Abgrenzungsprobleme ergeben.5 Dies insbesondere deswegen, weil Art. 7 Abs. 1 Satz 1 dem Ansässigkeitsstaat ein ausschließliches Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zuweist, falls im anderen Vertragsstaat keine Betriebs1 Vgl. die DBA mit Australien, Brasilien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Iran, Irland, Korea, Luxemburg, Malaysia, Marokko, den Niederlanden, Österreich, Singapur, Südafrika, Thailand und Ungarn. 2 Insoweit ist die Spezialklausel des Art. 6 Abs. 4 zu beachten. 3 Vgl. § 20 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Nr. 1 und 3, § 23 Abs. 2 EStG. 4 Vgl. Art. 6–8, 10–13 und 15–21. 5 Vgl. dazu auch Kaeser, ISR 2012, 63 (64 ff.).
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 230–234 Art. 7 (2008)
stätte begründet wird. Würde infolgedessen Art. 7 den Spezialartikeln in allen Fällen vorgehen, würde das in diesen vorgesehene Besteuerungsrecht des Quellenstaates ins Leere laufen, soweit keine Betriebsstätte besteht.1 Infolgedessen bezweckt Art. 7 Abs. 7 eine der isolierenden Betrachtungsweise i.S.d. § 49 Abs. 2 EStG vergleichbare Zielsetzung. Bedeutung der Betriebsstättenvorbehalte. Art. 7 Abs. 7 ist in einem engen Zusam- 231 menhang mit Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2 zu sehen. Nach dem in diesen Vorschriften niedergelegten Betriebsstättenvorbehalt sind dennoch die Rechtsfolgen des Art. 7 zu ziehen, wenn die den Einkünften zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte tatsächlich zuzuordnen sind. Die Anwendung eines Betriebsstättenvorbehalts setzt damit voraus, dass das entsprechende Wirtschaftsgut unter funktionalen Gesichtspunkten und unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes der Betriebsstätte zuzuordnen ist (vgl. Rz. 126 ff.). Die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts sowie die damit verbundene Reichweite des Art. 7 Abs. 7 sind insbesondere bei der Besteuerung von Sondervergütungen im Zusammenhang mit Personengesellschaften von Bedeutung (zu Einzelheiten vgl. Rz. 78 ff.). Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts im Ansässigkeitsstaat. Bis zum Urt. 232 des BFH v. 7.8.20022 war nahezu unbestritten, dass Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren unter der Voraussetzung des Betriebsstättenvorbehalts (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2) nicht nur im Quellenstaat die Rechtsfolgen des Betriebsstättenprinzips, sondern auch im Ansässigkeitsstaat die Freistellung auslösen.3 Im Rahmen eines obiter dictum warf der BFH seinerzeit die explizit offengelassene Frage auf, ob für Zwecke des Methodenartikels die spezialgeregelten Einkünfte stets als Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren und ungeachtet der Betriebsstättenvorbehalte eben nicht als Betriebsstättengewinne mit der Folge zu behandeln sind, dass sie von der Freistellungsverpflichtung des Ansässigkeitsstaates für Betriebsstätteneinkünfte (vgl. Rz. 28) nicht erfasst werden. Mit Urt. v. 24.8.20114 hat der BFH nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass er die aus seiner Rspr. abgeleitete Beurteilung5 nicht teilt. Damit lösen Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren unter den Voraussetzungen der Betriebsstättenvorbehalte die Freistellung im Ansässigkeitsstaat aus.6
I. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 233 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Belgien entspricht mit Ausnahme 234 des Abs. 4 dem OECD-MA 2008. Die in Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 vorgesehene Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 214 ff.) ist im DBA-Belgien nicht enthalten. Stattdessen ist nach Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien der Betriebsstätte ein 1 Vgl. BFH v. 10.8.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2009, 758 Rz. 71. 2 Vgl. BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 3 Vgl. etwa Grotherr in G/K/G, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 80; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 56 und 114. 4 Vgl. BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, IStR 2011, 925. 5 Vgl. dazu im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 160 und Art. 10 OECD-MA Rz. 139; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.11. 6 Zu Einzelheiten vgl. Ditz/Liebchen, IStR 2012, 449 ff.
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Art. 7 (2008) Rz. 234–237
Unternehmensgewinne
„üblicher Gewinn“, der von einem ähnlichen Unternehmen unter Berücksichtigung gleicher oder ähnlicher Tätigkeiten unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen erzielt werden würde, zuzurechnen. Voraussetzung zur Anwendung einer solchen Methodik ist allerdings, dass eine ordnungsmäßige Buchführung oder andere Beweisunterlagen im Hinblick auf die Ermittlung des Betriebsstättengewinns fehlen. Darüber hinaus enthält das Schlussprotokoll zum DBA-Belgien zu Art. 7 Abs. 4 eine Sonderregelung für Versicherungsunternehmen, die allerdings nur unter den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien greift. Bei Versicherungsbetriebsstätten kann demnach die indirekte Methode Anwendung finden, wenn die in Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien genannten Unterlagen fehlen. In diesem Fall müssen sich allerdings die beiden Staaten auf das anzuwendende Verfahren einigen. 2. Konsequenzen 235
Anwendung der Gewinnvergleichsmethode. Fehlen zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns eine ordnungsmäßige Buchführung oder andere Beweisunterlagen, lässt es Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien zu, den Betriebsstättengewinn auf Basis der Gewinnvergleichsmethode (vgl. Art. 9 Rz. 82) zu bestimmen. Die Gewinnvergleichsmethode geht nicht geschäftsvorfallbezogen vor; vielmehr bestimmt sich der einer Betriebsstätte zuzuordnende Gewinn durch einen Vergleich mit den „üblichen“ Gewinnen, die ähnliche Unternehmen aus gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen erzielen. Diese werden häufig auf Basis einer Datenbankanalyse (vgl. Art. 9 Rz. 78) bestimmt, wobei eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse zu wahren ist. Die Gewinnvergleichsmethode führt im Ergebnis zu einer Sollgewinnbesteuerung, welche von der OECD abgelehnt wird (vgl. Art. 9 Rz. 81). Nach innerstaatlichem Recht läuft die Gewinnaufteilungsmethode auf eine Schätzung gem. § 162 Abs. 3 AO hinaus, da in den in Art. 7 Abs. 4 DBA-Belgien genannten Fällen der Steuerpflichtige i.d.R. gegen seine Mitwirkungspflichten gem. § 90 Abs. 2 und 3 AO verstoßen haben wird.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
236
Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, welche einer in Belgien belegenen Betriebsstätte gem. Art. 7 DBA-Belgien zuzuordnen sind, sind in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt befreit (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 DBABelgien). Ein Aktivitätsvorbehalt besteht nicht.
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 237
Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 Abs. 1–5 sowie Abs. 7 DBA-China entsprechen dem OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 6 DBA-China enthält einen etwas gegenüber Art. 7 Abs. 6 OECD-MA 2008 angepassten Wortlaut, welcher indessen auf die Auslegung der Vorschrift keine Auswirkungen hat. Das Protokoll zum DBA-China konkretisiert Art. 7 DBA-China in zahlreichen Punkten: – Im Hinblick auf Bau- und Montagebetriebsstätten wird klargestellt, dass diesen nur solche Einkünfte zugerechnet werden können, die Ergebnis ihrer Tätigkeiten selbst sind (vgl. Rz. 204). – Es wird klargestellt, dass Einkünfte, die auf Planungs-, Projektierungs-, Konstruktions- oder Forschungsarbeiten sowie technische Dienstleistungen zurückzuführen sind, einer Betriebsstätte nicht zugerechnet werden können, wenn die entsprechenden Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat ausgeübt werden. – Entgegen der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte ist vorgesehen, dass unternehmensinterne Lizenzgebühren, Provisionen für besondere Dienstleistungen oder Geschäftsleitung sowie Zinsen nicht zum Abzug zugelassen werden.
1 Vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (333).
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 238–240 Art. 7 (2008)
2. Konsequenzen Eingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Nach dem Protokoll 238 ist Art. 7 DBA-China im Sinne einer eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte auszulegen. So dürfen unternehmensinterne Lizengebühren, Vergütungen für Dienstleistungen oder Geschäftsleitung sowie Zinsen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht verrechnet werden. Soweit demnach nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG (vgl. Rz. 168) oder nach dem geplanten § 1 Abs. 5 AStG n.F. (vgl. dazu Rz. 42 ff. und 154) eine fremdübliche Lizenzgebühr für die Überlassung eines immateriellen Wirtschaftsgutes bzw. die Verrechnung einer fremdüblichen Dienstleistungsgebühr an eine chinesische Betriebsstätte angeordnet werden, steht Deutschland kein Besteuerungsrecht zu. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Chi- 239 na belegenen Betriebsstätte nach Art. 7 DBA-China zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt steuerbefreit (Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China). Nach Rz. 6 des Protokolls zu Art. 24 Abs. 2 DBA-China findet die Freistellungsmethode indessen nur Anwendung, wenn die Einnahmen der Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich aus der Herstellung oder dem Verkauf von Gütern oder Waren, der technischen Beratung oder technischen Dienstleistungen oder aus Bank- oder Versicherungsgeschäften resultieren. Sind die Voraussetzungen dieses Aktivitätsvorbehalts nicht erfüllt, kommt die Anrechnungsmethode zur Anwendung.
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 4 DBA-Frankreich enthält gegenüber 240 Art. 7 OECD-MA 2008 erhebliche Abweichungen. Im Einzelnen: – Das DBA-Frankreich enthält keine Definition des Begriffs „Unternehmen“. Aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang des Art. 4 DBA-Frankreich folgt jedoch, dass sich der Begriff „Unternehmen“ nur auf gewerblich tätige Unternehmen bezieht. Was indessen unter „gewerblichen Unternehmen“ zu verstehen ist, lässt das DBA-Frankreich offen. Unzweifelhaft ist nur, dass Unternehmen der Landund Forstwirtschaft von Art. 3 DBA-Frankreich und die selbständige Arbeit von Art. 12 DBA-Frankreich erfasst werden. Hinsichtlich der Definition gewerblicher Unternehmensgewinne kann daher auf § 15 Abs. 2 EStG und die dazu ergangene Rspr. zurückgegriffen werden (vgl. Rz. 53). – Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich betrifft die Besteuerung von Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften.1 In diesem Zusammenhang wird klargestellt, dass die bloße Beteiligung an einer Personengesellschaft noch kein Besteuerungsrecht gem. Art. 4 DBA-Frankreich zur Folge hat. Vielmehr ist erforderlich, dass die Personengesellschaft über eine Betriebsstätte verfügt und infolgedessen nur in Höhe des Anteils des Mitunternehmers an den auf die Betriebsstätte entfallenden Gewinnen ein Besteuerungsrecht begründet wird. – Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich macht deutlich, dass Art. 4 Abs. 1–3 DBA-Frankreich nur auf Einkünfte anzuwenden ist, die durch die laufende gewerbliche Tätigkeit in der Betriebsstätte („Verwaltung und Nutznießung“), durch eine Vermietung der Betriebsstätte, durch jede weitere Nutzung der Betriebsstätte und durch die Veräußerung der Betriebsstätte oder von Teilen der Betriebsstätte erwirtschaftet werden. Im Ergebnis folgt aus Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich, dass jede Art der Nutzung der Betriebsstätte als Betriebsstätteneinkünfte zu qualifizieren ist.2 Die1 In einer Verständigungsregelung ist klargestellt, dass zu Personengesellschaften auch Arbeitsgemeinschaften gehören, vgl. BMF v. 19.7.1974 – IV C 1 - S 1301 - FrKr - 13/74, BStBl. I 1974, 510. 2 Vgl. Kramer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Frankreich Rz. 71.
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Art. 7 (2008) Rz. 240–241
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Unternehmensgewinne
se Beschreibung von Betriebsstätteneinkünften ist sehr ungewöhnlich: So werden mit der Umschreibung „durch unmittelbare Verwaltung und Nutznießung […] erzielten Einkünfte“ die Einkünfte aus einer unmittelbaren gewerblichen Tätigkeit umschrieben. Erfasst werden dabei z.B. Produktions-, Vertriebs- oder Dienstleistungstätigkeiten. Außergewöhnlich ist ferner, dass auch die Vermietung und Verpachtung einer Betriebsstätte explizit als gewerbliche Unternehmenstätigkeit angesehen wird (vgl. Rz. 57). Im Übrigen werden gem. Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich auch Veräußerungsgewinne dem Betriebsstättengewinn zugeordnet (entsprechend Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 5 DBAFrankreich ergibt sich insoweit, dass sich Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich nur auf bewegliches Betriebsstättenvermögen bezieht.1 Art. 4 Abs. 5 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 7 Abs. 5 OECD-MA, wobei im Wortlaut Unterschiede bestehen. Art. 4 Abs. 6 DBA-Frankreich regelt Einzelheiten der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Danach soll zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns grundsätzlich von ihrem Bilanzergebnis ausgegangen werden. Damit soll der direkten Methode, d.h. der Selbständigkeitsfiktion und dem Fremdvergleichsgrundsatz gem. Art. 4 Abs. 2 DBA-Frankreich der Vorrang eingeräumt werden (vgl. Rz. 117).2 Im Rahmen der Anwendung der direkten Methode werden dabei die „zurechenbaren Ausgaben“ einschließlich eines „Anteils an den Generalunkosten des Unternehmens“ berücksichtigt. Die Begriffe „Ausgaben“ sowie „Generalunkosten“ sind unglücklich gewählt. Gemeint sind wohl – dem Grundsatz der Pagatorik der steuerlichen Gewinnermittlung folgend – Aufwendungen, wobei mit „Generalunkosten“ allgemeine Gemeinkosten des Unternehmens erfasst werden sollen, welche den Unternehmensteilen i.S. einer Aufwandsumlage zuzuordnen sind (vgl. Rz. 150). „In besonderen Fällen“ lässt es Art. 4 Abs. 6 DBA-Frankreich zu, den Betriebsstättengewinn auf Basis der globalen Gewinnaufteilungsmethode zu ermitteln (als typischer Anwendungsfall werden Versicherungsunternehmen genannt). Der Begriff „in besonderen Fällen“ ist dabei eng auszulegen, da die globale Gewinnaufteilungsmethode gegen den Fremdvergleichsgrundsatz verstößt und nur in Ausnahmefällen Anwendung finden darf (vgl. Rz. 215 ff.). Nach Art. 4 Abs. 7 DBA-Frankreich gilt Art. 4 DBA-Frankreich auch für die Gewerbesteuer, die nach einer anderen Bemessungsgrundlage als dem gewerblichen Gewinn erhoben wird. Gemeint ist – aus deutscher Sicht – die Gewerbekapitalsteuer, welche indessen praktisch keine Rolle mehr spielt. Art. 4 Abs. 8 DBA-Frankreich verpflichtet die Vertragsstaaten, ein Verständigungsverfahren zu führen, wenn eine ordnungsgemäße Buchführung der Betriebsstätte nicht vorhanden ist. Art. 4 Abs. 9 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008, wobei ein deutlich komplizierterer Wortlaut gewählt wurde. Die Vorschrift stellt klar, dass die speziellen Verteilungsnormen neben Art. 4 DBA-Frankreich Anwendung finden können. Im Übrigen verbietet Art. 4 Abs. 9 DBA-Frankreich die Attraktionskraft der Betriebsstätte (vgl. Rz. 85).
2. Konsequenzen 241
Im Wesentlichen keine abweichenden Besteuerungsgrundsätze. Wenngleich sich Art. 4 DBA-Frankreich von seinem Aufbau und Wortlaut erheblich von Art. 7 OECDMA 2008 unterscheidet, definiert er keine gegenüber dem OECD-MA abweichenden Besteuerungsgrundsätze von Unternehmensgewinnen. Hervorzuheben ist allerdings die ungewöhnliche und vom OECD-MA 2008 abweichende Definition der gewerblichen Einkünfte nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich.
1 Vgl. zu Einzelheiten Kramer in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Frankreich Rz. 77 ff. 2 Vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (332).
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 242–245 Art. 7 (2008)
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in Frankreich belege- 242 nen Betriebsstätte zuzuordnen sind, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a DBA-Frankreich). Von der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt werden auch Betriebsstättengewinne erfasst, welche in Deutschland ansässigen Mitunternehmern einer französischen Personengesellschaft zuzuordnen sind (Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Frankreich nicht.
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Großbritannien entspricht Art. 7 OECD-MA 2008.
243
2. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in 244 Großbritannien belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien). Die Freistellungsmethode findet allerdings nur Anwendung, wenn die Betriebsstätte aktive Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG erwirtschaftet. Ist dies nicht der Fall, ist die Doppelbesteuerung auf Basis der Anrechnungsmethode zu vermeiden (Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien). Darüber hinaus ist die sog. Switch-over-Klausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Großbritannien zu beachten.
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Indien entspricht – mit Ausnahme 245 seiner Abs. 3 und 4 – den Vorgaben des Art. 7 OECD-MA 2008. Im Einzelnen ergeben sich die folgenden Abweichungen: – In Art. 7 Abs. 3 DBA-Indien wird im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit von der Betriebsstätte zugeordneten Aufwendungen auf die Regelungen des innerstaatlichen Rechts verwiesen. Insoweit ergibt sich gegenüber der Auslegung des Art. 7 OECDMA 2008 – zumindest nach deutschem Verständnis – keine Abweichung, da im Hinblick auf den Abzug von Betriebsausgaben der Betriebsstätte die innerstaatlichen Rechtsvorschriften grundsätzlich zu beachten sind (vgl. Rz. 35).1 In diesem Zusammenhang sind indessen auch die Regelungen des Protokolls zu Art. 7 DBAIndien zu beachten. Danach dürfen die der Betriebsstätte gem. Art. 7 Abs. 3 DBAIndien zugeordneten Aufwendungen des Stammhauses in keinem Fall niedriger sein als die nach dem indischen Income Tax Act zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBA-Indien zulässigen Abzüge. Ferner wird im Protokoll klargestellt, dass aus unternehmensinternen Transaktionen resultierende Lizenzgebühren für die Nutzung von Patenten oder anderen Rechten, Provisionen für besondere Dienstleistungen oder Geschäftsleitung und Zinsen nicht abgezogen werden dürfen. Abzugsfähig sind nur die tatsächlich entstandenen Aufwendungen. Insofern wird der Fremdvergleichsgrundsatz eingeschränkt; § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG sind daher im Hinblick auf den Ansatz „fiktiver“ Lizenzgebühren nicht anwendbar (vgl. Rz. 168). – Art. 7 Abs. 4 DBA-Indien weicht insoweit von Art. 7 Abs. 4 OECD-MA ab, als die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode nur gestattet wird, wenn der Betriebsstättengewinn nicht auf Basis der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 DBA-Indien bestimmt werden kann oder dies mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. In diesen Fällen soll auch eine „ange1 Dies gilt z.B. im Hinblick auf die abzugsfähigen Betriebsausgaben.
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Art. 7 (2008) Rz. 245–250
Unternehmensgewinne
messene Schätzung“ des Betriebsstättengewinns möglich sein. Damit kommt es auf die „Üblichkeit der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode in einem der Vertragsstaaten“ (so Art. 7 Abs. 4 OECD-MA; vgl. Rz. 216) nicht an; vielmehr wird auf rein praktische Gesichtspunkte (Unmöglichkeit bzw. unzumutbare Schwierigkeiten bei Anwendung der direkten Methode) abgestellt. 246
Protokoll zum DBA-Indien. Das Protokoll zu Art. 7 DBA-Indien enthält zahlreiche Ausführungen im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung. So wird zunächst klargestellt, dass Gewinne einer Bau- und Montagebetriebsstätte nur dann zugeordnet werden dürfen, wenn die entsprechende Tätigkeit tatsächlich durch die Bau- und Montagebetriebsstätte ausgeübt wird. Werden daher Maschinen oder Ausrüstungen vom Stammhaus oder einer anderen Betriebsstätte des Unternehmens geliefert, kann ein entsprechender Liefergewinn der Bau- und Montagebetriebsstätte nicht zugerechnet werden (vgl. Rz. 204). Ferner dürfen Einkünfte aus Planungs-, Projekt-, Bau- oder Forschungstätigkeiten sowie aus technischen Dienstleistungen, die vom Stammhaus erbracht werden, nicht der Betriebsstätte zugerechnet werden. Im Übrigen enthält das Protokoll zu Art. 7 DBA-Indien eine Regelung hinsichtlich der Zuordnung von Umsätzen zur Betriebsstätte (vgl. Rz. 143 ff.). 2. Konsequenzen
247
Keine wesentlichen Abweichungen. Art. 7 DBA-Indien entspricht – trotz seiner Abweichungen gegenüber Art. 7 OECD-MA in seinen Abs. 3 und 4 – den Grundsätzen der Abgrenzung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen gem. Art. 7 OECD-MA. Die Abweichungen in Art. 7 Abs. 3 und 4 DBA-Indien haben keine wesentlichen praktischen Konsequenzen. Es sind allerdings die zusätzlichen Regelungen des Protokolls zum DBA-Indien zu beachten. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
248
Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Indien belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Indien). Die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen wird allerdings nur dann auf Basis der Freistellungsmethode vermieden, wenn die indische Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich aktiven Tätigkeiten nachgeht (Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Indien). Aktive Tätigkeiten sind die in Indien ausgeübte Herstellung und der Verkauf von Gütern oder Waren, die technische Beratung, technische Dienstleistungen sowie Bank- und Versicherungsgeschäfte. Wird ein entsprechender Nachweis aktiver Tätigkeiten nicht erbracht, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 249
Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Italien entspricht Art. 7 OECD-MA. Das Protokoll zu Art. 7 DBA-Italien enthält klarstellende Hinweise zur Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten. Hier wird insbesondere klargestellt, dass Liefergewinne demjenigen Unternehmensteil zuzuordnen sind, der die Lieferungen ausgeübt hat (vgl. Rz. 204). 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung
250
Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer italienischen Betriebsstätte zugeordnet werden, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Italien nicht.
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 251–255 Art. 7 (2008)
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Japan entspricht dem OECD-MA 251 2008. Darüber hinaus enthält Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan eine Regelung, wonach eine nach deutschem Recht errichtete OHG oder KG mit deutschem Sitz wie eine in Deutschland ansässige juristische Person zu behandeln ist. 2. Konsequenzen Abkommensberechtigung der OHG und KG. Nach Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan wer- 252 den die OHG und die KG wie eine in Deutschland ansässige juristische Person behandelt. Da sich Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan indessen nur auf die Anwendung des Art. 7 DBA-Japan (und nicht auf Art. 4 DBA-Japan) bezieht, ergeben sich aus der Vorschrift keine Auswirkungen auf die grundsätzliche Abkommensberechtigung einer deutschen OHG oder KG.1 Vielmehr bleibt es bei einer Besteuerung der OHG bzw. KG nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG; die Grundsätze der Besteuerung von Kapitalgesellschaften – insbesondere im Hinblick auf Gewinnausschüttungen – sind nicht einschlägig. Die Konsequenz des Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan liegt darin, dass für den Fall, dass eine in Japan ansässige Person an einer deutschen OHG oder KG beteiligt ist, Deutschland auf die Gewinne der OHG oder KG bereits nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 DBA-Japan ein Besteuerungsrecht zusteht. Einer Anwendung des Betriebsstättenprinzips i.S. des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 DBA-Japan bedarf es insoweit nicht. Unterhält eine deutsche OHG oder KG, an welcher eine in Japan ansässige Person beteiligt ist, eine Betriebsstätte in einem Drittstaat, steht Japan aufgrund des Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan kein Besteuerungsrecht auf dieser im Drittstaat belegenen Betriebsstätte der OHG oder KG zu.2 Würde Art. 7 Abs. 7 DBA-Japan nicht existieren, wäre in diesem Fall im Hinblick auf das Verhältnis Japan/Drittstaat das entsprechende DBA (soweit vorhanden) einschlägig. Im Übrigen enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan keinen Vorbehalt im Hinblick auf eine Aufwandsverrechnung nach Art. 7 Abs. 3 DBA-Japan, wobei sich aufgrund des (hier fehlenden) Verweises ohnehin keine Einschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 DBA-Japan ergibt (vgl. Rz. 111 und 213). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in Japan belegenen Be- 253 triebsstätte zuzuordnen sind, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Japan). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Japan nicht.
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Übereinstimmung mit Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Kanada entspricht dem 254 OECD-MA. 2. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Ka- 255 nada belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada). Die Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen wird allerdings nur dann auf Basis der Freistellungsmethode vermieden, wenn die kanadische Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich einer aktiven Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG nachgeht (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Kanada). Wird ein sol-
1 Wohl a.A. Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 62. 2 So auch Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 62.
Ditz
613
Art. 7 (2008) Rz. 255–260
Unternehmensgewinne
cher Nachweis aktiver Tätigkeiten nicht erbracht, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.
IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 256
Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA 2010. Art. 7 DBA-Luxemburg 2012 entspricht – trotz mitunter abweichendem Wortlaut – inhaltlich Art. 7 OECD-MA 2010. Damit handelt es sich bei dem DBA-Luxemburg 2012 um ein DBA, welches in seinem Wortlaut auf dem „Authorised OECD Approach“ fußt (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 16 ff.). 2. Konsequenzen
257
Anwendung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Wenngleich sich Art. 7 DBA-Luxemburg 2012 in seinem Wortlaut von Art. 7 OECDMA 2010 unterscheidet, enthält er im Kern – insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA-Luxemburg 2012 – keine von Art. 7 OECD-MA 2010 abweichenden Grundsätze. Hinsichtlich der Auslegung von Art. 7 DBA-Luxemburg 2012 kann daher auf die Kommentierung des Art. 7 OECD-MA 2010 verwiesen werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
258
Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Luxemburg belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a und d DBA-Luxemburg 2012). Die Anwendung der Freistellungsmethode setzt allerdings voraus, dass die Betriebsstätteneinkünfte in Luxemburg „tatsächlich“ besteuert werden (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012). Darüber hinaus setzt die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen nach der Freistellungsmethode voraus, dass die in Luxemburg belegene Betriebsstätte ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG erzielt. Können beide Voraussetzungen nicht erfüllt werden, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.
X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA 259
Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Niederlande 2012 entspricht – trotz mitunter abweichendem Wortlaut – inhaltlich Art. 7 OECD-MA 2010. Damit handelt es sich bei dem DBA-Niederlande 2012 um ein DBA, welches in seinem Wortlaut auf dem „Authorised OECD Approach“ fußt (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 16 ff.). Im Übrigen enthält Art. 7 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 eine Regelung, wonach das internationale Betriebsstättenprinzip aufgehoben wird, wenn ein Unternehmen in Deutschland oder den Niederlanden ansässig ist und in dem zum anderen Vertragsstaat gehörenden Teil eines grenzüberschreitenden Gewerbegebiets eine feste Geschäftseinrichtung unterhält.1 Schließlich betrifft Art. 7 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 den Fall der Verlegung einer in einem grenzüberschreitenden Gewerbegebiet befindlichen festen Geschäftseinrichtungen eines Unternehmens mit einem damit einhergehenden Wechsel des Besteuerungsrechts auf den anderen Vertragsstaat.2 2. Konsequenzen
260
Anwendung einer uneingeschränkten Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Wenngleich sich Art. 7 DBA-Niederlande 2012 in seinem Wortlaut von Art. 7 OECDMA 2010 unterscheidet, enthält er im Kern – insbesondere im Hinblick auf die Regelungen in Art. 7 Abs. 2 und 3 DBA-Niederlande 2012 – keine von Art. 7 OECD-MA 2010 1 Zu Einzelheiten vgl. Mick in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Niederlande Rz. 68 ff. 2 Zu Einzelheiten vgl. Mick in Wassermeyer, Art. 5 DBA-Niederlande Rz. 74 ff.
614
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 260–263 Art. 7 (2008)
abweichenden Grundsätze.1 Hinsichtlich der Auslegung von Art. 7 DBA-Niederlande 2012 kann daher auf die Kommentierung des Art. 7 OECD-MA 2010 verwiesen werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in den 261 Niederlanden belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a und d DBA-Niederlande 2012). Die Anwendung der Freistellungsmethode setzt allerdings voraus, dass die Betriebsstätteneinkünfte in den Niederlanden „tatsächlich“ besteuert werden (Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande 2012).2 Darüber hinaus setzt die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen nach der Freistellungsmethode voraus, dass die in den Niederlanden belegene Betriebsstätte ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG erzielt. Können beide Voraussetzungen nicht erfüllt werden, ist die Doppelbesteuerung durch die Anrechnungsmethode zu vermeiden.
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Österreich entspricht dem OECD- 262 MA 2008. Darüber hinaus wird in Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich klargestellt, dass sich Art. 7 DBA-Österreich auch auf Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft bezieht. Handelt es sich in insoweit noch um eine Klarstellung, führt Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich ferner aus, dass sich die Vorschrift auch auf Sondervergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Gewährung von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezieht, erstreckt, wenn diese Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die Betriebsstätte gelegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden. Infolgedessen sind – entgegen den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Rz. 78 ff.) – Sondervergütungen eines in Österreich ansässigen Mitunternehmers an einer deutschen Mitunternehmerschaft den (deutschen) Betriebsstättengewinnen zuzuordnen. Im Ergebnis ist daher die Erfassung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich gedeckt.3 2. Konsequenzen Besteuerung von Sondervergütungen. Auf Basis des Art. 7 Abs. 7 DBA-Österreich 263 steht Deutschland auf Sondervergütungen, welche eine inländische Personengesellschaft an einen in Österreich ansässigen Gesellschafter (Mitunternehmer) entrichtet, ein Besteuerungsrecht zu. Damit wird die in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgesehene Besteuerung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte abkommensrechtlich ausgefüllt. Gäbe es diese Sonderregelung nicht, wären die Sondervergütungen nicht unter Art. 7 DBA-Österreich, sondern unter die spezielle Verteilungsnorm zu subsumieren (vgl. Rz. 78 ff.). Ist der Gesellschafter (Mitunternehmer) in Deutschland ansässig und die Personengesellschaft in Österreich belegen, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu prüfen, ob die Vergütungen nach österreichischem Recht tatsächlich dem Betriebsstättengewinn des Gesellschafters zugerechnet und folglich dort besteuert werden. Ist dies nicht der Fall, tritt – so die Finanzverwaltung – ein negativer Qualifikationskonflikt ein, sodass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG greift und infolgedessen die Einkünfte nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen sind.4
1 2 3 4
Vgl. auch Böing/Prang, BB 2012, 2211 (2213). Zu dieser sog. Subject-to-tax-Klausel vgl. auch Kessler/Arnold, IStR 2012, 519 (521). Vgl. auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.2. Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.2.
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Art. 7 (2008) Rz. 264–269 264
Unternehmensgewinne
Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten. Im Übrigen ist von praktischer Bedeutung, dass Ziff. 2 des Protokolls zu Art. 5 DBA-Österreich eine Regelung zur Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten enthält. Danach besteht zwischen beiden Staaten Einverständnis, dass im Fall verbundener Unternehmen keines dieser Unternehmen als Vertreterbetriebsstätte eines anderen verbundenen Unternehmens (vgl. Art. 9 Rz. 35 ff.) behandelt wird, wenn die jeweils ausgeübten Funktionen durch Ansatz angemessener Verrechnungspreise, einschließlich eines angemessenen Gewinns, abgegolten werden. Diese Regelung gilt nur für verbundene Unternehmen. Allerdings ist nicht verständlich, warum zwischen unabhängigen Unternehmen etwas anderes gelten soll. Denn in diesem Fall ist die vereinbarte Vergütung zwingend fremdvergleichskonform, sodass die Protokollregelung ebenfalls einschlägig sein müsste. Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle sind nicht erkennbar. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
265
Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in Österreich belegenen Betriebsstätte zugeordnet werden, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 23 Abs. 1 Buchst. a und c DBA-Österreich). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-Österreich nicht.
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 266
Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Russland entspricht dem OECDMA 2008. Eine Ausnahme bildet lediglich Art. 7 Abs. 4 DBA-Russland, der die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 214 ff.) nicht an deren „Üblichkeit“ (vgl. Rz. 216) in den Vertragsstaaten knüpft; vielmehr wird vorausgesetzt, dass eine Betriebsstättengewinnabgrenzung auf Basis der Selbständigkeitsfiktion des Art. 7 Abs. 2 DBA-Russland unmöglich oder mit unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden ist. Im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung sind im Übrigen die Ausführungen des Protokolls zu Art. 7 DBA-Russland zur Bau- und Montagebetriebsstätte zu beachten. Danach sind insbesondere Liefergewinne dem Unternehmensteil zuzurechnen, welcher für den Einkauf der Materialien verantwortlich ist (vgl. Rz. 204). 2. Konsequenzen
267
Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Aus dem gegenüber dem OECD-MA 2008 geringfügig abweichenden Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 DBA-Russland im Hinblick auf die Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode ergeben sich keine Konsequenzen. Vielmehr bleibt es dabei, dass die Methode nur in (seltenen) Ausnahmefällen Anwendung finden kann (vgl. Rz. 215 ff.). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
268
Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Russland belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland von der Besteuerung unter Progressionsvorbehalt freizustellen (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland). Die Freistellungsmethode findet allerdings nur Anwendung, wenn die russische Betriebsstätte ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge aus einer aktiven Tätigkeit gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1–6 AStG erwirtschaftet. Ist dies nicht der Fall, ist die Doppelbesteuerung auf Basis der Anrechnungsmethode zu vermeiden (Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland).
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 269
Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-Schweiz entspricht dem OECD-MA 2008. Darüber hinaus wird in Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz klargestellt, dass sich Art. 7 DBA-Schweiz auch auf Einkünfte aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft 616
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 269–271 Art. 7 (2008)
bezieht. Handelt es sich in insoweit noch um eine Klarstellung, führt Art. 7 Abs. 7 DBASchweiz ferner aus, dass sich die Vorschrift auch auf Sondervergütungen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Gewährung von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezieht, erstreckt, wenn diese Vergütungen nach dem Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die Betriebsstätte gelegen ist, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden. Infolgedessen sind damit – entgegen den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Rz. 78 ff.) – Sondervergütungen eines in der Schweiz ansässigen Mitunternehmers an einer deutschen Mitunternehmerschaft den (deutschen) Betriebsstättengewinnen zuzuordnen. Im Ergebnis ist daher die Erfassung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG durch Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz gedeckt.1 2. Konsequenzen Besteuerung von Sondervergütungen. Auf Basis des Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz 270 steht Deutschland auf Sondervergütungen, welche eine inländische Personengesellschaft an einen in der Schweiz ansässigen Gesellschafter (Mitunternehmer) entrichtet, ein Besteuerungsrecht zu. Damit wird die in § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorgesehene Besteuerung von Sondervergütungen als gewerbliche Einkünfte abkommensrechtlich ausgefüllt. Gäbe es diese Sonderregelung nicht, wären die entsprechenden Sondervergütungen nicht unter Art. 7 DBA-Schweiz, sondern unter die spezielle Verteilungsnorm zu subsumieren (vgl. Rz. 78 ff.). Ist der Gesellschafter (Mitunternehmer) in Deutschland ansässig und die Personengesellschaft in der Schweiz belegen, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung zu prüfen, ob die Vergütungen nach Schweizer Recht tatsächlich den Betriebsstättengewinn des Gesellschafters zugerechnet und folglich dort besteuert werden. Ist dies nicht der Fall, tritt – so die Finanzverwaltung – ein negativer Qualifikationskonflikt ein, sodass § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG greift und infolgedessen die Einkünfte nicht von der deutschen Besteuerung freizustellen sind.2 Im Übrigen enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Schweiz keinen Vorbehalt im Hinblick auf eine Aufwandsverrechnung nach Art. 7 Abs. 3 DBA-Schweiz, wobei sich aufgrund des (hier fehlenden) Verweises ohnehin keine Einschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA ergibt (vgl. Rz. 111 und 213). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in der 271 Schweiz belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA-Schweiz). Die Anwendung der Freistellungsmethode setzt allerdings voraus, dass die Gewinne aus einer eigenen Tätigkeit der Betriebsstätte stammen, d.h. die entsprechenden Gewinne müssen der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 DBASchweiz zuzuordnen sein. Ferner erstreckt sich die Freistellung von Gewinnen in Deutschland nur auf aktive Tätigkeiten, d.h. die Gewinne müssen nachweislich durch die Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Gegenständen, das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen, Bank- und Versicherungsgeschäfte, Handel oder der Erbringung von Dienstleistungen unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr erzielt werden (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBASchweiz). Die Erwirtschaftung der Gewinne aus einer aktiven Tätigkeit der in der Schweiz belegenen Betriebsstätte muss durch den Steuerpflichtigen nachgewiesen werden. Dies gilt auch bei einer Beteiligung an einer Schweizer Personengesellschaft, wobei für die Anwendung des Aktivitätsvorbehalts auf die Verhältnisse der Personengesellschaft abzustellen ist.3
1 Vgl. auch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.2. 2 Vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354 Rz. 5.2. 3 Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 65.
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Art. 7 (2008) Rz. 272–275
Unternehmensgewinne
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA 272
Kein Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008. Art. 7 DBA-Spanien 2011 entspricht dem OECD-MA 2008, wobei Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 (Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode, zu Einzelheiten vgl. Rz. 214 ff.) nicht in das DBA-Spanien 2011 übernommen wurde. 2. Konsequenzen
273
Keine Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Da das DBA-Spanien 2011 keine Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008 vergleichbare Regelung enthält, kann die globale Gewinnaufteilungsmethode durch die Vertragsstaaten zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns keine Anwendung finden. Die globale Gewinnaufteilungsmethode kann nur in solchen Fällen akzeptiert werden, in denen ihr Ergebnis genau dem auf Basis der direkten Methode (vgl. Rz. 117) bestimmten Betriebsstättengewinn entspricht. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
274
Anwendung der Freistellungsmethode unter Aktivitätsvorbehalt. Die einer in Spanien belegenen Betriebsstätte zuzuordnenden Gewinne sind in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freizustellen (Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien 2011). Die Freistellung der spanischen Betriebsstättengewinne in Deutschland setzt allerdings voraus, dass die Betriebsstättengewinne in Spanien „tatsächlich“ besteuert werden. Nach der Subject-to-Tax-Klausel des Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien 2011 reicht infolgedessen das bloße Recht auf Besteuerung für die Anwendung der Freistellungsmethode nicht aus. Darüber hinaus enthält Art. 22 Abs. 2 Buchst. c DBA-Spanien 2011 einen Aktivitätsvorbehalt, welcher die Freistellung spanischer Betriebsstättengewinne in Deutschland nur für Bruttoerträge vorsieht, die ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten gem. § 8 Abs. 1 AStG erwirtschaftet werden. Kann der Nachweis solcher aktiven Tätigkeiten der in Spanien belegenen Betriebsstätte nicht geführt werden, ist die Doppelbesteuerung auf Basis der Anrechnungsmethode zu vermeiden.
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 275
Abweichungen zu Art. 7 OECD-MA. Art. 7 DBA-USA entspricht im Kern dem OECD-MA 2008. Es ergeben sich allerdings zwei wesentliche Ausnahmen: Einerseits bezieht sich die Vorschrift nicht auf „Gewinne eines Unternehmens“, sondern auf „gewerbliche Gewinne eines Unternehmens“, wobei Art. 7 Abs. 7 DBA-USA eine Definition der „gewerblichen Gewinne“ bestimmt. Der Begriff umfasst Einkünfte aus freiberuflicher oder sonstiger selbständiger Tätigkeit. Darüber hinaus werden Einkünfte aus der Vermietung beweglicher Sachen und der Vermietung oder Lizenzerteilung im Fall von kinematografischen Filmen oder Werken auf Film, Tonband oder einem anderen Reproduktionsträger für Rundfunk oder Fernsehsendungen erfasst. Die Definition der gewerblichen Gewinne in Art. 7 Abs. 7 DBA-USA schränkt infolgedessen den Anwendungsbereich des Art. 12 DBA-USA zugunsten von Art. 7 DBA-USA ein.1 Andererseits geht Nr. 7 des Protokolls zu Art. 7 DBA-USA im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung von einer Anwendung der OECD-Verrechnungspreisleitlinien unter Berücksichtigung der unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten eines Einheitsunternehmens vor. Im Ergebnis sind daher nach dem Protokoll des DBA-USA die Grundsätze des „Authorised OECD Approach“ (vgl. Rz. 99 ff.) anzuwenden.2 Einzelheiten ergeben sich aus der Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2010. 1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 1 und 262 ff. zu Einzelheiten. 2 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 186 ff.
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J. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 276–277 Art. 7 (2008)
2. Konsequenzen Uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Das DBA-USA 276 enthält in seinem Protokoll Regelungen, wonach der Grundsatz des Fremdvergleichs im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung uneingeschränkt anzuwenden ist. Im Rahmen des Art. 7 DBA-USA ist infolgedessen der „Authorised OECD Approach“ anzuwenden (zu Einzelheiten wird auf Art. 7 (2010) Rz. 22 ff. verwiesen). Hinsichtlich der Definition der „gewerblichen Gewinne“ in Art. 7 Abs. 7 DBA-USA sind die Abgrenzungsfragen zu Art. 12 Abs. 2 DBA-USA zu beachten. Unterschiedliche Folgen ergeben sich hieraus allerdings nicht, weil Art. 12 DBA-USA – im Übrigen wie Art. 7 DBAUSA – eine Besteuerung von Lizenzgebühren im Quellenstaat nur bei Bestehen einer Betriebsstätte gestatten.1 Ansonsten gelten hinsichtlich der Definition der „gewerblichen Gewinne eines Unternehmens“ die allgemeinen Grundsätze (vgl. Rz. 50 ff.). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung der Freistellungsmethode. Gewinne, die einer in den USA belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind, werden in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung freigestellt (Art. 23 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA). Einen Aktivitätsvorbehalt enthält das DBA-USA in Bezug auf Betriebsstättengewinne nicht.
1 Vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 7 DBA-USA Rz. 262.
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277
Artikel 7 (2010)
Unternehmensgewinne (1) Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats können nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, das Unternehmen übt seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus. Übt das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit auf diese Weise aus, so können die Gewinne, die der Betriebsstätte gemäß den Bestimmungen von Absatz 2 zuzurechnen sind, in dem anderen Staat besteuert werden. (2) Für die Zwecke dieses Artikels und des Artikels [23A] [23B] sind die Gewinne, die in jedem Vertragsstaat einer in Absatz 1 genannten Betriebsstätte zuzurechnen sind, diejenigen Gewinne, die die Betriebsstätte, insbesondere aus ihren Innenbeziehungen mit anderen Teilen des Unternehmens, voraussichtlich erzielt hätte, wenn sie die gleichen oder ähnliche Tätigkeiten unter den gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen ausgeübt hätte, unter Berücksichtigung der vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, genutzten Vermögenswerte und übernommenen Risiken. (3) Wenn ein Vertragsstaat die Gewinne, die der Betriebsstätte eines Unternehmens eines der Vertragsstaaten zuzurechnen sind, in Übereinstimmung mit Absatz 2 berichtigt und dem entsprechend Gewinne des Unternehmens besteuert, die bereits im anderen Staat besteuert wurden, wird der andere Staat, soweit dies zur Vermeidung der Doppelbesteuerung dieser Gewinne erforderlich ist, eine entsprechende Änderung der auf diese Gewinne erhobenen Steuer vornehmen. Zur Ermittlung dieser Berichtigung konsultieren sich die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten bei Bedarf. (4) Gehören zu den Gewinnen Einkünfte, die in anderen Artikeln dieses Abkommens behandelt werden, so werden die Bestimmungen jener Artikel durch die Bestimmungen dieses Artikels nicht berührt. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
.. . . . . . . .
1
. . . . . . .
1 4 5 8 8 9 12
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1) . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 1) . III. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 16
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Absatz 2) . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ . . . . . . 1. Vorgehensweise des „Functionally Separate Entity Approach“ . . . . . . . . . 2. Funktionsanalyse unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebstätte (Stufe 1) . . . . . . . . .
620
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3. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Stufe 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Würdigung des „Authorised OECD Approach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 38
20 20
D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung der Doppelbesteuerung (Absatz 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung einer Gegenkorrektur . 4. Alternativer Wortlaut des Art. 7 Absatz 3 OECD-MA 2010 . . . . . . . . . . II. Konsultationsverfahren (Absatz 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
E. Vorrang der Spezialartikel (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
F. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . .
60
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . .
61
17
18
22
23
47 47 47 49 53 56 57 57 58
OECD-Musterkommentar (2010)
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OECD-Musterkommentar (2010) COMMENTARY ON ARTICLE 7 CONCERNING THE TAXATION OF BUSINESS PROFITS I. Preliminary remarks 1. This Article allocates taxing rights with respect to the business profits of an enterprise of a Contracting State to the extent that these profits are not subject to different rules under other Articles of the Convention. It incorporates the basic principle that unless an enterprise of a Contracting State has a permanent establishment situated in the other State, the business profits of that enterprise may not be taxed by that other State unless these profits fall into special categories of income for which other Articles of the Convention give taxing rights to that other State. 2. Article 5, which includes the definition of the concept of permanent establishment, is therefore relevant to the determination of whether the business profits of an enterprise of a Contracting State may be taxed in the other State. That Article, however, does not itself allocate taxing rights: when an enterprise of a Contracting State carries on business in the other Contracting State through a permanent establishment situated therein, it is necessary to determine what, if any, are the profits that the other State may tax. Article 7 provides the answer to that question by determining that the other State may tax the profits that are attributable to the permanent establishment. 3. The principles underlying Article 7, and in particular paragraph 2 of the Article, have a long history. When the OECD first examined what criteria should be used in attributing profits to a permanent establishment, this question had previously been addressed in a large number of tax conventions and in various models developed by the League of Nations. The separate entity and arm’s length principles, on which paragraph 2 is based, had already been incorporated in these conventions and models and the OECD considered that it was sufficient to restate these principles with some slight amendments and modifications for the main purpose of clarification. 4. Practical experience has shown, however, that there was considerable variation in the interpretation of these general principles and of other provisions of earlier versions of Article 7. This lack of a common interpretation created problems of double taxation and non-taxation. Over the years, the Committee on Fiscal Affairs spent considerable time and effort trying to ensure a more consistent interpretation and application of the rules of the Article. Minor changes to the wording of the Article and a number of changes to the Commentary were made when the 1977 Model Tax Convention was adopted. A report that addressed that question in the specific case of banks was published in 1984.1 In 1987, noting that the determination of profits attributable to a permanent establishment could give rise to some uncertainty, the Committee undertook a review of the question which led to the adoption, in 1993, of the report entitled “Attribution of Income to Permanent Establishments”2 and to subsequent changes to the Commentary. 5. Despite that work, the practices of OECD and non-OECD countries regarding the attribution of profits to permanent establishments and these countries’ interpretation of Article 7 continued to vary considerably. The Committee acknowledged the need to provide more certainty to taxpayers: in its report Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations3 (the “OECD Transfer Pricing 1 “The Taxation of Multinational Banking Enterprises”, in Transfer Pricing and Multinational Enterprises: Three Taxation Issues, OECD, Paris, 1984. 2 Attribution of Income to Permanent Establishments, Issues in International Taxation No. 5, OECD, Paris, 1994; reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(13)-1. 3 The original version of that report was approved by the Council of the OECD on 27 June 1995 and was updated a number of times since then. Published by the OECD as OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations.
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Guidelines”), it indicated that further work would address the application of the arm’s length principle to permanent establishments. That work resulted, in 2008, in a report entitled Attribution of Profits to Permanent Establishments1 (the “2008 Report”). 6. The approach developed in the 2008 Report was not constrained by either the original intent or by the historical practice and interpretation of Article 7. Instead, the focus was on formulating the most preferable approach to attributing profits to a permanent establishment under Article 7 given modern-day multinational operations and trade. When it approved the 2008 Report, the Committee considered that the guidance included therein represented a better approach to attributing profits to permanent establishments than had previously been available. It also recognised, however, that there were differences between some of the conclusions of the 2008 Report and the interpretation of Article 7 previously given in this Commentary. 7. In order to provide maximum certainty on how profits should be attributed to permanent establishments, the Committee therefore decided that the 2008 Report’s full conclusions should be reflected in a new version of Article 7, together with accompanying Commentary, to be used in the negotiation of future treaties and the amendment of existing treaties. In addition, in order to provide improved certainty for the interpretation of treaties that had already been concluded on the basis of the previous wording of Article 7, the Committee decided that a revised Commentary for that previous version of the Article should also be prepared, to take into account those aspects of the report that did not conflict with the Commentary as it read before the adoption of the 2008 Report. 8. The new version of the Article, which now appears in the Model Tax Convention, was adopted in 2010. At the same time, the Committee adopted a revised version of the 2008 Report in order to ensure that the conclusions of that report could be read harmoniously with the new wording and modified numbering of this new version of the Article. Whilst the conclusions and interpretations included in the revised report that was thus adopted in 20102 (hereinafter referred to as “the Report”) are identical to those of the 2008 Report, that revised version takes account of the drafting of the Article as it now reads (the Annex to this Commentary includes, for historical reference, the text of the previous wording of Article 7 and that revised Commentary, as they read before the adoption of the current version of the Article). 9. The current version of the Article therefore reflects the approach developed in the Report and must be interpreted in light of the guidance contained in it. The Report deals with the attribution of profits both to permanent establishments in general (Part I of the Report) and, in particular, to permanent establishments of businesses operating in the financial sector, where trading through a permanent establishment is widespread (Part II of the Report, which deals with permanent establishments of banks, Part III, which deals with permanent establishments of enterprises carrying on global trading and Part IV, which deals with permanent establishments of enterprises carrying on insurance activities). II. Commentary on the provisions of the Article Paragraph 1 10. Paragraph 1 incorporates the rules for the allocation of taxing rights on the business profits of enterprises of each Contracting State. First, it states that unless an enterprise of a Contracting State has a permanent establishment situated in the other State, the business profits of that enterprise may not be taxed by that other State. Second, it provides that if such an enterprise carries on business in the other State through a permanent establishment situated therein, the profits that are attributable to the permanent establishment, as determined in accordance with paragraph 2, may be taxed by that other State. As explained below, however, paragraph 4 restricts the 1 Available at http://www.oecd.org/dataoecd/20/36/41031455.pdf. 2 Attribution of Profits to Permanent Establishments, OECD, Paris, 2010.
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application of these rules by providing that Article 7 does not affect the application of other Articles of the Convention that provide special rules for certain categories of profits (e.g. those derived from the operation of ships and aircraft in international traffic) or for certain categories of income that may also constitute business profits (e.g. income derived by an enterprise in respect of personal activities of an entertainer or sportsman). 11. The first principle underlying paragraph 1, i.e. that the profits of an enterprise of one Contracting State shall not be taxed in the other State unless the enterprise carries on business in that other State through a permanent establishment situated therein, has a long history and reflects the international consensus that, as a general rule, until an enterprise of one State has a permanent establishment in another State, it should not properly be regarded as participating in the economic life of that other State to such an extent that the other State should have taxing rights on its profits. 12. The second principle, which is reflected in the second sentence of the paragraph, is that the right to tax of the State where the permanent establishment is situated does not extend to profits that the enterprise may derive from that State but that are not attributable to the permanent establishment. This is a question on which there have historically been differences of view, a few countries having some time ago pursued a principle of general “force of attraction” according to which income such as other business profits, dividends, interest and royalties arising from sources in their territory was fully taxable by them if the beneficiary had a permanent establishment therein even though such income was clearly not attributable to that permanent establishment. Whilst some bilateral tax conventions include a limited anti-avoidance rule based on a restricted force of attraction approach that only applies to business profits derived from activities similar to those carried on by a permanent establishment, the general force of attraction approach described above has now been rejected in international tax treaty practice. The principle that is now generally accepted in double taxation conventions is based on the view that in taxing the profits that a foreign enterprise derives from a particular country, the tax authorities of that country should look at the separate sources of profit that the enterprise derives from their country and should apply to each the permanent establishment test, subject to the possible application of other Articles of the Convention. This solution allows simpler and more efficient tax administration and compliance, and is more closely adapted to the way in which business is commonly carried on. The organisation of modern business is highly complex. There are a considerable number of companies each of which is engaged in a wide diversity of activities and is carrying on business extensively in many countries. A company may set up a permanent establishment in another country through which it carries on manufacturing activities whilst a different part of the same company sells different goods in that other country through independent agents. That company may have perfectly valid commercial reasons for doing so: these may be based, for example, on the historical pattern of its business or on commercial convenience. If the country in which the permanent establishment is situated wished to go so far as to try to determine, and tax, the profit element of each of the transactions carried on through independent agents, with a view to aggregating that profit with the profits of the permanent establishment, that approach would interfere seriously with ordinary commercial activities and would be contrary to the aims of the Convention. 13. As indicated in the second sentence of paragraph 1, the profits that are attributable to the permanent establishment are determined in accordance with the provisions of paragraph 2, which provides the meaning of the phrase “profits that are attributable to the permanent establishment” found in paragraph 1. Since paragraph 1 grants taxing rights to the State in which the permanent establishment is situated only with respect to the profits that are attributable to that permanent establishment, the paragraph therefore prevents that State, subject to the application of other Articles of the Convention, from taxing the enterprise of the other Contracting State on profits that are not attributable to the permanent establishment.
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14. The purpose of paragraph 1 is to limit the right of one Contracting State to tax the business profits of enterprises of the other Contracting State. The paragraph does not limit the right of a Contracting State to tax its own residents under controlled foreign companies provisions found in its domestic law even though such tax imposed on these residents may be computed by reference to the part of the profits of an enterprise that is resident of the other Contracting State that is attributable to these residents’ participation in that enterprise. Tax so levied by a State on its own residents does not reduce the profits of the enterprise of the other State and may not, therefore, be said to have been levied on such profits (see also paragraph 23 of the Commentary on Article 1 and paragraphs 37 to 39 of the Commentary on Article 10). Paragraph 2 15. Paragraph 2 provides the basic rule for the determination of the profits that are attributable to a permanent establishment. According to the paragraph, these profits are the profits that the permanent establishment might be expected to make if it were a separate and independent enterprise engaged in the same or similar activities under the same or similar conditions, taking into account the functions performed, assets used and risks assumed through the permanent establishment and through other parts of the enterprise. In addition, the paragraph clarifies that this rule applies with respect to the dealings between the permanent establishment and the other parts of the enterprise. 16. The basic approach incorporated in the paragraph for the purposes of determining what are the profits that are attributable to the permanent establishment is therefore to require the determination of the profits under the fiction that the permanent establishment is a separate enterprise and that such an enterprise is independent from the rest of the enterprise of which it is a part as well as from any other person. The second part of that fiction corresponds to the arm’s length principle which is also applicable, under the provisions of Article 9, for the purpose of adjusting the profits of associated enterprises (see paragraph 1 of the Commentary on Article 9). 17. Paragraph 2 does not seek to allocate the overall profits of the whole enterprise to the permanent establishment and its other parts but, instead, requires that the profits attributable to a permanent establishment be determined as if it were a separate enterprise. Profits may therefore be attributed to a permanent establishment even though the enterprise as a whole has never made profits. Conversely, paragraph 2 may result in no profits being attributed to a permanent establishment even though the enterprise as a whole has made profits. 18. Clearly, however, where an enterprise of a Contracting State has a permanent establishment in the other Contracting State, the first State has an interest in the directive of paragraph 2 being correctly applied by the State where the permanent establishment is located. Since that directive applies to both Contracting States, the State of the enterprise must, in accordance with either Article 23 A or 23 B, eliminate double taxation on the profits properly attributable to the permanent establishment (see paragraph 27 below). In other words, if the State where the permanent establishment is located attempts to tax profits that are not attributable to the permanent establishment under Article 7, this may result in double taxation of profits that should properly be taxed only in the State of the enterprise. 19. As indicated in paragraphs 8 and 9 above, Article 7, as currently worded, reflects the approach developed in the Report adopted by the Committee on Fiscal Affairs in 2010. The Report dealt primarily with the application of the separate and independent enterprise fiction that underlies paragraph 2 and the main purpose of the changes made to that paragraph following the adoption of the Report was to ensure that the determination of the profits attributable to a permanent establishment followed the approach put forward in that Report. The Report therefore provides a detailed guide as to how the profits attributable to a permanent establishment should be determined under the provisions of paragraph 2. 20. As explained in the Report, the attribution of profits to a permanent establishment under paragraph 2 will follow from the calculation of the profits (or losses) from 624
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all its activities, including transactions with independent enterprises, transactions with associated enterprises (with direct application of the OECD Transfer Pricing Guidelines) and dealings with other parts of the enterprise. This analysis involves two steps which are described below. The order of the listing of items within each of these two steps is not meant to be prescriptive, as the various items may be interrelated (e.g. risk is initially attributed to a permanent establishment as it performs the significant people functions relevant to the assumption of that risk but the recognition and characterisation of a subsequent dealing between the permanent establishment and another part of the enterprise that manages the risk may lead to a transfer of the risk and supporting capital to the other part of the enterprise). 21. Under the first step, a functional and factual analysis is undertaken which will lead to: – the attribution to the permanent establishment, as appropriate, of the rights and obligations arising out of transactions between the enterprise of which the permanent establishment is a part and separate enterprises; – the identification of significant people functions relevant to the attribution of economic ownership of assets, and the attribution of economic ownership of assets to the permanent establishment; – the identification of significant people functions relevant to the assumption of risks, and the attribution of risks to the permanent establishment; – the identification of other functions of the permanent establishment; – the recognition and determination of the nature of those dealings between the permanent establishment and other parts of the same enterprise that can appropriately be recognised, having passed the threshold test referred to in paragraph 26; and – the attribution of capital based on the assets and risks attributed to the permanent establishment. 22. Under the second step, any transactions with associated enterprises attributed to the permanent establishment are priced in accordance with the guidance of the OECD Transfer Pricing Guidelines and these Guidelines are applied by analogy to dealings between the permanent establishment and the other parts of the enterprise of which it is a part. The process involves the pricing on an arm’s length basis of these recognised dealings through: – the determination of comparability between the dealings and uncontrolled transactions, established by applying the Guidelines’ comparability factors directly (characteristics of property or services, economic circumstances and business strategies) or by analogy (functional analysis, contractual terms) in light of the particular factual circumstances of the permanent establishment; and – the application by analogy of one of the Guidelines’ methods to arrive at an arm’s length compensation for the dealings between the permanent establishment and the other parts of the enterprise, taking into account the functions performed by and the assets and risks attributed to the permanent establishment and the other parts of the enterprise. 23. Each of these operations is discussed in greater detail in the Report, in particular as regards the attribution of profits to permanent establishments of businesses operating in the financial sector, where trading through a permanent establishment is widespread (see Part II of the Report, which deals with permanent establishments of banks; Part III, which deals with permanent establishments of enterprises carrying on global trading, and Part IV, which deals with permanent establishments of enterprises carrying on insurance activities). 24. Paragraph 2 refers specifically to the dealings between the permanent establishment and other parts of the enterprise of which the permanent establishment is a part in order to emphasise that the separate and independent enterprise fiction of the paragraph requires that these dealings be treated the same way as similar transactions taking place between independent enterprises. That specific reference to deal-
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ings between the permanent establishment and other parts of the enterprise does not, however, restrict the scope of the paragraph. Where a transaction that takes place between the enterprise and an associated enterprise affects directly the determination of the profits attributable to the permanent establishment (e.g. the acquisition by the permanent establishment from an associated enterprise of goods that will be sold through the permanent establishment), paragraph 2 also requires that, for the purpose of computing the profits attributable to the permanent establishment, the conditions of the transaction be adjusted, if necessary, to reflect the conditions of a similar transaction between independent enterprises. Assume, for instance, that the permanent establishment situated in State S of an enterprise of State R acquires property from an associated enterprise of State T. If the price provided for in the contract between the two associated enterprises exceeds what would have been agreed to between independent enterprises, paragraph 2 of Article 7 of the treaty between State R and State S will authorise State S to adjust the profits attributable to the permanent establishment to reflect what a separate and independent enterprise would have paid for that property. In such a case, State R will also be able to adjust the profits of the enterprise of State R under paragraph 1 of Article 9 of the treaty between State R and State T, which will trigger the application of the corresponding adjustment mechanism of paragraph 2 of Article 9 of that treaty. 25. Dealings between the permanent establishment and other parts of the enterprise of which it is a part have no legal consequences for the enterprise as a whole. This implies a need for greater scrutiny of these dealings than of transactions between two associated enterprises. This also implies a greater scrutiny of documentation (in the inevitable absence, for example, of legally binding contracts) that might otherwise exist. 26. It is generally not intended that more burdensome documentation requirements be imposed in connection with such dealings than apply to transactions between associated enterprises. Moreover, as in the case of transfer pricing documentation referred to in the OECD Transfer Pricing Guidelines, the requirements should not be applied in such a way as to impose on taxpayers costs and burdens disproportionate to the circumstances. Nevertheless, considering the uniqueness of the nature of a dealing, countries would wish to require taxpayers to demonstrate clearly that it would be appropriate to recognise the dealing. Thus, for example, an accounting record and contemporaneous documentation showing a dealing that transfers economically significant risks, responsibilities and benefits would be a useful starting point for the purposes of attributing profits. Taxpayers are encouraged to prepare such documentation, as it may reduce substantially the potential for controversies regarding application of the approach. Tax administrations would give effect to such documentation, notwithstanding its lack of legal effect, to the extent that: – the documentation is consistent with the economic substance of the activities taking place within the enterprise as revealed by the functional and factual analysis; – the arrangements documented in relation to the dealing, viewed in their entirety, do not differ from those which would have been adopted by comparable independent enterprises behaving in a commercially rational manner, or if they do, the structure as presented in the taxpayer’s documentation does not practically impede the tax administration from determining an appropriate transfer price; and – the dealing presented in the taxpayer’s documentation does not violate the principles of the approach put forward in the Report by, for example, purporting to transfer risks in a way that segregates them from functions. 27. The opening words of paragraph 2 and the phrase “in each Contracting State” indicate that paragraph 2 applies not only for the purposes of determining the profits that the Contracting State in which the permanent establishment is situated may tax in accordance with the last sentence of paragraph 1 but also for the application of Articles 23 A and 23 B by the other Contracting State. Where an enterprise of one State carries on business through a permanent establishment situated in the other State, the first-mentioned State must either exempt the profits that are attributable to the permanent establishment (Article 23 A) or give a credit for the tax levied by the 626
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other State on these profits (Article 23 B). Under both these Articles, that State must therefore determine the profits attributable to the permanent establishment in order to provide relief from double taxation and is required to follow the provisions of paragraph 2 for that purpose. 28. The separate and independent enterprise fiction that is mandated by paragraph 2 is restricted to the determination of the profits that are attributable to a permanent establishment. It does not extend to create notional income for the enterprise which a Contracting State could tax as such under its domestic law by arguing that such income is covered by another Article of the Convention which, in accordance with paragraph 4 of Article 7, allows taxation of that income notwithstanding paragraph 1 of Article 7. Assume, for example, that the circumstances of a particular case justify considering that the economic ownership of a building used by the permanent establishment should be attributed to the head office (see paragraph 75 of Part I of the Report). In such a case, paragraph 2 could require the deduction of a notional rent in determining the profits of the permanent establishment. That fiction, however, could not be interpreted as creating income from immovable property for the purposes of Article 6. Indeed, the fiction mandated by paragraph 2 does not change the nature of the income derived by the enterprise; it merely applies to determine the profits attributable to the permanent establishment for the purposes of Articles 7, 23 A and 23 B. Similarly, the fact that, under paragraph 2, a notional interest charge could be deducted in determining the profits attributable to a permanent establishment does not mean that any interest has been paid to the enterprise of which the permanent establishment is a part for the purposes of paragraphs 1 and 2 of Article 11. The separate and independent enterprise fiction does not extend to Article 11 and, for the purposes of that Article, one part of an enterprise cannot be considered to have made an interest payment to another part of the same enterprise. Clearly, however, if interest paid by an enterprise to a different person is paid on indebtedness incurred in connection with a permanent establishment of the enterprise and is borne by that permanent establishment, this real interest payment may, under paragraph 2 of Article 11, be taxed by the State in which the permanent establishment is located. Also, where a transfer of assets between a permanent establishment and the rest of the enterprise is treated as a dealing for the purposes of paragraph 2 of Article 7, Article 13 does not prevent States from taxing profits or gains from such a dealing as long as such taxation is in accordance with Article 7 (see paragraphs 4, 8 and 10 of the Commentary on Article 13). 29. Some States consider that, as a matter of policy, the separate and independent enterprise fiction that is mandated by paragraph 2 should not be restricted to the application of Articles 7, 23 A and 23 B but should also extend to the interpretation and application of other Articles of the Convention, so as to ensure that permanent establishments are, as far as possible, treated in the same way as subsidiaries. These States may therefore consider that notional charges for dealings which, pursuant to paragraph 2, are deducted in computing the profits of a permanent establishment should be treated, for the purposes of other Articles of the Convention, in the same way as payments that would be made by a subsidiary to its parent company. These States may therefore wish to include in their tax treaties provisions according to which charges for internal dealings should be recognised for the purposes of Articles 6 and 11 (it should be noted, however, that tax will be levied in accordance with such provisions only to the extent provided for under domestic law). Alternatively, these States may wish to provide that no internal dealings will be recognised in circumstances where an equivalent transaction between two separate enterprises would give rise to income covered by Article 6 or 11 (in that case, however, it will be important to ensure that an appropriate share of the expenses related to what would otherwise have been recognised as a dealing be attributed to the relevant part of the enterprise). States considering these alternatives should, however, take account of the fact that, due to special considerations applicable to internal interest charges between different parts of a financial enterprise (e.g. a bank), dealings resulting in such charges have long been recognised, even before the adoption of the present version of the Article. Ditz
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30. Paragraph 2 determines the profits that are attributable to a permanent establishment for the purposes of the rule in paragraph 1 that allocates taxing rights on these profits. Once the profits that are attributable to a permanent establishment have been determined in accordance with paragraph 2 of Article 7, it is for the domestic law of each Contracting State to determine whether and how such profits should be taxed as long as there is conformity with the requirements of paragraph 2 and the other provisions of the Convention. Paragraph 2 does not deal with the issue of whether expenses are deductible when computing the taxable income of the enterprise in either Contracting State. The conditions for the deductibility of expenses are a matter to be determined by domestic law, subject to the provisions of the Convention and, in particular, paragraph 3 of Article 24 (see paragraphs 33 and 34 below). 31. Thus, for example, whilst domestic law rules that would ignore the recognition of dealings that should be recognised for the purposes of determining the profits attributable to a permanent establishment under paragraph 2 or that would deny the deduction of expenses not incurred exclusively for the benefit of the permanent establishment would clearly be in violation of paragraph 2, rules that prevent the deduction of certain categories of expenses (e.g. entertainment expenses) or that provide when a particular expense should be deducted are not affected by paragraph 2. In making that distinction, however, some difficult questions may arise as in the case of domestic law restrictions based on when an expense or element of income is actually paid. Since, for instance, an internal dealing will not involve an actual transfer or payment between two different persons, the application of such domestic law restrictions should generally take into account the nature of the dealing and, therefore, treat the relevant transfer or payment as if it had been made between two different persons. 32. Variations between the domestic laws of the two States concerning matters such as depreciation rates, the timing of the recognition of income and restrictions on the deductibility of certain expenses will normally result in a different amount of taxable income in each State even though, for the purposes of the Convention, the amount of profits attributable to the permanent establishment will have been computed on the basis of paragraph 2 in both States (see also paragraphs 39–43 of the Commentary on Articles 23 A and 23 B). Thus, even though paragraph 2 applies equally to the Contracting State in which the permanent establishment is situated (for the purposes of paragraph 1) and to the other Contracting State (for the purposes of Articles 23 A or 23 B), it is likely that the amount of taxable income on which an enterprise of a Contracting State will be taxed in the State where the enterprise has a permanent establishment will, for a given taxable period, be different from the amount of taxable income with respect to which the first State will have to provide relief pursuant to Articles 23 A or 23 B. Also, to the extent that the difference results from domestic law variations concerning the types of expenses that are deductible, as opposed to timing differences in the recognition of these expenses, the difference will be permanent. 33. In taxing the profits attributable to a permanent establishment situated on its territory, a Contracting State will, however, have to take account of the provisions of paragraph 3 of Article 24. That paragraph requires, among other things, that expenses be deductible under the same conditions whether they are incurred for the purposes of a permanent establishment situated in a Contracting State or for the purposes of an enterprise of that State. As stated in paragraph 40 of the Commentary on Article 24: Permanent establishments must be accorded the same right as resident enterprises to deduct the trading expenses that are, in general, authorised by the taxation law to be deducted from taxable profits. Such deductions should be allowed without any restrictions other than those also imposed on resident enterprises. 34. The requirement imposed by paragraph 3 of Article 24 is the same regardless of how expenses incurred by an enterprise for the benefit of a permanent establishment are taken into account for the purposes of paragraph 2 of Article 7. In some cases, it will not be appropriate to consider that a dealing has taken place between different parts of the enterprise. In such cases, expenses incurred by an enterprise for the purposes of the activities performed by the permanent establishment will be directly de628
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ducted in determining the profits of the permanent establishment (e.g. the salary of a local construction worker hired and paid locally to work exclusively on a construction site that constitutes a permanent establishment of a foreign enterprise). In other cases, expenses incurred by the enterprise will be attributed to functions performed by other parts of the enterprise wholly or partly for the benefit of the permanent establishment and an appropriate charge will be deducted in determining the profits attributable to the permanent establishment (e.g. overhead expenses related to administrative functions performed by the head office for the benefit of the permanent establishment). In both cases, paragraph 3 of Article 24 will require that, as regards the permanent establishment, the expenses be deductible under the same conditions as those applicable to an enterprise of that State. Thus, any expense incurred by the enterprise directly or indirectly for the benefit of the permanent establishment must not, for tax purposes, be treated less favourably than a similar expense incurred by an enterprise of that State. That rule will apply regardless of whether or not, for the purposes of paragraph 2 of this Article 7, the expense is directly attributed to the permanent establishment (first example) or is attributed to another part of the enterprise but reflected in a notional charge to the permanent establishment (second example). 35. Paragraph 3 of Article 5 sets forth a special rule for a fixed place of business that is a building site or a construction or installation project. Such a fixed place of business is a permanent establishment only if it lasts more than twelve months. Experience has shown that these types of permanent establishments can give rise to special problems in attributing income to them under Article 7. 36. These problems arise chiefly where goods are provided, or services performed, by the other parts of the enterprise or a related party in connection with the building site or construction or installation project. Whilst these problems can arise with any permanent establishment, they are particularly acute for building sites and construction or installation projects. In these circumstances, it is necessary to pay close attention to the general principle that income is attributable to a permanent establishment only when it results from activities carried on by the enterprise through that permanent establishment. 37. For example, where such goods are supplied by the other parts of the enterprise, the profits arising from that supply do not result from the activities carried on through the permanent establishment and are not attributable to it. Similarly, profits resulting from the provision of services (such as planning, designing, drawing blueprints, or rendering technical advice) by the parts of the enterprise operating outside the State where the permanent establishment is located do not result from the activities carried on through the permanent establishment and are not attributable to it. 38. Article 7, as it read before 2010, included the following paragraph 3: In determining the profits of a permanent establishment, there shall be allowed as deductions expenses which are incurred for the purposes of the permanent establishment, including executive and general administrative expenses so incurred, whether in the State in which the permanent establishment is situated or elsewhere. Whilst that paragraph was originally intended to clarify that paragraph 2 required expenses incurred directly or indirectly for the benefit of a permanent establishment to be taken into account in determining the profits of the permanent establishment even if these expenses had been incurred outside the State in which the permanent establishment was located, it had sometimes been read as limiting the deduction of expenses that indirectly benefited the permanent establishment to the actual amount of the expenses. 39. This was especially the case of general and administrative expenses, which were expressly mentioned in that paragraph. Under the previous version of paragraph 2, as interpreted in the Commentary, this was generally not a problem since a share of the general and administrative expenses of the enterprise could usually only be allocated to a permanent establishment on a cost-basis.
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40. As now worded, however, paragraph 2 requires the recognition and arm’s length pricing of the dealings through which one part of the enterprise performs functions for the benefit of the permanent establishment (e.g. through the provision of assistance in day-to-day management). The deduction of an arm’s length charge for these dealings, as opposed to a deduction limited to the amount of the expenses, is required by paragraph 2. The previous paragraph 3 has therefore been deleted to prevent it from being misconstrued as limiting the deduction to the amount of the expenses themselves. That deletion does not affect the requirement, under paragraph 2, that in determining the profits attributable to a permanent establishment, all relevant expenses of the enterprise, wherever incurred, be taken into account. Depending on the circumstances, this will be done through the deduction of all or part of the expenses or through the deduction of an arm’s length charge in the case of a dealing between the permanent establishment and another part of the enterprise. 41. Article 7, as it read before 2010, also included a provision that allowed the attribution of profits to a permanent establishment to be done on the basis of an apportionment of the total profits of the enterprise to its various parts. That method, however, was only to be applied to the extent that its application had been customary in a Contracting State and that the result was in accordance with the principles of Article 7. For the Committee, methods other than an apportionment of total profits of an enterprise can be applied even in the most difficult cases. The Committee therefore decided to delete that provision because its application had become very exceptional and because of concerns that it was extremely difficult to ensure that the result of its application would be in accordance with the arm’s length principle. 42. At the same time, the Committee also decided to eliminate another provision that was found in the previous version of the Article and according to which the profits to be attributed to the permanent establishment were to be “determined by the same method year by year unless there is good and sufficient reason to the contrary.” That provision, which was intended to ensure continuous and consistent treatment, was appropriate as long as it was accepted that the profits attributable to a permanent establishment could be determined through direct or indirect methods or even on the basis of an apportionment of the total profits of the enterprise to its various parts. The new approach developed by the Committee, however, does not allow for the application of such fundamentally different methods and therefore avoids the need for such a provision. 43. A final provision that was deleted from the Article at the same time provided that “[n]o profits shall be attributed to a permanent establishment by reason of the mere purchase by that permanent establishment of goods or merchandise for the enterprise.” Subparagraph 4 d) of Article 5 recognises that where an enterprise of a Contracting State maintains in the other State a fixed place of business exclusively for the purpose of purchasing goods for itself, its activity at that location should not be considered to have reached a level that justifies taxation in that other State. Where, however, subparagraph 4 d) is not applicable because other activities are carried on by the enterprise through that place of business, which therefore constitutes a permanent establishment, it is appropriate to attribute profits to all the functions performed at that location. Indeed, if the purchasing activities were performed by an independent enterprise, the purchaser would be remunerated on an arm’s length basis for its services. Also, since a tax exemption restricted to purchasing activities undertaken for the enterprise would require that expenses incurred for the purposes of performing these activities be excluded in determining the profits of the permanent establishment, such an exemption would raise administrative problems. The Committee therefore considered that a provision according to which no profits should be attributed to a permanent establishment by reason of the mere purchase of goods or merchandise for the enterprise was not consistent with the arm’s length principle and should not be included in the Article.
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Paragraph 3 44. The combination of Articles 7 (which restricts the taxing rights of the State in which the permanent establishment is situated) and 23 A and 23 B (which oblige the other State to provide relief from double taxation) ensures that there is no unrelieved double taxation of the profits that are properly attributable to the permanent establishment. This result may require that the two States resolve differences based on different interpretations of paragraph 2 and it is important that mechanisms be available to resolve all such differences to the extent necessary to eliminate double taxation. 45. As already indicated, the need for the two Contracting States to reach a common understanding as regards the application of paragraph 2 in order to eliminate risks of double taxation has led the Committee to develop detailed guidance on the interpretation of that paragraph. This guidance is reflected in the Report, which draws on the principles of the OECD Transfer Pricing Guidelines. 46. Risks of double taxation will usually be avoided because the taxpayer will determine the profits attributable to the permanent establishment in the same manner in each Contracting State and in accordance with paragraph 2 as interpreted by the Report, which will ensure the same result for the purposes of Articles 7 and 23 A or 23 B (see, however, paragraph 66). Insofar as each State agrees that the taxpayer has done so, it should refrain from adjusting the profits in order to reach a different result under paragraph 2. This is illustrated in the following example. 47. Example. A manufacturing plant located in State R of an enterprise of State R has transferred goods for sale to a permanent establishment of the enterprise situated in State S. For the purpose of determining the profits attributable to the permanent establishment under paragraph 2, the Report provides that a dealing must be recognised and a notional arm’s length price must be determined for that dealing. The enterprise’s documentation, which is consistent with the functional and factual analysis and which has been used by the taxpayer as the basis for the computation of its taxable income in each State, shows that a dealing in the nature of a sale of the goods by the plant in State R to the permanent establishment in State S has occurred and that a notional arm’s length price of 100 has been used to determine the profits attributable to the permanent establishment. Both States agree that the recognition of the dealing and the price used by the taxpayer are in conformity with the principles of the Report and of the OECD Transfer Pricing Guidelines. In this case, both States should refrain from adjusting the profits on the basis that a different arm’s length price should have been used; as long as there is agreement that the taxpayer has conformed with paragraph 2, the tax administrations of both States cannot substitute their judgment for that of the taxpayer as to what are the arm’s length conditions. In this example, the fact that the same arm’s length price has been used in both States and that both States will recognise that price for the purposes of the application of the Convention will ensure that any double taxation related to that dealing will be eliminated under Article 23 A or 23 B. 48. In the previous example, both States agreed that the recognition of the dealing and the price used by the taxpayer were in conformity with the principles of the Report and of the OECD Transfer Pricing Guidelines. The Contracting States, however, may not always reach such an agreement. In some cases, the Report and the OECD Transfer Pricing Guidelines may allow different interpretations of paragraph 2 and, to the extent that double taxation would otherwise result from these different interpretations, it is essential to ensure that such double taxation is relieved. Paragraph 3 provides the mechanism that guarantees that outcome. 49. For example, as explained in paragraphs 105–171 of Part I of the Report, paragraph 2 permits different approaches for determining, on the basis of the attribution of “free” capital to a permanent establishment, the interest expense attributable to that permanent establishment. The Committee recognised that this could create problems, in particular for financial institutions. It concluded that in this and other cases where the two Contracting States have interpreted paragraph 2 differently and
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it is not possible to conclude that either interpretation is not in accordance with paragraph 2, it is important to ensure that any double taxation that would otherwise result from that difference will be eliminated. 50. Paragraph 3 will ensure that this result is achieved. It is important to note, however, that the cases where it will be necessary to have recourse to that paragraph are fairly limited. 51. First, as explained in paragraph 46 above, where the taxpayer has determined the profits attributable to the permanent establishment in the same manner in each Contracting State and both States agree that the taxpayer has done so in accordance with paragraph 2 as interpreted by the Report, no adjustments should be made to the profits in order to reach a different result under paragraph 2. 52. Second, paragraph 3 is not intended to limit in any way the remedies already available to ensure that each Contracting State conforms with its obligations under Articles 7 and 23 A or 23 B. For example, if the determination, by a Contracting State, of the profits attributable to a permanent establishment situated in that State is not in conformity with paragraph 2, the taxpayer will be able to use the available domestic legal remedies and the mutual agreement procedure provided for by Article 25 to address the fact that the taxpayer has not been taxed by that State in accordance with the Convention. Similarly, these remedies will also be available if the other State does not, for the purposes of Article 23 A or 23 B, determine the profits attributable to the permanent establishment in conformity with paragraph 2 and therefore does not comply with the provisions of this Article. 53. Where, however, the taxpayer has not determined the profits attributable to the permanent establishment in conformity with paragraph 2, each State is entitled to make an adjustment in order to ensure conformity with that paragraph. Where one State makes an adjustment in conformity with paragraph 2, that paragraph certainly permits the other State to make a reciprocal adjustment so as to avoid any double taxation through the combined application of paragraph 2 and of Article 23 A or 23 B (see paragraph 65 below). It may be, however, that the domestic law of that other State (e.g. the State where the permanent establishment is located) may not allow it to make such a change or that State may have no incentive to do it on its own if the effect is to reduce the amount of profits that was previously taxable in that State. It may also be that, as indicated above, the two Contracting States will adopt different interpretations of paragraph 2 and it is not possible to conclude that either interpretation is not in accordance with paragraph 2. 54. Such concerns are addressed by paragraph 3. The following example illustrates the application of that paragraph. 55. Example. A manufacturing plant located in State R of an enterprise of State R has transferred goods for sale to a permanent establishment of the enterprise situated in State S. For the purpose of determining the profits attributable to the permanent establishment under paragraph 2, a dealing must be recognised and a notional arm’s length price must be determined for that dealing. The enterprise’s documentation, which is consistent with the functional and factual analysis and which has been used by the taxpayer as the basis for the computation of its taxable income in each State, shows that a dealing in the nature of a sale of the goods by the plant in State R to the permanent establishment in State S has occurred and that a notional price of 90 has been used to determine the profits attributable to the permanent establishment. State S accepts the amount used by the taxpayer but State R considers that the amount is below what is required by its domestic law and the arm’s length principle of paragraph 2. It considers that the appropriate arm’s length price that should have been used is 110 and adjusts the amount of tax payable in State R accordingly after reducing the amount of the exemption (Article 23 A) or the credit (Article 23 B) claimed by the taxpayer with respect to the profits attributable to the permanent establishment. In that situation, since the price of the same dealing will have been determined as 90 in State S and 110 in State R, profits of 20 may be subject to double taxation. Paragraph 3 will address that situation by requiring State S, to the extent that there is indeed double taxation and that the adjustment made by State R is in conformity 632
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with paragraph 2, to provide a corresponding adjustment to the tax payable in State S on the profits that are taxed in both States. 56. If State S, however, does not agree that the adjustment by State R was warranted by paragraph 2, it will not consider that it has to make the adjustment. In such a case, the issue of whether State S should make the adjustment under paragraph 3 (if the adjustment by State R is justified under paragraph 2) or whether State R should refrain from making the initial adjustment (if it is not justified under paragraph 2) will be solved under a mutual agreement procedure pursuant to paragraph 1 of Article 25 using, if necessary, the arbitration provision of paragraph 5 of Article 25 (since it involves the question of whether the actions of one or both of the Contracting States have resulted or will result for the taxpayer in taxation not in accordance with the Convention). Through that procedure, the two States will be able to agree on the same arm’s length price, which may be one of the prices put forward by the taxpayer and the two States or a different one. 57. As shown by the example in paragraph 55, paragraph 3 addresses the concern that the Convention might not provide adequate protection against double taxation in some situations where the two Contracting States adopt different interpretations of paragraph 2 of Article 7 and each State could be considered to be taxing “in accordance with” the Convention. Paragraph 3 ensures that relief of double taxation will be provided in such a case, which is consistent with the overall objectives of the Convention. 58. Paragraph 3 shares the main features of paragraph 2 of Article 9. First, it applies to each State with respect to an adjustment made by the other State. It therefore applies reciprocally whether the initial adjustment has been made by the State where the permanent establishment is situated or by the other State. Also, it does not apply unless there is an adjustment by one of the States. 59. As is the case for paragraph 2 of Article 9, a corresponding adjustment is not automatically to be made under paragraph 3 simply because the profits attributed to the permanent establishment have been adjusted by one of the Contracting States. The corresponding adjustment is required only if the other State considers that the adjusted profits conform with paragraph 2. In other words, paragraph 3 may not be invoked and should not be applied where the profits attributable to the permanent establishment are adjusted to a level that is different from what they would have been if they had been correctly computed in accordance with the principles of paragraph 2. Regardless of which State makes the initial adjustment, the other State is obliged to make an appropriate corresponding adjustment only if it considers that the adjusted profits correctly reflect what the profits would have been if the permanent establishment’s dealings had been transactions at arm’s length. The other State is therefore committed to make such a corresponding adjustment only if it considers that the initial adjustment is justified both in principle and as regards the amount. 60. Paragraph 3 does not specify the method by which a corresponding adjustment is to be made. Where the initial adjustment is made by the State in which the permanent establishment is situated, the adjustment provided for by paragraph 3 could be granted in the other State through the adjustment of the amount of income that must be exempted under Article 23 A or of the credit that must be granted under Article 23 B. Where the initial adjustment is made by that other State, the adjustment provided for by paragraph 3 could be made by the State in which the permanent establishment is situated by re-opening the assessment of the enterprise of the other State in order to reduce the taxable income by an appropriate amount. 61. The issue of so-called “secondary adjustments”, which is discussed in paragraph 8 of the Commentary on Article 9, does not arise in the case of an adjustment under paragraph 3. As indicated in paragraph 28 above, the determination of the profits attributable to a permanent establishment is only relevant for the purposes of Articles 7 and 23 A and 23 B and does not affect the application of other Articles of the Convention. 62. Like paragraph 2 of Article 9, paragraph 3 leaves open the question whether there should be a period of time after the expiration of which a State would not be obDitz
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liged to make an appropriate adjustment to the profits attributable to a permanent establishment following an upward revision of these profits in the other State. Some States consider that the commitment should be open-ended – in other words, that however many years the State making the initial adjustment has gone back, the enterprise should in equity be assured of an appropriate adjustment in the other State. Other States consider that an open-ended commitment of this sort is unreasonable as a matter of practical administration. This problem has not been dealt with in the text of either paragraph 2 of Article 9 or paragraph 3 but Contracting States are left free in bilateral conventions to include, if they wish, provisions dealing with the length of time during which a State should be obliged to make an appropriate adjustment (see on this point paragraphs 39, 40 and 41 of the Commentary on Article 25). 63. There may be cases where the initial adjustment made by one State will not immediately require a corresponding adjustment to the amount of tax charged on profits in the other State (e.g. where the initial adjustment by one State of the profits attributable to the permanent establishment will affect the determination of the amount of a loss attributable to the rest of the enterprise in the other State). The competent authorities may, in accordance with the second sentence of paragraph 3, determine the future impact that the initial adjustment will have on the tax that will be payable in the other State before that tax is actually levied; in fact, in order to avoid the problem described in the preceding paragraph, competent authorities may wish to use the mutual agreement procedure at the earliest opportunity in order to determine to what extent a corresponding adjustment may be required in the other State at a later stage. 64. If there is a dispute between the parties concerned over the amount and character of the appropriate adjustment, the mutual agreement procedure provided for under Article 25 should be implemented, as is the case for an adjustment under paragraph 2 of Article 9. Indeed, as shown in the example in paragraph 55 above, if one of the two Contracting States adjusts the profits attributable to a permanent establishment without the other State granting a corresponding adjustment to the extent needed to avoid double taxation, the taxpayer will be able to use the mutual agreement procedure of paragraph 1 of Article 25, and if necessary the arbitration provision of paragraph 5 of Article 25, to require the competent authorities to agree that either the initial adjustment by one State or the failure by the other State to make a corresponding adjustment is not in accordance with the provisions of the Convention (the arbitration provision of paragraph 5 of Article 25 will play a critical role in cases where the competent authorities would otherwise be unable to agree as it will ensure that the issues that prevent an agreement are resolved through arbitration). 65. Paragraph 3 only applies to the extent necessary to eliminate the double taxation of profits that result from the adjustment. Assume, for instance, that the State where the permanent establishment is situated adjusts the profits that the taxpayer attributed to the permanent establishment to reflect the fact that the price of a dealing between the permanent establishment and the rest of the enterprise did not conform with the arm’s length principle. Assume that the other State also agrees that the price used by the taxpayer was not at arm’s length. In that case, the combined application of paragraph 2 and of Article 23 A or 23 B will require that other State to attribute to the permanent establishment, for the purposes of providing relief of double taxation, adjusted profits that would reflect an arm’s length price. In such a case, paragraph 3 will only be relevant to the extent that States adopt different interpretations of what the correct arm’s length price should be. 66. Paragraph 3 only applies with respect to differences in the determination of the profits attributed to a permanent establishment that result in the same part of the profits being attributed to different parts of the enterprise in conformity with the Article. As already explained (see paragraphs 30 and 31 above), Article 7 does not deal with the computation of taxable income but, instead, with the attribution of profits for the purpose of the allocation of taxing rights between the two Contracting States. The Article therefore only serves to allocate revenues and expenses for the purposes of allocating taxing rights and does not prejudge the issue of which revenues are tax-
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able and which expenses are deductible, which is a matter of domestic law as long as there is conformity with paragraph 2. Where the profits attributed to the permanent establishment are the same in each State, the amount that will be included in the taxable income on which tax will be levied in each State for a given taxable period may be different given differences in domestic law rules, e.g. for the recognition of income and the deduction of expenses. Since these different domestic law rules only apply to the profits attributed to each State, they do not, by themselves, result in double taxation for the purposes of paragraph 3. 67. Also, paragraph 3 does not apply to affect the computation of the exemption or credit under Article 23 A or 23 B except for the purposes of providing what would otherwise be unavailable double taxation relief for the tax paid to the Contracting State in which the permanent establishment is situated on the profits that have been attributed to the permanent establishment in that State. This paragraph will therefore not apply where these profits have been fully exempted by the other State or where the tax paid in the first-mentioned State has been fully credited against the other State’s tax under the domestic law of that other State and in accordance with Article 23 A or 23 B. 68. Some States may prefer that the cases covered by paragraph 3 be resolved through the mutual agreement procedure (a failure to do so triggering the application of the arbitration provision of paragraph 5 of Article 25) if a State does not unilaterally agree to make a corresponding adjustment, without any deference being given to the adjusting State’s preferred position as to the arm’s length price or method. These States would therefore prefer a provision that would always give the possibility for a State to negotiate with the adjusting State over the arm’s length price or method to be applied. States that share that view may prefer to use the following alternative version of paragraph 3: Where, in accordance with paragraph 2, a Contracting State adjusts the profits that are attributable to a permanent establishment of an enterprise of one of the Contracting States and taxes accordingly profits of the enterprise that have been charged to tax in the other State, the other Contracting State shall, to the extent necessary to eliminate double taxation, make an appropriate adjustment if it agrees with the adjustment made by the first-mentioned State; if the other Contracting State does not so agree, the Contracting States shall eliminate any double taxation resulting therefrom by mutual agreement. 69. This alternative version is intended to ensure that the State being asked to give a corresponding adjustment would always be able to require that to be done through the mutual agreement procedure. This version differs significantly from paragraph 3 in that it does not create a legal obligation on that State to agree to give a corresponding adjustment, even where it considers the adjustment made by the other State to have been made in accordance with paragraph 2. The provision would always give the possibility for a State to negotiate with the other State over what is the most appropriate arm’s length price or method. Where the State in question does not unilaterally agree to make the corresponding adjustment, this version of paragraph 3 would ensure that the taxpayer has the right to access the mutual agreement procedure to have the case resolved. Moreover, where the mutual agreement procedure is triggered in such a case, the provision imposes a reciprocal legal obligation on the Contracting States to eliminate the double taxation by mutual agreement even though it does not provide a substantive standard to govern which State has the obligation to compromise its position to achieve that mutual agreement. If the two Contracting States do not reach an agreement to eliminate the double taxation, they will both be in violation of their treaty obligation. The obligation to eliminate such cases of double taxation by mutual agreement is therefore stronger than the standard of paragraph 2 of Article 25, which merely requires the competent authorities to “endeavour” to resolve a case by mutual agreement. 70. If Contracting States agree bilaterally to replace paragraph 3 by the alternative above, the comments made in paragraphs 66 and 67 as regards paragraph 3 will also apply with respect to that provision. Ditz
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Paragraph 4 71. Although it has not been found necessary in the Convention to define the term “profits”, it should nevertheless be understood that the term when used in this Article and elsewhere in the Convention has a broad meaning including all income derived in carrying on an enterprise. Such a broad meaning corresponds to the use of the term made in the tax laws of most OECD member countries. 72. Absent paragraph 4, this interpretation of the term “profits” could have given rise to some uncertainty as to the application of the Convention. If the profits of an enterprise include categories of income which are dealt with separately in other Articles of the Convention, e.g. dividends, the question would have arisen as to which Article should apply to these categories of income, e.g. in the case of dividends, this Article or Article 10. 73. To the extent that an application of this Article and the special Article concerned would result in the same tax treatment, there is little practical significance to this question. Further, it should be noted that some of the special Articles contain specific provisions giving priority to a specific Article (see paragraph 4 of Article 6, paragraph 4 of Articles 10 and 11, paragraph 3 of Article 12, and paragraph 2 of Article 21). 74. The question, however, could arise with respect to other types of income and it has therefore been decided to include a rule of interpretation that ensures that Articles applicable to specific categories of income will have priority over Article 7. It follows from this rule that Article 7 will be applicable to business profits which do not belong to categories of income covered by these other Articles, and, in addition, to income which under paragraph 4 of Articles 10 and 11, paragraph 3 of Article 12 and paragraph 2 of Article 21, fall within Article 7. This rule does not, however, govern the manner in which the income will be classified for the purposes of domestic law; thus, if a Contracting State may tax an item of income pursuant to other Articles of this Convention, that State may, for its own domestic tax purposes, characterise such income as it wishes (i.e. as business profits or as a specific category of income) provided that the tax treatment of that item of income is in accordance with the provisions of the Convention. It should also be noted that where an enterprise of a Contracting State derives income from immovable property through a permanent establishment situated in the other State, that other State may not tax that income if it is derived from immovable property situated in the first-mentioned State or in a third State (see paragraph 4 of the Commentary on Article 21 and paragraphs 9 and 10 of the Commentary on Articles 23 A and 23 B). 75. It is open to Contracting States to agree bilaterally upon special explanations or definitions concerning the term “profits” with a view to clarifying the distinction between this term and e.g. the concept of dividends. It may in particular be found appropriate to do so where in a convention under negotiation a deviation has been made from the definitions in the Articles on dividends, interest and royalties. 76. Finally, it should be noted that two categories of profits that were previously covered by other Articles of the Convention are now covered by Article 7. First, whilst the definition of “royalties” in paragraph 2 of Article 12 of the 1963 Draft Convention and 1977 Model Convention included payments “for the use of, or the right to use, industrial, commercial, or scientific equipment”, the reference to these payments was subsequently deleted from that definition in order to ensure that income from the leasing of industrial, commercial or scientific equipment, including the income from the leasing of containers, falls under the provisions of Article 7 or Article 8 (see paragraph 9 of the Commentary on that Article), as the case may be, rather than under those of Article 12, a result that the Committee on Fiscal Affairs considers appropriate given the nature of such income. 77. Second, before 2000, income from professional services and other activities of an independent character was dealt with under a separate Article, i.e. Article 14. The provisions of that Article were similar to those applicable to business profits but Article 14 used the concept of fixed base rather than that of permanent establishment
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since it had originally been thought that the latter concept should be reserved to commercial and industrial activities. However, it was not always clear which activities fell within Article 14 as opposed to Article 7. The elimination of Article 14 in 2000 reflected the fact that there were no intended differences between the concepts of permanent establishment, as used in Article 7, and fixed base, as used in Article 14, or between how profits were computed and tax was calculated according to which of Article 7 or 14 applied. The effect of the deletion of Article 14 is that income derived from professional services or other activities of an independent character is now dealt with under Article 7 as business profits. This was confirmed by the addition, in Article 3, of a definition of the term “business” which expressly provides that this term includes professional services or other activities of an independent character. Observations on the Commentary 78. Italy and Portugal deem as essential to take into consideration that – irrespective of the meaning given to the fourth sentence of paragraph 77 – as far as the method for computing taxes is concerned, national systems are not affected by the new wording of the model, i.e. by the elimination of Article 14. 79. Belgium cannot share the views expressed in paragraph 14 of the Commentary. Belgium considers that the application of controlled foreign companies legislation is contrary to the provisions of paragraph 1 of Article 7. This is especially the case where a Contracting State taxes one of its residents on income derived by a foreign entity by using a fiction attributing to that resident, in proportion to his participation in the capital of the foreign entity, the income derived by that entity. By doing so, that State increases the tax base of its resident by including in it income which has not been derived by that resident but by a foreign entity which is not taxable in that State in accordance with paragraph 1 of Article 7. That Contracting State thus disregards the legal personality of the foreign entity and acts contrary to paragraph 1 of Article 7. 80. Luxembourg does not share the interpretation in paragraph 14 which provides that paragraph 1 of Article 7 does not restrict a Contracting State’s right to tax its own residents under controlled foreign companies provisions found in its domestic law as this interpretation challenges the fundamental principle contained in paragraph 1 of Article 7. 81. With reference to paragraph 14, Ireland notes its general observation in paragraph 27.5 of the Commentary on Article 1. 82. Sweden wishes to clarify that it does not consider that the different approaches for attributing “free” capital that are included in the Report Attribution of Profits to Permanent Establishments will necessarily lead to a result in accordance with the arm’s length principle. Consequently, Sweden would, when looking at the facts and circumstances of each case, in many cases not consider that the amount of interest deduction resulting from the application of these approaches conforms to the arm’s length principle. When the different views on attributing “free” capital will lead to double taxation, the mutual agreement procedure provided for in Article 25 will have to be used. 83. With reference to paragraphs 27 and 65, the United States wishes to clarify how it will relieve double taxation arising due to the application of paragraph 2 of Article 7. Where a taxpayer can demonstrate to the competent authority of the United States that such double taxation has been left unrelieved after the application of mechanisms under the United States’ domestic law such as the utilisation of foreign tax credit limitation created by other transactions, the United States will relieve such additional double taxation. 84. Turkey does not share the views expressed in paragraph 28 of the Commentary on Article 7.
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Unternehmensgewinne Reservations on the Article
85. Australia reserves the right to include a provision that will permit its domestic law to apply in relation to the taxation of profits from any form of insurance. 86. Australia reserves the right to include a provision clarifying its right to tax a share of business profits to which a resident of the other Contracting State is beneficially entitled where those profits are derived by a trustee of a trust estate (other than certain unit trusts that are treated as companies for Australian tax purposes) from the carrying on of a business in Australia through a permanent establishment. 87. Korea and Portugal reserve the right to tax persons performing professional services or other activities of an independent character if they are present on their territory for a period or periods exceeding in the aggregate 183 days in any twelve month period, even if they do not have a permanent establishment (or a fixed base) available to them for the purpose of performing such services or activities. 88. Italy and Portugal reserve the right to tax persons performing independent personal services under a separate article which corresponds to Article 14 as it stood before its elimination in 2000. 89. The United States reserves the right to amend Article 7 to provide that, in applying paragraphs 1 and 2 of the Article, any income or gain attributable to a permanent establishment during its existence may be taxable by the Contracting State in which the permanent establishment exists even if the payments are deferred until after the permanent establishment has ceased to exist. The United States also wishes to note that it reserves the right to apply such a rule, as well, under Articles 11, 12, 13 and 21. 90. Turkey reserves the right to subject income from the leasing of containers to a withholding tax at source in all cases. In case of the application of Articles 5 and 7 to such income, Turkey would like to apply the permanent establishment rule to the simple depot, depot-agency and operational branch cases. 91. Norway and the United States reserve the right to treat income from the use, maintenance or rental of containers used in international traffic under Article 8 in the same manner as income from shipping and air transport. 92. Australia and Portugal reserve the right to propose in bilateral negotiations a provision to the effect that, if the information available to the competent authority of a Contracting State is inadequate to determine the profits to be attributed to the permanent establishment of an enterprise, the competent authority may apply to that enterprise for that purpose the provisions of the taxation law of that State, subject to the qualification that such law will be applied, so far as the information available to the competent authority permits, in accordance with the principles of this Article. 93. Mexico reserves the right to tax in the State where the permanent establishment is situated business profits derived from the sale of goods or merchandise carried out directly by its home office situated in the other Contracting State, provided that those goods and merchandise are of the same or similar kind as the ones sold through that permanent establishment. The Government of Mexico will apply this rule only as a safeguard against abuse and not as a general “force of attraction” principle; thus, the rule will not apply when the enterprise proves that the sales have been carried out for reasons other than obtaining a benefit under the Convention. 94. The Czech Republic reserves the right to add to paragraph 3 a provision limiting the potential corresponding adjustments to bona fide cases. 95. New Zealand reserves the right to use the previous version of Article 7 taking into account its observation and reservations on that version (i.e. the version included in the Model Tax Convention immediately before the 2010 update of the Model Tax Convention) because it does not agree with the approach reflected in Part I of the 2010 Report Attribution of Profits to Permanent Establishments. It does not, therefore, endorse the changes to the Commentary on the Article made through that update. 96. Chile, Greece, Mexico and Turkey reserve the right to use the previous version of Article 7, i.e. the version that was included in the Model Tax Convention immediately
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Art. 7 (2010)
before the 2010 update of the Model Tax Convention. They do not, therefore, endorse the changes to the Commentary on the Article made through that update. 97. Portugal reserves its right to continue to adopt in its conventions the text of the Article as it read before 2010 until its domestic law is adapted in order to apply the new approach. 98. Slovenia reserves the right to specify that a potential adjustment will be made under paragraph 3 only if it is considered justified.
POSITIONS ON ARTICLE 7 (BUSINESS PROFITS) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. Argentina, Brazil, Indonesia, Latvia, Malaysia, Romania, Serbia, South Africa, Thailand and Hong Kong, China reserve the right to use the previous version of Article 7, i.e. the version that was included in the Model Tax Convention immediately before the 2010 Update, subject to their positions on that previous version (see annex below). 1.1 India reserves the right to use the previous version of Article 7, i.e. the version that was included in the Model Tax Convention immediately before the 2010 update, subject to its positions on that previous version (see annex below). It does not agree with the approach to the attribution of profits to permanent establishments in general that is reflected in the revised Article, in its Commentary and in the consequential changes to the Commentary on other Articles (i.e. paragraph 21 of the Commentary on Article 8, paragraphs 32.1 and 32.2 of the Commentary on Article 10, paragraphs 25.1 and 25.2 of the Commentary on Article 11, paragraphs 21.1 and 21.2 of the Commentary on Article 12, paragraphs 27.1 and 27.2 of the Commentary on Article 13, paragraph 7.2 of the Commentary on Article 15, paragraphs 5.1 and 5.2 of the Commentary on Article 21, paragraphs 3.1 and 3.2 of the Commentary on Article 22 and subparagraph 40 a) of the Commentary on Article 24). 1.2 Argentina and Indonesia reserve the right to include a special provision in the Convention that will permit them to apply their domestic law in relation to the taxation of the profits of an insurance and re-insurance enterprise. 1.3 Whilst the People’s Republic of China understands and respects the separate and independent enterprise principle underlying the new version of Article 7, due to its tax administration capacity it reserves the right to adopt the previous version of the Article and, in some cases, to resort to simpler methods for calculating the profits attributable to a permanent establishment. 2. Malaysia, Thailand and Ukraine reserve the right to add a provision to the effect that, if the information available to the competent authority of a Contracting State is inadequate to determine the profits to be attributed to the permanent establishment of an enterprise, the competent authority may apply to that enterprise the provisions of the taxation law of that State, subject to the qualification that such law will be applied, so far as the information available to the competent authority permits, in accordance with the principles of this Article. 2.1 Albania, Argentina, Brazil, Croatia, Gabon, Indonesia, Ivory Coast, Malaysia, Morocco, the People’s Republic of China, Russia, Serbia, Thailand, Tunisia and Vietnam reserve the right to maintain in their conventions a specific article dealing with the taxation of “independent personal services”. Accordingly, reservation is also made with respect to all the corresponding modifications in the Articles and the Commentaries, which have been modified as a result of the elimination of Article 14.
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Art. 7 (2010)
Unternehmensgewinne
2.2 Bulgaria reserves the right to propose in bilateral negotiations the replacement, in this Article, of the term “profits” with the term “business profits”, provided that it is defined in Article 3. 2.3 Tunisia reserves the right to propose in bilateral negotiations to add a criterion for the taxation in the Source State of the independent personal services, under the former Article 14, based on the amount (to be established through bilateral negotiations) of the remuneration paid. 3. Argentina, Morocco and Thailand reserve the right to tax in the State where the permanent establishment is situated business profits derived from the sale of goods or merchandise which are the same as or of a similar kind to the ones sold through a permanent establishment situated in that State or from other business activities carried on in that State of the same or similar kind as those effected through that permanent establishment. They will apply this rule only as a safeguard against abuse and not as a general “force of attraction principle”. Thus, the rule will not apply when the enterprise proves that the sales or activities have been carried out for reasons other than obtaining a benefit under the Convention. 3.1 Indonesia reserves the right to tax, in the State where the permanent establishment is situated, business profits derived from the sale of goods or merchandise which are the same as or of a similar kind to the ones sold through that permanent establishment or from other business activities carried on in that State of the same or similar kind as those carried on through that permanent establishment. 4. Albania and Vietnam reserve the right to tax in the State where the permanent establishment is situated business profits derived from the sale of goods or merchandise which are the same as or of a similar kind to the ones sold through a permanent establishment situated in that State or from other business activities carried on in that State of the same or similar kind as those effected through that permanent establishment. 4.1 Morocco and the Philippines reserve the right to adopt a length of stay and fixed base criteria in determining whether an individual rendering personal services is taxable. 4.2 The United Arab Emirates reserves the right to include a special provision in its conventions that will permit its domestic law to apply to all activities that are related to the exploration, extraction or exploitation of natural resources, including petroleum activities as well as rendering services in connection with these activities, when these activities are carried out on its territory. 5. Argentina reserves the right to provide that a Contracting State shall not be obliged to allow the deduction of expenses incurred abroad which are not reasonably attributable to the activity carried on by the permanent establishment, taking into account the general principles contained in its domestic legislation concerning executive and administrative expenses for assistance services. 6. [Deleted] 7. Armenia, Lithuania and Serbia reserve the right to add to paragraph 2 a clarification that expenses to be allowed as deductions by a Contracting State shall include only expenses that are deductible under the domestic laws of that State. 8. Serbia reserves the right to specify that a potential adjustment will be made only if it is considered justified. 9. [Deleted] 10. [Deleted] 11. [Deleted] Position on the Commentary 12. Argentina, Brazil, Indonesia, Latvia, Malaysia, Romania, Serbia, South Africa, Thailand and Hong Kong, China will interpret Article 7 as it read before the 2010 Update in line with the relevant Commentary as it stood prior to that update.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–3 Art. 7 (2010)
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 7 (2010) A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und Zweck Grundlegende Überarbeitung des Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“. Der 1 OECD-Rat hat am 22.7.2010 im Rahmen des „Update 2010“ weitreichende Änderungen des Art. 7 beschlossen. Im Kern betreffen die Änderungen der Vorschrift eine uneingeschränkte Anwendung und Umsetzung der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 6 ff.). Wenngleich in diesem Zusammenhang Art. 7 Abs. 2 grundlegend überarbeitet, Art. 7 Abs. 3 i.S. einer korrespondierenden Gewinnberichtigung völlig neu konzipiert und Art. 7 Abs. 4–6 ersatzlos gestrichen wurden, blieb der eigentliche Sinn und Zweck des Art. 7 unangetastet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 1 ff.). Definition des Betriebsstättenprinzips. Art. 7 OECD-MA 2010 regelt – wie Art. 7 2 OECD-MA 2008 – die Abgrenzung von Besteuerungsrechten im Hinblick auf Unternehmensgewinne. So können nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2010 Gewinne eines Unternehmens grundsätzlich nur im Ansässigkeitsstaat des Unternehmers besteuert werden. Der andere Vertragsstaat hat nach dem sog. Betriebsstättenprinzip auf Unternehmensgewinne nur dann ein Besteuerungsrecht, wenn hier eine Betriebsstätte des Unternehmers i.S.d. Art. 5 begründet wird (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 1 und 2). Steht dem anderen Vertragsstaat aufgrund der Begründung einer Betriebsstätte das Besteuerungsrecht auf Unternehmensgewinne zu, regelt Art. 7 Abs. 1 Satz 2, dass sich dieses auf Gewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind, beschränkt (sog. Zurechnungsprinzip, vgl. Art. 7 (2008) Rz. 85 ff.). Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010, auf welchen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 unmittelbar verweist, sind dabei der Betriebsstätte die Gewinne „zuzurechnen“, die sie als selbständiges und von ihrem Stammhaus unabhängiges Unternehmen unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes hätte erzielen können. Infolgedessen sind im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem sog. „Authorised OECD Approach“ (vgl. Rz. 22 ff. und Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.) die von der Betriebsstätte ausgeübten Funktionen, die von ihr übernommenen Risiken sowie die von ihr genutzten Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 erstreckt sich dabei das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates ausdrücklich auch auf Gewinne aus sog. „Innenbeziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 151 ff.). Die wesentliche Änderung des Art. 7 OECD-MA 2010 gegenüber seiner Fassung in 2008 bezieht sich damit auf die in seinem (völlig neu konzipierten) Abs. 2 niedergelegte uneingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für Zwecke der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Art. 7 Abs. 3 als Gegenberichtigungsnorm. Während Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 3 den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab der Betriebsstättengewinnabgrenzung definiert, verpflichtet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 den jeweils anderen Vertragsstaat zu einer korrespondierenden Gegenberichtigung, wenn der eine Vertragsstaat im Einklang mit Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 die Betriebsstättengewinnabgrenzung korrigiert hat und der entsprechende (Mehr-)Gewinn besteuert wurde. Folglich beinhaltet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 eine Regelung zur Vermeidung der (rechtlichen) Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen in den beiden Vertragsstaaten. Denn nach Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 hat eine Einkünfte erhöhende Korrektur im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung eine korrespondierende Einkünfte mindernde Berichtigung im anderen Vertragsstaat zur Folge. Eine Gegenberichtigung hat im anderen Vertragsstaat allerdings nur dann zu erfolgen, wenn die Erstberichtigung auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes und unter Berücksichtigung der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte i.S.d. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 erfolgt. Zur Ermittlung der Gegenberichtigung sind die beiden Vertragsstaaten – bei Bedarf – verpflichtet, sich zu konsultieren.
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Art. 7 (2010) Rz. 4–7
Unternehmensgewinne
II. Aufbau der Vorschrift 4
Vierstufiger Aufbau. Art. 7 ist in seiner Fassung des OECD-MA 2010 vierstufig aufgebaut: Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2010 statuiert das sog. Betriebsstättenprinzip, wonach das Recht zur Besteuerung von Unternehmensgewinnen grundsätzlich beim Ansässigkeitsstaat liegt und dem anderen Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht nur für den Fall des Bestehens einer Betriebsstätte zusteht. Das Besteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates bezieht sich aber nur auf diejenigen Unternehmensgewinne, die der Betriebsstätte „zuzurechnen“ sind. Damit stellt sich die Frage der Betriebsstättengewinnabgrenzung, welche nach Maßgabe des in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 niedergelegten „dealing at arm’s length“-Prinzips unter Berücksichtigung einer uneingeschränkten Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte zu erfolgen hat. Nimmt ein Vertragsstaat an der Betriebsstättengewinnabgrenzung (Einkünfte erhöhende) Berichtigungen vor und besteuert er diese, verpflichtet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 den anderen Vertragsstaat zu einer korrespondierenden Gewinnberichtigung, sofern die Erstberichtigung unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 erfolgte. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 regelt schließlich das sog. Spezialitätsprinzip, wonach die in anderen Vorschriften des OECD-MA getroffenen Regelungen Art. 7 vorgehen. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 entspricht Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008.
III. Rechtsentwicklung 5
Historische Entwicklung des Art. 7. Die historische Entwicklung der einzelnen Absätze des Art. 7 ist im Einzelnen in Rz. 7 ff. zu Art. 7 OECD-MA 2008 dargestellt.
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Bedeutung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008. Die auf eine konsistente Auslegung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 2) und damit auf eine Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen ausgerichteten Arbeiten der OECD mündeten in einem Betriebsstättenbericht 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 11 und 99). So hat der OECD-Rat am 17.7.2008 dem „Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments“ zugestimmt und beschlossen, die Grundsätze des sog. „Functionally Separate Entity Approach“ zukünftig als „Authorised OECD Approach“ umzusetzen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.). Dabei wurde zur Implementierung des „Authorised OECD Approach“ ein zweistufiger Ansatz verfolgt.1 So wurde in einer ersten Stufe der OECD-MK zu Art. 7 im Rahmen eines „Update 2008“ insoweit an den „Authorised OECD Approach“ angepasst, als die Ergebnisse des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 nicht im Widerspruch zu der bereits bestehenden Musterkommentierung zu Art. 7 OECD-MA standen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 103). In einer zweiten Stufe wurden dann zur vollständigen Umsetzung des „Authorised OECD Approach“ Art. 7 und der OECD-MK zu Art. 7 im Rahmen des „Update 2010“ völlig neu konzipiert. Die am 22.7.2010 durch die OECD beschlossene und von ihr veröffentlichte Neufassung des Art. 7 und seiner Musterkommentierung gehen zurück auf Entwürfe vom 7.7.2008,2 vom 24.11.20093 sowie vom 21.5.2010.4 Die in 2010 durch die OECD verabschiedete Neufassung des Art. 7 wurde durch die Bundesrepublik Deutschland bislang in den DBA mit Liechtenstein, den Niederlanden und den Vereinigen Arabischen Emiraten umgesetzt.
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OECD-Betriebsstättenbericht 2010. Zeitgleich mit der Verabschiedung des „Update 2010“ des OECD-MA und des OECD-MK zu Art. 7 wurde am 22.7.2010 der
1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 8. 2 Vgl. OECD, Discussion-Draft on a New Article 7 (Business-Profits) of the OECD Model Tax Convention as of 7 Jul. 2008. Vgl. dazu auch Bobbett/Jones, BIT 2010, 20 ff. 3 Vgl. OECD, Revised Discussion-Draft on a New Article 7 of the OECD Model Tax Convention as of 7 Nov. 2009. 4 Vgl. Draft 2010 Update of the OECD Model Tax Convention as of 21 May 2010. Zur Entwicklung der Entwurfsfassungen des Art. 7 OECD-MA 2010 im Einzelnen vgl. Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 248 ff.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 7–9 Art. 7 (2010)
OECD-Betriebsstättenbericht 2010 veröffentlicht.1 Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 beschreibt Einzelheiten der Anwendung und Umsetzung des nunmehr in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 eindeutig niedergelegten „Authorised OECD Approach“. Infolgedessen wird der „Authorised OECD Approach“ im OECD-MK 2010 zu Art. 7 nur überblickartig dargestellt und im Hinblick auf seine Konkretisierung wird auf den OECD-Betriebsstättenbericht 2010 verwiesen (vgl. Art. 7 Rz. 9 und 23 OECD-MK 2010). Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 stellt eine Aktualisierung des OECD-Betriebsstättenberichts 2008 dar (vgl. Art. 7 Rz. 8 OECD-MK 2010). Er enthält gegenüber seiner Fassung aus 2008 keine neuen Kernaussagen, sondern wurde lediglich an den neuen Wortlaut des Art. 7 OECD-MA 2010 angepasst. Daneben wurden die Verweise auf die OECD-Leitlinien 2010 sowie den OECD-MK 2010 aktualisiert. Mithin entspricht damit auch der Aufbau des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 der Fassung aus 2008. Gestrichen wurden allerdings die Ausführungen zu Art. 7 Abs. 3–5 OECD-MA 2008 sowie die detaillierte Gegenüberstellung des „Relevant Business Activity Approach“ und des „Functionally Separate Entity Approach“.2 Vielmehr wird nur der – nunmehr aus Sicht der OECD unzweifelhaft in Art. 7 Abs. 1 und 2 OECD-MA 2010 geregelte – „Functionally Separate Entity Approach“ dargestellt. Danach sind die Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktionen der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 92 ff.) zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns uneingeschränkt anzuwenden. Die Betriebsstättengewinnabgrenzung erfolgt dabei in zwei Stufen (vgl. Rz. 22 ff. sowie Art. 7 (2008) Rz. 100).
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2008. Im Hinblick auf das Verhältnis 8 des Art. 7 OECD-MA 2010 zu den anderen abkommensrechtlichen Vorschriften ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2008 keine Besonderheiten. Eine Ausnahme besteht lediglich darin, dass in dem Einleitungssatz des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 nunmehr explizit der Anwendungsbereich der Vorschrift festgelegt wird: „Für Zwecke dieses Artikels und Art. 23A und 23B“. Durch diese Ergänzung wird einerseits klargestellt, dass die Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht nur für den Betriebsstättenstaat, sondern auch für den Ansässigkeitsstaat zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung Anwendung findet (vgl. Art. 7 Rz. 18 und 27 OECD-MK 2010). Andererseits wird durch die Ergänzung deutlich, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 7 nicht auf die weiteren Verteilungsnormen – insbesondere nicht auf Art. 11 und 12 – erstreckt. Eine Quellenbesteuerung auf (fingierte) unternehmensinterne Leistungsbeziehungen ist damit ausgeschlossen (vgl. Art. 7 Rz. 28 OECD-MK 2010).3 Im Übrigen gelten die Ausführungen zum OECD-MA 2008 (Art. 7 Rz. 19–29 OECD-MK 2008). 2. EU-Recht Verhältnis zur EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention, welche die EU- 9 Mitgliedsstaaten gegenseitig verpflichtet, im Falle von Einkünftekorrekturen die daraus resultierende Doppelbesteuerung durch ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren zu beseitigen, ist auch in Bezug auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung anwendbar.4 In diesem Zusammenhang verweist Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention – 1 Vgl. OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments as of 22 Jul. 2010. Vgl. dazu auch Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 ff.; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840 ff.). 2 Vgl. dazu Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2008, Rz. 23 ff. 3 In Art. 7 Rz. 29 OECD-MK 2010 wird allerdings erwähnt, dass manche Staaten die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 nicht auf Art. 7 und 23A/B beschränken wollen. So seien auch Quellensteuerregelungen auf fingierte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen denkbar, wobei in diesen Fällen eine gesonderte Regelung in das DBA aufzunehmen ist. 4 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10, Art. 4; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461 Rz. 11.1.2.
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Art. 7 (2010) Rz. 9–11
Unternehmensgewinne
analog zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 – auf die Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und den Fremdvergleichsgrundsatz als wesentliche Prinzipien der Betriebsstättengewinnabgrenzung. Der Wortlaut des Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention entspricht demjenigen des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Einkünftekorrekturen eines Vertragsstaates der EU auf Basis des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA – und damit auf Basis des „Authorised OECD Approach“ – von Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention gedeckt sind. Sollte nach einer solchen Einkünftekorrektur ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention durchgeführt werden, stellt sich ferner die Frage, wie mit dem unterschiedlichen Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 einerseits und des Art. 4 Nr. 2 EU-Schiedskonvention andererseits umzugehen ist. Da auch Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 und infolgedessen – aufgrund des identischen Wortlauts – auch Art. 4 Nr. 2 EUSchiedskonvention auf Basis einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und des Fremdvergleichsgrundsatzes für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung auszulegen sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 110 ff.), sollten sich insoweit keine besonderen Konsequenzen ergeben.1 Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 interne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu identifizieren und mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zu bewerten sind (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 151 ff.). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Schutz der EU-Schiedskonvention über denjenigen des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 und Art. 25 hinausgeht. In EU-Fällen empfiehlt es sich daher, unmittelbar ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention zu beantragen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 30). 10
Betriebsstättengewinnabgrenzung und EU-Recht. Europarechtlich geht im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung die Frage dahin, ob die Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 OECD-MA 2010 ausfüllenden, innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 35 ff.) gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstoßen, soweit sie sich – wie insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 1 Abs. 5 AStG i.d.F. des Entwurfs des JStG 2013 (vgl. Rz. 15 und Art. 7 (2008) Rz. 42) – nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass Entstrickungsregelungen, welche das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 im Hinblick auf die Realisierung stiller Reserven bei „Internal Dealings“ vorgegebene Besteuerungsrecht umsetzen, gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten (insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 49 AEUV) verstoßen. Denn vergleichbare inländische Vorgänge unterliegen regelmäßig keiner Besteuerung (zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 31 und 44).2 Gewinnermittlungsvorschriften, welche das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 auf Basis des „Authorised OECD Approach“ vorgesehene Besteuerungsrecht stiller Reserven im Zeitpunkt der Überführung von Wirtschaftsgütern bzw. der Durchführung von sonstigen Leistungen im innerstaatlichen Recht ausfüllen, werden infolgedessen regelmäßig gegen EU-Recht verstoßen. Innerhalb der EU wird damit der „Authorised OECD Approach“ im Hinblick auf die Realisierung von Gewinnen im Rahmen unternehmensinterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte an den EU-rechtlichen Vorgaben scheitern.3 Das EU-Recht schränkt damit die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 ein. Vielmehr ist insofern eine sog. aufgeschobene Besteuerung geboten (Art. 7 (2008) Rz. 31 und 44).
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Betriebsstättenverlustverrechnung und EU-Recht. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Art. 7 und der Betriebsstättenverlustverrechnung ist auf Rz. 32 der Kommentierung zu Art. 7 (2008) zu verweisen.
1 Vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 (333 f.). 2 Vgl. auch Wassermeyer, IStR 2012, 277 (281); Andresen, DB 2012, 879 (885); Brinkmann/Reiter, DB 2012, 16 ff.; Körner, IStR 2012, 1 (4 f.); a.A. Mitschke, IStR 2012, 6 ff. 3 Vgl. auch Kofler/van Thiel, ET 2011, 327 (329 ff.).
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 12–15 Art. 7 (2010)
3. Innerstaatliches Recht Verhältnis zur unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht. Im Hinblick auf 12 die Beschränkung der Steuerpflicht gelten die in Rz. 33 f. zu Art. 7 (2008) dargestellten Grundsätze entsprechend. Verhältnis zum innerstaatlichen Gewinnermittlungsrecht. Der OECD-MK 2010 zu 13 Art. 7 stellt zutreffend fest, dass die Ebene der Gewinnermittlung (Art. 7 (2008) Rz. 35 ff.) in den Regelungsbereich des innerstaatlichen Rechts fällt (vgl. Art. 7 Rz. 30 f. OECD-MK 2010). Infolgedessen ist die Frage, ob überhaupt und falls ja, in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt ein Vertragsstaat das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 auf Unternehmensgewinne vorgesehene Beteuerungsrecht – insbesondere im Hinblick auf unternehmensinterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen – tatsächlich wahrnimmt, ausschließlich Sache seines innerstaatlichen Rechts. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass Art. 7 OECD-MA 2010 lediglich auf Ebene der Gewinnabgrenzung Self Executing Wirkung entfaltet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 38 f.), kann Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 (präziser: die dieser Vorschrift nachgebildete einschlägige Abkommensnorm) nicht als Rechtsgrundlage für die Realisierung von Gewinnen aus unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte fungieren.1 Fehlende Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht. De lege lata existiert keine 14 Rechtsgrundlage im deutschen innerstaatlichen Recht, welche die Grundsätze des „Authorised OECD Approach“ regelt und in innerstaatliches Recht transformiert. Dies gilt insbesondere für die „Abrechnung“ unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Denn derzeit sehen lediglich § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG und § 12 Abs. 1 KStG im Hinblick auf die Übertragung und Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern sowie § 16 Abs. 3a EStG in Bezug auf die Betriebsverlegung fingierte Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen den betrieblichen Teileinheiten vor (zu Einzelheiten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 41 ff.). Im Übrigen ist auch eine Rechtsgrundlage im Hinblick auf die Zuordnung von Wirtschaftsgütern (Rz. 25) und Risiken (Rz. 24) nach den wesentlichen Personalfunktionen nicht erkennbar. Gleiches gilt für die Bestimmung einer angemessenen Kapitalausstattung der Betriebsstätte (Rz. 27) sowie für die prinzipielle Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Basis der OECD-Leitlinien 2010 im Hinblick auf die Bewertung von unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen. Im Ergebnis füllt daher das innerstaatliche Gewinnermittlungsrecht das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 vorgesehene Recht der Besteuerung von Unternehmensgewinnen (insbesondere im Hinblick auf unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen) nicht aus. Etwas anderes gilt allenfalls im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen einem Unternehmen des Gesellschafters (Mitunternehmer) und seiner Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft). Denn in diesem Fall kann § 1 AStG einschlägig sein (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 44). Ergänzung des § 1 AStG durch den Entwurf des JStG 2013. De lege ferenda plant 15 der Gesetzgeber im Rahmen des Entwurfs des JStG 20132 in § 1 Abs. 4 und 5 AStG Regelungen in das innerstaatliche Recht aufzunehmen, welche den Anwendungsbereich des § 1 AStG auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung ausweiten und insoweit den „Authorised OECD Approach“ in innerstaatliches Recht transformieren sollen.3 Dazu werden gem. § 1 Abs. 4 Satz 3 AStG unternehmensinterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte einer Geschäftsbeziehung zwischen nahe stehenden Personen gleichgestellt („anzunehmende schuldrechtliche Beziehung“). Ferner ist angedacht, in § 1 Abs. 5 AStG n.F. Einzelheiten der Betriebsstättengewinnermittlung nach dem „Authorised OECD Approach“ zu regeln.
1 Vgl. Ditz in Raupach/Pohl/Ditz/Spatscheck/Weggenmann, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2012, 185; Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 (106). 2 Vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 42 ff. 3 Vgl. dazu Andresen, DB 2012, 879 (883 ff.); Wassermeyer, IStR 2012, 277 ff.
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Art. 7 (2010) Rz. 15–18
Unternehmensgewinne
Dies betrifft z.B. die Durchführung einer Funktionsanalyse, die Zuordnung von Wirtschaftsgütern sowie die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf „Geschäftsbeziehungen“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte. Die neuen Regelungen sind in der Literatur – nicht zuletzt aufgrund ihrer Unbestimmtheit und bestehenden Abgrenzungsprobleme zu den Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG und des § 12 Abs. 1 KStG – sehr umstritten.1 Einzelheiten sind in Art. 7 OECD-MA Rz. 42 ff. dargestellt.
B. Betriebsstättenprinzip (Absatz 1) Ausgewählte Literatur: Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kahle/Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Leistungsbeziehungen in internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2010.
I. Regelungszweck 16
Zuordnung von Besteuerungsrechten an Unternehmensgewinnen. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2010 sind Gewinne eines Unternehmens, das eine in einem Vertragsstaat ansässige Person betreibt, grundsätzlich nur in deren Ansässigkeitsstaat zu besteuern. Übt das in einem Vertragsstaat ansässige Unternehmen seine Tätigkeit allerdings im anderen Vertragsstaat durch eine Betriebsstätte aus, sieht die Vorschrift ein Besteuerungsrecht durch den anderen Vertragsstaat, d.h. den Betriebsstättenstaat, vor. Insofern hat sich der Regelungszweck des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2010 gegenüber seiner Fassung von 2008 nicht verändert (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 49 ff.).
II. Quellenbesteuerungsrecht des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 1) 17
Anwendung der Grundsätze des OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2010 entspricht dem Wortlaut des OECD-MA 2008. Insofern kann im Hinblick auf den Regelungszweck der Vorschrift, ihren verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen (insbesondere „Unternehmen“, „Gewinne eines Unternehmens“ und „Unternehmen eines Vertragsstaats“) sowie ihren Rechtsfolgen auf die Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008 verwiesen werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 49 ff.). Gleiches gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die Grundsätze der Besteuerung von Personengesellschaften (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 63 ff.). Dabei ist zu beachten, dass der „Authorised OECD Approach“ einer Einordnung zu Betriebsstätteneinkünften entgegensteht (so die Finanzverwaltung, vgl. Art. 7 OECD-MA 2008 Rz. 79).
III. Umfang des Besteuerungsrechts des Betriebsstättenstaates (Absatz 1 Satz 2) 18
Konkretisierung des Zurechnungsprinzips durch den Fremdvergleichsgrundsatz. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 regelt das sog. Zurechnungsprinzip (zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 85 ff.). Danach können Unternehmensgewinne in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden, wenn sie „der Betriebsstätte gem. den Bestimmungen von Abs. 2 zuzurechnen sind“. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 unterscheidet sich damit von seiner bisherigen Fassung des OECD-MA 2008 durch den expliziten Verweis auf Art. 7 Abs. 2. Dadurch wird klargestellt, dass die Zurechnung von Gewinnen zu einer Betriebsstätte unter Berücksichtigung der Unabhängigkeits- und Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte bzw. des Fremdvergleichsgrundsatzes zu erfol-
1 Vgl. Wassermeyer, IStR 2012, 277 ff.; Andresen, DB 2012, 878 (883 ff.); Andresen/Busch, Ubg 2012, 451 ff.; Kahle, DStZ 2012, 691 (699); Schnitger, IStR 2012, 633 ff.; Busch, BB 2012, 2281 ff.; Wilke, IWB 2012, 271 ff.; Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (41 f.).
646
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 18–19 Art. 7 (2010)
gen hat.1 Im Ergebnis wird dadurch ein direkter Bezug des Art. 7 Abs. 1 zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 hergestellt. Daraus ergeben sich im Wesentlichen zwei Konsequenzen. Aus dem Verweis des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 auf Art. 7 Abs. 2 wird einerseits klargestellt, dass der Gesamtgewinn des Unternehmens die Höhe des der Betriebsstätte zuzurechnenden Gewinns nicht begrenzt (vgl. Art. 7 Rz. 17 OECDMK 2010). Infolgedessen kann einer Betriebsstätte z.B. auch dann ein Gewinn unter Berücksichtigung ihrer Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion zugerechnet werden, wenn das Gesamtunternehmen Verluste erwirtschaftet hat. Dieser Grundsatz einer inkongruenten Gewinnzurechnung gilt indessen bereits in Bezug auf das OECD-MA 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 86 f. und 114; so auch Art. 7 Rz. 11 OECD-MK 2008). Andererseits wird durch den Verweis auf den Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 dem Attraktionsprinzip – wie bereits im OECD-MA 2008 (Art. 7 (2008) Rz. 85) – eine klare Absage erteilt (vgl. Art. 7 Rz. 12 OECD-MK 2010). Anwendung der Grundsätze des OECD-MA 2008. Im Ergebnis resultieren aus der 19 Anpassung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010 gegenüber dem OECD-MA 2008 keine Unterschiede. Vielmehr waren die Ablehnung des Attraktionsprinzips sowie der Grundsatz der inkongruenten Gewinnzurechnung bereits im Rahmen des OECDMA 2008 zu beachten (Art. 7 (2008) Rz. 85 ff.). Darüber hinaus statuiert Art. 7 Abs. 1 OECD-MA 2010 eine Beweislastregel im Hinblick auf das Besteuerungsrecht von Unternehmensgewinnen (zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 66 und 90).
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Absatz 2) Literatur: Andresen, Missverstandener „Authorised OECD Approach“ bei inländischer Bankbetriebsstätte mit mehrjährigen Verlusten, DB 2012, 879; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: Steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Bennett, The Attribution of Profits to Permanent Establishments: The 2008 Commentary on Article 7 of the OECD-Model Convention, ET 2008, 467; Bennett/Russo, OECD-Projekt on Attribution of Profits to Permanent Establishments: An Update, ITPJ 2007, 279; Bennett/Russo, Discussion-Draft on a New Article 7 of the OECD-Model Convention, ITPJ 2009, 73; Busch, Fiktive Transaktionen im Authorised OECD Approach, BB 2012, 2281; Ditz, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte – Neue Entwicklungen auf Ebene der OECD unter besonderer Berücksichtigung des E-Commerce, IStR 2002, 210; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ditz/Schneider, Änderungen des Betriebsstättenerlasses durch das BMF-Schreiben v. 25.8.2009, DStR 2010, 81; Ditz/Tcherveniachki, Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an ausländische Betriebsstätten, Ubg 2012, 101; Förster, Der OECD-Bericht zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns, IWB 3/2007, Fach 10, Gruppe 2, 1929, 1939 und 1947; Förster, Veröffentlichung der OECD zur Revision des Kommentars zu Art. 7 OECD-Musterabkommen, IStR 2007, 398; Förster, Der OECD-Bericht zur Gewinnermittlung bei Versicherungsbetriebsstätten, IStR 2008, 800; Förster/ Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, 617; Greier/Persch, Auswirkungen der Änderung des Art. 7 OECD-MA auf die Gewinnabgrenzung bei Baubetriebsstätten, BB 2012, 1318; Hemmelrath/Kepper, Die Bedeutung des „Authorised OECD Approach“ (AOA) für die deutsche Abkommenspraxis, IStR 2013, 37; Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, München 2011; Kaeser, Betriebsstättenvorbehalte und AOA: Der Begriff der „tatsächlichen Zugehörigkeit“ nach dem OECD-MK 2010, ISR 2012, 63; Kahle, Modernisierung und Vereinfachung des Unternehmensteuerrechts, DStZ 2012, 691; Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kahle/Mödinger, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei ausländischen Betriebsstätten, DB 2011, 2338; Kahle/Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kofler/van Thiel, The „Authorised OECD Approach“ and EU Tax Law, ET 2011, 327; Konrad, Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zu Stammhaus und Betriebsstätte nach dem Functionally Separate Entity-Ansatz, IStR 2003, 786; Kosch, Der OECD-Betriebsstättenbericht 2008 im Vergleich zum deutschen Recht, IStR 2010, 42; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 74; Kroppen, Neue Rechtsentwicklungen bei der Betriebsstätte nach Abkommensrecht, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, 1 Vgl. auch Kußmaul/Ruiner/Delarber, Ubg 2011, 837 (840).
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Art. 7 (2010) Rz. 20–23
Unternehmensgewinne
Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, Köln 2005; Kroppen, Der „Authorised OECD Approach“ zur Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Leistungsbeziehungen im internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2011, 837; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Oosterhoff, The True Importance of Significant People Functions, ITPJ 2008, 68; Russo, The 2008 OECD-Model: An Overview, ET 2008, 459; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung und EU-Recht, IStR 2011, 813; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Staaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wilke, Die geplanten Änderungen in § 1 AStG, IWB 2012, 271.
I. Regelungszweck 20
Gewinnabgrenzung der Höhe nach. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 regelt mit dem Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab der Betriebsstättengewinnabgrenzung der Höhe nach. Insoweit ergeben sich gegenüber dem OECD-MA 2008 keine Unterschiede, sodass auf die Kommentierung zu Art. 7 OECD-MA 2008 verwiesen werden kann (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 89).
21
Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 wurde völlig neu konzipiert. Dies war aus Sicht der OECD notwendig, um bereits im Abkommenstext die uneingeschränkte Umsetzung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung nach dem sog. „Functionally Separate Entity Approach“ unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen. Die wesentlichen Änderungen des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 sind bereits in der Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 12 im Einzelnen dargestellt.
II. Gewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ 1. Vorgehensweise des „Functionally Separate Entity Approach“ 22
Zweistufige Betriebsstättengewinnabgrenzung. Der bereits im OECD-Betriebsstättenbericht 2008 entwickelte „Functionally Separate Entity Approach“ fußt in seinem Kern auf einer uneingeschränkten Umsetzung der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte im Rahmen der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 110 ff.). Dabei vollzieht sich die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte in zwei Schritten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 99 ff.).1 In einer ersten Stufe (vgl. Rz. 23 ff.) wird eine detaillierte Funktionsanalyse durchgeführt, wobei das Stammhaus und seine Betriebsstätte (fiktiv) als eigen- und selbständige Unternehmen behandelt werden. Im Rahmen dieser Funktionsanalyse, welche sich an die Vorgaben der OECD-Leitlinien 2010 anlehnt, werden die von den Unternehmensteilen bei einer unterstellten (fiktiven) Selbständigkeit und Unabhängigkeit ausgeübten Funktionen, die von ihnen wahrgenommenen Risiken und die von ihnen eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen im Einzelnen analysiert (vgl. Art. 7 Rz. 21 OECD-MK 2010). In einer zweiten Stufe (Rz. 30 ff.) werden sodann die zwischen den Unternehmensteilen identifizierten Innentransaktionen auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes bewertet. Dabei kommen die in den OECD-Leitlinien 2010 dargestellten Verrechnungspreisgrundsätze zur Anwendung (vgl. Art. 7 Rz. 22 OECD-MK 2010). 2. Funktionsanalyse unter Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebstätte (Stufe 1)
23
Funktionsanalyse. Im Rahmen der Funktionsanalyse werden die von dem Stammhaus und der Betriebsstätte wahrgenommenen Funktionen und Risiken, die von ihnen eingesetzten Wirtschaftsgüter sowie ihre Kapitalausstattung im Einzelnen analysiert 1 Vgl. Art. 7 Rz. 29 OECD-MK 2010; Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 10.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 23–24 Art. 7 (2010)
und die daraus resultierenden unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen identifiziert (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 121 ff.).1 Im Rahmen der Durchführung der Funktionsanalyse sind die beteiligten Unternehmensteile (Stammhaus und Betriebsstätte) als fiktiv selbständige und unabhängige Unternehmen zu behandeln. Vor diesem Hintergrund sollen – so die OECD – die für die Funktionsanalyse bei verbundenen Unternehmen in den OECD-Leitlinien 2010 dargestellten Grundsätze Anwendung finden.2 Ziel der Funktionsanalyse ist eine gewissenhafte und detaillierte3 Analyse der durch die Unternehmensteile ausgeübten Funktionen, wobei auch die entsprechende Funktionsausprägung (Routineunternehmen versus Strategieträgerschaft) zu untersuchen ist.4 So ist einerseits denkbar, dass die Betriebsstätte weitgehend autonom und eigenständig von ihrem Stammhaus Funktionen wahrnimmt (Strategieträger) oder andererseits lediglich als Dienstleister für einen anderen Unternehmensteil agiert (Routinefunktionen). Die insoweit vorzunehmende Klassifizierung der Betriebsstätte in abhängig oder unabhängig hat unmittelbare Auswirkungen auf die Identifikation und Bewertung unternehmensinterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen (zu einem Beispiel bei Produktions- und Vertriebsbetriebsstätten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 187 ff.).5 Im Rahmen der Funktionsanalyse ist daher nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 auch zu untersuchen, welche Auswirkungen von der Funktionsausübung der Betriebsstätte auf die Erwirtschaftung von Gewinnen ausgehen, d.h., ob es sich bei den entsprechenden Funktionen um eine Neben- oder Unterstützungsfunktion oder um eine Hauptfunktion handelt. Darüber hinaus steht die Identifikation der wesentlichen Personalfunktionen („Significant People Functions“) im Zentrum der Funktionsanalyse.6 Denn nach Auffassung der OECD bilden die wesentlichen Personalfunktionen die Grundlage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 25 und Art. 7 (2008) Rz. 124 ff.) und Risiken (vgl. Rz. 24 und Art. 7 (2008) Rz. 123) zu den unternehmerischen Teileinheiten. Die Analyse von Personalfunktionen bezieht sich insbesondere darauf, welche Personen in welchen Teilen des Unternehmens welche Tätigkeiten ausüben bzw. welche Verantwortungsbereiche übernehmen. Die Personalfunktionen können sich dabei auf rein unterstützende und vorbereitende Tätigkeiten sowie auf übergeordnete und wesentliche Funktionen, welche die Übernahme von Risiken implizieren, beziehen.7 Zuordnung von Risiken. Aufgrund der zivilrechtlichen Einheit zwischen Stamm- 24 haus und Betriebsstätte können – im Gegensatz zu verbundenen Unternehmen – Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht auf Basis vertraglicher Vereinbarungen zugeordnet werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 90 und 123). Infolgedessen sind nach Ansicht der OECD im Betriebsstättenbericht 2010 die Risiken des Gesamtunternehmens – genannt werden etwa Vorrats-, Kredit-, Währungs-, Zins-, Markt-, Produktund Gewährleistungsrisiken – unter Berücksichtigung der wesentlichen Personalfunktionen zuzuordnen.8 Einem Unternehmensteil sind daher solche Risiken zuzuordnen, für welche das Personal der Betriebsstätte verantwortlich ist.9 Mithin hat sich die Zuordnung von Risiken zu den betrieblichen Teileinheiten an den von ihnen ausgeübten Funktionen auszurichten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 123). Werden vor diesem Hintergrund vom Stammhaus hergestellte Produkte zum Vertrieb in die Betriebsstätte geliefert, sind der Betriebsstätte i.d.R. die aus der Vorratshaltung resultierenden Inventarrisiken sowie das aus möglichen Forderungsausfällen resultierende Inkassorisiko zuzuordnen.10 Die der Betriebsstätte zuzuordnenden Risiken haben nach Auffassung der 1 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (759); Kroppen in FS Herzig, 1071 (1075 ff.). 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60 mit Verweis auf Rz. 1.42 ff. OECD-Leitlinien 2010. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 67. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 60. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 61. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 62. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 62. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 70. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 68. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 23–25.
Ditz
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Art. 7 (2010) Rz. 24–25
Unternehmensgewinne
OECD Auswirkungen auf das ihr zuzuordnende Dotationskapital („Capital follows Risk“)1 sowie auf die Ermittlung eines angemessenen Fremdvergleichspreises im Rahmen der Stufe 2 des „Authorised OECD Approach“ (Rz. 30). 25
Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 beschäftigt sich intensiv mit der Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu den betrieblichen Teileinheiten.2 Da in diesem Zusammenhang das zivilrechtliche Eigentum als Kriterium nicht tauglich ist, soll das Konzept des wirtschaftlichen Eigentums („Economic Ownership“) Anwendung finden.3 Das wirtschaftliche Eigentum wird dabei als „equivalent of ownership for income tax purposes by a separate enterprise, with the attendant benefits and burdens (e.g. the right to the income attributable to the ownership of the asset, such as royalties; the right to depreciate a depreciable asset; and the potential exposure to gains or losses from the appreciation or depreciation of the asset“) definiert.4 Infolgedessen sollen die aus einem Wirtschaftsgut resultierenden Einnahmen und Ausgaben derjenigen betrieblichen Teileinheit zugeordnet werden, die auch die Chancen und Risiken aus der Wertänderung eines Wirtschaftsgutes trägt.5 Im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu den betrieblichen Teileinheiten kommt den jeweils ausgeübten Funktionen und getragenen Risiken eine entscheidende Rolle zu (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 128). In diesem Zusammenhang kommt es insbesondere darauf an, welche betriebliche Teileinheit die für die Nutzung des entsprechenden Wirtschaftsguts relevanten Funktionen und damit die wesentlichen Mitarbeiterfunktionen (sog. „Significant People Functions“) ausübt. Was konkret unter diesen wesentlichen Personalfunktionen zu verstehen ist, lässt die OECD offen. Da es sich bei den wesentlichen Personalfunktionen um ein neues Kriterium zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte handelt, kann hinsichtlich der begrifflichen Konkretisierung auch nicht auf die zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern ergangene Rechtsprechung des BFH zurückgegriffen werden (vgl. auch Art. 7 (2008) Rz. 130).6 Vielmehr ist eine eigenständige Begriffsauslegung notwendig. Dabei sollte entscheidend sein, wer im Gesamtunternehmen die Entscheidung zum Erwerb, zur Weiterentwicklung bzw. zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts trifft. Auf die abschließende Entscheidungsmacht kann es dabei nicht ankommen; vielmehr ist maßgeblich, wo die entsprechende Entscheidung praktisch getroffen wird.7 Infolgedessen ist die übergeordnete Leitungsfunktion des Stammhauses, nach welcher jederzeit in die praktischen Entscheidungen über ein Wirtschaftsgut eingegriffen werden kann, i.d.R. unerheblich. Können allerdings Entscheidungen vom Personal der Betriebsstätte nur nach Prüfung und Freigabe durch die Geschäftsführung des Stammhauses tatsächlich umgesetzt werden, lägen in diesem Fall die wesentlichen Personalfunktionen beim Stammhaus. Dies allerdings nur dann, soweit das Personal des Stammhauses tatsächlich eine Prüfung der Angelegenheit durchführt und es sich nicht um einen reinen formalen Akt handelt. Auf Basis der wesentlichen Personalfunktionen ist innerhalb der ersten Stufe der Gewinnabgrenzung auch zu analysieren, ob das Wirtschaftsgut einer betrieblichen Teileinheit (alleiniges wirtschaftliches Eigentum) oder mehreren betrieblichen Teileinheiten gemeinsam (gemeinschaftliches wirtschaftliches Eigentum) zuzuordnen ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 172 f.). Darüber hinaus ist denkbar, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftsgut nicht der betrieblichen Teileinheit zuzuordnen ist, sondern diese das Wirtschaftsgut dem wirtschaftlichen Eigentümer zur Nutzung überlassen wird (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 169).8 Insoweit sind Abgrenzungsprobleme nicht auszuschließen.
1 2 3 4 5 6
Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 71. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 72 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 18 ff. und 73. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 14 Fn. 4. Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (760). Vgl. auch Kaeser, ISR 2012, 63 (67) im Hinblick auf die Frage der Zuordnung von Beteiligungen. 7 So auch Kaeser, ISR 2012, 63 (67). 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 72; siehe ferner Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff.
650
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C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 26–27 Art. 7 (2010)
Zuordnung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter. Für die Zuordnung 26 des wirtschaftlichen Eigentums an Wirtschaftsgütern ist nach Auffassung der OECD zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern zu unterscheiden, wobei der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 in Bezug auf immaterielle Wirtschaftsgüter wiederum zwischen marketingbezogenen und betrieblichen immateriellen Wirtschaftsgütern differenziert. Im Einzelnen: – Materielle Wirtschaftsgüter sind i.d.R. demjenigen Unternehmensteil zuzuordnen, in dem sie genutzt werden. Wird z.B. eine Maschine ausschließlich in der Betriebsstätte genutzt, soll sie dieser zugeordnet werden. Damit ist der Ort der Nutzung nach Auffassung der OECD das entscheidende Merkmal für die Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern.1 Die OECD lässt dabei auch eine anteilige Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu den betrieblichen Teileinheiten zu.2 – Im Hinblick auf selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter ist entscheidend, in welchem Unternehmensteil die wesentlichen Personalfunktionen in Bezug auf das immaterielle Wirtschaftsgut ausgeübt werden. Die wesentlichen Personalfunktionen werden als die aktive Entscheidung, das Entwicklungsrisiko des immateriellen Wirtschaftsguts zu tragen und dieses Risiko zu verwalten, definiert.3 Infolgedessen sollen etwa immaterielle Wirtschaftsgüter, welche in einer Forschungsbetriebsstätte entwickelt werden, dem Stammhaus zuzuordnen sein, wenn in diesem die wesentlichen Entwicklungsentscheidungen getroffen werden und die Betriebsstätte damit faktisch als reiner Auftragsentwickler agiert.4 Auf den Ort der Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts kommt es daher nicht an. – Das Kriterium der wesentlichen Personalfunktionen ist auch im Hinblick auf die Zuordnung von erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern maßgeblich. Hierbei ist auf die Entscheidung zur Übernahme und die Verwaltung der im Zusammenhang mit dem Erwerb des immateriellen Wirtschaftsguts entstehenden Risiken abzustellen.5 – Schließlich nennt der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 marketingbezogene immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. den Firmennamen, ein Logo oder eine Marke. Auch insoweit soll eine Zuordnung auf Basis der wesentlichen Personalfunktionen erfolgen, wobei der Schaffung und der Kontrolle von Strategien zur Markenpolitik, dem Schutz von Marken- und Firmennamen und der Aufrechterhaltung des immateriellen Wirtschaftsguts besondere Bedeutung zukommen.6 Kapitalausstattung der Betriebsstätte. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 27 widmet der Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 135 ff.) ein umfangreiches Kapitel.7 Als Grundsatz geht die OECD davon aus, dass der Betriebsstätte genügend Eigenkapital zuzuordnen ist, damit diese die von ihr wahrgenommenen Funktionen und Risiken sowie die ihr zugeordneten Wirtschaftsgüter angemessen finanzieren kann.8 Die Dotation einer Betriebsstätte mit „freiem Kapital“ ist folglich der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und Risiken nachgelagert. Mithin basiert sie damit im Wesentlichen auf der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 23 sowie Art. 7 (2008) Rz. 121). Im Zusammenhang mit der Bestimmung der Kapitalausstattung der Betriebsstätte geht die OECD davon aus, dass alle betrieblichen Teileinheiten über dieselbe Kreditwürdigkeit verfügen.9 Die Verrechnung von unternehmensinternen Garantien wird von der OECD nicht zugelassen,10 sodass insofern ein Unterschied zur Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen besteht
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Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 75. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 72. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 85. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 87 und 90. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 92 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 96 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 99 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 107. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 99. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 101 und 103.
Ditz
651
Art. 7 (2010) Rz. 27–28
Unternehmensgewinne
(vgl. Art. 9 Rz. 101). Im Hinblick auf die Ermittlung des „freien Kapitals“ (verstanden als Dotationskapital der Betriebsstätte) legt sich die OECD nicht auf eine einzige Methode fest, sondern beschreibt lediglich verschiedene Methoden mit ihren Vorund Nachteilen.1 Im Einzelnen werden die folgenden Methoden dargestellt: – Kapitalaufteilungsmethode:2 Nach der Kapitalaufteilungsmethode wird das Eigenkapital des Gesamtunternehmens im Verhältnis der zugeordneten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgeteilt. Die für die Praxis äußerst relevante Frage der Bewertung der Wirtschaftsgüter und (vor allem) der Risiken lässt die OECD indessen weitgehend offen. – Wirtschaftliche Kapitalaufteilungsmethode:3 Nach der wirtschaftlichen Kapitalaufteilungsmethode bestimmt sich die Kapitalausstattung der Betriebsstätte auf Basis unternehmensinterner Risikomodelle. Nach Auffassung der OECD entspricht diese Methode dem „Authorised OECD Approach“, wobei sie jedoch (zu Recht) praktische Anwendungsprobleme sieht. – Fremdvergleichsmethode:4 Nach dieser Methode ist der Betriebsstätte das Eigenkapital zuzuordnen, welches sie als unabhängiges Unternehmen unter vergleichbaren Bedingungen ausweisen würde. Allerdings räumt selbst der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 Probleme ein, die sich im Hinblick auf die Bestimmung einer solchen „fremdüblichen“ Eigenkapitalausstattung ergeben.5 Die OECD verkennt insoweit, dass die Ermittlung eines angemessenen Dotationskapitals der Betriebsstätte einem Fremdvergleich nicht zugänglich ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 140). – „safe haven“-Methode:6 Nach dieser Methode wird die angemessene Ausstattung einer Betriebsstätte mit Eigenkapital an der Mindestkapitalausstattung eines vergleichbaren Unternehmens abgeleitet (insbesondere unter Berücksichtigung regulatorischer Vorgaben im Bankensektor). – Unterkapitalisierung des Gesamtunternehmens:7 Schließlich befasst sich die OECD im Rahmen der Kapitalzuordnung mit dem Problem einer Unterkapitalisierung des Gesamtunternehmens. In diesem Fall führe die bloße Aufteilung des Eigenkapitals des Gesamtunternehmens nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Daher schlägt die OECD vor, zunächst das Eigenkapital des Gesamtunternehmens auf ein „fremdübliches“ Niveau anzupassen, um es daran anschließend auf die betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen.8 28
Zuordnung von externen Finanzierungsaufwendungen. Nach Auffassung der OECD sind externe Finanzierungsaufwendungen zwischen den betrieblichen Teileinheiten aufzuteilen. Dabei stellt die OECD heraus, dass verschiedene Methoden zur Aufteilung von Finanzierungsaufwendungen grundsätzlich denkbar sind, soweit sie sich am Fremdvergleichsgrundsatz orientieren.9 Erwähnt wird in diesem Zusammenhang zunächst der sog. „Tracing Approach“, nach welchem die externen Quellen der der Betriebsstätte zugeordneten Finanzmittel zurückverfolgt werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 136). Die durch diese externen Mittel veranlassten Zinsen sind dann der Betriebsstätte zuzuordnen. Der ebenfalls von der OECD genannte „Functionality Approach“ geht demgegenüber von einer Aufteilung des für das Gesamtunternehmen entstandenen Zinsaufwandes aufgrund eines angemessenen Schlüssels aus.10
1 In Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 147 gesteht die OECD in diesem Zusammenhang offen ein, dass es nicht möglich war, einen internationalen Konsens im Hinblick auf eine angemessene Bestimmung des der Betriebsstätte zuzuordnen Eigenkapitals zu finden. 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 121 ff. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 128. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 129 ff. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 132. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 135 ff. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 140 ff. 8 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 143. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 150. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 154 ff.
652
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 29–30 Art. 7 (2010)
Anerkennung von Innentransaktionen. Eine der zentralen Aussagen des „Authori- 29 sed OECD Approach“ ist, dass für Zwecke der Gewinnabgrenzung unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anzuerkennen und mit einem Fremdvergleichspreis zu vergüten sind.1 Die OECD spricht insofern von „Dealings“ zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, die als Äquivalent zu schuldrechtlichen Geschäftsbeziehungen zwischen rechtlich selbständigen verbundenen Unternehmen zu verstehen sind.2 Insofern erkennt die OECD an, dass es zwischen Stammhaus und seiner Betriebsstätte zu einem Liefer- und Leistungsaustausch wie zwischen unabhängigen, rechtlich selbständigen Unternehmen (vgl. Art. 9 Rz. 43 ff.) kommen kann. Entsprechende Innentransaktionen sind folglich unmittelbarer Ausfluss der Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 151 ff.).3 Die Anerkennung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen beschränkt sich indessen auf die Anwendung des Art. 7 und des Art. 23A/B; auf die weiteren Vorschriften des OECD-MA haben sie keine Auswirkungen (vgl. Art. 7 Rz. 28 und 29 OECD-MK 2010). Die Erhebung von Quellensteuer auf unternehmensinterne Leistungsverhältnisse (insbesondere auf fiktive Lizenzzahlungen) ist daher nach Auffassung der OECD nicht möglich.4 Im Übrigen sind an ihre steuerliche Anerkennung – mangels schuldrechtlicher Verträge5 – weitergehende Anforderungen zu stellen. So müssen im Rahmen eines „Dealing“ wirtschaftlich wesentliche Risiken, Verantwortlichkeiten und Vorteile zwischen den Unternehmensteilen transferiert werden.6 Innentransaktionen sind ferner buchhalterisch zu dokumentieren, wobei nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 die interne Korrespondenz bzw. weitere Kommunikationsunterlagen als Dokumentationsgrundlagen herangezogen werden können.7 Dabei sollen die Finanzbehörden der Vertragsstaaten unternehmensinterne Transaktionen anerkennen, wenn ihre Dokumentation mit den Ergebnissen der Funktionsanalyse im Einklang steht, die Dokumentation der Innentransaktion nicht von dem abweicht, was unabhängige Unternehmen in einer vergleichbaren Situation vernünftigerweise vereinbart hätten und die dokumentierte Innentransaktion die Grundsätze des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 nicht verletzt, indem z.B. ein Risiko unabhängig von der zugrunde liegenden Funktion übertragen wird (vgl. Art. 7 Rz. 26 OECD-MK 2010).8 3. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Stufe 2) Anwendung der OECD-Leitlinien 2010. Die im Rahmen der Funktionsanalyse iden- 30 tifizierten unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen sind unter Berücksichtigung der Grundsätze der OECD-Leitlinien 2010 fremdvergleichskonform zu vergüten.9 Zur Bestimmung einer fremdvergleichskonformen Vergütung ist eine detaillierte Vergleichbarkeitsanalyse vorzunehmen.10 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Art und die Charakteristika der zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen, die Funktionsanalyse, die Vertragsbedingungen, die wirtschaftlichen Rahmenumstände sowie die Geschäftsstrategien zu berücksichtigen.11 Zur konkreten Bepreisung der unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen kommen die klassischen Verrechnungspreismethoden (d.h. die Preisvergleichs-, die Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode) sowie die geschäftsvor1 Zur Anerkennung von sog. „Dealings“ im Einzelnen vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 172. 2 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 14. 3 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 172. 4 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203. 5 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 279. 6 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 178. 7 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 179. 8 Gemäß Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 181 sollen dabei die Rz. 1.48–1.54 sowie 1.64–1.69 OECD-Leitlinien 2010 zur Anwendung kommen. 9 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 183. 10 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 189 ff. mit Verweis auf die OECD-Leitlinien 2010. 11 Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 190.
Ditz
653
Art. 7 (2010) Rz. 30–32
Unternehmensgewinne
fallbezogenen Gewinnmethoden (d.h. die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode sowie die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode) in Betracht (vgl. Art. 9 Rz. 61 ff.). Die noch im OECD-MK 2008 zu Art. 7 vorgesehene Beschränkung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf die Überführung von Wirtschaftsgütern (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 99 f.) wird damit von der OECD ab 2010 abgelehnt. Insofern kommt es zu einer uneingeschränkten Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für Zwecke ihrer Gewinnabgrenzung, wobei die reine Belastung von Kosten nur in Ausnahmefällen vorgesehen ist (vgl. Rz. 33 und Art. 7 (2008) Rz. 151 und 174). 31
Transaktionen bei materiellen Wirtschaftsgütern. Wird das wirtschaftliche Eigentum an einem Wirtschaftsgut, welches zunächst dem Stammhaus zugeordnet war, auf die Betriebsstätte übertragen, liegt nach Auffassung der OECD eine mit dem Fremdvergleichspreis zu bewertende unternehmensinterne Transaktion vor.1 Da die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf Basis von schuldrechtlichen Verträgen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht erfolgen kann, kommt es – so die OECD – auf die Übertragung der aus dem Wirtschaftsgut resultierenden Risiken und des insoweit übergehenden Nutzens an.2 Wenngleich die OECD in ihrem Betriebsstättenbericht 2010 die konkreten steuerlichen Konsequenzen des Ansatzes des Fremdvergleichspreises im Rahmen der Überführung von materiellen Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte nicht konkretisiert, ist davon auszugehen, dass sie insoweit dem Stammhausstaat ein Besteuerungsrecht auf die im Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven zugesteht. Im Übrigen bildet der Fremdvergleichspreis die Basis zur Bewertung von Abschreibungen, welche die Betriebsstätte im Hinblick auf das überführte Wirtschaftsgut zum Ansatz bringt. Dabei sind allerdings die innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften zu berücksichtigen.3 Neben der Überführung von Wirtschaftsgütern in die ausländische Betriebsstätte hält die OECD auch eine anteilige Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Stammhaus und der Betriebsstätte – unter Berücksichtigung der Grundsätze für Kostenumlagen – für möglich. Diese Alternative kommt insbesondere in den Fällen zum Tragen, in welchen Wirtschaftsgüter gemeinsam von verschiedenen Unternehmensteilen entwickelt oder genutzt werden.4 Schließlich ist auch der Ansatz einer (fiktiven) Miet-, Pachtoder Lizenzgebühr im Rahmen der Nutzung von materiellen Wirtschaftsgütern durch die ausländische Betriebsstätte denkbar.5 Dies setzt allerdings voraus, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem entsprechenden Wirtschaftsgut nicht auf die Betriebsstätte übergeht (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 169).
32
Transaktionen bei immateriellen Wirtschaftsgütern. Auch bei unternehmensinternen Transaktionen in Bezug auf immaterielle Wirtschaftsgüter ist nach Auffassung der OECD der Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt anzuwenden, d.h., die durch einen Unternehmensteil im Zusammenhang mit der Entwicklung oder dem Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsguts wahrgenommenen Funktionen und Risiken sind im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung durch eine fremdvergleichskonforme Vergütung abzugelten.6 Was die konkrete Ermittlung einer fremdvergleichskonformen Vergütung betrifft, enthält der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 keine Vorgaben; vielmehr wird auf die Kap. VI („Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter“), Kap. VII („Verrechnungspreise bei konzerninternen Dienstleistungen“) sowie Kap. VIII („Kostenumlagevereinbarungen“) der OECD-Leitlinien 2010 verwiesen. Damit sind auch im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung die Grundsätze für verbundene Unternehmen anzuwenden. In diesem Zusammenhang weist die OECD allerdings zutreffend darauf hin, dass Verträge (insbesondere Lizenzverträge7) zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht abgeschlossen werden können. Im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung ist infolgedessen von 1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 195 f. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 195. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 196. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 197 f. Vgl. auch Ditz/Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 200 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203.
654
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 32–35 Art. 7 (2010)
entscheidender Bedeutung, welchem Unternehmensteil das entsprechende immaterielle Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der wesentlichen Personalfunktionen zuzuordnen ist.1 So kann das wirtschaftliche Eigentum an dem immateriellen Wirtschaftsgut einem Unternehmensteil alleine oder mehreren Unternehmensteilen zusammen zuzuordnen sein. Die OECD lässt es damit ausdrücklich zu, immaterielle Wirtschaftsgüter mehreren Unternehmensteilen zuzuordnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 172 ff.).2 Ist ein immaterielles Wirtschaftsgut mehreren Unternehmensteilen zuzuordnen, sind die Grundsätze der Kostenumlage zu beachten.3 Daneben ist – so der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 – auch denkbar, dass das wirtschaftliche Eigentum an einem immateriellen Wirtschaftsgut von einem Unternehmensteil auf einen anderen überführt wird. Ist dies der Fall, ist der Marktpreis („fair market value“) anzusetzen, sodass dem Vertragsstaat das Recht eingeräumt wird, die in dem immateriellen Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven zu besteuern.4 Darüber hinaus ist ein Lizenzverhältnis zwischen den Unternehmensteilen anzunehmen, wenn ein solches auch zwischen unabhängigen Unternehmen vereinbart worden wäre.5 Die insofern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte abzurechnende Lizenzgebühr kann keinen Quellenbesteuerungstatbestand auslösen (vgl. Rz. 29).6 Schließlich kann die Betriebsstätte auch als sog. Auftragsforscher oder -entwickler für das Stammhaus tätig werden, wobei die entsprechende Dienstleistung i.d.R. auf Basis der Kostenaufschlagsmethode zu bestimmen ist.7 Umlagevereinbarungen. Wenngleich zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kei- 33 ne Verträge abgeschlossen werden können (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 91), können nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 die Grundsätze der Kostenumlage, wie sie in Kap. VIII OECD-Leitlinien 2010 dargestellt werden, auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Anwendung finden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 150, 172 f.).8 Die Anerkennung von Kostenumlagesystemen setzt allerdings eine entsprechende Dokumentation voraus.9 Erbringung von unternehmensinternen Dienstleistungen. In Bezug auf die unter- 34 nehmensinterne Erbringung von Dienstleistungen stellt der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 – im Gegensatz zum OECD-MK 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 98 f.) – klar, dass auch insofern der Fremdvergleichsgrundsatz uneingeschränkt zur Anwendung kommen soll (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 174). Infolgedessen sind unternehmensinterne Dienstleistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte grundsätzlich auf Basis eines Fremdvergleichspreises (d.h. einschließlich Gewinnelement) zu verrechnen.10 Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Grundsätze der Kostenumlage (Rz. 33) Anwendung finden.11 Gründung und Schließung der Betriebsstätte. Obwohl sich der OECD-Betriebs- 35 stättenbericht 2010 in einem eigenen (aber kurzen) Kapitel mit den Folgen der Gründung und der Schließung einer Betriebsstätte beschäftigt, lässt er die daraus resultierenden Konsequenzen für die Betriebsstättengewinnabgrenzung ausdrücklich offen. Vielmehr verweist die OECD insofern auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 184 ff.).12
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 210. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 201. Vgl. Kap. VIII OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 208. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 209. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 203. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 201 mit Verweis auf Rz. 7.4.1 OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 211 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 214 mit Verweis auf Kap. VIII OECD-Leitlinien 2010. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 216. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 219. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 223.
Ditz
655
Art. 7 (2010) Rz. 36–38
Unternehmensgewinne
36
Dokumentation. Wenngleich die Frage der Dokumentation der Abrechnung unternehmensinterner Lieferungen und Leistungen eine wesentliche praktische Frage der Anwendung des „Authorised OECD Approach“ darstellt, sind die Ausführungen zu dieser Thematik im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 sehr spärlich.1 So wird im Wesentlichen auf Kap. V OECD-Leitlinien 2010 verwiesen, in welchem die Frage der Dokumentation angemessener Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen im Einzelnen dargestellt wird (vgl. Art. 9 Rz. 123). Insofern verkennt die OECD, dass die Identifikation und Ausgestaltung von (schuldrechtlichen) Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen i.d.R. über Verträge dokumentiert werden kann, was indessen bei unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nicht möglich ist. Insofern unterscheidet sich die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen erheblich von derjenigen zwischen verbundenen Unternehmen gem. Art. 9. Wie mit diesen Unterschieden umzugehen ist, wird von der OECD nicht weiter ausgeführt (zu den Dokumentationspflichten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 208 f.).
37
Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten. Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 beschäftigt sich in einem eigenen Kapitel mit der Frage der Gewinnabgrenzung bei Vertreterbetriebsstätten i.S.d. Art. 5 Abs. 5.2 Kern der Ausführungen der OECD ist, dass die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und damit der „Authorised OECD Approach“ auch im Zusammenhang mit Vertreterbetriebsstätten Anwendung finden sollen. Infolgedessen sind der Vertreterbetriebsstätte diejenigen Wirtschaftsgüter und Risiken zuzuordnen, die sich auf die vom Vertreter für seinen Prinzipal wahrgenommenen Funktionen beziehen. Dabei sind insbesondere die wesentlichen Personalfunktionen zu berücksichtigen, welche der Vertreter für das Unternehmen (präziser: für die Betriebsstätte des Unternehmens) ausübt. Der Vertreterbetriebsstätte ist ein Ertrag zuzuordnen, der sich an den ihr zugeordneten Wirtschaftsgütern und Risiken und nicht an der Vergütung des Vertreters zu orientieren hat. Infolgedessen ist der der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnende Gewinn oder Verlust unabhängig von der Vergütung des Vertreters. Die OECD spricht sich demnach gegen die sog. „Nullsummentheorie“ aus (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 195 ff.). Dies heißt allerdings nicht, dass einer Vertreterbetriebsstätte nach Auffassung der OECD per se ein Gewinn zuzurechnen ist. Denn auch nach ihrer Auffassung kann auf Basis der Funktionsanalyse die Schlussfolgerung zu ziehen sein, dass die Vertreterbetriebsstätte ein Nullergebnis oder einen sehr geringen Gewinn auszuweisen hat.3 Hinsichtlich einer Würdigung der Auffassung der OECD kann auf die Kommentierung des Art. 7 (2008) Rz. 196 ff. verwiesen werden. 4. Würdigung des „Authorised OECD Approach“
38
Grenzen des Fremdvergleichsgrundsatzes. Obwohl – nicht zuletzt auf Basis des Art. 7 und des Art. 9 – ein breiter internationaler Konsens darüber besteht, dass die internationale Gewinnabgrenzung im Allgemeinen sowie die Gewinnabgrenzung im internationalen Einheitsunternehmen im Speziellen grundsätzlich am Fremdvergleichsgrundsatz auszurichten ist, wird der Grundsatz des Fremdvergleichs als Maßstab einer internationalen Gewinnabgrenzung in jüngster Zeit zunehmend infrage gestellt.4 Die hierzu angeführten Gründe beziehen sich regelmäßig auf die nicht zu verleugnenden Grenzen, die einer Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz anhaften. Diese resultieren insbesondere daraus, dass zur Umsetzung des „dealing at arm’s length“-Prinzips – außerhalb einer bloßen Aufwandsumlage – Lieferund Leistungsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte identifiziert und bewertet werden müssen. Wenngleich oftmals festgestellt werden kann, dass zwischen Stammhaus und Betriebsstätte ein Leistungsaustausch stattfindet, ist es im Einzelnen meist sehr schwierig, eine entsprechende Leistungsbeziehung zu isolieren 1 2 3 4
Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 224 ff. Vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 227. Zu Einzelheiten vgl. Part I OECD-Betriebsstättenbericht 2010, Rz. 230 ff. Zu den Grenzen des Fremdvergleichs vgl. auch Ditz, Internationale Betriebsstättengewinnabgrenzung, 363 ff.; Luckhaupt/Overesch/Schreiber, StuW 2012, 359 ff.
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Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 38–39 Art. 7 (2010)
und – falls eine solche bestimmt werden konnte – diese mit einem Fremdvergleichspreis zu bewerten. Dies gilt insbesondere für stark verflochtene und integrierte Unternehmen, bei denen einzelne Leistungsbeziehungen zwischen den Unternehmensteilen so eng miteinander verbunden sind oder zeitlich so dicht aufeinanderfolgen, dass eine isolierte Beurteilung der einzelnen Leistungsbeziehungen nicht möglich ist (zur Thematik der Gewinnabgrenzung bei Bau- und Montagebetriebsstätten vgl. Art. 7 (2008) Rz. 200 ff.). Darüber hinaus kommt bei der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte hinzu, dass – wie bereits erwähnt – zwischen beiden Unternehmensteilen keine Verträge abgeschlossen werden können. Während zwischen verbundenen Unternehmen die abgeschlossenen Verträge die Grundlage einer Dokumentation hinsichtlich der Art und Weise von Liefer- und Leistungsbeziehungen bilden, ist dies zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gerade nicht möglich. Die Unterscheidung, ob insoweit z.B. eine Überführung eines Wirtschaftsgutes oder dessen Nutzungsüberlassung vorliegt oder von einem gemeinsamen (wirtschaftlichen) Eigentum an dem Wirtschaftsgut auszugehen ist, stößt insofern an erhebliche (praktische) Grenzen. Mit diesen Grenzen setzt sich die OECD in ihrem Betriebsstättenbericht 2010 nur sehr vage auseinander. Dies überrascht insofern, als auf Ebene der EU – nicht zuletzt aufgrund der mit der Verrechnungspreisermittlung und -dokumentation verbundenen Rechtsunsicherheiten und der daraus resultierenden Gefahr einer internationalen Doppelbesteuerung – das Konzept einer gemeinsamen konsolidierten körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (GKKB) verfolgt wird.1 Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Gruppenergebnisses anhand von Schlüsselgrößen macht die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit die Bestimmung von Verrechnungspreisen für interne Lieferungen und Leistungen überflüssig. Denn mit diesem Konzept wird vermieden, dass Zwischengewinne aus gruppeninternen Geschäftsbeziehungen zu ermitteln und zu versteuern sind. Während auf Ebene der EU eine globale Gewinnaufteilungsmethode diskutiert und auf Basis eines Richtlinienentwurfs zur GKKB v. 16.3.2011 konkret vorgesehen ist, geht die OECD im Hinblick auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung einen entgegengesetzten Weg, den Fremdvergleichsgrundsatz weiter zu stärken. Eine Abstimmung wäre hier wünschenswert gewesen. Probleme der globalen Gewinnaufteilungsmethode. Folgt man der These, dass die 39 Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Hinblick auf die Bewertung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung – insbesondere aus praktischen Gründen – nicht unproblematisch ist, stellt sich die Frage nach den methodischen Alternativen. Eine solche besteht – analog zur GKKB (vgl. Rz. 38) – in der Anwendung der globalen Gewinnaufteilungsmethode.2 Es darf allerdings nicht verkannt werden, dass auch die globale Gewinnaufteilungsmethode mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 214 ff.). Diese betreffen insbesondere die Möglichkeit, die den Gewinn des Gesamtunternehmens verursachenden wirtschaftlichen Faktoren zu identifizieren, zu gewichten und zu einem verursachungsgerechten Aufteilungsschlüssel zusammenzufassen. Ferner sind die Ermittlung des weltweit erzielten Gesamtgewinns sowie die internationale Abstimmung einer Schlüsselgröße nicht unproblematisch. Denn nur bei internationaler Einigkeit über diese Größen ist letztlich eine kongruente Gewinnabgrenzung und somit die Vermeidung einer internationalen Doppelbesteuerung gewährleistet. Allerdings zeigt bereits der am 16.3.2011 von der Europäischen Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf zur GKKB, dass die zwischenstaatliche Einigung auf eine bestimmte Schlüsselgröße ein kaum überwindbares Hindernis darstellt. Ferner erscheint auch die Festlegung international harmonisierter Gewinnermittlungsvorschriften zur Sicherstellung einer kongruenten Gewinnabgrenzung in den beteiligten Staaten illusorisch. Vor diesem Hintergrund sprechen die mit einer zweifachen weltweiten Buchführungspflicht einhergehenden rechtlichen wie auch pragmati1 Zum Konzept der GKKB vgl. Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 773 ff.; Herzig/Kuhr, DB 2011, 2053 ff.; Kußmaul/Niehren, StB 2011, 344 ff.; Förster/Krauß, IStR 2011, 607 ff.; Scheffler/Krebs, DStR 2011, Beihefter zu Heft 22. 2 So auch Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 214.
Ditz
657
Art. 7 (2010) Rz. 39–42
Unternehmensgewinne
schen Probleme gegen die Etablierung der globalen Gewinnabgrenzungsmethode als Standardmethode zur Betriebsstättengewinnabgrenzung. 40
Konsistente Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Vor dem Hintergrund der theoretischen Unzulänglichkeiten und praktischen Anwendungsprobleme der globalen Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 214 ff.) ist es nur konsequent von der OECD, (weiterhin) im Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab zur Gewinnabgrenzung zu sehen. Dabei ist es grundsätzlich sehr begrüßenswert, dass die OECD mit dem „Authorised OECD Approach“ ihre bisherige inkonsistente und widersprüchliche Auslegung des Art. 7 Abs. 2 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 98 ff.) aufgegeben und sich einer uneingeschränkten Interpretation der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte für ihre Gewinnabgrenzung angeschlossen hat (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 110 ff.). Allerdings kann der im OECD-MK 2010 und im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 im Detail dargestellte „Authorised OECD Approach“ nicht in allen Einzelheiten überzeugen.
41
Fehlende Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht. Das grundlegende Problem des „Authorised OECD Approach“ liegt darin, dass er – wie auch die uneingeschränkte Anwendung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 39 ff.) – keine Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht findet. So fehlt es de lege lata an einer Gewinnermittlungsvorschrift des deutschen innerstaatlichen Rechts, welche den Fremdvergleichsgrundsatz für Zwecke der Betriebsstättengewinnermittlung uneingeschränkt vorsieht (vgl. Rz. 14 und Art. 7 (2008) Rz. 39 ff.). Infolgedessen füllt das innerstaatliche Gewinnermittlungsrecht das in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 (und im Übrigen auch in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008) vorgesehene Recht der Besteuerung von Unternehmensgewinnen – insbesondere im Hinblick auf die Gewinnrealisierung im Zusammenhang mit unternehmensinternen Liefer- und Leistungsbeziehungen – nicht aus. Der abkommensrechtlich vorgesehene Fremdvergleichsgrundsatz wird daher durch das innerstaatliche Gewinnermittlungsrecht eingeschränkt. De lege ferenda ist allerdings eine Änderung in § 1 Abs. 4 und 5 AStG vorgesehen, welche den Anwendungsbereich der Vorschrift auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung ausweiten und damit den „Authorised OECD Approach“ umsetzen soll (vgl. Rz. 15 und Art. 7 (2008) Rz. 42 ff.).
42
Funktionsanalyse als erste Stufe des „Authorised OECD Approach“. Der „Authorised OECD Approach“ geht zutreffend in seiner ersten Stufe davon aus, dass die Grundlage der Betriebsstättengewinnabgrenzung eine detaillierte Funktions- und Risikoanalyse der betroffenen Unternehmensteile bildet (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 121 ff.). Im Rahmen der Funktionsanalyse sind die von der Betriebsstätte bzw. ihrem Stammhaus wahrgenommenen Funktionen und Risiken zu analysieren und eine Einordnung in Neben- oder Unterstützungsfunktionen (nach deutschem Begriffsverständnis: Routinefunktionen1) und Hauptfunktionen (nach deutschem Begriffsverständnis: Strategieträger bzw. Entrepreneur2) vorzunehmen. Ist eine solche Funktionscharakterisierung sinnvoll und international üblich (vgl. Art. 9 Rz. 53), führt die OECD im Rahmen des „Authorised OECD Approach“ mit den wesentlichen Personalfunktionen („Significant People Functions“) ein neues Kriterium ein,3 welches die Grundlage der Zuordnung von Risiken (vgl. Rz. 24) und Wirtschaftsgütern (vgl. Rz. 25) zu den unternehmerischen Teileinheiten darstellt. Die übergeordnete Bedeutung des Kriteriums der wesentlichen Personalfunktionen ist indessen nicht unproblematisch: Einerseits fehlt es an einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage, welche dieses Kriterium im Hinblick auf die Zuordnung von Risiken und Wirtschaftsgütern zu einer Betriebsstätte vorsieht. Hier gilt vielmehr eine funktionale Betrachtungsweise unter Berücksichtigung einer tatsächlichen Zugehörigkeit zum Vermögen der Betriebsstätte (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 126). Andererseits ist die Bestimmung und Abgrenzung wesentlicher Personalfunktionen zwi-
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341–1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2 Buchst. a. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341–1/05, BStBl. I 2005, 570 Rz. 3.4.10.2 Buchst. b. 3 Vgl. auch Kaeser, ISR 2012, 63 (67).
658
Ditz
C. Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Abs. 2)
Rz. 42–44 Art. 7 (2010)
schen Stammhaus und Betriebsstätte häufig nicht eindeutig möglich.1 Dies wird besonders offensichtlich, wenn Führungspersonal eines Unternehmens für beide Unternehmensteile tätig wird (was insbesondere bei Geschäftsführungsfunktionen üblich ist, vgl. Art. 7 (2008) Rz. 174), sodass sich hier die Frage stellt, welchem Unternehmensteil die von diesen Personen ausgeübten Funktionen und getroffenen Entscheidungen konkret zuzuordnen sind. Dies offenbart im Übrigen ein Problem, welches sich durchgängig durch die beiden Betriebsstättenberichte der OECD aus 2008 und 2010 durchzieht: Die Ausführungen sind i.d.R. sehr allgemein und vage gehalten und infolgedessen für die Praxis häufig nur wenig tauglich. Im Ergebnis wird der Eindruck erweckt, dass fast alle denkbaren Handlungs-, Zuordnungs- und Abrechnungsalternativen möglich sind, wenn sie nur wirtschaftlich begründbar und dokumentierbar sind. Die Betriebsstättengewinnabgrenzung wird folglich weitgehend in das Ermessen des Steuerpflichtigen gelegt, wobei seine Herangehensweise von den Finanzbehörden zu akzeptieren ist, wenn sie im Einzelnen wirtschaftlich begründbar ist. Der Ermessensspielraum des Steuerpflichtigen wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass Risiken dem Unternehmensteil nicht völlig frei zugeordnet werden können, sondern der Funktionszuordnung folgen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 123). Insofern handelt es sich um eine zutreffende Objektivierung der Betriebsstättengewinnabgrenzung, können doch Verträge zwischen den einzelnen Unternehmensteilen nicht abgeschlossen und folglich auf ihrer Basis Risiken nicht zugeordnet werden.2 Anerkennung unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen. Unter Be- 43 rücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und des Fremdvergleichsgrundsatzes ist es nur konsequent, nach Art. 7 Abs. 2 unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen anzuerkennen und abzurechnen (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 151 ff.). Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die OECD-Betriebsstättenberichte 2008 und 2010 im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung solcher unternehmensinterner Transaktionen sehr vage bleiben. Dies zeigt bereits das Beispiel möglicher unternehmensinterner Transaktionen im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern. Hier stellt sich einerseits die Frage der Abgrenzung der Überführung eines Wirtschaftsguts von seiner Nutzungsüberlassung. Andererseits ist – so die OECD – denkbar, dass das Wirtschaftsgut gleichzeitig mehreren Unternehmensteilen zugeordnet wird (vgl. Rz. 32 und Art. 7 (2008) Rz. 173). Damit offenbaren sich dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang z.B. mit der Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter mehrere Handlungsalternativen. So kann die Entwicklung immaterieller Wirtschaftsgüter durch ein Kostenumlageverfahren organisiert und die insoweit entstehenden immateriellen Wirtschaftsgüter allen Unternehmensteilen (anteilig) zugeordnet werden. Darüber hinaus ist denkbar, dass das immaterielle Wirtschaftsgut durch einen Unternehmensteil alleine entwickelt und nach seiner Entwicklung in andere Unternehmensteile überführt bzw. an diese zur Nutzung überlassen wird. Da auch unter fremden Dritten insofern unterschiedliche Varianten umgesetzt werden können, liegt es letztlich im Ermessen des Steuerpflichtigen, das für ihn günstigste Modell auszuwählen. Die Finanzverwaltung hat dieses anzuerkennen, soweit es nicht im Widerspruch zu den tatsächlich von den Unternehmensteilen ausgeübten Funktionen steht. Zuordnung von Wirtschaftsgütern. Nach Auffassung der OECD sind Wirtschafts- 44 güter unter Berücksichtigung des Kriteriums der wesentlichen Personalfunktionen den Unternehmensteilen zuzuordnen. Das deutsche innerstaatliche Gewinnermittlungsrecht kennt indessen das Kriterium der wesentlichen Personalfunktionen nicht.3 Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wie in Fällen vorzugehen ist, in denen nach innerstaatlichem Recht ein Wirtschaftsgut dem Stammhaus und nach Abkommensrecht – zumindest nach Ansicht der OECD – der Betriebsstätte zuzuordnen ist. Diese Frage lassen die OECD-Betriebsstättenberichte 2008 und 2010 offen. In einem 1 Kritisch auch Kroppen in FS Herzig, 1071 (1089); Niehaves in Haase2, Art. 7 OECD-MA Rz. 213; Schön in Lüdicke, Besteuerung von Unternehmen im Wandel, 71 (99); Kahle/Mödinger, DStZ 2012, 802 (807 f.). 2 A.A. Kroppen in FS Herzig, 1071 (1088) mit der Forderung der Anerkennung von sog. „Pro-Forma-Verträgen“. 3 So auch Kaeser, ISR 2012, 63 (67).
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Art. 7 (2010) Rz. 44–46
Unternehmensgewinne
unmittelbaren Zusammenhang zur Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern steht auch die Frage der Abgrenzungskriterien, nach welchen – wie von der OECD vorgesehen – Wirtschaftsgüter mehreren Unternehmensteilen gleichzeitig zuzuordnen sind bzw. in welchen Fällen von der Überführung eines Wirtschaftsguts (d.h. der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf einen anderen Unternehmensteil) oder seiner Nutzungsüberlassung auszugehen ist (vgl. Rz. 43 und Art. 7 (2008) Rz. 169 und 173). Diese wesentlichen Abgrenzungsfragen werden von der OECD nur allgemein dahin gehend beantwortet, dass auf das Verhalten zwischen unabhängigen Unternehmen abzustellen sei. Unter unabhängigen Unternehmen sind indessen auch längerfristige Nutzungsüberlassungsverträge denkbar, sodass dem Steuerpflichtigen ein erheblicher Ermessensspielraum verbleibt, ob von einer anteiligen Zuordnung des Wirtschaftsgutes, seiner Überführung oder einer Nutzungsüberlassung auszugehen ist. Die Ermessensentscheidung des Steuerpflichtigen ist dabei von der Finanzverwaltung anzuerkennen, wenn sie nicht im Widerspruch zu den von den Unternehmensteilen ausgeübten Funktionen steht. 45
Kapitalausstattung der Betriebsstätte. Im Hinblick auf die Frage der angemessenen Ausstattung der Betriebsstätte mit Dotationskapital verkennt die OECD, dass diese Frage nicht auf Basis eines Fremdvergleichs beantwortet werden kann. Im Ergebnis sind damit die Verlautbarungen der OECD zur Bestimmung des Dotationskapitals der Betriebsstätte nicht überzeugend. Sie gewährleisten weder eine Rechtssicherheit noch eine international übereinstimmende Vorgehensweise. Vielmehr vermitteln die Ausführungen des OECD-Berichts 2010 in diesem Zusammenhang eine Scheingenauigkeit, ohne auf das eigentliche Problem hinzuweisen, dass die Frage der angemessenen Finanzierung einer Betriebsstätte einem Fremdvergleich nicht zugänglich ist (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 135 ff.).1
46
Dokumentation. Ein wesentliches Problem der Betriebsstättengewinnabgrenzung besteht – im Gegensatz zur Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen – darin, dass zwischen Stammhaus und Betriebsstätte keine Verträge abgeschlossen werden können (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 91). Wie stattdessen, d.h. ohne Verträge, unternehmensinterne Liefer- und Leistungsbeziehungen im Einzelnen nachzuweisen und zu dokumentieren sind, bleibt im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 offen. Dies ist insofern unbefriedigend, als die Dokumentation unternehmensinterner Liefer- und Leistungsbeziehungen und die darauf aufbauende Ermittlung von Fremdvergleichspreisen regelmäßig im Fokus der Finanzbehörden – insbesondere im Rahmen von Außenprüfungen – stehen. Vor diesem Hintergrund wäre zu wünschen gewesen, dass die OECD hier genauere Vorgaben macht. Dies nicht zuletzt deswegen, weil hier vielfältige Ausgestaltungsformen bestehen, welche zu sehr unterschiedlichen steuerlichen Konsequenzen führen können. Hinzuweisen ist nur auf die problematische Abgrenzung der Überführung bzw. Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern bzw. ihre anteilige Zuordnung zum Stammhaus und zur Betriebsstätte (Rz. 43). Da hier eine Dokumentation über Verträge ausscheidet, kann ausschließlich über rein wirtschaftliche Argumente eine Dokumentation geführt werden (insbesondere unter Berücksichtigung des Funktionsprofils der Unternehmensteile), welche regelmäßig in Außenprüfungen streitanfällig ist. Mangels anderweitiger Vorgaben haben die Finanzbehörden hier die Dokumentation des Steuerpflichtigen grundsätzlich anzuerkennen, soweit sie nicht im Widerspruch zu den von den betrieblichen Teileinheiten ausgeübten Funktionen und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen steht.
D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Absatz 3) Literatur: Kahle/Mödinger, Die Neufassung des Art. 7 OECD-MA im Rahmen der Aktualisierung des OECD-MA 2010, IStR 2010, 757; Kahle/Mödinger, Vermeidung von Doppelbesteuerung im Bereich der Unternehmensgewinne nach Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010, IStR 2011, 821; Mödinger, Internationale Erfolgs- und Vermögensabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach der Neufassung des Art. 7 OECD-MA; Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2010.
1 Vgl. dazu auch Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 364 ff.
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Ditz
D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Absatz 3)
Rz. 47–49 Art. 7 (2010)
I. Vermeidung der Doppelbesteuerung (Absatz 3 Satz 1) 1. Regelungszweck Gegenberichtigungsnorm. Für den Fall, dass ein Vertragsstaat unter Berücksichti- 47 gung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 den der Betriebsstätte zugeordneten Gewinn korrigiert und diese Gewinnkorrektur besteuert, ist der andere Staat nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 verpflichtet, eine Gegenkorrektur vorzunehmen. Die Gewinnkorrektur kann dabei durch den Ansässigkeits- oder den Betriebsstättenstaat erfolgen (vgl. Art. 7 Rz. 58 OECD-MK 2010). Art. 7 Abs. 3 OECD-MA, der durch das „Update 2010“ neu in das OECD-MA aufgenommen wurde, enthält damit einen dem Art. 9 Abs. 2 entsprechenden Mechanismus (vgl. Art. 9 Rz. 124 ff.), der der Vermeidung der Doppelbesteuerung dient.1 Dieser ist insbesondere – so die OECD – deswegen notwendig, weil der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 niedergelegte und im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 konkretisierte Fremdvergleichsgrundsatz für Zwecke der Betriebsstättengewinnabgrenzung durch die Vertragsstaaten häufig unterschiedlich interpretiert wird und infolgedessen das Risiko einer Doppelbesteuerung entstehen kann (vgl. Art. 7 Rz. 44 und 48 OECD-MK 2010). Beispiel des OECD-MK 2010. Die OECD konkretisiert die Wirkungsweise des Art. 7 48 Abs. 3 OECD-MA 2010 an mehreren Beispielen: Wird z.B. ein Wirtschaftsgut vom Ansässigkeitsstaat des Unternehmens (Stammhaus) in eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte überführt, liegt eine unternehmensinterne Lieferbeziehung vor (vgl. Rz. 31 und Art. 7 (2008) Rz. 160 ff.). Entspricht die Bewertung des überführten Wirtschaftsguts dem Fremdvergleichsgrundsatz und wurden dabei die Grundsätze des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 und des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 beachtet, soll in beiden Vertragsstaaten keine Gewinnkorrektur vorgenommen werden können (vgl. Art. 7 Rz. 47 und 51 OECD-MK 2010). Wird im Rahmen der Bewertung des überführten Wirtschaftsgutes indessen dem Fremdvergleichsgrundsatz nicht Rechnung getragen, ist jeder Vertragsstaat zu einer Gewinnkorrektur berechtigt (vgl. Art. 7 Rz. 53 OECD-MK 2010). Dies setzt freilich eine entsprechende Einkünftekorrekturvorschrift des innerstaatlichen Rechts voraus. Wird der Verrechnungspreis für das überführte Wirtschaftsgut z.B. zu gering angesetzt, d.h., er unterschreitet die Bandbreite angemessener Fremdvergleichspreise, darf der Ansässigkeitsstaat des Unternehmers eine Gewinnkorrektur durchführen. Erfolgt die Gewinnkorrektur dem Grunde und der Höhe nach unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes, ist in diesem Fall gem. Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 der andere Vertragsstaat verpflichtet, eine korrespondierende Gegenkorrektur durchzuführen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift hat die Gegenkorrektur allerdings nur insoweit zu erfolgen, als dies „zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Gewinne erforderlich ist (vgl. Art. 7 Rz. 55 OECD-MK 2010).“ Diese Verpflichtung zur korrespondierenden Gegenkorrektur des anderen Vertragsstaates gilt allerdings nur, wenn dieser die Gewinnkorrektur dem Grunde und der Höhe nach anerkennt (vgl. Art. 7 Rz. 59 OECD-MK 2010). Sollte dies nicht der Fall sein, kann die entstehende Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach Art. 25 oder – innerhalb der EU – auf Basis der EU-Schiedskonvention2 vermieden werden (vgl. Art. 7 Rz. 56 OECD-MK 2010). 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur Gewinnberichtigung und Besteuerung. Als Rechtsfolge einer Gewinnkorrektur 49 durch einen Vertragsstaat fordert Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 die direkte Gegenkorrektur des anderen Vertragsstaates, soweit die Erstkorrektur unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 22 ff.) erfolgte. Voraussetzung für eine Ge-
1 Vgl. Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (762); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 262 f. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10.
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Art. 7 (2010) Rz. 49–51
Unternehmensgewinne
genberichtigung ist, dass der eine Vertragsstaat Gewinne in Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zugerechnet und besteuert hat, und diese Gewinne auch im anderen Vertragsstaat besteuert wurden. Aus dem Wortlaut „berichtigt und dementsprechend Gewinne des Unternehmens besteuert“ folgt, dass die Gewinnkorrektur in dem Vertragsstaat nicht nur durchgeführt wurde, sondern auch der Besteuerung unterlag. Im anderen Vertragsstaat kann daher ein Nachweis über die entsprechende Einkünftekorrektur (z.B. in Form eines geänderten Steuerbescheides oder eines Prüfungsberichtes) vorgelegt werden. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 setzt allerdings nicht voraus, dass die aus der Erstberichtigung entstehende Steuermehrbelastung tatsächlich gezahlt wurde. Vielmehr ist von einem „besteuert“ auch dann auszugehen, wenn die Gewinnkorrektur zu keiner unmittelbaren Steuerzahlungsverpflichtung führt. Dies ist etwa bei Einkünftekorrekturen der Fall, welche mit laufenden Verlusten des Unternehmens verrechnet werden oder wenn die Einkünftekorrektur zu einer Verminderung eines Verlustvortrages führt. Auch in diesen Fällen ist ein Nachweis über die Berichtigung und Besteuerung der Gewinne durch einen Vertragsstaat zu erbringen. Dies unterscheidet Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA vom Verständigungsverfahren gem. Art. 25, das bereits bei einer drohenden Doppelbesteuerung beantragt werden kann. Dies ist insofern sachgerecht, als eine Verpflichtung durch eine Gegenkorrektur eines Vertragsstaates – ohne Verständigung zwischen den Vertragsstaaten – nur dann verpflichtend angenommen werden kann, wenn die Gewinnkorrektur in Steuerbescheiden umgesetzt und infolgedessen entsprechend dokumentiert werden kann. 50
Besteuerung im anderen Vertragsstaat. Neben einer Berichtigung und Besteuerung von Gewinnen im Vertragsstaat, welcher die Gewinnkorrektur durchführt, setzt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 voraus, dass der korrigierte Gewinn im anderen Vertragsstaat ebenfalls einer Steuer unterworfen wurde („die bereits im anderen Staat besteuert wurden“). Dies festzustellen ist praktisch häufig nicht einfach, da i.d.R. entsprechende Unterlagen, aus welchen die Besteuerung der Gewinne im anderen Vertragsstaat unmittelbar hervorgeht, nicht vorliegen. Der Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 ist insoweit allerdings eindeutig, sodass der Nachweis einer Besteuerung nicht vermieden werden kann (z.B. durch einen ausländischen Steuerbescheid). Erforderlich ist dabei im anderen Vertragsstaat lediglich eine Besteuerung dem Grunde nach, d.h., die Vorschrift verlangt weder eine bestimmte Höhe der Besteuerung noch eine Subsumtion der Einkünfte unter die gleiche Einkunftsart. Vielmehr ist entscheidend, dass die Einkünfte in beiden Vertragsstaaten einer Ertragsbesteuerung unterliegen. Einer Steuerzahlungsverpflichtung bedarf es dabei nicht, sodass Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 greift, wenn z.B. eine Steuerzahlung aufgrund einer Verlustsituation ausbliebe.
51
Gewinnberichtigung nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECDMA 2010 sieht die Pflicht zu einer Gegenkorrektur nur für den Fall vor, dass die Erstberichtigung eines Vertragsstaates auf eine Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, wie er in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 und dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 definiert ist, basiert. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 soll damit die Doppelbesteuerung im Hinblick auf eine unterschiedliche Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen der Betriebsstättengewinnabgrenzung durch die Vertragsstaaten vermeiden (vgl. Art. 7 Rz. 45 OECD-MK 2010). Die Vorschrift greift nicht, wenn sich die Doppelbesteuerung aufgrund unterschiedlicher Regelungen des innerstaatlichen Steuerrechts ergibt (vgl. Art. 7 Rz. 66 OECD-MK 2010). Wird bspw. eine unternehmensinterne Lieferungs- oder Leistungsbeziehung abgerechnet, deren entsprechender Aufwand in einem der Vertragsstaaten nach innerstaatlichem Recht als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe1 zu behandeln ist, kann die daraus resultierende Doppelbesteuerung nicht auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 vermieden werden. Vielmehr ist eine solche Doppelbesteuerung durch den Steuerpflichtigen zu akzeptieren und zu tragen.
1 Vgl. etwa § 4 Abs. 5 EStG nach deutschem Verständnis.
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D. Korrespondierende Gewinnberichtigung (Absatz 3)
Rz. 52–54 Art. 7 (2010)
Einigung der Vertragsstaaten. Das wesentliche Problem einer Gegenkorrektur 52 gem. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 besteht in der Praxis darin, dass der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach anerkennen muss. Ist damit eine Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat – eine innerstaatliche Rechtsgrundlage für die entsprechende Einkünftekorrektur vorausgesetzt – ohne Weiteres möglich, würde der andere Vertragsstaat die Verpflichtung zur Gegenkorrektur nur anerkennen, wenn er der Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach unter Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes folgt. Rein praktisch gesprochen wird dabei die Gegenberichtigung nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 vom zuständigen FA geprüft und dann – soweit sie anerkannt wird – umgesetzt. Einer Einigung zwischen den Vertragsstaaten bedarf es insoweit nicht; eine solche ist auch nicht durch den Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Erkennt der andere Vertragsstaat die Gewinnkorrektur nicht an, ist ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren nach Art. 25 oder – in EU-Fällen – der EU-Schiedskonvention1 durchzuführen. Beispiel:2 Der Steuerpflichtige bewertet ein vom Stammhaus in die ausländische Betriebsstätte überführtes Wirtschaftsgut mit 100. Die Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaates bestimmt die Bandbreite fremdvergleichskonformer Werte für das Wirtschaftsgut mit 110–150 und nimmt eine Gewinnkorrektur i.H.v. 20 auf einen fremdvergleichskonformen Wert des Wirtschaftsgutes von 120 vor. Demgegenüber hält die Finanzverwaltung des Betriebsstättenstaates eine Bandbreite von Werten zwischen 80 und 120 für angemessen. Nimmt daher der Ansässigkeitsstaat eine Gewinnkorrektur auf einen Wert von 120 vor, so ist der Betriebsstättenstaat gem. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 zu einer entsprechenden Gegenkorrektur auf 120 verpflichtet. Nimmt die Finanzverwaltung des Ansässigkeitsstaates hingegen eine Gewinnkorrektur auf 150 vor (oberes Ende der Bandbreite), würde dieser Wert nicht innerhalb der durch den Betriebsstättenstaat anerkannten Bandbreite (80–120) liegen. In diesem Fall ließe sich die Doppelbesteuerung nur über ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren vermeiden.
3. Durchführung einer Gegenkorrektur Verpflichtung zur Gegenkorrektur. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 verpflichtet 53 den anderen Vertragsstaat zur Gegenkorrektur, wenn die Erstberichtigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gemäß dem Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 erfolgt (vgl. Art. 7 Rz. 59 OECD-MK 2010). Die Verpflichtung zur Gegenkorrektur durch den anderen Vertragsstaat setzt damit seine Anerkennung der Erstberichtigung voraus (vgl. Rz. 52). Zur Durchführung der Gegenkorrektur bestimmt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 keine konkrete Vorgehensweise. Aus dem Wortlaut der Vorschrift geht allerdings hervor, dass sich die Gegenberichtigung auf die „auf diese Gewinne erhobene Steuer“ auswirken muss. Damit ist einerseits denkbar, dass die Veranlagung im Vertragsstaat der Gegenberichtigung zu ändern ist, d.h. die steuerliche Bemessungsgrundlage – betragsmäßig i.H. der Erstkorrektur – zu mindern ist. In diesem Fall kommt es zu einer spiegelbildlichen Maßnahme in Bezug auf die Erstberichtigung, sodass der Gewinnkorrektur in einem Vertragsstaat (Gewinnerhöhung) eine korrespondierende Gegenkorrektur im anderen Vertragsstaat (Gewinnminderung) korrespondierend gegenübersteht. Andererseits ist es auch möglich, die durch die Erstberichtigung eintretende Doppelbesteuerung durch eine entsprechende Anpassung der Steuerlast zu beseitigen. Dies kann z.B. auf eine Steueranrechnung hinauslaufen, wonach die durch die Gewinnkorrektur ausgelöste Steuernachzahlung im anderen Vertragsstaat angerechnet wird. Welche der beiden Alternativen zur Anwendung kommt, hängt letztlich vom innerstaatlichen Recht des Vertragsstaates ab. Nach deutschem Verständnis wird insofern vieles für eine korrespondierende Gegenkorrektur der steuerlichen Bemessungsgrundlage sprechen. Verfahrensrechtliche Behandlung. Im Hinblick auf die Durchführung der Gegen- 54 berichtigung durch den anderen Vertragsstaat stellt sich die Frage, auf Basis welcher 1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10. 2 Vgl. Art. 7 Rz. 55 f. OECD-MK 2010; Kahle/Mödinger, IStR 2011, 821 (822).
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Art. 7 (2010) Rz. 54–57
Unternehmensgewinne
materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschrift er diese durchzuführen hat. Hinsichtlich der materiell-rechtlichen Regelung stellt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECDMA 2010 die Rechtsgrundlage der Gegenberichtigung dar. Insoweit kommt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 eine Self Executing Wirkung zu; einer zusätzlichen Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht bedarf es nicht. Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlage einer Gegenkorrektur kommen nach deutschem Verständnis § 164 Abs. 2 AO und § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Im Übrigen sind die Billigkeitsvorschriften der §§ 163 und 227 AO, § 34c Abs. 5 EStG sowie § 175a AO zu beachten. Die letztgenannte Vorschrift setzt indessen eine Verständigungsvereinbarung oder einen Schiedsspruch eines Schiedsgerichts voraus, welche im Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA 2010 nicht vorliegen. Lediglich wenn nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2010 ein Verständigungsverfahren (i.V.m. Art. 25) durchgeführt wurde, ist im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 eine Anwendung des § 175a AO denkbar. Infolgedessen müssen Steuerpflichtige, um verfahrensrechtlich eine Gegenberichtigung bei bestandskräftigen Steuerbescheiden zu erhalten, auf das Zustandekommen einer Verständigungsvereinbarung drängen, um in den Anwendungsbereich des § 175a AO zu gelangen. 55
Sekundäre Berichtigung. Sekundärberichtigungen i.S.v. Folgeberichtigungen, wie sie bei Art. 9 Abs. 2 OECD-MA 2010 von Bedeutung sind (vgl. Art. 9 Rz. 131) spielen im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 keine Rolle (vgl. Art. 7 Rz. 61 OECD-MK 2010). 4. Alternativer Wortlaut des Art. 7 Absatz 3 OECD-MA 2010
56
Verpflichtung zur Durchführung eines Verständigungsverfahrens. Art. 7 Rz. 68 OECD-MK 2010 enthält einen alternativen Formulierungsvorschlag des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010. Der wesentliche Unterschied zum Standardwortlaut des Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 besteht darin, dass für den Fall, dass der andere Vertragsstaat der Erstberichtigung nicht zustimmt, zwingend ein Verständigungsverfahren einzuleiten ist.1 Nach Auffassung der OECD sind in einem entsprechenden Verständigungsverfahren die Vertragsparteien – im Gegensatz zu Art. 25 Abs. 1 – verpflichtet, die Doppelbesteuerung zu vermeiden (vgl. Art. 7 Rz. 69 OECD-MK 2010).
II. Konsultationsverfahren (Absatz 3 Satz 2) 1. Regelungszweck 57
Vermeidung der Doppelbesteuerung. Ausgehend von einer fremdvergleichskonformen Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat fordert Art. 7 Abs. 3 Satz 1 OECDMA 2010 zunächst die unmittelbare Gegenkorrektur durch den anderen Vertragsstaat. Geht der andere Vertragsstaat indessen davon aus, dass die Erstberichtigung einem Fremdvergleich nicht entspricht, eröffnet Art. 7 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2010 die Möglichkeit, ein Konsultationsverfahren zu führen. Zweck eines solchen ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch eine detaillierte Prüfung der Finanzbehörden der beiden Vertragsstaaten und einer anschließenden Verhandlung mit dem Ziel, die Doppelbesteuerung zu beseitigen. Die Konsultation entspricht dabei regelmäßig einem Verständigungsverfahren nach Art. 25. Dieses ist durch den Steuerpflichtigen zu beantragen und bildet den Rahmen für eine mögliche Einigung, wobei kein Einigungszwang zwischen den Vertragsstaaten besteht. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass das einschlägige DBA ein obligatorisches Schiedsverfahren vorsieht bzw. die EU-Schiedskonvention2 einschlägig ist.
1 Vgl. auch Kahle/Mödinger, IStR 2011, 821 (823); Plansky, Die Gewinnzurechnung zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 267. 2 Vgl. Übereinkommen Nr. 40/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 58–61 Art. 7 (2010)
2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten Keine Pflicht zur Konsultation. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA 2010 werden 58 die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten „bei Bedarf“ einander konsultieren. Damit besteht keine Pflicht zur Konsultation zwischen den Vertragsstaaten; mithin hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf Einleitung eines Konsultationsverfahrens. Die Vertragsstaaten haben allerdings ein Verständigungsverfahren zu führen, wenn dieses durch den Steuerpflichtigen beantragt wird (Art. 25).
E. Vorrang der Spezialartikel (Absatz 4) Keine Änderungen gegenüber dem OECD-MA 2008. Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2010 59 entspricht Art. 7 Abs. 7 OECD-MA 2008. Insoweit ergeben sich durch das „Update 2010“ keine Änderungen, sodass auf die Kommentierung zu Art. 7 (2008) Rz. 229 ff. verwiesen werden kann.
F. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 60 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten 61
Die DBA Deutschlands sind bei Art. 7 (2008) Rz. 234 ff. erläutert.
Ditz
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Artikel 8
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt (1) Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. (2) Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, können nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. (3) Befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der See- oder Binnenschifffahrt an Bord eines Schiffes, so gilt er als in dem Vertragsstaat gelegen, in dem der Heimathafen des Schiffes liegt, oder, wenn kein Heimathafen vorhanden ist, in dem Vertragsstaat, in dem die Person ansässig ist, die das Schiff betreibt. (4) Absatz 1 gilt auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezialvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsstättenprinzip . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Absätze 1 und 2 . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absatz 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1) 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internationaler Verkehr. . . . . . . . . . 4. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewinn aus dem Betrieb . . . . . . . . . 6. Mischbetriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Personengesellschaften/Partenreedereien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. 1. 2. 3.
Binnenschifffahrt (Absatz 2) . . . Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . Betrieb von Binnenschiffen . . . . . Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinn aus dem Betrieb . . . . . . .
Rauert
. . . . . . . . . . .
1
. . . . . . . . . . .
1 1 2 3 6 6 7 8 9 9 14
.. ..
19 19
.. ..
20 32
.. .. ..
38 40 42
..
46
.... .... ....
50 50 51
.... ....
52 53
D. Sonderfall: Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (Absatz 3). . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heimathafen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderfall: Fehlender Heimathafen
666
..
. . . .
. . . .
54 54 55 56
E. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Absatz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 59
F. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . .
60
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . V. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . VI. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . VII. Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 61 62 65 67 67 68 70 72 72 73 75 77 77 78 81 83 83 84 87 89 89 90 92 94 94 95
Art. 8
OECD-Musterkommentar 3. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. X. 1. 2. 3. XI. 1. 2. 3. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3.
Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Schweiz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Spanien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung USA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 101 101 102 105 107 107 108 114 116 116 117 127 129 129 130 132 134 134 135 137 139 139 140 143 145 145 146 150 152 152 153 156
XVI. Sonstige relevante DBA . . . . . . . . 1. Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liberia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Malta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insel Man . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 6. Singapur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zypern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . .
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158 158 158 159
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165 167 167 168
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171 173 173 174
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180 182 182 183
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189 191 191 192
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195 197 197 201
. . . 205
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 8 CONCERNING THE TAXATION OF PROFITS FROM SHIPPING, INLAND WATERWAYS TRANSPORT AND AIR TRANSPORT Paragraph 1 1. The object of paragraph 1 concerning profits from the operation of ships or aircraft in international traffic is to secure that such profits will be taxed in one State alone. The provision is based on the principle that the taxing right shall be left to the Contracting State in which the place of effective management of the enterprise is situated. The term “international traffic” is defined in subparagraph e) of paragraph 1 of Article 3. 2. In certain circumstances the Contracting State in which the place of effective management is situated may not be the State of which an enterprise operating ships or aircraft is a resident, and some States therefore prefer to confer the exclusive taxing right on the State of residence. Such States are free to substitute a rule on the following lines: Rauert
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Profits of an enterprise of a Contracting State from the operation of ships or aircraft in international traffic shall be taxable only in that State. 3. Some other States, on the other hand, prefer to use a combination of the residence criterion and the place of effective management criterion by giving the primary right to tax to the State in which the place of effective management is situated while the State of residence eliminates double taxation in accordance with Article 23, so long as the former State is able to tax the total profits of the enterprise, and by giving the primary right to tax to the State of residence when the State of effective management is not able to tax total profits. States wishing to follow that principle are free to substitute a rule on the following lines: Profits of an enterprise of a Contracting State from the operation of ships or aircraft, other than those from transport by ships or aircraft operated solely between places in the other Contracting State, shall be taxable only in the first-mentioned State. However, where the place of effective management of the enterprise is situated in the other State and that other State imposes tax on the whole of the profits of the enterprise from the operation of ships or aircraft, the profits from the operation of ships or aircraft, other than those from transport by ships or aircraft operated solely between places in the first-mentioned State, may be taxed in that other State. 4. The profits covered consist in the first place of the profits directly obtained by the enterprise from the transportation of passengers or cargo by ships or aircraft (whether owned, leased or otherwise at the disposal of the enterprise) that it operates in international traffic. However, as international transport has evolved, shipping and air transport enterprises invariably carry on a large variety of activities to permit, facilitate or support their international traffic operations. The paragraph also covers profits from activities directly connected with such operations as well as profits from activities which are not directly connected with the operation of the enterprise’s ships or aircraft in international traffic as long as they are ancillary to such operation. 4.1 Any activity carried on primarily in connection with the transportation, by the enterprise, of passengers or cargo by ships or aircraft that it operates in international traffic should be considered to be directly connected with such transportation. 4.2 Activities that the enterprise does not need to carry on for the purposes of its own operation of ships or aircraft in international traffic but which make a minor contribution relative to such operation and are so closely related to such operation that they should not be regarded as a separate business or source of income of the enterprise should be considered to be ancillary to the operation of ships and aircraft in international traffic. 4.3 In light of these principles, the following paragraphs discuss the extent to which paragraph 1 applies with respect to some particular types of activities that may be carried on by an enterprise engaged in the operation of ships or aircraft in international traffic. 5. Profits obtained by leasing a ship or aircraft on charter fully equipped, crewed and supplied must be treated like the profits from the carriage of passengers or cargo. Otherwise, a great deal of business of shipping or air transport would not come within the scope of the provision. However, Article 7, and not Article 8, applies to profits from leasing a ship or aircraft on a bare boat charter basis except when it is an ancillary activity of an enterprise engaged in the international operation of ships or aircraft. 6. Profits derived by an enterprise from the transportation of passengers or cargo otherwise than by ships or aircraft that it operates in international traffic are covered by the paragraph to the extent that such transportation is directly connected with the operation, by that enterprise, of ships or aircraft in international traffic or is an ancillary activity. One example would be that of an enterprise engaged in international transport that would have some of its passengers or cargo transported internationally by ships or aircraft operated by other enterprises, e.g. under code-sharing or slot-chartering arrangements or to take advantage of an earlier sailing. Another
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example would be that of an airline company that operates a bus service connecting a town with its airport primarily to provide access to and from that airport to the passengers of its international flights. 7. A further example would be that of an enterprise that transports passengers or cargo by ships or aircraft operated in international traffic which undertakes to have those passengers or that cargo picked up in the country where the transport originates or transported or delivered in the country of destination by any mode of inland transportation operated by other enterprises. In such a case, any profits derived by the first enterprise from arranging such transportation by other enterprises are covered by the paragraph even though the profits derived by the other enterprises that provide such inland transportation would not be. 8. An enterprise will frequently sell tickets on behalf of other transport enterprises at a location that it maintains primarily for purposes of selling tickets for transportation on ships or aircraft that it operates in international traffic. Such sales of tickets on behalf of other enterprises will either be directly connected with voyages aboard ships or aircraft that the enterprise operates (e.g. sale of a ticket issued by another enterprise for the domestic leg of an international voyage offered by the enterprise) or will be ancillary to its own sales. Profits derived by the first enterprise from selling such tickets are therefore covered by the paragraph. 8.1 Advertising that the enterprise may do for other enterprises in magazines offered aboard ships or aircraft that it operates or at its business locations (e.g. ticket offices) is ancillary to its operation of these ships or aircraft and profits generated by such advertising fall within the paragraph. 9. Containers are used extensively in international transport. Such containers frequently are also used in inland transport. Profits derived by an enterprise engaged in international transport from the lease of containers are usually either directly connected or ancillary to its operation of ships or aircraft in international traffic and in such cases fall within the scope of the paragraph. The same conclusion would apply with respect to profits derived by such an enterprise from the short-term storage of such containers (e.g. where the enterprise charges a customer for keeping a loaded container in a warehouse pending delivery) or from detention charges for the late return of containers. 10. An enterprise that has assets or personnel in a foreign country for purposes of operating its ships or aircraft in international traffic may derive income from providing goods or services in that country to other transport enterprises. This would include (for example) the provision of goods and services by engineers, ground and equipment-maintenance staff, cargo handlers, catering staff and customer services personnel. Where the enterprise provides such goods to, or performs services for, other enterprises and such activities are directly connected or ancillary to the enterprise’s operation of ships or aircraft in international traffic, the profits from the provision of such goods or services to other enterprises will fall under the paragraph. 10.1 For example, enterprises engaged in international transport may enter into pooling arrangements for the purposes of reducing the costs of maintaining facilities needed for the operation of their ships or aircraft in other countries. For instance, where an airline enterprise agrees, under an International Airlines Technical Pool agreement, to provide spare parts or maintenance services to other airlines landing at a particular location (which allows it to benefit from these services at other locations), activities carried on pursuant to that agreement will be ancillary to the operation of aircraft in international traffic. 11. [Deleted] 12. The paragraph does not apply to a shipbuilding yard operated in one country by a shipping enterprise having its place of effective management in another country. 13. [Renumbered] 14. Investment income of shipping or air transport enterprises (e.g. income from stocks, bonds, shares or loans) is to be subjected to the treatment ordinarily applied Rauert
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to this class of income, except where the investment that generates the income is made as an integral part of the carrying on of the business of operating the ships or aircraft in international traffic in the Contracting State so that the investment may be considered to be directly connected with such operation. Thus, the paragraph would apply to interest income generated, for example, by the cash required in a Contracting State for the carrying on of that business or by bonds posted as security where this is required by law in order to carry on the business: in such cases, the investment is needed to allow the operation of the ships or aircraft at that location. The paragraph would not apply, however, to interest income derived in the course of the handling of cash-flow or other treasury activities for permanent establishments of the enterprise to which the income is not attributable or for associated enterprises, regardless of whether these are located within or outside that Contracting State, or for the head office (centralisation of treasury and investment activities), nor would it apply to interest income generated by the short-term investment of the profits generated by the local operation of the business where the funds invested are not required for that operation. Paragraph 2 15. The rules with respect to the taxing right of the State of residence as set forth in paragraphs 2 and 3 above apply also to this paragraph of the Article. 16. The object of this paragraph is to apply the same treatment to transport on rivers, canals and lakes as to shipping and air transport in international traffic. The provision applies not only to inland waterways transport between two or more countries, but also to inland waterways transport carried on by an enterprise of one country between two points in another country. 16.1 Paragraphs 4 to 14 above provide guidance with respect to the profits that may be considered to be derived from the operation of ships or aircraft in international traffic. The principles and examples included in these paragraphs are applicable, with the necessary adaptations, for purposes of determining which profits may be considered to be derived from the operation of boats engaged in inland waterways transport. 17. The provision does not prevent specific tax problems which may arise in connection with inland waterways transport, in particular between adjacent countries, from being settled specially by bilateral agreement. 17.1 It may also be agreed bilaterally that profits from the operation of vessels engaged in fishing, dredging or hauling activities on the high seas be treated as income falling under this Article. Enterprises not exclusively engaged in shipping, inland waterways transport or air transport 18. It follows from the wording of paragraphs 1 and 2 that enterprises not exclusively engaged in shipping, inland waterways transport or air transport nevertheless come within the provisions of these paragraphs as regards profits arising to them from the operation of ships, boats or aircraft belonging to them. 19. If such an enterprise has in a foreign country permanent establishments exclusively concerned with the operation of its ships or aircraft, there is no reason to treat such establishments differently from the permanent establishments of enterprises engaged exclusively in shipping, inland waterways transport or air transport. 20. Nor does any difficulty arise in applying the provisions of paragraphs 1 and 2 if the enterprise has in another State a permanent establishment which is not exclusively engaged in shipping, inland waterways transport or air transport. If its goods are carried in its own ships to a permanent establishment belonging to it in a foreign country, it is right to say that none of the profit obtained by the enterprise through acting as its own carrier can properly be taxed in the State where the permanent establishment is situated. The same must be true even if the permanent establishment maintains installations for operating the ships or aircraft (e.g. consignment 670
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wharves) or incurs other costs in connection with the carriage of the enterprise’s goods (e.g. staff costs). In this case, even though certain functions related to the operation of ships and aircraft in international traffic may be performed by the permanent establishment, the profits attributable to these functions are taxable exclusively in the State where the place of effective management of the enterprise is situated. Any expenses, or part thereof, incurred in performing such functions must be deducted in computing that part of the profit that is not taxable in the State where the permanent establishment is located and will not, therefore, reduce the part of the profits attributable to the permanent establishment which may be taxed in that State pursuant to Article 7. 21. Where ships or aircraft are operated in international traffic, the application of the Article to the profits arising from such operation will not be affected by the fact that the ships or aircraft are operated by a permanent establishment which is not the place of effective management of the whole enterprise; thus, even if such profits could be attributed to the permanent establishment under Article 7, they will only be taxable in the State in which the place of effective management of the enterprise is situated (a result that is confirmed by paragraph 4 of Article 7). Paragraph 3 22. This paragraph deals with the particular case where the place of effective management of the enterprise is aboard a ship or a boat. In this case tax will only be charged by the State where the home harbour of the ship or boat is situated. It is provided that if the home harbour cannot be determined, tax will be charged only in the Contracting State of which the operator of the ship or boat is a resident. Paragraph 4 23. Various forms of international co-operation exist in shipping or air transport. In this field international co-operation is secured through pooling agreements or other conventions of a similar kind which lay down certain rules for apportioning the receipts (or profits) from the joint business. 24. In order to clarify the taxation position of the participant in a pool, joint business or in an international operating agency and to cope with any difficulties which may arise the Contracting States may bilaterally add the following, if they find it necessary: … but only to so much of the profits so derived as is attributable to the participant in proportion to its share in the joint operation. 25. [Renumbered] Observations on the Commentary 26. [Renumbered] 27. [Deleted] 28. Greece and Portugal reserve their position as to the application of this Article to income from ancillary activities (see paragraphs 4 to 10.1). 29. Germany, Greece and Turkey reserve their position as to the application of the Article to income from inland transportation of passengers or cargo and from container services (see paragraphs 4, 6, 7 and 9 above). 30. Greece will apply Article 12 to payments from leasing a ship or aircraft on a bareboat charter basis. Reservations on the Article 31. Canada, Hungary, Mexico and New Zealand reserve the right to tax as profits from internal traffic, profits from the carriage of passengers or cargo taken on board at one place in a respective country for discharge at another place in the same country. New Zealand also reserves the right to tax as profits from internal traffic profits from other coastal and continental shelf activities. Rauert
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32. Belgium, Canada, Greece, Mexico, Turkey, the United Kingdom and the United States reserve the right not to extend the scope of the Article to cover inland transportation in bilateral conventions (paragraph 2 of the Article). 33. Denmark, Norway and Sweden reserve the right to insert special provisions regarding profits derived by the air transport consortium Scandinavian Airlines System (SAS). 34. [Deleted] 35. In view of its particular situation in relation to shipping, Greece will retain its freedom of action with regard to the provisions in the Convention relating to profits from the operation of ships in international traffic. 36. Mexico reserves the right to tax at source profits derived from the provision of accommodation. 37. [Deleted] 38. Australia reserves the right to tax profits from the carriage of passengers or cargo taken on board at one place in Australia for discharge in Australia. 39. The United States reserves the right to include within the scope of paragraph 1, income from the rental of ships and aircraft on a full basis, and on a bareboat basis if either the ships or aircraft are operated in international traffic by the lessee, or if the rental income is incidental to profits from the operation of ships or aircraft in international traffic. The United States also reserves the right to include within the scope of the paragraph, income from the use, maintenance or rental of containers used in international traffic. 40. The Slovak Republic reserves the right to tax under Article 12 profits from the leasing of ships, aircraft and containers. 41. Ireland reserves the right to include within the scope of the Article income from the rental of ships or aircraft on a bareboat basis if either the ships or aircraft are operated in international traffic by the lessee or if the rental income is incidental to profits from the operation of ships or aircraft in international traffic. 42. Turkey reserves the right in exceptional cases to apply the permanent establishment rule in taxation of profit from international transport. Turkey also reserves the right to broaden the scope of the Article to cover transport by road vehicle and to make a corresponding change to the definition of “international traffic” in Article 3. 43. Chile and Slovenia reserve the right not to extend the scope of the Article to cover inland waterways transportation in bilateral conventions and to make corresponding modifications to paragraph 3 of Articles 13, 15 and 22.
POSITIONS ON ARTICLE 8 (SHIPPING, INLAND WATERWAYS TRANSPORT AND AIR TRANSPORT) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. Armenia, Latvia and Lithuania reserve the right in exceptional cases to apply the permanent establishment rule in relation to profits derived from the operation of ships in international traffic. Paragraph 1 2. The Philippines reserves the right to provide for taxation of the profits from shipping and air transport in accordance with domestic law. 2.1 Indonesia reserves the right to allow the State of source to tax profits from the operation of ships in international traffic provided that the shipping activities aris672
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ing from such operation in that State are more than casual and subject to certain limits. 3. Albania and Bulgaria reserve the right to tax profits from the carriage of passengers or cargo taken on board at one place in a respective country for discharge at another place in the same country. 4. South Africa reserves the right to include in paragraph 1 profits from the leasing of containers. 5. Thailand reserves the right to provide for taxation of the profits from shipping in accordance with domestic law. 5.1 India reserves the right to apply Article 12 and not Article 8 to profits from leasing ships or aircraft on a bare charter basis. 6. Bulgaria, Latvia, South Africa and Ukraine reserve the right to include a provision that will ensure that profits from the leasing of ships or aircraft on a bare boat basis and, in the case of Bulgaria, Latvia and Ukraine, from the leasing of containers, will be treated in the same way as income covered by paragraph 1 when such profits are incidental to international transportation. 6.1 Bulgaria, Croatia, Russia and South Africa reserve the right to extend the scope of the Article to cover international road and railway transportation in bilateral conventions. 6.2 Morocco reserves the right to provide for taxation of profits derived by an enterprise engaged in international transport from the lease of containers which is supplementary or incidental to its international operation of ships or aircraft fall within the scope of this Article. 6.3 Serbia reserves the right, in the course of negotiations, to propose that the leasing of containers, even if directly connected or ancillary, be regarded as an activity separate from international shipping or aircraft operations, and consequently be excluded from the scope of the Article. 6.4 Serbia reserves the right to extend the scope of the Article to cover international road transportation in bilateral conventions. 6.5 Vietnam reserves the right to provide that the taxing right with respect to income derived from international transportation shall be shared 50/50. 6.6 The United Arab Emirates reserves the right to include in its bilateral conventions a provision to confirm that income from selling tickets on behalf of other enterprises, income derived from selling technical services to third parties, income from bank deposits and other investments, such as bonds, shares and other debentures, are covered by Article 8 provided that this income is incidental to the operation of air transport enterprises operating in international traffic. Paragraph 2 7. Albania, Argentina, Brazil, Estonia, Gabon, India, Latvia, Malaysia, Morocco, the People’s Republic of China, South Africa and Hong Kong, China reserve the right not to extend the scope of the Article to cover inland waterways transportation in bilateral conventions and are free to make corresponding modifications to paragraph 3 of Articles 13, 15 and 22. Positions on the Commentary 8. Vietnam disagrees with the interpretation presented in paragraph 5 of the Commentary. 9. Vietnam disagrees with the interpretation presented in paragraph 10 of the Commentary in relation to the incidental leasing of containers. 10. Brazil, India and Malaysia reserve their position on the application of this Article to income from ancillary activities (see paragraphs 4 to 10.1).
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Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 8 Ausgewählte Literatur: Kreutziger, Internationale Besteuerungsprobleme bei Schifffahrtsunternehmen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 1381; Kreutziger, Festlegung des Mittelpunkts der geschäftlichen Oberleitung eines Schifffahrtsunternehmens, DStR 1998, 1122; Laub, Das neue Schifffahrts-DBA mit Hongkong – Anwendung auf Containermanager und deutsche Containerfonds, IStR 2005, 223; Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, in Institut für Ausländisches und Internationales Finanz- und Steuerwesen, Hamburg 1985; Maisto, The History of Article 8 of the OECD Model Treaty on Taxation of Shipping and Air Transport, in Kirchhof u.a., FS Vogel, Heidelberg 2000, 1017; Offenbach, Die Gewinnermittlung bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr, DStZ 1999, 283; Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., München 2000; Rauert, Das Schifffahrts-DBA mit Hongkong – eine neue Sicht, IStR 2012, 244; Rauert, Das neue DBA-Zypern aus Sicht der Schifffahrt – ein Überblick, IStR 2012, 164; Schaps/Abraham, Seerecht, 4. Aufl., Berlin 1978; Wolter, Internationale Besteuerungsprobleme bei Luftfahrtunternehmen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 1353.
A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1. Spezialvorschrift 1
Geschäftsleitungsstaat. Art. 8 weist dem Vertragsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Ergebnisse aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie aus dem Betrieb von Binnenschiffen zu, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Als Spezialvorschrift geht die Regelung dem für Unternehmenseinkünfte i.Ü. geltenden Art. 7 vor (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 21). Das Besteuerungsrecht des Geschäftsleitungsstaats ist insoweit ausschließlich („können nur“). Dieser besteuert die Einkünfte – abkommensrechtlich uneingeschränkt – nach seinem innerstaatlichen Recht, der Methodenartikel findet keine Anwendung. Art. 8 regelt somit abschließend die Besteuerungsfolge im Ansässigkeitsstaat. Das Recht des Ansässigkeitsstaats, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 45 ff.). Die Anwendung eines DBA setzt naturgemäß die Ansässigkeit des Unternehmens in einem der beiden Vertragsstaaten voraus; es findet daher insgesamt keine Anwendung, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung zwar in einem der beiden Vertragsstaaten befindet, das Unternehmen aber in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist (Art. 1). Ohne den Schutz eines DBA werden die Einkünfte des Unternehmens in diesen Fällen ggf. in beiden Staaten nach deren innerstaatlichem Recht besteuert – anknüpfend bspw. an die Existenz einer (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte oder ausgehende Frachten bzw. Passagen. 2. Betriebsstättenprinzip
2
Konkretisierung und Vereinfachung. Das Betriebsstättenprinzip des Art. 7 wird durch die Spezialvorschrift in Art. 8 nicht suspendiert. Vielmehr konkretisiert die Regelung das Betriebsstättenprinzip dahin, dass Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr und/oder von Binnenschiffen nur einer Betriebsstätte, nämlich der Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugeordnet werden. Auf diese Weise wird das OECD-MA der Organisation der internationalen Schifffahrt/Luftfahrt gerecht, deren Unternehmen weltweit operieren, dabei in zahlreichen Staaten Betriebsstätten unterhalten und deren Seeschiffe/Luftfahrzeuge auf ihren Reisen oft mehrere ausländische Häfen/Flughäfen in unterschiedlichen Staaten nacheinander anlaufen bzw. anfliegen. Praktisch kaum zu bewältigen wäre es, den Ergebnisanteil der einzelnen Betriebsstätte zu ermitteln.1 Insofern trägt die Konkretisierung des Betriebsstättenprinzips in Art. 8 auch erheblich zur Vereinfachung bei. Ihr Zweck dient daher vor allem der Praktikabilität. Neben der Aufsplitterung der Besteuerungsrechte soll durch Art. 8 die Besteuerung allein durch den Vertragsstaat, in 1 Vgl. Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 14.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 2–8 Art. 8
dem sich der Sitz des Unternehmens befindet, ohne Anknüpfung an die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit vermieden werden.1 Damit wird zugleich die Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer verhindert, in denen die maßgebliche wirtschaftliche Tätigkeit tatsächlich nicht ausgeübt wird.2
II. Aufbau der Vorschrift Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat. In seinem Abs. 1 regelt Art. 8, 3 dass Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur durch den Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung besteuert werden können. Sodann bestimmt Abs. 2, dass auch Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, nur in dem Vertragsstaat besteuert werden dürfen, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Im Gegensatz zur Seeschifffahrt und Luftfahrt (Art. 8 Abs. 1) hat der Geschäftsleitungsstaat des Unternehmens das Besteuerungsrecht für entsprechende Gewinne somit auch dann, wenn die Binnenschifffahrt nicht im internationalen Verkehr betrieben wird. Sonderfall: Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes. Abs. 3 des Art. 8 regelt den 4 Sonderfall, dass sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens an Bord eines Schiffes befindet. Danach hat das Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem der Heimathafen des Schiffes gelegen ist, oder, mangels Heimathafen, der Ansässigkeitsstaat der Person, die das Schiff betreibt. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen 5 Betriebsstelle. Das OECD-MA trägt in Abs. 4 des Art. 8 dem Umstand klarstellend Rechnung, dass die Unternehmen der Seeschifffahrt und Luftfahrt bisweilen in unterschiedlichen Erscheinungsformen miteinander kooperieren. Für die (anteiligen) Ergebnisse aus Beteiligungen an derartigen Zusammenschlüssen hat danach das Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligten Unternehmens gelegen ist.
III. Rechtsentwicklung 1. Absätze 1 und 2 Keine Änderungen. Art. 8 Abs. 1 i.d.F. des OECD-MA 1963 hat durch die OECD- 6 MA 1977, 1992, 2000 und 2010 keine Änderungen erfahren.3 2. Absatz 3 OECD-MA 1977. Mit dem OECD-MA 1977 wurde Abs. 3 des Art. 8 geringfügig ver- 7 ändert: Die Fassung des OECD-MA 1963 lautete im letzten Halbs.: „in dem Vertragsstaat, in dem die Person, die das Schiff betreibt, ansässig ist“. Seither heißt es: „in dem Vertragsstaat, in dem die Person ansässig ist, die das Schiff betreibt“. Eine inhaltliche Veränderung ist mit der Überholung in der Formulierung jedoch nicht verbunden. 3. Absatz 4 OECD-MA 1977. Mit dem OECD-MA 1977 wurde Art. 8 um Abs. 4 ergänzt. Abs. 4 hat insbesondere klarstellende Funktion (vgl. Rz. 57). Seither hat der Art. 8 keine weiteren Änderungen erfahren.
1 Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 6. 2 Vgl. Kreutziger/Krings in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 2. 3 Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art. 8 OECD-MA Maisto in FS Vogel, 1017 ff.
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Art. 8 Rz. 9–12
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 9
Verhältnis zu Art. 6. Infolge der entsprechenden Anwendung von Art. 7 Abs. 4 (vgl. Rz. 10) fallen Einkünfte des Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreibenden Unternehmens aus der Vermietung unbeweglichen Vermögens nicht unter Art. 8, sondern unter die speziellere Vorschrift des Art. 6.1 Dient das unbewegliche Vermögen hingegen dem Betrieb i.S.d. Art. 8 – wie bspw. eine Reparaturhalle, Werft, Wartungs- und Abstellhalle –, folgt aus Art. 8 das Besteuerungsrecht des Staates der tatsächlichen Geschäftsleitung. Wird ein zunächst eigengenutztes Grundstück veräußert, hat der Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht auf Basis der historischen Anschaffungskosten.2
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Verhältnis zu Art. 7. Die Spezialnorm Art. 8 geht dem Art. 7 vor (Rz. 1 und Art. 7 (2008) Rz. 21). Nicht Art. 8, sondern Art. 7 gilt indes für Unternehmensgewinne, wenn das Seeschiff bzw. Luftfahrzeug nicht im internationalen Verkehr i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e betrieben wird und die Gewinne auch nicht aus dem Betrieb eines Binnenschiffs stammen. Der Regelungsbereich des Art. 8 setzt insbesondere voraus, dass sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten befindet. Andernfalls findet im Verhältnis der beiden Vertragsstaaten zueinander das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7 Anwendung (Rz. 32). Für das Verhältnis zu anderen Einkunftsarten und den für sie geltenden Verteilungsnormen gilt Art. 7 Abs. 4 entsprechend.3 Zur Abgrenzung bei Unternehmen, die neben anderen gewerblichen Hauptaktivitäten Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreiben (sog. Mischbetriebe, Rz. 42) wird auf die ausführliche Darstellung in Rz. 43 verwiesen.
11 Beispiel: Eine Reederei-AG mit Sitz im Staat A und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat B betreibt Seeschiffe im internationalen Verkehr. Im Staat C unterhält die Reederei eine Betriebsstätte, die für sie das Personalmanagement (sog. „Crewing“) übernimmt. Im Verhältnis der beiden Staaten A und C zueinander findet nicht Art. 8, sondern Art. 7 Anwendung, da sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in keinem der beiden Staaten befindet. Das Besteuerungsrecht für den Gewinn der Betriebsstätte im Verhältnis der Staaten A und C hat somit Staat C.
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Verhältnis zu Art. 10 und 11. Die Besteuerung von Dividenden- und Zinseinkünften eines Betreibers von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. von Binnenschiffen bestimmt sich grundsätzlich nach den speziellen Vorschriften der Art. 10 und 11. Von diesem Grundsatz gibt es insbesondere folgende Ausnahmen: Sind die Dividenden oder Zinsen einer ausländischen Betriebsstätte eines Reeders bzw. Luftfahrtunternehmens zuzurechnen, richtet sich die Besteuerung nach Art. 7 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 23, 231, Art. 10 Rz. 191 ff., Art. 11 Rz. 85 ff. [Betriebsstättenvorbehalt]). Art. 8 und nicht Art. 10 oder 11 bzw. 7 ist anzuwenden, wenn die Kapitalerträge im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Betrieb i.S.d. Art. 8 stehen bzw. integraler Bestandteil eines solchen Betriebs sind (vgl. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK). Danach fallen z.B. laufende Zinsen aus Betriebsmittelkonten wie aus Geldanlagen für Eventualverpflichtungen in den Regelungsbereich des Art. 8. Für Zinsen aus vorgehaltenen liquiden Mitteln z.B. zum Erwerb bzw. zur Herstellung eines bestimmten Seeschiffs, Binnenschiffs oder Luftfahrzeugs oder eines konkreten Lagergebäudes gilt dies gleichermaßen. Nicht ausreichend soll sein, dass der Betrieb des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr bzw. des Binnenschiffs ursprünglich vorgesehen war, wenn das betreffende Fahrzeug nicht entsprechend eingesetzt wird.4
1 Nicht jedoch Kaimauern. Sie unterliegen als Betriebsvorrichtungen (vgl. Halaczinsky in Rössler/Troll, § 68 BewG Rz. 153) der Regelung in Art. 13 Abs. 3 OECD-MA, vgl. Rz. 13. 2 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 38; Kempf/Wolter in G/K/G, Art. 8 OECDMA Rz. 12, wonach bis zur Veräußerung des Grundstücks geltend gemachte Abschreibungen im Geschäftsleitungsstaat rückgängig zu machen sind. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 10. 4 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 12–15 Art. 8
Kommt es später tatsächlich nicht zur Indienststellung des bestellten Schiffes bzw. Luftfahrzeugs durch das investierende Unternehmen – gleich aus welchem Grund; bspw. infolge Insolvenz der Werft, Veräußerung des Bauvertrages durch den Besteller des Schiffes bzw. Luftfahrzeugs –, sollen insgesamt keine Einkünfte i.S.d. Art. 8 vorliegen1 (vgl. Rz. 25 f.) und Art. 7 findet Anwendung. Unter Art. 11 und nicht unter Art. 8 fallen Zinsen aus „Wiederbeschaffungsrücklagen“ für die Anschaffung eines Nachfolgeschiffes/-luftfahrzeugs, solange keine vertraglichen Neubauverpflichtungen bestehen. Nicht anwendbar ist Art. 8 außerdem auf Zinseinkünfte aus der kurzfristigen Anlage nicht betriebsnotwendiger Mittel (vgl. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK). Verhältnis zu Art. 13. Nicht Art. 8, sondern der speziellere Art. 13 findet Anwen- 13 dung auf Gewinne aus der Veräußerung von im internationalen Verkehr betriebenen Seeschiffen und Luftfahrzeugen, von Binnenschiffen sowie von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Fahrzeuge dient. Jedoch enthält Art. 13 Abs. 3 eine Parallelregelung zu Art. 8, nach der der Geschäftsleitungsstaat auch insoweit das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht („können nur“) hat. In den Regelungsbereich von Art. 13 Abs. 3 fällt auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, soweit der Gewinn auf den Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr bzw. auf den Betrieb eines Binnenschiffs entfällt.2 Gleiches gilt für den anteiligen Aufgabegewinn dieser Personengesellschaft. 2. Innerstaatliches Recht Ertragsteuern. Nach deutschem innerstaatlichem Steuerrecht werden mit dem 14 Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und/oder Luftfahrzeugen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Form von Dienstleistungen erzielt. Der Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen löst ggf. ausländische Einkünfte i.S.d. § 34d Nr. 2 Buchst. c EStG aus, soweit die Einkünfte aus Beförderungen zwischen ausländischen oder von ausländischen zu inländischen Häfen stammen. Unbeachtlich ist insoweit, ob im Ausland eine Betriebsstätte besteht. Wenn eine solche besteht, können auch durch sie und durch einen im Ausland tätigen ständigen Vertreter ausländische Einkünfte begründet werden. Ausländische Einkünfte werden beim Betrieb von Binnenschiffen bei Existenz einer Betriebsstätte im Ausland oder durch einen im Ausland tätigen ständigen Vertreter ausgelöst (§ 34d Nr. 2 Buchst. a EStG). Der Gewerbesteuer unterliegen die erzielten Einkünfte nur, wenn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird und die Einkünfte dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind (vgl. Rz. 17). Tonnagesteuer gem. § 5a EStG – Überblick. Mit dem „Gesetz zur Anpassung der 15 technischen und steuerlichen Bedingungen in der Seeschifffahrt an den internationalen Standard“ (Seeschifffahrtsanpassungsgesetz) vom 9.9.19983 wurde in Deutschland mit Wirkung vom 1.1.1999 die international weit verbreitete4 Gewinnermittlung nach der Tonnage (sog. „Tonnagesteuer“, § 5a EStG) eingeführt. Danach können Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland, die ein Handelsschiff im internationalen Verkehr betreiben, ihren Gewinn auf unwiderruflichen Antrag abweichend von den §§ 4, 5 Abs. 1 EStG nach der in ihrem Betrieb geführten Tonnage ermitteln. Ein Betrieb von Handelsschiffen liegt bei jeder Tätigkeit vor, die durch den Zweck, Personen und Güter per Schiff zu befördern, ausgelöst wird.5 Unerheblich ist, ob die Tätigkeit unmittelbar oder nur mittelbar (wie z.B. bei Reparaturen, Ballastfahrten und Leerfahrten) der Beförderung von Personen oder Gütern dient.6 Mit der Regelung werden die üblichen Formen der Handelsschifffahrt erfasst, insbesondere Ausrüster nach
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Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 39. Vgl. BGBl. I 1998, 2860 = BStBl. I 1998, 1158. Vgl. BT-Drucks. 13/8023; Hildesheim, DStZ 1999, 283; Rubbens/Stevens, IStR 2000, 1; Weiland in L/B/P, § 5a Rz. 1. 5 Vgl. BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783 zu § 34c Abs. 4 EStG. 6 Vgl. BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783 zu § 34c Abs. 4 EStG.
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Art. 8 Rz. 15–16
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
§ 510 HGB, Zeit-, Reise oder Slotvercharterung1 eigener oder bareboat gecharterter Schiffe.2 An die Gewinnermittlung nach der Tonnage ist das Unternehmen zehn Jahre gebunden. In wirtschaftlich guten Zeiten bewirkt die Tonnagesteuer eine effektive Steuerentlastung, hingegen wirkt sie insbesondere in Krisen3 vielfach zum Nachteil der Steuerpflichtigen, da realisierte Verluste steuerlich nicht durchschlagen. Weil es sich um eine Gewinnermittlungsvorschrift handelt, und – anders als bspw. im Tonnagesteuerregime der Republik Zypern4 – Dividenden nicht privilegiert sind, wird ihre Entlastungswirkung auf Ebene des (letzten) Anteilseigners teils zunichte gemacht, wenn Kapitalgesellschaften Betreiber von Handelsschiffen nach § 5a EStG bzw. an entsprechenden Unternehmen – ggf. auch mittelbar über Beteiligungen an Personengesellschaften – beteiligt sind. 16
Tonnagesteuer gem. § 5a EStG – wesentliche Voraussetzungen. Voraussetzung für die Anwendung der Tonnagebesteuerung ist insbesondere, dass die Bereederung im Inland vorgenommen wird. Die Bereederung umfasst die allgemeine Geschäftsbesorgung des Betriebs in kommerzieller, technischer und personeller Hinsicht.5 Das Gesetz verlangt nicht, dass die Bereederung ausschließlich im Inland ausgeübt wird.6 Demzufolge können Tätigkeiten teilweise auch aus dem Ausland vorgenommen werden. Ob das Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, ist ggf. im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung qualitativer und quantitativer Merkmale zu ermitteln. Entscheidend ist, ob die für den Betrieb des Schiffes wesentlichen Bereederungstätigkeiten7 im Inland erledigt werden, wobei je nach Schiffstyp und Aufgabenbereich ggf. auch einzelne der Tätigkeiten im Einzelfall als weniger gewichtig eingestuft werden und daher für die Tonnagebesteuerung unschädlich im Ausland durchgeführt werden können.8 Wie bei der Subventionsnorm § 34c Abs. 4 EStG 19799 verlangt die Rspr. für die Anwendung der Tonnagesteuer, dass das Schiff auch tatsächlich in Dienst gestellt worden ist, so dass ein Verkauf des Schiffes vor Ablieferung durch die beauftragte Werft nicht begünstigt sein soll.10 Im Ausland ansässige Personen können in den Genuss der deutschen Tonnagesteuer nur dann kommen, wenn im DBA zwischen ihrem Ansässigkeitsstaat und Deutschland Art. 8 inhaltsgleich übernommen wurde und Deutschland als Geschäftsleitungsstaat das Besteuerungsrecht für die entsprechenden (anteiligen) Gewinne hat (Rz. 18).11 Ein Steuerinländer kann von der heimischen Tonnagesteuer nur Gebrauch machen, wenn – neben dem Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 5a EStG – der Ort der Geschäftsleitung seines Unternehmens im Inland gelegen ist. In der Praxis folgt der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Schiffsgesellschaft vielfach dem Ort, an dem die Beree-
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Vgl. zu den Begriffen vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 443. Vgl. BT-Drucks. 13/8023. Vgl. zum sog. Aufliegen Fußnote 5 zu Rz. 22. Vgl. Havarias, HANSA International Maritime Journal 2011, 94 f. (95). Vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF v. 31.10.2008 -IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956 (sog. „Tonnagesteuererlass“). Nach Auffassung der FinVerw (BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF vom 31.10.2008 – IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956, Rz. 2) muss die Bereederung „zumindest fast ausschließlich tatsächlich im Inland durchgeführt werden“; gl.A. FG Schl.-Holst. v. 22.4.2010 – 3 K 66/08, EFG 2010, 1482 (rkr.). Vgl. hierzu BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956 Rz. 1 sowie Kreutziger in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1381 (1402). Vgl. FG Schl.-Holst. v. 22.4.2010 – 3 K 66/08, EFG 2010, 1482 (rkr.). Vgl. BFH v. 14.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155. Vgl. FG Schl.-Holst. v. 12.10.2010 – 5 K 136/06, EFG 2011, 424 (Rev. BFH: IV R 46/10); ausdrücklich offen gelassen durch FG Hamburg v. 2.2.2010 – 2 K 147/08, EFG 2010, 1116 (Rev. BFH: IV R 12/10). Der Gewinn aus der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrages gem. § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG ist als laufender Gewinn i.S. von Art. 8 Abs. 1 OECD-MA zu qualifizieren, FG Hamburg v. 8.8.2012 – 2 K 221/11 (Rev. BFH: I R 67/12), EFG 2012, 2272. Infolgedessen hat der Geschäftsleitungsstaat insoweit das Besteuerungsrecht, wenn das betreffende DBA Art. 8 Abs. 1 OECD-MA entspricht.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 16–18 Art. 8
derung bzw. deren wesentlicher Teil durchgeführt wird (vgl. Rz. 38 f.).1 Dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gleichgestellt sind Seeschiffe, die im Wj. überwiegend in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind und in diesem Wj. überwiegend außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer (offshore) zum Schleppen, Bergen oder zur Aufsuchung von Bodenschätzen eingesetzt werden (§ 5a Abs. 2 S. 5 EStG). Gewerbesteuer – Kürzung für Unternehmen der Seeschifffahrt gem. § 9 Nr. 3 S. 2 17 bis 5 GewStG. Dt. Reeder, die ihren Gewinn weitgehend nicht im Inland erzielen ohne im Ausland Betriebsstätten zu unterhalten, denen der Gewinn zuzurechnen wäre, würden systemwidrig mit Gewerbesteuer belastet, sollte der volle Gewerbeertrag ihres Unternehmens der Gewerbesteuer unterliegen. Die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 S. 2 bis 5 GewStG verhindert eine solche Belastung mit Gewerbesteuer, soweit diese auf den Teil des inländischen Gewerbeertrags entfällt, der durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielt wird, d.h. im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der freien See. Der nicht der Gewerbesteuer unterliegende Anteil des Gewerbeertrags beträgt danach 80 % des gesamten Gewerbeertrags2 des Schifffahrtsunternehmens.3 Beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 EStG.4 Im Ausland ansässige Betreiber von 18 Schiffen und Luftfahrzeugen sind mit ihren gewerblichen inländischen Einkünften nach der allgemeinen Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt steuerpflichtig, wenn im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist; das fahrende Schiff bildet indes keine feste Geschäftseinrichtung i.S.d. § 12 AO und somit keine Betriebsstätte.5 Oft haben Unternehmen, die einen dt. Hafen anlaufen, also hier Güter löschen und laden sowie gegen Entgelt transportieren, im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter. Um einen Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung im Inland auch in diesen Fällen zu haben, unterliegen der beschränkten Steuerpflicht ferner Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus Beförderungen ausgehender Frachten bzw. Passagen – also zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen – erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit solchen Beförderungen zusammenhängenden, sich auf das Inland erstreckenden Beförderungsleistungen (z.B. Zubringerdienste), § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Nicht erfasst werden danach Beförderungen eingehender Frachten bzw. Passagen, also von ausländischen zu inländischen Häfen, und von inländischen Häfen zur freien See.6 Zu den inländischen Einkünften gehören darüber hinaus die Einkünfte eines ausländischen Unternehmens aus einem Pool-Abkommen oder einer internationalen Betriebsgemeinschaft, bei denen ein Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland die Beförderung durchführt (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Nach § 49 Abs. 4 EStG sind die vorgenannten inländischen Einkünfte steuerfrei, wenn das Betreiberunternehmen seine Geschäftsleitung im Ausland hat und die Gegenseitigkeit 1 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 2 Zur Ermittlung des Kürzungsbetrages vgl. OFD Kiel v. 16.6.1999 – G-1425 A – St 141/S-2283a A - St 132, FR 1999, 866. 3 Hierbei handelt es sich nicht um eine steuerliche Subvention für dt. Reeder, sondern um eine allgemeine Abgrenzung des Gegenstands der Gewerbesteuer für die Seeschifffahrt, vgl. Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 9 Nr. 3 GewStG Rz. 20 ff.; nach Auffassung des FG Hamburg findet die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG keine Anwendung auf den nach § 7 S. 3 GewStG ermittelten Gewerbeertrag, vgl. FG Hamburg v. 27.1.2011 – 2-K-183/10, DStRE 2012, 231 (Rev. BFH: IV R 10/11). 4 Vgl. zur Besteuerung der inländischen Einkünfte nichtansässiger Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen aus nationalem Verkehr auch BMF v. 18.5.1993 – IV C 5 – S 1300 – 64/93, IStR 1993, 377 sowie FinMin Nds. v. 28.6.1993 – S 1301-589-33 2, RIW 1993, 695. 5 Vgl. BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 9.10.1974 – 128/73, BStBl. II 1975, 203; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Rz. 4.5.1. 6 Vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 410.
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Art. 8 Rz. 18–20
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
mit dem anderen Staat verbürgt ist,1 und ferner das BMVBS die Steuerbefreiung für verkehrspolitisch unbedenklich hält. So können unerwünschte Freistellungen von Schiffen unter sog. „Billigflaggen“ (z.B. Liberia, Panama) verhindert werden. Die im Inland steuerpflichtigen inländischen Einkünfte werden pauschal mit 5 % der für die Beförderung vereinbarten Entgelte ermittelt (§ 49 Abs. 3 S. 1, 2 EStG), nicht jedoch die Pooleinkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG und auch nicht, soweit das dt. Besteuerungsrecht nach dem einschlägigen DBA ohne Begrenzung des Steuersatzes aufrecht erhalten bleibt (§ 49 Abs. 3 S. 3 EStG). Jedenfalls in Verlustfällen ist die pauschale Gewinnermittlung nach § 49 Abs. 3 EStG nicht mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 3 OECD-MA und EU-Recht zu vereinbaren2 und das nach den allgemeinen Regelungen ermittelte negative Ergebnis anzusetzen.3 Die Tonnagesteuer (§ 5a EStG) tritt hinter der spezielleren Regelung in § 49 Abs. 3 EStG zurück4 und kommt nur in den in § 49 Abs. 3 S. 3 EStG genannten Fällen – dt. Besteuerungsrecht bleibt nach DBA unbegrenzt aufrecht erhalten und/oder bei Pooleinkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG – und nur für Einkünfte in Betracht, die aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gem. § 5a Abs. 2 EStG stammen.
B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1) 1. Regelungszweck 19
Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat. Für die Ergebnisse aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr hat nach Art. 8 Abs. 1 der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens als Quellenstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht (vgl. Rz. 1). Abweichend vom OECD-MA wird in einigen DBA nicht auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, sondern auf den Ansässigkeitsstaat des Unternehmens abgestellt (Art. 8 Rz. 2 OECD-MK).5 Soweit das Unternehmen über den genuinen Betrieb nach Art. 8 Abs. 1 (vgl. hierzu die Darstellung in Rz. 25) hinaus noch andere gewerbliche Haupttätigkeiten ausübt, gilt nicht die spezielle Regelung des Art. 8, sondern das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7 (vgl. Rz. 10). 2. Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen
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Begriff. Der Ausdruck „Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen“ ist im Abkommensrecht nicht definiert. Seine Auslegung bestimmt sich somit nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates, sofern es den Begriff in einer spezifischen Bedeutung verwendet und nicht gewichtige Gründe für eine abweichende Auslegung sprechen (Art. 3 Abs. 2).6 Bei der Auslegung haben Sinn und Zweck des Art. 8 (vgl. Rz. 2) stets Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht – die Vorschrift soll vor allem der Vereinfachung dienen. Eine vom innerstaatlichen Recht abweichende Auslegung ist daher nur geboten, wenn andernfalls der Sinn und Zweck der Vorschrift ins Leere zu laufen droht. Ein anderes Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr fördern, dass das Abkommen in den einzelnen Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird, und damit der im Grundsatz angestrebten Entscheidungsharmonie7 entgegenwirken. Im deutschen Recht finden sich insbesondere in den §§ 5a, 34d Nr. 2 1 Vgl. BMF v. 17.1.2012 – IV B 2-S 1301/07/10017-03 (2012/0032829), BStBl. I 2012, 108. 2 Vgl. Gosch in Kirchhof11, § 49 EStG Rz. 31; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 237; BFH v. 22.4.1998 – I R 54/96, IStR 1998, 504 ff.; a.A. FG Hamburg v. 20.7.1999 – II 299/97, EFG 1999, 1230. Die dagegen gerichtete Revision war unbegründet, weil nach Ansicht des BFH ausl. jur. Personen kein Grundrechtsschutz zusteht, BFH v. 24.1.2001 – I R 81/99, BStBl. II 2001, 290; die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht angenommen, vgl. BVerfG v. 8.11.2001 – 1 BVR 722/01, n.v. 3 Vgl. BMF v. 18.5.1993 – IV C 5 – S 1300 – 64/93, IStR 1993, 377; FinMin Nds. v. 28.6.1993 – S 1301-589-33 2, RIW 1993, 695. 4 Vgl. Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 95; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 413. 5 Vgl. die Übersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. 6 Vgl. Vogel in V/L5, Art. 3 OECD-MA Rz. 110 ff. 7 S. hierzu Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 113 ff.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 20–21 Art. 8
Buchst. c EStG, § 34c EStG 19791 Regelungen, die zur Auslegung des Begriffs herangezogen werden können. Dabei ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass die §§ 5a EStG, 34c Abs. 4 EStG 19792 Subventionscharakter3 haben. Schiff. Ein Schiff im Rechtssinn ist ein schwimmfähiger Hohlkörper von nicht ganz 21 unbedeutender Größe, der fähig und bestimmt ist, auf oder auch unter dem Wasser fortbewegt zu werden und dabei Personen oder Sachen zu tragen, einerlei, ob er sich durch Eigen- oder Fremdantrieb fortbewegt.4 Unter einem Schiff i.S.d. Art. 8 ist danach jedes auf oder unter dem Wasser schwimmende Transportmittel anzusehen;5 dazu gehören auch selbstschwimmende Kunststoffbehälter zum Transport von Flüssigkeiten.6 Keine Schiffe i.S.d. Vorschrift sind z.B. Schwimmbagger, Schwimmkräne, Bergungsschiffe, dem Fischfang dienende Schiffe – es sei denn, sie werden ausnahmsweise zum Transport eingesetzt – sowie Schiffe zum Aufsuchen von Bodenschätzen, zur Vermessung von Energielagerstätten oder zum Verbrennen von Chemikalien auf hoher See.7 Nach Art. 8 Rz. 17.1 des OECD-MK ist es den Vertragsparteien jedoch unbenommen, durch zweiseitige Vereinbarungen auch Gewinne bspw. aus dem Betrieb von Schiffen, die für den Fischfang, für Baggerarbeiten oder für den Schleppdienst auf Hoher See eingesetzt sind, in den Anwendungsbereich des Artikels einzubeziehen.8 Weshalb Hochseeschlepper nur bei ausdrücklicher Vereinbarung in den Regelungsbereich des Art. 8 fallen sollen, ist indes nicht einsichtig, dienen sie doch stets auch dem Transport bzw. der Beförderung;9 Hochseeschlepper sind nach der hier vertretenen Auffassung daher grundsätzlich Schiffe i.S.d. Norm.10 Nicht Transportzwecken dient die Hafenassistenz. Auf Hafenschlepper findet Art. 8 daher regelmäßig keine Anwendung. Schwieriger ist die Abgrenzung bei sog. Offshore-Installationsschiffen. Ihr Einsatz enthält mit dem Transport von Windturbinen und deren Errichtung auf Hoher See regelmäßig zwei Bestandteile. Wenn es sich dabei um eine einheitliche Leistung handelt und die Beförderung nicht im Vordergrund steht, dürfte Art. 8 diese Schiffe wohl nicht umfassen.11 Reine Wohn-, Lager-, Restaurant- und Museumsschiffe, die dauerhaft nicht zur Fortbewegung bestimmt und an Land festgemacht sind, sowie Pontons und Schwimmdocks sind nach der obigen Definition hingegen keine Schiffe i.S.d. Art. 8.12
1 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 2 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 3 Vgl. BT-Drucks. 13/7480, 202 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979; BFH v. 20.11.2006 – VIII R 33/05, BStBl. II 2007, 261 zu § 5a EStG: „Subventionsvorschrift im Gewand einer pauschalierenden Gewinnermittlungsvorschrift.“ 4 Vgl. Schaps-Abraham, Das Seerecht4, Vor § 476 Rz. 1, 5. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 12; Kempf/Wolter in G/K/G, Art. 8 OECD-MA Rz. 45; a.A. BFH v. 21.9.1955 – V 106/55 U, BStBl. III 1955, 358 (359); Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 36; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 16, wonach unter einem Schiff i.S.d. Art. 8 jedes auf dem Wasser schwimmende Fahrzeug ohne Rücksicht darauf anzusehen ist, welchem Verwendungszweck es dient. Danach scheiden nicht Transportzwecken dienende Fahrzeuge ggf. erst über das Erfordernis des internationalen Verkehrs aus dem Regelungsbereich der Vorschrift aus. In der Praxis ist diese Divergenz ggf. von Bedeutung, wenn Abkommen entgegen Art. 8 nicht einen Betrieb im internationalen Verkehr voraussetzen, vgl. z.B. Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. (Rz. 107) und Art. 7 DBA-Niederlande a.F. (Rz. 116). 6 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 12. 7 Vgl. BFH v. 28.3.1984 – I S 17/83, BStBl. II 1984, 566 f. zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 8 Vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Rz. 4.5.3., wonach Baggerarbeiten und Schleppdienste unter die Schifffahrtseinkünfte nur fallen, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. 9 Vgl. das zu § 34c EStG 1979 ergangene BFH-Urt. v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783; a.A. Krabbe in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Dänemark Rz. 18. 10 A.A. offenbar Art. 8 Rz. 17.1 OECD-MK; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Rz. 4.5.3. 11 Vgl. BFH v. 28.3.1984 – I S 17/83, BStBl. II 1984, 566 f. zu § 34c Abs. 4 EStG 1979; vgl. auch Voß, HANSA International Maritime Journal 2012, 89 zu § 5a EStG. 12 Vgl. Rabe, Seehandelsrecht4, Einf. 7 m.w.N.
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Art. 8 Rz. 22–23 22
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Seeschiff. Ob ein Schiff ein Seeschiff ist, bestimmt sich mangels abkommensrechtlicher Regelung nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates, für Deutschland nach dem Seerecht. § 1 FlaggRG1 bezeichnet u.a. als Seeschiff alle Kauffahrteischiffe und sonstigen zur Seefahrt2 bestimmten Schiffe. Von demselben Begriff geht die SchRegO3 aus; denn nach deren § 3 Abs. 2 werden in das Seeschiffsregister „die Kauffahrteischiffe und andere zur Seefahrt bestimmten Schiffe (Seeschiffe)“ eingetragen. Die Eintragung eines Schiffes in das deutsche Seeschiffsregister indiziert deshalb seine Eigenschaft als Seeschiff. Erforderlich ist ferner, dass das Seeschiff zum Einsatz in der Seeschifffahrt geeignet und bestimmt ist und tatsächlich auch zu diesem Zweck verwendet wird,4 also insbesondere zu mehr als der Hälfte der tatsächlichen Reisetage des gesamten Wirtschaftsjahres in der Seefahrt eingesetzt wird. Dabei gelten auch Wartezeiten des Schiffes im betriebsbereiten Zustand wie das sog. „warme“ Aufliegen5 in Häfen oder auf Reeden in Hoheitsgewässern nicht als Reisezeiten.6 Fahrten zu und von den Einsatzorten wie bspw. in der Schleppschifffahrt sind den jeweiligen Einsätzen zuzuordnen.7 Seefahrt findet nach § 1 FlRV8 jenseits der Festlands- und Inselküstenlinie bei mittlerem Hochwasser (Küste), der Verbindungslinie der Molenköpfe von Häfen an der Küste (Häfen) oder der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen oder Mündungen von Flüssen, die keine Binnenwasserstraßen sind, (Flussmündungen) statt. Seeschiffe können gelegentlich auch Binnenwasserstraßen (z.B. die Elbe bis zum Hamburger Hafen, die Weser bis Bremen, den Rhein bis Duisburg) und Binnenschiffe auch Seegewässer befahren, ohne dadurch ihre Eigenschaft als Seeoder Binnenschiff zu verlieren.9 Bedeutung erlangt diese Unterscheidung abkommensrechtlich, wenn ein DBA ausdrücklich nur die Seeschifffahrt, nicht aber die Binnenschifffahrt regelt,10 sowie in Fällen, in denen Seeschiffe nicht grenzüberschreitend verkehren, wie z.B. in der Küstenschifffahrt (Kabotage). Küstenschifffahrt ist die Beförderung von Fahrgästen oder Gütern von einem inländischen Ort zu einem anderen inländischen Ort unter Benutzung des Seeweges, § 1 KüSchV;11 sie ist daher Seeschifffahrt auch dann, wenn sie mit Binnenschiffen betrieben wird.12
23 Beispiel: Ein im dt. Seeschiffsregister eingetragener Hochseeschlepper befindet sich im Wj. an 150 Tagen auf Schleppfahrten außerhalb deutscher Hoheitsgewässer, i.Ü. im Hamburger Hafen für Schleppdienste innerhalb der deutschen Hoheitsgewässer (100 Tage) und liegend auf neue Order wartend (restliche Zeit). Das Schleppschiff ist zum Einsatz in der Seeschifffahrt geeignet und be-
1 BGBl. I 1994, 3140, zuletzt geändert durch G v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2792. 2 Vgl. § 1 FlRV, BGBl. I 1990, S. 1389, zuletzt geändert durch V vom 28.12.2012, BGBl. I 2012, 3003. 3 BGBl. I 1994, S. 1133, zuletzt geändert durch G v. 20.12.2012, BGBl. I 2012, 2792. 4 Vgl. BFH v. 2.9.1971 – V R 8/67, BStBl. II 1972, 45. 5 Im Gegensatz zum sog. „kalten“ Aufliegen hat das Schiff beim „warmen“ Aufliegen noch eine Mindestbesatzung an Bord. Weil sich das Schiff beim warmen Aufliegen im betriebsbereiten Zustand befindet, kann es kurzfristig wieder in Fahrt gesetzt werden. Die FinVerw. begreift die Zeiten des „warmen“ Aufliegens regelmäßig als Betriebstage i.S.d. § 5a Abs. 1 S. 2 EStG (str.). Jedenfalls die Zeiten des „kalten“ Aufliegens sind wie die Zeiten des Umbaus oder der Großreparatur (vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956, Rz. 4) keine Betriebstage i.S.v. § 5a Abs. 1 S. 2 EStG; Seeger in Schmidt31, § 5a EStG Rz. 10. 6 I.E. ebenso OFD Hamburg v. 24.10.2001 – S 2377 – 103/01 St 323 zu § 41a Abs. 4 EStG 1997, wonach Wartezeiten im betriebsbereiten Zustand anteilig auf inländische und auf Einsätze außerhalb deutscher Hoheitsgewässer zu verteilen sind; wohl a.A. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956, Rz. 5. 7 Vgl. OFD Hamburg v. 24.10.2001 – S 2377 – 103/01 St 323 zu § 41a Abs. 4 EStG 1997. 8 Vgl. Flaggenrechtsverordnung v. 4.7.1990, BGBl. I 1990, 1389, zuletzt geändert durch V v. 28.12.2012, BGBl. I 2012, 3003. 9 Vgl. Nöll/Wiegand/Wiegand in Staudinger (Aug. 2009), § 1 SchiffsRG Rz. 13. 10 Vgl. Übersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. 11 Vgl. VO über die Küstenschifffahrt v. 5.7.2002, BGBl. I 2002, 2555, zuletzt geändert durch VO v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2868, BGBl. I 2010, 380. 12 Vgl. Rabe, Seehandelsrecht4, Einf. 38 m.w.N.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 23–26 Art. 8
stimmt und es wird im Wj. auch tatsächlich zu diesem Zweck verwendet, da es gemessen an den tatsächlichen Reisetagen (250) überwiegend seewärts der Grenzen des § 1 FlRV eingesetzt wird.1 Das Schleppschiff ist daher ein Seeschiff i.S.d. Art. 8 Abs. 1. Anwendung findet die Norm jedoch nur dann, wenn und soweit es auch im internationalen Verkehr eingesetzt wird (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 32).
Luftfahrzeuge. Luftfahrzeuge sind alle Fahrzeuge, die sich im Luftraum fortbewe- 24 gen. Nach der Definition in § 1 Abs. 2 LuftVG2 umfasst der Begriff „Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Rettungsfallschirme, Flugmodelle, Luftsportgeräte und sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, sofern sie in Höhen von mehr als dreißig Metern über Grund oder Wasser betrieben werden können. Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper gelten als Luftfahrzeuge, solange sie sich im Luftraum befinden“. Ebenfalls als Luftfahrzeuge gelten unbemannte Fluggeräte einschließlich ihrer Kontrollstation, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (unbemannte Luftfahrtsysteme). Nicht zu den Luftfahrzeugen i.S.d. Art. 8 gehören Fesselballone, Fallschirme, Flugmodelle sowie Sportflugzeuge, da sie üblicherweise nicht zur Beförderung im internationalen Verkehr eingesetzt werden. Luftkissenboote (Hovercrafts) werden von der Verkehrsanschauung als Schiffe angesehen. Obwohl sie über dem Boden bzw. dem Wasser schweben, gehören sie daher nicht zu den Luftfahrzeugen i.S.d. Norm. Betrieb. Der Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen 25 Verkehr i.S.d. Art. 8 Abs. 1 umfasst die Beförderung von Personen und/oder Gütern sowie sämtliche mit dieser Beförderung i.Z. stehenden Hilfs- und Nebentätigkeiten. Gewinne nach Art. 8 müssen zumindest mittelbare Folge des Betriebs eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr sein. Aus dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 („aus dem Betrieb“) bzw. aus der Auslegung des Begriffs „aus dem Betrieb“ unter Zuhilfenahme nationalen Rechts3 folgert der BFH, dass die Norm nicht nur eine Begrenzung auf bestimmte Tätigkeiten vorsieht, sondern dass diese auch – zumindest zeitweilig – durchgeführt werden müssen.4 Gewinne stammen nach jener Ansicht deshalb nur dann „aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen“, wenn es tatsächlich zum Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges kommt, d.h. die Haupttätigkeit muss (irgendwann) ausgeübt werden bzw. worden sein.5 Scheitert die Indienststellung – gleich aus welchem Grund – fallen die Unternehmensgewinne in den Regelungsbereich des Art. 7. Scheitern der Indienststellung – eigene Auffassung. Die vorstehend skizzierte Auf- 26 fassung des BFH (vgl. Rz. 25) ist jedoch weder zwingend6 noch überzeugend: Die Frage, wann ein Betrieb i.S.d. Art. 8 beginnt oder endet, bestimmt sich nach dem Recht des Anwenderstaates. Soweit dt. Steuerrecht Anwendung findet, ist es unstreitig, dass Einzelunternehmer bei endgültiger Entscheidung zur Betriebseröffnung Einkünfte „aus“ Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits mit den ersten vorbereitenden Maßnahmen erzielen, die mit dem Betrieb im unmittelbaren Zusammenhang stehen.7 Auch bei Mitunternehmerschaften ist nicht erforderlich, dass die PersG bereits eine werbende Tätigkeit aufgenommen hat, die Vorbereitung hierfür genügt, sofern der Gewerbebetrieb gemeinsam begonnen wird und die gemeinsame Betätigung alle Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt.8 Anders verhält es sich hingegen bei der GewSt, die an die werbende Tätigkeit eines Unternehmens an1 Vgl. das zu § 34c EStG 1979 ergangene Urteil des BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783. 2 RGBl. I 1922, 681, zuletzt geändert durch G v. 5.12.2012, BGBl. I 2012, 2454. 3 Vgl. BFH v. 14.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979; vgl. auch FG Schl.-Holst. v. 12.10.2010 – 5 K 136/06, EFG 2011, 424 (Rev. BFH: IV R 46/10) zu § 5a EStG 2002. 4 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 5 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. 6 Vgl. BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; FG Nds. v. 11.3.1998 – II-582/94 (rkr.), n.v.; a.A. BFH v. 14.3.1989 – I R 39/85, BStBl. II 1989, 599. 7 Vgl. z.B. Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 129 m.w.N. 8 Vgl. z.B. Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 195 m.w.N.
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Art. 8 Rz. 26–27
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
knüpft.1 Schließlich irrt der BFH, wenn er in der Rspr. zu § 34c Abs. 4 EStG 19792, wonach „ein begünstigtes Hilfsgeschäft ein begünstigtes Hauptgeschäft erfordert“3, die also insbesondere auf dem Subventionscharakter4 der Vorschrift fußt, eine Vorgabe nationalen Rechts für seine Entscheidung sieht. Das Privileg, das der Gesetzgeber dt. Reedern mit § 34c Abs. 4 EStG 19795 zu gewähren bereit war, verfolgte das Ziel, Wettbewerbsnachteile gegenüber der Konkurrenz in Staaten mit sog. „Billigflaggen“ auszugleichen bzw. die dt. Flagge zu stärken, indem einer Ausflaggung in jene Flaggen entgegengewirkt werden sollte.6 Dieses Ziel wird naturgemäß nur erreicht, wenn es auch zur Infahrtsetzung des Schiffes kommt; m.a.W. besteht für eine Subvention keine Rechtfertigung, wenn der mit ihr verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werden kann. Weshalb jene Rspr. aber für die abkommensrechtliche Qualifikation von Einkünften herhalten muss, ist nicht einsichtig. Nach der hier vertretenen Auffassung findet deshalb Art. 8 auch dann Anwendung, wenn der Betrieb eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ursprünglich vorgesehen war, es später aber – warum auch immer – nicht zum Einsatz des nämlichen Fahrzeugs kommt. War der Betrieb gem. Art. 8 dagegen gar nicht erst beabsichtigt, findet Art. 8 keine Anwendung. Der Verkauf des Bauvertrages über ein Seeschiff oder Luftfahrzeug mit der Folge, dass es zur Indienststellung durch das bestellende Unternehmen nicht mehr kommt, kann prima facie gegen eine Absicht zum Betrieb i.S.d. Art. 8 sprechen.7 Ist Deutschland Anwenderstaat, muss es sich beim „Betrieb“ um eine Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG handeln; nicht ausreichend ist eine nur gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Erforderlich ist somit insbesondere eine selbständige nachhaltige und mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübte Betätigung, die auf den Einsatz eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgerichtet ist und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. 27
Erscheinungsformen des Betriebs. Für die Anwendung des Art. 8 ist nicht Voraussetzung, dass der Betreiber auch Eigentümer des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs ist. Etwas missverständlich ist deshalb Art. 8 Rz. 18 OECD-MK, wonach „eigene“ Schiffe oder Luftfahrzeuge betrieben werden müssen. Tatsächlich kommt es im Regelungsbereich des Art. 8 nicht auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an; auch der in der Praxis (insbesondere im Liniendienst) häufig anzutreffende Betrieb gecharterter, gemieteter oder geleaster Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge fällt in den Regelungsbereich der Vorschrift (vgl. Art. 8 Rz. 4 OECD-MK). Umgekehrt werden von der Spezialregelung auch die Gewinne aus der Vercharterung des Seeschiffes (sog. „Trampschifffahrt“) und/oder des Luftfahrzeugs (sog. „wet lease“) erfasst, wenn das Fahrzeug vollständig ausgerüstet und bemannt überlassen wird (vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK). Deshalb gehört insbesondere die Vercharterung im Wege der Time Charter,8 der Reisecharter9 und der Slot Charter10 zum Betrieb eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs i.S.d. Norm. Nicht erforderlich für die Anwendung von Art. 8 ist, dass der Vercharterer ein eigenes Seeschiff bzw. Luftfahrzeug vollständig ausgerüstet und bemannt überlässt. Vielmehr fallen auch die Gewinne eines Vercharterers aus der Überlassung eines vollständig ausgerüsteten und bemannten Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs, das dieser bareboat (leer) eingechartert hat, in den Regelungsbereich der Vorschrift. Auf Seiten des Charterers ist zu differenzieren: Verwendet der Charterer das Schiff bzw. Luftfahrzeug für eigene Transportzwecke – bspw. zur Beförderung von Erzen zur Weiterverarbeitung durch sein Unternehmen – ist er kein Betreiber i.S.d. Art. 8. Wenn er 1 Vgl. z.B. BFH v. 5.3.1998 – IV R 23/97, BStBl. II 1998, 745; v. 30.8.2012 – IV R 54/10, DB 2012, 243; R 2.5 Abs. 1 GewStR 2009. 2 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 3 BFH v. 14.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155 (158). 4 Vgl. BT-Drucks. 13/7480, 202. 5 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 6 Vgl. z.B. Probst in H/H/R, § 49 EStG Rz. 128 (Stand Juli 1998). 7 Ausdrücklich offen gelassen durch FG Hamburg v. 2.2.2010 – 2-K-147/08, EFG 2010, 1116 (Rev. BFH IV R 12/10) zu § 5a EStG. 8 Zum Begriff vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 443. 9 Zum Begriff vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 443. 10 Zum Begriff vgl. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 443.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 27–29 Art. 8
das Schiff bzw. Luftfahrzeug dagegen verwendet, um für ein anderes (Konzern-)Unternehmen einen Transport auszuführen, unterliegen die aus der Beförderung erzielten Gewinne Art. 8. Dabei ist es gleichgültig, ob der Charterer das Schiff bzw. Luftfahrzeug bareboat oder ausgerüstet einchartert.1 Deshalb kann auch ein Unternehmen, das die Überlassung einer festen Kapazität an Frachtraum erwirbt – bei Schiffen zumeist in Form von Containerstellplätzen – und über diese Kapazität eigens Frachtverträge abschließt, aus dieser Tätigkeit Einkünfte gem. Art. 8 erzielen.2 Ein Seeschiff bzw. Luftfahrzeug kann somit mehrere Betreiber i.S.d. Art. 8 haben.3 Leervermietung. Die Leervermietung von Seeschiffen (sog. „Bareboat-Charter“) 28 bzw. Luftfahrzeugen (sog. „dry lease“) stellt hingegen keinen Betrieb i.S.d. Regelung dar. Daraus erzielte Gewinne werden als Unternehmenseinkünfte grundsätzlich von Art. 7 erfasst (vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK), sofern die Vermietung gewerblich ist; andernfalls gilt Art. 21 (vgl. Art. 21 Rz. 17 ff.). Nach älteren Abkommen, die in Übereinstimmung mit der bis zum Jahr 1992 geltenden Fassung des OECD-MA geschlossen wurden, sind die Erträge aus der Bareboat-Charter als Mieteinkünfte aus gewerblichen Ausrüstungen Lizenzgebühren.4 Von Art. 8 und nicht von Art. 7 erfasst wird aus Vereinfachungsgründen hingegen die nur gelegentliche Leervermietung von Fahrzeugen des i.Ü. Seeschifffahrt bzw. Luftfahrt im internationalen Verkehr betreibenden Unternehmens (vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK). Wann eine Leervermietung noch gelegentlich ist, hängt von ihrer Dauer und wirtschaftlichen Bedeutung für das Unternehmen ab.5 Eine pauschale Einordnung der Leervercharterung, die sich allein an der Laufzeit des Bareboat-Chartervertrages orientiert,6 trägt zwar zur Vereinfachung bei, sie dürfte jedoch in vielen Fällen zu unsachgerechten Ergebnissen führen. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls, wozu insbesondere die Anzahl der insgesamt betriebenen Schiffe bzw. Luftfahrzeuge des Unternehmens gehört. So ist es z.B. von Bedeutung, ob das Unternehmen sein einziges Schiff bzw. Luftfahrzeug über einen Zeitraum von zwei Jahren überwiegend leer verchartert (kein Art. 8), oder dieses Schiff zu einer größeren Flotte des Unternehmens gehört (Anwendung von Art. 8 in Abhängigkeit von der Flottengröße grds. möglich). Eine Leervercharterung kann in Krisenzeiten für das Unternehmen an Bedeutung gewinnen, wenn Schiffe der Unternehmensflotte z.B. mangels Beschäftigung aufliegen. Für die abkommensrechtliche Qualifikation der Einkünfte aus der Leervercharterung dürfte es dennoch unbeachtlich sein, ob die übrigen Schiffe in Beschäftigung sind oder aufliegen, so dass die allein durch das Aufliegen bedingte zunehmende Bedeutung der Leervercharterung nicht zu einer anderen Verteilung des Besteuerungsrechts führt. Hilfs- und Nebengeschäfte – Grundsätze. Neben der Beförderung von Personen 29 und/oder Gütern umfasst der Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen nach Art. 8 Abs. 1 sämtliche mit dieser Beförderung zusammenhängenden Hilfs- und Nebentätigkeiten. Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit noch zum Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr zählt oder als eigenständige Leistung unter eine andere Verteilungsnorm fällt, bereitet in der Praxis gelegentlich Schwierigkeiten. Für Zwecke der Abgrenzung ist von folgenden Definitionen auszugehen: Zu den Nebentätigkeiten gehören solche Geschäfte, die nicht den eigentlichen Zweck des Betriebs von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr ausmachen und sich auch nicht notwendig aus dem eigentlichen Geschäftsbetrieb ergeben, aber in seiner Folge vorkommen und nebenbei miterledigt werden (vgl. Art. 8 Rz. 4.2 OECD-MK).7 Hilfsgeschäfte sind solche Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb üblicherweise mit sich bringt und die die Aufnahme, Fortführung und Abwicklung der 1 A.A. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 443, wonach beim Charterer insbesondere bei der Reiseund Slot Charter kein Betrieb i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gegeben ist. 2 Vgl. Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1368). 3 Vgl. BFH v. 7.12.1989 – IV R 86/88, BStBl. II 1990, 433. 4 Vgl. hierzu Görl in Vogel2, Art. 8 OECD-MA Rz. 32. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 17. 6 Vgl. Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 20, wonach eine Leervercharterung über eine Dauer von mehr als einem VZ als nicht mehr „gelegentlich“ angesehen werden dürfte. 7 Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155.
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Art. 8 Rz. 29–30
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Haupttätigkeit erst ermöglichen. Sie stehen in einer funktionalen Beziehung zum Hauptgeschäft und können diesem als Vorbereitungstätigkeiten auch zeitlich vorangehen, z.B. die Einstellung von Personal, das Anmieten von Geschäftsräumen, die Anschaffung von Maschinen und Material sowie die Anschaffung oder Herstellung von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden.1 Erforderlich für die Einordnung von Hilfs- und Nebengeschäften in den Regelungsbereich des Art. 8 ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Erfasst werden damit Geschäfte, die sich auf die Aufnahme, die Fortführung und die Abwicklung des Betriebs beziehen. Dabei sind nicht nur die Gewinne in den Anwendungsbereich des Art. 8 einbezogen, die durch den Einsatz des Schiffes bzw. Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr unmittelbar veranlasst sind, sondern auch Aufwendungen während der Ballast-, Leer- und Reparaturzeiten.2 Anwendung auf die Einkünfte aus Hilfs- und Nebentätigkeiten findet Art. 8 nach Auffassung des BFH jedoch stets nur dann, wenn das Seeschiff bzw. Luftfahrzeug auch tatsächlich – zumindest zeitweilig – in Dienst gestellt wird (vgl. Rz. 25).3 Entsprechende Erträge und Aufwendungen fallen danach nur dann unter Art. 8, wenn die Haupttätigkeit später auch ausgeübt wird.4 Wird das Seeschiff oder Luftfahrzeug unmittelbar nach Fertigstellung veräußert oder kommt es aus anderen Gründen nicht zur Ablieferung durch die Werft bzw. zum Einsatz des Seeschiffes im internationalen Verkehr durch den Besteller, so soll der erforderliche Zusammenhang des Hilfsgeschäfts zum Hauptgeschäft nach Auffassung des BFH fehlen.5 Die Entscheidung des BFH ist jedoch zu § 34c Abs. 4 EStG 19796 ergangen und wird insbesondere mit dem Subventionscharakter der Norm begründet,7 so dass sie nach hier vertretener Auffassung für die Auslegung unbeachtlich ist (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 26).8 30
Hilfs- und Nebengeschäfte – Beispiele. Zu den Geschäften, die in den Regelungsbereich des Art. 8 fallen, zählt z.B. der Verkauf von Fahrkarten durch rechtlich unselbständige Agenturen des Betreibers von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr für eigene oder fremde Beförderungen (vgl. Art. 8 Rz. 8 OECD-MK).9 Hingegen erzielen Reisebüros, die vom Schifffahrts- bzw. Luftfahrtunternehmen rechtlich unabhängig sind, mit ihren Provisionen aus dem Verkauf von Fahrkarten stets Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7, und zwar auch dann, wenn das Reisebüro von einer Tochtergesellschaft des Schifffahrt- oder Luftfahrtunternehmens betrieben wird. Zu den Hilfs- und Nebentätigkeiten gehören außerdem die Leistungen durch Werbung und Reklame an Bord der Seeschiffe und Luftfahrzeuge für andere Unternehmen (vgl. Art. 8 Rz. 8.1 OECD-MK), ferner die internationale Beförderung durch ein anderes Unternehmen, z.B. bei Vereinbarungen über gemeinsame Codes (sog. „code-sharing“) oder bei Slot-Charterungen oder um einen früheren Beförderungstermin zu nutzen (vgl. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK), der Landtransfer von Gütern vom Hafen bzw. Flughafen zu einem Lager (sog. Anschlusskabotage) und vice versa sowie der Bustransfer von Passagieren als Zubringer- oder Anschlussbeförderung (vgl. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Art. 8 umfasst die landseitige Beförderung von Personen oder Gütern indes nur, wenn und soweit sie von dem Unternehmen übernommen wird, das auch die internationale
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Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155. Vgl. BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155; vgl. auch FG Hamburg v. 17.8.2011 – 2 K 42/11, EFG 2012, 393 (Rev. BFH IV R 45/11) zu § 5a EStG, wonach § 5a EStG auch beim Betrieb des Schiffes von nur 2 Monaten und 10 Tagen grundsätzlich anzuwenden ist. BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. Vgl. BFH v. 24.11.1983 – IV R 74/80, BStBl. II 1984, 155 (158), wonach „ein begünstigtes Hilfsgeschäft ein begünstigtes Hauptgeschäft erfordert“. A.A. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 24.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004“ BStBl. I 2009, 888 Rz. 4.5.3.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 30
Art. 8
Beförderung erbringt und es sich um reine Zubringerdienste handelt (s. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Diese Leistungen gehören jedoch nur dann zum Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, wenn für sie kein besonderes Entgelt berechnet wird.1 Nicht erforderlich ist, dass das Unternehmen die Beförderung selbst erbringt. Von Art. 8 werden daher auch Gewinne eines Betreibers von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen aus der Bereitstellung einer solchen Beförderung durch andere Unternehmen (z.B. Bustransfer zum Flughafen oder zum Reiseziel) erfasst (vgl. Art. 8 Rz. 7 OECD-MK). Dieses andere Unternehmen erzielt aus der Beförderung freilich keinen Gewinn i.S.d. Art. 8, wenn die Leistung nicht in einem Zusammenhang mit einem eigenen Transport von Personen oder Gütern mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr steht (vgl. Art. 8 Rz. 7 OECD-MK). Deutschland behält sich seine Auffassung hinsichtlich der Anwendung des Artikels auf jene Einkünfte aus der Beförderung von Passagieren und Gütern vor.2 Der Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen umfasst dagegen grundsätzlich nicht auch den Betrieb eines Lagers; entsprechende Einkünfte fallen vielmehr unter Art. 7. Hingegen wird die Lagerhaltung als Hilfsgeschäft eines Schifffahrt- bzw. Luftfahrtunternehmens von Art. 8 umfasst, wenn das Lager allein der Zwischenlagerung der Fracht vor der Verladung auf das Schiff oder in das Luftfahrzeug bzw. nach Verladung und vor der Weiterbeförderung zum Empfänger dient und das Unternehmen für die Aufbewahrung kein gesondertes Entgelt berechnet. Hotels und sonstige Unterkünfte, die das Schifffahrts- oder Luftfahrtunternehmen für seine Passagiere und/oder die eigene Besatzung zur Unterbringung unmittelbar vor bzw. nach der Beförderung betreibt bzw. bereit hält, stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs, so dass die entsprechenden Aufwendungen in den Regelungsbereich des Art. 8 fallen. Voraussetzung ist auch insoweit, dass das Unternehmen den Passagieren bzw. der Besatzung die Unterbringung nicht gesondert berechnet bzw. die Kosten im Preis für die Beförderung enthalten sind.3 Die gleichen Grundsätze gelten für Gastronomiebetriebe, Ladengeschäfte etc. an Bord von Schiffen.4 Entsprechende Tätigkeiten fallen nur dann in den Anwendungsbereich des Art. 8, wenn das Schifffahrtsunternehmen die Einrichtung selbst betreibt.5 Wird die Gastronomie hingegen von Fremdunternehmen betrieben, unterliegen deren Gewinne aus dem Betrieb der Einrichtung Art. 7.6 Die für die Überlassung der entsprechenden Bordbereiche erzielten Mieten und Pachten gehören beim Schifffahrtsunternehmen indes zum Gewinn aus dem Betrieb des Schiffes.7 Unter Art. 8 fallen ferner die Einkünfte aus den vielfältigen Bodendiensten, die von den Luftverkehrsgesellschaften i.Z.m. der Beförderung von Passagieren oder Frachtgut erbracht werden (sog. „ground-handling“).8 Nach den obigen Grundsätzen (vgl. Rz. 29) umfasst die Norm auch Kursgewinne und -verluste aus Währungsgeschäften sowie Leistungen von Schadensersatz, wenn sie mit dem Betrieb eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen – Beispiele: Gewinne/Verluste aus der Umrechnung von in Fremdwährung gezahlten Charterraten in die nationale Währung; Schadensersatzleistungen der Werft an die Reederei infolge verspäteter Ablieferung des – später in Dienst gestellten9 – Seeschiffes. Ferner fallen Fautfrachten,
1 Vgl. FinMin Hess. v. 15.4.1969 – S-1301 – A, Handbuch des Außensteuerrechts 2002, 696 f. zu Containerleistungen. 2 Vgl. Bemerkungen zu Art. 8 Rz. 29 OECD-MK; zu Rechtsnatur und Begriff der „Bemerkungen“ s. Systematik Rz. 34). 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 16. 4 Vgl. zur Bordverpflegung bei Luftfahrtunternehmen Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1365 f.). 5 Vgl. Kempf/Wolter in G/K/G, Art. 8 OECD-MA Rz. 122. 6 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 16; Kempf/Wolter in G/K/G, Art. 8 OECD-MA Rz. 122. 7 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 16; a.A. Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECDMA Rz. 22; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 21. 8 Vgl. Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1369 f.). 9 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875; vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen in Rz. 26.
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Art. 8 Rz. 30–31
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Leerfrachten und Liegegelder1 i.Z.m. dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr unter die Regelung. 31
Container. Die Anzahl der zu Lande, zu Wasser und im Luftverkehr bewegten Container ist in den vergangenen Jahren eindrucksvoll gestiegen.2 Insbesondere in der deutschen Handelsflotte zur See3 entfällt die meiste Tonnage auf Containerschiffe, sie bilden seit Jahren das mit Abstand größte Segment in der Seeschifffahrt.4 Mit dem Containertransport verbunden und ihm untergeordnet sind regelmäßig weitere Leistungen der Reedereien und Luftfahrtunternehmen, bspw. die Vermietung und die Gestellung von Containern. Entsprechende Gewinne eines Betreibers von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr aus diesen Tätigkeiten werden grds. vom Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 umfasst (s. Art. 8 Rz. 9 OECD-MK). Gleiches gilt für die Gewinne eines solchen Unternehmens aus der kurzfristigen Lagerung dieser Container (z.B. wenn es einem Kunden die Aufbewahrung eines beladenen Containers in einem Lagerhaus bis zur Auslieferung in Rechnung stellt) oder aus der Erhebung von Gebühren für die verspätete Rückgabe von Containern (s. Art. 8 Rz. 9 OECD-MK). In den Regelungsbereich der Norm fällt ferner der Landtransport der Container zum Hafen/Flughafen bzw. vom Hafen/Flughafen zum Abnehmer (s. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Deutschland (wie auch Griechenland und die Türkei) behält sich indes seine Auffassung bzgl. der Anwendung des Artikels auf Einkünfte aus den vorstehenden Containerleistungen vor.5 Die neueren dt. DBA (z.B. DBA-Großbritannien [78], DBA-Luxemburg [112], DBA-Niederlande [122], DBA-Spanien [148], DBA-Zypern [193]) unterstellen die Gewinne aus der Nutzung oder Vermietung von Containern ausdrücklich Art. 8, wenn diese Tätigkeiten dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftahrzeugen im internationalen Verkehr (bzw. Binnenschiffen) untergeordnet sind. Die Auffassung der dt. FinVerw zum Containerverkehr in der internationalen Seefahrt ist in inhaltsgleichen, immer noch gültigen Ländererlassen6 aus dem Jahr 1969 enthalten. Danach fallen insbesondere folgende Tätigkeiten unter die Regelung des Art. 8: (1) Die Gestellung von Containern und Spezialfahrgestellen zur Beförderung in den Abgangsseehafenplatz und während des Überseetransports, (2) das Umladen der Container vom Spezialfahrgestell oder vom Eisenbahnwagen in das Seeschiff, (3) der Transport auf dem Seeschiff, (4) das Entladen der Container im Bestimmungshafen aus Spezialfahrgestellen oder Eisenbahnwaggons, (5) die Gestellung von Containern und Spezialfahrgestellen vom Eingangsseehafenplatz zum Inlandsempfänger sowie (6) alle mit dem Containerverkehr zusammenhängenden Leistungen, wenn für sie vom Reeder kein besonderes Entgelt erhoben wird. Die FinVerw stellt die Einordnung der vorstehenden Tätigkeiten unter den Art. 8 unter den Vorbehalt, dass auch der andere Vertragsstaat die Schifffahrtsklausel des Abkommens entsprechend auslegt, die Gegenseitigkeit also gewährleistet ist.7 Dieser Vorbehalt ist unzulässig, denn die abkommensrechtlichen Regelungen sind von den Vertragsstaaten autonom auszulegen (vgl. Systematik Rz. 78).8
1 Vgl. zu den Begriffen Lieber in H/H/R, § 49 Rz. 466. 2 Nach einer Prognose von IHS Global Insight wird der Containerverkehr zwischen 2012 und 2017 um 27 % wachsen, FAZ v. 5.4.2013, 19. 3 Mit 3.878 Schiffen ist die dt. Handelsflotte die drittgrößte der Welt, IHS Fairplay, Stand: 31.12.2011, in VDR – Daten der Seeschifffahrt, Ausgabe August 2012. Bis zum Beginn des Jahres 2013 ist die Anzahl auf 3671 Schiffe gesunken, FAZ v. 5.4.2013, 19. 4 Zum Ende d. J. 2011 betrug die dt. Containerschiffsflotte 1.793 Schiffe mit einer Kapazität von 5,021 Mio. Containern (TEU), IHS Fairplay, Stand: 31.12.2011, in VDR – Daten der Seeschifffahrt, Ausgabe August 2012. Etwa jedes 3. Containerschiff befindet sich in deutschem Eigentum. 5 Vgl. Bemerkungen zu Art. 8 Rz. 29 OECD-MK; zu Rechtsnatur und Begriff der „Bemerkungen“ s. Systematik Rz. 34. 6 FinMin Hess. v. 15.4.1969 – S-1301 – A, Handbuch des Außensteuerrechts 2002, 696 f. 7 FinMin Hess. v. 15.4.1969 – S-1301 – A, Handbuch des Außensteuerrechts 2002, 696 f. 8 Gl.A. Kreutziger in Wassermeyer, § 8 OECD-MA Rz. 20 a.E.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 32–34 Art. 8
3. Internationaler Verkehr Begriff. Die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 setzt voraus, dass das Seeschiff oder 32 Luftfahrzeug im internationalen Verkehr betrieben wird. Definiert ist der Begriff „internationaler Verkehr“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e. Darunter zu verstehen ist – wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert – jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug, das von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat betrieben wird, es sei denn, das Seeschiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben. In den Regelungsbereich des Art. 8 gelangt man somit nur dann, wenn sich die tatsächliche Geschäftsleitung des Unternehmens in einem der beiden Vertragsstaaten befindet (vgl. Rz. 9). Die Beförderung selbst muss definitionsgemäß nicht grenzüberschreitend sein; sie kann sich auf die Hoheitsgewässer bzw. den Luftraum des Geschäftsleitungsstaates bzw. eines Drittstaates beschränken. In Art. 8 Rz. 6 OECD-MK wird hervorgehoben, dass der abkommensrechtliche Begriff des internationalen Verkehrs über die Bedeutung des gleichen Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch hinausgeht. Die Definition des Begriffs soll den Vertragsstaaten so ermöglichen, ihren reinen Binnenverkehr besteuern zu können und dem Geschäftsleitungsstaat darüber hinaus den internationalen Verkehr (vgl. Art. 8 Rz. 6 OECD-MK). Unter dem Begriff sind daher Beförderungsleistungen unter Einsatz eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs zwischen ausländischen Häfen bzw. Flughäfen oder zwischen inländischen und ausländischen Häfen bzw. Flughäfen zu verstehen.1 Ausreichend für die Anwendung des Art. 8 ist somit, dass der Betrieb des Seeschiffes bzw. Luftfahrzeugs grenzüberschreitend ist, d.h. die Seeschiffe oder Luftfahrzeuge müssen internationale Grenzen passieren.2 Abgrenzung. Die inländische Küstenschifffahrt ist nicht grenzüberschreitend und 33 infolgedessen kein internationaler Verkehr, ebenso wenig Fahrten von Seeschiffen zwischen dt. Häfen oder diesen und der freien See. Schlepp- und Versorgerschiffe, die zwischen dem Festland und dem Offshore-Gebiet eingesetzt werden, werden daher insoweit nicht im internationalen Verkehr betrieben.3 Unbeachtlich für eine grenzüberschreitende Beförderung ist die Anzahl der angelaufenen bzw. angeflogenen Häfen bzw. Flughäfen.4 Ferner ist es nicht erforderlich, dass nach jedem Auslaufen bzw. Abflug eine Grenze überschritten wird. Eine Beförderung ist auch dann internationaler Verkehr, wenn während einer grenzüberschreitenden Reise verschiedene Orte eines Staates nacheinander berührt werden.5 Vom internationalen Verkehr umfasst wird auch die sog. Anschlusskabotage, d.h. die Beförderung von Personen und Gütern im Anschluss an die grenzüberschreitende Beförderung (Rz. 30).6 Wenn Seeschiffe (bspw. ein im Seeschiffsregister eingetragener Schlepper) nicht im internationalen Verkehr betrieben werden, findet ggf. Art. 8 Abs. 2 Anwendung (vgl. die Darstellung in Rz. 50), sonst Art. 7. Werden Luftfahrzeuge nicht im internationalen Verkehr betrieben, gilt stets Art. 7. Exkurs: Tonnagesteuer gem. § 5a EStG. Die abkommensrechtliche Definition des 34 internationalen Verkehrs weicht von der nach deutschem innerstaatlichem Recht (§ 5a EStG, § 34c Abs. 4 EStG 19797) ab: Internationaler Verkehr ist nach § 5a Abs. 2 S. 1 EStG die Beförderung von Personen oder Gütern im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen, innerhalb eines ausländischen Hafens oder zwischen einem ausländischen Hafen und der Hohen See (§ 5a Abs. 2 S. 1 EStG).
1 Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 47 m.w.N. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 35. 3 Vgl. Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 21; vgl. insoweit Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen (FN 187) sowie Art. 23 Abs. 4 DBA-Dänemark. 4 Vgl. Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, DBA Schweiz-Deutschland, B 8.1 Rz. 1. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. 6 Vgl. FinMin Hess. v. 18.6.1996 – S-1302 A – 32 – II B 31, Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2003, Band I, 1234 f.; Kempf/Wolter in G/K/G, Art. 8 OECD-MA Rz. 32. 7 BStBl. I 1979, 379 (420) zu § 34c Abs. 4 EStG 1979.
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Art. 8 Rz. 34–38
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Beispiel: Ein Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland betreibt einen Schlepper, der Schleppfahrten sowie gelegentliche Seehafenassistenz zwischen einem ausländischen Hafen und den Küstengewässern desselben Vertragsstaats (OECD-MA) durchführt. Der Schlepper wird nach § 5a Abs. 2 S. 1 EStG im internationalen Verkehr betrieben, so dass die „Tonnagesteuer“ unter den weiteren Voraussetzungen des § 5a EStG Anwendung findet.1 Abkommensrechtlich wird der Schlepper hingegen nicht im internationalen Verkehr eingesetzt, selbst wenn die Beförderung2 teilweise außerhalb des anderen Vertragsstaates stattfindet (s. Art. 8 Rz. 6.3 OECD-MK). Wenn Art. 8 wie hier vertreten auf Schleppfahrten im Grundsatz Anwendung findet (vgl. hierzu die Ausführungen in Rz. 21), steht im Bsp. Deutschland das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Schleppdienst nach Art. 8 Abs. 2 zu (vgl. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK).
35 Beispiel 1: Eine Luftverkehrsgesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X befördert Passagiere vom Staat X in den Staat Y. Auf seiner Route fliegt das Luftfahrzeug nacheinander zwei Flughäfen (Y1 und Y2) im Vertragsstaat Y an. Nach der Zwischenlandung (Y1) steigen weitere Passagiere für den Anschlussflug zum Flughafen Y2 zu. Die Beförderung auf der Route X nach Y2 ist internationaler Verkehr i.S.d. OECD-MA. Damit fallen die gesamten Flugentgelte – also auch für die Beförderung von Y1 nach Y2 – in den Regelungsbereich des Art. 8 (vgl. Art. 3 Rz. 6.1 f. OECD-MK).
36 Beispiel 2: Sachverhalt wie im Beispiel zuvor mit der Abwandlung, dass die Luftverkehrsgesellschaft zwar ihren Sitz im Staat X, jedoch ihre tatsächliche Geschäftsleitung im Staat Z hat. Die Beförderung von X nach Y ist i.S.d. zwischen X und Y abgeschlossenen Abkommens (OECD-MA) kein internationaler Verkehr. Zwar ist der Betrieb des Luftfahrzeugs grenzüberschreitend; da die Gesellschaft aber weder im Staat X noch im Staat Y ihre Geschäftsleitung hat, findet nicht Art. 8, sondern Art. 7 Anwendung. Danach besteuert Staat X das Welteinkommen, Staat Y hat ggf. ein Betriebsstättenbesteuerungsrecht.3
37 Beispiel 3: Ein Luftfahrtunternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X betreibt eine rechtlich unselbständige Agentur im Vertragsstaat Y zum Verkauf von Fahrkarten für Passagen zwischen den Staaten X und Y (Alt. 1) bzw. für Passagen, die sich auf Y (Alt. 2) beschränken. Zu Alt. 1: Das Besteuerungsrecht für die Gewinne der Agentur aus dem Verkauf der Fahrkarten hat nach Art. 8 Abs. 1 der Geschäftsleitungsstaat X (s. Art. 3 Rz. 6 OECD-MK). Zu Alt. 2: Die Beförderung ausschließlich im anderen Vertragsstaat ist kein internationaler Verkehr i.S.d. Art. 3 Nr. 1 Buchst. e (s. Art. 3 Rz. 6.3 OECD-MK); die Besteuerung der Gewinne der Agentur bestimmt sich insoweit nach dem Betriebsstättenprinzip des Art. 7. Verkauft die Agentur Fahrkarten für beide Reisen (X/Y und Y), muss sie ihren Gewinn ggf. entsprechend aufteilen.
4. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung 38
Begriff. Der Begriff „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ in Art. 8 ist identisch mit dem des Art. 4 Abs. 3 (vgl. Art. 4 Rz. 106 ff.). Während die Regelung in Art. 4 Abs. 3 aber Bedeutung nur für juristische Personen hat, gilt der Begriff in Art. 8 für sämtliche Unternehmensformen, also für Personenunternehmen (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) wie für Körperschaften. In beiden Vorschriften ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung gemeint,4 also der Ort, „wo der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille gebildet wird“ und wo „die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende Geschäftsführertätigkeit entfalten“.5 Damit kommt es nicht auf den Ort an, an dem geschäftsleitende Anordnungen wirksam, sondern an dem sie gegeben werden6 bzw. an dem die Entscheidungen der laufenden Geschäftsführung (des sog. Tagesgeschäfts) getroffen werden. Nicht ausreichend ist ein Ort,
1 Vgl. zu Schleppschifffahrt und § 5a EStG auch Weiland in L/B/P, § 5a EStG Rz. 98. 2 Vgl. das zu § 34c EStG 1979 ergangene Urteil des BFH v. 11.4.1990 – I R 163/87, BStBl. II 1990, 783. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 34. 4 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 26, Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 51 ff. 5 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 6 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 266.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 38–40 Art. 8
von dem aus die Geschäftsleitung lediglich überwacht wird.1 Zum Tagesgeschäft gehören die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, sowie die zur gewöhnlichen Verwaltung der Gesellschaft erforderlichen organisatorischen Maßnahmen.2 Einen – nicht abschließenden – Katalog von Tätigkeiten, die das Tagesgeschäft eines Seeschifffahrtsunternehmens kennzeichnen, enthält der sog. „Tonnagesteuererlass“.3 Maßgebend für die Beurteilung, wo sich die geschäftliche Oberleitung befindet, sind die in ihrer Bedeutung für die laufende Geschäftsführung zu gewichtenden tatsächlichen Verhältnisse. Nicht zum Tagesgeschäft zählen die regelmäßig den Eigentümern vorbehaltene Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik sowie Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.4 Nach Art. 4 Rz. 24 OECD-MK ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der „Ort, an dem die grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen, die für die Führung der Geschäfte des Rechtsträgers notwendig sind, im Wesentlichen getroffen werden“. Dabei gilt, dass eine Gesellschaft zwar mehrere Orte der Geschäftsleitung, aber immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben kann (s. Art. 4 Rz. 24 OECD-MK). Ergänzend stellt Art. 8 Rz. 21 OECD-MK klar, dass ein Betriebsstättengewinn nach Art. 8 nur dann im Quellenstaat besteuert werden kann, wenn die Betriebsstätte zugleich den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des gesamten Unternehmens, das Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt, bildet (vgl. zu den Besonderheiten bei Mischbetrieben die Darstellung in Rz. 43).5 Personengesellschaft und Partenreederei. Bei Personengesellschaften oder Par- 39 tenreedereien obliegt die Führung der Tagesgeschäfte den zur Vertretung befugten Personen, nicht notwendigerweise den Mitgesellschaftern bzw. Mitreedern. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung kann sich daher in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Managers oder Vertrags- bzw. Korrespondentreeders (§ 492 HGB) befinden, wenn die Mitgesellschafter bzw. Mitreeder nur fallweise und nicht ständig in das Tagesgeschäft eingreifen.6 Die in der Praxis zahlreichen vor allem als Publikumsgesellschaften konzipierten Ein-Objekt-Gesellschaften in der Rechtsform der KapG & Co. KG haben ihren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung regelmäßig nicht dort, wo der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft die (ihm verbleibenden) Entscheidungen trifft, sondern in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Managers bzw. Vertragsreeders, dem im Wesentlichen die typischen Aufgaben des Korrespondentreeders i.S.d. § 493 Abs. 2 HGB übertragen wurden.7 5. Gewinn aus dem Betrieb Begriff. Der Begriff „Gewinn“ ist abkommensrechtlich nicht definiert und somit 40 nach innerstaatlichem Steuerrecht des Anwenderstaates auszulegen (Art. 3 Abs. 2). Grundsätzlich gehören zum „Gewinn“ i.S.d. Art. 8 sämtliche Erträge und Aufwendungen des Unternehmens, die mit dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr in engem sachlichen Zusammenhang stehen; also sowohl positive wie negative Einkünfte aus der Haupttätigkeit sowie aus allen Neben- und Hilfsgeschäften des Stammhauses sowie sämtlicher Betriebsstätten des Unternehmens (zum Erfordernis, dass das Schiff bzw. Luftfahrzeug auch tatsächlich zum Einsatz kommen muss,8 vgl. Rz. 25 f.). Der Gewinn nach Art. 8 umfasst ferner nachlaufende Gewinne und Verluste (bspw. aus Claims, Prozessen, dem Eingang wertberichtigter Forderungen, der Auflösung von Rückstellungen und dergl.) aus dem
1 Vgl. Lehner in V/L5, Art. 4 OECD-MA Rz. 266. 2 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 3 Vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956. 4 Vgl. FG Bremen v. 13.5.2004 – 1 K 224/03, n.v. (rkr.). 5 A.A. wohl Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 26 a.E. 6 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 7 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 8 Vgl. BFH v. 1.4.2003 – I R 31/02, BStBl. II 2003, 875.
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Art. 8 Rz. 40–44
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr.1 Sie müssen jedoch zeitlich auf den Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinn rückbezogen werden.2 41
Ermittlung. Nach dem Recht des Anwenderstaates bestimmen sich außerdem die Art der Ermittlung der Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen (z.B. Betriebsvermögensvergleich, Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, pauschale Gewinnermittlung nach der im Betrieb geführten Tonnage) bzw. Ansatz und Bewertung von Wirtschaftsgütern des Unternehmens, der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sowie die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben. Die Anwendung des nationalen Rechts des Anwenderstaates ist somit im umfassenden Sinn zu verstehen.3 6. Mischbetriebe
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Begriff. Mit Mischbetrieben sind Unternehmen gemeint, die neben dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr mindestens eine andere gewerbliche Tätigkeit ausüben, die nicht – auch nicht als Hilfstätigkeit (s. hierzu Rz. 29 f.) – von Art. 8 erfasst wird.
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Abgrenzung. Art. 8 verwendet nicht den Begriff „Unternehmen“, sondern stellt auf den „Betrieb“ von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie auf den „Betrieb“ von Schiffen ab, die der Binnenschifffahrt dienen. Daraus ergibt sich, dass die Bestimmung auch für Mischbetriebe gilt, soweit sie entsprechende Gewinne erzielen.4 Entscheidend ist bei der Abgrenzung stets die Tätigkeit der Betriebsstätte selbst, unbeachtlich ist, welche Tätigkeiten in anderen Betriebsstätten bzw. im Stammhaus des Unternehmens ausgeübt werden. Wenn und soweit die Betriebsstätte Seeschifffahrt bzw. Luftfahrt im internationalen Verkehr betreibt, ist ihr Ergebnis in dem Vertragsstaat (vgl. Rz. 9) zu versteuern, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des (Teil-)Unternehmens belegen ist. Sofern jene Betriebsstätte nicht zugleich die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Gesamtunternehmens darstellt, ist dabei auf die tatsächliche Geschäftsleitung des Unternehmensbereichs „Schifffahrt“ bzw. „Luftfahrt“ abzustellen (vgl. Art. 8 Rz. 21 OECD-MK). Somit kann es in einem Unternehmensverband verschiedene Orte der tatsächlichen Geschäftsleitung geben – des Gesamtunternehmens wie für die Teilbereiche „Schifffahrt“ und/ oder „Luftfahrt“. Soweit das Ergebnis im Quellenstaat aus anderen gewerblichen Haupttätigkeiten wie bspw. dem Betrieb einer Werft stammt, gilt das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 7.5 Das gilt auch für die Einkünfte, die ein Unternehmen, das Seeschifffahrt oder Luftfahrt im internationalen Verkehr betreibt, aus dem Inlandsverkehr erzielt.
44 Beispiel: Eine Reederei mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X betreibt im Staat Y eine Schiffswerft/Betriebsstätte. Für einen Großkunden übernimmt die Reederei u.a. den Seetransport von X nach Y und vice versa. Zu diesem Zweck befindet sich auf dem Gelände der Werft ein Verladekai, mit dessen Hilfe die Fracht vom Personal der Werft vom Seeschiff auf Eisenbahnwaggons und umgekehrt verladen wird. Soweit das Ergebnis der Betriebsstätte im Staat Y mit dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr zusammenhängt, ist es im Geschäftsleitungsstaat X zu berücksichtigen; der Quellenstaat Y besteuert allein das Ergebnis, das aus dem Betrieb der Werft resultiert, während bspw. die Abschreibungen auf den unternehmenseigenen Verladekai und die anteiligen Personalaufwendungen allein das steuerpflichtige Ergebnis im Staat X mindern können (vgl. Art. 8 Rz. 20 OECD-MK).
1 Vgl. OFD Hannover v. 8.8.1986 – S 2293-114-StO 221, S 2293-137-StH 226, DStR 1987, 61 zu § 34c Abs. 4 EStG 1979. 2 Vgl. BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897. 3 Vgl. Kempf/Wolter in G/K/G, Art. 8 OECD-MA Rz. 77. 4 Vgl. Baranowski, INF 1972, 136 (143). 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999.1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Rz. 4.5.3.
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B. Seeschifffahrt/Luftfahrt (Absatz 1)
Rz. 45–48 Art. 8 45
Beispiel: Eine Reederei mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X unterhält im Staat Y eine Betriebsstätte, die das Personalmanagement (Crewing) für das Stammhaus sowie für andere Unternehmen übernimmt. Soweit die Gewinne aus dem Crewing aus der Tätigkeit für das Stammhaus resultieren, hat der Geschäftsleitungsstaat X das Besteuerungsrecht aus Art. 8. Die aus dem Crewing für Fremde erzielten Gewinne besteuert hingegen der Betriebsstättenstaat Y, Art. 7 (Rz. 9).1
7. Personengesellschaften/Partenreedereien Abkommensschutz. Im Anwendungsbereich des Art. 8 bestehen für Schifffahrt- 46 bzw. Luftfahrtunternehmen, die in der Rechtsform einer Personengesellschaft bzw. einer Partenreederei betrieben werden, im Grundsatz keine Besonderheiten: Das alleinige Besteuerungsrecht steht ebenfalls nur dem Vertragsstaat zu, in dem der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens gelegen ist. Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ist freilich, dass entweder die Personengesellschaft bzw. Partenreederei oder der an ihr beteiligte Gesellschafter bzw. der Mitreeder persönlich abkommensberechtigt ist. Ist die Personengesellschaft oder Partenreederei als solche nicht abkommensberechtigt, findet Art. 8 nur Anwendung, wenn der – ggf. mittelbar über eine weitere Personengesellschaft oder Partenreederei beteiligte – Gesellschafter persönlich abkommensberechtigt ist. Infolgedessen ist auch im Regelungsbereich des Art. 8 der Abkommensschutz für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen. Wenn die PersG selbst nicht abkommensberechtigt ist, kann es unter Beteiligung von Drittstaaten zu Überschneidungen bei der Verteilung des Besteuerungsrechts kommen (vgl. die nachfolgenden Bsp. in Rz. 48 f.).2 Beispiel: An einer Ein-Schiffs-KG mit ausschließlicher Betriebsstätte, Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland sind als Gesellschafter die natürlichen Personen Ö, N und S beteiligt. Ö ist in Österreich ansässig, N in einem Nicht-DBA-Staat und S in Schweden; persönlich abkommensberechtigt sind somit nur Ö und S. Die KG verchartert ihr Seeschiff vollständig ausgerüstet und bemannt an eine Linienreederei, die es im internationalen Verkehr einsetzt. Mit ihren Beteiligungseinkünften aus der KG sind Ö, S und N im Inland nur beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Deutschland hat ein Besteuerungsrecht insoweit jedoch nur für die Einkünfte von Ö (Art. 8 DBA-Österreich) und N, nicht hingegen für die Einkünfte von S (Art. 8 DBA-Schweden). Während Österreich an der Besteuerung der anteiligen Gewinne von Ö abkommensrechtlich gehindert ist, wird N seine Beteiligungseinkünfte i.d.R. auch in seinem Ansässigkeitsstaat – ggf. unter Anrechnung deutscher ESt – versteuern müssen. S versteuert seine Einkünfte aus der KG hingegen ausschließlich in seinem Ansässigkeitsstaat, da nach Art. 8 DBA-Schweden das alternative Wohnsitzprinzip Anwendung findet (vgl. Art. 8 Rz. 2 OECD-MK); Deutschland hat insoweit kein Besteuerungsrecht. Infolgedessen hat S anders als Ö und N auch keine Möglichkeit, von der deutschen Tonnagesteuer zu profitieren (Rz. 15; wobei die Vergünstigungen der dt. Tonnagesteuer für N infolge der Besteuerung im Wohnsitzstaat regelmäßig zunichte gemacht werden).
47
Beispiel: Eine Reederei-KG (KG) mit Sitz und Betriebsstätte in Deutschland erzielt ausschließlich Einkünfte i.S.d. Art. 8 Abs. 1. Die KG hält eine 100 %-Beteiligung an einer LP mit ausschließlicher Betriebsstätte in Zypern, die zugleich auch den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der KG darstellen soll. Die LP übernimmt insbesondere das Personalmanagement (Crewing) ausschließlich für die KG. Gesellschafter der KG sind u.a. die natürlichen Personen D (Ansässigkeitsstaat: Deutschland) und Ö (Ansässigkeitsstaat: Österreich). Für die Beteiligungseinkünfte von D hat Zypern das alleinige Besteuerungsrecht (Art. 8 DBA-Zypern – Rechtslage ab 2012, vgl. Rz. 197 ff.). Ö ist in Deutschland mit seinen inländischen Einkünften (vgl. Rz. 18) beschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergibt sich insoweit aus Art. 7 DBA-Österreich; Art. 8 DBA-Österreich ist nicht anzuwenden, da im Verhältnis Deutschland zu Österreich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung nicht in einem der beiden Vertragsstaaten liegt und damit kein
48
1 Vgl. aber DBA-Zypern, Rz. 202. 2 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 28; Wegner/Piorreck in S/K/K, Art. 8 OECD-MA Rz. 41.
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Art. 8 Rz. 48–53
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
internationaler Verkehr i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e vorliegt (Rz. 9, 32). Seinen anteiligen Gewinn aus der zypriotischen Betriebsstätte versteuert Ö hingegen in Zypern, Art. 8 DBA Österreich-Zypern.1
49 Beispiel: Sachverhalt wie im Bsp. zuvor (Rz. 48) mit folgender Abwandlung: Die tatsächliche Geschäftsleitung der KG wie der LP befindet sich in Deutschland. Für die Beteiligungseinkünfte von D hat Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht, Art. 8 DBA-Zypern – Rechtslage ab 2012, vgl. Rz. 197 ff. Ö ist in Deutschland mit seinen inländischen Einkünften (vgl. Rz. 18) beschränkt steuerpflichtig. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ergibt sich insoweit aus Art. 8 DBA-Österreich. Seinen anteiligen Gewinn aus der zypriotischen Betriebsstätte versteuert Ö hingegen in Zypern, Art. 7 DBA Österreich-Zypern.2
C. Binnenschifffahrt (Absatz 2) 1. Regelungszweck 50
Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat. Mit Abs. 2 erweitert Art. 8 seinen Anwendungsbereich auf die Binnenschifffahrt: auch die Gewinne aus der Beförderung auf Flüssen, Kanälen und Seen sind im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung zu versteuern (vgl. Rz. 1, 19). Anders als Abs. 1 umfasst der Regelungsbereich des Abs. 2 nicht auch die Luftfahrt, denn insoweit bestehen regelmäßig keine Schwierigkeiten, den einzelnen Betriebsstätten ihren Gewinnanteil an der Beförderungsleistung des Unternehmens zuzurechnen. Infolgedessen muss hier keine Spezialnorm die Nachteile des Betriebsstättenprinzips vermeiden bzw. eine drohende Zersplitterung der Besteuerung (vgl. Rz. 2) beseitigen. Auf die Gewinne von Luftfahrtunternehmen aus dem bloßen Vertragsstaatenverkehr findet somit stets Art. 7 Anwendung. 2. Betrieb von Binnenschiffen
51
Abgrenzung zu Abs. 1. Im Unterschied zu Abs. 1 bezieht sich der Regelungsbereich des Abs. 2 nicht nur auf die grenzüberschreitenden Beförderungen, sondern auch auf den Verkehr innerhalb eines Staates durch ein Unternehmen des anderen Staates (vgl. Art. 8 Rz. 16 OECD-MK). Somit hat der Geschäftsleitungsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt selbst dann, wenn die Schiffe ausschließlich auf den Binnengewässern des anderen Vertragsstaats verkehren. Im Übrigen entspricht die Regelung in Abs. 2 der, die für die Seeschifffahrt und Luftfahrt gilt, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann. Insbesondere gehören zum Betrieb der Binnenschifffahrt neben dem eigentlichen Transport von Personen und Gütern auch die hiermit zusammenhängenden Hilfs- und Nebentätigkeiten (vgl. Rz. 29 ff.). Auch sind die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse am Schiff unbeachtlich. In den Anwendungsbereich des Abs. 2 fallen auch die Beförderungsleistungen auf Binnengewässern und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten (vgl. Rz. 29 ff.) der Schleppschifffahrt.3 3. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung
52
Keine Besonderheiten. Für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der Binnenschifffahrt gelten die Ausführungen zu Abs. 1 entsprechend (vgl. Rz. 38). 4. Gewinn aus dem Betrieb
53
Keine Besonderheiten. Für den Gewinn aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, gelten die Ausführungen zu Abs. 1 entsprechend (vgl. Rz. 40 f.).
1 BGBl. 709/1990, 450 ff. 2 BGBl. 709/1990, 450 ff. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 24.
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D. Sonderfall: Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord (Absatz 3)
Rz. 54–56 Art. 8
D. Sonderfall: Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes (Absatz 3) 1. Regelungszweck Besteuerung durch den Heimathafenstaat. Art. 8 Abs. 3 regelt den Sonderfall, dass 54 der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Schiffsunternehmens an Bord eines See- oder Binnenschiffes gelegen ist. In diesem Fall hat das uneingeschränkte Besteuerungsrecht der Staat, in dem der Heimathafen des Schiffes, an dessen Bord sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet, liegt. Die Regelung hat in der heutigen Praxis nur noch sehr geringe Bedeutung. Ihr Hauptanwendungsbereich liegt in Konstellationen, in denen der (zivilrechtliche oder wirtschaftliche) Eigner des Schiffes in Personalunion auch dessen Kapitän ist, die vereinzelt noch in der Küstenschifffahrt anzutreffen sind. Die Norm basiert auf völkerrechtlichen Grundsätzen für die Rechtszuständigkeit bei Schiffen, wonach ein Schiff die Staatsangehörigkeit des Staates besitzt, dessen Flagge es führt.1 Daraus folgt für Abkommen, denen eine Art. 8 Abs. 3 entsprechende Regelung fehlt,2 dass die Geschäftsleitung an Bord des Schiffes als Geschäftsleitung im Flaggenstaat anzusehen ist.3 Für Unternehmen, die mehrere Schiffe betreiben, ist die Anwendung der Sonderregelung zwar theoretisch denkbar; in der Praxis ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung dieser Unternehmen aber regelmäßig an Land befindlich. Anders als die Absätze 1 und 2 stellt Abs. 3 nicht auf den Betrieb, sondern auf das Unternehmen insgesamt ab. Deshalb findet Art. 8 keine Anwendung, wenn Gegenstand des Unternehmens nicht überwiegend der Betrieb der See- oder Binnenschifffahrt ist. Bei der Prüfung, welche Tätigkeit des Unternehmens überwiegt, können die jeweils erzielten Erträge nur indizielle Bedeutung haben.4 2. Heimathafen Definition. Der Heimathafen eines Schiffes ist derjenige, von dem aus die Seefahrt 55 bzw. Binnenfahrt mit dem Schiff tatsächlich betrieben wird, also regelmäßig der Hafen, in dem sich die gewerbliche Niederlassung des Betreibers befindet. Belanglos ist, ob vom Heimathafen aus die Reisen des Schiffes regelmäßig angetreten werden, was z.B. in der Trampschifffahrt zumeist nicht der Fall ist.5 Nach dt. Recht ist der Heimathafen regelmäßig identisch mit dem Registerhafen, da die Eintragung eines registrierpflichtigen Schiffes nach § 4 Abs. 1 SchRegO6 grundsätzlich im Register seines Heimathafens oder Heimatortes zu erfolgen hat. Hingegen kann der Eigner das Register frei wählen, wenn die Seeschifffahrt z.B. von einem ausländischen Hafen aus betrieben wird, § 4 Abs. 2 SchRegO.7 Die Eintragung begründet somit im Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 3 nur eine Vermutung, dass sich der Heimathafen auch tatsächlich am Ort des Registers befindet. 3. Sonderfall: Fehlender Heimathafen Ansässigkeit des Betreibers. Es sind Fälle denkbar, in denen es an einem Heimatha- 56 fen fehlt, z.B. bei einer Geschäftsleitung an Bord des Schiffes, oder der Heimathafen nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden kann. Wenngleich der Registerhafen bei fehlendem Heimathafen als sog. Wahlheimathafen anzusehen ist,8 bestimmt Art. 8 Abs. 3, dass der Ansässigkeitsstaat des Betreibers des Schifffahrtsunternehmens das uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb der See- bzw. Binnenschifffahrt hat. Der Begriff „ansässig“ bestimmt sich nach Art. 4, so 1 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 60 m.w.N. 2 Vgl. für die dt. Abkommenspraxis die Übersicht bei Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 62. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 65. 4 A.A. Malinski/Straka in Wassermeyer, DBA-Belgien Art. 4 Rz. 35. 5 Vgl. Raabe, Seehandelsrecht4, § 480 Rz. 1. 6 BGBl. I 1994, S. 1133, zuletzt geändert durch G v. 11.8.2009, BGBl. I 2009, 2713. 7 BGBl. I 1994, S. 1133, zuletzt geändert durch G v. 11.8.2009, BGBl. I 2009, 2713. 8 Vgl. Nachweise bei Raabe, Seehandelsrecht4, § 480 Rz. 2.
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Art. 8 Rz. 56–59
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
dass es darauf ankommt, in welchem Staat der Betreiber auf Grund seines Wohnsitzes, seines ständigen Aufenthalts oder eines ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist (vgl. Art. 4 Rz. 22 ff.). Wird das Schiff von einer Personengesellschaft betrieben, folgt das Besteuerungsrecht der Ansässigkeit der Mitunternehmer, sofern nicht die Personengesellschaft selbst Steuersubjekt ist. Voraussetzung ist auch hier, dass der Gesellschafter persönlich abkommensberechtigt ist (vgl. Rz. 46). Ist die Personengesellschaft selbst Steuersubjekt, so kommt es auf deren Ansässigkeit an.
E. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Absatz 4) 1. Regelungszweck 57
Klarstellungsfunktion. Gem. Art. 8 Abs. 4 findet die Regelung in Abs. 1 entsprechende Anwendung auf die (anteiligen) Gewinne eines Unternehmens aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. Auch diese Gewinne bleiben im Allgemeinen der ausschließlichen Besteuerung des Vertragsstaats vorbehalten, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligt ist. Insoweit hat Abs. 4 lediglich klarstellende Bedeutung (vgl. Rz. 8). Es ist indes je nach Ausgestaltung der Kooperation denkbar, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung eines Mitglieds an einem Pool o.Ä. in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Managers des Pools o.Ä. befindet, wenn die Mitgesellschafter bzw. Mitreeder des Poolmitglieds nur fallweise und nicht ständig in das Tagesgeschäft eingreifen.1 Ein-Schiff-Gesellschaften haben ihren Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung deshalb ggf. in den Geschäftsräumen des (ausländischen) Poolmanagers, dem i.W. die typischen Aufgaben des Korrespondentreeders i.S.d. § 493 Abs. 2 HGB übertragen wurden (vgl. Rz. 39).2 Art. 8 Abs. 4 umfasst ausdrücklich nur die Kooperationen von Unternehmen der Seeschifffahrt und Luftfahrt. Infolgedessen findet Art. 8 Abs. 2 ohne Rückgriff auf Abs. 4 unmittelbar Anwendung, wenn eine entsprechende Zusammenarbeit im Bereich der Binnenschifffahrt besteht.3
58 Beispiel: Eine Ein-Schiff-KG mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im Staat X ist Mitglied eines sog. „Erlöspools“. Mit „Einnahmen- oder Erlöspool“ werden die in der Seefahrt üblichen Poolgemeinschaften bezeichnet, deren Hauptzweck nach der ihnen zugrunde liegenden Vereinbarung die Zentralisierung der Vermarktung der in dem Pool vereinten Seeschiffe ist, um den Poolmitgliedern eine wettbewerbsfähige Teilnahme am Markt zu ermöglichen. Kennzeichnend für einen Einnahmen- oder Erlöspool ist, dass die tatsächlich erzielten Chartereinnahmen der von der Vereinbarung umfassten Schiffe sowie bestimmte Kosten (z.B. Reisekosten/Hafengebühren der Schiffe, Vergütung des Poolsekretärs) zusammengefasst und den Mitgliedern des Pools nach Ablauf einer Abrechnungsperiode nach einem zuvor festgelegten Punktesystem zugewiesen werden, wobei sich die Anzahl der Punkte eines Poolmitglieds regelmäßig nach dem Ertragswert des eingesetzten Schiffes bestimmt, insbesondere nach dessen Alter, Größe und Technik. Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte (Ausgleichszahlungen) der Ein-Schiff-KG aus seiner Mitgliedschaft in jenem Pool steht nach Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 auch insoweit dem Geschäftsleitungsstaat zu.
2. Begriffe 59
Kooperationsformen. Die Begriffe „Pool“, „Betriebsgemeinschaft“ und „internationale Betriebsstelle“ kennzeichnen die verschiedenen Formen der internationalen Zusammenarbeit von Unternehmen der See- und Luftfahrt, die sich auf technischem wie auf wirtschaftlichem Gebiet vollziehen kann.4 Die Aufzählung der Kooperationsfor1 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; Wolter in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 1353 (1370 f.). 2 Vgl. BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 68. 4 Zum Einnahmenpool in der Seeschifffahrt vgl. Wichmann/Dißars, DStZ 2012, 446; zum Einnahmenpool im Versicherungsteuerrecht vgl. Kämper/Rauert, Ubg 2013, 109 sowie § 4 Nr. 11 VersStG-E, BT-Drucks. 17/13245.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 59–63 Art. 8
men in Art. 8 Abs. 4 ist nicht abschließend, genannt sind nur die in der Praxis gängigen Bezeichnungen. Von der Regelung erfasst werden alle Formen der Zusammenarbeit im Sinne der genannten Kooperationen, abweichende Bezeichnungen bedeuten deshalb keine sachliche Abweichung vom OECD-MA.1 Regelmäßig nicht erfasst wird hingegen die Zusammenarbeit in Handelsgesellschaften, wenn deren Zweck der originäre Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs ist. Insoweit gilt Art. 8 Abs. 1 unmittelbar.2 So sind bspw. die in der Praxis typischen Eincharterungen von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen durch den Pool separat zu betrachten. In diesen Fällen liegt regelmäßig ein genuiner Betrieb von Seeschiffen bzw. Luftfahrzeugen durch den Pool selbst vor, so dass insoweit Art. 8 Abs. 1 direkte Anwendung findet und für entsprechende Gewinne nicht der Geschäftsleitungsstaat des Poolmitglieds, sondern der des Pools das Besteuerungsrecht hat.
F. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 60 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien3 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Der Vorrang der Spezialregelung vor Art. 7 DBA-Belgien ergibt sich – anders als im OECD-MA und lediglich klarstellend – ausdrücklich aus der Einleitung in Art. 8 Abs. 1 DBA-Belgien; eine sachliche Abweichung vom OECD-MA ist damit jedoch nicht verbunden ist. Die in Art. 8 Abs. 3 OECD-MA enthaltene Regelung zum Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes findet sich mit Abweichungen in Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien wieder. Hingegen fehlt Art. 8 Abs. 4 OECD-MA ganz. Über den Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA hinausgehend findet Art. 8 DBA-Belgien Anwendung auch auf den Eisenbahnbetrieb eines Vertragsstaates, der seine Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet des anderen Staates ausdehnt.
61
2. Konsequenzen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes. Der Sonderfall des 62 Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes ist abweichend vom OECD-MA nicht in Art. 8 DBA-Belgien, sondern in Art. 4 Abs. 4 DBA-Belgien geregelt. Anders als im OECD-MA kommt es auf den Heimathafen des Schiffes nicht an. Die Regelung stellt vielmehr allein auf die Ansässigkeit des „einzigen oder hauptsächlichen“ Unternehmers ab. Danach hat der Vertragsstaat das Besteuerungsrecht, in dem der („hauptsächliche“) Unternehmer ansässig ist, d.h. es kommt zu einer Rückverweisung auf Art. 4 Abs. 1 und 2 DBA-Belgien. Mit „Unternehmer“ ist die Person gemeint, auf deren Rechnung das Unternehmen betrieben wird, die also die Chancen und Risiken trägt.4 Wenn mehrere Personen diese Voraussetzung erfüllen, ist auf den „hauptsächlichen“ Unternehmer abzustellen, d.h. die Person mit den meisten Stimmrechten im Unternehmen. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen 63 Betriebsstelle. Eine Art. 8 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt im DBA1 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 69. 2 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 78. 3 Vgl. zum DBA-Belgien und der Frage, welcher Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die Hinzurechnung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 EStG bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils hat FG Hamburg v. 8.8.2012 – 2-K-221/11 (Rev. BFH: I R 67/12), EFG 2012, 2272. 4 Vgl. Malinski/Straka in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Belgien Rz. 36.
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Art. 8 Rz. 63–70
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Belgien. In Folge der nur klarstellenden Funktion der Regelung findet auf die Gewinne aus Beteiligungen an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle Abs. 1 daher unmittelbar Anwendung; eine sachliche Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 8 DBA-Belgien ist damit nicht verbunden. 64
Eisenbahnbetriebe. Auch für die Gewinne eines Eisenbahnbetriebs hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht der Vertragsstaat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 8 Abs. 2 DBA-Belgien). Der Begriff Eisenbahnbetrieb umfasst jedes Unternehmen, das ein Schienenfahrzeug zur Beförderung von Personen und/oder Gütern betreibt. Nicht erforderlich ist, dass die Eisenbahn im internationalen Verkehr betrieben wird. Somit hat der Vertragsstaat der tatsächlichen Geschäftsleitung das Recht zur uneingeschränkten Besteuerung der Gewinne aus dem Betrieb von Eisenbahnen auch dann, wenn diese ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat verkehren. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
65
Belgien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Belgien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Belgiens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 115).
66
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 67
Allgemeines. Mit Ausnahme der Regelungen zur Binnenschifffahrt stimmt das DBA-China inhaltlich mit Art. 8 OECD-MA überein. Der im DBA verwendete Ausdruck „allgemeine Geschäftsleitung“ hat keine andere Bedeutung als die im OECDMA gewählte Formulierung „tatsächliche Geschäftsleitung“. Die Regelungen in Art. 7 des Abkommens über den Seeverkehr vom 9.5.19951 und im Notenwechsel der Regierungen beider Vertragsstaaten über die Besteuerung der beiderseitigen Luftfahrtunternehmen vom 27.2./14.3.19802 bleiben nach Abs. 2 Prot. unberührt.3 2. Konsequenzen
68
Binnenschifffahrt. Der Betrieb der Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt. Da insoweit eine spezielle Regelung fehlt, findet auf entsprechende Gewinne Art. 7 DBA-China Anwendung.
69
Abkommen über den Seeverkehr vom 9.5.1995. Art. 7 des Abkommens über den Seeverkehr vom 9.5.1995 stimmt inhaltlich mit Art. 8 Abs. 1 DBA-China bzw. Art. 8 Abs. 1 OECD-MA überein. Das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr hat danach der Vertragsstaat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Schifffahrtsunternehmens befindet. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
70
China als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-China („können nur“) bzw. des Art. 7 des Abkommens über den Seeverkehr vom 9.5.1995 („keinerlei Steuern“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht der Volksrepublik China als Wohnsitzstaat,
1 BGBl. II 1996, 1451. 2 Vgl. BMF v. 9.6.1980 – IV C 6 – S 1302 – 14/80, BStBl. I 1980, 284. 3 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, (S) China Rz. 3.
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Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 70–77 Art. 8
diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 121). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 71 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Während Art. 6 Abs. 1 bis 3 DBA-Frankreich mit den Regelungen in 72 Art. 8 OECD-MA inhaltlich uneingeschränkt übereinstimmen, enthält das Abkommen keine dem Art. 8 Abs. 4 OECD-MA entsprechende ausdrückliche Bestimmung. Über den Wortlaut des OECD-MA hinausgehend bestimmt Art. 6 Abs. 4 DBA-Frankreich, dass die Absätze 1 und 2 entsprechend auf die Gewerbesteuer anzuwenden sind, die nach einer anderen Bemessungsgrundlage als dem gewerblichen Gewinn erhoben wird. 2. Konsequenzen Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder ei- 73 ner internationalen Betriebsstelle. Wenngleich das DBA-Frankreich keine ausdrückliche Regelung i.S.d. Art. 8 Abs. 4 OECD-MA enthält, findet auf die Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle Art. 6 Abs. 1 DBA-Frankreich entsprechende Anwendung (Rz. 57).1 Die Abweichung vom OECD-MA hat somit insoweit keine materiellen Konsequenzen. Gewerbesteuer. Die Regelung in Art. 6 Abs. 4 DBA-Frankreich ist das Pendant zu 74 Art. 4 Abs. 7 DBA-Frankreich. Danach bestimmt sich das Besteuerungsrecht für die Gewerbesteuer auch dann nach dem Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, wenn die Steuer nach einer anderen Bemessungsgrundlage als dem gewerblichen Gewinn erhoben wird. Aus deutscher Sicht hatte die Regelung Bedeutung für die längst abgeschaffte, ergebnisunabhängige Gewerbekapitalsteuer. Zwar gilt gem. § 7 S. 3 GewStG der nach § 5a EStG ermittelte und vom betrieblichen Ergebnis unabhängige Gewinn als Gewerbeertrag nach § 7 S. 1 GewStG; Art. 6 Abs. 4 DBA-Frankreich hat jedoch insoweit nur klarstellende Funktion. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Frankreich als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Frankreich („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Frankreichs als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 125).
75
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 76 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Der Wortlaut der entsprechenden Regelung im neu gefassten DBA- 77 Großbritannien vom 30.3.20102 weicht z.T. erheblich vom OECD-MA ab. Unverändert bestimmt Art. 8 Abs. 1 DBA-Großbritannien, dass Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nur in dem Staat besteuert werden dürfen, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unterneh-
1 Vgl. BMF v. 5.11.2007 – IV B 6 – S 1301-FRA/0, BStBl. I 2007, 782 für die Luftfahrt. 2 Vgl. Bahns/Sommer, IStR 2011, 201 ff.
Rauert
699
Art. 8 Rz. 77–82
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
mens befindet, das die Schiffe oder Luftfahrzeuge betreibt.1 Nicht ausdrücklich geregelt ist die Binnenschifffahrt. Klarstellend2 regelt Art. 8 Abs. 2 DBA-Großbritannien, dass auch Einkünfte aus der Vermietung von leeren Seeschiffen oder Luftfahrzeugen (Bareboat Charter) sowie aus der Nutzung oder Vermietung von Containern in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen können. Weitgehend inhaltsgleich mit Art. 8 Abs. 4 OECD-MA bestimmt Art. 8 Abs. 3 DBA-Großbritannien, dass Abs. 1 auch für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle gilt. Auf britischen Wunsch stellt Abs. 3 ergänzend zum OECD-MA klar, dass dies nur für den entsprechend der Beteiligung zuzurechnenden Anteil gilt.3 2. Konsequenzen 78
Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBAGroßbritannien. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Großbritannien auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Nach der Gesetzesbegründung hat die Regelung in Abs. 2 klarstellende Funktion.4 Nicht von Art. 8 DBA-Großbritannien, sondern von Art. 7 bzw. 21 DBA-Großbritannien erfasst werden dagegen die Gewinne aus der Leervermietung, wenn es sich insoweit nicht um eine untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 28).5
79
Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern, Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBAGroßbritannien. Auch die Gewinne aus der Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern), die für den Transport von Gütern oder Waren eingesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Großbritannien, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.6 Voraussetzung ist somit auch hier, dass die entsprechenden Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (s. Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK). Nicht vom Anwendungsbereich der Norm erfasst sind daher reine Containerunternehmen. I.Ü. ist es im Gegensatz zur Leervermietung unbeachtlich, ob die Container nur gelegentlich oder dauerhaft vermietet bzw. genutzt werden.
80
Binnenschifffahrt. Mangels ausdrücklicher Regelung findet auf Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt Art. 7 DBA-Großbritannien Anwendung. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
81
Großbritannien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Großbritannien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Großbritanniens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 130).
82
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
1 2 3 4 5 6
BT-Drucks. 17/2254, 35. BT-Drucks. 17/2254, 35. BT-Drucks. 17/2254, 35. BT-Drucks. 17/2254, 35; a.A. Bahns in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Großbritannien Rz. 17. Vgl. Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. BT-Drucks. 17/2254, 35; a.A. Bahns in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Großbritannien Rz. 17.
700
Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 83–89 Art. 8
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Nicht geregelt im Art. 8 DBA-Indien ist die Binnenschifffahrt, da ent- 83 sprechende Wirtschaftsbeziehungen – soweit ersichtlich – nicht bestehen. I.Ü. sind die Regelungen des Art. 8 OECD-MA wortgleich in Art. 8 DBA-Indien enthalten. Über den Wortlaut des Art. 8 OECD-MA hinausgehend regelt das Abkommen ausdrücklich die Behandlung von Zinsen auf Kapital (Art. 8 Abs. 3 DBA-Indien) sowie von Gewinnen aus der Verwendung, Wartung oder Vermietung von Containern (Abschn. 2 des Prot.). 2. Konsequenzen Binnenschifffahrt. Der Betrieb der Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht aus- 84 drücklich geregelt. Auf entsprechende Gewinne findet somit Art. 7 DBA-Indien Anwendung. Zinsen gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Indien. Die ausdrückliche Regelung von „Zinsen auf 85 Kapital“ in Art. 8 Abs. 3 DBA-Indien hat allein klarstellende Bedeutung (s. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK).1 Von der Bestimmung unberührt bleiben insbesondere die allgemeinen Grundsätze (vgl. die ausführliche Darstellung in Rz. 12; Art. 8 Rz. 14 OECD-MK). Verwendung, Wartung oder Vermietung von Containern gem. Abschn. 2 des Prot. 86 Auch die Gewinne aus der Verwendung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für die Beförderung von Containern) im Zusammenhang mit dem Transport von Gütern oder Waren fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Indien, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr gehören. Eine entsprechende Regelung ist in Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien enthalten (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 78). Wenn jene Bestimmung allein klarstellende Funktion hat,2 kann für entsprechende Gewinne aus dem Betrieb von Luftfahrzeugen nichts anderes gelten.3 Deshalb kommt auch insoweit Art. 8 DBA-Indien zur Anwendung. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Indien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 87 DBA-Indien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Indiens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 138). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 88 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Die Binnenschifffahrt ist in Art. 8 DBA-Italien nicht geregelt. Im 89 Übrigen sind die Regelungen des Art. 8 OECD-MA wortgleich in Art. 8 DBA-Italien enthalten. Über den Wortlaut des Art. 8 OECD-MA hinausgehend umfasst der Regelungsbereich nach der ausdrücklichen Bestimmung in Prot. Nr. 6 zu Art. 8 DBA-Italien auch die Gewinne aus der Vermietung von Containern für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr.
1 A.A. Strauß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Indien Rz. 30. 2 Vgl. BT-Drucks. 17/2254, 35. 3 Vgl. Wilden in G/K/G, Art. 9 DBA-Indien Rz. 16.
Rauert
701
Art. 8 Rz. 90–95
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
2. Konsequenzen 90
Binnenschifffahrt. Da eine spezielle Regelung für die Binnenschifffahrt fehlt, findet auf entsprechende Gewinne Art. 7 DBA-Italien Anwendung.
91
Gewinne aus der Vermietung von Containern gem. Prot. Nr. 6 zu Art. 8 DBA-Italien. Das Prot. zum DBA-Italien unterstellt dem Regelungsbereich des Art. 8 DBAItalien auch die Vermietung von Containern für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr und schließt nach der Denkschrift1 damit die Erhebung einer Abzugsteuer im Quellenstaat von dabei entstehenden Mieteinnahmen (Art. 12 DBA-Italien) aus. Für die Einordnung in den Anwendungsbereich des Art. 8 DBA-Italien ist es unbeachtlich, ob diese Tätigkeiten nicht nur gelegentlich ausgeübt werden bzw. sie nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb von (eigenen) Seeschiffen stehen; denn es ist anzunehmen, dass die Denkschrift,2 die jene Einkünfte ausdrücklich erwähnt, ggf. entsprechende Einschränkungen gemacht hätte. Die Verteilungsnorm gilt somit auch dann, wenn die Container-Vermietung einziger Gegenstand des Unternehmens ist.3 Erforderlich ist jedoch, dass die Container für die Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr vermietet werden. Insoweit wird auf die ausführliche Darstellung in Rz. 32 f. verwiesen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
92
Italien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Italien („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Italiens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 145).
93
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 94
Allgemeines. Abweichend von Art. 8 OECD-MA weist Art. 8 Abs. 1 DBA-Japan das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr dem Ansässigkeits- bzw. Sitzstaat des Unternehmens zu. Infolgedessen konnte auf eine Regelung gem. Art. 8 Abs. 3 OECD-MA verzichtet werden. Art. 8 Abs. 2 DBA-Japan enthält eine auf die Luftfahrt beschränkte, i.Ü. aber Art. 8 Abs. 4 OECD-MA entsprechende Regelung. Nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 8 Abs. 3 DBA-Japan bestimmt sich das Besteuerungsrecht auch für die Gewinne aus der Vermietung von Containern, die im internationalen Verkehr verwendet werden, und der dazugehörigen Ausrüstung für die Beförderung der Container nach der Ansässigkeit des betreibenden Unternehmens. In Art. 8 Abs. 4 und 5 DBA-Japan ist darüber hinaus geregelt, dass Schifffahrtund Luftfahrtunternehmen, die von in Deutschland ansässigen Personen betrieben werden, mit ihren Schiffen, Luftfahrzeugen sowie Containern und der dazugehörigen Ausrüstung in Japan von der Steuer vom festen Vermögen befreit sind. Auf eine gesonderte Regelung der Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt haben die Vertragsstaaten verzichtet. 2. Konsequenzen
95
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Nach Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-Japan hat der Vertragsstaat, in dem die Person ansässig ist, die das betreffende Unternehmen betreibt, das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationa1 BT-Drucks. Nr. 11/6532 v. 28.2.1990, 32. 2 BT-Drucks. Nr. 11/6532 v. 28.2.1990, 32. 3 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Italien Rz. 35.
702
Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 95–99 Art. 8
len Verkehr. Diese von Art. 8 OECD-MA abweichende Verteilung lässt Art. 8 Rz. 2 OECD-MK ausdrücklich zu. Das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats wird durch die Begr. einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat ggf. selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens am Ort jener Betriebsstätte befindet. Der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens kann sich aber u.U. bei der Bestimmung der Ansässigkeit der das Unternehmen betreibenden Person gem. Art. 4 Abs. 1 DBA-Japan auswirken. Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer anderen inter- 96 nationalen Betriebsgesellschaft, Art. 8 Abs. 2 DBA-Japan. Die Spezialnorm in Abs. 1 gilt gem. Abs. 2 entsprechend für die Einkünfte eines Unternehmens, das Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt, aus der Mitgliedschaft an einem Pool o.Ä. Nach ihrem Wortlaut nicht ausdrücklich von der Regelung in Art. 8 Abs. 2 DBA-Japan erfasst ist die Seeschifffahrt. Angesichts der Klarstellungsfunktion (Rz. 57) der Regelung ist es im Ergebnis unbeachtlich, ob ihr Anwendungsbereich auch entsprechende Kooperationen von Unternehmen, die Seeschiffe im internationalen Verkehr betreiben, umfasst1 oder Abs. 1 unmittelbar Anwendung findet;2 eine von Abs. 2 abweichende Verteilung des Besteuerungsrechts ist damit nämlich regelmäßig nicht verbunden. Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Japan. Nach Abs. 3 sind die 97 Gewinne aus der Vermietung von Containern, die im internationalen Verkehr verwendet werden, und der dazugehörigen Ausrüstung für die Beförderung der Container von der Steuer des anderen Vertragsstaates befreit. Abweichend vom OECD-MA ist der Artikel überschrieben mit „Seeschifffahrt und Luftfahrt, Containerverkehr“. Es ist daher davon auszugehen, dass die Regelung auch auf reine Containervermietungsgesellschaften Anwendung findet. Vorausgesetzt ist somit nicht, dass entsprechende Gewinne aus einer (untergeordneten) Nebentätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (s. Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK). Anwendung findet Art. 8 Abs. 3 DBA-Japan jedoch nur, wenn und insoweit die Container im internationalen Verkehr verwendet werden. Der Begriff des internationalen Verkehrs ist im Abkommen nicht definiert, er entspricht jedoch der Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. d OECD-MA (vgl. Rz. 32),3 d.h. die Container müssen mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug grenzüberschreitend befördert werden. Wie beim Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen umfasst der Anwendungsbereich der Vorschrift auch Neben- und Hilfstätigkeiten, die mit der Benutzung oder Vermietung von Containern im Zusammenhang stehen (vgl. Rz. 29 f.). Unklar ist hingegen, ob auch der der grenzüberschreitenden Beförderung vorangehende bzw. folgende Landtransport der Container zum Regelungsbereich des Abs. 3 gehört. Nach Art. 8 Rz. 6, 7, 9 OECD-MK ist dies zu bejahen. Deutschland hat sich seine Auffassung zu dieser Auslegung jedoch vorbehalten (s. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK). Vermögensteuer gem. Art. 8 Abs. 4 und 5 DBA-Japan. Anders als die deutsche Ver- 98 mögensteuer fällt die in Japan auf bestimmtes Sachanlagevermögen erhobene Steuer4 nicht unter das Abkommen (vgl. Art. 2 Abs. 1 DBA-Japan). Art. 8 Abs. 4 und 5 DBA-Japan bestimmen, dass Seeschiffe, Luftfahrzeuge und Container, die im internationalen Verkehr betrieben bzw. verwendet werden, sowie die zu den Containern gehörige Ausrüstung für die Beförderung der Container von dieser Steuer befreit sind, wenn und soweit das Unternehmen von in Deutschland ansässigen Personen betrieben wird. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Japan als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Japan hat Japan als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht, 1 Vgl. auch Krabbe in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Griechenland Rz. 26, wonach die klarstellende Sonderregelung auf die Schifffahrt entsprechend anwendbar ist. 2 Vgl. Lippek in G/K/G, Art. 8 DBA-Japan Rz. 5. 3 Vgl. Lippek in G/K/G, Art. 8 DBA-Japan Rz. 4. 4 Näher Preus in Wassermeyer, DBA-Japan Anh. Rz. 107 f.
Rauert
703
99
Art. 8 Rz. 99–104
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Deutschland als Quellenstaat hat die betreffenden Einkünfte freizustellen („sind befreit“); der Methodenartikel findet keine Anwendung. 100
Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Japan, Japan hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 101
Allgemeines. Abweichend vom OECD-MA bestimmt sich das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gem. Art. 8 Abs. 1 DBA-Kanada nach der Ansässigkeit der Person, die das Unternehmen betreibt. Eine Art. 8 Abs. 3 OECD-MA entsprechende Regelung ist in Art. 8 DBA-Kanada infolgedessen nicht enthalten. Anders als im OECD-MA regelt Art. 8 in Abs. 2 ausdrücklich die Gewinne aus der Benutzung oder Vermietung von Containern, die im internationalen Verkehr betrieben werden. Auch insoweit hat das Besteuerungsrecht der Staat, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, ansässig ist. Eine Art. 8 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Regelung für den Betrieb der Binnenschifffahrt fehlt; jedoch enthält das Abkommen in Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada eine ausdrückliche Regelung für Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen in den Hoheitsgewässern des anderen Vertragsstaats zugunsten dieses Staates. Art. 8 Abs. 4 DBA-Kanada stimmt nahezu wortgleich mit Art. 8 Abs. 4 OECD-MA überein. 2. Konsequenzen
102
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nach Abs. 1 nur in dessen Sitz- bzw. Ansässigkeitsstaat besteuert werden (vgl. die Ausführungen in Rz. 94).
103
Benutzung und Vermietung von Containern im internationalen Verkehr gem. Art. 8 Abs. 2 DBA-Kanada. Für die Gewinne eines Unternehmens aus der Benutzung und Vermietung von Containern (einschließlich Trailerschiffen, Leichtern und ähnlichem Gerät für die Beförderung von Containern), die im internationalen Verkehr eingesetzt werden, hat der Vertragsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht, in dem die Person, die das Unternehmen betreibt, ansässig ist. Die Regelung entspricht inhaltlich Art. 8 Abs. 2 DBA-USA (vgl. daher insoweit die Darstellung in Rz. 154).
104
Vertragsstaatenverkehr mit Seeschiffen gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada. Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada regelt den Betrieb von Seeschiffen in den Hoheitsgewässern des anderen Vertragsstaats, also insbesondere die Küstenschifffahrt, abweichend von Abs. 1: Die Gewinne eines Unternehmens eines Vertragsstaats aus der Fahrt eines Seeschiffes können „ungeachtet der Bestimmungen von Artikel 7“ des Abkommens in dem anderen Staat besteuert werden, wenn der Hauptzweck der Reise die Beförderung von Personen und/oder Gütern zwischen Orten innerhalb des anderen Vertragsstaats ist. Ob im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte unterhalten wird, der der Gewinn aus den Fahrten des Seeschiffes zugerechnet werden kann, ist abkommensrechtlich unbeachtlich.1 Diese Regelung ermöglicht es den Vertragsstaaten, die Gewinne im anderen Vertragsstaat ansässiger Betreiber aus der auf das Inland beschränkten Küstenschifffahrt zu besteuern.2 1 Die Vorgängerfassung vom 17.7.1981 des aktuellen DBA-Kanada entsprach in Art. 8 mit Ausnahme der nicht geregelten Binnenschifffahrt dem OECD-MA, enthielt aber dennoch eine der heutigen Regelung in Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada entsprechende Bestimmung in Ziff. 2 des Prot. zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. f und den Art. 5 und 8 DBA-Kanada. Danach stellten die in dem Vertragsstaat gelegenen Anlagestellen, die von entsprechenden Schiffen im Vertragsstaatenverkehr regelmäßig benutzt werden, in diesem Staat gelegene Betriebsstätten des Unternehmens dar, das diese Schiffe betreibt. 2 Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Kanada Rz. 26.
704
Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 105–108 Art. 8
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 105 Abs. 1 DBA-Kanada („können nur“) hat Kanada als Wohnsitzstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 1, 2 DBA-Kanada (vgl. Rz. 1); der Methodenartikel findet insoweit keine Anwendung. Für die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada hat der Quellenstaat nicht das ausschließliche Besteuerungsrecht („können“, nicht „können nur“). Kanada als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Gewinne nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBAKanada durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt.1 Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das aus- 106 schließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 1, 2 DBA-Kanada, Kanada hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht. Eine Doppelbesteuerung der Einkünfte i.S. des Art. 8 Abs. 3 DBA-Kanada, für die Kanada Quellenstaat ist, vermeidet Deutschland als Wohnsitzstaat nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt.
IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. entspricht inhaltlich im Grundsatz Art. 8 107 OECD-MA. Das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen hat daher regelmäßig der Vertragsstaat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 7 Abs. 1 DBA-Luxemburg a.F.). Abweichend vom OECD-MA sind die Regelungen für die Seeschifffahrt und Luftfahrt aber nicht auf den Betrieb im internationalen Verkehr beschränkt. Insoweit geht der Anwendungsbereich von Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. über den des Art. 8 OECD-MA hinaus. Ferner enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. eine Rückfallklausel zugunsten des Ansässigkeitsstaats des Unternehmers für den Fall, dass der Geschäftsleitungsstaat von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch macht. Flankiert werden die Regelungen in Art. 7 DBALuxemburg a.F. durch zahlreiche Bestimmungen der Protokollerklärung (Abs. 11 bis 15), die aber vor allem klarstellenden Charakter haben. Eine Art. 13 Abs. 3 OECD-MA entsprechende ausdrückliche Verteilung des Besteuerungsrechts für die Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen oder Luftfahrzeugen fehlt im DBA-Luxemburg a.F. Mit dem Revisionsabkommen vom 23.4.2012 ist die Verteilungsnorm in Art. 8 neu gefasst worden. Inhaltlich entspricht sie im Wesentlichen anderen neueren dt. Abkommen dieser Art (vgl. z.B. DBA-Niederlande, Rz. 116, DBA-Spanien, Rz. 145) und orientiert sich in Aufbau und Wirkungsweise am OECD-MA und seinem Kommentar.2 In seinen Absätzen 1, 2, 4 und 5 stimmt die Regelung nahezu wortwörtlich mit Art. 8 OECD-MA überein. Über den Wortlaut des OECD-MA hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 ausdrücklich die Verteilung der Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. 2. Konsequenzen Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen. Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. setzt nicht 108 voraus, dass die Schiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betrieben werden. Demzufolge fällt bspw. der Einsatz von hochseetauglichen Schleppern und/ oder Versorgerschiffen eines Unternehmens, das seine tatsächliche Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat hat, ausschließlich zwischen einem Hafen des anderen 1 Vgl. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Kanada Rz. 44. 2 Vgl. BR-Drucks. 478/12, 1, 18.
Rauert
705
Art. 8 Rz. 108–112
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Vertragsstaats und der Hohen See entgegen Art. 8 Abs. 1 OECD-MA in den Anwendungsbereich von Art. 7 DBA-Luxemburg a.F.1 Daraus folgt jedoch nicht, dass Schiffe, die nicht zum Transport bestimmt (z.B. Fischfangboote) sind, von Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. erfasst werden (vgl. Rz. 21).2 109
Ort der Leitung. Das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen hat nach Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 6 S. 1 DBA-Luxemburg a.F. der Vertragsstaat, in dem sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung des Unternehmens befindet. Eine inhaltliche Abweichung vom Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung (Art. 8 OECD-MA) ist damit nicht verbunden. Art. 3 Abs. 6 S. 2 DBA-Luxemburg a.F. entspricht i.Ü. Art. 8 Abs. 3 Alt. 1 OECD-MA. Nicht ausdrücklich geregelt ist indes der Fall des fehlenden Heimathafens (Art. 8 Abs. 3 Alt. 2 OECD-MA). Aus den völkerrechtlichen Grundsätzen für die Rechtszuständigkeit der Schiffe ergibt sich, dass in jenem Fall als Geschäftsleitungsstaat der Staat anzusehen ist, dessen Flagge das Schiff führt (vgl. die Darstellung in Rz. 54).3 Wenn das Schiff weder die Flagge Luxemburgs noch Deutschlands führt, findet im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander Art. 5 DBA-Luxemburg a.F. Anwendung. Da ein Schiff keine Betriebsstätte ist,4 kommt es letztlich auf die Ansässigkeit des Unternehmens an.5
110
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Um eine Besteuerungslücke zu vermeiden, enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. eine Rückfallklausel, wonach der Ansässigkeits- bzw. Wohnsitzstaat des Unternehmers das Besteuerungsrecht hat, soweit der Geschäftsleitungsstaat von seiner Befugnis zur Besteuerung keinen Gebrauch macht.
111
Veräußerungsgewinne. Das DBA-Luxemburg a.F. enthält keine Art. 13 Abs. 3 OECD-MA entsprechende Regelung. Während in anderen Artikeln die Verteilung von Veräußerungsgewinnen ausdrücklich geregelt ist (vgl. Art. 4 Abs. 2, Art. 5 Abs. 3, Art. 9 Abs. 3 DBA-Luxemburg a.F.), fehlt in Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. eine entsprechende Bestimmung. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. auch auf Veräußerungsgewinne setzte zunächst eine unbeabsichtigte Regelungslücke voraus. Gegen eine solche Lücke spricht indes die ausdrücklich geregelte Verteilung anderer Veräußerungsgewinne. Da Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. als Spezialnorm Art. 5 DBA-Luxemburg a.F. nur insoweit vorgeht, als Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. eigenständige Regelungen für die Schifffahrt und Luftfahrt enthält, gilt Art. 5 DBA-Luxemburg a.F. für Unternehmensgewinne, die nicht in den Regelungsbereich des Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. fallen. Infolgedessen findet auf Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen und Luftfahrzeugen das Betriebsstättenprinzip bzw. Art. 5 DBA-Luxemburg a.F. Anwendung.6 Das Revisionsabkommen vom 23.4.2012 enthält in Art. 13 Abs. 4 DBA-Luxemburg 2012 nunmehr eine ausdrückliche Regelung für die Verteilung entsprechender Einkünfte. Art. 13 Abs. 4 DBA-Luxemburg 2012 entspricht wortwörtlich Art. 13 Abs. 3 OECD-MA, so dass der Geschäftsleitungsstaat auch insoweit das ausschließliche Besteuerungsrecht für diese Einkünfte hat.
112
Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012. Die Vorschrift bestimmt aus1 Vgl. zum Innerstaatenverkehr bei Luftfahrzeugen Wilden in G/K/G, Art. 7 DBA-Luxemburg Rz. 23 bzw. Art. 7 DBA-Niederlande Rz. 21; Siegers in Wassermeyer, Art. 7 DBA-Luxemburg Rz. 46. 2 A.A. Siegers in Wassermeyer, Art. 7 DBA-Luxemburg Rz. 47. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 65; a.A. mit gl.E. Siegers in Wassermeyer, DBALuxemburg Art. 7 Rz. 23, wonach Art. 8 Abs. 3 OECD-MA entsprechend anzuwenden ist mit der Folge, dass der Wohnsitzstaat des Betreibers maßgeblich ist. 4 Vgl. BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; BFH v. 9.10.1974 – 128/73, BStBl. II 1975, 203; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Rz. 4.5.1. 5 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 63. 6 Vgl. Fischer-Zernin in G/K/G, Art. 8 DBA-Luxemburg Rz. 4; a.A. Siegers in Wassermeyer, Art. 7 DBA-Luxemburg Rz. 5, wonach entsprechende Einkünfte als sonstige Einkünfte i.S.d. Art. 16 DBA-Luxemburg zu qualifizieren sind.
706
Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 112–116 Art. 8
drücklich, dass Gewinne aus der gelegentlichen Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels fallen, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBALuxemburg 2012 auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. von Binnenschiffen. Nach der Denkschrift hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Bedeutung.1 Deshalb wird insoweit auf die ausführliche Darstellung in Rz. 28 verwiesen. Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Lu- 113 xemburg 2012. Auch die Gewinne aus der Nutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern) fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Luxemburg 2012, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.2 Somit ist auch insoweit Voraussetzung, dass jene Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreibt (Rz. 31 sowie Art. 8 Rz. 9 OECD-MK). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Luxemburg als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des 114 Art. 7 Abs. 1 DBA-Luxemburg a.F. („nur“) sind die Einkünfte im Wohnsitzstaat grundsätzlich freizustellen (vgl. Rz. 1). Um eine Keinmalbesteuerung der Einkünfte abkommensrechtlich zu vermeiden, enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. eine sog. subject-to-tax-Klausel, wonach die Freistellung im Wohnsitzstaat nur dann zu erfolgen hat, soweit der Geschäftsleitungsstaat die nämlichen Einkünfte auch tatsächlich besteuert. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge in Art. 8 DBA-Luxemburg 2012 („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Luxemburgs als Wohnsitzstaat, die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon – im alten wie im neuen DBA-Luxemburg – unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 163). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 115 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte – nach der alten wie nach der neuen Fassung des Abkommens – durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). Nach der Rückfallklausel in Art. 7 Abs. 2 DBA-Luxemburg a.F. besitzt Deutschland als Wohnsitzstaat ein subsidiäres Besteuerungsrecht, soweit Luxemburg das ihm nach Abs. 1 zustehende Besteuerungsrecht tatsächlich nicht ausübt.
X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Der Regelungsbereich des Art. 7 DBA-Niederlande a.F. ist weit- 116 gehend identisch mit Art. 7 DBA-Luxemburg a.F., die Protokollbestimmungen zu Art. 7 Ziff. 9 bis 13 stimmen wortwörtlich mit denen zum DBA-Luxemburg a.F. (Art. 7 Ziff. 11 bis 15) überein. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 107 ff. verwiesen. Vom Regelungsbereich des Art. 7 DBA-Niederlande a.F. sind dem Wortlaut nach und insoweit abweichend von Art. 7 DBA-Luxemburg a.F. nur die „unmittelbar“ mit dem Betrieb der Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt oder Luftfahrt zusammenhängenden Einkünfte umfasst. Wie im DBA-Luxemburg a.F. (Rz. 111) fehlt auch im DBANiederlande a.F. eine Art. 13 Abs. 3 OECD-MA entsprechende ausdrückliche Verteilung des Besteuerungsrechts für die Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen oder Luftfahrzeugen. Mit dem Revisionsabkommen vom 12.4.2012 ist die Verteilungsnorm in Art. 8 neu gefasst worden. Inhaltlich entspricht sie weitgehend anderen neueren dt. Abkommen dieser Art (vgl. z.B. DBA-Luxemburg 2012, Rz. 107, DBA-Spanien 1 Vgl. BR-Drucks. 478/12; Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. 2 Vgl. BR-Drucks. 478/12, 19.
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Art. 8 Rz. 116–124
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
2011, Rz. 145) und orientiert sich in Aufbau und Wirkungsweise am OECD-MA und seinem Kommentar.1 In seinen Absätzen 1, 2 und 4 Satz 1 stimmt die Regelung nahezu wortwörtlich mit Art. 8 OECD-MA überein. Über den Wortlaut des OECD-MA hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 ausdrücklich die Verteilung der Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. Abweichend vom OECD-MA enthält Art. 8 Abs. 4 Satz 2 DBA-Niederlande 2012 eine einschränkende Regelung für den Sonderfall des fehlenden Heimathafens bei Ansässigkeit des Betreibers des See- oder Binnenschiffes in beiden Vertragsstaaten. Der Wortlaut des Art. 8 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 erweitert den Anwendungsbereich der Regelung auf die internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt. Eine Sonderbestimmung enthält ferner das Protokoll in Rz. VII für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des niederländischen Luftfahrtunternehmens KLM N.V. 2. Konsequenzen 117 118
Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen. Vgl. die Darstellung in Rz. 108. Unmittelbar mit dem Betrieb zusammenhängende Einkünfte gem. Art. 7 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. Wenngleich der Geschäftsleitungsstaat nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. das Besteuerungsrecht nur für die unmittelbar mit dem Betrieb der Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt zusammenhängenden Einkünfte hat, ist mit jener Formulierung insoweit keine inhaltliche Abweichung vom OECD-MA verbunden. Die Regelung erstreckt sich daher auch auf Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen verbunden, aber diesem untergeordnet sind (s. Art. 8 Rz. 4 OECD-MK).
119
Ort der Leitung. Zum DBA-Niederlande a.F. vgl. die Darstellung in Rz. 109.
120
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Zum DBA-Niederlande a.F. vgl. die Darstellung in Rz. 110.
121
Veräußerungsgewinne. Zum DBA-Niederlande a.F. vgl. die Darstellung in Rz. 111. Das Revisionsabkommen vom 12.4.2012 enthält in Art. 13 Abs. 4 eine Art. 13 Abs. 3 OECD-MA wortwörtlich entsprechende ausdrückliche Verteilung des Besteuerungsrechts für Veräußerungsgewinne. Somit hat der Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht auch insoweit.
122
Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Niederlande 2012. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 112 verwiesen. Nach der Denkschrift zum DBA-Niederlande 2012 hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Funktion.2 In der Denkschrift findet sich ferner der klarstellende Hinweis, dass die Rz. 5 des OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).3
123
Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Niederlande 2012. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Luxemburg 2012 identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 113 verwiesen. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.4 Lediglich klarstellend ist auch der Hinweis in der Denkschrift, dass die Rz. 9 des OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).5
124
Sonderfall: Fehlender Heimathafen und Doppelansässigkeit des Betreibers. Art. 8 Abs. 4 Satz 2 DBA-Niederlande 2012 schränkt die Anwendung von Art. 4 Abs. 2 DBANiederlande 2012 für den Sonderfall des fehlenden Heimathafens bei Ansässigkeit des Betreibers des See- oder Binnenschiffes in beiden Vertragsstaaten ein, indem sich die Ansässigkeit ausschließlich nach der Staatsangehörigkeit bzw. im Falle der Staats1 2 3 4 5
Vgl. BR-Drucks. 479/12, 1, 55. Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56; OECD-MK zu Art. 8 Ziff. 5. Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 124–130 Art. 8
angehörigkeit beider Vertragsstaaten dem gegenseitigen Einvernehmen dieser Staaten richtet (Art. 4 Abs. 2 Buchst. c und d DBA-Niederlande 2012).1 Internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt gem. Art. 8 Abs. 5 DBA- 125 Niederlande 2012. Über den Wortlaut des Art. 8 Abs. 4 OECD-MA hinausgehend findet die Regelung in Art. 8 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 nach Art. 8 Abs. 5 des Abkommens auch Anwendung auf die internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt. Art. 8 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 hat wie Art. 8 Abs. 4 OECD-MA indes allein klarstellende Bedeutung (vgl. Rz. 57). Ort der Geschäftsleitung der KLM N.V. gem. Prot. Nr. VII zu Art. 8, 13, 14 und 21 126 DBA-Niederlande 2012. Auf „ausdrücklichen Wunsch“2 der Niederlande regelt das Prot. in Nr. VII den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Koninklijke Luchtvaartmaatschappij N.V. (KLM N.V.) für Zwecke der Art. 8, 13, 14 und 21 DBA-Niederlande 2012. Dieser gilt nach Abs. 1 der Protokollbestimmung als in den Niederlanden gelegen, solange die Niederlande nach ihrem DBA-Frankreich in Bezug auf das Unternehmen KLM N.V. ein ausschließliches Besteuerungsrecht haben. Nach Abs. 2 soll dies auch in allen Fällen gelten, in denen die Luftverkehrstätigkeit der bestehenden KLM N.V. vollständig oder im Wesentlichen von einer anderen Person fortgeführt würde. Diese Person gilt als in den Niederlanden ansässig. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des 127 Art. 7 Abs. 1 DBA-Niederlande a.F. („nur“) sind die Einkünfte im Wohnsitzstaat grundsätzlich freizustellen (vgl. Rz. 1). Allerdings enthält Art. 7 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F. eine sog. subject-to-tax-Klausel, wonach die Freistellung im Wohnsitzstaat voraussetzt, dass der Geschäftsleitungsstaat die nämlichen Einkünfte auch tatsächlich besteuert. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge in Art. 8 DBA-Niederlande 2012. („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht der Niederlande als Wohnsitzstaat, die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon – im alten wie im neuen DBA-Niederlande – unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 171). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 128 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte – nach altem wie nach neuem DBANiederlande – durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). Nach der Rückfallklausel in Art. 7 Abs. 2 DBA-Niederlande a.F. besitzt Deutschland als Wohnsitzstaat ein subsidiäres Besteuerungsrecht für den Fall, dass die Niederlande das ihr nach Abs. 1 zustehende Besteuerungsrecht tatsächlich nicht ausübt.
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Mit Ausnahme von Abs. 3 entspricht Art. 8 DBA-Österreich wort- 129 wörtlich Art. 8 OECD-MA. Im Unterschied zu Art. 8 OECD-MA regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Österreich ausdrücklich die gelegentliche Vercharterung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen sowie die Nutzung und Vermietung von Containern. Eine inhaltliche Abweichung vom OECD-MA ist damit nach der hier vertretenen Auffassung jedoch nicht verbunden (vgl. Art. 8 Rz. 5, 9 OECD-MK).3 2. Konsequenzen Einkünfte aus der gelegentlichen Vercharterung von Seeschiffen oder Luftfahr- 130 zeugen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Österreich. Vom Regelungsbereich des Art. 8 DBA-Österreich ausdrücklich erfasst wird auch die gelegentliche Vercharterung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, wenn diese Einkünfte den in Abs. 1 ge1 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. 2 Vgl. BR-Drucks. 479/12, 56. 3 A.A. Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Österreich Rz. 4 ff.
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Art. 8 Rz. 130–134
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
nannten Einkünften zugerechnet werden können. Nach dem Wortlaut der Norm fällt die nicht nur gelegentliche Vercharterung vollständig ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge wie die nicht nur gelegentliche Leer-Vercharterung (Bareboat-Charter) nicht unter Art. 8. Bei wortgetreuer Auslegung würde danach bspw. für die insbesondere in Deutschland sehr bedeutsame Trampschifffahrt nicht Art. 8 DBA-Österreich, sondern Art. 7 DBA-Österreich Anwendung finden. Indes spricht die Vermutung für eine OECD-MA-konforme Auslegung, denn die abweichende Formulierung im DBA-Österreich steht bei ihrer Auslegung nicht in einem erkennbaren Gegensatz zum OECD-MA.1 Es sind nämlich keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Vertragsstaaten die abweichende Formulierung mit dem Ziel einer vom OECD-MA abweichenden Regelung vereinbart haben. Auch ist nicht ersichtlich, dass die abweichende Formulierung in der Absicht gewählt worden ist, Besonderheiten im Recht eines oder beider Vertragsstaaten berücksichtigen zu wollen. Deshalb gilt weiterhin die Vermutung, dass die Vertragsstaaten dem OECD-MA folgen wollten.2 Die Vercharterung vollständig ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge ist somit wie der Transport mit eigenen und/oder gecharterten Seeschiffen oder Luftfahrzeugen zu behandeln (vgl. Art. 8 Rz. 5 S. 1, 2 OECD-MK). Entgegen seinem weiter gefassten Wortlaut regelt Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Österreich daher allein die Verteilung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus der Vercharterung eines leeren Seeschiffes oder Luftfahrzeugs.3 Insoweit hat die Norm lediglich Klarstellungsfunktion, denn bereits nach Art. 8 Rz. 5 S. 3 OECD-MK gilt für Gewinne aus der gelegentlichen Vercharterung leerer Seeschiffe oder Luftfahrzeuge nicht Art. 7 OECD-MA, sondern Art. 8 OECD-MA, wenn es sich um die untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt. In den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Österreich fällt die gelegentliche Leer-Vercharterung somit überhaupt nur dann, wenn Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betrieben werden (vgl. auch zum Merkmal „gelegentlich“ die Darstellung in Rz. 28). 131
Einkünfte aus der Nutzung und Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Österreich. Vom Regelungsbereich des Art. 8 erfasst wird außerdem die Nutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailer und zugehöriger Ausstattung, die dem Transport der Container dient) i.R. eines Betriebs der Seeschifffahrt oder Luftfahrt im internationalen Verkehr oder der Binnenschifffahrt. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 79. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
132
Österreich als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Österreich („dürfen nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Österreichs als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 179).
133
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA 134
Allgemeines. Im Unterschied zum OECD-MA bestimmt Art. 8 Abs. 1 DBA-Russland, dass Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie von Binnenschiffen nur im Ansässigkeitsstaat besteuert 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, OECD-MA vor Art. 1 Rz. 51. 2 Vgl. Vogel in V/L5, Einl. OECD-MA Rz. 130. 3 A.A. Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Österreich Rz. 4, wonach die nicht nur gelegentliche Vercharterung ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe bzw. Luftfahrzeuge nicht in den Regelungsbereich des Art. 8 DBA-Österreich fallen soll.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 134–141 Art. 8
werden können. Nach Art. 8 Abs. 2 DBA-Russland gilt Abs. 1 auch für die Einkünfte aus der Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und dazugehöriger Ausrüstung, die dem Transport der Container dient) i.Z. mit dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. von Binnenschiffen. 2. Konsequenzen 135
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Vgl. die Darstellung in Rz. 95.
Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern, Art. 8 Abs. 2 DBA-Russ- 136 land. Der Sitz- bzw. Ansässigkeitsstaat hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht außerdem für die Gewinne aus der Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und dazugehöriger Ausrüstung, die dem Transport der Container dient), sofern die Nutzung, Unterhaltung oder Vermietung dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffen zuzuordnen ist. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 79. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Russland („können nur“) hat Russland als Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 (vgl. Rz. 1); der Methodenartikel findet keine Anwendung.
137
Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland Wohnsitzstaat, hat es das aus- 138 schließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Russland, Russland als Quellenstaat hat die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Während Art. 8 Abs. 1, 2, 3, 4 Buchst. c DBA-Schweiz nahezu wörtlich 139 Art. 8 OECD-MA entsprechen, bestimmt Abs. 5 eine vom OECD-MA abweichende Verteilung des Besteuerungsrechts, wenn Personengesellschaften Betreiber i.S.d. Art. 8 Abs. 1 DBA-Schweiz sind. Die über den Wortlaut des OECD-MA hinausgehenden Regelungen in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b DBA-Schweiz haben dagegen lediglich klarstellende Funktion. Abweichend von Art. 8 Abs. 4 OECD-MA gilt die Bestimmung in Art. 8 Abs. 4 Buchst. c DBA-Schweiz auch für die Binnenschifffahrt. 2. Konsequenzen Betrieb mit gecharterten oder gemieteten Fahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 4 Buchst. a 140 DBA-Schweiz. Art. 8 Abs. 4 Buchst. a DBA-Schweiz regelt klarstellend, dass der Unternehmer nicht zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer des Fahrzeuges sein muss, mit dem er sein Unternehmen betreibt. Betreiber eines Seeschiffes bzw. Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr bzw. eines Binnenschiffes i.S.d. Art. 8 DBA-Schweiz kann daher sowohl der Vercharterer als auch der Charterer sein (Rz. 27).1 Tätigkeit von Agenturen gem. Art. 8 Abs. 4 Buchst. b DBA-Schweiz. Lediglich 141 Klarstellungsfunktion hat auch Art. 8 Abs. 4 Buchst. b DBA-Schweiz, wonach die Bestimmungen in Abs. 1 und 2 auch für Agenturen gelten, soweit deren Tätigkeit unmittelbar mit dem Betrieb der Schiff- oder Luftfahrt oder dem Zubringerdienst zusammenhängt. Der Begriff „Agentur“ ist abkommensrechtlich nicht definiert, so dass sich seine Bedeutung grundsätzlich nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates richtet. Sowohl nach deutschem2 wie nach schweizerischem3 Handelsrecht 1 Vgl. BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, BStBl. II 1995, 405 ff. 2 Vgl. Hopt in Baumbach/Hopt34, § 18 HGB Rz. 33. 3 Vgl. Art. 418a OR.
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Art. 8 Rz. 141–144
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
handelt der Agent für fremde Rechnung. Seine Tätigkeit fällt jedoch nur dann in den Regelungsbereich von Art. 8 DBA-Schweiz, wenn sie unselbständiger Teil eines eigenen Betriebs der Schifffahrt bzw. Luftfahrt ist, andernfalls findet Art. 7 DBA-Schweiz Anwendung (vgl. insoweit die Darstellung in Rz. 30).1 Die Agenturtätigkeit umfasst sämtliche Hilfs- und Nebentätigkeiten, die unmittelbar mit der Transportleistung nach Abs. 1 und 2 zusammenhängen,2 also insbesondere den Fahrkartenverkauf, Transfer des Gepäcks, die Anschlusskabotage, Gestellung des Bordpersonals sowie den ausdrücklich erwähnten Zubringerdienst. 142
Personengesellschaft als Betreiber, Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz. Die Bestimmung in Abs. 5 soll verhindern, dass eine Besteuerungslücke eintritt, wenn bei einem Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft der Ort der Leitung und der Wohnsitz des Teilhabers auseinanderfallen.3 Personengesellschaften werden sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland einkommensteuerlich transparent behandelt. Deshalb würden beim Auseinanderfallen von Geschäftsleitungsstaat einerseits und Ansässigkeitsstaat des Unternehmers andererseits ohne Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz ggf. „weiße Einkünfte“ entstehen, wenn der Geschäftsleitungsstaat aufgrund seines innerstaatlichen Rechts an der umfassenden Besteuerung des Gewinns aus einem Betrieb i.S.d. Art. 8 Abs. 1, 2 DBA-Schweiz gehindert ist.4 Beispiel: Die in der Schweiz ansässige Person X ist an einer KG mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Deutschland beteiligt. Die KG betreibt ein Seeschiff im internationalen Verkehr, in der Schweiz unterhält sie eine Betriebsstätte. Zwar weist Art. 8 Abs. 1 DBA-Schweiz das alleinige und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte von X dem Geschäftsleitungsstaat Deutschland zu. Infolge seiner beschränkten Steuerpflicht unterliegt X aber nur mit seinen inländischen Einkünften der deutschen Besteuerung (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c EStG, vgl. insoweit die ausführliche Darstellung in Rz. 18), regelmäßig also nicht mit seinen anteiligen Einkünften aus ausländischen Betriebsstätten der Gesellschaft. Mithin bliebe ohne Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz der auf die Schweizer Betriebsstätte entfallende anteilige Gewinn der PersG unversteuert. Diese Besteuerungslücke schließt Abs. 5, indem er dem Ansässigkeitsstaat neben dem Geschäftsleitungsstaat das Besteuerungsrecht einräumt. Der Ansässigkeitsstaat hat eine Doppelbesteuerung durch Anwendung des Art. 24 DBA-Schweiz zu vermeiden (vgl. Rz. 143 f.).5 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
143
Schweiz als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Schweiz („können nur“) und vorbehaltlich der Regelung in Art. 8 Abs. 5 DBASchweiz sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht der Schweiz als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 193). In den Fällen des Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz vermeidet die Schweiz als Wohnsitzstaat des Mitunternehmers eine Doppelbesteuerung der einer dt. Betriebsstätte zuzuordnenden (anteiligen) Beteiligungseinkünfte nach Art. 24 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Schweiz durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt.
144
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). In den Fällen des Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz vermeidet Deutschland eine Doppelbesteuerung der einer aktiven Betriebsstätte in der Schweiz zuzurechnenden (anteiligen) Beteiligungsergebnisse nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Schweiz durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt, i.Ü. sind
1 Vgl. Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 101; Scherer in Wassermeyer, Art. 8 DBASchweiz Rz. 89. 2 Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 90; einschränkend Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 102. 3 Vgl. Botschaft des Bundesrates v. 20.10.1971, BBl. 1971 II, 1423. 4 Vgl. Baranowski, INF 1972, Gruppe 1, 696 [703 f.]. 5 Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 115 f.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 144–149 Art. 8
die in der Schweiz auf die Einkünfte i.S. des Art. 8 erhobenen Steuern nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz anzurechnen.1
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 8 DBA-Spanien a.F. entspricht wörtlich dem Art. 8 Abs. 1 OECD- 145 MA. Art. 8 Abs. 3 OECD-MA ist beschränkt auf die Seeschifffahrt, i.Ü. aber inhaltsgleich in Art. 3 Abs. 1 Buchst. h Halbs. 2 DBA-Spanien a.F. enthalten.2 Die Abs. 2 und 4 des Art. 8 OECD-MA wurden indes nicht übernommen. Art. 8 des Revisionsabkommens vom 3.2.2011 entspricht inhaltlich weitgehend anderen neueren dt. Abkommen dieser Art (vgl. z.B. DBA-Niederlande 2012, Rz. 116, DBA-Luxemburg 2012, Rz. 107) und orientiert sich in Aufbau und Wirkungsweise am OECD-MA und seinem Kommentar. In seinen Absätzen 1, 2 und 4 stimmt die Regelung nahezu wortwörtlich mit Art. 8 OECD-MA überein. Nach Art 8 Abs. 5 DBA-Spanien 2011 umfasst der Regelungsbereich ausdrücklich auch die internationale Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt. Über den Wortlaut des OECD-MA hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBASpanien 2011 explizit die Verteilung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. 2. Konsequenzen Binnenschifffahrt. Der Betrieb der Binnenschifffahrt ist im DBA-Spanien a.F. 146 nicht ausdrücklich geregelt. Da insoweit eine spezielle Regelung fehlt, findet auf entsprechende Gewinne unter der Geltung des DBA-Spanien a.F. dessen Art. 7 Anwendung. Internationale Zusammenarbeit. Im DBA-Spanien a.F. fehlt eine Art. 8 Abs. 4 147 OECD-MA entsprechende ausdrückliche Regelung. Infolgedessen findet Art. 8 Abs. 1 DBA-Spanien a.F. unmittelbar Anwendung bei entsprechenden Kooperationen von Unternehmen, die Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreiben (vgl. Darstellung in Rz. 57).3 Im Revisionsabkommen ist die internationale Zusammenarbeit ausdrücklich geregelt, über den Wortlaut des Art. 8 Abs. 4 OECD-MA hinausgehend auch für die Binnenschifffahrt. Aufgrund ihrer Klarstellungsfunktion schlägt die Neufassung der Verteilungsnorm jedoch insoweit materiell nicht durch (vgl. Rz. 57). Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeu- 148 gen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Spanien 2011. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 112 verwiesen. Nach der Denkschrift hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Funktion.4 Im Prot. wird in Nr. IV zu Art. 8 DBA-Spanien 2011 überdies klarstellend bestimmt, dass Art. 8 Rz. 5 OECD-MK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK). Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Spa- 149 nien 2011. Die Regelung ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Luxemburg 2012 identisch. Deshalb wird insoweit auf die Darstellung in Rz. 113 verwiesen. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.5 Lediglich klarstellend ist auch die Protokollbestimmung in Nr. IV zu Art. 8 DBA-Spanien 2011, wonach Art. 8 Rz. 9 OECDMK bei der Anwendung dieser Regelung zu beachten ist (vgl. Art. 8 Rz. 29 OECDMK).
1 Vgl. Scherer in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 115. 2 Vgl. FG Nds. v. 11.3.1998 – II 582/94 (rkr.), n.v. 3 Vgl. Herlinghaus in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Spanien Rz. 22; Wilden in G/K/G, Art. 8 DBASpanien Rz. 18; Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 73. 4 Vgl. BR- Drucks. 528/11, 34; Art. 8 Rz. 5 OECD-MK. 5 Vgl. BR- Drucks. 528/11, 34.
Rauert
713
Art. 8 Rz. 150–156
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung 150
Spanien als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Spanien a./n.F. („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Spaniens als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt (vgl. Art. 23A/B Rz. 198).
151
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte – nach altem wie nach neuem DBASpanien – durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 152
Allgemeines. Abweichend von Art. 8 OECD-MA hat der Ansässigkeitsstaat des Unternehmens das alleinige und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr (Art. 8 Abs. 1 DBA-USA). Nicht ausdrücklich geregelt ist der Betrieb von Binnenschiffen. In den Regelungsbereich von Art. 8 DBA-USA fällt gem. ausdrücklicher Bestimmung dagegen die Benutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailerschiffen, Leichtern und ähnlichem Gerät für die Beförderung von Containern) im internationalen Verkehr (Art. 8 Abs. 2 DBA-USA). Art. 8 Abs. 3 DBA-USA ist das Pendant zu Art. 8 Abs. 4 OECD-MA, gilt überdies aber auch für die Gewinne nach Abs. 2. 2. Konsequenzen
153
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Vgl. die Darstellung in Rz. 95.
154
Benutzung oder Vermietung von Containern im internationalen Verkehr gem. Art. 8 Abs. 2 DBA-USA. Die Regelung in Art. 8 Abs. 2 DBA-USA entspricht inhaltlich Art. 8 Abs. 3 US-MA. Sie folgt der Verteilung in Abs. 1, d.h. auch die Einkünfte aus der Benutzung oder Vermietung von Containern im internationalen Verkehr besteuert ausschließlich der Vertragsstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist. Unbeachtlich ist, ob die Benutzung oder Vermietung von Containern i.Z.m. dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen erfolgt. Insbesondere muss die Benutzung oder Vermietung von Containern nicht dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen untergeordnet sein. Art. 8 Abs. 2 DBA-USA gilt daher auch für reine Containerunternehmen.1 Anwendung findet Abs. 2 jedoch nur, wenn und insoweit die Container im internationalen Verkehr benutzt werden, d.h. mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug grenzüberschreitend befördert werden (Art. 3 Abs. 1 Buchst. g DBA-USA). Wie beim Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen umfasst der Anwendungsbereich der Vorschrift auch Neben- und Hilfstätigkeiten, die mit der Benutzung oder Vermietung von Containern im Zusammenhang stehen (vgl. Rz. 29 f.). Hingegen ist unklar, ob auch der der grenzüberschreitenden Beförderung vorangehende bzw. folgende Landtransport der Container zum Regelungsbereich des Art. 8 Abs. 2 DBA-USA gehört. Nach Art. 8 Rz. 6 ff. OECD-MK ist dies zu bejahen, Deutschland hat sich seine Auffassung zu dieser Auslegung jedoch vorbehalten (s. Art. 8 Rz. 29 OECD-MK).
155
Internationale Zusammenarbeit gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-USA. Die Regelung umfasst ausdrücklich auch die (anteiligen) Gewinne eines Container-Unternehmens i.S.d. Art. 8 Abs. 2 DBA-USA aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
156
USA als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBAUSA („können nur“) haben die USA als Wohnsitzstaat das alleinige Besteuerungs-
1 Vgl. Eimermann in Wassermeyer, Art. 8 DBA-USA Rz. 22.
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Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 156–160 Art. 8
recht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-USA (vgl. Rz. 1); der Methodenartikel findet keine Anwendung. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat hat das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-USA, die USA haben die Einkünfte freizustellen. Eines Rückgriffs auf den Methodenartikel bedarf es hierfür nicht.
157
XVI. Sonstige relevante DBA 1. Hongkong a) Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von 158 Schifffahrtsunternehmen zwischen Deutschland und der Sonderverwaltungsregion Hongkong hat der Ansässigkeitsstaat der Person, die das Unternehmen betreibt, das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr (Art. 3 Abs. 1 DBA-Hongkong).1 Gleiches gilt für die Gewinne aus der Veräußerung von Seeschiffen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe dient (Art. 3 Abs. 3 DBAHongkong), sowie für Gewinne aus der Beteiligung an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Art. 3 Abs. 4 DBA-Hongkong). Ein Katalog von Einkünften, die vom Ausdruck „Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr“ umfasst werden, ist in Art. 3 Abs. 5 DBAHongkong enthalten. Dazu gehören über den Regelungsbereich des Art. 8 OECD-MA hinausgehend auch die Bareboat-Vercharterung sowie die Nutzung und Vermietung von Containern. Im Abkommen nicht geregelt ist die Binnenschifffahrt. b) Konsequenzen Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens einer Vertragspartei 159 (vgl. zum Ausdruck die ausführliche Darstellung in Rz. 160) aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr können nach Art. 3 Abs. 1 DBA-Hongkong nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Person ansässig ist, die das Unternehmen betreibt. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 95. Unternehmen einer Vertragspartei gem. Art. 2 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb 160 DBA-Hongkong. Nach der dt. Fassung des Abkommens bedeutet der Ausdruck „Unternehmen einer Vertragspartei“ in Bezug auf Hongkong „ein Unternehmen, das von einer natürlichen Person betrieben wird, die ständig in […] Hongkong ansässig ist, oder ein Unternehmen, das in […] Hongkong geleitet und beherrscht wird“. Die dt. Übersetzung des Abkommens ist insoweit fehlerhaft: Entgegen seinem weiter gefassten dt. Wortlaut sind nach der hier vertretenen Auffassung nach der vorstehenden 2. Alt. der Definition nicht in Hongkong geleitete und beherrschte „Unternehmen“ abkommensberechtigt, sondern „Gesellschaften“, also jur. Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie jur. Personen behandelt werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e DBA-Hongkong).2 Da nach der Schlussklausel3 jeder Wortlaut des Abkommens, in engl. oder in dt. Sprache, gleichermaßen verbindlich ist, ist bei der Auslegung immer auch die jeweils andere Fassung heranzuziehen.4 In der engl. Fassung ist in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb 2. Alt. DBA-Hongkong nicht von „enterprise“ (= „Unternehmen“), sondern von „company“ (= „Gesellschaft“) die Rede, wobei „Gesellschaft“ definiert ist als „juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden“ (Art. 2 Abs. 1 Buchst. e DBA-Hongkong). Eine zutreffende Übersetzung von „company“ mit „Gesellschaft“ 1 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 35; Rauert, IStR 2012, 244; a.A. Laub, IStR 2005, 223 ff., wonach dem Geschäftsleitungsstaat das Besteuerungsrecht zusteht. 2 Vgl. Rauert, IStR 2012, 244 (245 f.); a.A. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 7; Laub, IStR 2005, 223 ff., wonach auch PersG Unternehmen einer Vertragspartei sind. 3 BGBl. 2004 II, 39. 4 Vgl. Philipp, ÖStZ 1986, 218; Vogel, StBJb 1983/1984, 373 ff.
Rauert
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Art. 8 Rz. 160–161
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
wie in Art. 2 Buchst. e DBA-Hongkong beseitigt eine ansonsten bestehende Divergenz zwischen Doppelbuchst. aa und bb in Art. 2 Buchst. f DBA-Hongkong und steht inhaltlich in Einklang mit dem OECD-MA (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, b, c OECDMA). Es ist daher davon auszugehen, dass die deutsche Übersetzung unzutreffend ist – statt „Unternehmen“ muss es in der obigen 2. Alt. „Gesellschaft“ heißen.1 Personengesellschaften sind somit nicht per se „Unternehmen“ i.S.d. Abkommens, sondern nur dann, wenn sie für die Besteuerung wie jur. Personen behandelt werden (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. e DBA-Hongkong). Fraglich könnte sein, ob auch die dt. Übersetzung von „managed and controlled“ mit „geleitet und beherrscht“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f Doppelbuchst. bb 2. Alt. DBA-Hongkong misslungen ist und dem Merkmal der Beherrschung keine eigenständige Bedeutung zukommt.2 Hätten die Vertragsparteien der Beherrschung („control“) keine eigenständige Bedeutung beimessen wollen, wäre die Verwendung des für den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung abkommensrechtlich allgemein üblichen und gebräuchlichen Ausdrucks „place of effective Management“ naheliegend gewesen. Dass Gesellschaften i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. e DBA-Hongkong in Hongkong nicht nur ihre Geschäftsleitung haben, sondern dort auch beherrscht werden müssen, um Abkommensschutz zu genießen, korrespondiert ferner mit der für natürliche Personen als Einzel- oder Mitunternehmer geforderten „ständigen“ Ansässigkeit in Hongkong. Es deutet daher viel darauf hin, dass das Merkmal der „Beherrschung“ vermeiden soll, dass nichtabkommensberechtigte Personen sich abkommensberechtigter Personen bedienen, um Abkommensvorteile in Anspruch zu nehmen (sog. „Treaty-Shopping“3). Nach hier vertretener Auffassung kommt dem Merkmal der „Beherrschung“ daher eigenständige Bedeutung zu.4 Damit die Voraussetzung der Beherrschung nicht z.B. durch Zwischenschaltung einer in Hongkong ansässigen, aber dort nicht auch beherrschten Kapitalgesellschaft unterlaufen werden kann, ist auf den bzw. die ultimativen Anteilseigner der Gesellschaft abzustellen. Nur wenn die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in Hongkong i.S. der obigen Alt. 1 „ständig ansässigen“ natürlichen Personen zuzurechnen ist, ist diese abkommensberechtigt.5 161 Beispiel: Am Kapital einer Reederei-Limited Partnership („LP“)6 mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Hongkong sind in Deutschland ansässige natürliche Personen mit 49 % sowie eine Limited („Ltd.“)7 mit Sitz und geschäftlicher Oberleitung in Hongkong mit 51 % beteiligt; die Verteilung der Stimmrechte in der LP entspricht den Beteiligungsquoten, die LP betreibt Seeschiffe im internationalen Verkehr. Das Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte der in Deutschland ansässigen Gesellschafter hat Deutschland.8 Hongkong hat nach dem DBA-Hongkong ein Besteuerungsrecht für die Beteiligungseinkünfte der Ltd. nur dann, wenn diese in Hongkong auch beherrscht wird. Das ist der Fall, wenn die Stimmrechte in der Ltd. mehrheitlich unmittelbar und/oder mittelbar in Hongkong ständig ansässigen natürlichen Personen zuzurechnen sind.9 Ist eine Beherrschung in Hongkong i.d.S. nicht gegeben, ist die Ltd. mit ihren Beteiligungs-
1 Vgl. BT-Drucks. Nr. 15/1644 v. 2.10.2003, 11. 2 So Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 8; a.A. Laub, IStR 2005, 223 (226); Rauert, IStR 2012, 244 (246). 3 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.127. 4 Vgl. Laub, IStR 2005, 223 (226); Rauert, IStR 2012, 244 (246); a.A. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 7. 5 Rauert, IStR 2012, 244 (246). 6 Vergleichbar einer KG, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 - IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Tab. 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa), Großbritannien. 7 Vergleichbar einer GmbH, vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 - IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Tab. 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa), Großbritannien. 8 Rauert, IStR 2012, 244; a.A. Laub IStR 2005, 223 (226). 9 Vgl. Laub, IStR 2005, 223 ff.; Rauert, IStR 2012, 244 (246 f.); nicht ganz eindeutig Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 8, 28.
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Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 161–167 Art. 8
einkünften ggf. in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, wenn die LP bspw. eine Betriebsstätte in Deutschland unterhält (vgl. insoweit die Ausführungen in Rz. 18). Beispiel: Eine Reederei-KG mit Sitz, tatsächlicher Geschäftsleitung und einziger Betriebsstätte in Deutschland betreibt Seeschiffe im internationalen Verkehr. Alleinige Kommanditistin der KG ist eine Ltd. mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung in Hongkong, an der ihrerseits in einem Nicht-DBA-Staat ansässige natürliche Personen beteiligt sind. Mangels Beherrschung in Hongkong ist die Ltd. nicht abkommensberechtigt nach dem DBA-Hongkong. Infolgedessen ist Deutschland abkommensrechtlich nicht an der Besteuerung der mit ihren Beteiligungseinkünften im Inland beschränkt steuerpflichtigen Ltd. gehindert.
162
Gewinne aus dem Betrieb gem. Art. 3 Abs. 1, 5 DBA-Hongkong. Die Gewinne eines 163 Unternehmens aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr umfassen nach Art. 3 Abs. 5 DBA-Hongkong auch Einkünfte aus der Vercharterung von Seeschiffen (Buchst. b), der Nutzung oder Vermietung von Containern (Buchst. c) sowie Zinserträge aus unmittelbar mit dem Betrieb zusammenhängenden Mitteln (Buchst. d). Diese Regelung hat klarstellende Bedeutung nur, soweit die Einkünfte aus der Vercharterung ausgerüsteter und bemannter Seeschiffe stammen (s. Art. 8 Rz. 5 OECDMK) bzw. ein funktionaler Zusammenhang der Zinserträge mit dem Betrieb gefordert wird (s. Art. 8 Rz. 14 OECD-MK). Über den Anwendungsbereich von Art. 8 OECD-MA hinausgehend sind Gewinne aus der Bareboat-Vercharterung sowie aus der Nutzung und Vermietung von Containern (incl. Zubehör) auch dann in die Regelung einzubeziehen, wenn diese Tätigkeiten nicht nur gelegentlich ausgeübt werden bzw. sie nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb von (eigenen) Seeschiffen stehen; denn es ist anzunehmen, dass die Denkschrift,1 die jene Einkünfte ausdrücklich erwähnt („gehören auch“), ggf. entsprechende Einschränkungen gemacht hätte. Die Verteilungsnorm gilt somit auch dann, wenn die Bareboat-Vercharterung bzw. Container-Vermietung einziger Gegenstand des Unternehmens sind.2 Binnenschifffahrt. Da die Binnenschifffahrt nicht ausdrücklich geregelt ist, behal- 164 ten die Vertragsparteien ihr Besteuerungsrecht über die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Hongkong als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 3 DBA-Hongkong („können nur“) hat Hongkong als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (vgl. Rz. 1).
165
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat hat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 3 DBA-Hongkong, im Quellenstaat Hongkong sind die Einkünfte freizustellen.
166
2. Liberia a) Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Abweichend vom OECD-MA hat nach Art. 8 DBA-Liberia das 167 Besteuerungsrecht für die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr der Vertragsstaat, in dem das Unternehmen ansässig ist (s. Art. 8 Rz. 2 OECD-MK). Flankiert wird die Regelung durch die Bestimmungen in Nr. 4 und 5 des Prot. Danach ist der Abkommensschutz für liberianische Gesellschaften eingeschränkt, wenn deren Kapital nicht zu mind. 75 % in liberianischer Hand ist (Prot. Nr. 4 zu den Art. 6 bis 22 DBA-Liberia; vgl. Rz. 169). Überdies gilt eine dt. PersG als abkommensberechtigte Person (Prot. Nr. 5 zu den Art. 6 bis 22 DBA-Liberia). Auf eine ausdrückliche Regelung für die Binnenschifffahrt ist mangels entsprechender Wirtschaftsbeziehungen verzichtet worden. Art. 8 Abs. 2 DBA-Liberia entspricht inhaltlich Art. 8 Abs. 4 OECD-MA.
1 BT-Drucks. Nr. 15/1644 v. 2.10.2003, 11. 2 Vgl. Kreutziger in Wassermeyer, DBA-Hongkong (S) Rz. 20, 22 ff., Laub, IStR 2005, 223 ff., Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 55.
Rauert
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Art. 8 Rz. 168–174
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
b) Konsequenzen 168
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Die Gewinne eines Unternehmens einer Vertragspartei aus dem Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr können nach Art. 8 Abs. 1 DBA-Liberia nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Person ansässig ist, die das Unternehmen betreibt. Als in Deutschland ansässige Person gilt auch eine nach dt. Recht errichtete PersG (Prot. Nr. 5 zu Art. 6 bis 22 DBA-Liberia). Für die Anwendung des Abkommens unbeachtlich ist deshalb, wo die Ges’ter einer dt. PersG selbst ansässig sind. Abkommensschutz genießt der Gesellschafter einer dt. PersG somit auch dann, wenn er in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Freilich ist mit der Prot.-Bestimmung nur die Verteilung des Besteuerungsrechts verbunden, die steuerliche Behandlung der Gewinne nach dt. nationalem Recht bleibt davon unberührt. Vgl. i.Ü. die Darstellung in Rz. 95.
169
Eingeschränkter Abkommensschutz für liberian. Gesellschaften in ausländischer Hand gem. Prot. Nr. 5 zu Art. 6 bis 22 DBA-Liberia. Wenn am Kapital an einer in Liberia ansässigen Gesellschaft (KapG oder PersG) unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25 % nicht in Liberia ansässige Personen beteiligt sind, findet Art. 8 DBA-Liberia auf Einkünfte, für die Deutschland Quellenstaat ist, keine Anwendung, es sei denn, die Gesellschaft weist nach, dass die liberian. Steuer auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte nicht durch die im Prot. genannten Steuervergünstigungen gemindert ist. Diese Vergünstigungen betreffen z.B. Einkünfte aus Quellen außerhalb Liberias sowie Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen unter liberian. Flagge, also Steuervorteile, von denen insbes. liberian. Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen profitieren. Die Regelung im Prot. soll Deutschland deshalb ermöglichen, in Liberia steuerlich privilegierte Einkünfte aus dt. Quellen zu besteuern, die in uneingeschränkter Anwendung von Art. 8 DBA-Liberia letztlich unversteuert blieben. Kann deshalb der bestimmungsgemäße Nachweis durch die liberian. Gesellschaft nicht erbracht werden, ist Deutschland an einer Besteuerung der inländischen Einkünfte (vgl. Rz. 18) der liberian. Gesellschaft durch das Abkommen nicht gehindert.
170
Binnenschifffahrt. Die Binnenschifffahrt ist im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt, auf entsprechende Gewinne finden daher ggf. Art. 7 DBA-Liberia sowie die Bestimmungen Nr. 4 und 5 des Prot. zu Art. 6 bis 22 DBA-Liberia Anwendung. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung
171
Liberia als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Liberia („können nur“) hat Liberia als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (vgl. Rz. 1), es sei denn, der Abkommensschutz einer liberian. Gesellschaft in ausländischer Hand ist eingeschränkt (vgl. Rz. 169). Hat danach Deutschland ein Besteuerungsrecht für Einkünfte aus dt. Quellen, vermeidet Liberia eine Doppelbesteuerung nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Liberia durch Anwendung der Freistellungsmethode unter Progressionsvorbehalt.
172
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland hat als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 8 DBA-Liberia, im Quellenstaat Liberia sind die Einkünfte freizustellen. 3. Malta a) Abweichungen zum OECD-MA
173
Allgemeines. Abgesehen von der Binnenschifffahrt, die nicht ausdrücklich geregelt ist, stimmt Art. 8 DBA-Malta inhaltlich mit dem zwischen Deutschland und Österreich geschlossenen DBA überein (vgl. die Darstellung in Rz. 129 f.). b) Konsequenzen
174
Binnenschifffahrt. Da eine spezielle Regelung für die Binnenschifffahrt fehlt, findet auf entsprechende Gewinne Art. 7 DBA-Malta Anwendung.
718
Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 175–183 Art. 8
c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Malta als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA- 175 Malta („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Maltas als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 176 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). 4. Insel Man a) Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von 177 im internationalen Verkehr tätigen Schifffahrtsunternehmen hat abweichend von Art. 8 OECD-MA der Staat, in dem der Unternehmer ansässig i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. j DBA-Insel Man ist, das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen im internationalen Verkehr (Art. 3 Abs. 1 DBA-Insel Man). Die Definition des Ausdrucks „Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f DBA-Insel Man stimmt mit den Grundsätzen des OECD-MA überein (vgl. Art. 8 Rz. 4, 5, 8, 9, 14 OECD-MK), so dass sich insoweit keine Besonderheiten ergeben. Im Abkommen nicht geregelt ist die Binnenschifffahrt. b) Konsequenzen 178
Sitz-/Ansässigkeitsstaat. Vgl. die Darstellung in Rz. 95.
Binnenschifffahrt. Da die Binnenschifffahrt nicht ausdrücklich geregelt ist, behal- 179 ten die Vertragsparteien ihr Besteuerungsrecht über die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Insel Man als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 3 180 DBA-Insel Man („können nur“) hat die Insel Man als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte (vgl. Rz. 1). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland hat als Wohnsitzstaat das ausschließliche und uneingeschränkte Besteuerungsrecht für die Einkünfte i.S. des Art. 3 DBA-Insel Man, im Quellenstaat Insel Man sind die Einkünfte freizustellen.
181
5. Norwegen a) Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Während Art. 8 Abs. 1 und 2 DBA-Norwegen wortwörtlich mit Art. 8 182 Abs. 1 und 4 OECD-MA übereinstimmen, regelt Abs. 3 ausdrücklich die Behandlung von Containern, und Abs. 4 regelt den Sonderfall des SAS-Luftfahrtkonsortiums. Die Bestimmung in Nr. 2 des Prot. regelt die Verteilung des Besteuerungsrechts für den Sonderfall, dass sich die tatsächliche Geschäftsleitung ausnahmsweise in beiden Vertragsstaaten befindet. Im Abkommen nicht ausdrücklich geregelt ist die Binnenschifffahrt (Art. 8 Abs. 2 OECD-MA) sowie die Verteilung, wenn sich die Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes befindet (Art. 8 Abs. 3 OECD-MA). Außerhalb des Art. 8 DBA-Norwegen und abweichend vom OECD-MA sind ferner in Art. 20 Abs. 4 DBANorwegen die Beförderungsleistungen zur Versorgung der Arbeitsorte auf dem Festlandsockel geregelt. b) Konsequenzen Sonderfall: Tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland und Norwegen. Nach 183 der Bestimmung in Nr. 2 des Prot. zu Art. 8 DBA-Norwegen wird ein Unternehmen, das seine tatsächliche Geschäftsleitung in beiden Vertragsstaaten ausübt, unter fol-
Rauert
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Art. 8 Rz. 183–188
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
genden Voraussetzungen so behandelt, als habe es den Ort seiner tatsächlichen Geschäftsleitung in beiden Staaten: (1) Das Unternehmen wird von einer Gesellschaft oder anderen Personenvereinigung betrieben, bei der alle Gesellschafter gesamtschuldnerisch haften und mind. einer der Gesellschafter unbeschränkt haftet,1 und (2) in jedem Vertragsstaat ist mind. ein Gesellschafter ansässig. Mit dieser Regelung wird erreicht, dass jeder Vertragsstaat das Besteuerungsrecht für die anteiligen Gewinne der Mitunternehmerschaft hat, die auf den im Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter entfallen. Der Sonderfall betrifft Gewinne i.S. des Art. 8 DBA-Norwegen, nicht die Beförderungsleistungen zur Versorgung der Arbeitsorte auf dem Festlandsockel gem. Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen. Für diese Einkünfte gilt das Prinzip unverändert, dass eine Gesellschaft zwar mehrere Orte der Geschäftsleitung, aber immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben kann (s. Art. 4 Rz. 24 OECDMK; vgl. Rz. 38). 184
Binnenschifffahrt. Auf Gewinne aus dem Betrieb der Binnenschifffahrt findet mangels ausdrücklicher Regelung (vgl. Art. 8 Abs. 2 OECD-MA) Art. 7 DBA-Norwegen Anwendung.
185
Sonderfall: Ort der Geschäftsleitung an Bord eines Schiffes. Da eine Art. 8 Abs. 3 OECD-MA entsprechende Regelung fehlt, ist als Geschäftsleitungsstaat der Staat anzusehen, dessen Flagge das betriebene Seeschiff führt (vgl. Rz. 54). Wenn das Schiff weder die Flagge Norwegens noch Deutschlands führt, findet im Verhältnis der Vertragsstaaten zueinander Art. 7 DBA-Norwegen Anwendung. Da ein Schiff keine Betriebsstätte ist,2 kommt es letztlich auf die Ansässigkeit des Unternehmens an.3
186
Containerverkehr. Abweichend vom OECD-MA fallen unter die Spezialregelung des Art. 8 DBA-Norwegen auch Gewinne aus der Vermietung von „Behältern“ (= Container) einschließlich Anhängern und dazugehöriger Ausrüstung für die Beförderung von „Behältern“. Die Denkschrift zum Abkommen4 weist darauf hin, dass die Regelung in Art. 8 Abs. 3 DBA-Norwegen der neueren Abkommenspraxis der Mitgliedstaaten der OECD entspricht. Nicht ausdrücklich gefordert ist, dass der Containerverkehr dem Betrieb eines Seeschiffes oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr untergeordnet ist, auch sind keine zeitlichen („gelegentlich“, vgl. Rz. 28) Einschränkungen genannt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Gewinne reiner Container-Gesellschaften in den Anwendungsbereich der Norm fallen.5 Voraussetzung ist indes, dass die Container zur Beförderung von Gütern oder Waren im internationalen Verkehr verwendet werden (vgl. insoweit und i.Ü. die Darstellung in Rz. 97).
187
Sonderregelung des SAS. Der in Skandinavien bestehenden besonderen Situation, dass das Lufttransportkonsortium SAS (Skandinavian Airlines System) von Gesellschaften in Dänemark, Schweden und Norwegen gemeinsam betrieben wird, ist in Art. 8 Abs. 4 DBA-Norwegen Rechnung getragen. In Anlehnung an Art. 8 Rz. 24 OECD-MK stellt das Abkommen deshalb klar, dass Art. 8 Abs. 1 und 2 DBA-Norwegen auch für den norwegischen Gesellschafter des Konsortiums gilt.
188
Beförderungen vor der Küste. Art. 20 DBA-Norwegen enthält eine Sonderregelung für Tätigkeiten in den Küstengebieten der Vertragsstaaten i.Z.m. der Erforschung 1 Vgl. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Norwegen Rz. 8: „Unternehmensformen, bei denen Prot. Nr. 2 zu Art. 8 vorbehalt. der sonstigen Voraussetzungen anwendbar sind, ist nach dt. Recht die GbR, OHG oder KG und nach norw. Recht die ansvarlig selskap (ANS) und selskap meddelt ansvor (DA) sowie die kommandittselskap (KS).“ 2 Vgl. BFH v. 3.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 9.10.1974 – 128/73, BStBl. II 1975, 203; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076 geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 – S 1300 – 222/00, BStBl. I 2000, 1509 und BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 – S 1341/07/10004, BStBl. 2009, 888 Rz. 4.5.1. 3 Vgl. Hemmelrath in V/L5, Art. 8 OECD-MA Rz. 63. 4 BT-Drucks. 12/4072 v. 6.1.1993, Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2010, Band II, 1076 (1078). 5 Gl.A. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Norwegen Rz. 23; Wilden in G/K/G, Art. 8 DBA-Norwegen Rz. 22.
720
Rauert
G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 188–191 Art. 8
oder Ausbeutung des Meeresuntergrunds und natürlicher Ressourcen. Bedeutung hat die Vorschrift insbesondere für die Förderung der Erdöl- und Erdgasvorkommen vor der norwegischen Küste.1 Entsprechend der Regelung in Art. 8 DBA-Norwegen können Gewinne aus dem Offshore-Einsatz von Schiffen und/oder Luftfahrzeugen zum Transport von Vorräten oder Personal nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Von der Regelung ausdrücklich erfasst ist auch der Betrieb von „Schleppern und anderen Schiffen, die Hilfsdienste leisten“. Der Anwendungsbereich setzt voraus, dass die Beförderungen bspw. durch Versorgungsschiffe mit den Tätigkeiten nach Art. 20 Abs. 2 DBA-Norwegen in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Wie bei Art. 8 DBA-Norwegen sind die Beförderungen für unternehmenseigene Zwecke nicht vom Regelungsbereich erfasst (vgl. Rz. 27).2 Ein Betrieb im internationalen Verkehr ist nicht gefordert. Die Beförderungen umfassen nach dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen den Offshore-Einsatz zwischen verschiedenen Tätigkeitsorten sowie vom Festland zu den Tätigkeitsorten. Nicht erfasst wären bei wortgetreuer Auslegung die Rückfahrten bzw. Rückflüge sowie der Rücktransport von Vorräten und Personal vom Tätigkeitsort vor der Küste zum Festland. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb diese nicht ausdrücklich angesprochenen Beförderungen nicht auch dem Regelungsbereich unterliegen sollen, stehen sie doch in keinem anderen sachlichen Zusammenhang wie die vom Wortlaut erfassten Einsätze. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sämtliche Offshore-Einsätze i.Z.m. mit den Tätigkeiten nach Art. 20 Abs. 2 DBA-Norwegen in den Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen fallen.3 c) Vermeidung der Doppelbesteuerung Norwegen als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 bzw. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen („können nur“) hat Norwegen als Wohnsitzstaat die betreffenden Einkünfte freizustellen (vgl. Rz. 1),4 sofern nicht der in Nr. 2 des Prot. zu Art. 8 DBA-Norwegen genannte Sonderfall gegeben ist (vgl. Rz. 183). In dieser Konstellation hat Norwegen als Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für die anteiligen Beteiligungseinkünfte der in Norwegen ansässigen Mitunternehmer, soweit die Ergebnisse Art. 8 DBA-Norwegen unterstellt sind. I.Ü. bleibt das Recht Norwegens als Wohnsitzstaat, die Einkünfte, für die Deutschland als Geschäftsleitungsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht hat, dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, unberührt.
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Deutschland als Wohnsitzstaat. In Deutschland als Wohnsitzstaat sind die Einkünfte i.S. des Art. 8 bzw. 20 Abs. 4 DBA-Norwegen grds. unter Progressionsvorbehalt freizustellen (vgl. Rz. 1).5 Ausnahmsweise besteuert Deutschland als Wohnsitzstaat die anteiligen Beteiligungseinkünfte seiner Gebietsansässigen in dem in Nr. 2 des Prot. zu Art. 8 DBA-Norwegen beschriebenen Sonderfall (vgl. Rz. 183), soweit auf die Einkünfte Art. 8 DBA-Norwegen Anwendung findet.
190
6. Singapur a) Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Mit Ausnahme der Binnenschifffahrt, die im Abkommen nicht aus- 191 drücklich geregelt ist, stimmt Art. 8 DBA-Singapur in den Abs. 1, 3 und 4 wortwörtlich und in Abs. 2 inhaltlich weitgehend mit Art. 8 OECD-MA überein. Klarstellend6
1 Vgl. auch Art. 23 DBA-Dänemark. 2 Gl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Dänemark Rz. 17; Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 20 DBA-Norwegen Rz. 8. 3 Nach Krabbe in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Dänemark Rz. 17 fallen „Beförderungen an Orte auf dem Festland (wohl außer Rückbeförderungen von Personen und Vorräten) […] nicht unter die Vorschrift, können aber von Art. 8 erfasst sein.“ 4 A.A. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Norwegen Rz. 2. 5 A.A. Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Norwegen Rz. 2. 6 Vgl. BT-Drucks. 16/1619, 30.
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Art. 8 Rz. 191–195
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
regelt Art. 8 Abs. 2 DBA-Singapur, dass auch Einkünfte aus der Leervermietung von Seeschiffen und Luftfahrzeugen sowie aus der Nutzung oder Vermietung von Containern in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen können. Das Prot. enthält in Abs. 3 zu Art. 8 und 23 DBA-Singapur eine Ausnahme vom Grundsatz der ausschließlichen Besteuerung durch den Vertragsstaat der tatsächlichen Geschäftsleitung, wenn am Kapital der in Singapur ansässigen Gesellschaft zu mehr als 50 % nicht in Singapur ansässige Personen beteiligt sind. b) Konsequenzen 192
Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung durch den Geschäftsleitungsstaat gem. Prot. Abs. 3 zu Art. 8 und 23 DBA-Singapur. Wenn am Kapital an einer in Singapur ansässigen Gesellschaft, die in Singapur Steuersubjekt1 ist, unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 % nicht in Singapur ansässige Personen beteiligt sind, findet Art. 8 DBA-Singapur auf Einkünfte, für die Deutschland Quellenstaat ist, nur Anwendung, wenn die Gesellschaft nachweist, dass die singapurische Steuer auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte keinen Steuervergünstigungen unterlegen hat. Mit dieser Regelung soll in Fällen, in denen Singapur für Einkünfte aus dem Betrieb von Seeschiffen unter singapurischer Flagge eine Steuerbefreiung2 gewährt, eine zusätzliche Befreiung von der deutschen beschränkten Steuerpflicht ausgeschlossen werden (zur Parallelregelung im DBA-Liberia vgl. die Darstellung in Rz. 169).3
193
Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen gem. Art. 8 Abs. 2 Buchst. a DBA-Singapur. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der Leervermietung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Singapur auf Leervermietungen ist somit stets der genuine Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr. Nach der Gesetzesbegründung hat die Regelung in Abs. 2 klarstellende Funktion.4 Nicht von Art. 8 DBA-Singapur, sondern von Art. 7 bzw. 21 DBA-Singapur erfasst werden dagegen die Gewinne aus der Leervermietung, wenn es sich insoweit nicht um eine untergeordnete Tätigkeit eines Unternehmens handelt, das Seeschiffe oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 28 sowie Art. 8 Rz. 5 OECD-MK).5
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Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 2 Buchst. b DBA-Singapur. Auch die Gewinne aus der Nutzung, Wartung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für die Beförderung von Containern), die für die Beförderung von Gütern oder Waren eingesetzt werden, fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Singapur, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.6 Somit ist auch insoweit Voraussetzung, dass die entsprechenden Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr betreibt (vgl. Rz. 29 f. sowie Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK). c) Vermeidung der Doppelbesteuerung
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Singapur als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Singapur („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat 1 Nicht Steuersubjekt ist die L(L)P, vgl. Dörrfuß/Weidlich, IStR 2005, 518. 2 Mit dem „Maritime Sector Incentive“ („MSI“) sind die in Singapur bestehenden steuerlichen Vergünstigungen für den maritimen Sektor jüngst zusammengefasst und um weitere Steuerprivilegien ergänzt worden (http://www.mpa.gov.sg/sites/business_and_enterprise/expanding_ your_business_operations/growing_your_business_through_approved_schemes/growing_your_ business_through_approved_schemes.page). 3 BT-Drucks. 16/1619, 30. 4 BT-Drucks. 16/1619, 30. 5 A.A. offenbar Dörrfuß in Wassermeyer, Art. 8 DBA-Singapur Rz. 4, wonach die Regelung auch inhaltlich vom OECD-MA abweicht. 6 BT-Drucks. 16/1619, 30.
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 195–199 Art. 8
stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Singapurs als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt. In Fällen, in denen der Abkommensschutz einer singapurischen Gesellschaft in ausländischer Hand eingeschränkt und Deutschland als Quellenstaat an einer Besteuerung der inländischen Einkünfte nicht gehindert ist (vgl. Rz. 192), vermeidet Singapur eine Doppelbesteuerung insoweit nach Art. 24 Abs. 2 DBA-Singapur durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 196 Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1). 7. Zypern a) Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Das Revisionsabkommen vom 18.2.20111 findet seit dem 1.1.2012 An- 197 wendung (Art. 30 Abs. 2 DBA-Zypern). Sein Art. 8 DBA-Zypern entspricht in den Abs. 1, 2, 4 wortwörtlich Art. 8 OECD-MA, in Abs. 5 ist die Verteilung im Falle internationaler Zusammenarbeit in der Binnenschifffahrt explizit geregelt. Über den Wortlaut des OECD-MA hinausgehend regelt Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern ausdrücklich die Verteilung des Besteuerungsrechts für Einkünfte aus der gelegentlichen Leervercharterung sowie aus der untergeordneten Nutzung und Vermietung von Containern. Nach Rz. 3. des Prot. findet Art. 8 DBA-Zypern abweichend vom OECD-MA auch Anwendung auf Einkünfte von Unternehmen, die die verschiedenen Aufgaben beim Betrieb von Seeschiffen für die Schifffahrtsgesellschaften übernehmen, wie z.B. das sog. Crewing (Personalmanagement) sowie das kaufmännische und technische Management. Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung gem. Prot. Nr. 1 zu Art. 3, 4, 8, 13, 14 und 198 21 DBA-Zypern. Das Prot. enthält eine Definition des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung, die in Satz 1 wortwörtlich (vgl. Art. 4 Rz. 24 S. 2 OECD-MK) und i.Ü. inhaltlich mit dem OECD-MA übereinstimmt.2 Somit hat die Bestimmung allein Klarstellungsfunktion.3 Änderungen mit Wirkung vom 1.1.2012 im Überblick. Gegenüber der Rechtslage 199 bis zum 31.12.20114 enthält das neue DBA-Zypern einige sehr bedeutsame Änderungen.5 Dazu gehört aus Sicht der Seeschifffahrt der Wegfall der Rückfallklausel in Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern a.F., wonach das Besteuerungsrecht an Deutschland zurückfällt, wenn die Einkünfte in Zypern bevorzugt besteuert werden. Nach dieser Regelung war faktisch die Verwendung von Schifffahrtsgesellschaften in der Rechtsform der Personengesellschaft in Zypern unterbunden, wenn an der Personengesellschaft mit tatsächlicher Geschäftsleitung in Zypern außerhalb Zyperns ansässige Personen zu mehr als 25 % beteiligt waren.6 Eine Folge daraus war, dass für entsprechende Beteiligungseinkünfte aus Zypern weder die zyprische noch die dt. Tonnagesteuer zur Anwendung kommen konnte. Mit dem neuen Abkommen entfällt ferner die Anrechnung fiktiver Quellensteuer von 15 % auf Dividenden aus Zypern.7 Von erheblicher Bedeutung ist überdies die Bestimmung in Nr. 3 des Prot. zum neuen Abkommen, dass zu den Gewinnen aus dem Betrieb von Seeschiffen insbesondere auch Gewinne aus technischem und wirtschaftlichem Management sowie aus dem Crewing gehören (vgl. Rz. 203). Neu geregelt worden ist auch die Verteilung des Besteuerungsrechts für die Heuer der Seeleute (Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern; vgl. Rz. 200). I.Ü. findet der neue Art. 8 DBA-Zypern auch auf Einkünfte aus dem Betrieb von Binnenschiffen An-
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BGBl. II 2011, 1068 ff. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 95 ff. Rauert, IStR 2012, 164 (165). DBA-Zypern v. 9.5.1974, BGBl. 1977 II, 489 ff. Vgl. Rauert, IStR 2012, 164 ff. Vgl. Müller in Wassermeyer, DBA-Zypern Rz. 14 ff. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-Zypern a.F.
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Art. 8 Rz. 199–200
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
wendung. Auch weil das am 1.1.2010 in Kraft getretene neue Tonnagesteuerregime Zyperns1 nochmals an Attraktivität – bspw. auch gegenüber der dt. Tonnagesteuer – hinzugewonnen hat, eröffnet das Revisionsabkommen hohes Gestaltungspotenzial insbesondere für dt. Reedereien. Die vorstehend genannten Änderungen, die nach der Denkschrift2 nicht rückwirkend anzuwenden sind, werden in vielen Fällen einen Rechtsformwechsel zypriotischer Schifffahrtsunternehmen mit dt. Eigentümern in die Personengesellschaft auslösen bzw. ausgelöst haben. 200
Exkurs: Heuer der Seeleute gem. Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern. Für die Rechtslage bis zum 31.12.2011 war geklärt, dass „Unternehmen“ i.S.d. Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern a.F. nur ein Unternehmen i.S.v. Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern a.F. sein kann, das selbst internationalen Seeverkehr oder Luftverkehr betreibt, und dass dieses Unternehmen zugleich wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds i.S.d. Abkommensrechts sein muss.3 Nach der ausdrücklichen Bestimmung im Protokoll zum Revisionsabkommen (Nr. 4 zu Art. 14 DBA-Zypern) bedeutet der Ausdruck „Unternehmen“ in Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern hingegen das Unternehmen des Arbeitgebers des Besatzungsmitglieds. Die Crewing-Gesellschaft muss somit kein Verkehrsunternehmen i.S.d. Art. 8 Abs. 1 bzw. 2 DBA-Zypern sein, damit Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern Anwendung findet. Der damit gegenüber der Vorgängerfassung des DBA verbundene Wechsel des Besteuerungsrechts ist i.Z.m. Nr. 3 des Prot. zu sehen, wonach u.a. auch Crewing-Ausrüster im Grundsatz in den Regelungsbereich von Art. 8 DBA-Zypern fallen (vgl. insoweit die Ausführungen in Rz. 204). Stellt eine deutsche Reederei mit tatsächlicher Geschäftsleitung im Inland ihre Schiffsbesatzung nicht selbst ein, sondern lässt diese Arbeitskräfte durch eine in Zypern ansässige Crewing-Gesellschaft beschaffen, ist somit gem. Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern die Heuer am Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Crewing-Gesellschaft in Zypern zu besteuern und die im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Seeleute erzielen – nach der aktuellen Rechtslage – weiße Einkünfte. Ein Rückfall nach § 50d Abs. 8 oder 9 Nr. 2 EStG scheidet nach Auffassung des BFH aus – während der BFH in der Vorschrift § 50d Abs. 8 EStG einen unzulässigen Treaty-override4 sieht (vgl. hierzu Art. 1 Rz. 15 ff.),5 geht die Regelung des § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG in Folge der Sperrwirkung von § 50d Abs. 8 EStG insoweit ins Leere.6 Zumindest nach bisheriger Ansicht der dt. FinVerw. greift hingegen § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG, wenn das Schiff, auf dem die Besatzung zum Einsatz kommt, nicht in Zypern registriert ist, da dann nur beschränkt steuerpflichtige Seeleute mit ihren Heuern in Zypern nicht besteuert werden, während in Zypern unbeschränkt steuerpflichtige Personen mit ihren Heuern steuerpflichtig sind.7 Dagegen hatte Deutschland als Geschäftsleitungsstaat der Reederei unter der Geltung des DBA-Zypern a.F. das Besteuerungsrecht für die Einkünfte der Seeleute,8 einer Rückfallklausel hatte es nicht bedurft. 1 2 3 4 5 6
Vgl. Havarias, HANSA International Maritime Journal 2011, 94 f. (95). BT-Drucks. 17/6259, 28 unter Hinweis auf BFH v. 18.5.2010 – I B 204/09, BFH/NV 2010, 1636. Vgl. BFH v. 18.5.2010 – I B 204/09, BFH/NV 2010, 1636. Vgl. Schwenke, FR 2012, 443. BFH v. 10.1.2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056. BFH v. 11.1.2012 – I R 27/11, BFH/NV 2012, 862; s. hierzu die Anm. von Kempermann sowie Mitschke in FR 2012, 467 ff.; s. auch Pohl, IWB 2012, 656 (660). Vgl. zu den Auswirkungen des Urteils auf den Wettbewerb der dt. Luftverkehrsgesellschaften Sedemund, IStR 2012, 613 sowie BMF v. 5.12.2012 – IV B 2 – S 2411/10/10003 zur Anwendung von § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 2 EStG bei der Besteuerung von in Deutschland ansässigem Flugpersonal britischer und irischer Fluggesellschaften ab dem VZ 2011. 7 Vgl. BMF v. 12.11.2008, DStR 2008, 2316; wenn die betreffenden Schiffe (ausgenommen z.B. dem Fischfang dienende Schiffe, Hafenschlepper, Flussfähren) in Zypern registriert sind, sind die entsprechenden Heuern nach dem Recht Zyperns für in Zypern unbeschränkt sowie beschränkt Steuerpflichtige grundsätzlich steuerfrei, Art. 55 Merchant Shipping Law 2010. Infolgedessen würde die Rückfallklausel § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG auch ohne die Sperrwirkung des § 50d Abs. 8 EStG insoweit keine Anwendung finden, vgl. Loschelder in Schmidt31, § 50d EStG Rz. 52; M. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 112. 8 Im Ausland ansässige Seeleute unterliegen der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG nur auf einem unter dt. Flagge fahrenden Schiff, soweit sich dieses nicht in ausländ. Hoheitsgewässern oder einem ausländ. Hafen befindet, und auf einem unter aus-
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G. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 201–203 Art. 8
b) Konsequenzen Gelegentliche Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeu- 201 gen gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. a DBA-Zypern. Nach dem Wortlaut der Vorschrift fallen Gewinne aus der gelegentlichen Leervermietung von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen in den Regelungsbereich des Artikels, wenn die Vermietung zum Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr gehört. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 8 DBA-Zypern auf Leervermietungen ist somit stets der originäre Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffen. Nach der Denkschrift hat die Regelung in Abs. 3 klarstellende Funktion.1 Deshalb wird insoweit auf die ausführliche Darstellung in Rz. 28 verwiesen. Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 Buchst. b DBA-Zy- 202 pern. Auch die Gewinne aus der Nutzung oder Vermietung von Containern (einschließlich Trailern und zugehöriger Ausstattung für den Transport von Containern) fallen in den Anwendungsbereich von Art. 8 DBA-Zypern, wenn diese Tätigkeiten zum Betrieb von Seeschiffen und/oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffen gehören. Auch diese Regelung hat klarstellende Funktion.2 Somit ist auch insoweit Voraussetzung, dass entsprechende Gewinne aus einer untergeordneten Tätigkeit eines Unternehmens stammen, das Seeschiffe und/oder Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr bzw. Binnenschiffe betreibt (Rz. 29 f. sowie Art. 8 Rz. 9, 10.1 OECD-MK). Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen. Das neue DBA erweitert den Anwen- 203 dungsbereich von Art. 8 DBA-Zypern in Abweichung von der Rspr. des BFH3 auf Gewinne von Unternehmen, die die verschiedenen Aufgaben beim Betrieb von Seeschiffen für die Schifffahrtsgesellschaften übernehmen (vgl. Prot. Nr. 3 zu Art. 8).4 Beispielhaft (nicht abschließend) werden in der Protokollbestimmung entsprechende Tätigkeiten genannt, nämlich das sog. Crewing sowie das kaufmännische und technische Management. Die Tätigkeit von Crewing-Gesellschaften (sog. CrewingAusrüster) umfasst insbes. die Gestellung der Mannschaft an die Schiffsgesellschaft, die Zahlung der Heuer für die Seeleute sowie deren Aus- und Fortbildung. Das kaufmännische und technische Management zählen zu den originären Aufgaben des Vertrags- bzw. Korrespondentreeders. Zu diesen Aufgaben gehören insbesondere5 der Abschluss von Verträgen, die den Einsatz des Schiffes betreffen, die seemäßige Ausrüstung und Verproviantierung des Schiffes, die Einstellung von Kapitänen und Offizieren, die Befrachtung des Schiffes, der Abschluss von Bunker- und Schmierölverträgen, die Erhaltung des Schiffes, der Abschluss von Versicherungsverträgen über Schiff und Ausrüstung, die Behandlung der Claims, die Führung der Bücher, Rechnungslegung sowie bei Korrespondentreedern die Herbeiführung und Verwirklichung der Beschl. der Mitreeder. Auch die Tätigkeit der Schiffsmakler, also insbes. die Vermittlung des Abschlusses von Charterverträgen oder der Befrachtung von Schiffen,6 fällt in den Anwendungsbereich des neuen Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern. Die Protokollbestimmung verlangt nicht, dass die Tätigkeiten einem eigenen Betrieb eines Seeschiffes untergeordnet sein müssen. Vielmehr findet Art. 8 DBA-Zypern auf entsprechende Gewinne selbst dann Anwendung, wenn der Unternehmer nicht selbst internationalen Seeverkehr betreibt. Erforderlich für die Anwendung des Art. 8 DBA-
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länd. Flagge fahrenden Schiff, soweit sich das Schiff in dt. Hoheitsgewässern oder in einem dt. Hafen aufhält, vgl. BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50. Die ursprünglich geplante Einbeziehung der Seeleute in die ab 2007 geltende Regelung § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG wurde „mit Rücksicht auf die schwierige wirtschaftliche Situation der dt. Schifffahrt“ storniert, vgl. Loschelder in Schmidt30, § 49 EStG Rz. 59. Vgl. BT-Drs. 17/6259, 28; OECD-MK zu Art. 8 Ziff. 5; Rauert, IStR 2012, 164 (166 f.). Vgl. BT-Drs. 17/6259, 28; Rauert, IStR 2012, 164 (167). Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. Vgl. Rauert, IStR 2012, 164 (166). Vgl. BMF v. 12.6.2002 – IV A 6 – S 2133a – 11/02, BStBl. I 2002, 614 geändert durch BMF v. 31.10.2008 – IV C 6 – S 2133-a/07/10001, BStBl. I 2008, 956. Vgl. Rabe, Seehandelsrecht4, Vor § 556 Rz. 18.
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Art. 8 Rz. 203–206
Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt
Zypern ist jedoch, dass die Leistung dem Betrieb eines Seeschiffes im internationalen Verkehr dient. Andernfalls gilt für die vorgenannten Leistungen Art. 7 DBA-Zypern. 204
Erweiterung des Anwendungsbereichs des Art. 8 DBA-Zypern abweichend von der Rechtsprechung des BFH. In der Denkschrift1 wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erweiterung des Regelungsbereichs des Art. 8 DBA-Zypern durch die Bestimmung in Nr. 3 des Prot. zu Art. 8 DBA-Zypern von der Rechtsprechung des BFH2 abweicht. Nach einhelliger und zutreffender Auffassung des BFH3, der FinVerw4 wie der Literatur5 ist ein Crewing-Unternehmen mit dem Verleih von Arbeitnehmern, die an Bord von Seeschiffen eingesetzt werden, nicht Betreiber eines Seeschiffes i.S. des Art. 8 DBA-Zypern a.F. bzw. Art. 8 OECD-MA und infolgedessen kein Unternehmen i.S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern a.F. bzw. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA. c) Vermeidung der Doppelbesteuerung
205
Zypern als Wohnsitzstaat. Aufgrund der abschließenden Rechtsfolge des Art. 8 DBA-Zypern („können nur“) sind die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat stets freizustellen (vgl. Rz. 1). Das Recht Zyperns als Wohnsitzstaat, diese Einkünfte dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen, bleibt davon unberührt.
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Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung entsprechender Einkünfte ohne Rückgriff auf den Methodenartikel durch deren Freistellung unter Progressionsvorbehalt (vgl. Rz. 1).
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BT- Drucks. 17/6259, 28. Vgl. BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. Vgl. BFH v. 26.4.2005 – I B 86/04, n.v. Vgl. OFD Hannover v. 18.7.2006 – S 1301/S 2101-426/6-StO 112/StO 211/S 1301-426-StO 112/S 2101-6-St 211, Praktiker-Handbuch Außensteuerrecht 2012, Band 2, 776. 5 Vgl. Wassermeyer, in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 196 ff.; Prokisch, in: V/L5Art. 15 OECD-MA Rz. 110.
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Artikel 9
Verbundene Unternehmen (1) Wenn a) ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist, oder b) dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaats und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt sind und in diesen Fällen die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden. (2) Werden in einem Vertragsstaat den Gewinnen eines Unternehmens dieses Staates Gewinne zugerechnet – und entsprechend besteuert –, mit denen ein Unternehmen des anderen Vertragsstaats in diesem Staat besteuert worden ist, und handelt es sich bei den zugerechneten Gewinnen um solche, die das Unternehmen des erstgenannten Staates erzielt hätte, wenn die zwischen den beiden Unternehmen vereinbarten Bedingungen die gleichen gewesen wären, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so nimmt der andere Staat eine entsprechende Änderung der dort von diesen Gewinnen erhobenen Steuer vor. Bei dieser Änderung sind die übrigen Bestimmungen dieses Abkommens zu berücksichtigen; erforderlichenfalls werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten einander konsultieren. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . .
.. . . . . . . . . .
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1) . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unternehmen eines Vertragsstaats . III. Verbundene Unternehmen . . . . . . . . 1. Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital . . . . 2. Unternehmen unter gemeinsamer Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kaufmännische oder finanzielle Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinbarte oder auferlegte Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abweichung von einem Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Formen des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . .
1
. . . . . . . . .
1 5 6 6 7 8 8 14 18
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26 26 31 35
.
35
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42
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43
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46
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.
49
a) Bedeutung des Fremdvergleichsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleichbarkeit der Verhältnisse . c) Funktions- und Risikoanalyse . . . . d) Bandbreitenbetrachtung . . . . . . . . e) Arten des Fremdvergleichs . . . . . . aa) Tatsächlicher Fremdvergleich. bb) Hypothetischer Fremdvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Methoden der Verrechnungspreisermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klassische Methoden . . . . . . . . . . . aa) Rangfolge der klassischen Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Preisvergleichsmethode. . . . . . cc) Wiederverkaufspreismethode . dd) Kostenaufschlagsmethode . . . b) Gewinnorientierte Methoden . . . . aa) Anerkennung gewinnorientierter Methoden . . . . . . . . . . . bb) Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gewinnaufteilungsmethode (PSM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gewinnvergleichsmethode . . . c) Konzernumlagen . . . . . . . . . . . . . . 3. Verrechnungspreisermittlung für ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . a) Produktlieferungen . . . . . . . . . . . . .
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49 50 52 54 55 55 58 61 61 61 63 66 69 75 75
77 81 82 84
87 87
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aa) Lieferungen von Produktionsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . bb) Lieferungen an Vertriebsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzierungsleistungen . . . . . . . . aa) Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verrechnung der Höhe nach . . c) Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verrechnung der Höhe nach . . d) Verrechnung von Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verrechnung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verrechnung der Höhe nach . . 4. Funktionsverlagerungen . . . . . . . . . . . 5. Vorteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gewinnkorrektur als Rechtsfolge . . . . C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . . I. Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Absatz 2 Satz 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung einer Gegenkorrektur II. Konsultationsverfahren (Absatz 2 Satz 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . .
87 92 97 97 99 102 102 105 109 109 111 114 119 122
. 124
. 124 . 124 . 125 . 129 . 132 . 132 . 133
D. Deutsches Muster-DBA. . . . . . . . . . . . 134 E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
135 135 135 137 139 140
1. 2. 3. III. 1. 2. 3. IV. V. 1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. IX. X. XI. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. XV. 1. 2. 3.
Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .
140 142 143 144 144 146 148 149 151 151 153 154 155 155 157 158 159 159 161 162 163 163 165 166 167 169 171 173 173 175 176 177 177 179 180 181 183 183 186 187
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 9 CONCERNING THE TAXATION OF ASSOCIATED ENTERPRISES 1. This Article deals with adjustments to profits that may be made for tax purposes where transactions have been entered into between associated enterprises (parent and subsidiary companies and companies under common control) on other than arm’s length terms. The Committee has spent considerable time and effort (and continues to do so) examining the conditions for the application of this Article, its consequences and the various methodologies which may be applied to adjust profits where
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transactions have been entered into on other than arm’s length terms. Its conclusions are set out in the report entitled Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations,1 which is periodically updated to reflect the progress of the work of the Committee in this area. That report represents internationally agreed principles and provides guidelines for the application of the arm’s length principle of which the Article is the authoritative statement. Paragraph 1 2. This paragraph provides that the taxation authorities of a Contracting State may, for the purpose of calculating tax liabilities of associated enterprises, re-write the accounts of the enterprises if, as a result of the special relations between the enterprises, the accounts do not show the true taxable profits arising in that State. It is evidently appropriate that adjustment should be sanctioned in such circumstances. The provisions of this paragraph apply only if special conditions have been made or imposed between the two enterprises. No re-writing of the accounts of associated enterprises is authorised if the transactions between such enterprises have taken place on normal open market commercial terms (on an arm’s length basis). 3. As discussed in the Committee on Fiscal Affairs’ Report on “Thin Capitalisation”,2 there is an interplay between tax treaties and domestic rules on thin capitalisation relevant to the scope of the Article. The Committee considers that: a) the Article does not prevent the application of national rules on thin capitalisation insofar as their effect is to assimilate the profits of the borrower to an amount corresponding to the profits which would have accrued in an arm’s length situation; b) the Article is relevant not only in determining whether the rate of interest provided for in a loan contract is an arm’s length rate, but also whether a prima facie loan can be regarded as a loan or should be regarded as some other kind of payment, in particular a contribution to equity capital; c) the application of rules designed to deal with thin capitalisation should normally not have the effect of increasing the taxable profits of the relevant domestic enterprise to more than the arm’s length profit, and that this principle should be followed in applying existing tax treaties. 4. The question arises as to whether special procedural rules which some countries have adopted for dealing with transactions between related parties are consistent with the Convention. For instance, it may be asked whether the reversal of the burden of proof or presumptions of any kind which are sometimes found in domestic laws are consistent with the arm’s length principle. A number of countries interpret the Article in such a way that it by no means bars the adjustment of profits under national law under conditions that differ from those of the Article and that it has the function of raising the arm’s length principle at treaty level. Also, almost all member countries consider that additional information requirements which would be more stringent than the normal requirements, or even a reversal of the burden of proof, would not constitute discrimination within the meaning of Article 24. However, in some cases the application of the national law of some countries may result in adjustments to profits at variance with the principles of the Article. Contracting States are enabled by the Article to deal with such situations by means of corresponding adjustments (see below) and under mutual agreement procedures.
1 The original version of that report was approved by the Council of the OECD on 27 June 1995. Published in a loose-leaf format as Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations, OECD, Paris, 1995. 2 Adopted by the Council of the OECD on 26 November 1986 and reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(4)-1.
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Paragraph 2 5. The re-writing of transactions between associated enterprises in the situation envisaged in paragraph 1 may give rise to economic double taxation (taxation of the same income in the hands of different persons), insofar as an enterprise of State A whose profits are revised upwards will be liable to tax on an amount of profit which has already been taxed in the hands of its associated enterprise in State B. Paragraph 2 provides that in these circumstances, State B shall make an appropriate adjustment so as to relieve the double taxation. 6. It should be noted, however, that an adjustment is not automatically to be made in State B simply because the profits in State A have been increased; the adjustment is due only if State B considers that the figure of adjusted profits correctly reflects what the profits would have been if the transactions had been at arm’s length. In other words, the paragraph may not be invoked and should not be applied where the profits of one associated enterprise are increased to a level which exceeds what they would have been if they had been correctly computed on an arm’s length basis. State B is therefore committed to make an adjustment of the profits of the affiliated company only if it considers that the adjustment made in State A is justified both in principle and as regards the amount. 7. The paragraph does not specify the method by which an adjustment is to be made. OECD member countries use different methods to provide relief in these circumstances and it is therefore left open for Contracting States to agree bilaterally on any specific rules which they wish to add to the Article. Some States, for example, would prefer the system under which, where the profits of enterprise X in State A are increased to what they would have been on an arm’s length basis, the adjustment would be made by re-opening the assessment on the associated enterprise Y in State B containing the doubly taxed profits in order to reduce the taxable profit by an appropriate amount. Some other States, on the other hand, would prefer to provide that, for the purposes of Article 23, the doubly taxed profits should be treated in the hands of enterprise Y of State B as if they may be taxed in State A; accordingly, the enterprise of State B is entitled to relief in State B, under Article 23, in respect of tax paid by its associate enterprise in State A. 8. It is not the purpose of the paragraph to deal with what might be called “secondary adjustments”. Suppose that an upward revision of taxable profits of enterprise X in State A has been made in accordance with the principle laid down in paragraph 1 and suppose also that an adjustment is made to the profits of enterprise Y in State B in accordance with the principle laid down in paragraph 2. The position has still not been restored exactly to what it would have been had the transactions taken place at arm’s length prices because, as a matter of fact, the money representing the profits which are the subject of the adjustment is found in the hands of enterprise Y instead of in those of enterprise X. It can be argued that if arm’s length pricing had operated and enterprise X had subsequently wished to transfer these profits to enterprise Y, it would have done so in the form of, for example, a dividend or a royalty (if enterprise Y were the parent of enterprise X) or in the form of, for example, a loan (if enterprise X were the parent of enterprise Y) and that in those circumstances there could have been other tax consequences (e.g. the operation of a withholding tax) depending upon the type of income concerned and the provisions of the Article dealing with such income. 9. These secondary adjustments, which would be required to establish the situation exactly as it would have been if transactions had been at arm’s length, depend on the facts of the individual case. It should be noted that nothing in paragraph 2 prevents such secondary adjustments from being made where they are permitted under the domestic laws of Contracting States. 10. The paragraph also leaves open the question whether there should be a period of time after the expiration of which State B would not be obliged to make an appropriate adjustment to the profits of enterprise Y following an upward revision of the profits of enterprise X in State A. Some States consider that State B’s commitment should
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be open-ended – in other words, that however many years State A goes back to revise assessments, enterprise Y should in equity be assured of an appropriate adjustment in State B. Other States consider that an open-ended commitment of this sort is unreasonable as a matter of practical administration. In the circumstances, therefore, this problem has not been dealt with in the text of the Article; but Contracting States are left free in bilateral conventions to include, if they wish, provisions dealing with the length of time during which State B is to be under obligation to make an appropriate adjustment (see on this point paragraphs 39, 40 and 41 of the Commentary on Article 25). 11. If there is a dispute between the parties concerned over the amount and character of the appropriate adjustment, the mutual agreement procedure provided for under Article 25 should be implemented; the Commentary on that Article contains a number of considerations applicable to adjustments of the profits of associated enterprises carried out on the basis of the present Article (following, in particular, adjustment of transfer prices) and to the corresponding adjustments which must then be made in pursuance of paragraph 2 thereof (see in particular paragraphs 10, 11, 12, 33, 34, 40 and 41 of the Commentary on Article 25). Observation on the Commentary 12. [Renumbered] 13. [Deleted] 14. [Deleted] 15. The United States observes that there may be reasonable ways to address cases of thin capitalisation other than changing the character of the financial instrument from debt to equity and the character of the payment from interest to a dividend. For instance, in appropriate cases, the character of the instrument (as debt) and the character of the payment (as interest) may be unchanged, but the taxing State may defer the deduction for interest paid that otherwise would be allowed in computing the borrower’s net income. Reservations on the Article 16. The Czech Republic and Hungary reserve the right not to insert paragraph 2 in their conventions but are prepared in the course of negotiations to accept this paragraph and at the same time to add a third paragraph limiting the potential corresponding adjustment to bona fide cases. 17. Germany reserves the right not to insert paragraph 2 in its conventions but is prepared in the course of negotiations to accept this paragraph based on Germany’s long-standing and unaltered understanding that the other Contracting State is only obliged to make an adjustment to the amount of tax to the extent that it agrees, unilaterally or in a mutual agreement procedure, with the adjustment of profits by the first-mentioned State. 17.1 Italy reserves the right to insert in its treaties a provision according to which it will make adjustments under paragraph 2 of Article 9 only in accordance with the procedure provided for by the mutual agreement article of the relevant treaty. 18. Australia reserves the right to propose a provision to the effect that, if the information available to the competent authority of a Contracting State is inadequate to determine the profits to be attributed to an enterprise, the competent authority may apply to that enterprise for that purpose the provisions of the taxation law of that State, subject to the qualification that such law will be applied, as far as the information available to the competent authority permits, in accordance with the principles of this Article. 19. Slovenia reserves the right to specify in paragraph 2 that a correlative adjustment will be made only if it considers that the primary adjustment is justified.
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POSITIONS ON ARTICLE 9 (ASSOCIATED ENTERPRISES) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. Brazil, Russia, Thailand and Vietnam reserve the right not to insert paragraph 2 in their conventions. 2. Bulgaria, Lithuania, Russia and South Africa reserve the right to replace “shall” by “may” in the first sentence of paragraph 2 in their conventions. 3. Malaysia and Serbia reserve the right to specify in paragraph 2 that a correlative adjustment will be made if the adjustment is considered to be justified. 4. Ivory Coast, Morocco and Tunisia reserve the right not to insert paragraph 2 in their conventions unless the commitment to make an adjustment does not apply in the case of fraud, wilful default or neglect. In such a case Tunisia reserves the right to limit the adjustment to periods not covered by its internal statute of limitation. 5. Israel reserves its right to insert a provision according to which any appropriate adjustment to the amount of the tax charged therein on those profits shall be implemented notwithstanding any time limits or other procedural limitations in the domestic law of the Contracting States, except such limitations as apply to claims made in pursuance of such an agreement.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 9 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck 1
Regelungen zur internationalen Gewinnabgrenzung. Art. 9 regelt die internationale Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen. Die internationale Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen sowie die damit in einem unmittelbaren Zusammenhang stehende Thematik der internationalen Verrechnungspreise stehen immer mehr im Fokus der internationalen Finanzbehörden. Die internationale Einkünfteabgrenzung hat sich daher in den vergangenen Jahren – auch vor dem Hintergrund, dass mehr als 70 % des internationalen Welthandels zwischen verbundenen Unternehmen abgewickelt werden1 – zu einem der zentralen Themen der internationalen Unternehmensbesteuerung entwickelt.2 Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung ist die Befürchtung der Fisci, dass Unternehmensgewinne (zum Begriff vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.) in ausländische Staaten verlagert werden und daher die steuerliche Bemessungsgrundlage des im Inland ansässigen verbundenen Unternehmens unangemessen reduziert wird. Vor diesem Hintergrund hat sich – nicht zuletzt auf Grund des Wirkens der OECD3 und der Vorgaben des OECD-MA – mit dem Fremdvergleichsgrundsatz (sog. „arm’s length principle“) ein von den internationalen Finanzbehörden anerkannter Maßstab zur Ermittlung und Dokumentation von Verrechnungspreisen herausgebildet. Nach dem in Art. 9 Abs. 1 definierten Fremdvergleichsgrundsatz4 sind Verrechnungspreise zwischen international verbundenen 1 Vgl. Schaumburg, DK 2006, 495 (495); Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 780 (780). 2 Vgl. Ditz/Schneider, DB 2011, 779 ff.; Oosterhoff, ITPJ, May/June 2011, 159 ff. 3 Vgl. etwa OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises und Tax Administrations, Paris 2010; die offizielle deutsche Übersetzung der Verrechnungspreisleitlinien ist abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise. 4 Vgl. zuletzt BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–4 Art. 9
Unternehmen so zu bemessen, wie sie zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen für eine entsprechende Lieferung oder Leistung vereinbart worden wären. Art. 9 Abs. 1 als Gewinnkorrekturvorschrift. Art. 9 Abs. 1 erlaubt es den Vertrags- 2 staaten, Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen und in den Vertragsstaaten ansässigen Unternehmen vorzunehmen, soweit zwischen diesen Verrechnungspreise vereinbart werden, welche einem Fremdvergleich nicht genügen. Bei Art. 9 Abs. 1 handelt es sich folglich um eine Gewinnkorrekturvorschrift,1 welche auf dem Grundsatz des Fremdvergleichs basiert.2 Der Begriff „Gewinn“ umfasst dabei auch Verluste, welche auf Grund nicht fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise zu hoch ausgewiesen wurden (vgl. Rz. 122). Die Vorschrift verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: Einerseits sollen die Vertragsstaaten durch eine am Fremdvergleichsgrundsatz ausgerichtete Ermittlung von Verrechnungspreisen vor einer Verlagerung von Besteuerungssubstrat in den anderen Vertragsstaat geschützt werden.3 Denn insofern besteht die Befürchtung, dass durch eine gezielte Gestaltung der Verrechnungspreismethodik Gewinne in den Vertragsstaat verlagert werden, welcher über einen geringeren Ertragsteuertarif verfügt. Andererseits sollen durch die Regelungen des Art. 9 Abs. 1 die Finanzbehörden der Vertragsstaaten gehindert werden, unbegründete bzw. willkürliche Gewinnkorrekturen durchzuführen.4 Insoweit schützt die Vorschrift nicht nur die Finanzbehörden, sondern auch die Steuerpflichtigen. Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Mit der Qualifikation des 3 Art. 9 Abs. 1 als Gewinnkorrekturvorschrift unterscheidet sich die Vorschrift maßgeblich von den übrigen Vorschriften des III. Abschnitts des OECD-MA. Denn Art. 6 bis Art. 22 betreffen die Zuweisung von Besteuerungsrechten und damit die Vermeidung einer rechtlichen Doppelbesteuerung. Art. 9 bezieht sich hingegen auf die Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, welche bei Gewinnkorrekturen durch einen Vertragsstaat eintreten, ohne dass der andere Vertragsstaat eine korrespondierende Gegenberichtigung vornimmt. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht dieselben Gewinne von beiden Vertragsstaaten bei dem jeweiligen verbundenen Unternehmen besteuert werden. Dabei setzt Art. 9 Abs. 1 freilich voraus, dass der die Gewinnkorrektur durchführende Staat nach den allgemeinen Regelungen der Art. 6, 7, 8 oder 13 ein Besteuerungsrecht hat.5 Art. 9 Abs. 2 als Gegenberichtigungsnorm. Während Art. 9 Abs. 1 den Fremdver- 4 gleichsgrundsatz als Maßstab der Gewinnkorrektur definiert, verpflichtet Art. 9 Abs. 2 den jeweils anderen Vertragsstaat zu einer korrespondierenden Gegenberichtigung, wenn der eine Vertragsstaat zutreffend eine Gewinnkorrektur vorgenommen hat und diese mit dem Ansatz von zu hohen und nicht mit Art. 9 Abs. 1 korrespondierenden Einkünften in dem anderen Vertragsstaat übereinstimmt. Mithin beinhaltet damit Abs. 2 eine Regelung zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen (zum Begriff vgl. Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.) bei zwei in den verschiedenen Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen. Denn nach Art. 9 Abs. 2 hat eine Gewinnerhöhung in einem Vertragsstaat eine entsprechende Gewinnminderung im anderen Vertragsstaat zur Folge. Art. 9 nimmt folglich gegenüber den übrigen Verteilungsnormen des OECD-MA eine Sonderstellung ein.6 Die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung durch eine korrespondierende 1 Wenn in diesem Zusammenhang Wassermeyer (in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 3) Art. 9 OECD-MA als eine „Gewinnermittlungsvorschrift“ bezeichnet, ist dies nicht sachgerecht. Denn das Abkommensrecht greift grundsätzlich nicht in die – den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts (vgl. nur §§ 5 ff. EStG) vorbehaltene – Gewinnermittlung ein. Zu Einzelheiten vgl. Ditz, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Diss., Berlin 2004, 37 ff. 2 Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658, und dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 592 ff. 3 So auch das Verständnis der deutschen Finanzverwaltung im BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 6.1.1. 4 Unklar BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.2.1. 5 Gl.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 1; zu Einzelheiten der Abgrenzung vgl. Rz. 8 ff. 6 Vgl. Lang, M., IStR 2002, 609 (610 f.).
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Art. 9 Rz. 4–6
Verbundene Unternehmen
Gegenberichtigung ist allerdings nicht zwingend; vielmehr muss sie nur dann durchgeführt werden, wenn auch der andere Vertragsstaat davon überzeugt ist, dass die Gewinnkorrektur mit dem Grundsatz des Fremdvergleichs im Einklang steht (vgl. Art. 9 Rz. 5 OECD-MK). Sind diese Voraussetzungen erfüllt (was indessen in der Praxis nur selten der Fall ist), wird der andere Vertragsstaat eine entsprechende Änderung vornehmen. Andernfalls kann eine Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungsverfahren gem. Art. 25 vermieden werden.
II. Aufbau der Vorschrift 5
Zweistufiger Aufbau. Art. 9 ist zweistufig aufgebaut. Nach Abs. 1 ist bei verbundenen Unternehmen zu prüfen, ob „die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden“. Art. 9 Abs. 1 verfolgt damit das Ziel, bei einem Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz Gewinnkorrekturen durch die Finanzbehörden des betroffenen Vertragsstaates zu ermöglichen (vgl. Rz. 2). Dabei definiert Art. 9 Abs. 1 auch die Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen, damit „verbundene Unternehmen“ vorliegen. Ferner bestimmt die Vorschrift den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab, dessen Verletzung eine Gewinnkorrektur nach sich ziehen kann (vgl. Rz. 18). Dem Fremdvergleichsgrundsatz kommt dabei in zweifacher Sicht eine Bedeutung zu. Einerseits ist seine Nichterfüllung Voraussetzung für eine Gewinnkorrektur. Andererseits wird mit ihm der Höhe nach eine Basis definiert, nach der ein Vertragsstaat maximal das Recht für eine Gewinnkorrektur erhält. In einem zweiten Schritt soll bei Durchführung einer entsprechenden Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat gem. Art. 9 Abs. 2 eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermieden werden. Eine solche liegt vor, wenn verschiedene Steuersubjekte mit einer vergleichbaren Steuer auf gleiche Einkünfte belastet werden.1 Dies ist immer dann erfüllt, wenn die Finanzbehörden eines Vertragsstaates den Verrechnungspreis für eine Lieferung oder Leistung auf Basis einer Gewinnkorrektur erhöhen, während im anderen Vertragsstaat eine entsprechende Anpassung unterbleibt. Infolgedessen würde der Teil der Gewinne, welcher Gegenstand der Korrektur ist, einer doppelten Besteuerung in den Vertragsstaaten unterliegen. Art. 9 Abs. 2 sieht daher unter den dort genannten Voraussetzungen eine Verpflichtung zur korrespondierenden Gewinnkorrektur vor (zur Abgrenzung zu Art. 25 vgl. Rz. 13).
III. Rechtsentwicklung 1. Absatz 1 6
Unveränderter Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 seit 1963. Die abkommensrechtliche Auseinandersetzung mit den Themen „internationale Gewinnabgrenzung“ und „internationale Verrechnungspreise“ hat eine lange Tradition.2 So enthalten bereits erste Entwürfe des Völkerbundes von 1927 Regelungen zu der Frage der internationalen Einkünfteabgrenzung, wobei nach damaligen Grundsätzen die Tochtergesellschaft noch als Betriebsstätte ihrer Muttergesellschaft behandelt wurde. Die Problematik fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise wurde in dieser Zeit damit nach Betriebsstättengrundsätzen gelöst.3 Regelungen zur Einkommenabgrenzung enthielten damit bereits Abkommen, die Ende der Zwanziger- und Anfang der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts abgeschlossen wurden. In 1932/33 erstellte Carroll dann im Auftrag des Völkerbundes eine Studie über die Einkünfteabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen.4 Auf Basis der Studie entwickelte der Völker1 Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 3 f. 2 Zu Einzelheiten der historischen Entwicklung vgl. Andresen, Konzernverrechnungspreise für multinationale Unternehmen, Diss., Wiesbaden 1999, 59 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 5; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 4. 3 Vgl. auch RFH v. 30.1.1930 – I A 226/29, RStBl. 1930, 148 (sog. Filialtheorie). 4 Vgl. Carroll, Methods of Allocating Taxable Income, in League of Nations, Taxation of Foreign and National Enterprises, Vol. IV, Genf 1933.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 6–9 Art. 9
bund Art. 5 des MA von 1933, wonach klargestellt wurde, dass Tochtergesellschaften als selbständige Steuersubjekte zu behandeln sind. Der Fremdvergleichsgrundsatz wurde allerdings noch nicht im damaligen Art. 5 kodifiziert, sondern nur in Art. 3 zur Betriebsstättengewinnabgrenzung geregelt. Erstmalig enthielt dann das MA 1935 in Art. VI eine Abgrenzungsregelung, die Art. 9 Abs. 1 in seiner heutigen Fassung sehr ähnelt. Danach sollte der Liefer- und Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen steuerlich nach den Grundsätzen durchgeführt werden, wie sie zwischen unverbundenen Unternehmen Anwendung finden. Eine entsprechende Vorschrift wurde auch in Art. VII in den MA des Völkerbundes von Mexiko (1943) und von London (1946) verwendet. Art. 9 Abs. 1 in seiner derzeitigen Fassung war dann erstmals im OECD-Abkommensentwurf 1963 enthalten. Die deutsche und französische Fassung wurden seitdem geringfügig angepasst, während an der englischen Fassung keine Änderungen vorgenommen wurden. 2. Absatz 2 Einfügung in das OECD-MA 1977. Art. 9 Abs. 2 wurde erstmals 1977 in das OECD- 7 MA aufgenommen. Seitdem wurde der Wortlaut der Vorschrift unverändert fortgeführt.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht Verhältnis zu Art. 7. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 können Gewinne eines Unternehmens 8 nur in dessen Ansässigkeitsstaat besteuert werden (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 64). Dieser Grundsatz gilt auch für verbundene Unternehmen, d.h. die durch ein verbundenes Unternehmen als rechtlich selbständiges Steuersubjekt erwirtschafteten Einkünfte können nur in ihrem Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nur für den Fall, dass das (verbundene) Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt (sog. Betriebsstättenprinzip des Art. 7 Abs. 1 Satz 2). Während sich folglich Art. 7 auf die Gewinnabgrenzung im Einheitsunternehmen, d.h. zwischen Stammhaus und der rechtlich unselbständigen Betriebsstätte, bezieht, setzt Art. 9 mindestens zwei rechtlich selbständige Unternehmen (im Sinne verschiedener Steuersubjekte) voraus, die miteinander verbunden sind. Art. 7 bezieht sich demgegenüber auf nur ein Steuersubjekt, das über mehrere rechtlich unselbständige Einheiten (in Form von Betriebsstätten) verfügt. Art. 7 betrifft damit die Vermeidung der rechtlichen Doppelbesteuerung, während Art. 9 die wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden soll (vgl. Rz. 2). Wenngleich sich Art. 7 und Art. 9 hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs gegenseitig ausschließen, haben sie dennoch eine zentrale Gemeinsamkeit: Beide Vorschriften sehen als Maßstab der internationalen Gewinnabgrenzung den Fremdvergleichsgrundsatz vor. Dabei geht die OECD auf Basis des „functionally separate entity approach“, welcher im OECD-MA 2010 in Art. 7 umgesetzt wurde, davon aus, dass der Fremdvergleichsgrundsatz – bis auf wenige Ausnahmen – in Art. 7 und Art. 9 gleich auszulegen ist (vgl. Art. 7 (2010) Rz. 20 ff.).1 Verhältnis zu Art. 10. Die Definition der Dividenden in Art. 10 Abs. 3 erfasst auch 9 verdeckte Beteiligungserträge in Form von vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.2 Da in den Anwendungsbereich des Art. 9 fallende Gewinnkorrekturen in der Praxis häufig auf Basis verdeckter Gewinnausschüttungen erfolgen,3 stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Art. 9 Abs. 1 zu Art. 10 steht.4 In diesem Zusammenhang geht 1 Vgl. dazu Ditz, ISR 2012, 48 ff.; Kahle/Mödinger, IStR 2010, 757 (762); Ditz, IStR 2005, 37 (39 f.); Kroppen in FS Herzig, 1082 ff. 2 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 191; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 95 und 95a; Aigner, IStR 2003, 154 (156). 3 Vgl. Wassermeyer, IStR 2001, 632 (633). 4 Wohl a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 7, wonach im Hinblick auf Dividenden Art. 9 Abs. 1 keine Anwendung finden soll.
Ditz
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Art. 9 Rz. 9–10
Verbundene Unternehmen
Wassermeyer zutreffend davon aus, dass Art. 9 den Anwendungsbereich des Art. 10 nicht einschränkt.1 Denn in Art. 10 geht es nicht um die Frage der Voraussetzungen für die Durchführung einer Gewinnkorrektur, sondern um die Frage, ob ein im Einzelfall konkret vorliegender verdeckter Beteiligungsertrag in den Anwendungsbereich des Art. 10 fällt und damit dem Grunde nach steuerlich als Dividende zu qualifizieren ist. Hierbei stellt sich – nach ständiger Rspr. des BFH zur vGA2 – die Frage, ob eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt. Bei Art. 9 Abs. 1 handelt es sich demgegenüber um eine Vorschrift, die es den Vertragsstaaten ermöglicht, Gewinnkorrekturen in Bezug auf kaufmännische und finanzielle Beziehungen zwischen verbundenen Unternehmen (hier: Tochter- zur Muttergesellschaft) vorzunehmen. Die Vorschrift findet bei Gewinnkorrekturen auf Basis von verdeckten Gewinnausschüttungen immer nur bei der nachgeordneten Gesellschaft (z.B. Tochtergesellschaft) Anwendung, nicht hingegen bei der Muttergesellschaft.3 Beispiel: Muttergesellschaft der in Staat A ansässigen A GmbH ist die im Staat B ansässige B Inc. Die A GmbH zahlt an ihre Muttergesellschaft unangemessen hohe Dienstleistungsgebühren, welche (in Höhe des unangemessenen Anteils) unzweifelhaft eine vGA darstellen. In diesem Fall ist Staat A als Ansässigkeitsstaat der A GmbH gem. Art. 9 Abs. 1 berechtigt, eine Gewinnkorrektur auf Basis einer vGA vorzunehmen. Insoweit ist Art. 9 Abs. 1 einschlägig. Ferner greift Art. 10, weil die vGA als „Dividende“ i.S.d. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren ist. Rechtsfolge ist, dass Staat A gem. Art. 10 Abs. 2 ein Quellenbesteuerungsrecht auf die vGA zusteht.
10
Verhältnis zu Art. 11 und 12. Die h.M. geht zutreffend davon aus, dass es sich bei Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 um Spezialvorschriften handelt, die Art. 9 Abs. 1 vorgehen.4 Einerseits ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der „besonderen Beziehung“ in Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 weiter ist, als derjenige der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit in Art. 9 Abs. 1. Andererseits beziehen sich Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 nur auf eine Korrektur unangemessen hoher Zinsen oder Lizenzgebühren, während sich Art. 9 allgemein auf unangemessene Entgelte, d.h. auch auf unangemessen niedrige Zinsen und Lizenzgebühren, bezieht. Damit greift in diesen Fällen Art. 9 Abs. 1, da Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 als lex specialis insofern keine Regelungen enthalten.5 Hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen unterscheiden sich Art. 9 Abs. 1 einerseits und Art. 11 Abs. 6 sowie Art. 12 Abs. 4 andererseits nicht, denn es sind weder in Art. 11 Abs. 6 noch in Art. 12 Abs. 4 Anhaltspunkte erkennbar, dass insoweit ein anderer Fremdvergleichsgrundsatz zur Prüfung der Unangemessenheit der Zinsen bzw. Lizenzgebühren Anwendung finden soll, als der in Art. 9 Abs. 1 definierte (vgl. Rz. 49 ff.). Beide Vorschriften stellen vielmehr klar, dass sie nicht auf den unangemessen hohen Zins- bzw. Lizenzbetrag anzuwenden sind. Vielmehr kann der übersteigende Betrag nach dem Recht jedes Vertragsstaates unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen des OECD-MA besteuert werden.6 Daraus kann sich z.B. für den Quellenstaat eine höhere oder geringere Quellenbesteuerung und für den Ansässigkeitsstaat eine Freistellungs- oder (höhere) Anrechnungsverpflichtung ergeben.7 Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 sehen im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 allerdings keine ausdrückliche Vorschrift zur Gegenberichtigung vor. Daher ist auch im Anwendungsbereich von Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 eine Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 möglich.8
1 2 3 4 5
6 7 8
Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 95. Vgl. etwa BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. I 2004, 171. So zutreffend auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 95. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 2; Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECDMA Rz. 7; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; Chebounov, IStR 2002, 586 (589). Gl.A. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; a.A. Chebounov, IStR 2002, 586 (589), wonach abkommensrechtlich bei zu niedrigen Zinsen bzw. Lizenzgebühren keine Gewinnkorrektur ausgelöst werden soll. Vgl. dazu auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 142. Vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 160. Wohl a.A. Chebounov, IStR 2002, 586 (589).
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Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 11–14 Art. 9
Verhältnis zu Art. 23A und 23B. Art. 23A und 23B beziehen sich auf die Vermei- 11 dung einer juristischen Doppelbesteuerung und sind daher im Anwendungsbereich des Art. 9 nicht einschlägig. Vielmehr enthält Art. 9 Abs. 2 eine eigenständige Regelung zur Gegenberichtigung, um die wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (vgl. Rz. 4). Außerhalb des Art. 9 Abs. 2 kann die wirtschaftliche Doppelbesteuerung auch auf Basis eines Verständigungsverfahrens gem. Art. 25 vermieden werden. Verhältnis zu Art. 24. Art. 9 Abs. 1 steht einer Anwendung des Gleichbehandlungs- 12 gebots bei verbundenen Unternehmen nicht entgegen. In diesem Zusammenhang stellt Art. 24 Abs. 4 Satz 1 lediglich klar, dass auf dem Fremdvergleichsgrundsatz basierte Gewinnkorrekturen i.S.d. Art. 9 Abs. 1, des Art. 11 Abs. 6 und des Art. 12 Abs. 4 vorrangig zu prüfen sind. Liegen entsprechende Korrekturen vor, kann insoweit kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 Satz 1 bestehen (zu Einzelheiten vgl. Art. 24 Rz. 127 ff.).1 Verhältnis zu Art. 25. Die Gegenberichtigung gem. Art. 9 Abs. 2 setzt grundsätzlich 13 voraus, dass der entsprechende Vertragsstaat die Einkünftekorrektur des anderen Vertragsstaates auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes anerkennt. In der Praxis besteht allerdings häufig zwischen den Vertragsstaaten Uneinigkeit darüber, ob die eigentliche Gewinnkorrektur auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes gerechtfertigt ist oder nicht.2 Vor diesem Hintergrund wird in der Regel die Durchführung eines Konsultationsverfahrens gem. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 notwendig sein, im Rahmen dessen die Zulässigkeit der Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach nachgewiesen wird, damit der andere Vertragsstaat eine korrespondierende Gewinnberichtigung vornimmt.3 Das in Art. 9 Abs. 2 Satz 2 dargestellte Konsultationsverfahren entspricht faktisch einem Verständigungsverfahren,4 das einen Antrag des Steuerpflichtigen voraussetzt. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass die derzeit bestehenden DBA Deutschlands in der Regel keine Art. 9 Abs. 2 nachgebildete Vorschrift enthalten.5 Infolgedessen hat Art. 9 Abs. 2 – zumindest aus deutscher Sicht – in der Praxis bislang nur eine untergeordnete Bedeutung. Vielmehr wird bei Gewinnkorrekturen durch die deutsche Finanzverwaltung in der Regel ein Verständigungsverfahren gem. Art. 25 oder der EU-Schiedskonvention (vgl. dazu Rz. 14) beantragt, um die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dies hat auch den Vorteil, dass im Falle bestandskräftiger Steuerbescheide eine Berichtigung gem. § 175a AO möglich ist; denn diese Vorschrift setzt eine Verständigungsvereinbarung oder den Schiedsspruch eines Schiedsgerichtes voraus.6 2. EU-Recht Verhältnis zur EU-Schiedskonvention. Die EU-Schiedskonvention7 enthält Rege- 14 lungen, welche die Mitgliedstaaten der EU gegenseitig verpflichten, im Falle von Gewinnkorrekturen durch ein Verständigungs- bzw. ein Schiedsverfahren eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Der in Art. 4 Nr. 1 EU-Schiedskonvention niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz entspricht dabei Art. 9 Abs. 1. Im Gegensatz zu Art. 9 greift die EU-Schiedskonvention nicht nur bei Gewinnkorrekturen im Hinblick auf Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, sondern ist auch bei der Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte anwendbar (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 30). Der wesentliche Vorteil der EU-Schiedskonvention besteht darin, dass diese eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthält, im Wege eines Vgl. Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 88; Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 138. Vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 757. Vgl. Schmitz in S/K/K, Art. 25 Rz. 6; Art. 9 Rz. 6 OECD-MK. Vgl. auch Rz. 4.33 OECD-Leitlinien; Art. 25 Rz. 10 f. OECD-MK. Dies liegt darin begründet, dass die Bundesrepublik Deutschland ursprünglich einen Vorbehalt gegen Art. 9 Abs. 2 OECD-MA geltend gemacht hatte. Dieser Vorbehalt wurde mittlerweile zurückgenommen, vgl. Art. 9 Rz. 17 OECD-MK. 6 Vgl. auch BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 – S 1300 – 340/06, BStBl. I 2006, 461, Rz. 4.1. 7 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gegenberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10. 1 2 3 4 5
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Art. 9 Rz. 14–16
Verbundene Unternehmen
Verständigungs- bzw. Schiedsverfahrens die Doppelbesteuerung zwingend zu vermeiden. Der Schutz der EU-Schiedskonvention geht damit über Art. 9 Abs. 2 und Art. 25 hinaus.1 Denn beide Vorschriften sehen keinen Einigungszwang der Vertragsstaaten im Hinblick auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung vor.2 In EU-Fällen empfiehlt es sich daher, unmittelbar ein Verständigungs- bzw. Schiedsverfahren auf Basis der EU-Schiedskonvention zu beantragen, da insoweit klare Vorgaben zur Durchführung des Verfahrens bestehen3 und im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 und Art. 25 die beteiligten Vertragsstaaten verpflichtet sind, sich auf eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu einigen. 15
Internationale Gewinnabgrenzung und EU-Diskriminierungsverbote. Europarechtlich geht die Frage dahin, ob die Art. 9 ausfüllenden Einkünftekorrekturnormen des innerstaatlichen Rechts (Rz. 18) gegen die Diskriminierungsverbote des AEUV verstoßen, soweit sie sich – wie z.B. § 1 AStG – nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des EuGH vom 21.1.2010 in der Rs. SGI.4 Grundlage dieser Entscheidung ist eine belgische Vorschrift, nach der Verrechnungspreiskorrekturen durchzuführen sind, wenn außergewöhnliche oder unentgeltliche Vorteile an ein im Ausland ansässiges Unternehmen gewährt werden, mit dem das vorteilsgewährende, in Belgien ansässige Unternehmen gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Konkret hatte die in Belgien ansässige SGI ein unverzinsliches Darlehen an eine französische Tochtergesellschaft gewährt, an der sie zu 65 % beteiligt war. Nach einer Regelung des belgischen Steuerrechts führte dies zu einer Korrektur der Einkünfte der SGI in Höhe fremdüblicher Zinsen. Eine entsprechende Einkünftekorrektur war auch durch Art. 9 DBA Frankreich/Belgien gedeckt. Hätte hingegen die in Belgien ansässige SGI dieses unverzinsliche Darlehen an eine belgische Tochtergesellschaft gewährt, wäre keine Einkünftekorrektur vorgenommen worden. Fraglich war daher, ob die entsprechende belgische Vorschrift gegen primäres Unionsrecht verstößt.5
16
EuGH-Entscheidung in der Rs. SGI. Zwar sieht der EuGH in der Anwendung der belgischen Vorschrift eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit; diese sei allerdings gerechtfertigt. Dabei werden zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung einerseits die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und andererseits die Verhütung von Steuerumgehungen angeführt. Ein Absehen von der Besteuerung solcher außergewöhnlichen und unentgeltlichen Vorteile bringe die Gefahr der Verlagerung von in Belgien erwirtschafteten Gewinnen in Niedrigsteuerländer mit sich. Im Ergebnis gelangt der EuGH daher – korrespondierend zur Zielsetzung des Art. 9 Abs. 1 (vgl. Rz. 1 f.) – auf Basis der Zusammenschau der beiden vorgenannten Rechtfertigungsgründe zu der Auffassung, dass die entsprechende belgische Regelung den Gründen des Allgemeininteresses entspricht und zur Zielerreichung geeignet ist.6 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der EuGH allerdings auf folgende Bedingungen hingewiesen, die erfüllt sein müssen, damit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist:7 – Zunächst muss die nationale Regelung eine Prüfung objektiver und nachprüfbarer Umstände vorsehen, damit festgestellt werden kann, ob ein geschäftlicher Vorgang eine rein künstliche Konstruktion zu steuerlichen Zwecken darstellt. Dabei 1 Zum Verhältnis der EU-Schiedskonvention zum Abkommensrecht vgl. auch Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 ff. 2 Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das entsprechende DBA eine Art. 25 Abs. 5 nachgebildete verpflichtende Schiedsverfahrens-Regelung enthält. 3 Vgl. überarbeiteter Verhaltenskodex zur wirksamen Durchführung des Übereinkommens über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 30.12.2009, 2009/C 322, 1. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 – S 1300 – 340/06, BStBl. I 2006, 461, Rz. 10 ff. 4 EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, IStR 2010, 144. 5 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, IStR 2010, 144. 6 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, IStR 2010, 144, Rz. 69. 7 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, IStR 2010, 144, Rz. 71 ff.; Englisch, IStR 2010, 139 (141); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (472).
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Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 16–17 Art. 9
wird der Fremdvergleichsgrundsatz durch den EuGH als „objektives, für Dritte nachprüfbares Kriterium“1 bezeichnet, an Hand dessen festgestellt werden kann, ob eine rein künstliche Konstruktion zu steuerlichen Zwecken vorliegt oder nicht. Insoweit besteht eine unmittelbare Parallele zu Art. 9 Abs. 1. – Ferner muss dem Steuerpflichtigen Gelegenheit gegeben werden, wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des beanstandeten Geschäfts nachzuweisen. Auch ein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz führt damit nicht zwangsläufig zu einer Verrechnungspreiskorrektur, wenn die Preisfindung gleichwohl von außersteuerlichen Erwägungen getragen wird.2 – Schließlich darf eine Gewinnkorrektur auf Grund unangemessener Verrechnungspreise nur insoweit durchgeführt werden, als das vereinbarte Entgelt zu Lasten des nationalen Fiskus nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Im Ergebnis sieht der EuGH in der SGI-Entscheidung eine Gewinnkorrektur auf Grund unangemessener Verrechnungspreise für grundsätzlich zulässig an. Um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen, unterliegt die Einkünftekorrektur jedoch Einschränkungen. Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG. § 1 AStG sieht eine Einkünftekorrektur nur 17 bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland, nicht jedoch bei reinen Inlandssachverhalten, vor. Vor diesem Hintergrund wird § 1 AStG im Schrifttum ganz überwiegend für europarechtswidrig gehalten.3 Die Rspr. ist dieser Auffassung des Schrifttums weitgehend gefolgt. So hat der BFH § 1 AStG bereits in seinem Urt. v. 29.11.2000 als „aus europarechtlicher Sicht bedenklich“4 bezeichnet und kurz darauf in einem Aussetzungsverfahren „ernstliche Zweifel“ an der Vereinbarkeit des § 1 AStG mit der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit bejaht.5 Ferner haben das FG Düsseldorf6 und das FG Münster7 die Europarechtswidrigkeit des § 1 AStG bestätigt. Vertreter der Finanzverwaltung ziehen indessen aus der Entscheidung des EuGH v. 21.1.2010 in der Rs. SGI (vgl. Rz. 15 f.) die Schlussfolgerung, dass es sich bei § 1 AStG um eine „zur Wahrung einer international ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsrechte und zur Verhütung von Steuerumgehungen dienende verhältnismäßige Regelung“ handelt, „die den EG-rechtlichen Anforderungen vollumfänglich standhält.“8 Diese Aussage ist in ihrer Allgemeinheit unzutreffend.9 Zwar hat der EuGH klargestellt, dass Einkünftekorrekturvorschriften, die sich auf unangemessene Verrechnungspreise beziehen, als solche nicht europarechtswidrig sind. Dies gilt auch für den in § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG niedergelegten Fremdvergleichsgrundsatz.10 Allerdings geht die Vorschrift des § 1 AStG teilweise über das hinaus, was der EuGH zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung (Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und Verhütung von Steuerumgehungen) als verhältnismäßig ansieht.11 Die entsprechenden Regelungen sind ferner nicht durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt (vgl. Rz. 23). Im Einzelnen: – Nach Auffassung des EuGH müssen objektive und nachprüfbare Umstände den Verdacht einer nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Vereinbarung zwischen den verbundenen Unternehmen begründen.12 Im Umkehrschluss 1 EuGH v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Thin Cap GLO, IStR 2007, 249. 2 Vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (141); Schön, IStR 2009, 882 (888). 3 Vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 313a; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1952) m.w.N.; a.A. jedoch – ohne nähere Begr. – die amtl. Begr. zur FVerlV, BR-Drucks. 352/08; Becker in Haase2, Art. 9 OECD-MA Rz. 7. 4 BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, IStR 2001, 318. 5 Vgl. BFH v. 21.6.2001 – I B 141/00, IStR 2001, 509. 6 Vgl. FG Düsseldorf v. 19.2.2008 – 17 K 894/05 E, IStR 2008, 449. 7 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 928. 8 Becker/Sydow, IStR 2010, 195 (196). 9 Vgl. auch FG Schleswig-Holstein v. 29.11.2012 – 1 K 118/07, juris (Az. Revision BFH I R 88/12). 10 Gl.A. Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 (1505); Englisch, IStR 2010, 139 (141). 11 Vgl. auch Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 313a. 12 Vgl. EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, IStR 2010, 144; v. 13.3.2007, Rs. C-524/04, Thin Cap GLO, IStR 2007, 249.
Ditz
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Art. 9 Rz. 17–18
Verbundene Unternehmen
sind folglich Vorschriften, die nicht durch den Fremdvergleichsgrundsatz gedeckt sind, nicht verhältnismäßig. Daher sind insbesondere die Transparenzhypothese des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, die Preisanpassungsklausel des § 1 Abs. 1 Satz 11 AStG sowie die Einigungsbereichsbetrachtung im Hinblick auf die Bewertung von Transferpaketen bei Funktionsverlagerungen (vgl. dazu Rz. 114 ff.) nicht verhältnismäßig.1 – Soweit der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass sonstige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss des beanstandeten Geschäfts bestehen, ist eine Einkünftekorrektur ebenfalls unverhältnismäßig. Kann daher z.B. nachgewiesen werden, dass eigene betriebliche Gründe der Muttergesellschaft für ein zinsloses Darlehen an die Tochtergesellschaft vorliegen, scheidet eine Einkünftekorrektur aus.2 Das ist bspw. der Fall, wenn die Tochtergesellschaft im betrieblichen Interesse der Muttergesellschaft Produkte im Ausland vertreibt und damit gute wirtschaftliche Gründe für eine Zinslosigkeit sprechen. Ferner wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass die Abrechnung von Grenzkosten betriebswirtschaftlich darstellbar sei und sich daher eine Korrektur gem. § 1 AStG aus europarechtlichen Gründen entziehe.3 Diese Auffassung verkennt indessen, dass eine auf Grenzkosten basierte Verrechnungspreisermittlung nicht zur adäquaten Umsetzung der Erfolgsermittlungsfunktion von Verrechnungspreisen geeignet ist. Mithin würden damit dem leistenden verbundenen Unternehmen keine Gewinne zugeordnet werden, was einer Gewinnzuordnung unter Berücksichtigung der wahrgenommenen Funktionen und Risiken (vgl. Rz. 52 f.) zuwider laufen würde. – Im Übrigen darf eine Verrechnungspreiskorrektur nur insoweit durchgeführt werden, als sie durch den Fremdvergleichsgrundsatz gedeckt wird. Damit ist äußerst fraglich, ob etwa Regelungen wie in § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG (generelle Korrektur auf den Median) oder in § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG (Ansatz des Mittelwerts innerhalb des Einigungsbereiches) verhältnismäßig sind.4 Denn bereits nach Auffassung des BFH genügen sämtliche innerhalb einer Bandbreite fremdüblicher Preise liegende Werte einem Fremdvergleich,5 so dass eine „pauschale“ Korrektur auf den Median bzw. Mittelwert unverhältnismäßig ist.6 Dies gilt im Übrigen auch in Bezug auf die Funktionsverlagerungsbesteuerung, die mit dem Ansatz des Mittelwertes im Einigungsbereich dazu führt, dass wesentliche im Ausland realisierte Steuervorteile und Synergieeffekte einer deutschen Besteuerung unterworfen werden (vgl. dazu auch Rz. 114).7 3. Innerstaatliches Recht 18
Keine Self Executing Wirkung. Sowohl nach der Rspr. des BFH8 als auch nach h.M. der Literatur9 bildet Art. 9 lediglich eine Erlaubnisnorm für die Vertragsstaaten, Gewinnkorrekturen durchzuführen. Art. 9 bildet damit keine eigenständige Korrekturvorschrift, sondern es bedarf einer entsprechenden Regelung im innerstaatlichen Recht, nach welcher die entsprechende Gewinnkorrektur vorgenommen wird. Eine Gewinnkorrektur setzt damit eine entsprechende Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht voraus. Anderenfalls würden abkommensrechtlich Steueransprüche be-
1 Vgl. auch Englisch, IStR 2010, 139 (141) m.w.N.; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 220 f. 2 Vgl. auch Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 222. 3 Vgl. Schön, IStR 2011, 777 (780 f.). 4 Vgl. Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 221. 5 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/02, BStBl. II 2004, 171; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464). 6 Gl.A. Englisch, IStR 2010, 139 (142). 7 Kritisch auch Musil/Fähling, DStR 2010, 1501 (1505). 8 Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz. 9 Vgl. etwa Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.291; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 188; Becker in Haase2, Art. 9 OECD-MA Rz. 8.
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Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 18–20 Art. 9
gründet oder erweitert, was mit dem Schrankenrechtscharakter der DBA unvereinbar wäre. Art. 9 Abs. 1 entfaltet daher keine Self Executing Wirkung, sondern räumt den Vertragsstaaten lediglich die Möglichkeit zu Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs ein. Die früher vertretene, entgegenstehende Auffassung, wonach Art. 9 Abs. 1 eine eigenständige, unmittelbar anwendbare Rechtsgrundlage für eine Gewinnkorrektur darstellt, ist mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar und kann daher heute als überholt angesehen werden.1 Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 1 kommt Art. 9 Abs. 2 jedoch Self Executing Wirkung zu (vgl. Rz. 130). Sperrwirkung gegenüber innerstaatlichem Recht. Soweit ein Vertragsstaat eine 19 Gewinnkorrektur auf Basis einer innerstaatlichen Rechtsgrundlage vornimmt (nach deutschem Verständnis: vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, vE i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 8 EStG, Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG und Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG), ist diese sowohl hinsichtlich ihrer Tatbestandsvoraussetzungen als auch in Bezug auf die Einkünftekorrektur der Höhe nach am Fremdvergleichsgrundsatz des Art. 9 Abs. 1 zu messen. Es darf insoweit kein anderer Maßstab Anwendung finden.2 Orientiert sich hingegen das innerstaatliche Recht an anderen Grundsätzen als einem Fremdvergleich, entfaltet Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung gegenüber innerstaatlichem Recht.3 Die Sperrwirkung der Vorschrift folgt bereits aus ihrem Wortlaut, nach der die Vertragsstaaten Einkünftekorrekturen nur in den Schranken des Fremdvergleichsgrundsatzes vornehmen „dürfen“. Im Übrigen lässt sich der Sinn und Zweck der Vorschrift nicht mit einem lediglich deklaratorischen Charakter realisieren.4 Denn Art. 9 Abs. 1 soll gewährleisten, dass entsprechende Gewinnkorrekturen in den Vertragsstaaten nach einem einheitlichen Korrekturmaßstab durchgeführt werden. Im Ergebnis soll der Fremdvergleichsgrundsatz sicherstellen, dass Gewinne dort besteuert werden, wo sie von ihrer Wertschöpfung her tatsächlich entstanden sind. Dies ist nur erreichbar, wenn beide Vertragsstaaten die Gewinnabgrenzung verbindlich an einem einheitlichen Maßstab ausrichten. Eine lediglich deklaratorische Auslegung des Art. 9 Abs. 1 würde daher der ihm zugedachten Zielsetzung einer Vermeidung der (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung (vgl. Rz. 2) zuwider laufen.5 Die deutsche Finanzverwaltung scheint hingegen die Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 nicht anzuerkennen, wenn sie davon ausgeht, dass es dem „Sinn und Zweck der DBA [nicht entspricht], Berichtigungen von Einkünften, die sachlich geboten sind, für bestimmte Fälle zu verbieten“.6 Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat der BFH in seinem Urteil vom 11.10.2012 die Sperrwirkung des Art. 9 explizit bestätigt.7 Verhältnis zur vGA. Der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 kommt insbesondere im 20 Zusammenhang mit beherrschenden Gesellschaftern Bedeutung zu, wenn eine Einkünftekorrektur auf Basis einer vGA auf rein formalen Beanstandungen beruht. So wird es in ständiger Rspr. des BFH8 als Indiz für eine vGA an den beherrschenden Gesellschafter gewertet, wenn es an einer klaren, im Voraus getroffenen Vereinbarung fehlt, die zivilrechtlich wirksam ist und auch tatsächlich durchgeführt wird. Die zusätzliche Berücksichtigung solcher formalen Anforderungen beruht darauf, dass bei 1 So noch Bellstedt, Die Besteuerung international verflochtener Gesellschaften, 431; Menck, DStZ/A 1972, 68. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76. 3 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECDMA Rz. 20 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.292; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 188; Haas in FS Schaumburg, 715 (730 f.). 4 So jedoch Höppner, StBp 1981, 58; Weber in Institut für Steuern und Finanzen, Bonn 1981, Brief 204, 14; Flockermann, DStR 1982, 339 (341); Menck, FR 1994, 69 (72). 5 Vgl. Haas in FS Schaumburg, 715 (731). 6 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.2.1. 7 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz. Vgl. ferner die Vorinstanz FG Hamburg v. 31.10.2011 – 6 K 179/10, IStR 2012, 190 f.; FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161 (rkr.); Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.87 m.w.N.; Baumhoff/ Greinert, IStR 2008, 353 ff.; Rasch, IWB 2012, 198 ff. 8 Vgl. etwa BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. II 2002, 111; v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154.
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741
Art. 9 Rz. 20–22
Verbundene Unternehmen
einem beherrschenden Gesellschafter strengere Anforderungen zu stellen seien, weil eher „Möglichkeiten zur Gewinnmanipulation“1 bestünden. Hingegen ist für die Anwendung von Art. 9 maßgebend, dass „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ bestehen. Dabei sah es der BFH in seinem Urteil v. 9.11.2005 noch als fraglich an, „ob sich aus abkommensrechtlicher Sicht ohne Weiteres vermuten lässt, dass es an einer solchen Beziehung fehle, wenn keine klaren und eindeutigen Abmachungen zu Grunde liegen.“2 Der BFH hat in seinem Urt. vom 9.11.2005 diese Frage ausdrücklich offengelassen. In seinem Urteil v. 11.10.2012 geht der BFH jedoch nunmehr explizit davon aus, dass Art. 9 keine spezifischen formalen Anforderungen enthält, wie sie bei einem beherrschenden Gesellschafter durch den BFH im Fall einer vGA zur Anwendung kommen.3 Dass formale Anforderungen bei der Anwendung von Art. 9 keine Rolle spielen, lässt sich im Übrigen auch aus Art. 9 Rz. 4 OECD-MK ableiten. Ferner findet sich an keiner Stelle der OECD-Leitlinien 2010 ein Hinweis darauf, dass formale Anforderungen für die Verrechnungspreisermittlung und -prüfung von Bedeutung sein sollen. Vielmehr existieren in Kapitel VII der OECD-Leitlinien 2010 sogar Ausführungen, anhand derer deutlich wird, dass klare und im Voraus getroffene Vereinbarungen möglich, aber nicht erforderlich sind. So heißt es dort etwa, dass im Rahmen einer Verrechnungspreisprüfung „a tax administration will meet to identify what arrangements, if any, have actually been put in place“. Demnach sind für die Verrechnungspreisprüfung getroffene Vereinbarungen heranzuziehen, aber nur, wenn solche tatsächlich im Voraus bereits abgeschlossen wurden. Damit wird deutlich, dass klare und im Voraus getroffene Vereinbarungen nach Ansicht der OECD zwischen verbundenen Unternehmen nicht zwingend notwendig sind. 21
Formaler Fremdvergleich nach Art. 9. Ohnehin ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung formaler Kriterien bei der internationalen Gewinnabgrenzung ungeeignet ist.4 Denn auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes soll ein Verrechnungspreis ermittelt werden, der für beide Vertragsstaaten akzeptabel ist.5 Wenn noch (zusätzlich) formale Anforderungen maßgebend wären, könnte es zu Verrechnungspreisberichtigungen kommen, obwohl im Sinne des Fremdvergleichsgrundsatzes angemessene Verrechnungspreise vorliegen. Eine solche Berichtigung würde der andere Vertragsstaat allerdings nicht hinnehmen, käme es dadurch doch zu einer Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz. Insoweit ist offensichtlich, dass formale Anforderungen nicht mit Art. 9 im Einklang stehen. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass bei der Anwendung des Art. 9 – im Gegensatz zur vGA – formale Anforderungen keine Rolle spielen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit einem beherrschenden Gesellschafter zwar eine vGA vorliegen kann, allerdings ohne das Recht eine Gewinnkorrektur gem. Art. 9 Abs. 1 auszulösen. Im Hinblick auf die formale Dimension des Fremdvergleichs bei der vGA wird damit die Sperrwirkung des Art. 9 offensichtlich.6 Im Übrigen erkennt auch die Finanzverwaltung an, dass Leistungen an den beherrschenden Gesellschafter ohne vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung „von Art. 9 OECD-MA nicht erfasst werden.“7
22
Verhältnis zur vE. Eine verdeckte Einlage liegt nach ständiger Rspr. des BFH vor, wenn ein Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft Vermögensvorteile zuwendet und 1 BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545. 2 BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 3 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz. S. ferner Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 190; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.87; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 27; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 116. 4 So auch BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz. 5 Vgl. Eigelshoven/Nientimp, DB 2003, 2307 (2309); Eicker/Röhrbein, WPg 2006 1355 (1357 f.); Kroppen/Rasch, ITPJ 2004, 26 (28 f.). 6 Vgl. BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, ISR 2013, 54 mit Anm. Ditz sowie die Vorinstanz des FG Hamburg vom 31.10.2011 – 6 K 179/10, IStR 2012, 190 f.; FG Köln v. 22.8.2007 – 13 K 647/03, EFG 2008, 161 (rkr.); Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff.; Strunk/Kaminski, Stbg 2008, 211; Kaminski in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 693 (704 f.). 7 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 6.1.1.
742
Ditz
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 22–23 Art. 9
diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.1 Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist dabei gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte. Als Beurteilungskriterium für das Vorliegen einer verdeckten Einlage dient somit der Fremdvergleichsgrundsatz, wobei sich keine Unterschiede zu dessen Konkretisierung bei der vGA ergeben.2 Bewertungsmaßstab der verdeckten Einlage ist indessen nicht der Fremdvergleichspreis, sondern gem. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG der Teilwert. Da der Teilwert nach der Rspr. des BFH auf Basis von Teilwertvermutungen ermittelt wird3 und keine Gewinnkomponente enthält, ist er üblicherweise geringer als der Fremdvergleichspreis.4 Dies wird bspw. bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens offensichtlich, bei denen die Teilwertvermutung den reinen Wiederbeschaffungskosten5 entspricht. Damit bleibt der Einkünftekorrekturmaßstab der vE (in Form des Teilwerts) hinter dem abkommensrechtlichen Recht zur Durchführung einer Einkünftekorrektur gem. Art. 9 Abs. 1 (in Form des Fremdvergleichspreises) zurück. Auf Grund seiner fehlenden Self Executing Wirkung (vgl. Rz. 18) kann in diesen Fällen Art. 9 Abs. 1 keinen Maßstab bilden, die vE auf Basis eines Fremdvergleichspreises zu korrigieren. Dies ist insbesondere für VZ vor 2008 relevant, in welcher die „Meistbegünstigungsregelung“ des § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG zu Gunsten der Finanzverwaltung noch nicht galt. Verhältnis zu § 1 AStG. Maßstab der Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG ist 23 der Fremdvergleichsgrundsatz. Der dem § 1 AStG immanente Fremdvergleichsgrundsatz wurde dabei durch das UntStRefG 20086 konkretisiert.7 In diesem Zusammenhang stellt sich indessen die Frage, inwieweit die vorgenommenen gesetzlichen Änderungen, die grundsätzlich ab dem VZ 2008 gelten,8 mit dem in Art. 9 Abs. 1 definierten Fremdvergleichsgrundsatz (vgl. Rz. 49 ff.) übereinstimmen. Dies ist bei den folgenden Regelungen zu verneinen: – Das sog. Transparenzprinzip des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG geht davon aus, dass sich Marktpreise unter vollständiger Information bilden. Der Gesetzgeber geht damit – insbesondere bei Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs – von einer Figur des „allwissenden ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (Hellseher)“9 aus, welcher gerade nicht im allgemeinen Geschäftsverkehr vorliegen kann. Hier ist die Entstehung und Vereinbarung von Marktpreisen vielmehr durch Informationsasymmetrien gekennzeichnet, welche letztlich zu Preisbandbreiten (vgl. Rz. 54) führen. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG widerspricht daher geradezu dem „fremdüblichen“ Marktgeschehen. Vor diesem Hintergrund ist die Vorschrift – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung10 – durch Art. 9 Abs. 1 nicht gedeckt.11 – Sofern der vom Steuerpflichtigen festgesetzte Verrechnungspreis außerhalb der ermittelten Bandbreite liegt, soll eine Korrektur des Verrechnungspreises gem. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG auf den Median der ermittelten Bandbreite erfolgen. Die Korrektur auf den Median steht einerseits nicht im Einklang mit der ständigen Rspr. des BFH, wonach bei Verrechnungspreiskorrekturen der für den Steuerpflichtigen 1 Vgl. z.B. BFH v. 27.7.1988 – I R 147/83, BStBl. II 1989, 271; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234. 2 Vgl. Baumhoff in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 3.22. 3 Vgl. etwa R 6.7 EStR; H 6.7 EStH „Teilwertvermutungen“ m.w.N. 4 Vgl. Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, 235. 5 Vgl. etwa BFH v. 9.11.1994 – I R 68/92, BStBl. II 1995, 336. 6 Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 7 Vgl. die Änderungen in § 1 Abs. 1 und 3 AStG. Dazu im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 ff. und 1649 ff. m.w.N. 8 Vgl. § 21 Abs. 16 AStG. 9 Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 300a. 10 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/1003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 3.2. Der hier vorgenommene Verweis auf Rz. 9.81 und 9.85 OECD- Leitlinien hält einer näheren Überprüfung nicht stand. 11 Kritisch auch Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 300a; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 23; Kroppen/Nientimp, IWB F. 3 Gr. 1, 2355 (2359); Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 31.1.
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743
Art. 9 Rz. 23
Verbundene Unternehmen
günstigste Wert der Verrechnungspreisbandbreite heranzuziehen ist.1 Ferner ist sie nicht mit der Bandbreitenbetrachtung (vgl. Rz. 54) des Art. 9 Abs. 1 vereinbar.2 – Hinsichtlich der Aufteilung des Einigungsbereiches ordnet § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG an, dass der Mittelwert zu Grunde zu legen ist, soweit kein anderer Wert glaubhaft gemacht wird.3 Auch diese Vorgehensweise steht nicht im Einklang mit dem Fremdvergleichsverständnis des Art. 9 Abs. 1, wo grundsätzlich auf eine Bandbreitenbetrachtung abzustellen und jeder Wert innerhalb der ermittelten Bandbreite als angemessen anzusehen ist. – Nach h.M. stehen die Regelungen der Funktionsverlagerungsbesteuerung – insbesondere im Hinblick auf die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs und die Bewertung eines „Tranferpaketes“4 – nicht im Einklang mit Art. 9 Abs. 1 und den Vorgaben der OECD-Leitlinien (vgl. zu Einzelheiten Rz. 116 f.).5 Denn nach Auffassung der OECD ist nur in (absoluten) Ausnahmefällen ein Transferpaket zu bewerten (sog. „Going Concern“).6 Ferner führt die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs verbunden mit dem Ansatz des Mittelwerts im Einigungsbereich dazu, dass wesentliche im Ausland realisierte Standortvorteile und Synergieeffekte einer deutschen Besteuerung unterworfen werden.7 Das Konzept einer Einigungsbereich-Betrachtung ist den OECD-Leitlinien 2010 indessen fremd. – Schließlich sind auch die Regelungen zur Preisanpassungsklausel in § 1 Abs. 3 Satz 11 ff. AStG nicht durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt.8 Diese rechtfertigen eine Einkünftekorrektur für die Übertragung wesentlicher immaterieller Wirtschaftsgüter mit der Fiktion von Unsicherheiten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, wenn die spätere Gewinnentwicklung erheblich von den Budgetwerten abweicht und zuvor keine vertragliche Preisanpassungsklausel vereinbart wurde. Eine solche Fiktion ist jedoch insofern nicht sachgerecht, als dass Verrechnungspreise – wie Preise gegenüber fremden Dritten – im Vorhinein festzulegen sind.9 Wie jeglichen unternehmerischen Entscheidungen sind den Verrechnungspreisfestsetzungen Unsicherheiten über die zukünftigen Entwicklungen immanent, da die Entscheidungen nur auf den zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Informationen beruhen können. Eine Fiktion von (weiteren) Unsicherheiten rechtfertigt insofern keinesfalls eine Einkünftekorrektur.10 In der Praxis ist der Abschluss von Preisanpassungsklauseln zwischen fremden Dritten daher auch eher die Ausnahme.11 Insbesondere wäre ein Anpassungszeitraum von zehn Jahren ungewöhnlich lang, da es kaum möglich sein wird, zum Ende dieses Zeitraums die Einkunftsströme sachgerecht dem ursprünglich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgut bzw. der Funktion zuzuordnen. Zudem widerspricht die Regelung auch der Transparenzklausel des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, die gerade besagt, dass den Transaktionspart-
1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 9.7.2003 – I R 100/02, BFH/NV 2003, 1666; v. 5.6.2003 – I R 24/02, BStBl. II 2004, 136. 2 Vgl. auch Rz. 3.62 OECD-Leitlinien; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (361 f.). 3 Vgl. dazu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465). 4 Vgl. dazu im Einzelnen FVerlV v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680; BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774. 5 Vgl. IDW v. 9.8.2011, Ubg 2011, 747 (749); Haas in FS Schaumburg, 715 (732 ff.); Baumhoff/ Puls, IStR 2009, 73 (79 f.); Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1952); a.A. Förster, IStR 2011, 20 ff.; Becker in Haase2, Art. 9 OECD-MA Rz. 12. 6 Vgl. Rz. 9.93 OECD-Leitlinien. 7 Vgl. dazu im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 (1952). 8 Soweit sich die Finanzverwaltung im BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.9 zur Rechtfertigung ihrer Position auf Rz. 3.72 f. und 9.88 OECD-Leitlinien beruft, geht dieser Verweis fehl. Kritisch im Übrigen auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 31.1. 9 Vgl. BFH v. 6.2.1980 – I R 50/76, BStBl. II 1980, 477; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.1; Rz. 1.12, 3.68 OECD-Leitlinien; Baumhoff in: F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 171; Runge, IStR 1995, 505 (508). 10 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1655). 11 Vgl. Schwaiger, SWI 2011, 420 (423); Ebering, IStR 2011, 418 (419 f.).
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 23–24 Art. 9
nern alle wesentlichen Umstände bekannt sind, m.a.W. Unsicherheiten gerade nicht bestehen.1 Verhältnis zur Zinsschranke. Art. 9 Abs. 1 entfaltet – wie in Rz. 19 dargestellt – eine 24 Sperrwirkung gegenüber den innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften der vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, der vE i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 8 EStG, der Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG sowie § 1 AStG (vgl. Rz. 19). Fraglich ist, ob Art. 9 Abs. 1 auch eine Sperrwirkung gegenüber der durch das UntStRefG 20082 eingeführten Zinsschrankenregelung entfaltet. Die Regelung sieht vor, dass die Zinsaufwendungen eines Betriebs nur in Höhe des Zinsertrages und darüber hinaus nur bis zu 30 % des steuerlichen EBITDA als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen.3 Die in einem Wirtschaftsjahr nicht abzugsfähigen Zinsaufwendungen können unbegrenzt in Folgejahre vorgetragen werden (sog. „Zinsvortrag“). Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerregelung erfasst die Zinsschranke nicht nur Zinsen für Fremdkapital, das von einem wesentlich beteiligten Anteilseigner gewährt (sog. „Gesellschafterfremdfinanzierung“4), sondern Zinsen für jegliches Fremdkapital, das dem Betrieb zugeführt wurde. Erfasst werden damit z.B. auch fremdübliche Bankenfinanzierungen.5 Eine Konkurrenzfrage zu Art. 9 Abs. 1 stellt sich mithin nur in solchen Fällen, in denen die Zinsschranke die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwand für von einem verbundenen ausländischen Unternehmen zu fremdüblichen Bedingungen gewährtes Fremdkapital einschränkt. Ein Verstoß zu dem in Art. 9 Abs. 1 geregelten Fremdvergleichsgrundsatz (vgl. Rz. 26 ff.) könnte in diesem Zusammenhang insbesondere darin erblickt werden, dass die Zinsschranke keinen Nachweis zulässt, dass das Fremdkapital zu fremdüblichen Bedingungen gewährt wurde.6 Im Allgemeinen vertritt die OECD im Hinblick auf das Verhältnis von Art. 9 Abs. 1 zu den innerstaatlichen Unterkapitalisierungsvorschriften in Art. 9 Rz. 3 OECD-MK die Auffassung, dass „die Anwendung der Regelungen über die Unterkapitalisierung in der Regel den Gewinn des betroffenen Unternehmens nicht über den Betrag hinaus erhöhen sollte, der unter den Bedingungen des freien Marktes anfiele (arm’s length profit)“. Der Fremdvergleichsgrundsatz definiert nach dieser Auffassung folglich die Obergrenze einer Korrektur durch die Unterkapitalisierungsvorschriften.7 In Teilen des Schrifttums wird daraus abgeleitet, dass die Zinsschrankenregelung gegen Art. 9 Abs. 1 verstoße.8 Dieser Auffassung wird hier nicht gefolgt. Denn die Zinsschranke stellt – im Gegensatz zu der vGA, der vE und § 1 AStG – keine Einkünftekorrekturvorschrift, sondern eine Gewinnermittlungsvorschrift des innerstaatlichen Rechts dar, welche den Betriebsausgabenabzug von Zinsaufwand regelt (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 35).9 Die innerstaatliche Gewinnermittlung, zu der die Frage der Abzugsfähigkeit oder Nichtabzugsfähigkeit von Betriebsausgaben zählt, ist Sache des innerstaatlichen Steuerrechts (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 35).10 Vor diesem Hintergrund kann die Zinsschrankenregelung nicht durch Art. 9 Abs. 1, dessen Zweck darin besteht, Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen
1 Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1649 (1654); Scholz, IStR 2007, 521 (524); Wassermeyer, FR 2008, 67 (68); Greil, IStR 2009, 567 (569). 2 Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. 3 Vgl. § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG. Zu Einzelheiten vgl. Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. J 07-2 ff. 4 § 8a KStG i.d.F. des Gesetzes v. 22.12.2003, BGBl. I 2003, 2840. 5 Vgl. Stangl/Hageböke in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 449; Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. J 07-2 ff. 6 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 13.2. 7 Vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung im europäischen Konzern, 2005, 25. 8 Vgl. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 13.2. Mit abweichender Begründung auch Homburg, FR 2007, 717 (725 f.): Widerspruch zu „der durch Art. 7, 9 und 11 OECD-MA normierten Steuerverteilung“; Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. J 07-5; Förster in Gosch2, Exkurs § 4h EStG Rz. 38. Offen lassend Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 8a KStG Rz. 30; Hoffmann, Zinsschranke, 2008, 9. 9 So explizit BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, 718; vgl. auch München, Die Zinsschranke – Eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung, 135. 10 So Mössner in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 39 m.w.N.
Ditz
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Art. 9 Rz. 24–25
Verbundene Unternehmen
zu ermöglichen, eingeschränkt werden.1 Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht, dass die Anwendung der Zinsschranke auf Grund der (temporären) Zinsabzugsbeschränkung im Inland und der vollen Besteuerung der Zinsen beim Empfänger zu einer Doppelbesteuerung führt.2 Denn es entspricht nicht der Zielsetzung der Doppelbesteuerungsabkommen, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, die aus der Anwendung innerstaatlicher Gewinnermittlungsvorschriften resultieren.3 25
Verhältnis zur Schätzung gem. § 162 AO. Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO nicht nach, indem – er die in § 90 Abs. 3 AO bzw. der GAufzV4 vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht vorlegt, – die von ihm vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder – Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO nicht zeitnah erstellt wurden, wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind als die bislang erklärten.5 Letztlich wird damit unterstellt, dass die vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte nicht auf der Grundlage eines Fremdvergleichs ermittelt wurden. Infolgedessen liegt es dann beim Steuerpflichtigen, die Angemessenheit der von ihm festgesetzten Verrechnungspreise nachzuweisen. Kann der Steuerpflichtige einen solchen Nachweis nicht führen, ist die Finanzverwaltung berechtigt, die Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsvorfällen zu schätzen. Können im Rahmen dieser Schätzung die Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, z.B. in Form einer Bandbreite von Verrechnungspreisen (vgl. Rz. 54), ermittelt werden, kann die Finanzverwaltung diesen Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.6 Fraglich ist hier jedoch, ob das Schätzungsermessen vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG reduziert wird. Danach kommt der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis bei lediglich eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten außerhalb der eingeengten Bandbreite liegt. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeiten zur Schätzung von Einkünftekorrekturen bei einer fehlenden bzw. im Wesentlichen nicht verwertbaren Verrechnungspreisdokumentation stellt sich die Frage, ob eine solche Vorgehensweise abkommensrechtlich durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt ist.7 In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass Art. 9 Abs. 1 die Schätzung von Einkünftekorrekturen auf Basis eines Verstoßes des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflichten (hier: § 90 Abs. 3 AO) nicht behandelt. Vielmehr gilt auch bei einer fehlenden bzw. unzureichenden Erfüllung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen der Grundsatz, dass sich Gewinnkorrekturen der Finanzverwaltung konkret auf „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ zwischen den verbundenen Unternehmen beziehen müssen (vgl. Rz. 43). Ein solcher Bezug zu konkreten „kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen“ ist indessen bei Schätzungen i.d.R. nicht gewährleistet. Darüber hinaus lässt Art. 9 Abs. 2 eine Korrektur durch die Finanzverwaltung nur zu, wenn im Hinblick auf diese „kaufmännischen und finanziellen Beziehungen“ Bedingungen vereinbart wurden, die einem Fremdvergleich nicht standhalten (vgl. Rz. 49 ff.). Infolgedessen darf eine 1 Gl.A. München, Die Zinsschranke – Eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung, 136. 2 Vgl. Loukota, SWI 2008, 105 (106). 3 Vgl. München, Die Zinsschranke – Eine verfassungs-, europa- und abkommensrechtliche Würdigung, 136; ähnlich Mössner in Lüdicke, Unternehmensteuerreform 2008 im internationalen Umfeld, 38. 4 Vgl. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296. Zur GAufzV im Einzelnen vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 ff.; Eigelshoven/Kratzer, IStR 2004, 30 ff.; Kaminski/Strunk, StBp 2004, 1 ff. 5 Zu den Sanktionen des § 162 Abs. 3 und 4 AO vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 4. 6 Vgl. § 162 Abs. 3 Satz 2 AO. 7 Vgl. kritisch auch Moebus, BB 2003, 1413 (1414); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beihefter zu Heft 20/2010, 1 (39).
746
Ditz
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 25
Art. 9
Gewinnkorrektur durch eine Schätzung den Rahmen eines Fremdvergleichs nicht verlassen. Weder Art. 9 Abs. 1 noch der OECD-MK zu Art. 9 oder die OECD-Leitlinien sehen insofern eine eingeschränkte Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu Gunsten der Finanzverwaltung in Schätzungsfällen bei fehlender Mitwirkung durch den Steuerpflichtigen vor. Infolgedessen sind Schätzungen gem. § 162 Abs. 3 AO i.d.R. durch Art. 9 Abs. 1 nicht gedeckt. Auch insofern entfaltet die Norm eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 19).
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1) Ausgewählte Literatur: Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Baßler, Steuerliche Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, Baden-Baden 2011; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in: Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS Franz Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Verrechnungspreispolitik bei Verlustgesellschaften, in Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 133; Baumhoff/Bodenmüller, Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 541; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Dokumentation internationaler Verrechnungspreise nach den „Verwaltungsgrundsätze-Verfahren“, DStR 2005, 1549; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 auf die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen, DStR 2007, 1649; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach der Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008, IStR 2008, 1945; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, Ubg 2011, 161; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urt. des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; Baumhoff/Puls, Der OECD-Diskussionsentwurf zu Verrechnungspreisaspekten von „Business Restructurings“ – Analyse und erster Vergleich mit den deutschen Funktionsverlagerungsregeln nach § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2009, 73; Bodenmüller, Steuerplanung bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, Düsseldorf 2004; Borstell, Verrechnungspreispolitik bei konzerninternen Lieferungsbeziehungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 519; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Ditz, Fremdvergleichskonforme Ermittlung eines Umlageschlüssels bei Konzernumlagen, DB 2004, 1952; Ditz, Übertragung von Geschäftschancen bei Funktionsverlagerungen ins Ausland, DStR 2006, 1625; Ditz, Praxisfall einer Verrechnungspreisprüfung und Funktionsverlagerung, IStR 2009, 421; Ditz/Schneider, Internationale Rechtsprechung zu Verrechnungspreisen, DB 2011, 779; Frischmuth, Austausch von Funktionen im Konzern und Bewertung von Transferpaketen, in: Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, Köln 2010, 73; Greinert, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, in: Schaumburg/Rödder (Hrsg.), Unternehmensteuerreform 2008, Köln 2007, 541; Kaminski, Verrechnungspreisbestimmung bei fehlendem Fremdvergleichspreis, Neuwied 2001; Kaminski/Strunk, Stellungnahme zum Entwurf der „Verwaltungsgrundsätze – Funktionsverlagerungen“ des BMF vom 17.7.2009, RIW 2009, 711; Kleineidam, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter, in Schaumburg/ Baumhoff (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 103; Kroppen/Rasch, Die Funktionsverlagerungsverordnung, IWB 2008, Fach 3 Deutschland, Gruppe 1, 2339; Kroppen/Rasch, Funktionsverlagerung – der nächste Akt, IWB 2010, 316; Kroppen/ Rasch, Anmerkungen zu den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, IWB 2010, 824; Kurzewitz, Aufgabe des strikten Anwendungsvorrangs der Standardmethoden zur Verrechnungspreisbestimmung?, IWB 2010, 95; Kurzewitz, Die Bestimmung von Verrechnungspreisbandbreiten als Problem der internationalen Doppelbesteuerung, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 635; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften: Steuerliche Gewinnermittlung und Einkunftsabgrenzung, Berlin 2008; Luckhaupt, Bestimmung von Verrechnungspreisen gem. den OECD-TPG 2010 und § 1 Abs. 3 AStG, Ubg 2010, 646; Naumann, Funktionsverlagerungsverordnung, in Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel, Köln 2007, 167; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, München 2000; Oestreicher, Die (reformbedürftigen) Regelungen zur Ermittlung der Verrechnungspreise in Fällen der Funktionsverlagerung, Ubg 2009, 80; Raupach/Pohl/Ditz (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, Herne/Berlin 2010; Rasch/Schmidtke, Routinefunktionen, Gewinnverlagerungen und das Versagen des hypothetischen Fremdvergleichs, IStR 2009, 92; Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, DK 2006, 495; Schaumburg, Anpassungsklausel, IStR 2009, 877; Scheipers/Linn, Einkünfteberichtigung nach § 1
Ditz
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Art. 9 Rz. 26–27
Verbundene Unternehmen
Abs. 1 AStG bei Nutzungsüberlassungen im Konzern – Auswirkungen des EuGH-Urteils SGI, IStR 2010, 469; Schönfeld, Aktuelle Entwicklungen im Verhältnis von § 1 AStG und EU-Recht anhand von Fallbeispielen, IStR 2011, 219; Staudacher/Groß, OECD veröffentlicht überarbeitete Verrechnungspreisgrundsätze 2010, SWI 2010, 461; Wassermeyer, Sind Verrechnungspreise justitiabel?, in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, 123; Wassermeyer, Veranlassung und Fremdvergleich, in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung, Steuergesetz, Steuerreform. FS Offerhaus, Köln 1999, 405; Wassermeyer, Modernes Gesetzgebungsniveau am Beispiel des Entwurfs zu § 1 AStG, DB 2007, 535; Wassermeyer, Funktionsverlagerung – Statement, FR 2008, 67; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen 2009: Die steuerliche Behandlung von Verrechnungspreisen, insbesondere bei Funktionsverlagerungen, nach der Unternehmensteuerreform 2008, Baden-Baden 2009; Zech, Funktionsverlagerung auf einen Eigenproduzenten und auf ein Routineunternehmen, IStR 2011, 131.
I. Regelungszweck 26
Fremdvergleichsgrundsatz als Korrekturmaßstab. Bei Art. 9 Abs. 1 handelt es sich um eine Gewinnkorrekturvorschrift (vgl. Rz. 2). Sie erlaubt es den Vertragsstaaten, Gewinnkorrekturen im Hinblick auf unangemessene Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang definiert Art. 9 Abs. 1 zunächst den Begriff der verbundenen Unternehmen. Darüber hinaus bestimmt die Vorschrift den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab, auf Basis dessen die Angemessenheit von Verrechnungspreisen zu prüfen ist. Der Fremdvergleichsgrundsatz dient dabei einerseits als Tatbestandsvoraussetzung für eine Gewinnkorrektur. Denn sind zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Bedingungen nicht fremdvergleichskonform, kann ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur – auf Basis seiner innerstaatlichen Einkünftekorrekturvorschriften (vgl. Rz. 18) – durchführen. Andererseits dient der Fremdvergleichsgrundsatz der Ermittlung der Gewinnkorrektur der Höhe nach, nämlich als Unterschiedsbetrag zwischen dem (unangemessenen) Verrechnungspreis und dem Fremdvergleichspreis (vgl. Rz. 5). Eine weitergehende Gewinnkorrektur ist abkommensrechtlich nicht zulässig.
27
Definition des Fremdvergleichs in den OECD-Leitlinien. Art. 9 Abs. 1 normiert als Maßstab der Angemessenheit von Verrechnungspreisen für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen den Fremdvergleichsgrundsatz. Danach ist ein Entgelt für eine gruppeninterne Lieferung oder Leistung unangemessen, wenn es dem zwischen fremden Dritten vereinbarten Wert nicht entspricht. Art. 9 Abs. 1 enthält indessen keine weitere Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch Auslegung zu bestimmen ist. Da der OECD-MK zu Art. 9 den Fremdvergleichsgrundsatz nur ansatzweise erläutert, erfolgt eine detaillierte Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in den OECD-Verrechnungspreisleitlinien (kurz: OECD-Leitlinien). Nach umfangreichen Vorarbeiten und intensiven Diskussionen mit den nationalen Finanzbehörden der OECD-Mitgliedstaaten konnte die OECD im Jahr 1995 den ersten Teil der „Verrechnungspreis-Leitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen“1 vorlegen und insofern den Verrechnungspreisbericht der OECD aus 1979 ersetzen.2 Teil II der Leitlinien, der sich mit immateriellen Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen beschäftigt, wurde im März 1996 verabschiedet. Die Leitlinien zu den Kostenumlagen kamen im Juni 1997 hinzu. Im Jahr 2010 erfolgte schließlich eine umfangreiche Überarbeitung der Kapitel I bis III der OECD-Leitlinien.3 Zudem wurden in einem neuen Kapitel Regelungen zu „Business Restructurings“ aufgenommen.4 Im Übrigen bereitet die OECD eine Neu-
1 OECD, Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises und Tax Administrations, Paris 1995. 2 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 457 ff. und 511 ff.; Baumhoff/Sieker, IStR 1995, 517 ff.; Becker, IWB F.10 Gr. 2, 1067 ff.; Runge, IStR 1995, 505 ff. 3 Vgl. dazu Förster, IStR 2011, 20; die offizielle deutsche Übersetzung der Verrechnungspreisleitlinien ist abgedruckt in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise. 4 Vgl. hierzu Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 27–29 Art. 9
fassung des Kapitel VI zu immateriellen Wirtschaftsgütern der OECD-Leitlinien vor.1 Im Ergebnis umfassen die OECD-Leitlinien nunmehr IX Kapitel, die sich intensiv mit den Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen, der Vermeidung und Bewältigung von Verrechnungspreisstreitigkeiten sowie Dokumentations- und Nachweispflichten auseinandersetzen. Dabei legen die OECD-Leitlinien ausdrücklich den Fremdvergleichsgrundsatz als grundlegende Maxime der Verrechnungspreisermittlung und -prüfung fest. Als normative Grundlage wird dabei explizit auf Art. 9 Abs. 1 verwiesen.2 Infolgedessen gilt der Grundsatz des Fremdvergleichs als tragender Maßstab für die internationale Verrechnungspreisermittlung und sollte nach Übereinkunft der OECD-Mitgliedstaaten sowohl von den internationalen Unternehmen als auch von den Steuerverwaltungen einheitlich angewendet werden.3 Bindungswirkung der OECD-Leitlinien. Durch die am 27.9.1961 erfolgte Ratifizie- 28 rung der OECD-Konvention hat die Bundesrepublik Deutschland bestätigt, dass sie die Regelungen der OECD anerkennt. Diese reichen von bloßen „Erklärungen“ bis zu „bindenden Entscheidungen“.4 Sowohl der OECD-MK als auch die OECD-Leitlinien haben in diesem Zusammenhang den Status einer „Empfehlung“.5 Eine Empfehlung entfaltet nach Art. 18 lit. b) der Verfahrensregeln der OECD vom 30.9.1961 keine rechtliche Bindungswirkung für die Vertragsstaaten. Sie ist lediglich den Mitgliedstaaten zur Prüfung vorzulegen, damit sie deren Durchführung veranlassen können, falls sie es für angebracht halten. Insofern sind der OECD-MK und die OECD-Leitlinien streng von dem in innerstaatliches Recht transformierten DBA abzugrenzen. Beide Rechtsquellen sind als Interpretationshilfen anzusehen, die lediglich eine Empfehlung einer internationalen Organisation (OECD) darstellen.6 Weder der OECDMK noch die OECD-Leitlinien sind zu einem Zeitpunkt Gegenstand parlamentarischer Beratungen gewesen.7 Folglich kommt beiden Rechtsquellen keine normative Wirkung zu.8 Weiterhin ist zu beachten, dass die Mitglieder des OECD-Rates und des OECD-Finanzausschusses, welche die Änderungen des OECD-MK und der OECDLeitlinien beschließen, von der Exekutive der OECD-Mitgliedstaaten entsandt werden. Den Mitgliedern dieser Organisation ist keine Kompetenz zur Rechtssetzung mit Wirkung in den Mitgliedstaaten der OECD übertragen worden; insbesondere Art. 23 oder 24 GG sind in keiner Variante anwendbar.9 Infolgedessen verbietet es schon der Grundsatz der Gewaltenteilung, dass die Mitglieder des OECD-Rates und des OECD-Finanzausschusses die nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht transformierten DBA mittels fortlaufender Modifikation des OECD-MK und der OECD-Leitlinien abändern.10 Weder dem OECD-MK noch den OECD-Leitlinien kommt damit eine normative Wirkung zu. Selbstbindung der Finanzverwaltung. Der OECD-MK und die OECD-Leitlinien 29 können unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.196911 zur Auslegung eines DBA herangezogen
1 Vgl. zu einem Entwurf v. 6.6.2012 Roeder, ISR 2012, 70 ff.; Eigelshoven/Ebering/Schmidtke, IWB 2012, 487 ff.; Dommer, SWI 2012, 349 ff.; Shapiro/Mitra/Henshall/Sierra, TNI 2012, 1245 ff.; Rouenhoff, IStR 2012, 654 ff. 2 Vgl. Rz. 1.6 OECD- Leitlinien. 3 Vgl. Rz. 1.1 OECD- Leitlinien. 4 Vgl. Art. 5 Buchst. a der OECD-Konvention i.V.m. Art. 18 Buchst. a i) der OECD-Verfahrensregeln v. 30.9.1961. 5 Vgl. Art. 5 lit. b) der OECD-Konvention i.V.m. Art. 18 Buchst. b) der OECD-Verfahrensregeln v. 30.9.1961. Siehe insoweit auch die Empfehlung des OECD-Rates v. 10.10.1997 (OECD/C (97) 195/final): „Recommendation of Council concerning the Model Tax Convention on Income and on Capital“. 6 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34; Pohl, RIW 2012, 677 (678). 7 Vgl. Waldhoff, StbJb 2005/2006, 161 (176). 8 Vgl. auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.76. 9 Vgl. Waldhoff, StbJb 2005/2006, 161 (175). 10 Vgl. auch Schnitger, IStR 2002, 407 (408). 11 Vgl. WÜRV v. 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927.
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Art. 9 Rz. 29–30
Verbundene Unternehmen
werden, da sie zu den primären Auslegungshilfen i.S.v. Art. 31 Abs. 4 WVK zählen.1 Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, wenn die Rspr. bei Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf Verrechnungspreise die OECD-Leitlinien als Auslegungshilfe heranzieht.2 Ferner verweist auch die Finanzverwaltung in ihren Verlautbarungen zur internationalen Einkünfteabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen regelmäßig auf die OECD-Leitlinien.3 Im BMF-Schr. vom 13.10.2010 geht die Finanzverwaltung sogar von einer Selbstbindung an die OECD-Leitlinien aus: „Die Auslegung des Inhalts des Fremdvergleichsgrundsatzes – sowohl für die DBA als auch für § 1 AStG – folgt regelmäßig dem OECD-Musterkommentar zu Art. 9 und Art. 7 sowie den OECDVeröffentlichungen zum Fremdvergleichsgrundsatz (OECD-Leitlinien und OECDBetriebsstättenbericht).“4 30
Zeitliche Anwendung der OECD-Leitlinien. Hinsichtlich der Frage, welche Fassung der OECD-Leitlinien für die Auslegung der Art. 9 nachgebildeten Abkommensnorm heranzuziehen ist, verfolgt die OECD im Hinblick auf die Anwendung des OECD-MK eine dynamische Auslegung. Danach soll auch ein neugefasster OECDMK zur Auslegung bereits bestehender DBA herangezogen werden, der den übereinstimmenden Willen der OECD-Mitgliedsstaaten widerspiegelt.5 Vor diesem Hintergrund kann auch im Hinblick auf die Anwendung der OECD-Leitlinien zur Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach Art. 9 Abs. 1 davon ausgegangen werden, dass nach Ansicht der OECD die Art. 9 nachgebildete Abkommensnorm unter Berücksichtigung der jeweils aktuellen OECD-Leitlinien auszulegen ist. Auch die deutsche Finanzverwaltung scheint dieser Auffassung zu folgen.6 Wenngleich eine solche Auslegung eines DBA auf Basis der jeweils aktuellsten Version der OECD-Leitlinien unter praktischen Gesichtspunkten durchaus sinnvoll sein kann, folgt der BFH dieser Auffassung nicht. Die Rspr. geht vielmehr davon aus, dass zur Auslegung eines DBA immer die Fassung des OECD-MK heranzuziehen ist, welche im Zeitpunkt des Abschlusses des DBA gültig war.7 Der BFH begründet seine Ansicht damit, dass lediglich Art. 31 Abs. 3 WVK für die Berücksichtigung von neuen Versionen des OECD-MK sprechen könnte. Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK setzt hingegen eine spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsstaaten voraus. Gerade eine solche liegt indessen beim OECD-MK nicht vor, da dieser nicht von den Vertragsstaaten selbst, sondern von den Finanzbehörden der Vertragsstaaten entwickelt wird.8 Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK ist folglich kein taugliches Mittel zur Berücksichtigung späterer Kommentarversionen bei der Auslegung von bereits bestehenden Abkommen. Im Übrigen scheint auch Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WVK nicht geeignet, eine dynamische Auslegung des OECD-MK zu rechtfertigen.9 Damit ist der Auffassung des BFH zu folgen, wonach die Version des OECD-MK als Hilfe für die Auslegung eines konkreten DBA heranzuziehen ist, welche beim Abschluss des entsprechenden DBA galt. Neueren Versionen des OECD-MK kann nur dann eine Bedeutung zukommen, wenn sie zur Klarstellung dienen oder weitergehende Erläuterungen enthalten. Diese zum OECDMK vom BFH abgeleiteten Grundsätze gelten korrespondierend auch für die OECDLeitlinien. Denn auch diesen kommt ein Status einer „Empfehlung“ zu (vgl. Rz. 28). 1 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.76; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44; Vogel in V/L5, Einleitung Rz. 126; Ditz, IStR 2005, 37 (41); Lang in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, 18. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 170. 3 Vgl. etwa BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3, 3.4.11.4, 3.4.12.6, 3.4.12.7 und 3.4.13. 4 BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 1.2.3. 5 Vgl. Rz. 33–35 OECD-MK Einleitung. 6 So zumindest Vertreter der Finanzverwaltung, vgl. Wichmann in Lüdicke, Wo steht das deutsche internationale Steuerrecht?, 103 (104 f.); Wichmann, FR 2011, 1082 (1083); Wichmann, IStR 2012, 711 (711 f.); vgl. im Übrigen auch BMF v. 27.12.2011 – IV C 2 – S 2770/11/10002, BStBl. I 2012, 119; v. 16.4.2012 – IV B 2 – S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354. 7 Vgl. etwa BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, FR 2011, 127; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602 m.w.N. Dazu kritisch Pohl, RIW 2012, 677 (678 f.). 8 A.A. Wichmann, FR 2011, 1082 (1083). 9 Kritisch auch Lang, IStR 2001, 536 (537) m.w.N.
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Ditz
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 30–32 Art. 9
Mithin können die OECD-Leitlinien 2010 daher nur im Hinblick auf die nach ihrem Erscheinen abgeschlossenen Abkommen Anwendung finden.
II. Unternehmen eines Vertragsstaats Anwendung des Art. 3. Art. 9 bezieht sich auf Gewinnkorrekturen zwischen ver- 31 bundenen „Unternehmen“. Was dabei als „Unternehmen“ zu verstehen ist, bleibt offen. Insofern gelten die allgemeinen Regelungen des DBA. In diesem Zusammenhang definiert der – in das OECD-MA 2000 aufgenommene – Art. 3 Abs. 1 Buchst. c den Begriff des Unternehmens als „Ausübung einer Geschäftstätigkeit“. Ferner folgt aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. h, dass eine freiberufliche und sonstige selbständige Tätigkeit als „Geschäftstätigkeit“ anzusehen ist. Diese Begriffsabgrenzungen in Art. 3 sind indessen wenig geeignet, eine konkrete Begriffsabgrenzung des „Unternehmens“ vorzunehmen.1 Es kann daraus nur im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die reine Vermögensverwaltung kein Unternehmen begründet.2 Abkommensautonome Auslegung. Zur Konkretisierung des Begriffs „Unterneh- 32 men“ kann auf dessen Auslegung in Art. 7 zurückgegriffen werden (vgl. dazu auch Art. 7 (2008) Rz. 50 ff.). Das „Unternehmen“ ist dabei ein rein abkommensrechtlicher Begriff, der nach ständiger Rspr. des BFH3 losgelöst vom innerstaatlichen Recht auszulegen ist. Dies hat zur Folge, dass nach innerstaatlichem Recht gewerblich fingierte Einkünfte abkommensrechtlich nicht als Unternehmensgewinne einzuordnen sind. Folglich stellt eine gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägte GmbH & Co. KG kein „Unternehmen“ i.S.d. Art. 7 und Art. 9 dar, wenn sie selbst nicht originär, sondern vermögensverwaltend tätig ist.4 Denn der abkommensspezifische Zusammenhang erfordert eine vom innerstaatlichen Recht losgelöste Einordnung. Dafür spricht zunächst, dass sich die abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte in erster Linie an der Art der Einkunftserzielung ausrichtet und der systematischen Einordnung der Einkünfte im innerstaatlichen Recht insoweit nur eine Hilfsfunktion zukommen kann. Darüber hinaus würde ein anderes Verständnis das Risiko fördern, dass das DBA in den Vertragsstaaten unterschiedlich ausgelegt wird und damit das angestrebte Ziel einer Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht realisiert werden kann. Im Ergebnis ist folglich der Begriff des Unternehmens autonom aus dem Abkommen auszulegen, wobei das gemeinsame Verständnis der OECD-Staaten über den Begriffsinhalt zu berücksichtigen ist. Als Unternehmenstätigkeit kann dabei eine selbständige und auf eine Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeit bezeichnet werden, die weder Vermögensverwaltung darstellt noch als Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren ist.5 Insofern besteht eine offensichtliche inhaltliche Parallele zur Definition des Gewerbebetriebs in § 15 Abs. 2 EStG, wonach die Merkmale „Gewinnerzielungsabsicht“, „Selbständigkeit“, „Nachhaltigkeit“ und „Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr“ einen Gewerbebetrieb prägen (vgl. zu Einzelheiten Art. 7 (2008) Rz. 53). Die inhaltliche Konkretisierung dieser Tatbestandsmerkmale des Gewerbebetriebs können auch für die (rein abkommensrechtliche) Definition des Unternehmens herangezogen werden. Sind die Tatbestandsmerkmale der gewerblichen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 EStG erfüllt, kann daher auch abkommensrechtlich von einem Unternehmen ausgegangen werden.6 1 Ebenfalls kritisch Vogel in V/L5, Art. 3 Rz. 40; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 3 Rz. 19; Wolff in FS Wassermeyer, 647 (648). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 3 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BB 2011, 1813; v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553; v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085. 4 Vgl. BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550 m.w.N.; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BB 2011, 1813 m.w.N.; v. 25.5.2011 – I R 95/10, DStR 2011, 1553; a.A. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300 – 09/1003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1; Wolff in FS Wassermeyer, 647 (653 f.); Krabbe, IStR 2002, 145 (148). 5 Vgl. auch Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 30; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 23. 6 In diesem Sinne wohl auch BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; v. 24.8.2011 – I R 46/10, DStR 2011, 2085.
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Art. 9 Rz. 33–35
Verbundene Unternehmen
33
Rechtsform des Unternehmens. Der Begriff des Unternehmens in Art. 9 Abs. 1 kann sich auf jegliche Rechtsform beziehen. Unabhängig von der Rechtsform ist allerdings sicherzustellen, dass eine Unternehmenstätigkeit nach den in Rz. 32 dargestellten Grundsätzen ausgeübt wird. Folglich fällt auch eine Kapitalgesellschaft, welche rein vermögensverwaltend tätig ist, nicht in den Anwendungsbereich von Art. 9. Ferner ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung zu Art. 7 zu beachten. Denn Art. 9 setzt grundsätzlich zwei selbständige Rechts- und Steuersubjekte voraus, zwischen denen kaufmännische oder finanzielle Beziehungen bestehen. Im Hinblick auf die internationale Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte (d.h. zwischen rechtlich unselbständigen Einheiten) findet demnach Art. 9 keine Anwendung. Dies gilt im Übrigen auch für die Beteiligung eines inländischen Unternehmens (z.B. in Form eines inländischen Einzelunternehmens oder einer inländischen Kapitalgesellschaft) an einer ausländischen Personengesellschaft, weil der Anteil an der ausländischen Personengesellschaft dem inländischen Mitunternehmer als Betriebsstätte zuzurechnen ist.1 Eine Personengesellschaft kann daher allenfalls dann Unternehmen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 sein, wenn sie als selbständiges Steuersubjekt, d.h. intransparent, behandelt wird.
34
Ansässigkeit des Unternehmens. Die Anwendung des Art. 9 Abs. 1 setzt voraus, dass beide Unternehmen jeweils in einem der Vertragsstaaten „ansässig“ sind. Die verbundenen Unternehmen müssen dabei in verschiedenen Vertragsstaaten ansässig sein. Die Ansässigkeit bestimmt sich nach Art. 4 (vgl. hierzu Art. 4 Rz. 1 ff.).
III. Verbundene Unternehmen 1. Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital 35
Bedeutung der Definition. Art. 9 Abs. 1 grenzt den Begriff der Verbundenheit in zwei Alternativen ab: – Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung eines Unternehmens eines Vertragsstaates an einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a (z.B. Beteiligung einer Mutter- an einer Tochtergesellschaft); – Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung derselben Person an einem Unternehmen des einen Vertragsstaates und an einem Unternehmen des anderen Vertragsstaates gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b (z.B. Schwestergesellschaften). Beide Definitionen des verbundenen Unternehmens beinhalten zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe,2 die weder im OECD-MA und dem OECD-MK noch in den OECD-Leitlinien definiert werden. Die OECD geht davon aus, dass eine solche begriffliche Abgrenzung nicht notwendig ist, da insoweit ein breiter Konsens zwischen den OECD-Mitgliedstaaten bestünde.3 Diese Ansicht verkennt indessen die zentrale Bedeutung der Definition des „Verbundenseins“:4 Denn Art. 9 Abs. 1 entfaltet Sperrwirkung auch im Hinblick auf die Definition des „verbundenen“ Unternehmens, d.h. geht eine innerstaatliche Einkünftekorrektur in diesem Zusammenhang über das in Art. 9 Abs. 1 definierte „Verbundensein“ hinaus, besteht für den entsprechenden Vertragsstaat kein Recht, eine Einkünftekorrektur vorzunehmen (vgl. Rz. 19 ff.). Ferner verstärken die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe das Risiko, dass die Vertragsstaaten das „Verbundensein“ unterschiedlich auslegen, und folglich eine Gegenberichtigung gem. Art. 9 Abs. 2 daran scheitert, dass ein Vertragsstaat die Tatbestandsvoraussetzungen einer Verbundenheit als nicht erfüllt ansieht. Schließlich ist denkbar, dass ein Vertragsstaat die Einleitung eines Verständigungsverfahrens i.S.d. Art. 25 ablehnt, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen des Art. 9 1 Vgl. BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 – S 1300/09/1003, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.2 und 2.2.3; dazu kritisch Wassermeyer in W/R/S, Rz. 2.6 f. 2 Insbesondere „Geschäftsleitung“, „Kontrolle“, „Kapital“, „gesellschaftsrechtliche Verflechtung“, „mittelbar und unmittelbar“ und „Einflussnahme“. 3 Vgl. OECD, Verrechnungspreise und multinationale Unternehmen, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1979, übersetzt vom Bundesministerium für Finanzen, Köln 1981, Rz. 7. 4 Gl.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA, Rz. 25.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 35–38 Art. 9
Abs. 1 nicht erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund kommt der Definition der verbundenen Unternehmen eine erhebliche Bedeutung zu. Unmittelbare oder mittelbare Beteiligung. Art. 9 Abs. 1 setzt eine „unmittelbare 36 oder mittelbare“ Beteiligung voraus. Daraus folgt – auch vor dem Hintergrund des Teleos der Vorschrift – zunächst, dass der Begriff des „Beteiligtseins“ weit auszulegen ist. Eine „unmittelbare“ Beteiligung ist anzunehmen, wenn die in einem Vertragsstaat ansässige Person selbst an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens beteiligt ist (d.h. dass insoweit keine weitere Person „zwischengeschaltet“ ist). Dabei ist auch eine über einen Treuhänder gehaltene Beteiligung als unmittelbare Beteiligung anzusehen, da in diesem Fall der Treugeber das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung hält und diese steuerlich ihm zuzurechnen ist.1 Ferner sind zur Sicherung abgetretene oder verpfändete Beteiligungen dem Sicherungsgeber bzw. -verpfänder zuzuordnen. Ein typisches Beispiel für eine „mittelbare“ Beteiligung ist die Beteiligung einer Muttergesellschaft an einer mehr als einer Stufe nachgeordneten Gesellschaft (z.B. Enkelgesellschaft), d.h. hier ist typisch, dass eine weitere Person „zwischengeschaltet“ ist. Dabei ist von einer mittelbaren Beteiligung auch auszugehen, wenn diese durch jeweils unterschiedliche Merkmale (Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital) vermittelt wird. Von einer mittelbaren Beteiligung ist folglich auch dann auszugehen, wenn z.B. das beherrschende Unternehmen an dem Kapital eines anderen Unternehmens unmittelbar beteiligt ist, welches wiederum über eine Beteiligung an der Geschäftsleitung oder der Kontrolle bei einem weiteren Unternehmen verfügt. Beteiligungshöhe. Art. 9 Abs. 1 setzt keine Mindestbeteiligung voraus. Vielmehr 37 reicht jede Beteiligung an der Geschäftsleitung, an der Kontrolle und/oder am Kapital aus. Vor diesem Hintergrund geht Art. 9 Abs. 1 Buchst. a über die Definition der nahestehenden Person gem. § 1 Abs. 2 AStG hinaus. Dies gilt allerdings nur im Hinblick auf die Mindestbeteiligung von 25 % gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG. Hingegen ist die Definition der nahestehenden Person in § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG weiter als die Definition des verbundenen Unternehmens in Art. 9 Abs. 1. Folglich stellt sich auch hier die Frage der Sperrwirkung des Abkommensrechts (vgl. Rz. 19). Wassermeyer verneint diese Frage mit der Begr., dass eine über den Fremdvergleichsgrundsatz hinausgehende Schrankenwirkung der Vorschrift nicht in Betracht komme.2 Diese Auffassung ist abzulehnen.3 Denn es sind keine Gründe ersichtlich, warum Art. 9 Abs. 1 nicht auch im Hinblick auf die Definition der verbundenen Unternehmen eine Schrankenwirkung zukommen soll. Ferner wird die Verpflichtung zu einer Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 durch den anderen Vertragsstaat nur anerkannt werden, wenn ein gemeinsames Verständnis über den Begriff des verbundenen Unternehmens gewährleistet ist. Der Begriff der Verbundenheit ist daher unabhängig vom innerstaatlichen Recht aus dem Abkommen selbst heraus auszulegen.4 Beteiligung an der Geschäftsleitung. Die Beteiligung an der Geschäftsleitung 38 muss das beherrschende Unternehmen in die Lage versetzen, seine eigenen Interessen im beherrschten Unternehmen durchzusetzen. Dabei ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. a teleologisch reduziert auszulegen.5 Denn bei einer wörtlichen Auslegung würde bereits die Personalunion in der Geschäftsführung beider Unternehmen dazu führen, dass ein „Verbundensein“ gegeben ist. Insoweit verbundene Unternehmen anzunehmen, wäre indessen nicht sachgerecht, weil jeder Geschäftsführer zunächst verpflichtet ist, die eigenen Interessen seines Unternehmens zu vertreten. Deswegen stellt die Vorschrift nur auf solche Geschäftsleitungen ab, die das beherrschende Unternehmen in die Lage versetzt, eigene Interessen unmittelbar in dem beherrschten Unter1 Vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 51; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 22. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 79. 3 So auch Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 38. 4 A.A. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 37, nach dessen Auffassung alleine auf das innerstaatliche Recht abzustellen sei. 5 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 42.
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Art. 9 Rz. 38–42
Verbundene Unternehmen
nehmen durchzusetzen. Dazu genügt keine Tätigkeit als angestellter Geschäftsführer oder Prokurist. Vielmehr muss die beherrschende Person selbst am Geschäftsleitungsorgan des beherrschten Unternehmens beteiligt sein, z.B. als Alleingeschäftsführer, Mitgeschäftsführer oder Mitglied des Vorstandes. Eine faktische oder gelegentliche Übernahme einzelner Geschäftsführungsmaßnahmen reicht nicht aus.1 39
Beteiligung an der Kontrolle. Der Begriff der „Kontrolle“ ist unklar. Mit Wassermeyer ist davon auszugehen, dass eine entsprechende Kontrolle in der Regel über die Ausübung von Stimmrechten sichergestellt wird.2 Denn über die Ausübung von Stimmrechten wird letztlich ein Unternehmen kontrolliert. Auch insoweit gibt Art. 9 Abs. 1 Buchst. a keinen Hinweis auf den Umfang der Kontrolle und damit auf den Umfang der entsprechenden Stimmrechte. Der Telos des Art. 9 Abs. 1, Einkünfteverschiebungen zwischen verbundenen Unternehmen zu vermeiden (vgl. Rz. 1 ff.), spricht indessen dafür, dass die Beteiligung an der Kontrolle eine Einflussnahme auf das Unternehmen nach sich zieht. Insoweit macht es – in Anlehnung an § 1 Abs. 2 AStG – Sinn, mehr als 25 % der Stimmrechte zu fordern. Eine solche Beteiligung kann allerdings nur Indiz sein; abzustellen ist immer auf die Umstände des Einzelfalls.
40
Beteiligung am Kapital. Die Beteiligung am Kapital bezieht sich auf eine Beteiligung am Nenn-, Grund- oder Stammkapital des Unternehmens. Auch insoweit lässt Art. 9 Abs. 1 Buchst. a die Beteiligung der Höhe nach offen (vgl. Rz. 37). Vor dem Hintergrund des Telos des Art. 9 Abs. 1 und der Notwendigkeit einer Einflussnahme auf das Unternehmen kann jedoch auch hier eine Beteiligung von mehr als 25 % gefordert werden (vgl. Rz. 39), wobei immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Genussrechte sind Forderungsrechte gegen eine Kapitalgesellschaft, die zwar eine Beteiligung am Gewinn und/oder am Liquidationserlös des Unternehmens begründen, jedoch keine Beteiligung am Kapital darstellen. Soweit Genussrechte allerdings Stimmrechte vermitteln, ist zu prüfen, ob eine Beteiligung an der Kontrolle des Unternehmens vorliegt.3 Verdeckte Einlagen, Bürgschaften, Patronatserklärungen, Garantieerklärungen, typisch stille Beteiligungen und (eigenkapitalersetzende) Darlehen begründen keine Beteiligung am Kapital. Eine atypisch stille Beteiligung ist – nach innerstaatlichem Verständnis – als Mitunternehmerschaft zu qualifizieren, welche ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des Art. 9 fällt; vielmehr ist hier Art. 7 einschlägig.
41
Weitere Formen der Beteiligung. Aus Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 folgt im Umkehrschluss, dass verwandtschaftliche Beziehungen und Interessengemeinschaften keine Verbundenheit i.S.d. Art. 9 Abs. 1 begründen. Denn die in beiden Vorschriften genannten „besonderen Beziehungen“ umfassen über die in Art. 9 genannten Verhältnisse einer Einflussnahme hinaus auch „verwandtschaftliche Beziehungen und ganz allgemein jede Interessengemeinschaft“ (vgl. Art. 11 Rz. 34 OECD-MK). Vor diesem Hintergrund ist Art. 9 Abs. 1 Buchst. a enger formuliert. 2. Unternehmen unter gemeinsamer Kontrolle
42
Definition der gemeinsamen Kontrolle. Gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b liegt eine Verbundenheit auch vor, wenn dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaates und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaates beteiligt sind. Angesprochen ist insbesondere der Fall von Schwestergesellschaften, welche jeweils in einem der Vertragsstaaten ansässig sind. Bei der Person, welche an den verbundenen Unternehmen beteiligt ist, kann es sich um eine natürliche Person, eine Kapitalgesellschaft, eine Personengesellschaft oder eine sonstige Personenvereinigung handeln. Die beherrschende Person muss dabei in keinem der Vertragsstaaten ansässig sein und braucht selbst auch kein Unternehmen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 (vgl. Rz. 31 ff.) zu 1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 42. 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 43; a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 29. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 44.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 42–44 Art. 9
sein. Folglich kann die beherrschende Person die Anteile an den verbundenen Unternehmen auch im Privatvermögen halten.1 Hinsichtlich der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „unmittelbar oder mittelbar“, „Geschäftsleitung“, „Kontrolle“ und „Kapital“ wird auf Rz. 35 ff. verwiesen.
IV. Kaufmännische oder finanzielle Beziehungen Gewinnkorrekturen in Bezug auf eine Geschäftsbeziehung. Weitere Tatbestands- 43 voraussetzung des Art. 9 Abs. 1 sind „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ zwischen den verbundenen Unternehmen. Daraus folgt zunächst, dass sich auf Art. 9 Abs. 1 gestützte Gewinnkorrekturen konkret auf die zwischen den verbundenen Unternehmen bestehenden Geschäftsbeziehungen und die in diesem Zusammenhang vereinbarten Bedingungen (insbesondere Preise; vgl. Rz. 47) beziehen müssen. Gewinnkorrekturen, die sich – losgelöst von den konkreten Geschäftsbeziehungen – rein auf die Einkünftehöhe des entsprechenden verbundenen Unternehmens beziehen, sind durch die Vorschrift nicht gedeckt. Dies gilt beispielsweise für Gewinnkorrekturen, die auf Basis eines Gewinnvergleichs ihren Ausgangspunkt alleine in der Höhe der Einkünfte des verbundenen Unternehmens haben (vgl. Rz. 82). Beispiel: Die im Staat A ansässige Muttergesellschaft vertreibt die von ihr hergestellten Produkte im Staat B durch eine Tochter-Kapitalgesellschaft, an welcher sie mit 100 % beteiligt ist. Die Vertriebsgesellschaft handelt neben den Produkten ihrer Muttergesellschaft mit von ihr selbst eingekauften Waren und erbringt darüber hinaus an ihre Kunden diverse Dienstleistungen (z.B. Montage- und Aftersales-Dienstleistungen). Die Betriebsprüfung im Staat B vertritt die Auffassung, dass die Umsatzrendite (auf EBIT-Basis) der Vertriebsgesellschaft mit 4 % zu niedrig sei und stattdessen eine Umsatzrendite von 8 % angemessen sei. Daraufhin nimmt die Finanzverwaltung des Staates B eine Gewinnkorrektur in Höhe von 4 % des Umsatzes auf Basis einer vGA vor. Eine solche Gewinnkorrektur ist durch Art. 9 Abs. 1 nicht gedeckt, weil sie sich nicht konkret auf die im Verhältnis zwischen der Mutter- und ihrer Vertriebsgesellschaft vereinbarten Preise, sondern nur auf die Höhe der Gewinne der im Staat B ansässigen Vertriebsgesellschaft bezieht. Folglich hat Staat B gem. Art. 9 Abs. 1 kein Recht, eine entsprechende Korrektur vorzunehmen (Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1; vgl. Rz. 19).
Schuldrechtliche Beziehung. Unter kaufmännische oder finanzielle Beziehungen 44 fallen sämtliche schuldrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen.2 Typischerweise betreffen die kaufmännischen Beziehungen den gesamten Lieferungs- und Leistungsverkehr sowie die sog. Konzernumlagen (vgl. Rz. 84 ff.).3 Die finanziellen Beziehungen umfassen insbesondere Darlehens- und darlehensähnliche Verhältnisse sowie schuldrechtliche Ansprüche (z.B. auf den Kaufpreis, die Miete und andere Entgelte). Die finanziellen Beziehungen beschränken sich also nicht nur auf den Kapitalverkehr im engeren Sinne. Hinsichtlich der begrifflichen Abgrenzung der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen besteht demnach eine unmittelbare Parallele zur Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG. Nach dieser Vorschrift ist eine Geschäftsbeziehung „jede den Einkünften zu Grunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist […]“. Die Neufassung der Definition der Geschäftsbeziehung wurde durch das StVergAbG v. 16.5.20034 mit Wirkung ab dem VZ 2003 eingeführt und stellt klar, dass eine nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs zu würdigende Geschäftsbeziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und einem ihm nahe Stehenden immer dann anzunehmen ist, wenn es sich – wie bei den kaufmännischen und finanziellen Beziehungen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 – um eine auf schuldrechtlichen Vereinbarungen beruhende Beziehung handelt.5 Da folglich auch die Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5
1 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 55. 2 Vgl. auch Rz. 2.4 OECD-Leitlinien. 3 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122; Baumhoff, IStR 2000, 693 (694 ff.); Ditz, DB 2004, 1949 (1949 f.); Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 346 (348). 4 Vgl. Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BGBl. I 2003, 660. 5 Zu Einzelheiten vgl. BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 – S 1341/07/10009, BStBl. I 2010, 34; Baumhoff/ Ditz/Greinert, DStR 2010, 476 ff. m.w.N.
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Art. 9 Rz. 44–45
Verbundene Unternehmen
AStG auf einen schuldrechtlichen Leistungstausch ausgerichtet ist, kann ihre inhaltliche Präzisierung für Zwecke der Auslegung der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen herangezogen werden.1 Allerdings sieht der Entwurf eines JStG 20132 eine Anpassung der Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG (nunmehr § 1 Abs. 4 AStG n.F.) vor. Während de lege lata § 1 Abs. 5 AStG die Geschäftsbeziehung im Kern als schuldrechtliche Beziehung definiert, wird dieses Kriterium in der Entwurfsfassung des § 1 Abs. 4 AStG n.F. nicht mehr erwähnt, sondern die Geschäftsbeziehung allgemein als „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“ definiert. Diese Definition der Geschäftsbeziehung ist sowohl systematisch abzulehnen als auch für die Verrechnungspreispraxis untauglich. Denn weder der Begriff „wirtschaftliche Vorgänge“ noch der Begriff „Geschäftsvorfälle“ sind geeignet, die Geschäftsbeziehung zu definieren. Im Übrigen steht die im Entwurf des JStG 2013 angedachte neue Definition der Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 AStG n.F. nicht im Einklang mit Art. 9 Abs. 1, welcher sich auf „kaufmännische oder finanzielle Beziehungen“ und damit auf schuldrechtliche Leistungsbeziehungen bezieht. Soweit daher die Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG zu Einkünftekorrekturen aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung führt, welche sich auf Geschäftsbeziehungen beziehen, denen keine schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen zugrunde liegen, entfaltet Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 19). 45
Ausschluss gesellschaftsrechtlicher Beziehungen. Die Merkmale, die zu einem „Verbundensein“ zwischen zwei Unternehmen führen können (vgl. Rz. 35 ff.), sind streng von der „kaufmännischen oder finanziellen Beziehung“ zu trennen. Beide Tatbestände schließen sich wechselseitig aus.3 Insbesondere können kaufmännische oder finanzielle Beziehungen nur solche sein, die nicht zu einem Verbundensein der zwei Unternehmen führen.4 Gesellschaftsrechtliche Beziehungen werden folglich durch kaufmännische und finanzielle Beziehungen nicht erfasst. Auch insoweit besteht eine Parallele zur Definition der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 5 AStG (vgl. Rz. 44). Denn zu einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG kann es nur kommen, wenn eine schuldrechtliche Beziehung, d.h. keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung, vorliegt. Unzweifelhaft kann daher die Zuführung von Nominalkapital in eine Tochtergesellschaft in Form einer gesellschaftsrechtlichen (offenen oder verdeckten) Einlage keine Geschäftsbeziehung begründen. Dies gilt im Übrigen auch für sog. weiche Patronatserklärungen.5 Hiervon abzugrenzen sind die sog. harten Patronatserklärungen, bei denen sich die Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern verpflichtet, die Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass sie ihren Verbindlichkeiten nachkommen kann. Als harte Patronatserklärung gilt auch die Verpflichtung, eine definierte Kapitalausstattung bei der Tochtergesellschaft aufrecht zu erhalten. Bei diesen harten Patronatserklärungen ist davon auszugehen, dass eine Geschäftsbeziehung und eine finanzielle Beziehung vorliegt. Der Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 ist damit eröffnet. Allerdings ist fraglich, ob der Ansatz einer Avalprovision dem Grunde nach in diesen Fällen gerechtfertigt ist.6 Denn die Muttergesellschaft verfügt über die Anteile an der Tochtergesellschaft und kann daher auf Grund ihrer beherrschenden Gesellschafterstellung das Risiko eines Schuldnerausfalls minimieren. Wenn auf Grund solcher rechtlicher oder tatsächlicher Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft kein praktischer Anwendungsraum für eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft besteht, ist die Verrechnung einer Avalprovision nicht gerechtfertigt. Mit einer analogen Begr. hat der BFH bei der Darlehensgewährung einer Mutter- an ihre Tochtergesellschaft entschieden, dass
1 Gl.A. Becker in Haase2, Art. 9 OECD-MA Rz. 18; a.A. Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 32.1. 2 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. 3 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 61. 4 Vgl. auch BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875 zu § 1 AStG a.F.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 476 (478) zu § 1 Abs. 5 AStG. 5 Vgl. Schnitger, IStR 2003, 73 (76). 6 Vgl. auch Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 767; Ditz, IStR 2009, 421 (422).
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 45–47 Art. 9
die Hingabe von Sicherheiten durch die Tochtergesellschaft nicht erforderlich ist.1 Nach dem Entwurf des JStG 20132 soll der Begriff der Geschäftsbeziehung gem. § 1 Abs. 5 AStG (nunmehr § 1 Abs. 4 AStG n.F.) neu definiert werden. Zwar sind in der geplanten Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG gesellschaftsvertragliche Regelungen weiterhin vom Begriff der Geschäftsbeziehung ausgenommen; allerdings soll die Geschäftsbeziehung nunmehr als „einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)“ definiert werden. Der Begriff der Geschäftsbeziehung in § 1 Abs. 4 AStG n.F. geht damit über den Rahmen einer „kaufmännischen oder finanziellen Beziehung“ i.S. einer schuldrechtlichen Leistungsbeziehung hinaus. Bei entsprechenden Einkünftekorrekturen nach § 1 Abs. 4 AStG n.F. ist daher die Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 zu beachten (vgl. Rz. 19 und 44).
V. Vereinbarte oder auferlegte Bedingungen Anerkennung der tatsächlichen Geschäftsbeziehungen. Im Rahmen der interna- 46 tionalen Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen ist von den tatsächlich abgewickelten Geschäftsvorfällen auszugehen.3 Eine Gewinnkorrektur auf Basis der Negierung oder Umqualifikation der tatsächlichen Liefer- und Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen ist daher grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen bestehen nach Ansicht der OECD nur in den Fällen, in denen sich der wirtschaftliche Gehalt eines Geschäftsvorfalls von seiner äußeren Form unterscheidet.4 Damit ist die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes darauf beschränkt, die Angemessenheit der zwischen den verbundenen Unternehmen in Bezug auf ihre kaufmännischen und finanziellen Beziehungen vereinbarten Bedingungen zu prüfen. Dabei muss die Entscheidung des Steuerpflichtigen über die Funktionsverteilung zwischen den verbundenen Unternehmen als gegeben angesehen werden. Sie steht außerhalb des Anwendungsbereichs des Fremdvergleichsgrundsatzes und ist steuerlich als organisatorischer Akt, der in der Dispositionsfreiheit des Unternehmens steht, zwingend anzuerkennen.5 Die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen wird auch von der Finanzverwaltung explizit anerkannt.6 Definition der Bedingung. Unter dem Ausdruck „vereinbarte Bedingungen“ ist 47 grundsätzlich alles zu subsumieren, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen und damit Gegenstand des schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den verbundenen Unternehmen ist.7 Der Begriff umfasst damit neben dem vereinbarten Preis sämtliche weiteren Geschäftsbedingungen (wie z.B. Lieferbedingungen, Zahlungskonditionen, Gewährleistungen, Gefahrenübergang). Die Bedingungen können dabei schriftlich, mündlich oder stillschweigend vereinbart werden.8 Da indessen – wie vorstehend in Rz. 46 dargestellt – die Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Verrechnungspreisprüfung das zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Geschäft anerkennen müssen, beschränkt sich faktisch die vereinbarte oder auferlegte Bedingung auf den zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarten (Verrechnungs-)Preis. Dies bedeutet, dass letztlich nur der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis einem Fremdvergleich zugänglich ist. Insoweit ist Art. 9 Abs. 1 enger als § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, wonach unter Bedingungen einer Geschäftsbeziehung „insbesondere Preise (Verrechnungspreise)“ zu verstehen sind. Im Umkehrschluss zeigt dies, dass sich § 1 Abs. 1 AStG nicht nur auf (Verrechnungs-)Preise, sondern auch auf alle weitere Bedingungen einer Geschäftsbeziehung 1 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, DStR 1995, 847; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 2 Zu Einzelheiten vgl. Rz. 44. 3 Vgl. Rz. 1.64 und 9.168 OECD-Leitlinien; Baumhoff/Puls, IStR 2009, 73 (76 f.); Werra, IStR 2009, 81 (82). 4 Vgl. Rz. 1.65 OECD-Leitlinien. 5 Vgl. BFH v. 18.12.1996 – I R 26/95, BHF/NV 1997, R 232; v. 20.3.2002 – I R 63/99, DStR 2002, 1348; Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 321 (324); Borstell, StbJb 2001/2002, 201 (221); Werra, IStR 1994, 483 (484). 6 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774 – Rz. 3.1. 7 Vgl. Rz. 1.2 OECD-Leitlinien. 8 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 66.
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Art. 9 Rz. 47–49
Verbundene Unternehmen
bezieht.1 Erfolgt daher auf Grund des § 1 Abs. 1 AStG eine Umqualifizierung oder Negierung von Verträgen bzw. vertraglicher Einzelbedingungen (z.B. Besicherung von Darlehen2) und wird darauf aufbauend eine Einkünftekorrektur durch einen Vertragsstaat vorgenommen, entfaltet Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 19). Dies gilt im Übrigen auch bei Einkünftekorrekturen auf Basis rein formaler Kriterien (vgl. Rz. 20 f.). 48
Abschreibungen auf Gesellschafterdarlehen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Auffassung der Finanzverwaltung abzulehnen, dass Teilwertabschreibungen auf unbesicherte Gesellschafterdarlehen unter bestimmten Voraussetzungen für Veranlagungszeiträume vor 20083 nach § 1 AStG zu korrigieren sind.4 Hiermit verfolgt die Finanzverwaltung eine Argumentation, welche bislang – soweit ersichtlich – nur vom FG Münster5 vertreten wurde. Als Begr. wird dabei auf die zur vGA ergangene BFHRspr. zurückgegriffen, wonach es mit dem Fremdvergleichsgrundsatz vereinbar ist, dass bei einem Darlehen an eine nachgeordnete Gesellschaft keine Sicherheiten gewährt werden, weil die Beteiligung für sich genommen eine ausreichende Sicherheit darstellt.6 Damit ist nach Auffassung des BFH bei Fehlen einer tatsächlichen Sicherheit der Zinssatz für Gesellschafter nicht anzupassen, sondern der Rückhalt im Konzern als fremdübliche Sicherheit anzuerkennen. Zwar erstreckt sich der Begriff der „Bedingung“ i.S.d. Art. 9 Abs. 1 und des § 1 Abs. 1 AStG auf sämtliche, einer kaufmännischen oder finanziellen Beziehung zu Grunde liegenden Geschäftsbedingungen. Damit kann auch die fehlende Besicherung eines Darlehens grundsätzlich sowohl von Art. 9 Abs. 1 als auch von § 1 Abs. 1 AStG erfasst werden.7 Beide Vorschriften lassen allerdings eine Korrektur der Bedingungen jedenfalls insofern nicht zu, als sie im Ergebnis zu einer Negierung der Geschäftsbeziehung insgesamt führen (vgl. Rz. 46). Folglich ist bei der steuerlichen Beurteilung eines Geschäftsvorfalls von dem tatsächlich abgewickelten Geschäft auszugehen, wie es zwischen den beiden verbundenen Unternehmen ausgestaltet wurde. Eine konsequente Anwendung des § 1 AStG bedeutet dann aber, dass die unternehmerische Disposition über die Risikoverteilung anzuerkennen ist und eine dementsprechende Bemessung eines fremdvergleichskonformen Zinssatzes zur Folge hat.8 Eine Korrektur der Bedingungen lässt demgegenüber weder Art. 9 Abs. 1 noch § 1 AStG zu. Insofern erfolgt die Einkünftekorrektur der Höhe nach stets unter Zugrundelegung eines konkreten Fremdvergleichspreises. Die Korrektur einer Teilwertabschreibung ist damit durch beide Vorschriften nicht gedeckt.
VI. Abweichung von einem Fremdvergleich 1. Begriff und Formen des Fremdvergleichsgrundsatzes a) Bedeutung des Fremdvergleichsgrundsatzes 49
Maßstab des Fremdvergleichs. Art. 9 Abs. 1 lässt eine Gewinnkorrektur durch die Vertragsstaaten zu, wenn im Hinblick auf die kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen (vgl. Rz. 43 ff.) zwischen verbundenen Unternehmen Bedingungen (vgl. Rz. 46 f.) vereinbart wurden, „die von denen abweichen, die unabhängige Unterneh-
1 Vgl. Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 709 (712). 2 Vgl. dazu BMF v. 29.3.2011 – IV B5 – S 1341/09, BStBl. 2011, 277. 3 Für Veranlagungszeiträume ab 2008 ist das Abzugsverbot gem. § 8b Abs. 3 Satz 4 ff. KStG i.d.F. des JStG 2008 v. 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150, zu beachten. Zur nicht möglichen Anwendung des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG a.F. für Veranlagungszeiträume bis 2007 vgl. BFH v. 14.1.2009 – I R 52/08, BStBl. II 2009, 674. 4 Vgl. BMF v. 29.3.2011 – IV B 5 – S 1341/09/10004, BStBl. I 2011, 277, und dazu Roser, GmbHR 2011, 841 ff.; Kaminski/Strunk, Stbg 2011, 246 ff.; Prinz/Scholz, FR 2011, 925 ff.; Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97 ff. 5 Vgl. FG Münster v. 22.2.2008 – 9 K 509/07 K, F, EFG 2008, 923 (rkr.). 6 Vgl. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, BFHE 176, 571; v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573. 7 Vgl. auch Ditz/Tcherveniachki, IStR 2009, 709 (712 f.); Prinz/Scholz, FR 2011, 925 (926); Ditz/ Liebchen, IStR 2012, 97 (102 f.). 8 Vgl. Ditz/Liebchen, IStR 2012, 97 (103).
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 49–51 Art. 9
men miteinander vereinbaren würden“. Damit bildet der Fremdvergleichsgrundsatz den zentralen Maßstab, an welchem sich eine Korrektur von Verrechnungspreisen zwischen verbundenen Unternehmen auszurichten hat. Der Fremdvergleichsgrundsatz dient dabei einerseits als Tatbestandsvoraussetzung, andererseits ist er auch Korrekturmaßstab der Höhe nach (vgl. Rz. 26). Er wird durch die OECD in den OECD-Leitlinien im Einzelnen konkretisiert (vgl. Rz. 27 ff.). b) Vergleichbarkeit der Verhältnisse Kriterien der Vergleichbarkeit. Die Durchführung eines Fremdvergleichs hat ihren 50 Ausgangspunkt in einem Vergleich der gruppeninternen Lieferungs- oder Leistungsbeziehungen mit den Vereinbarungen voneinander unabhängiger Unternehmen1 unter vergleichbaren Bedingungen. Neben der Unabhängigkeit der Geschäftspartner ist damit die Vergleichbarkeit der Verhältnisse das zentrale Merkmal eines Fremdvergleichs. Nach Auffassung der Rspr.,2 der Finanzverwaltung3 und der OECD4 ist eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse gegeben, wenn sich die Vergleichstatbestände nach ihrer Art, ihren Merkmalen, ihrem Umfang und den maßgeblichen Markt- bzw. Branchenverhältnissen entsprechen. Dabei sind insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: – Art, Ausgestaltung, Qualität und Umfang der Lieferungen und Leistungen; – allgemeine Marktverhältnisse, in denen die Lieferungen und Leistungen erstellt, genutzt, verbraucht oder veräußert werden; – Funktionen, die von den involvierten Unternehmen wahrgenommen werden, sowie die übernommenen Risiken und eingesetzten Mittel (Rz. 52 f.); – Marktstufe, auf der die Lieferungen und Leistungen ausgetauscht werden; – vereinbarte Vertrags- und Lieferbeziehungen; – Fristigkeit der Liefer- und Leistungsbeziehungen; – unternehmerische Zielvorstellungen sowie betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen der involvierten Unternehmen. Uneingeschränkte versus eingeschränkte Vergleichbarkeit. Eine Vergleichbarkeit 51 der Verhältnisse setzt – im Unterschied zur Identität – nicht voraus, dass die zu vergleichenden Transaktionen absolut deckungsgleich sind. Insbesondere ist im Hinblick auf die Verrechnungspreispraxis festzustellen, dass an das Kriterium der Vergleichbarkeit der Verhältnisse keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Dies zeigt bspw. die Durchführung von sog. Datenbankanalysen5 (vgl. Rz. 57 und 78), bei welchen häufig nur schwerlich geeignete Vergleichsunternehmen und -transaktionen ausfindig gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund hat es sich in der Praxis als sinnvoll erwiesen, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren.6 Dazu gehören neben den von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel, welche im Rahmen einer Funktions- und Risikoanalyse im Einzelnen zu ermitteln sind (vgl. Rz. 52 f.). Im Hinblick auf den Grad der Vergleichbarkeit unterscheidet § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 AStG zwischen „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit. Was unter „uneingeschränkter“ und „eingeschränkter“ Vergleichbarkeit zu verstehen ist, wird indessen gesetzlich nicht konkretisiert. Dies ist umso beachtlicher, als die Auswahl des 1 Unabhängige Unternehmen sind solche, welche nicht miteinander verbunden sind, vgl. dazu im Einzelnen Rz. 32 ff. 2 Vgl. BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 497; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.2.; v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.7. 4 Vgl. Rz. 1.38–1.63 OECD-Leitlinien. 5 Vgl. dazu Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 ff.; Scholz/Crüger, RIW 2005, 34 ff.; krit. Kolb, IWB F. 3 Gr. 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2010, 157 (160). 6 So zutreffend auch Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 (1939); Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 (136).
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Art. 9 Rz. 51–53
Verbundene Unternehmen
Verrechnungspreises bei Vorliegen einer Preisbandbreite von dieser Unterscheidung erheblich beeinflusst wird. Während bei uneingeschränkt vergleichbaren Werten jeder Wert innerhalb der durch die Vergleichswerte gebildeten Preisbandbreite gewählt werden kann,1 ist bei eingeschränkt vergleichbaren Werten die Preisbandbreite gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG einzuengen. Im Gegensatz zum innerstaatlichen Recht weist die OECD ausdrücklich darauf hin, dass die wirtschaftlich relevanten Gegebenheiten lediglich „ausreichend vergleichbar“ sein müssen.2 Dabei werden die Kategorien „uneingeschränkt vergleichbar“ und „eingeschränkt vergleichbar“ nicht verwendet. Die OECD unterscheidet vielmehr zwischen „relativ gleichem“3 und einem „geringeren“4 Vergleichbarkeitsgrad. Der Vergleichbarkeitsgrad ist dabei – im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 AStG – bezogen auf die jeweilige Verrechnungspreismethode zu bestimmen.5 c) Funktions- und Risikoanalyse 52
Bedeutung. Die Sicherstellung einer Vergleichbarkeit der Verhältnisse setzt im Rahmen der sog. Funktions- und Risikoanalyse eine detaillierte Untersuchung der von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen,6 der von diesen wahrgenommenen Risiken sowie die Feststellung der jeweils eingesetzten Produktionsmittel voraus.7 Neben der Funktionsverteilung ist dabei die Risikoverteilung zwischen den verbundenen Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil der Funktions- und Risikoanalyse. Häufig ergeben sich aus den ausgeübten Funktionen die vom entsprechenden Unternehmen getragenen Risiken.8 Ebenso wie die Funktionsallokation zwischen verbundenen Unternehmen erstreckt sich die Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen (vgl. Rz. 46) allerdings auch auf die Allokation von Risiken. Diese ergeben sich in der Regel aus den zwischen den verbundenen Unternehmen eingegangenen Verträgen. Fehlen solche, soll sich die Risikoverteilung nach Auffassung der OECD aus der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Beziehungen und ökonomischen Prinzipien – zu diesen rechnen auch Handelsbräuche – ergeben.9 Dabei ist zu beachten, dass unabhängige Unternehmen in der Regel nur solche Risiken tragen, die sie selbst kontrollieren können. Dabei soll „Kontrolle“ als Fähigkeit zur Entscheidung darüber verstanden werden, die in Frage stehenden Risiken zu übernehmen und das „Ob und Wie“ ihrer Kontrolle zu bestimmen.10 Entscheidend ist demgegenüber nicht, welche Partei die Risikoüberwachung im Tagesgeschäft vornimmt,11 sondern wer deren Ergebnisse bewertet und aus diesen Entscheidungen bzw. Handlungsbedürfnisse ableitet.
53
Unternehmenscharakterisierung. Die Funktions- und Risikoanalyse ist zwingender Bestandteil der Vergleichbarkeitsanalyse. Sie schafft die Voraussetzung dafür, die in die Geschäftsbeziehung involvierten verbundenen Unternehmen zu charakterisieren, „um zu klären, ob und welches der beteiligten Unternehmen Routinefunktionen ausübt, welches das wesentliche Unternehmensrisiko trägt und welches mehr als Routinefunktionen ausübt, ohne die wesentlichen Risiken zu tragen.“12 Dabei sind 1 Dies steht nicht im Einklang mit der Rspr. des BFH, wonach der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert der Preisbandbreite angesetzt werden kann. Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1554); Kaminski, RIW 2007, 594 (596). 2 Vgl. Rz. 1.33 OECD-Leitlinien. 3 Rz. 3.56 OECD-Leitlinien. 4 Rz. 3.2 und 3.56 f. OECD-Leitlinien. 5 Vgl. Rz. 1.37 OECD-Leitlinien. 6 Zum Begriff der Funktion im Einzelnen vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.1.1; Borstell/Schäperclaus, IStR 2008, 275 ff. 7 Vgl. Rz. 1.52 OECD-Leitlinien; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.1.3., 2.2.3., 2.4.4. Buchst. a und 2.2.4.; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.11.4. 8 Vgl. auch Rz. 1.47 OECD-Leitlinien. 9 Vgl. Rz. 9.11 OECD-Leitlinien. 10 Vgl. Rz. 9.23 OECD-Leitlinien. 11 Vgl. Rz. 9.24 OECD-Leitlinien sowie die Beispiele in Rz. 9.25–9.27 OECD-Leitlinien. Vgl. ferner Werra, IStR 2009, 81 (83 f.). 12 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 53–54 Art. 9
nach Auffassung der Finanzverwaltung die drei folgenden Unternehmenstypen zu unterscheiden: – Routineunternehmen üben lediglich sog. Routinefunktionen (vgl. Rz. 80) aus, tragen geringe Risiken und setzen nur in geringem Umfang (immaterielle) Wirtschaftsgüter ein.1 Als Routinefunktionen werden beispielhaft die Erbringung konzerninterner, marktgängiger Dienstleistungen (vgl. Rz. 109), die Lohnfertigung (vgl. Rz. 87) sowie einfache Vertriebsfunktionen wie Kommissionär und sog. „Low Risk Distributor“ (vgl. Rz. 92 f.) verstanden. Sie erzielen im gewöhnlichen Geschäftsverlauf keine Verluste, sondern regelmäßig geringe, aber relativ stabile Gewinne. Dies heißt indessen nicht, dass sie per se verlustfrei agieren müssen.2 – Der Entrepreneur bzw. Strategieträger verfügt über die zur Durchführung von Geschäften wesentlichen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, übt erfolgskritische Funktionen aus und trägt die wesentlichen unternehmerischen Risiken.3 Dem Strategieträger sind die aus einem Geschäft resultierenden Residualgewinne oder -verluste zuzuordnen. – Unternehmen, die weder als Routineunternehmen noch als Strategieträger eingeordnet werden können, stellen sog. Mittelunternehmen oder Hybridunternehmen dar.4 Bei den Mittelunternehmen handelt es sich um einen spezifischen Begriff der deutschen Finanzverwaltung, welcher weder von den OECD-Leitlinien erwähnt wird noch in anderen Staaten Verwendung findet.5 Dies ist insofern nachvollziehbar, als auch die Betriebswirtschaftslehre einen derartigen Unternehmenstyp nicht kennt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind bei Mittelunternehmen – soweit die Preisvergleichsmethode keine Anwendung finden kann – die Verrechnungspreise auf Grund von „Planrechnungen“ zu ermitteln.6 Dies soll dergestalt erfolgen, dass die Gewinnkomponente von Verrechnungspreisen u.a. auf Basis von Renditeziffern funktional vergleichbarer Unternehmen in dem entsprechenden Geschäftsbereich bestimmt wird. d) Bandbreitenbetrachtung Bandbreite angemessener Preise. In seinem Grundsatzurteil zu Verrechnungs- 54 preisen vom 17.10.20017 kommt der BFH zum Ergebnis, dass es den „einen“, richtigen Fremdvergleichspreis nicht gibt, sondern es nur eine Bandbreite von Preisen geben kann.8 Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung ergibt sich bei der Ermittlung von Fremdvergleichspreisen „regelmäßig eine Reihe möglicher Werte“.9 Sowohl die Rspr. des BFH als auch die Finanzverwaltung erkennen folglich an, dass die Ermittlung von Verrechnungspreisen nur innerhalb von Bandbreiten erfolgen kann. Dies ist insoweit zutreffend, als auch am Markt für vergleichbare Güter bzw. vergleichbare Dienstleistungen unterschiedliche Preise vereinbart werden. So ist es beispielsweise beim Kauf von bestimmten Waren, deren Preise nicht in – öffentlich zugänglichen – Preislisten festgehalten sind, typisch, dass die Anbieter unterschiedliche Preise für die gleiche Ware verlangen. Bei der Preisfestlegung kann es dabei z.B. auf die ökonomische Bedeutung des Nachfragers, seine Zahlungsbereitschaft, seine Marktmacht, seine Bereitschaft zur langfristigen Abnahme, die Möglichkeit zur Ausnutzung von Informations-
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. a; Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2011, 102 f. 2 Vgl. Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts, 5 f.; Baumhoff in FS Krawitz, 35. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. b). 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. c). 5 Vgl. auch Rasch in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 5.3 Anm. 32; Rasch/Rettinger, BB 2007, 353 (354). 6 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. c). 7 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 und dazu im Einzelnen Wassermeyer, DB 2001, 2465 ff.; Baumhoff, IStR 2003, 2; Kuckhoff/Schreiber, IWB F. 3 Gr. 1, 863 ff. 8 Vgl. auch Rz. 1.13 OECD-Leitlinien. 9 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.5. Buchst. a und dazu im Einzelnen Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1554.
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Art. 9 Rz. 54–57
Verbundene Unternehmen
asymmetrien etc. ankommen. Ferner können auch persönliche oder sachliche Präferenzen eines Nachfragers dazu führen, dass ein höherer Preis im Vergleich zu einem anderen Nachfrager durchgesetzt werden kann. Dabei kann weder der eine noch der andere Preis als „der richtige“ Preis für die betreffende Ware bzw. Dienstleistung bezeichnet werden. Vielmehr existiert eine Bandbreite von Marktpreisen. Folglich kann auf Grund der Unvollkommenheit der Märkte, der Vielgestaltigkeit unternehmerischer Strategien sowie unterschiedlicher ökonomischer Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ein mathematisch genau fixierbarer Preis nicht abgeleitet werden. Es lässt sich vielmehr lediglich eine Bandbreite angemessener Preise feststellen. e) Arten des Fremdvergleichs aa) Tatsächlicher Fremdvergleich 55
Innerbetrieblicher Vergleich. Der tatsächliche Fremdvergleich, der allgemein als der „klassische Fall“ des Fremdvergleichs angesehen wird, orientiert sich zur Ermittlung von Verrechnungspreisen an tatsächlich am Markt feststellbaren Preisen, die zwischen nicht verbundenen Unternehmen (vgl. Rz. 35 ff.) unter vergleichbaren oder ähnlichen Verhältnissen getroffen wurden. Der tatsächliche Fremdvergleich, der von der OECD als „die direkteste und verlässlichste Methode für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes“1 bezeichnet wird, lässt sich in Form eines innerbetrieblichen (internen) oder eines zwischenbetrieblichen (externen) Vergleichs durchführen. Ein innerbetrieblicher Vergleich ist immer dann möglich, wenn das verbundene Unternehmen die gleiche Lieferung bzw. Leistung sowohl mit verbundenen als auch mit unverbundenen Geschäftspartnern austauscht. Liefert beispielsweise eine Konzern-Produktionsgesellschaft die von ihr hergestellten Produkte sowohl an externe Händler als auch an eine Konzern-Vertriebsgesellschaft, kann der mit den externen Händlern vereinbarte Preis als Verrechnungspreis für die Lieferungen an die Konzern-Vertriebsgesellschaft herangezogen werden. Dies allerdings nur dann, wenn vergleichbare Verhältnisse vorliegen (vgl. Rz. 50 f.). Sind die Voraussetzungen für einen innerbetrieblichen Vergleich erfüllt, stellt diese Art des tatsächlichen Fremdvergleichs die theoretisch exaktere und in der Durchführung zweckmäßigste Verfahrensweise zur Ermittlung fremdvergleichskonformer Verrechnungspreise dar. Die besondere Eignung des innerbetrieblichen Vergleichs ergibt sich dabei aus der Einbeziehung des verbundenen Unternehmens in den Vergleichstatbestand. Dies ist insofern vorteilhaft, als sowohl die Möglichkeit einer Beachtung der Konzernzugehörigkeit durch die Berücksichtigung innerbetrieblicher Einflussfaktoren als auch die einer relativ problemlosen Ermittlung der relevanten Vergleichsdaten aus den Unterlagen des betreffenden Unternehmens besteht.
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Außerbetrieblicher Vergleich. Als Vergleichstatbestände des zwischenbetrieblichen Vergleichs dienen Vereinbarungen, die zwischen zwei nicht verbundenen Unternehmen am Markt für vergleichbare Lieferungen oder Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen (vgl. Rz. 50 f.) festgelegt wurden. Der Unterschied zum innerbetrieblichen Vergleich liegt darin, dass der Ursprung der zu Grunde zu legenden Vereinbarungen außerhalb des Einflussbereichs der involvierten verbundenen Unternehmen liegt.
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Bedeutung von Datenbankanalysen. Der praktischen Anwendung des tatsächlichen Fremdvergleichs sind sehr enge Grenzen gesetzt. Das wesentliche Problem besteht dabei in der Identifikation geeigneter „unabhängiger“ Vergleichstransaktionen bzw. Vergleichsunternehmen, die das Kriterium der Vergleichbarkeit der Verhältnisse (vgl. Rz. 50 f.) erfüllen. Dies gestaltet sich oftmals äußerst problematisch, da einerseits nicht alle die Vergleichbarkeit bestimmenden Einflussfaktoren übereinstimmen bzw. ähnlich sind und andererseits vergleichbare Transaktionen entweder nur in der betrachteten oder nur innerhalb einer anderen Unternehmensgruppe, aber nicht zwischen unverbundenen Unternehmen ausgetauscht werden. Die Probleme des tatsächlichen Fremdvergleichs werden dabei insbesondere bei Datenbankanalysen of-
1 Vgl. Rz. 2.14 OECD-Leitlinien.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 57–58 Art. 9
fensichtlich. Bei diesen werden die den Verrechnungspreis determinierenden Parameter (z.B. Gewinnmargen, Renditekennziffern, Profitabilitätskennziffern) aus einer Datenbank, in welcher wirtschaftliche Kennziffern von privaten und börsennotierten Unternehmen enthalten sind, abgeleitet.1 Problematisch ist hier vor allem die Ermittlung von unabhängigen Unternehmen, die hinreichend mit dem zu beurteilenden verbundenen Unternehmen vergleichbar sind. Folglich kann häufig nur eine relativ geringe Anzahl von Vergleichsunternehmen identifiziert werden, so dass es in der Praxis sinnvoll ist, die Vergleichsfaktoren auf die wesentlichen preis- und gewinndeterminierenden Faktoren zu reduzieren. Dazu gehören die von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, die von ihnen getragenen Risiken sowie die von ihnen eingesetzten Produktionsmittel (insbesondere in Form von immateriellen Wirtschaftsgütern). Ein weiteres Problem der Datenbankanalysen besteht darin, dass häufig eine Vergleichbarkeit der Markt- und Branchenverhältnisse nicht gewährleistet werden kann. So wird bei Datenbankanalysen ein Beobachtungszeitraum von drei bis fünf Jahren zu Grunde gelegt. Sind die in diesem Zeitraum vorherrschenden Markt- und Wettbewerbsverhältnisse nicht mit denen vergleichbar, die der zu bepreisenden Transaktion zwischen verbundenen Unternehmen zu Grunde liegen (z.B. in Zeiten der Finanzmarktkrise und der ihr nachfolgenden Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009), sind die gewonnenen Daten nicht bzw. nur eingeschränkt verwertbar, weil die ermittelten Vergleichsdaten nicht auf vergleichbaren Verhältnissen beruhen.2 Dieser Umstand schränkt die Anwendung von Datenbankanalysen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Volatilität der Wirtschaftsentwicklung – erheblich ein. Möglicherweise kann dieses Defizit über die Ausdehnung des Beobachtungszeitraums gelöst werden (z.B. um Rezessions- bzw. Wachstumsphasen mit zu berücksichtigen).3 bb) Hypothetischer Fremdvergleich Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters. Unumstritten ist, dass ei- 58 nem tatsächlichen Fremdvergleich grundsätzlich Vorrang vor anderen Vergleichsverfahren einzuräumen ist (vgl. Rz. 55).4 Ein tatsächlicher Fremdvergleich erweist sich allerdings immer dann als nicht durchführbar, wenn es an einer effektiven Vergleichsmöglichkeit am Markt zwischen unabhängigen Vertragspartnern fehlt. In diesem Fall besteht die Notwendigkeit, die Verrechnungspreisermittlung auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs durchzuführen. Dem hypothetischen Fremdvergleich, dessen Ursprung in der Rspr. des BFH zur vGA5 liegt und durch den Gesetzgeber im Rahmen des UntStRefG 20086 in § 1 Abs. 1 und 3 AStG übernommen wurde, liegt die sog. „Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters“ zu Grunde. Danach ist ein Verrechnungspreis als angemessen anzusehen, wenn er für eine bestimmte Lieferungs- oder Leistungsbeziehung auch zwischen zwei ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern vereinbart worden wäre. Der Verrechnungspreisermittlung wird damit das Normverhalten zweier ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu Grunde gelegt. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erfährt dadurch als objektivierender Bezugspunkt eine eigenständige Bedeutung,
1 Zu den üblicherweise angewandten Datenbanken und deren Merkmalen vgl. auch Vögele/Crüger in V/B/E, Verrechnungspreise3, H Rz. 28 ff.; Rehkugler/Vögele, BB 2002, 1937 ff.; Oestreicher, StuW 2006, 243 ff.; Oestreicher/Duensing, IStR 2005, 134 ff. 2 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 21 (38); Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, 5 f.; s. ferner Engler, IStR 2009, 685 ff. 3 Vgl. auch Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2010, 157 (160). 4 Vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG; Rz. 2.14 OECD-Leitlinien; Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.304; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464); differenzierend Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 190 ff. 5 Vgl. nur BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. II 1996, 383; v. 19.5.1998 – I R 36/97, BStBl. II 1998, 689; v. 24.4.2002 – I R 18/01, DStR 2002, 1614; v. 17.2.2010 – I R 97/08, BFH/NV 2010, 1307. 6 Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912.
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Art. 9 Rz. 58–60
Verbundene Unternehmen
was letzten Endes auf eine Angemessenheitsprüfung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien hinausläuft.1 59
Einigungsbereich. Auch im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs ist eine Bandbreitenbetrachtung in Form der Ermittlung eines sog. Einigungsbereichs durchzuführen. Der Einigungsbereich findet seine Untergrenze in dem Mindestpreis des liefernden oder leistenden Unternehmens und dem Höchstpreis des Lieferungsoder Leistungsempfängers. Demnach müssen zur Bestimmung des Einigungsbereichs im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs die individuellen Preisgrenzen sowohl des leistenden als auch des empfangenden Unternehmens ermittelt werden. Zu der Frage, wie ein derart ermittelter Einigungsbereich zwischen den Vertragsparteien aufzuteilen ist, ordnet § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG an, dass der Preis zu Grunde zu legen ist, der dem Fremdvergleichsgrundsatz „mit der höchsten Wahrscheinlichkeit“ entspricht. Wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zu Grunde zu legen. Kann also ein Wert mit der höchsten Wahrscheinlichkeit nicht ermittelt werden, ist – widerlegbar – auf den Mittelwert abzustellen. Eine solche hälftige Aufteilung des Einigungsbereichs ergibt sich auch aus den sog. Zinsurteilen des BFH2 (Rz. 99) sowie aus der Rspr. zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger (Rz. 89).3
60
Verhältnis zu Art. 9. Fraglich ist, ob die durch § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 AStG normierte und die im Rahmen der Rspr. des BFH zur vGA konkretisierte Auslegung des hypothetischen Fremdvergleichs mit Art. 9 Abs. 1 vereinbar ist. Hierzu ist zunächst zu konstatieren, dass der hypothetische Fremdvergleich international wenig bekannt ist.4 Allerdings belegt bereits der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 „vereinbaren würden“, dass der dort niedergelegte Fremdvergleich auf einem hypothetischen Denkmodell aufbaut. Denn insoweit wird eine Unabhängigkeit fiktiv unterstellt, die tatsächlich nicht besteht.5 Vor diesem Hintergrund wird bereits auf Basis des Wortlauts des Art. 9 Abs. 1 deutlich, dass die Norm nicht nur einen tatsächlichen Fremdvergleich, sondern auch ein hypothetisches Denkmodell eines Preissimulationsprozesses zwischen zwei unabhängigen Unternehmen (im hypothetischen Fremdvergleich vertreten durch jeweils einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter) erfasst. Im Übrigen verweisen auch die OECD-Leitlinien im Hinblick auf die Nachweisführung bei Verrechnungspreisprüfungen auf die „Grundsätze einer gewissenhaften Geschäftsleitung“ bzw. die Grundsätze „des gewissenhaften Geschäftsleiters“.6 Schließlich erwähnt die OECD im Zusammenhang mit der Bestimmung von Fremdvergleichspreisen für Rechte an immateriellen Wirtschaftsgütern, dass die Sichtweisen sowohl des Käufers wie auch des Verkäufers zu berücksichtigen sind.7 Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der hypothetische Fremdvergleich im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG und der BFH-Rspr. zur vGA durch Art. 9 Abs. 1 „gedeckt“ ist.8
1 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 107 ff.; Roeder, Ubg 2008, 202 (204 f.); BMF v. 13.10.2010 – IV B 4 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 3.2. 2 Vgl. BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649. 3 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, IStR 2006, 794; Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 ff. 4 In der Literatur lassen sich insoweit nur Verweise auf Frankreich finden. Vgl. Sinz, IStR 2002, 194 (195); Becker in FS Döllerer, 19 ff. 5 So auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 127. 6 Vgl. Rz. 5.4, 5.6, 5.11 und 8.41 OECD-Leitlinien. 7 Vgl. Rz. 9.81, 9.85 sowie 6.14 OECD-Leitlinien. 8 Vgl. auch Wassermeyer, GmbHR 1998, 157 (162); Wassermeyer in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 14; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 126 f.; Baumhoff in FS Flick, 633 (639 f.).
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 61–62 Art. 9
2. Methoden der Verrechnungspreisermittlung a) Klassische Methoden aa) Rangfolge der klassischen Methoden Auffassung der OECD. Zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise kom- 61 men grundsätzlich die drei klassischen Methoden in Form der Preisvergleichs-, der Wiederverkaufspreis- und der Kostenaufschlagsmethode in Betracht. Diese drei Methoden werden sowohl von der Finanzverwaltung1 und der Rspr.2 als auch der OECD3 als die gängigen Ermittlungsmethoden zur Ermittlung angemessener Verrechnungspreise angesehen. Nach den OECD-Leitlinien 1995/96 waren noch diese klassischen Methoden vorrangig anzuwenden, wobei die Preisvergleichsmethode über die anderen klassischen Methoden dominierte4 und die Wiederverkaufspreis- sowie die Kostenaufschlagsmethode in keinem hierarchischen Über- bzw. Unterordnungsverhältnis gesehen wurden.5 Die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden wurden lediglich als nachrangig anwendbare Hilfsmethoden anerkannt. In den revidierten OECD-Leitlinien 2010 wurde dieses strenge Hierarchieverhältnis in der Methodenrangfolge aufgegeben.6 Damit werden durch die OECD den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden (TNMM (vgl. Rz. 77 ff.) und Profit Split (vgl. Rz. 81)) anstelle ihres Ausnahmecharakters als „Method of last Resort“ ein ihrer zunehmenden praktischen Relevanz entsprechender Status zugebilligt. Statt einer strengen Methodenhierarchie kommt nunmehr – bezogen auf die einzelne Liefer- oder Leistungsbeziehung – die „geeignetste Methode“ („most appropriate method“) zum Tragen.7 Dies erfordert eine Abwägung der Stärken und Schwächen der jeweiligen Verrechnungspreismethode in Bezug auf die zu bewertende Lieferungs- oder Leistungsbeziehung, wobei folgende Kriterien zu berücksichtigen sind:8 – Die Eignung der Methode im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion, wie er sich insbesondere nach der Funktions- und Risikoanalyse darstellt, – die Verfügbarkeit hinreichend verlässlicher Daten (insbesondere Fremdvergleichsdaten) und – der Grad der Vergleichbarkeit von gruppeninternen Transaktionen und Vergleichstransaktionen (nach etwaigen Anpassungsrechnungen). Sind nach der Vergleichbarkeitsanalyse und nach der Informationsverfügbarkeit die klassischen Verrechnungspreismethoden und die Gewinnmethoden nebeneinander gleich zuverlässig anwendbar, gebührt nach Auffassung der OECD den klassischen Methoden der Vorrang.9 Auffassung der Finanzverwaltung. Ein Rangfolgeverhältnis der Verrechnungspreis- 62 methoden ist im innerstaatlichen Recht nicht geregelt. Zwar stellt § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG ein gesetzliches Stufenverhältnis zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich auf;10 dieses regelt allerdings nur das Verhältnis zwischen tatsächlichem Fremdvergleich (unter Berücksichtigung uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbarer Fremdvergleichswerte) und dem hypothetischen Fremdvergleich. Eine Rangfolge der klassischen Verrechnungspreismethoden untereinander bzw. zwischen 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3 Buchst. a. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Wassermeyer, WPg 2002, 10 (14). 3 Vgl. Rz. 2.12 ff. OECD-Leitlinien. 4 Vgl. Rz. 2.5 und 2.7 OECD-Leitlinien 1995/96. 5 Nach Rz. 2.7, 2.16 und 2.34 f. OECD-Leitlinien 1995/96 war die Methodenrangfolge vielmehr am Referenzmaßstab des Fremdvergleichs zu messen und die Methode zur Anwendung zu bringen, die diesem am ehesten entspricht. 6 Zur Revision der OECD-Leitlinien vgl. Förster, IStR 2009, 720 ff.; Förster, IStR 2011, 20 ff.; Rasch/Feistle, IWB 2009, 982 ff.; Kurzewitz, IWB 2010, 95 ff.; Luckhaupt, Ubg 2010, 646 ff. 7 Vgl. Rz. 2.3 OECD-Leitlinien. 8 Vgl. Rz. 2.3 OECD-Leitlinien. 9 Vgl. Rz. 2.4 OECD-Leitlinien. 10 Zu Einzelheiten vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1462).
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Art. 9 Rz. 62–64
Verbundene Unternehmen
den klassischen Methoden einerseits und den Gewinnmethoden andererseits wird insofern nicht geregelt. Auch die Finanzverwaltung schreibt grundsätzlich keine bestimmte Rangfolge der Anwendung der Methoden vor;1 vielmehr sind die klassischen Methoden – wie im Übrigen vom BFH vorgesehen2 – als untereinander gleichrangig zu betrachten. Infolgedessen ist die Methodenwahl des Unternehmens von der Finanzverwaltung immer dann anzuerkennen, wenn diese nach Art und Anwendung in Bezug auf den betreffenden Sachverhalt sachgerecht ist.3 Sofern die Methodenwahl des Unternehmens zulässig ist, kann die Finanzverwaltung dieser nicht ihre eigene, davon abweichende Methodenwahl entgegensetzen. Dabei ist zu beachten, dass die Finanzverwaltung von einem grundsätzlichen Vorrang der klassischen Methoden vor den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden ausgeht (vgl. Rz. 75 f.). bb) Preisvergleichsmethode 63
Anwendungsform des tatsächlichen Fremdvergleichs. Die Preisvergleichsmethode orientiert sich zur Bestimmung von Verrechnungspreisen an Entgelten, die bei vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten am Markt vereinbart werden (sog. Marktpreise).4 Damit ist die Preisvergleichsmethode methodisch dem tatsächlichen Fremdvergleich (vgl. Rz. 55 ff.) zuzuordnen. Entsprechend der Unterteilung des tatsächlichen Fremdvergleichs in einen innerbetrieblichen und einen zwischenbetrieblichen Vergleich ist auch im Rahmen der Anwendung der Preisvergleichsmethode zwischen einem inneren Preisvergleich (betriebsindividuelle Preise) und einem äußeren Preisvergleich (markt- oder branchenübliche Preise) zu unterscheiden. Wichtigste Voraussetzung für die Anwendung der Preisvergleichsmethode ist dabei die Vergleichbarkeit der Verhältnisse (vgl. Rz. 50 f.). So fordert auch der BFH, dass die Preise „auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen.“5 Mit dieser Forderung nach einer Identität der Leistungsbeziehungen werden allerdings zu hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Verhältnisse gestellt. Vergleichbarkeit bedeutet nämlich keine Identität, also Deckungsgleichheit der Verhältnisse. Vielmehr ist eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse bereits dann gewährleistet, wenn die Vergleichsobjekte ähnlich in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale sind.6
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Innerer und äußerer Preisvergleich. Ein innerer Preisvergleich setzt voraus, dass ein verbundenes Unternehmen die gleiche Lieferung oder Leistung unter vergleichbaren Verhältnissen sowohl gegenüber verbundenen wie auch gegenüber unverbundenen Unternehmen erbringt bzw. sowohl von verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen erhält. Damit erweist sich der innere Preisvergleich immer dann als besonders geeignet, wenn ein verbundenes Unternehmen die entsprechende Lieferungs- oder Leistungsbeziehung sowohl zu verbundenen wie auch unverbundenen Unternehmen unterhält. Der äußere Preisvergleich stellt demgegenüber im Rahmen eines zwischenbetrieblichen Vergleichs auf den Liefer- und Leistungsverkehr zwischen fremden Unternehmen (z.B. der gleichen Branche) ab. Als Vergleichstatbestände dienen dabei Vereinbarungen, die zwischen zwei unabhängigen Geschäftspartnern, wobei keiner dem betrachteten Unternehmensverbund angehört, für vergleichbare Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen festgelegt werden. Der äußere Preisvergleich kommt insbesondere für solche Marktpreise in Betracht, die anhand von Börsennotierungen, branchenüblichen Preisen oder Verträgen zwischen unabhängigen
1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.1. 2 Nach der BFH-Rspr. stehen die klassischen Methoden „gleichberechtigt nebeneinander“, vgl. BFH v. 17.10.2001– I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Wassermeyer, WPg 2002, 10 (14). 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.1. Satz 2. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.2.; Rz. 2.13 ff. OECDLeitlinien. 5 BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 1307, und dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592 ff. 6 Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.7; Baumhoff/ Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1555 f.).
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 64–67 Art. 9
Dritten festgestellt werden können. Ferner kann ein äußerer Preisvergleich auch auf Basis einer Datenbankanalyse, wie z.B. der Lizenzkartei des Bundeszentralamtes für Steuern, durchgeführt werden. So ist auch nach Auffassung des BFH die Verwertung von anonymisierten Vergleichsdaten („secret comparables“) zur Durchführung eines äußeren Preisvergleichs grundsätzlich zulässig.1 Der Beweiswert solcher anonymisierten Vergleichsdaten ist allerdings davon abhängig, ob die verwendete Datenbank qualitativen Mindestanforderungen genügt.2 Anwendungsbereiche. Die Anwendung der Preisvergleichsmethode, die allgemein 65 als das ideale Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen angesehen wird (vgl. Rz. 55), ist in der Praxis häufig problematisch. Denn trotz der Existenz von markt- oder branchenüblichen Preisen scheitert ein konkreter Preisvergleich häufig an der Tatsache, dass eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse auf Grund der Unvollkommenheit der Märkte im konkreten Einzelfall nicht nachgewiesen werden kann. Ein weiteres Anwendungsproblem der Preisvergleichsmethode besteht darin, dass vergleichbare Geschäftsbeziehungen zwischen fremden Dritten vielfach nicht identifiziert werden können, weil insbesondere konzernspezifische Lieferungen und Leistungen am Markt nicht erhältlich sind. Dies gilt insbesondere für Management-Dienstleistungen, Leistungen und Lizenzgebühren im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie für konzernspezifische Finanzierungsleistungen. In der Praxis hat sich daher bei Anwendung der Preisvergleichsmethode durchgesetzt, das Vergleichbarkeitskriterium auf die wesentlichen preisdeterminierenden Parameter zu beschränken (vgl. Rz. 50). Ferner ist die Preisvergleichsmethode auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige den Marktpreis über verbindliche Angebote von fremden Dritten nachweisen kann (z.B. im Zusammenhang mit marktüblichen Dienstleistungen oder bei Zinssätzen).3 cc) Wiederverkaufspreismethode Retrograde Verrechnungspreisermittlung. Die Wiederverkaufspreismethode ist 66 anwendbar, wenn ein verbundenes Unternehmen an ein anderes verbundenes Unternehmen Lieferungen oder Leistungen erbringt und diese Lieferungen oder Leistungen danach an konzernexterne Dritte weiterveräußert werden.4 Der Marktpreis bei Wiederverkauf der Lieferung oder Leistung an unabhängige Dritte bildet damit die Ausgangsbasis der Wiederverkaufspreismethode. Er wird üblicherweise ex ante auf Planbasis ermittelt (z.B. als „strategischer Marktpreis“), was nicht ausschließt, dass der Wiederverkaufspreis auch auf Basis von Ist-Werten bestimmt werden kann. Der angemessene Verrechnungspreis wird damit ausgehend vom Wiederverkaufspreis auf retrogradem Weg durch Subtraktion bestimmt. Marktpreis bei Wiederverkauf an Fremde (Wiederverkaufspreis) ./. marktübliche Handelsspanne des Wiederverkäufers = Verrechnungspreis Ermittlung Handelsspanne. Die marktübliche Handelsspanne5 kann anhand eines 67 tatsächlichen (vgl. Rz. 55 ff.) oder – subsidiär hierzu – eines hypothetischen Fremdvergleichs (vgl. Rz. 58 ff.) bestimmt werden. Nach dem tatsächlichen Fremdvergleich ist die Handelsspanne aus Handelsspannen, wie sie bei Geschäften zwischen unabhängigen Dritten Anwendung findet, zu berechnen. Die Verrechnungspreispraxis zeigt allerdings, dass sowohl ein externer als auch ein interner Betriebsvergleich zur 1 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Kuckhoff/Schreiber, IWB F. 3 Gr. 1, 1871 ff. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12.4.; Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Verf. Anm. 2012 ff.; Kolb, IWB F. 3 Gr. 1, 2391 ff. 3 Vgl. auch BMF v. 15.12.1994 – IV B 7 – S 2742a – 63/94, BStBl. I 1995, 25, Rz. 61. 4 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.3.; Rz. 2.20 ff. OECDLeitlinien. 5 Vgl. Rz. 2.28 ff. OECD-Leitlinien.
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Art. 9 Rz. 67–70
Verbundene Unternehmen
Ermittlung der angemessenen Handelsspanne in der Regel an fehlenden Vergleichsunternehmen scheitert. Vor diesem Hintergrund kommt zur Ermittlung der Handelsspanne dem hypothetischen Fremdvergleich eine zentrale Bedeutung zu. Dabei wird die Handelsspanne aus den Kosten des Vertreibers zuzüglich einer angemessenen Umsatzrendite abgeleitet. Insoweit ist es zur Ermittlung der angemessenen Handelsspanne erforderlich, die Kosten – insbesondere in Form der Vertriebs- und allgemeinen Verwaltungskosten – des Vertreibers zu bestimmen und diese um einen angemessenen Gewinnaufschlag bzw. angemessene Umsatzrendite1 zu erhöhen. Eine solche Kombination der Wiederverkaufspreis- und der Kostenaufschlagsmethode ist zulässig.2 Die OECD spricht insoweit allerdings nicht mehr von der Wiederverkaufspreismethode, sondern von der TNMM (vgl. Rz. 76 ff.).3 68
Anwendungsbereiche. Der Hauptanwendungsbereich der Wiederverkaufspreismethode liegt in der Verrechnungspreisermittlung für Lieferungen an Vertriebsgesellschaften. So sieht auch der BFH bei Lieferungen an eine als Eigenhändler zu qualifizierende Vertriebsgesellschaft „regelmäßig“ die Anwendung der Wiederverkaufspreismethode vor.4 Dies entspricht der Auffassung sowohl der deutschen Finanzverwaltung5 als auch der OECD.6 Wird das durch die entsprechende Vertriebsgesellschaft veräußerte Produkt vor seinem Weiterverkauf bearbeitet, weiterentwickelt oder in anderer Weise verändert, muss diese zusätzliche Wertschöpfung im Rahmen der Handelsspanne erfasst werden. Solche Tätigkeiten der Vertriebsgesellschaft dürfen allerdings nicht so weit reichen, dass dadurch ein neues Produkt entsteht. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen der Wiederverkaufspreismethode nicht erfüllt. dd) Kostenaufschlagsmethode
69
Kostenaufschlagsmethode als „ultima ratio“. Bei der Kostenaufschlagsmethode wird der Verrechnungspreis dadurch bestimmt, dass zunächst die Selbstkosten des liefernden oder leistenden Unternehmens ermittelt und anschließend um einen angemessenen Gewinnaufschlag erhöht werden.7 Die Kostenaufschlagsmethode findet insbesondere in solchen Fällen Anwendung, in denen für die konzerninterne Lieferung oder Leistung keine Marktpreise ermittelt, und folglich weder die Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 63 ff.) noch die Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 66 ff.) angewendet werden können. Sie findet dabei häufig im Bereich der Routineunternehmen (vgl. Rz. 53)8 sowie bei Dienstleistungen (vgl. Rz. 112) und der Lieferung von Halbfertigprodukten Anwendung.
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Kostenbasis. Nach dem Grundsatz des Fremdvergleichs ist die Kostenbasis anhand von Kalkulationsmethoden zu ermitteln, die der Liefernde oder Leistende auch bei seiner Preispolitik gegenüber Fremden zu Grunde legt bzw. die den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen.9 Ausgangspunkt der Ermittlung der Kostenbasis sind damit die Vollkosten (Einzel- und Gemeinkosten), die durch die Herstellung und Lieferung des Produkts bzw. die Erbringung der Dienstleistung verursacht sind. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter wird immer bestrebt sein, die Kosten seiner Lieferung oder Leistung in vollem Umfang zu decken und darüber hinaus einen Gewinn zu erwirtschaften. In bestimmten Ausnahmefällen kann die Kostenbasis allerdings auch auf Basis von Teilkosten – z.B. auf Grundlage einer Deckungsbeitragsrechnung – ermittelt werden, wenn dies betriebswirtschaftlich 1 Diese wird üblicherweise auf Basis einer Datenbankanalyse ermittelt. 2 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.4.2.; Rz. 2.31 OECD-Leitlinien. 3 Vgl. OECD, Transfer Pricing Methods, Paris Juli 2010, Rz. 14 ff. 4 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 5 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.3. Beispiel 1. 6 Vgl. Rz. 2.20 ff. OECD-Leitlinien. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.4.; Rz. 2.39 ff. OECDLeitlinien. 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.2.2.1. 9 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.2.4.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 70–73 Art. 9
sinnvoll ist und auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter vergleichbaren Umständen lediglich Teilkosten verrechnet hätte. So widerspricht es z.B. nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Geschäftsführung, wenn zur Erschließung neuer bzw. Erweiterung bestehender Märkte oder bei vorübergehender Unterbeschäftigung zur Ausnutzung freier Kapazitäten Teilkosten zur Maximierung des Deckungsbeitrags verrechnet werden.1 Sowohl im Rahmen der Vollkosten- als auch im Rahmen der Teilkostenrechnung steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob er die Vollkosten auf Plan-, Ist- oder Normalkostenbasis ermittelt.2 Auf Grund des Nachteils der Verrechnung von Ist-Kosten, dass Unwirtschaftlichkeiten bzw. Kosteneinsparungen des liefernden oder leistenden Unternehmens uneingeschränkt auf den Leistungsempfänger übertragen werden,3 wird die Kostenaufschlagsmethode in der Verrechnungspreispraxis häufig auf Plan- bzw. Budgetkostenbasis umgesetzt.4 Gewinnaufschlag. Hinsichtlich der Ermittlung des Gewinnaufschlags ist zu be- 71 rücksichtigen, dass es den einen „richtigen“ Gewinnaufschlag nicht gibt. Vielmehr ist die Höhe des Gewinnaufschlags – bezogen auf den Einzelfall – an den durch das liefernde oder leistende Unternehmen wahrgenommenen Funktionen und Risiken und den dabei eingesetzten (insbesondere immateriellen) Wirtschaftsgütern auszurichten (vgl. Rz. 52). Zur Bestimmung eines angemessenen Gewinnaufschlags existieren im Schrifttum und seitens der Rspr. mehrere methodische Ansätze. Diese betreffen im Wesentlichen – einen inneren Betriebsvergleich (sog. betriebsübliche Gewinnaufschläge), – einen äußeren Betriebsvergleich (sog. branchenübliche Gewinnaufschläge), – die angemessene Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals sowie – pauschale, in Prozentsätzen festgelegte Aufschlagssätze. Betriebsvergleich. Betriebsübliche Gewinnaufschläge, die über einen inneren Be- 72 triebsvergleich (vgl. Rz. 55) ermittelt werden, orientieren sich an Gewinnspannen, die von den Unternehmen in Bezug auf vergleichbare Lieferungen oder Leistungen mit unabhängigen Dritten erzielt werden. Stehen solche vergleichbaren Gewinnspannen nicht zur Verfügung, weil das Unternehmen keine oder keine vergleichbaren Geschäftsbeziehungen zu unabhängigen Dritten unterhält, so ist auf branchenübliche Gewinnaufschläge abzustellen, die sich durch einen äußeren Betriebsvergleich bestimmen lassen. Dabei wird auf Gewinnspannen Bezug genommen, die zwischen Unternehmen der gleichen Branche bei vergleichbaren Geschäften erzielt werden. Zu deren Ermittlung kann z.B. auf Datenbanken (vgl. Rz. 57 und 78) zurückgegriffen werden. Allerdings zeigt die Verrechnungspreispraxis, dass die Ermittlung angemessener Gewinnaufschläge auf Basis von Datenbankanalysen nicht unproblematisch ist.5 Lässt sich auch auf Basis einer Datenbankanalyse kein angemessener Gewinnaufschlag ermitteln, besteht die Möglichkeit, einen normalisierten Gewinnaufschlag anhand der durchschnittlichen Branchenrendite heranzuziehen. Angemessene Eigenkapitalrendite. Ein anderer Vorschlag geht dahin, den Ge- 73 winnaufschlag so zu bemessen, dass – einschließlich kalkulatorischer Zinsen – mindestens eine Eigenkapitalrendite in Höhe der Kapitalmarktrendite erwirtschaftet wird.6 Die Ableitung eines angemessenen Gewinnaufschlags aus der Eigenkapitalrendite beruht auf der Überlegung, dass unabhängige Dritte eine unternehmerische Funktion nur dann ausüben würden, wenn die erzielbaren Erträge langfristig eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals gewährleisten. Somit kommt die Kapitalmarktrendite nur als Untergrenze der Eigenkapitalrendite in Frage, da eine 1 2 3 4
Vgl. Rz. 2.51 OECD-Leitlinien. Vgl. Rz. 2.49 OECD-Leitlinien; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 486 ff. Vgl. auch Rz. 2.42 OECD-Leitlinien. Vgl. auch Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 316; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 582 f. 5 Vgl. auch Kolb, IWB F. 3 Gr. 1, 2391 ff.; Fischer/Looks/im Schlaa, BB 2010, 157 (160); Baumhoff in FS Krawitz, 21 (37 ff.). 6 Vgl. § 1 Abs. 4 AStG; BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 – S 1300 – 12/04, BStBl. I 2004, 270; Scholz IStR 2004, 209 ff.; Taetzner, IStR 2004, 726 ff.
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Art. 9 Rz. 73–75
Verbundene Unternehmen
Kapitalmarktanlage (z.B. Anleihe oder Festgeld) gegenüber einer Geldanlage in einem Unternehmen ein wesentlich geringeres Kapitalausfallrisiko hervorruft. 74
Pauschale Gewinnaufschläge. Im Zusammenhang mit pauschalen, in Prozentpunkten angegebenen Gewinnaufschlägen beurteilt die Rspr. einen Gewinnaufschlag von 10 % bis 15 % „nicht als unangemessen“, ohne allerdings näher zu begründen, worauf diese Feststellung gestützt wird.1 Im Übrigen hat das FG Saarl. in seinem rechtskräftigen Urt. vom 18.12.1996 entschieden, dass ein Reingewinnzuschlag in Höhe von 5 % auf keine Bedenken stoße.2 Diese Quantifizierung des Gewinnaufschlags steht auch im Einklang mit dem BFH-Urt. v. 12.3.1980, nach dem ein Reingewinn von 3 % bis 5 % des wirtschaftlichen Umsatzes die Annahme einer vGA nicht rechtfertige.3 Das FG BW führt aus, dass neben der Deckung der Kosten auch ein „bescheidener Rohgewinn“ verbleiben müsse, ohne diesen zu quantifizieren.4 Das FG Münster hat schließlich in seinem rechtskräftigen Urt. v. 16.3.2006 entschieden, dass ein Kostenaufschlag von 30 % bis 70 % auf die reinen Lohnkosten sich in einem Bereich bewegt, der im Hinblick auf Lohnfertigungsverhältnisse „betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entspricht“.5 In der Verrechnungspreispraxis hat sich indessen ein Gewinnaufschlag in Höhe von 5 % bis 10 % als in der Regel zweckmäßig erwiesen. Dieser Wert wird – von außergewöhnlichen Umständen abgesehen – auch von der deutschen Finanzverwaltung akzeptiert6 und ist auch als international üblich anzusehen. Gleichwohl darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass es sich bei dieser Richtgröße um einen rein pragmatischen Ansatz handelt, der sich einer betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung entzieht. Insofern ist bei der Festlegung des Gewinnaufschlags immer den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen, d.h. es sind insbesondere die von dem verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, wahrgenommenen Risiken und eingesetzten Produktionsmittel zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund können freilich auch Gewinnaufschläge unter 5 % bzw. über 10 % im Einzelfall als angemessen angesehen werden. b) Gewinnorientierte Methoden aa) Anerkennung gewinnorientierter Methoden
75
Auffassung der OECD. Die OECD hat sich bereits in den OECD-Leitlinien 1995/96 intensiv mit gewinnorientierten Methoden als Alternative zur Anwendung der klassischen Methoden auseinandergesetzt. Hierbei wird zwischen der – geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode („Transactional Net Margin Method“, kurz „TNMM“), – der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode („Profit Split“) und – der globalen Gewinnaufteilungsmethode unterschieden.7 Während die globale Gewinnaufteilungsmethode mit dem Fremdvergleichsgrundsatz als nicht vereinbar angesehen wird,8 sollten nach bisheriger Auffassung der OECD die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode und die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode subsidiär Anwendung finden, wenn die klassischen Verrechnungspreismethoden (vgl. Rz. 61 ff.) nicht anwendbar sind. Beide gewinnorientierte Methoden waren damit bisher als Methoden „des letzten Auswegs“ bezeichnet worden. Mit den OECD-Leitlinien 2010 wurde dieses strenge Hierarchieverhältnis aufgegeben. Dies hat insbesondere zur Folge, dass den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden anstelle eines Ausnahmecharakters nunmehr ein mit den klassische Methoden ebenbürtiger Status zugebilligt wird. So kommt 1 2 3 4 5 6
Vgl. BFH v. 2.2.1960 – 3 194/59, BB 1960, 731. Vgl. FG Saarl. v. 18.12.1996 – 1 K 257/94, EFG 1997, 485. Vgl. BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. Vgl. FG BW v. 22.5.2003 – 3 K 143/98, DStRE 2004, 965. Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, EFG 2006, 1562. Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 3.1.2.; BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.7.; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 150. 7 Vgl. Rz. 2.56 ff. OECD-Leitlinien. 8 Vgl. Rz. 1.19 ff. OECD-Leitlinien.
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Ditz
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 75–78 Art. 9
nunmehr nach Auffassung der OECD anstatt einer strengen Methodenhierarchie die im Einzelfall geeignetste Methode zum Tragen (vgl. Rz. 61).1 Auffassung der Finanzverwaltung. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG regelt ausdrücklich nur 76 die klassischen Methoden, so dass bereits der Gesetzgeber von einem Vorrang dieser Methoden gegenüber den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden ausgeht. Im Übrigen erkennt die Finanzverwaltung die geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode sowie die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode zwar grundsätzlich an, sie sollen allerdings nur subsidiär zu den Standardmethoden Anwendung finden.2 Damit gehen aus Sicht der Finanzverwaltung die klassischen Methoden (vgl. Rz. 61 ff.) den transaktionsbezogenen Gewinnmethoden vor. Der Anwendungsbereich der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode wird sogar auf Unternehmen mit Routinefunktionen (vgl. Rz. 53) beschränkt. Zusätzlich wird ihre Anwendung davon abhängig gemacht, dass der Nachweis über die Vergleichbarkeit der Vergleichsunternehmen geführt werden kann. bb) Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode (TNMM) Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen. Bei der geschäftsvorfallbezogenen 77 Nettomargenmethode („Transactional Net Market Method“ und kurz „TNMM“)3 werden Nettomargen gruppeninterner Lieferungs- und Leistungsbeziehungen – z.B. im Rahmen der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode oder der Wiederverkaufspreismethode – aus den Nettomargen, die das verbundene Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften mit fremden Dritten erzielt bzw. die von unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Geschäften erwirtschaftet werden, abgeleitet. Die Nettomargen beziehen sich üblicherweise auf das Verhältnis einer Gewinngröße (in der Regel Betriebsergebnis, Rohergebnis oder EBIT) zum Umsatz4, zu den Voll- oder Teilkosten,5 oder zum betriebsnotwendigen Kapital.6 Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass nur auf die Nettomarge aus einem Geschäftsvorfall bzw. verwandten und wirtschaftlich zusammenhängenden Geschäftsvorfällen („Basket-Ansatz“7 bzw. „Palettenbetrachtung“8) abgestellt werden darf (vgl. Rz. 121) und nicht auf die Summe verschiedener Geschäftsvorfälle oder gar auf sämtliche Geschäftsvorfälle einer Periode. Ausdrücklich unzulässig ist es daher, eine Zusammenfassung von Geschäftsvorfällen nur deswegen vorzunehmen, weil über einzelne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen keine Daten zur Ermittlung von Verrechnungspreisen nach den klassischen Methoden bzw. Ableitung von Renditekennziffern vorliegen. Mithin würde dies zur Zuordnung von Pauschalgewinnen und folglich zu einer Sollbesteuerung führen (vgl. Rz. 43 und 81). Datenbankanalyse. Die TNMM ist nur anwendbar, wenn Nettomargen vergleich- 78 barer Transaktionen zwischen unabhängigen Unternehmen identifiziert werden können. Insoweit kann ein innerer Betriebsvergleich durchgeführt werden, d.h. die Nettomarge wird aus vergleichbaren Geschäften, die das Unternehmen mit fremden Dritten ausführt, abgeleitet. Ferner ist ein äußerer Betriebsvergleich denkbar, bei dem sich die Nettomarge aus vergleichbaren Geschäften zwischen unabhängigen Dritten ermittelt (vgl. Rz. 56). Im Rahmen des äußeren Betriebsvergleichs wird in der 1 Vgl. Rz. 2.2 OECD-Leitlinien. 2 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3. Buchst. b und c. 3 Vgl. Rz. 2.58 ff. OECD-Leitlinien; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3. Buchst. b. 4 Sog. Umsatzrendite bzw. „Sales Margin“. 5 Sog. Kosten- oder Gewinnaufschlag bzw. „Profit Margin“ oder „Berry Ratio“ im Bereich der Vertriebsunternehmen. Die „Berry Ratio“ setzt den Rohgewinn in das Verhältnis zu den Vertriebs- und Verwaltungskosten und den sonstigen betrieblichen Aufwendungen. Vgl. Berry, Journal of Global Transfer Pricing June/July 1999, 45 ff.; Oestreicher/Vormoor, IStR 2004, 95 (103); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 591. 6 Sog. „Return on Assets“ oder „Return on Net Assets“. 7 Vgl. hierzu Werra, IStR 1995, 457 (463). 8 Vgl. § 2 Abs. 3 GAufzV; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13.; Baumhoff, IStR 1994, 593 (593).
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Art. 9 Rz. 78–81
Verbundene Unternehmen
Verrechnungspreispraxis häufig auf Datenbanken (vgl. Rz. 57) zurückgegriffen. Der Steuerpflichtige ist allerdings im Rahmen der Anwendung der TNMM nicht verpflichtet, eine Datenbankanalyse durchzuführen.1 79
Praktische Umsetzung. Häufig wird die TNMM in der Praxis auf Basis einer Datenbankanalyse umgesetzt. Auf Basis der sich aus der Datenbankanalyse ergebenden Bandbreite von Renditemargen werden dann zu Jahresbeginn vorläufige Verrechnungspreise festgesetzt. Sofern die tatsächliche Rendite des entsprechenden verbundenen Unternehmens am Ende des Jahres außerhalb des Zielkorridors liegt, erfolgt eine nachträgliche Korrektur der Verrechnungspreise durch sog. Ausgleichszahlungen („Adjustment Payments“). Die Ausgleichszahlungen können dabei sowohl in Form von Erstattungen (tatsächliche Rendite liegt unterhalb des Zielkorridors) als auch in Form von Rückzahlungen (tatsächliche Rendite liegt oberhalb des Zielkorridors) geleistet werden.2 In der Verrechnungspreispraxis läuft die Anwendung der TNMM damit häufig auf eine modifizierte Anwendung der Kostenaufschlagsmethode oder der Wiederverkaufspreismethode hinaus. Der besondere Vorteil der TNMM besteht darin, dass diese Methode auf eine Nettomarge abstellt, die sich in der Regel relativ einfach aus einer Datenbankanalyse (vgl. Rz. 57 und 78) ableiten lässt. Ein weiterer Vorteil der TNMM liegt darin, dass bei ihrer Anwendung eine Zusammenfassung einzelner Transaktionen erfolgen kann (vgl. Rz. 77). Dies setzt indessen voraus, dass die einzelnen Geschäftsvorfälle wirtschaftlich vergleichbar sind und dass das Unternehmen in Bezug auf die betrachteten Transaktionen gleichartige Funktionen ausübt.3
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Anwendungsvoraussetzungen. Die Finanzverwaltung schränkt – im Gegensatz zur OECD – die Anwendung der TNMM auf Unternehmen mit sog. „Routinefunktionen“ (vgl. Rz. 53) ein.4 Verbundene Unternehmen mit Routinefunktionen sind dadurch gekennzeichnet, dass die von ihnen ausgeübten Funktionen für die unternehmerische Gesamtwertschöpfung von untergeordneter Bedeutung sind, sie nur geringe (Markt-)Risiken tragen und über keine zur Leistungserbringung notwendigen wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter verfügen. Die von ihnen wahrgenommenen Funktionen und die von ihnen eingesetzten immateriellen Wirtschaftsgüter sind für den gesamten Unternehmensverbund nicht erfolgskritisch und könnten auch von einem externen Dienstleister im Wege des Outsourcing erbracht werden. Zu den Routinefunktionen gehören vor diesem Hintergrund insbesondere verwaltungsbezogene Dienstleistungen (EDV, Rechnungswesen, Marketing), technische Dienstleistungen (Montage, Reparaturen), Aus- und Fortbildungen, Lohnfertigung, Auftragsforschung und -entwicklung sowie Vertriebsleistungen eines Handelsvertreters oder Kommissionärs. Ob auch Vertriebsgesellschaften, die als Eigen- bzw. Vertragshändler konzernintern gelieferte Produkte im eigenen Namen auf eigene Rechnung vertreiben, als Unternehmen mit Routinefunktionen zu qualifizieren sind, ist umstritten.5 Dies ist insofern nicht unproblematisch, als die TNMM gerade in diesen Fällen international übliche Praxis ist. Vor diesem Hintergrund sollte auch die deutsche Finanzverwaltung die Anwendung der TNMM bei als Eigen- bzw. Vertragshändler organisierten Vertriebs-Konzerngesellschaften zulassen. cc) Gewinnaufteilungsmethode (PSM)
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Geschäftsvorfallbezogene Aufteilung von Gewinnen. Nach der geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode („Profit Split Method“ und kurz „PSM“) wird der aus einem Geschäftsvorfall für die involvierten verbundenen Unternehmen erzielte Gesamtgewinn auf die an der Geschäftsbeziehung beteiligten Unternehmen auf-
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.12. Abs. 2. 2 Zu einem Anwendungsbeispiel vgl. Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, 1 ff. 3 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13.; Rz. 3.9 OECD-Leitlinien. 4 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3. Buchst. b) Abs. 2. 5 Zu Einzelheiten vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1552 f.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 81–82 Art. 9
geteilt.1 Dabei ist im Rahmen einer „ex-ante“-Betrachtung auf den aus dem einzelnen Geschäft erwarteten Gewinn abzustellen; auf den später tatsächlich realisierten Gewinn kommt es hingegen nicht an.2 Als Aufteilungsmaßstab der PSM fungieren die von den verbundenen Unternehmen ausgeübten Funktionen, die getragenen Risiken und die eingesetzten (immateriellen) Wirtschaftsgüter, die mittels einer Funktionsanalyse (vgl. Rz. 52) zu erfassen sind. Insoweit soll im Rahmen der PSM in Bezug auf eine bestimmte Lieferungs- oder Leistungsbeziehung eine Gewinnaufteilung erreicht werden, wie sie zwischen unabhängigen Unternehmen bei vergleichbaren Funktionen und Risiken entstanden wäre. Für die Gewinnaufteilung kommen dabei die vier folgenden Ansätze in Betracht:3 – Beitragsmethode („Contribution Analysis“): Nach der Beitragsmethode wird der erwartete Gesamtgewinn aus einem Geschäftsvorfall ermittelt und zwischen den verbundenen Unternehmen im Verhältnis ihrer Leistungsbeiträge aufgeteilt. Der Umfang der Leistungsbeiträge wird mit Hilfe der Funktionsanalyse (vgl. Rz. 52) festgelegt, wobei nach Auffassung der OECD der Wert einer Leistung möglichst an Hand von tatsächlichen Marktwerten bestimmt werden soll.4 – Restgewinnmethode („Residual Profit Split Method“): Die Restgewinnmethode sieht eine zweistufige Vorgehensweise vor. Auf der ersten Stufe wird jedem involvierten verbundenen Unternehmen eine „Grundrendite“ zugestanden, die sich an Fremdrenditen für entsprechende Leistungsbeiträge orientiert und in der Regel über eine Datenbankanalyse ermittelt wird. Der verbleibende Gewinn (oder Verlust) wird dann auf einer zweiten Stufe unter Berücksichtigung der individuellen Beiträge der Unternehmen (z.B. auf Basis des Anfalls strategischer Aufwendungen ermittelt) verteilt.5 – Methode des eingesetzten Kapitals („Capital Employed Method“): Nach der Methode des eingesetzten Kapitals wird der Gewinn in der Weise aufgeteilt, dass jedes in die Transaktion einbezogene verbundene Unternehmen dieselbe Rendite aus dem im Rahmen der Transaktion eingesetzten Kapital erzielt. Insoweit wird unterstellt, dass jedes involvierte Unternehmen einem ähnlichen Risiko unterliegt und infolgedessen eine gleiche Rendite gerechtfertigt ist.6 – Methode der vergleichbaren Gewinnaufteilung („Comparable Profit Split Method“): Nach der Methode der vergleichbaren Gewinnaufteilung werden die Gewinnanteile der einzelnen verbundenen Unternehmen aus den Gewinnen abgeleitet, die unabhängige Unternehmen mit vergleichbaren Funktionen, Risiken, Wirtschaftsgütern und Vertragsbedingungen erwirtschaftet. Der insoweit aus den relativen Anteilen am Gesamtgewinn ermittelte Aufteilungsschlüssel wird dann auf die Gewinnaufteilung zwischen den verbundenen Unternehmen übertragen. dd) Gewinnvergleichsmethode Ablehnung durch OECD. Im Rahmen der Gewinnvergleichsmethode („Compara- 82 ble Profit Method“ und kurz „CPM“) wird der aus konzerninternen Geschäftsbeziehungen resultierende Betriebsgewinn („Operating Profit“7) mit den Betriebsgewinnen unabhängiger Unternehmen verglichen, die vergleichbare Geschäfte unter vergleichbaren Bedingungen ausführen. Insoweit besteht eine Parallele zur TNMM (Rz. 77). Während sich die TNMM allerdings auf die Gewinnmarge einer einzelnen 1 Vgl. Rz. 2.108 und 2.116 OECD-Leitlinien; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3. Buchst. c). 2 Wohl a.A. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 593, nach dem auf den „realisierten Nettoerfolg“ abzustellen ist. 3 Vgl. Rz. 2.128 OECD-Leitlinien; Eimermann, IStR 1994, 537 (541); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 595 f. 4 Vgl. Rz. 2.119 f. OECD-Leitlinien; Dawid/Dworaczek in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 3.16 Anm. 67 ff. 5 Vgl. Rz. 2.121 ff. OECD-Leitlinien. 6 Vgl. Rz. 2.145 ff. OECD-Leitlinien. 7 Der „Operating Profit“ ist definiert als Umsatzerlöse abzüglich Herstellungskosten der verkauften Produkte und abzüglich der Betriebsaufwendungen.
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Art. 9 Rz. 82–84
Verbundene Unternehmen
Geschäftsbeziehung bezieht, stellt die CPM auf den gesamten Betriebsgewinn des Unternehmens ab. Dieser wird zunächst für die gesamte Tätigkeit des Unternehmens ermittelt und dann auf die einzelnen gruppeninternen Geschäftsbeziehungen „heruntergebrochen“. Folglich findet die CPM ihren methodischen Ansatz nicht in einer konkreten Geschäftsbeziehung und ist damit nicht geschäftsvorfallbezogen. Ferner führt die Anwendung der CPM zu einer nicht gerechtfertigten Soll-Gewinnbesteuerung. Vor diesem Hintergrund wird die CPM sowohl von der OECD als auch von der Finanzverwaltung – systematisch zutreffend – abgelehnt.1 83
Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage. Die Ablehnung der Gewinnvergleichsmethode im Sinne einer globalen formelhaften Gewinnaufteilung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Bemühungen der EU zur Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) bemerkenswert.2 Das Konzept der Aufteilung eines konsolidierten Gruppenergebnisses anhand von Schlüsselgrößen macht die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und damit die Bestimmung von Verrechnungspreisen für gruppeninterne Lieferungen und Leistungen überflüssig. Denn mit diesem Konzept wird vermieden, dass Zwischengewinne aus gruppeninternen Geschäftsbeziehungen zu ermitteln und zu versteuern sind. Es bleibt indessen abzuwarten, ob der am 16.3.2011 von der Europäischen Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf zur GKKB in naher Zukunft konsensfähig ist. Insbesondere im Hinblick auf die Konsolidierung und die formelhafte Aufteilung der GKKB dürften erhebliche Widerstände bestehen. Dies belegen auch die ersten Reaktionen der Bundesregierung auf den Richtlinienvorschlag, der – nicht zuletzt wegen der Konsolidierung und des Aufteilungsmaßstabs – abgelehnt wird.3 c) Konzernumlagen
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Arten von Konzernumlagen. Die Verrechnungspreispraxis zeigt, dass die Abrechnung einzelner, zwischen verbundenen Unternehmen erbrachter Leistungen häufig mit unüberwindbaren praktischen Problemen verbunden ist. Insofern kommt der Abrechnungsform der Konzernumlage – insbesondere bei Dienstleistungen z.B. im Bereich der EDV, des Rechnungswesens, des Marketings und der Forschung und Entwicklung – eine große Bedeutung zu. Mit Veröffentlichung der Umlage-VWG ist im Rahmen von Konzernumlagen zwischen dem Leistungsaustauschkonzept (sog. Leistungsumlage) einerseits und dem Poolkonzept (sog. Poolumlage) andererseits zu unterscheiden.4 Bei der Leistungsumlage, die nicht in den Regelungsbereich der Umlage-VWG fällt, wird von einem leistungserbringenden Unternehmen eine Leistung bzw. ein ganzes Leistungsbündel gegenüber einem oder mehreren verbundenen Unternehmen im Rahmen eines schuldrechtlichen Leistungsaustauschs erbracht (die Finanzverwaltung spricht insofern von einem „Nachfragepool“5). Dabei wird der Verrechnungspreis auf Basis der Preisvergleichsmethode oder durch Umlage der beim Leistungserbringer entstandenen Kosten zzgl. eines Gewinnaufschlags mit Hilfe eines sachgerechten Schlüssels bestimmt.6 Im Ergebnis findet somit bei Leistungsumlagen die Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 63 ff.) oder eine modifizierte Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 69 ff.) Anwendung, im Rahmen derer die durch die Dienstleistung verursachten Kosten gesammelt, um einen Gewinnaufschlag erhöht und auf die leistungsempfangenden Unternehmen auf Basis eines Umlageschlüssels verteilt werden.
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.3. Buchst. d); Rz. 1.21 OECD-Leitlinien. 2 Zum Konzept der GKKB Spengel/Oestreicher, DStR 2009, 773 ff.; Herzig/Kuhr, DB 2011, 2053 ff.; Kußmaul/Niehren, StB 2011, 344 ff.; Förster/Krauß, IStR 2011, 607 ff.; Scheffler/Krebs, DStR 2011, Beihefter zu Heft 22; Herzig, FR 2012, 761 f.; Kahle/Schulz, FR 2013, 49 ff. 3 Vgl. Handelsblatt v. 11.5.2011, 18; s. ferner Herzig, FR 2012, 761 f. 4 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.; Baumhoff, IStR 2000, 693 (693 f.); Kuckhoff/Schreiber, IStR 2000, 346 (348); Oestreicher, IStR 2000, 759 (760 f.). 5 BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.7. 6 Zur Ermittlung eines Umlageschlüssels auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes vgl. Ditz, DB 2004, 1949 ff.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 85–87 Art. 9
Poolumlage. Bei der Poolumlage werden dagegen von einem, von mehreren oder 85 von allen beteiligten verbundenen Unternehmen Leistungen bzw. Leistungsbündel im gemeinsamen Interesse und für gemeinschaftliches Risiko erbracht.1 Insoweit können an einer Poolumlage nur solche Unternehmen als Poolmitglieder teilnehmen, die gleichgerichtete Interessen verfolgen, d.h. sie müssen die Leistungen in wirtschaftlich gleicher Weise nutzen. Ein Pool bildet damit als Innengesellschaft (in Form einer BGB-Gesellschaft) eine Interessengemeinschaft wirtschaftlich gleichberechtigter Partner. Da im Rahmen des Poolkonzepts zwischen den Poolmitgliedern kein schuldrechtlicher Leistungsaustausch erfolgt, sondern die Poolmitglieder mit der Zusammenlegung von Tätigkeiten, Ressourcen oder Fähigkeiten gegenseitigen Nutzen ziehen, ist der Teilnehmerkreis im Rahmen der Poolumlage zwangsläufig auf Unternehmen beschränkt, die aus den Leistungen für sich selbst Vorteile ziehen.2 Infolgedessen kommt es nicht zu Leistungsflüssen zwischen den Poolmitgliedern,3 so dass die im Rahmen der Pooltätigkeit anfallenden Kosten – im Gegensatz zur Leistungsumlage – ohne Gewinnaufschlag unter den Poolmitgliedern verteilt werden. Der Pool stellt insofern eine Risikogemeinschaft dar, da dessen Mitglieder gemeinsam über die Kostenumlage die Risiken der Pooltätigkeit tragen. Dazu gehören insbesondere das Kostenrisiko sowie das Preisabweichungsrisiko. Umlageschlüssel. Sowohl im Rahmen der Leistungsumlage als auch bei der Pool- 86 umlage ist der Umlageschlüssel auf Basis des erwarteten Nutzens der teilnehmenden Unternehmen abzuleiten.4 Nach Ansicht der Finanzverwaltung kann dabei z.B. auf die eingesetzten, hergestellten, verkauften oder zu erwartenden Einheiten einer Produktlinie, der Materialaufwand, die Maschinenstunden, die Anzahl der Arbeitnehmer, die Lohnsumme, die Wertschöpfung, das investierte Kapital, der Betriebsgewinn oder der Umsatz als Maßstab des Umlageschlüssels herangezogen werden.5 Im Ergebnis sind demnach durch die Finanzverwaltung keine generell anwendbaren Schlüsselgrößen vorgegeben, sondern es wird dem Steuerpflichtigen ein erheblicher Entscheidungsspielraum im Rahmen der Festlegung des Umlageschlüssels eingeräumt. Dies ist insoweit zutreffend, als es den einen „richtigen“ Umlageschlüssel nicht geben kann, sondern dieser immer an den spezifischen Umständen des Einzelfalls auszurichten ist.6 3. Verrechnungspreisermittlung für ausgewählte Lieferungs- und Leistungsbeziehungen a) Produktlieferungen aa) Lieferungen von Produktionsgesellschaften Merkmale eines Lohnfertigers. Die Produktionsfunktion kann durch ein verbun- 87 denes Unternehmen grundsätzlich in den Grundformen eines Eigenproduzenten und eines Lohnfertigers ausgeübt werden. Während der Eigenproduzent Marktchancen und Marktrisiken übernimmt, ist die Lohnfertigung als nur eingeschränkte Funktionsausübung in Form einer Dienstleistung anzusehen.7 Für einen Lohnfertiger sind insbesondere die folgenden Funktionen und Risiken charakteristisch:8 1 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.1.; Rz. 8.3 f. OECD-Leitlinien. 2 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 1.2. Abs. 2. 3 Unabhängig von der Negierung eines schuldrechtlichen Leistungsaustausches zwischen den Poolmitgliedern für ertragsteuerliche Zwecke ist das Poolkonzept einer umsatzsteuerlichen Würdigung zu unterziehen. Folglich können auch im Rahmen des Poolkonzepts umsatzsteuerlich zu erfassende Leistungsbeziehungen vorliegen. Vgl. dazu im Einzelnen Förster/Mühlbauer, DStR 2002, 1470 ff.; Eggers, IStR 2001, 308 ff. 4 Zu Einzelheiten vgl. Ditz, DB 2004, 1949 ff. 5 Vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 – S 1341 – 14/99, BStBl. I 1999, 1122, Rz. 3.2. Abs. 2. 6 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 183 ff. 7 Vgl. Rz. 7.40 OECD-Leitlinien. 8 Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 4.1.2; FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, IStR 2006, 794 (rkr.); Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 ff.; Ditz, IStR 2009, 125 (126).
Ditz
775
Art. 9 Rz. 87–89
Verbundene Unternehmen
– Beschränkung der Produktion auf einzelne Teile, einzelne Bearbeitungsschritte oder Großserienprodukte; – keine oder geringe unternehmerische Dispositionsfreiheiten, vielmehr bestimmt der Auftraggeber über die Produktpolitik und die Fertigungsschritte des Lohnfertigers; – keine eigene Forschung und Entwicklung und kein Eigentum an den maßgeblichen immateriellen Vermögenswerten, vielmehr wird die Technologie in der Regel vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt; – nur eingeschränkte eigene Beschaffungsfunktion, vielmehr werden Rohstoffe häufig durch den Auftraggeber (kostenlos) beigestellt; – geringe Lagerhaltung; – kein eigener Vertrieb; – kein bzw. ein nur geringes Absatzrisiko, da der Auftraggeber langfristig den Großteil seiner Produktion abnimmt; – geringe Beschaffungs- und Lagerrisiken; – kein oder nur geringes Forschungs- und Entwicklungsrisiko. 88
Verrechnungspreise bei einem Lohnfertiger. Ist eine Produktionsgesellschaft als Lohnfertiger zu qualifizieren, ist zunächst zu prüfen, ob der Verrechnungspreis auf Basis der Preisvergleichsmethode ermittelt werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist der Verrechnungspreis nach der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 69 ff.) zu bestimmen; alternativ ist auch eine Anwendung der TNMM denkbar.1 Die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ist insofern sachgerecht, als bei „Make or Buy“-Entscheidungen im Rahmen des Outsourcing zwischen unabhängigen Dritten üblicherweise auf Kostenvergleichsrechnungen abgestellt wird. Außerdem ist die Lohnfertigung als (Produktions-)Dienstleistung anzusehen, für die in der Regel ein kostenorientiertes Entgelt vergütet wird.2 Im Rahmen der Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ist der Gewinnaufschlag des Lohnfertigers umso höher zu bemessen, je mehr Funktionen und Risiken durch ihn übernommen werden. In der Verrechnungspreispraxis kommen dabei bei Lohnfertigungsverhältnissen häufig Gewinnaufschläge von 5 % bis 10 % zur Anwendung (ohne die Aufteilung von Standortvorteilen). Die Kostenbasis sollte dabei auf Plan- bzw. Sollkostenbasis ermittelt werden, damit effizientes Arbeiten des Lohnfertigers belohnt und ineffizientes Arbeiten bestraft und nicht durch eine Kostenerstattung auf Ist-Kosten-Basis egalisiert wird. Was den Sachumfang der Kosten betrifft, kommt bei Lohnfertigungsverhältnissen nur die Verrechnung von Vollkosten in Betracht. In diesem Zusammenhang vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Kosten für vom Auftraggeber beigestellte Rohstoffe und Materialien nicht in die Kostenbasis des Lohnfertigers einfließen dürfen.3 Dies ist insofern sachgerecht, als bei beigestellten Rohstoffen und Materialien keine eigene Wertschöpfung des Lohnfertigers vorliegt. Werden diese Stoffe indessen durch den Lohnfertiger selbst eingekauft (z.B. über eine eigene Einkaufsabteilung), kann ein Gewinnaufschlag auf die entsprechenden Einstandskosten sachgerecht sein. Entstehen dem Lohnfertiger z.B. im Zusammenhang mit dem Aufbau oder der Erweiterung seiner Produktion Anlaufverluste, sind diese vom Auftraggeber zu tragen. Ansonsten würde der Lohnfertiger auf Grund seiner Einordnung als Routineunternehmen verbunden mit einer geringen Gewinnmarge auf Dauer Verluste erwirtschaften, die ein unabhängiger Lohnfertiger zu tragen nicht bereit wäre.4
89
Zuordnung von Standortvorteilen. Standortvorteile werden meist durch niedrigere Produktionskosten des Lohnfertigers auf Grund eines niedrigeren Lohnniveaus, geringerer Sozialabgaben, niedrigerer Energiekosten usw. im Ausland realisiert. Die günstigere Kostensituation führt ceteris paribus zu einem Mehrgewinn im Vergleich zur 1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.1.3. Beispiel 3; Rz. 7.40 OECD-Leitlinien; FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2348/02 E, IStR 2006, 794 (rkr.). 2 Vgl. Rz. 7.40 OECD-Leitlinien. 3 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 4.1.3. 4 Vgl. Baumhoff in FS Krawitz, 21 (31 f.); Kuckhoff/Schreiber, IStR 1999, 321 (327).
776
Ditz
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 89–90 Art. 9
reinen Inlandsproduktion ohne Einschaltung des jeweiligen Lohnfertigers. Der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn wird indessen bei einer undifferenzierten Anwendung der Kostenaufschlagsmethode nicht berücksichtigt. Denn wird lediglich ein Standardgewinnaufschlag (von z.B. 5 % bis 10 %) auf durch die Standortvorteile niedrigere Kostenbasis angesetzt, kommt der aus den Standortvorteilen resultierende Mehrgewinn größtenteils dem Auftraggeber zu. Eine solche Zuordnung von Standortvorteilen alleine zum inländischen Auftraggeber ist nicht sachgerecht. Denn Standortvorteile entstehen auf Grund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Staates. Somit sollte das grundsätzliche Besteuerungsrecht der daraus resultierenden Gewinne auch dem betreffenden Staat zustehen. Vor diesem Hintergrund sind nach h.M. die durch die niedrigeren Kosten im Ausland resultierenden Standortvorteile zwischen Auftraggeber und Lohnfertiger aufzuteilen.1 Die Aufteilung von Standortvorteilen hat dabei im Wege eines hypothetischen Fremdvergleichs (vgl. Rz. 58 ff.) zu erfolgen. Dies läuft auf die Ermittlung eines Einigungsbereichs hinaus, wonach zur Ermittlung eines Verrechnungspreises ein Einigungsbereich im Sinne eines Mindestpreises des Leistenden (hier: des Lohnfertigers) und eines Höchstpreises des Leistungsempfängers (hier: des Auftraggebers) zu ermitteln ist. So umfasst die Preisobergrenze des Auftragfertigers die Kosten des jeweiligen Auftrags bei Eigenerstellung, während die Preisuntergrenze des Lohnfertigers die Kosten des jeweiligen Auftrags zzgl. eines Standardgewinnaufschlags umfasst. § 1 Abs. 3 Satz 7 AStG sieht hinsichtlich der Frage, wie ein ermittelter Einigungsbereich zwischen den Verhandlungspartnern aufzuteilen ist, vor, dass der Preis zu Grunde zu legen ist, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht; wird kein anderer Wert glaubhaft gemacht, ist der Mittelwert des Einigungsbereichs zu Grunde zu legen. Da die Aufteilung der Standortvorteile mittels einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung nur schwerlich möglich ist,2 wird in der Praxis von einer hälftigen Aufteilung des Einigungsbereichs, d.h. von einer hälftigen Aufteilung der Standortvorteile, auszugehen sein. Dies läuft auf eine Arbitriumwert-Lösung hinaus, welche letztlich als rein pragmatischer Ansatz zu verstehen ist.3 Die hälftige Aufteilung von Standortvorteilen wird auch durch das rechtskräftige Urt. des FG Münster vom 16.3.2006 bestätigt.4 Mit dem Urt. wird in bemerkenswerter Klarheit herausgestellt, dass ein durch Kostenvorteile entstandener Standortvorteil vom Auftraggeber nicht vollständig absorbiert werden kann, sondern ebenfalls dem Lohnfertiger zugutekommen muss. Das Urt. des FG Münster vom 16.3.20065 wird indessen von der Finanzverwaltung nicht anerkannt. Nach Zech entspricht es vielmehr der Auffassung der Finanzverwaltung, dass Standortvorteile vollständig im Inland zu vereinnahmen sind.6 Merkmale eines Eigenproduzenten. Im Gegensatz zum Lohnfertiger verfügt der 90 Eigenproduzent über die volle Dispositionsbefugnis der Produktion. In der Regel ist er daher als Strategieträger in Bezug auf das entsprechende Produkt bzw. die entsprechende Produktgruppe anzusehen (vgl. Rz. 53). Denn der Eigenproduzent bestimmt die wesentlichen strategischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen und trägt demnach alle Marktchancen und Marktrisiken.7 Die wesentlichen Merkmale eines Eigenproduzenten sind die Folgenden:8 – Ausübung der Produktionsfunktionen (z.B. Fertigung, Produktentwicklung, Produktauswahl, Einkauf, Lagerhaltung, Forschung und Entwicklung) sowie der Vermarktungsfunktionen (z.B. Werbung, Vertrieb); 1 Vgl. Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 (791); Schreiber in Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, 319; Kroppen in Kroppen, Handbuch der Internationalen Verrechnungspreise, Rz. W 59; Kuckhoff/Schreiber, Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, Rz. 217; Ditz, IStR 2011, 125 (126). 2 Vgl. dazu auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1465). 3 Vgl. Baumhoff/Greinert, IStR 2006, 789 (792). 4 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – VIII K 2348/02 E, EFG 2006, 1562 (rkr.). 5 Vgl. FG Münster v. 16.3.2006 – VIII K 2348/02 E, EFG 2006, 1562 (rkr.). 6 Vgl. Zech, IStR 2011, 131 (133). 7 Vgl. Borstell in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 519 (524 f.). 8 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 4.1.1.
Ditz
777
Art. 9 Rz. 90–92
Verbundene Unternehmen
– Ausübung entsprechender Entscheidungskompetenzen; – Besitz der wesentlichen Betriebsgrundlagen in Form materieller und insbesondere immaterieller Wirtschaftsgüter; – Ausübung der mit den Funktionen verbundenen Chancen und Risiken (z.B. Markt-, Qualitäts- und Absatzrisiko). 91
Verrechnungspreise bei Eigenproduzenten. Da der Eigenproduzent im Regelfall als Entrepreneur bzw. Strategieträger einzustufen ist, ist ihm der Residualgewinn bzw. -verlust zuzuordnen (vgl. Rz. 53). Daraus ergibt sich für die Verrechnungspreisermittlung Folgendes: Liefert ein verbundenes Produktionsunternehmen an einen Eigenproduzenten, ist dieses in der Regel als Lohn- bzw. Auftragsfertiger zu qualifizieren, so dass die entsprechenden Verrechnungspreise auf Basis der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 88) zu ermitteln sind. Liefert der Eigenproduzent an verbundene Vertriebsgesellschaften, bietet sich zur Ermittlung der Verrechnungspreise die Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 66 ff.) oder die TNMM (vgl. Rz. 77 ff.) an. Insofern ist bei einem Eigenproduzenten die Methodenwahl nicht auf die Kostenaufschlagsmethode beschränkt, sondern es kommen primär die Preisvergleichs- und die Wiederverkaufspreismethode zur Anwendung. Werden dem Eigenproduzenten für dessen Produktion von einem anderen verbundenen Unternehmen materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlassen, ist hierfür ein entsprechender Kaufpreis (bei Kauf) bzw. eine Lizenzgebühr oder Miete (bei Nutzungsüberlassung) zu verrechnen. bb) Lieferungen an Vertriebsgesellschaften
92
Eigenhändler. Im Hinblick auf die rechtliche Organisation einer Vertriebsgesellschaft bestehen mit dem Vertrags- bzw. Eigenhändler (Vertrieb im eigenen Namen auf eigene Rechnung), dem Kommissionär (Vertrieb im eigenen Namen auf fremde Rechnung) und dem Handelsvertreter (Vertrieb im fremden Namen auf fremde Rechnung) drei unterschiedliche Gestaltungsalternativen.1 Dabei übt nur der Eigenhändler die volle Vertriebsfunktion aus; denn nur er erwirbt das Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten und vertreibt diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Folglich trägt der Eigenhändler sowohl die Lager- als auch die Absatzrisiken des Vertriebs und verfügt über weitgehende Dispositionsbefugnisse hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Vertriebspolitik (z.B. Entscheidung über Vertriebswege, Marketing, Werbung, After Sales-Services etc.). Die durch den Eigenhändler übernommenen Risiken entsprechen in der Regel den durch ihn ausgeübten Funktionen (vgl. Rz. 52). Damit ist davon auszugehen, dass der Eigenhändler neben den Vorrats-, Gewährleistungs- und Auslastungsrisiken des Vertriebs auch das Inkassorisiko sowie das Risiko fehlgeschlagener Geschäftsstrategien zu verantworten hat. Dagegen ist das Währungsrisiko nicht zwingend von der Vertriebsgesellschaft zu tragen; vielmehr besteht hier die Möglichkeit, Währungsrisiken vertraglich der Produktions- oder der Vertriebsgesellschaft zuzuordnen. Ein wesentliches Risiko des Eigenhändlers ist das Risiko zurückgehender Umsätze, die bei gleichbleibenden Fixkosten zu Verlusten führen können. Ein solches Risiko besteht indessen bei einer als low-risk-distributor2 organisierten Vertriebsgesellschaft nicht. Zwar handelt diese als Eigenhändler ebenfalls im eigenen Namen und auf eigene Rechnung; allerdings übt sie nur geringe vertriebstypische Funktionen aus (neben der Akquisition und Auftragsbearbeitung erfolgt in der Regel keine Lagerhaltung, keine Warenverteilung, kein Kundendienst, keine Marktforschung und auch kein Marketing; ferner fehlt die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Preispolitik) und verfügt folglich auch über keine wesentli-
1 Vgl. dazu im Einzelnen Prinz, FR 1997, 519; Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 359 ff. 2 Vgl. Fiehler, IStR 2007, 464 (465); Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2010, 2; Ditz in Raupach/Pohl/Ditz, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2011, 102 f.
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Ditz
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 92–95 Art. 9
chen unternehmerischen Risiken. Eine als low-risk-distributor ausgestaltete Vertriebsgesellschaft ist in der Regel als Routineunternehmen einzustufen.1 Kommissionär und Handelsvertreter. Im Gegensatz zum Eigenhändler werden – 93 nach dem gesetzlichen Grundmodell der §§ 84 und 383 HGB – weder der Kommissionär noch der Handelsvertreter Eigentümer der vertriebenen Waren. Der Kommissionär und der Handelsvertreter unterscheiden sich infolgedessen vom Eigenhändler in ihrem reduzierten Funktions- und Risikoumfang. Dieser resultiert insbesondere daraus, dass beide Vertriebsformen im Innenverhältnis auf Rechnung des Prinzipals tätig werden. Daher tragen sowohl der Kommissionär als auch der Handelsvertreter ein geringeres Vertriebsrisiko, so dass ihnen ein entsprechend geringerer Vertriebsgewinn zusteht. Dabei ist der Handelsvertreter die funktions- und risikoschwächste Alternative, da er neben der Akquisition von Kunden und der Auftragsbearbeitung in der Regel keine zusätzlichen Funktionen ausübt.2 Verrechnungspreise bei einem Eigenhändler. Der BFH hat in seinem Urt. v. 94 17.10.2001 umfassend zur Verrechnungspreisermittlung bei Lieferungen an eine als Eigenhändler organisierte Vertriebsgesellschaft Stellung bezogen.3 Danach ist der Verrechnungspreis für Produktlieferungen an einen Eigenhändler „regelmäßig“ nach der Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 66 ff.) zu ermitteln. Dies schließt allerdings nicht aus, dass auch die Preisvergleichsmethode Anwendung finden kann.4 Ferner kommen in Bezug auf die Ermittlung von Verrechnungspreisen für Produktlieferungen an einen Eigenhändler die TNMM (vgl. Rz. 77 ff.) (insbesondere bei einem „low risk distributor“) und die Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 69 ff.; insbesondere bei Vertriebsgesellschaften, die als Strategieträger zu qualifizieren sind) in Betracht. Im Rahmen der Ermittlung von Verrechnungspreisen für Produktlieferungen an eine Vertriebsgesellschaft ist schließlich zu berücksichtigen, dass ein unabhängiger Vertreiber im Rahmen seiner Vertriebsfunktion keine nachhaltigen Verluste akzeptieren würde. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Vertriebsgesellschaft würde auf Dauer5 keine Produkte vertreiben, mit denen er nur Verluste erzielt. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung bei Vertriebsgesellschaften sicherzustellen, dass sie auf Dauer Gewinne erwirtschaften können. Besteht hingegen eine nachhaltige Verlustsituation, geht der BFH von der widerlegbaren Vermutung unangemessener Verrechnungspreise aus. Als Untergrenze der Rendite soll dabei die angemessene Verzinsung des Eigenkapitals der Vertriebsgesellschaft (einschließlich Zinseszinsen und Risikozuschlag) fungieren.6 Verrechnungspreise bei einem Kommissionär. Der Kommissionär erwirbt im Ge- 95 gensatz zum Eigenhändler kein Eigentum an den von ihm vertriebenen Produkten. Im Hinblick auf die Vergütung der (Vermittlungs-)Dienstleistung des Kommissionärs ist sowohl die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode als auch die Gewährung einer umsatzabhängigen Kommission denkbar. In der Regel liegen die Provisionssätze zwischen 3 % und 7 % des Umsatzes, falls kein zusätzlicher Aufwandsersatz erfolgt.
1 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. a; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 (1552 f.); Baumhoff/Bodenmüller in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung3, 541 (562). 2 Zur Problematik der Begr. der ausländischen Betriebsstätte im Rahmen einer als Kommissionär oder Handelsvertreter organisierten Vertriebsgesellschaft vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.24 ff. 3 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171 und dazu Baumhoff, IStR 2001, 745 (751); Kuckhoff/Schreiber, IWB F. 3 Gr. 1, 863; Wassermeyer, DB 2001, 2465 (2465). 4 Vgl. auch BFH v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; BMF v. 26.2.2004 – IV B 4 – S 1300 – 12/04, BStBl. I 2004, 270; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592 ff. 5 Die Verlustphase einer Vertriebsgesellschaft soll – abgesehen von besonderen Umständen des Einzelfalls – einen Zeitraum von drei Jahren nicht überschreiten. Ist dies dennoch der Fall, wird widerlegbar vermutet, dass gegenüber der Vertriebsgesellschaft unangemessene Verrechnungspreise angesetzt wurden. Zu Einzelheiten vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 17.2.1993 – I R 3/92, BStBl. II 1993, 457; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BStBl. II 2007, 658; Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2005, 592 (593). 6 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171.
Ditz
779
Art. 9 Rz. 95–98
Verbundene Unternehmen
Werden Aufwendungen des Kommissionärs ersetzt, liegt die Provision in der Regel zwischen 0,5 % und 5 %.1 Zur Ermittlung der Kommissionärsvergütung kommt in der Praxis häufig die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Dies ist insofern sachgerecht, als es sich bei der Kostenaufschlagsmethode um die Regelmethode zur Ermittlung von Verrechnungspreisen von Dienstleistungen handelt und der Kommissionär eine vertriebsbezogene Dienstleistung erbringt.2 Da der Kommissionär lediglich eine Routinefunktion ausübt,3 wird in der Regel ein Gewinnaufschlag in Höhe von 5 % bis 10 % angewandt. 96
Verrechnungspreise bei einem Handelsvertreter. Der Handelsvertreter erhält lediglich eine Handelsvertretervergütung. Diese ist in der Regel anhand der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln und auf Grund des geringen Umfangs an übernommenen Funktionen und Risiken im Vergleich zur Handelsspanne des Eigenhändlers und zur Kommission des Kommissionärs geringer. b) Finanzierungsleistungen aa) Verrechnung dem Grunde nach
97
Notwendigkeit einer Geschäftsbeziehung. Bevor der Verrechnungspreis für eine Finanzierungsleistung bestimmt werden kann, ist zunächst zu untersuchen, ob eine dem Grunde nach verrechenbare, schuldrechtliche Finanzierungsbeziehung vorliegt.4 Denn Art. 9 Abs. 1 setzt eine kaufmännische oder finanzielle Beziehung zwischen den beiden verbundenen Unternehmen voraus, wobei hinsichtlich der inhaltlichen Definition auf die Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG zurückgegriffen werden kann (vgl. Rz. 44). § 1 Abs. 5 AStG definiert die Geschäftsbeziehung als jede den Einkünften zu Grunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist. Infolgedessen ist es für eine Geschäftsbeziehung ohne Bedeutung, ob sie betrieblich oder gesellschaftsrechtlich veranlasst ist bzw. ob ihr betriebliche oder gesellschaftliche Interessen zu Grunde liegen.5 Daher sind verbindliche Kreditgarantien, zinslose oder zinsbegünstigte Darlehen sowie die unentgeltliche oder teilentgeltliche Gewährung anderer Leistungen einer Mutter- an ihre Tochtergesellschaft als Geschäftsbeziehung zu qualifizieren, unabhängig davon, ob sie fehlendes Eigenkapital der Tochtergesellschaft ersetzen oder die wirtschaftliche Betätigung dieser Gesellschaft stärken sollen.6 Einzelheiten sind in Rz. 44 dargestellt. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Begriff der Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 5 AStG durch das JStG 2013 neu definiert werden soll (vgl. Rz. 44 f.).
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Ernst gemeinte Darlehensgewährung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung setzt die Verrechnung von Zinsen eine „ernst gemeinte Darlehensgewährung“ voraus.7 Eine solche (zinsrelevante) Darlehensgewährung liegt unzweifelhaft vor, wenn ein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, in welchem die üblichen Abreden wie Verzinsung, Laufzeit etc. enthalten sind. Die steuerliche Anerkennung eines Darlehensverhältnisses kann allerdings nicht daran scheitern, dass ein unvollständiger Darlehensvertrag vorliegt, in welchem einzelne fremdübliche Abreden nicht geregelt sind (wie z.B. Verzicht auf die Vereinbarung von Sicherheiten oder detaillierte Regelungen der Tilgung des Darlehens). Hingegen verlangen sowohl der BFH8 als auch die Finanzverwaltung9 zur Anerkennung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsen im 1 2 3 4 5 6
7 8 9
Vgl. Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 614.3. Vgl. auch BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 2.2.2.1. Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.10.2. Buchst. a. Vgl. Ditz/Kluge, IWB 2013, 87 ff. Vgl. Begr. zur Neufassung des § 1 Abs. 4 AStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz v. 16.5.2003, BT-Drucks. 15/119 v. 2.12.2002, 53. Vgl. zu Einzelheiten Ditz/Kluge, IWB 2013, 87 ff.; Puls, IStR 2012, 209 (210 f.). Zur Rechtslage bis 2002 vgl. hingegen BFH v. 29.11.2000 – I R 85/99, BStBl. II 2002, 720; v. 27.8.2008 – I R 28/07, BFH/NV 2008, 123; v. 23.6.2010 – I R 37/09, DStR 2010, 1883; BMF v. 12.1.2010 – IV B 5 – S 1341/07/100009, BStBl. I 2010, 34; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 476 ff. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.1. Vgl. etwa BFH v. 3.11.1976 – I R 98/75, BStBl. II 1977, 172. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 1.4.1.
780
Ditz
B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 98–100 Art. 9
Rahmen der Gewährung von Darlehen oder sonstigem Fremdkapital eines Gesellschafters an seine Gesellschaft das Vorliegen von im Vorhinein getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarungen. Selbst wenn hierzu grundsätzlich keine zivilrechtliche Verpflichtung besteht, sollte nicht zuletzt zur Erfüllung der erweiterten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO, der Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV ein schriftlicher Darlehensvertrag abgeschlossen werden. In Abkommensfällen ist allerdings zu beachten, dass Art. 9 Abs. 1 (präziser: die Art. 9 Abs. 1 nachgebildete, einschlägige Abkommensnorm) eine Sperrwirkung gegenüber § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und § 1 AStG in den Fällen entfaltet, in denen eine Einkünftekorrektur auf rein formale Beanstandungen gestützt wird (vgl. Rz. 21). Wurde vor diesem Hintergrund auch ohne schriftlichen Darlehensvertrag Fremdkapital gewährt und dieses fremdüblich abgerechnet, und als solches auch handels- und steuerbilanziell ausgewiesen, steht einer Einkünftekorrektur aus rein formalen Gesichtspunkten Art. 9 Abs. 1 entgegen. bb) Verrechnung der Höhe nach Angemessener Zinssatz. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist für die Gewäh- 99 rung von Darlehen an verbundene Unternehmen der Zins anzusetzen, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen das Darlehen am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten.1 Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie z.B. die Darlehenshöhe, die Laufzeit und Art des Darlehens, die Wechselkursrisiken sowie die allgemeinen Verhältnisse am Kapitalmarkt.2 Allerdings darf sich der zwischen verbundenen Unternehmen zum Ansatz zu bringende Zinssatz – wie wohl von der Finanzverwaltung beabsichtigt – keinesfalls einseitig am Soll-Zinssatz orientieren. Ein solcher ist vielmehr nur dann zwingend, wenn das darlehensgewährende verbundene Unternehmen sich selbst über den Soll-Zinssatz einer Bank refinanziert und die entsprechenden Mittel an ein verbundenes Unternehmen weiterleitet.3 Verfügt das darlehensgewährende verbundene Unternehmen demgegenüber über ausreichend eigene Liquidität zur Finanzierung des Darlehens an verbundene Unternehmen, spricht vieles dafür, den Haben-Zinssatz zum Ansatz zu bringen. Entscheidend sind allerdings jeweils die Umstände des Einzelfalls. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Rspr. des BFH, wonach sich im Zweifel fremde Dritte die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen und infolgedessen der zum Ansatz zu bringende Zinssatz dem Mittelwert zwischen Soll- und Haben-Zinssatz entsprechen soll.4 Denn eine solche hälftige Teilung des Zinssatzes ist unter unabhängigen Dritten gerade nicht üblich.5 Vielmehr ist alleine darauf abzustellen, zu welchen Konditionen das verbundene Unternehmen anderweitig ein Darlehen hätte aufnehmen können oder müssen.6 Damit kann als angemessener Zinssatz nur derjenige zur Anwendung kommen, welcher am Markt zum Ansatz kommen würde. Zinslose Kapitalüberlassung. Grundsätzlich entspricht nur eine verzinsliche Über- 100 lassung von Fremdkapital dem Grundsatz des Fremdvergleichs. Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen eine zinslose bzw. eine zinsbegünstigte Überlassung von Fremdkapital bei der darlehensgewährenden Konzerngesellschaft betrieblich veranlasst ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn – nach Handelsbrauch – auch fremde Dritte keine Zinsen berechnen würden. Dies betrifft insbesondere Lieferantenkredite für Waren oder Dienstleistungen innerhalb üblicher Zahlungsziele. Ferner können zinslose Warenkredite oder zinslose Darlehen an eine Vertriebsgesellschaft im eige1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.1. 2 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.2.2. 3 Nach Buciek, JbFSt 2008/09, 796, ist neben dem Refinanzierungssatz auch ein Gewinnaufschlag zu verrechnen. Insoweit kommt die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung. Vgl. auch Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 754. 4 Vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725; v. 22.10.2003 – I R 36/03, DStRE 2004, 304. 5 Kritisch auch Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 693. 6 So auch FG Berlin-Bdb. v. 9.3.2011 – 12 K 12267/07, EFG 2011, 1737 (rkr.); FG Sachsen-Anhalt v. 21.2.2008 – 3 K 305/01, n.v.
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781
Art. 9 Rz. 100–103
Verbundene Unternehmen
nen betrieblichen Interesse der Produktionsgesellschaft oder der liefernden Gesellschaft liegen (z.B. zur eigenen Absatzförderung).1 101
Avalprovisionen. Weder die OECD-Leitlinien noch die Verlautbarungen der Finanzverwaltung enthalten Anhaltspunkte zur Bestimmung angemessener Avalprovisionen für gruppeninterne Bürgschaften, Garantien oder ähnliche Verpflichtungen. Vertreter der Finanzverwaltung gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass die von Banken veranschlagten Avalprovisionen in Höhe von ca. 1 % bis 3 % als Obergrenze eines Vergleichsmaßstabs herangezogen werden können.2 Eine solche Ableitung gruppeninterner Avale aus Bankgeschäften kann indessen nicht überzeugen. Denn Banken unterliegen besonderen aufsichtsrechtlichen und Solvabilitäts-Vorschriften, die sich in ihren Kalkulationen und Ausgestaltungsgrundsätzen für Avalkredite widerspiegeln.3 Insbesondere haben Banken ihre Avalkredite mit Eigenkapital zu unterlegen, so dass diese hohe Opportunitätskosten verursachen, die in die Avalprovisionen eingepreist werden. Ferner ist die Übernahme von Bürgschaften für Banken in der Regel ein besonderer Geschäftszweig, der nicht selten das eigene Kreditgeschäft der Banken stützt. Diesen Geschäftsbedingungen unterliegen gruppeninterne Avale hingegen nicht. Damit liegen insofern keine vergleichbaren Verhältnisse vor (vgl. Rz. 50 f.). Vor diesem Hintergrund haben sich im steuerlichen Schrifttum und in der Betriebsprüfungspraxis Provisionsspannen von 1/8 % bis 1/4 % des tatsächlich in Anspruch genommenen Kredits herausgebildet.4 Hierbei handelt es sich allerdings um rein pragmatische Ansätze. Alternativ können angemessene Avale aus dem Zinsvorteil abgeleitet werden, den das verbundene Unternehmen in Folge der Garantie realisieren konnte.5 Darüber hinaus werden im Schrifttum finanzmathematische Ansätze zur Ermittlung angemessener Avalprovisionen diskutiert (sog. Credit Default Swaps).6 c) Lizenzierung immaterieller Wirtschaftsgüter aa) Verrechnung dem Grunde nach
102
Betrieblicher Nutzen des Lizenznehmers. Werden immaterielle Wirtschaftsgüter (z.B. Marken, Patente, Know-how, Kundenstamm) einem verbundenen Unternehmen zur Nutzung überlassen, ist hierfür nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ein angemessenes Entgelt in Form einer Lizenzgebühr zu verrechnen. Eine solche ist allerdings nur dann verrechenbar, wenn sie für den Lizenznehmer einen betrieblichen Nutzen erwarten lässt.7 Dies ist dann der Fall, wenn den Lizenznehmer im Rahmen einer „ex-ante“-Betrachtung aus der Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsguts einen wirtschaftlichen Vorteil erwartet bzw. das immaterielle Wirtschaftsgut geeignet ist, seine Geschäftstätigkeit zu fördern (sog. „benefit test“). Dies setzt voraus, dass die Nutzungsüberlassung des immateriellen Wirtschaftsgutes beim Lizenznehmer erhöhte Erlöse bzw. Kostenersparnisse erwarten lässt.8 Die Verrechnung von Lizenzgebühren ist nicht möglich, wenn die Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter im Zusammenhang mit Lieferungen und Leistungen steht und fremde Dritte ein Gesamtentgelt vereinbart hätten (sog. Verbot der Doppelverrechnung).9
103
Lizenzierung von Know-how. Die Finanzverwaltung greift – insbesondere in Betriebsprüfungen – häufig Fälle auf, in denen mutmaßlich Know-how eines deutschen Unternehmens an ein ausländisches verbundenes Unternehmen zur Nutzung überlas1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 4.3.1. und 4.3.2. 2 Vgl. Zech, IStR 2009, 418 (418); so auch FG Nds. v. 23.3.1999 – VI 357/95, DStRE 2000, 411. 3 Vgl. Puls, IStR 2012, 209 (212); Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 767; Crüger/Köhler, RIW 2008, 378 (379); Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533 (534). 4 Vgl. Ditz/Kluge, IWB 2013, 87 (92); Puls, IStR 2012, 209 (214); Ditz, IStR 2009, 421 (422); Ditz/ Schneider, DB 2011, 779 (781). 5 Vgl. dazu ausführlich Ditz/Kluge, IWB 2013, 87 (93 f.); Ditz/Schneider, DB 2011, 779 (780 f.) mit Verweis auf das Urt. des Tax Court of Canada v. 6.12.2009. 6 Vgl. Crüger/Köhler, RIW 2008, 378 ff.; Schaus/Köhler/John, RIW 2009, 533 ff. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.1. 8 Vgl. Rz. 6.14 OECD-Leitlinien. 9 Vgl. Rz. 6.17 OECD-Leitlinien; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.2.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 103–104 Art. 9
sen worden ist.1 Hier stellt sich die Frage, wann unter Fremdvergleichsgesichtspunkten tatsächlich die Verrechnung einer Lizenzgebühr für die Nutzungsüberlassung von Know-how angezeigt ist. Im Gegensatz zur Definition des Patents im PatentG existiert für den Begriff des Know-how keine Legaldefinition.2 Die OECD-Leitlinien verstehen unter Know-how geheime Verfahren, Formeln oder sonstige geheime Informationen über gewerbliche, kaufmännische oder wissenschaftliche Erfahrungen, die patentrechtlich nicht geschützt sind.3 Know-how kann folglich von einfachem Erfahrungswissen bis hin zu nicht geschützten Erfindungen als Ergebnis umfangreicher Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten reichen und dabei entweder in physikalischen Gegenständen (z.B. Formen, Materiallisten, Arbeitsanweisungen) oder in Humankapital (z.B. Wissen von Spezialisten) verkörpert sein.4 Vor diesem Hintergrund ist es häufig nicht unproblematisch, festzustellen, in welchen Fällen Know-how eines inländischen Unternehmens durch ein ausländisches Unternehmen genutzt wird und folglich eine Lizenzgebühr zu verrechnen ist. Hiervon ist – in Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes – immer dann auszugehen, wenn auch unabhängige Dritte für eine vergleichbare Know-how-Überlassung ein Entgelt vereinbaren würden. Dies setzt zunächst voraus, dass dem ausländischen verbundenen Unternehmen tatsächlich ein betrieblicher Nutzen (insbesondere in Form einer Zeit- oder Kostenersparnis) entsteht (vgl. Rz. 102). Eine Lizenzierung von Know-how scheidet damit immer dann aus, wenn das entsprechende Wissen dem ausländischen verbundenen Unternehmen bereits bekannt ist (z.B. weil dieses bereits öffentlich zugänglich ist) oder ohnehin bekannt werden würde. Ferner kommt eine Lizenzierung von Knowhow nur dann in Betracht, wenn es einen gewissen Konkretisierungsgrad überschreitet und damit die Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts erfüllt.5 Diese Voraussetzung ist insbesondere erfüllt, wenn sich das Know-how in körperlichen Gegenständen (z.B. Zeichnungen, Versuchsergebnissen, Tabellen, Berechnungsergebnissen, Formeln, Rezepturen, Angaben von Materialqualitäten, Fertigungsvorschriften) materialisiert. Dagegen kann von einer Nutzungsüberlassung von Know-how nicht ausgegangen werden, wenn die Mitarbeiter ihr Wissen (z.B. durch Schulungsveranstaltungen, Vorträge und Seminare) an Mitarbeiter des ausländischen verbundenen Unternehmens weitergeben oder diese in bestimmte Produktions- oder Fertigungsprozesse einarbeiten.6 In diesen Fällen liegt vielmehr eine gruppeninterne Dienstleistung vor (vgl. Rz. 109 ff.). Firmennamensgleiche Marken. Die Einräumung des Rechts auf Führung eines 104 Firmennamens ist steuerlich grundsätzlich nicht verrechenbar.7 Die Verleihung eines Firmennamens ist nämlich die Aufgabe des Gesellschafters und gehört damit zur Grundausstattung der Gesellschaft. Sie ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und kann deshalb nicht Gegenstand von zusätzlichen schuldrechtlichen Verträgen sein. Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn der Firmenname auch als Marke für die Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen genutzt wird, mithin also firmennamensgleiche Marken zur Nutzung überlassen werden. In diesem Fall sind nach dem BFH-Urt. v. 9.8.20008 Marken und Markenrechte als produkt- und dienstleistungsidentifizierende Kennzeichnungen einerseits und der Firmenname als besondere Bezeichnung des Geschäftsbetriebs andererseits strikt voneinander zu 1 Vgl. etwa Zech, IStR 2009, 418 (419); Ditz, IStR 2009, 421 (422). 2 Vgl. auch BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235. 3 Vgl. Rz. 6.5 OECD-Leitlinien. Zur Definition des Know-how vgl. auch BFH v. 16.12.1970 – I R 44/67, BStBl. II 1971, 235. 4 Vgl. auch BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82, BStBl. II 1989, 82; FG Hess. v. 17.2.1998 – 13 K 3372/94, EFG 1998, 1080. 5 Zur Einordnung von Know-how als Wirtschaftsgut vgl. BFH v. 23.11.1988 – II R 209/82, BStBl. II 1989, 83; v. 15.7.1987 – II R 249/83, BStBl. II 1987, 809; v. 13.2.1970 – III R 43/68, BStBl. II 1970, 374; FG Hess. v. 17.2.1998 – 13 K 3372/94, EFG 1998, 1080. 6 Vgl. auch BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 – S 1341 – 20/01, BStBl. I 2001, 796, Rz. 4.2. 7 Die Finanzverwaltung lehnt die Zahlung eines Entgelts für das Recht, einen Firmennamen zu führen, unter Hinweis auf den sog. „Rückhalt im Konzern“ ab, vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2. 8 Vgl. BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140.
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Art. 9 Rz. 104–106
Verbundene Unternehmen
trennen. Auch bei Identität mit dem Firmennamen kann folglich ein Lizenzentgelt für eine Markenüberlassung dem Grunde nach verrechenbar sein, wenn die Nutzungsüberlassung des Markenrechts geeignet ist, „zur Absatzförderung beizutragen“.1 Entscheidend ist damit eine ex-ante-Betrachtung, wonach zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Lizenzvertrags mit markenbedingten absatzwirtschaftlichen Vorteilen in den relevanten Verbraucherkreisen gerechnet werden konnte. Neben den erzielbaren Preisen der unter den Markenrechten vertriebenen Produkte, dem Bekanntheitsgrad der Marke, der weltweiten oder regionalen Präsenz, kommt dabei auch der Frage entscheidende Bedeutung zu, wer den Wert der Marke geschaffen und wer die Aufwendungen für deren Begründung und dessen Erhalt getragen hat (z.B. durch Weiterentwicklungen, Werbung und Marketingmaßnahmen).2 Wurden solche Aufwendungen alleine von markennutzenden verbundenen Unternehmen (d.h. dem potenziellen Lizenznehmer) getragen, spricht dies in vielen Fällen gegen eine Lizenzverrechnung. bb) Verrechnung der Höhe nach 105
Lizenzdeterminierende Faktoren. Im Hinblick auf die Ermittlung einer Lizenzgebühr nach dem Fremdvergleichsgrundsatz sind folgende Faktoren zu beachten:3 – geografische Reichweite der Nutzungsrechte, – Art des Lizenzvertrages (einfache, alleinige oder ausschließliche Lizenz), – Investitionen des Lizenznehmers in die Nutzung der überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter, – entstehende Anlauf- und Markterschließungskosten des Lizenznehmers, – Recht zur Vergabe von Unterlizenzen, – Recht des Lizenznehmers auf Nutzung von Weiterentwicklungen des Lizenzgebers, – Art der Lizenz (z.B. Produktions- oder Vertriebslizenz), – Ausmaß und Dauer des Patent- bzw. Markenschutzes, – Übernahme der Kosten für den rechtlichen Schutz des überlassenen immateriellen Wirtschaftsguts, – Risiko der Substitution des Schutzrechts durch neue Erfindungen, – durch die Nutzung des immateriellen Wirtschaftsguts entstehende Risiken (wie z.B. Produkthaftungsrisiko), – ordentliche und außerordentliche Kündigungsrechte des Lizenzgebers, – Kaufoptionsrechte des Lizenznehmers und Andienungsrechte des Lizenzgebers.
106
Hypothetischer Fremdvergleich. Ferner sind im Rahmen der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren die Entscheidungssituationen des Lizenzgebers und des Lizenznehmers zu berücksichtigen.4 So wird der Lizenzgeber eine Lizenzgebühr mindestens in der Höhe verlangen, die er bei einer alternativen Nutzungsüberlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter erzielen könnte.5 Darüber hinaus wird er versuchen, durch den Barwert der Lizenzgebühreneinnahmen seine Kosten zu decken (insbesondere Forschungs- und Entwicklungskosten, Werbe- und Marketingkosten sowie laufende Kosten der Lizenzvergabe). Insoweit ergibt sich eine Preisuntergrenze des Lizenzgebers. In der Verrechnungspreispraxis bezieht sich die Bestimmung von Lizenzgebühren allerdings weniger auf die Kostensituation des Lizenzgebers als vielmehr auf den zukünftigen Nutzen des Lizenznehmers. Für diesen stellt der zukünftig
1 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 2 Vgl. Baumhoff, IStR 1999, 533 (533); Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 302; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 822 f. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.1.1.; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 432. 4 Vgl. Kleineidam in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 111 ff. 5 Vgl. Rz. 6.14 OECD-Leitlinien.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 106–108 Art. 9
aus der Lizenzierung des immateriellen Wirtschaftsguts erwartete Nutzen in Form ersparter Kosten bzw. zusätzlicher Erlöse das zentrale Entscheidungskriterium dar. Seine Preisobergrenze liegt dabei bei einer Lizenzgebühr, die ihm mindestens einen ebenso hohen Nutzen wie bei Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit einem alternativen Anbieter oder einer Eigenentwicklung des immateriellen Wirtschaftsguts belässt. Dabei würde er es nicht hinnehmen, mittel- und langfristig aus der Lizenzierung des immateriellen Wirtschaftsguts Verluste zu erzielen.1 Insofern ergibt sich aus der Preisobergrenze des Lizenznehmers und der Preisuntergrenzen des Lizenzgebers ein Einigungsbereich, innerhalb dessen die angemessene Lizenzgebühr liegen muss. Im Ergebnis erfolgt damit die Lizenzgebührenermittlung auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs unter Berücksichtigung der Referenzfigur eines doppelten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (vgl. Rz. 58 ff.). Anwendung der Preisvergleichsmethode. Zur Ermittlung einer angemessenen Li- 107 zenzgebühr ist nach dem Stufenverhältnis des § 1 Abs. 3 AStG zunächst die Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 63 ff.) zu prüfen.2 Der Anwendung der Preisvergleichsmethode sind im Rahmen der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren auf Grund der Individualität und Einzigartigkeit der immateriellen Wirtschaftsgüter jedoch enge Grenzen gesetzt. Wird ein immaterielles Wirtschaftsgut sowohl verbundenen als auch unabhängigen Unternehmen zur Nutzung überlassen, lässt sich die Lizenzgebühr in der Regel mit Hilfe eines inneren Preisvergleichs festlegen. Dies ist die einfachste und zuverlässigste Art der Ermittlung angemessener Lizenzgebühren. Ein äußerer Preisvergleich orientiert sich demgegenüber an Preisen oder Vereinbarungen, die zwischen voneinander unabhängigen Dritten festgelegt werden. Ein äußerer Preisvergleich kann bspw. auf Basis einer Datenbankanalyse durchgeführt werden. Ferner gibt es zahlreiche Literaturquellen, welche branchenspezifische Lizenzsätze zusammenfassen.3 Schließlich führt das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die sog. Lizenzkartei, in welcher die von der Finanzverwaltung geprüften Lizenzverträge registriert sind. Einzellizenzsätze werden dabei dem Betriebsprüfer auf Anfrage für bestimmte Branchen mitgeteilt.4 Allerdings können die Daten der Lizenzkartei allenfalls grobe Anhaltspunkte für eine angemessene Lizenzgebühr bieten. Bindend sind sie jedenfalls für den Steuerpflichtigen nicht.5 Anwendung gewinnorientierter Methoden. Da sich die Preisvergleichsmethode 108 zur Bestimmung angemessener Lizenzgebühren als wenig praktikabel erwiesen hat und ferner auch die Wiederverkaufspreismethode und die Kostenaufschlagsmethode zur Bestimmung von Lizenzgebühren nur in sehr seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen, ist es in der Regel erforderlich, in diesem Zusammenhang auf gewinnorientierte Methoden zurückzugreifen.6 Bei der gewinnorientierten Betrachtung steht folglich die Renditeerwartung des Lizenznehmers im Vordergrund, so dass methodisch zur Ableitung angemessener Lizenzgebühren auf die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode (vgl. Rz. 81) abzustellen ist. Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode wird dabei in der Verrechnungspraxis sehr häufig über die sog. „Knoppe-Formel“ umgesetzt.7 Danach steht dem Lizenzgeber für die zur Nutzung überlassenen immateriellen Wirtschaftsgüter ein Anteil in Höhe von 25 % bis 33 1/3 % des vorkalkulierten Gewinns des Lizenznehmers aus den Lizenzprodukten ohne Berücksichtigung der Lizenzgebühr zu.8 Diese sehr pauschale Be1 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.3. 2 Vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.3. 3 Vgl. Böcker, StBp 1991, 79 ff.; Gross, BB 1998, 1321 ff.; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 711.1; Engler in V/B/E, Verrechnungspreise3, N Rz. 472, 480 ff. 4 Zur Zulässigkeit der Verwendung solcher anonymisierter Vergleichsdaten vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 5 Vgl. nur BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. I 2004, 171. 6 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.2.3. 7 Vgl. Böcker, StBp 1991, 79 (80); Böcker in Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, 155 (169 ff.); Zech, IStR 2009, 418 (419); Ditz, IStR 2009, 421 (423). 8 Vgl. Knoppe, Die Besteuerung der Lizenz und Know-how-Verträge, 102; Knoppe, BB 1967, 1117.
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Art. 9 Rz. 108–109
Verbundene Unternehmen
stimmung der Lizenzgebühr nimmt indessen keine Rücksicht auf die spezifische Funktions- und Risikoallokation im Einzelfall. Vor diesem Hintergrund kann die Formel letztlich wirtschaftlich nicht gerechtfertigt werden.1 Allerdings bestätigen mittlerweile umfangreiche Studien den Gehalt der Analyse von Knoppe.2 In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Studien von Goldscheider erwähnenswert, der bereits vor Jahrzehnten die sog. „25 %-Rule“ auf Basis empirischer Untersuchungen abgeleitet hatte.3 Danach bestimmt sich eine angemessene Lizenzgebühr aus 25 % des mit dem lizenzierten immateriellen Wirtschaftsgut generierten erwarteten Gewinns. Diese Regel wurde durch eine neuerliche Studie vor wenigen Jahren bestätigt.4 Insofern ist für Verprobungszwecke einer Lizenzgebühr eine Orientierung an 25 % des Gewinns möglich. d) Verrechnung von Dienstleistungen aa) Verrechnung dem Grunde nach 109
Abgrenzung zum Gesellschafteraufwand. Erbringt eine Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft oder einer dieser nachgeordneten Gesellschaft Dienstleistungen, ist zunächst zu prüfen, ob die Leistungen auf gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Basis erbracht werden. Eine Verrechnung von Dienstleistungen dem Grunde nach ist nur möglich, wenn ein echter Dienstleistungsaustausch auf schuldrechtlicher Basis vorliegt, der zumindest mittelbar geeignet ist, die betrieblichen Interessen des dienstleistungsempfangenden Konzernunternehmens zu fördern (sog. „benefit test“).5 Dabei ist nach dem Grundsatz der ex-ante-Betrachtung auf den erwarteten und nicht etwa auf den tatsächlich realisierten Nutzen bzw. Vorteil abzustellen (vgl. Rz. 102). Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn im Zeitpunkt der Erbringung einer Dienstleistung eine Förderung der Geschäftstätigkeit des leitungsempfangenden Unternehmens vernünftigerweise erwartet werden konnte. Denn auch nur in diesem Fall würden unabhängige Dritte eine Dienstleistung verrechnen bzw. nur in diesem Fall wäre ein ordentlicher Geschäftsleiter bereit, eine Dienstleistung gegen Entgelt anzunehmen.6 Infolgedessen scheidet die Verrechnung eines Entgeltes immer dann aus, wenn die Leistung ihre Rechtsgrundlage in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen der beteiligten Unternehmen findet.7 Die OECD spricht insofern zutreffend von „Gesellschafteraufwand“.8 Zu diesen gesellschaftsrechtlich veranlassten und folglich nicht verrechenbaren Leistungen gehören insbesondere:9 – Leitung und Organisation des Konzerns, die Festlegung der Konzernpolitik sowie die Finanzplanung für den Gesamtkonzern (z.B. Aufwendungen für den KonzernVorstand, den Konzern-Aufsichtsrat sowie Gesellschafterversammlung der Konzernspitze); – Planung von Investitions-, Produktions-, Forschungs- und Absatzmaßnahmen im Gesamtkonzernbereich sowie deren zentrale Koordination (z.B. Unternehmensplanung durch die Konzernspitze); – Dokumentation der Konzernergebnisse sowie alle Kontrollmaßnahmen zur Überwachung der Aktivitäten der Untergesellschaften (z.B. Einführung und Überwachung eines einheitlichen Rechnungs- und Berichtswesens, Konsolidierung des 1 Ebenfalls krit. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 818 f. 2 Vgl. Baumhoff/Greinert, Ubg 2009, 544 (547); Baumhoff in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung?, 149 (158 f.); Ditz, IStR 2011, 125 (130). 3 Vgl. Goldscheider/Jarosz/Mulheren in Parr, Royalty Rates for Licensing Intellectual Property, 31; Granstrand, Les Nouvelles 2006, 179. 4 Vgl. im Einzelnen Baumhoff/Greinert, Ubg 2010, 544 (547 f.). 5 Zum „benefit test“ vgl. auch Wellens/Schwemin, DB 2013, 80 ff. 6 Vgl. Rz. 7.6, 7.14 und 7.29 OECD-Leitlinien; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.2.1. 7 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.1. 8 Vgl. Rz. 7.6 OECD-Leitlinien. 9 Vgl. Rz. 7.10 ff. OECD-Leitlinien; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.3.2.; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG, Rz. 636 ff.; Schlagheck, StBp 2000, 84.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 109–111 Art. 9
Konzernergebnisses, Aufstellung Konzernabschluss, Überwachung der Geschäftsführung von Tochtergesellschaften); – Rückhalt im Konzern (Vorteile aus der reinen Konzernzugehörigkeit, wie z.B. Kreditwürdigkeit, verbilligte Einkaufsmöglichkeiten, Risikostreuung, Recht auf Führung des Konzernnamens1 (vgl. Rz. 104) sowie günstigere Absatzmöglichkeiten). Mischleistungen. In der Verrechnungspreispraxis lassen sich bestimmte Tätigkei- 110 ten häufig nicht eindeutig den Kategorien „verrechenbar“ und „nicht verrechenbar“ zuordnen. Bei diesen sog. Mischleistungen handelt es sich um Dienstleistungen, die sowohl im Interesse der Muttergesellschaft bzw. der gesamten Unternehmensgruppe als auch im Interesse eines oder mehrerer verbundener Unternehmen erbracht werden.2 In diesem Fall ist eine Aufteilung der Leistungen in einen verrechenbaren und einen nicht verrechenbaren Teil im Wege einer Schätzung vorzunehmen. Beispiel: Die in Deutschland ansässige M AG hat sich für die Einführung einer neuen ERP-Software entschieden. Die entsprechende Software wird sowohl im deutschen Mutterhaus als auch von ausländischen Tochtergesellschaften der M AG genutzt. Hintergrund der Einführung der ERP-Software war einerseits die Vereinheitlichung und Vereinfachung des Rechnungswesens, des Controllings und der Kostenrechnung. Die Einführung der Software führt damit zu Vorteilen im Hinblick auf die Führung und Kontrolle der gesamten Unternehmensgruppe sowie zu einer Vereinfachung der Konsolidierung der einzelnen Unternehmensergebnisse. Damit hat die M AG als Konzernobergesellschaft ein unmittelbares Interesse an der Einführung der ERP-Software. Andererseits führt die ERP-Software auch zu betrieblichen Vorteilen bei den ausländischen Tochtergesellschaften. Denn die Software ist mit neuen „Tools“ verbunden, die insbesondere in der Materialwirtschaft und beim Forderungsmanagement im Interesse der ausländischen Tochtergesellschaften liegen. Mithin liegen damit im Bereich der Einführung der ERP-Software sog. Mischleistungen vor, die eine Aufteilung der entstehenden Aufwendungen notwendig machen. Hierbei ist es sachgerecht, einen wesentlichen Teil der Aufwendungen (z.B. 60 %) der inländischen M AG zuzuordnen.
Im Zusammenhang mit Mischleistungen ist ferner zu berücksichtigen, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung Dienstleistungen nur verrechenbar (und damit entgeltpflichtig) sind, wenn sie eindeutig abgrenzbar und messbar sind und von einem unabhängigen Unternehmen unter vergleichbaren Verhältnissen in Anspruch genommen werden würden.3 Diese ergänzenden Hilfskriterien sprechen dafür, nicht eindeutig fassbare und identifizierbare Dienstleistungen der Kategorie „nicht verrechenbar“ zuzuordnen. Im Übrigen betonen auch die OECD-Leitlinien, dass die Erzielung eines mittelbaren, indirekten, kaum greifbaren oder „nebenbei entstehenden“ Vorteils die Verrechnung einer Dienstleistung nicht rechtfertigt.4 bb) Verrechnung der Höhe nach Anwendung der Preisvergleichsmethode. Im Rahmen der Einzelabrechnung wird 111 für jede einzelne innerkonzernliche Dienstleistung ein Entgelt verrechnet. Dabei kommen grundsätzlich die drei klassischen Methoden (vgl. Rz. 60 ff.) der Verrechnungspreisermittlung in Betracht. Nach der Preisvergleichsmethode (vgl. Rz. 63 ff.) können Verrechnungspreise für die Erbringung von Dienstleistungen durch einen inneren Preisvergleich ermittelt werden, wenn diese sowohl an verbundene wie auch an unverbundene Unternehmen erbracht werden. Zu denken ist hierbei insbesondere an konzerneigene Marketing-, F&E-, Verwaltungs-, Unternehmensberatungs- und Engineerings-Gesellschaften.5 Ein äußerer Preisvergleich, bei dem auf den Leistungsverkehr zwischen unabhängigen Unternehmen abgestellt wird, eignet sich hingegen nur für den Bereich der marktgängigen Dienstleistungen, da nur für diese eine vergleichbare Referenztransaktion zwischen unabhängigen Dritten identifiziert werden kann. Dazu 1 Vgl. dazu jedoch BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140. 2 Vgl. auch Becker/Kroppen in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, O Rz. 7.6 Anm. 6 m.w.N. 3 Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 6.2.2. 4 Vgl. Rz. 7.12 OECD-Leitlinien. 5 Vgl. auch Stock/Kaminski, IStR 1997, 451 ff.
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Art. 9 Rz. 111–114
Verbundene Unternehmen
gehören in erster Linie die sog. gewerblichen Dienstleistungen, wie z.B. Transport-, Versicherungs-, Überwachungs-, Reinigungs-, Wartungs-, Montage-, Reparatur- und Marketingdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Bereich der EDV. Für den ebenfalls zu den Dienstleistungen zählenden Bereich der Auftragsforschung ist ebenfalls eine Marktpreisorientierung möglich. So können z.B. Vergleichsangebote von unabhängigen Forschungseinrichtungen (wie z.B. Universitätsinstituten) eingeholt werden oder marktübliche Stunden- oder Tagessätze zum Ansatz kommen.1 Darüber hinaus kann ein Preisvergleich häufig im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen, wie z.B. der Rechts-, Steuer-, Unternehmens- und Ingenieurberatung geführt werden.2 112
Anwendung der Kostenaufschlagsmethode. Die Preisvergleichsmethode ist im Zusammenhang mit konzerninternen Dienstleistungen häufig mit erheblichen Anwendungsproblemen verbunden. Da ferner die Wiederverkaufspreismethode (vgl. Rz. 66) nur in wenigen Ausnahmefällen Anwendung finden kann,3 kommt der Kostenaufschlagsmethode (vgl. Rz. 69 ff.) im Rahmen der Verrechnung konzerninterner Dienstleistungen die größte Bedeutung zu. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen für eine konzerninterne Dienstleistung keine Marktpreise als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen, etwa weil es sich um nicht marktfähige, konzernspezifische Dienstleistungen handelt, vorliegende Marktpreise auf Grund einer fehlenden Vergleichbarkeit der Verhältnisse nicht brauchbar sind, tatsächlich vereinbarte Marktpreise nicht identifizierbar sind oder bereits der Grundsatz des Fremdvergleichs für bestimmte Dienstleistungen die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode verlangt. Dies gilt beispielsweise für die Lohnfertigung (Rz. 88) oder die Auftragsforschung.
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Konzernumlagen. Da sich die Einzelabrechnung von Dienstleistungen in der Verrechnungspreispraxis als sehr unpraktikabel erwiesen hat, werden konzerninterne Dienstleistungen häufig auch auf Basis einer Konzernumlage verrechnet. Dabei stehen mit dem Leistungsaustauschkonzept und dem Poolkonzept zwei unterschiedliche Abrechnungskonzeptionen zur Verfügung (Rz. 84 ff.). 4. Funktionsverlagerungen
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Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 AStG. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des UntStRefG 20084 in § 1 Abs. 3 AStG eine Regelung zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen eines inländischen Unternehmens auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen aufgenommen. In diesem Zusammenhang ordnet § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG an, dass das im Rahmen der Funktionsverlagerung übergehende „Transferpaket“ als Ganzes unter Berücksichtigung des mit der Funktion verbundenen „Gewinnpotenzials“ zu bewerten ist.5 Im Ergebnis sind damit bei Funktionsverlagerungen ins Ausland die aus der Unternehmensbewertung bekannten Bewertungsverfahren (Ertragswertverfahren) anzuwenden; eine Einzelbewertung der im Zuge der Funktionsverlagerung auf das ausländische Unternehmen übergehenden Wirtschaftsgüter findet – vorbehaltlich der sog. Escape-Regelungen des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG6 – nicht mehr statt.7 Die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen einer Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG wurden durch eine Rechtsverordnung, die sog. Funktionsverlagerungsverordnung v. 12.8.2008 (FVerlV),8 1 2 3 4 5
Vgl. auch BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 5.3. Vgl. dazu auch BFH v. 23.6.1993 – I R 72/92, BStBl. II 1993, 801. Vgl. dazu BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 3.2.3.2. Vgl. Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. Zu Einzelheiten der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 164 ff.; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 558 ff.; Kroppen/Rasch/Eigelshoven, IWB 2007, F. 3 Gr. 1, 2207; Frotscher, FR 2008, 49 ff.; Kaminski, RIW 2007, 594 ff. 6 Vgl. dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 ff. 7 Vgl. Schreiber, Ubg 2008, 435. Zur alten Rechtslage vgl. jedoch Ditz, DStR 2006, 1627 ff.; Ditz/ Just, DB 2009, 141 ff.; Wassermeyer, DB 2007, 535 (538); Blumers, BB 2007, 1757 (1759). 8 Vgl. Funktionsverlagerungsverordnung v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1680 und dazu Baumhoff/ Ditz/Greinert, DStR 2008, 1945 ff. m.w.N.; Kroppen/Schreiber/Roeder, in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 41 ff.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 114–116 Art. 9
konkretisiert. Wenngleich die FVerlV Details der Funktionsverlagerungsbesteuerung regelt, blieben zahlreiche praxisrelevante Detailfragen offen, die in den VWG Funktionsverlagerung v. 13.10.20101 aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung erörtert und gewürdigt werden.2 Umstrittene Neuregelung. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG ordnet – konkretisiert durch die 115 FVerlV v. 12.8.2008 – im Rahmen der Übertragung von Funktionen auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen eine Gesamtbewertung an, weil – so die Gesetzesbegründung – „der Preis für die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht angemessen widerspiegelt.“3 Dem Gesetzgeber geht es folglich um die Erfassung eines funktionsbezogenen Geschäfts- oder Firmenwertes. In diesem Zusammenhang wurde auch die sog. „Einigungsbereichsbetrachtung“ gesetzlich eingeführt, die aus der betriebswirtschaftlichen Betrachtung der Unternehmensbewertung bzw. des Unternehmenskaufs stammt.4 Danach kann ein hypothetischer Fremdvergleichspreis (zum hypothetischen Fremdvergleich vgl. Rz. 57 ff.) nur dann zustande kommen, wenn die Preisuntergrenze des Verkäufers (respektive des funktionsabgebenden Unternehmens) unterhalb der Preisobergrenze des Käufers (respektive des funktionsübernehmenden Unternehmens) liegt. Innerhalb dieses Einigungsbereichs muss dann der angemessene Verrechnungspreis für die Funktion liegen.5 Diese Grundsätze der Besteuerung von Funktionsverlagerungen waren von Anfang an heftig umstritten.6 Hauptkritikpunkte der Vorschriften zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen sind insbesondere – die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe und die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten, – das praktisch sehr aufwendige Modell für die Bewertung des Transferpakets, – die vorzeitige Besteuerung von im Ausland erst zukünftig entstehenden Gewinnpotenzialen, – die Zuordnung eines anteiligen Geschäfts- oder Firmenwertes zu einer Funktionsverlagerung, – die unpraktikablen Escape-Klauseln des § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG sowie – die fehlende internationale Abstimmung der deutschen Regelung für Funktionsverlagerungsbesteuerungen und das daraus resultierende Risiko einer internationalen Doppelbesteuerung.7 Paradigmenwechsel. Die Einführung der Funktionsverlagerungsbesteuerung gem. 116 § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG und der FVerlV führte zu einem Paradigmenwechsel im Hinblick auf die Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven in Deutschland. Da der Ansatz gänzlich neu und ohne vergleichbare Vorgängerregelung konzipiert wurde, gehört er heute zu den am meisten diskutierten und am heftigsten umstrittenen Regelungen des deutschen internationalen Steuerrechts.8 Auf Grund des international nicht abgestimmten Alleingangs des deutschen Gesetzgebers bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen ist derzeit eine verlässliche Steuerplanung in der Praxis schwierig und das Risiko einer internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung sehr hoch.
1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 - S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774. 2 Zu einer kritischen Analyse vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Ubg 2011, 161 ff.; Kroppen/Rasch, IWB 2009, F. 3 Gr. 1, 2439 ff.; Kaminski/Strunk, RIW 2009, 706 ff.; Endres/Oestreicher, IStR 2009, Beihefter zu Heft 20. 3 BR-Drucks. 220/07 v. 30.3.2007, 144. 4 Zu Einzelheiten vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464 ff.). 5 Zur Anwendung eines tatsächlichen Fremdvergleichs im Rahmen der Bewertung des Transferpakets vgl. Schilling/Kandels, DB 2012, 1065; Ditz/Liebchen, DB 2012, 1469 ff. 6 Vgl. auch Kroppen/Schreiber/Roeder in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 5 f. 7 Zu einem Überblick vgl. Wehnert/Sano, IStR 2010, 53 ff. 8 Vgl. auch Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2010, 1309 ff.; Baumhoff, WPg 2012, 396 ff.; Frischmuth in FS Schaumburg, 647 ff.; Kroppen in FS Schaumburg, 857 ff.
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Art. 9 Rz. 117 117
Verbundene Unternehmen
Regelungen in den OECD-Leitlinien. Im Rahmen der vollständigen Überarbeitung der OECD-Leitlinien wurde ein neues Kapitel IX zur Restrukturierung internationaler Unternehmen in die OECD-Leitlinien aufgenommen. Die OECD versteht dabei unter dem Begriff der Restrukturierung von internationalen Unternehmen die Neuallokation von Funktionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken innerhalb einer internationalen Unternehmensgruppe. Das Kapitel IX der OECD-Leitlinien geht damit weit über den Bereich der Funktionsverlagerung hinaus.1 Im Einzelnen werden folgende Themen schwerpunktmäßig behandelt:2 – Zuordnung und Bewertung von Risiken:3 Im Wesentlichen beziehen sich die Ausführungen der OECD-Leitlinien zur Zuordnung und Bewertung von Risiken auf die fremdübliche Allokation von Risiken zwischen verbundenen Unternehmen, ihre wirtschaftliche Einordnung sowie auf die Frage, welche Bedeutung Risiken für die Ermittlung von fremdüblichen Verrechnungspreisen zukommt. Nach Einschätzung der OECD kommt der Risikoallokation zwischen verbundenen Unternehmen eine zentrale Bedeutung im Hinblick auf die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise zu. Dabei sind nach Auffassung der OECD unabhängige Dritte nur bereit, Risiken zu übernehmen, wenn sie diese verantworten, steuern und beherrschen können. – Fremdvergleichskonforme Vergütung für die Restrukturierung:4 Die OECD stellt heraus, dass die Übertragung von Funktionen, Wirtschaftsgütern und/oder Risiken in der Regel mit einer Umverteilung von Gewinn- oder Verlustpotenzialen im Konzern einhergeht. Die wesentliche Frage geht dahin, ob die entsprechende Veränderung fremdüblich zu vergüten ist.5 Dabei unterscheidet die OECD zwischen der Übertragung von Werten und der Entschädigung der restrukturierten Einheit für durch die Restrukturierung entstehende Nachteile. Als vergütungspflichtige Werte werden dabei die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter oder ganzer Unternehmensfunktionen („activities“ und „going concern“) genannt (vgl. dazu Rz. 118). – Vergütung von Geschäftsbeziehungen nach einer Restrukturierung:6 Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen nach einer Restrukturierung sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Fremdvergleichs – insbesondere konkretisiert durch die klassischen Verrechnungspreismethoden und die transaktionsbezogenen Gewinnmethoden – zu bepreisen. Nach Auffassung der OECD ist allerdings genau zu analysieren, welches Unternehmen nach der Restrukturierung aus immateriellen Werten Vorteile zieht und welches verbundene Unternehmen diese Werte (vor der Restrukturierung) entwickelt hat. Die entsprechende Nutzung immaterieller Wirtschaftsgüter ist im Rahmen der Bepreisung von Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen nach der Restrukturierung zu berücksichtigen. – Anerkennung des tatsächlichen Geschäftsvorfalls (Dispositionsfreiheit des Steuerpflichtigen):7 Die OECD stellt explizit heraus, dass verbundene Unternehmen frei darüber entscheiden können, ob und in welchem Umfang sie Funktionen ausüben, Risiken und Gewinnchancen übernehmen und welche Ressourcen sie dafür einsetzen (sog. Grundsatz der unternehmerischen Dispositionsfreiheit). Die Finanzbehörde hat diese Entscheidungen bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu akzeptieren. So sind auch nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung Entscheidungen darüber, ob Funktionen selbst wahrgenommen, bei einem anderen (verbundenen) Unternehmen konzentriert, auf mehrere Unternehmen aufgeteilt werden oder ein Subunternehmer beauftragt wird, Gegenstand der
1 So auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 844. 2 Zu einem Vergleich der deutschen Regelungen mit den OECD-Leitlinien vgl. Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 31.1. 3 Vgl. Rz. 9.10 ff. OECD-Leitlinien. 4 Vgl. Rz. 9.48 ff. OECD-Leitlinien. 5 Vgl. Rz. 9.65 ff. OECD-Leitlinien. 6 Vgl. Rz. 9.123 ff. OECD-Leitlinien. 7 Vgl. Rz. 9.161 ff. OECD-Leitlinien.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 117–119 Art. 9
unternehmerischen Dispositionsfreiheit.1 Die Finanzbehörde hat diese Entscheidungen regelmäßig anzuerkennen, da der internationalen Gewinnabgrenzung der tatsächliche durch den Steuerpflichtigen verwirklichte Sachverhalt und nicht ein von der Finanzverwaltung „konstruierter“, d.h. hypothetischer Sachverhalt, der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Verhältnis der Funktionsverlagerungsbesteuerung zu den OECD-Leitlinien. Die 118 OECD-Leitlinien enthalten keine Definition der Funktion, sondern lediglich eine beispielhafte Aufzählung von Funktionen, welche im Rahmen der Funktionsanalyse zu prüfen sind.2 Im Gegensatz zu § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und der FVerlV setzt nach den OECD-Leitlinien eine Gesamtbewertung nicht den Übergang einer „Funktion“, sondern einer „activity“ voraus.3 Der Begriff der „activity“ wird von der OECD mit dem Begriff „going concern“ gleichgesetzt. Beide Begriffe dienen der Abgrenzung zum „bloßen“ Übergang von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern. Dabei kann eine Gesamtbewertung nach Auffassung der OECD notwendig sein, wenn ein „going concern“ und infolgedessen eine „activity“ auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen übertragen wird.4 Unter einem „going concern“ wird der Transfer von Wirtschaftsgütern, welche der Ausübung von bestimmten Funktionen dienen und welchen Risiken zuzuordnen sind, verstanden. Darüber hinaus wird das „going concern“ von der OECD als „functioning economically integrated business unit“ definiert.5 Solche „business units“ umfassen regelmäßig mehrere Funktionen und sind infolgedessen mit einem Teilbetrieb nach deutschem Verständnis vergleichbar,6 so dass sie über „eine“ Funktion hinausgehen.7 Nach den OECD-Leitlinien führt damit der Übergang einer Funktion noch nicht zu einer Gesamtbewertung im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen. Vielmehr setzt eine solche die Übertragung einer „business unit“ voraus. Eine solche entspricht allerdings dem deutschen Begriff des Teilbetriebs, so dass eine Gesamtbewertung im Rahmen einer Funktionsverlagerung, in deren Rahmen kein Teilbetrieb (und damit keine „business unit“) übertragen wird, von den OECD-Leitlinien nicht vorgesehen ist. Infolgedessen ist die Funktionsverlagerungsbesteuerung gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG und der FVerlV nicht durch die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes der OECD und damit nicht durch Art. 9 Abs. 1 gedeckt (vgl. auch Rz. 17 und 23).8 Eine Art. 9 Abs. 1 nachgebildete Abkommensnorm kann damit der Durchführung von Einkünftekorrekturen durch die deutsche Finanzverwaltung im Hinblick auf Funktionsverlagerungen entgegenstehen (allgemein zur Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 vgl. Rz. 19).9 Dies gilt im Übrigen auch für die in § 1 Abs. 3 Satz 11 ff. AStG vorgesehene sog. Preisanpassungsklausel (zu Einzelheiten vgl. Rz. 23). 5. Vorteilsausgleich Kalkulatorischer Ausgleich. Art. 9 Abs. 1 sieht das Recht einer Gewinnkorrektur 119 durch einen Vertragsstaat nur vor, wenn auf Grund der Vereinbarung nichtfremdvergleichskonformer Bedingungen bei einem der beiden verbundenen Unternehmen ei1 Vgl. BMF v. 13.10.2010 – IV B 5 – S 1341/08/10003, BStBl. I 2010, 774, Rz. 145. 2 Vgl. Rz. 1.21 ff. OECD-Leitlinien. Hier werden die folgenden Funktionen genannt: Design, Herstellung, Montage, Forschung und Entwicklung, Service, Einkauf, Vertrieb, Marketing, Werbung, Transport, Finanzierung und Management. 3 Vgl. Rz. 9.93 ff. OECD-Leitlinien. 4 Vgl. Rz. 9.94 OECD-Leitlinien; vgl. auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 31.1. 5 Vgl. Rz. 9.93 OECD-Leitlinien. 6 Die Rspr. definiert den Teilbetrieb als „einen mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten, organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebs, der für sich lebensfähig ist.“ Vgl. etwa BFH v. 5.6.2003 – IV R 18/02, BStBl. II 2003, 839 m.w.N.; v. 21.3.2010 – IV R 41/07, DStR 2010, 924 m.w.N. 7 Vgl. von Bredow, Reallokation von Funktionen in grenzüberschreitend tätigen Konzernen, 96 f. 8 Vgl. auch Schreiber in Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 31.1. 9 Vgl. auch Welling in FS Schaumburg, 985 (990).
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Art. 9 Rz. 119–120
Verbundene Unternehmen
ne Gewinnminderung eintritt. Von einer solchen kann dann nicht ausgegangen werden, wenn sich die beiden verbundenen Unternehmen gegenseitig Vorteile gewähren und sich die insoweit entstehenden Vor- und Nachteile ausgleichen.1 Ein solcher Vorteilsausgleich knüpft damit an wechselseitige Lieferungs- und/oder Leistungsbeziehungen an. Dabei erbringen die verbundenen Unternehmen ihre jeweiligen Lieferungen und/oder Leistungen gegenüber dem anderen entweder zu einem unangemessen hohen oder niedrigen Entgelt, wobei sich die unangemessenen Beträge der Höhe nach entweder voll oder teilweise ausgleichen. Damit werden bei bestimmten Geschäftsbeziehungen Gewinneinbußen in Kauf genommen, um diese mit entsprechend gewinnträchtigen Geschäften auszugleichen (sog. kalkulatorischer Ausgleich, z.B. im Zusammenhang mit einem absatzwirtschaftlichen Verbundgeschäft2). Ein solcher Ausgleich ist unzweifelhaft auch zwischen unabhängigen Dritten denkbar und durchaus üblich, so dass bei einem Vorteilsausgleich kein Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelbewertung von Geschäftsbeziehungen vorliegt. Dies ist grundsätzlich auch von der OECD,3 der Finanzverwaltung4 und der Rspr.5 anerkannt. 120
Voraussetzungen. Die Anerkennung eines Vorteilsausgleichs setzt nach Auffassung der Finanzverwaltung voraus, dass – derselbe auch zwischen untereinander unabhängigen Unternehmen denkbar ist, – die Geschäfte in einem inneren Zusammenhang zueinander stehen, – die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind und – die Vor- und Nachteilsverrechnung vereinbart war oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäftes gehört.6 Vergleicht man in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen mit denjenigen der Finanzverwaltung, so zeigt sich, dass die OECD lediglich voraussetzt, dass ein Ausgleich auch zwischen unabhängigen Dritten denkbar sein muss und die Vor- und Nachteile quantifizierbar sind.7 Der Versuch der Finanzverwaltung, den Vorteilsausgleich im Sinne eines „inneren Zusammenhangs“ zwischen Geschäft und Gegengeschäft unter eine enge zeitliche und sachliche Grenze zu stellen, wird damit von den OECD-Leitlinien nicht gedeckt. Der Ausdruck „innerer Zusammenhang“8 ist im Übrigen unklar. Die Finanzverwaltung geht wohl davon aus, dass Leistung und Gegenleistung so miteinander verknüpft sein müssen, dass sie wirtschaftlich als ein einheitliches Geschäft anzusehen sind. Eine solche Forderung widerspricht jedoch geradezu dem Grundgedanken des Vorteilsausgleichs, der sich gerade nicht auf wirtschaftlich einheitliche, sondern unterschiedliche Geschäfte bezieht. Auch zwischen unabhängigen Dritten ist ein Vorteilsausgleich nicht nur innerhalb wirtschaftlich einheitlicher Geschäfte denkbar. Hinsichtlich der weiteren durch die Auffassung der Finanzverwaltung aufgeworfene Frage, ob ein Vorteilsausgleich nur auf Basis einer im Vorhinein getroffenen, schriftlichen Vereinbarung steuerlich anerkannt wird,9 ist im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 zu beachten, dass die Vorschrift nicht auf diesen formalen Aspekt abstellt. Gegenüber der rein formalen Betrachtungsweise der Finanzverwaltung entfaltet damit – auch im Zusammenhang mit dem Vorteilsausgleich – Art. 9 Abs. 1 eine Sperrwirkung (vgl. Rz. 21). Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass
1 2 3 4 5 6
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Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.313. Vgl. auch BMF v. 12.4.2005 – B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13. Vgl. Rz. 3.13 ff. OECD-Leitlinien. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3. Vgl. etwa BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; FG Münster v. 16.3.2006 – 8 K 2248/02, EFG 2006, 1562 (rkr.). Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3.1. und 2.3.2. Siehe dazu auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 18.118; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, 632; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 791 ff. Vgl. Rz. 3.15 OECD-Leitlinien. Vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, 218, Rz. 2.3.1. So auch der BFH in seiner Rspr. zur vGA, vgl. BFH v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; H 36 „Vorteilsausgleich“ KStR.
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B. Gewinnkorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs (Absatz 1)
Rz. 120–122 Art. 9
die OECD den Vertragsstaaten die Möglichkeit eröffnet, auch einen unbeabsichtigten, d.h. nachträglichen, Vorteilsausgleich zu gewähren.1 Palettenbetrachtung. Vom Vorteilsausgleich zu unterscheiden ist die Saldierung 121 von Vor- und Nachteilen aus Lieferungs- und Leistungspaketen bzw. einzelnen Teilleistungen. Die OECD diskutiert diese Thematik unter dem Stichwort „Paketgeschäfte“. In diesem Zusammenhang wird in Rz. 3.9 OECD-Leitlinien zutreffend darauf hingewiesen, dass es häufig Geschäfte gibt, die so eng miteinander verbunden sind, dass bei separater Betrachtung eine Angemessenheitsprüfung unmöglich ist (z.B. bei Langzeitverträgen über Warenlieferungen oder Dienstleistungen, Rechten zur Benutzung immaterieller Wirtschaftsgüter). Hier wird im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung nicht isoliert auf die einzelnen Produktpreise oder die einzelnen Dienstleistungsentgelte abgestellt; vielmehr sind die gesamte Produktpalette bzw. eine Gruppe gleichartiger oder verwandter Produkte bzw. Leistungen zu beurteilen. Die Angemessenheitsprüfung bezieht sich damit auf eine Gesamtanalyse im Sinne einer Saldobetrachtung; auf die Angemessenheit des einzelnen Produkt- bzw. Leistungspreises kommt es insoweit nicht mehr an. Für diese, in der Verrechnungspreispraxis als „Palettenbetrachtung“2 bezeichnete Vorgehensweise, gelten die strengen Voraussetzungen der Finanzverwaltung zum Vorteilsausgleich (vgl. Rz. 120) nicht. Infolgedessen muss nicht jeder einzelne Produktpreis oder jede einzelne Dienstleistungsgebühr einem Fremdvergleich standhalten. Vielmehr ist lediglich sicherzustellen, dass hinsichtlich der zu analysierenden Produktpalette ein angemessener Gesamtpreis vereinbart wurde. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass auch unter unabhängigen Dritten aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen vielfach Mischkalkulationen im Sinne eines kalkulatorischen Ausgleichs vorgenommen werden, um Preisnachteile bei Einzelprodukten und -leistungen mit anderen Preisvorteilen auszugleichen.
VII. Gewinnkorrektur als Rechtsfolge Zurechnung und Besteuerung. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 9 122 Abs. 1 erfüllt, d.h. – haben verbundene Unternehmen (vgl. Rz. 35 ff.) – in Bezug auf ihre kaufmännischen und finanziellen Beziehungen (vgl. Rz. 43 ff.) – Bedingungen vereinbart oder auferlegt (vgl. Rz. 46 ff.) die von denen abweichen, wie sie voneinander unabhängige Unternehmen vereinbaren würden (Fremdvergleichsgrundsatz, vgl. Rz. 49 ff.), dann dürfen die insoweit nicht erzielten Gewinne den Gewinnen des Unternehmens zugerechnet und durch den entsprechenden Vertragsstaat besteuert werden. Der Begriff „Gewinn“ umfasst dabei auch Verluste, die auf Grund von nicht fremdvergleichskonformen Bedingungen zu hoch ausgewiesen wurden. Art. 9 Abs. 1 entfaltet als reine Erlaubnisnorm keine Self Executing Wirkung (vgl. Rz. 18), sondern räumt den Vertragsstaaten lediglich das Recht ein, Einkünftekorrekturen auf Basis eines Fremdvergleichs durchzuführen. Damit darf dem Unternehmen derjenige Gewinn zugerechnet und einer Besteuerung unterworfen werden, den es unter Beachtung eines fremdvergleichskonformen Preises für die in Rede stehende kaufmännische oder finanzielle Beziehung erzielt hätte. Die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes und eine darauf aufbauende Korrektur bezieht sich dabei auf die jeweilige kaufmännische oder finanzielle Beziehung (vgl. Rz. 43 f.) und nicht auf den Gewinn des verbundenen Unternehmens in seiner Gesamtheit. Wie bereits in Rz. 18 dargestellt, bedarf es – neben Art. 9 Abs. 1 – einer Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht, nach der die entsprechende Einkünftekorrektur vorgenommen wird. Dies ist nach deutschem Verständnis die vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, die vE i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, die Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG und § 1 AStG. Ist nach diesen Vorschrif1 Vgl. Rz. 3.17 OECD-Leitlinien. 2 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 3.4.13; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f.; Baumhoff, IStR 1994, 593 ff.; kritisch Kleineidam, IStR 2001, 724 (728).
Ditz
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Art. 9 Rz. 122–123
Verbundene Unternehmen
ten eine Einkünftekorrektur auf Grund unangemessener Verrechnungspreise durchzuführen, ergibt sich aus innerstaatlichem Recht die konkrete Methodik der Einkünfteberichtigung (z.B. außerbilanzielle Hinzurechnung, Korrektur innerhalb der Handels- oder Steuerbilanz sowie Einbuchung einer Forderung).1 Im Übrigen sind in diesem Zusammenhang auch sekundäre Berichtigungsfolgen – insbesondere in Form der Quellenbesteuerung und möglicher Rechtsfolgen für die Entwicklung des steuerlichen Einlagekontos i.S.d. § 27 KStG – zu beachten (vgl. Rz. 131). 123
Beweislast und Dokumentationspflichten. Die OECD-Leitlinien beschäftigen sich in Kapitel V intensiv mit der Dokumentation von Verrechnungspreisen.2 Diese Regelungen sind indessen nur als Empfehlung zu verstehen (vgl. Rz. 28), an der sich die nationalen Gesetzgeber und Finanzbehörden im Hinblick auf die Ausgestaltung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen ausrichten können. Diese werden nicht durch Art. 9 Abs. 1 geregelt.3 Sie ergeben sich vielmehr aus innerstaatlichem Verfahrensrecht, welches in Deutschland die Verrechnungspreisdokumentationspflichten in § 90 Abs. 3 AO und der GAufzV v. 13.11.20034 kodifizieren.5 Neben den Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten ergibt sich auch die Beweislastverteilung zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde aus innerstaatlichem Recht. In Bezug auf deutsches Recht trägt dabei die Finanzverwaltung die Beweislast im Sinne einer objektiven Feststellungslast für Tatsachen, die einen Steueranspruch begründen.6 Infolgedessen trägt die Finanzverwaltung die Beweislast für Einkünftekorrekturen auf Grund unangemessener Verrechnungspreise auf Basis der vGA, der vE, der Entnahme und des § 1 AStG. Dies ist auch von der Finanzverwaltung anerkannt.7 Erfüllt der Steuerpflichtige seine Dokumentationspflichten gem. § 90 Abs. 3 AO nicht, indem er die in dieser Vorschrift bzw. der GAufzV vorgeschriebenen Aufzeichnungen nicht vorlegt, die von ihm vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar sind oder die Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen i.S.d. § 90 Abs. 3 Satz 3 AO nicht zeitnah erstellt wurden, wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind, als die bislang erklärten Einkünfte. Dies führt zu einer Umkehr der Beweislast zu Lasten des Steuerpflichtigen, die im Widerspruch zu den oben genannten allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.8 Letztlich wird bei Nichterfüllung der Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten des Steuerpflichtigen widerlegbar ein Verstoß gegen den Grundsatz des Fremdvergleichs unterstellt.9 Diese Vorgehensweise wird in der Regel zu einem Verstoß gegen die Art. 9 Abs. 1 nachgebildete Abkommensnorm führen, da abkommensrechtlich nur bei tatsächlich unangemessenen Verrechnungspreisen eine Einkünftekorrektur möglich ist (zu Einzelheiten vgl. Rz. 25). Im Übrigen darf sich eine entsprechende Schätzung durch die Finanzverwaltung nicht pauschal auf den Gesamtgewinn des verbundenen Unternehmens erstrecken, sondern muss sich auf eine bestimmte kaufmännische oder finanzielle Beziehung (Geschäftsbeziehung) beziehen (vgl. Rz. 43).
1 Vgl. dazu im Einzelnen BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 5. 2 Vgl. dazu Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei Internationalen Verrechnungspreisen, 241 ff. 3 Wohl a.A. Seer, IWB 2012, 604 (611 f.), der aus Art. 9 unter europarechtlichen Gesichtspunkten eine Beweislastregel ableitet. 4 Vgl. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung v. 13.11.2003, BGBl. I 2003, 2296. 5 Vgl. dazu Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2004, 157 ff.; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2005, 1549 ff.; Kroppen/Rasch, IWB F. 3 Gr. 1, 2091; Kroppen/Rasch, IWB F. 3 Gr. 1, 2113 ff., jeweils m.w.N. 6 Vgl. nur BFH v. 11.7.2006 – VIII R 67/04, BStBl. II 2007, 553 m.w.N. 7 Vgl. BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 2.1 und 4.2. 8 Vgl. Moebus, BB 2003, 1413 (1414); Baumhoff/Ditz/Greinert, IStR 2010, Beih. zu Heft 20, 37 (39). 9 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, 570, Rz. 4.6.1; noch a.A. BFH v. 10.5.2001 – I S 3/01, DStR 2001, 985.
794
Ditz
C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Absatz 2)
Rz. 124–125 Art. 9
C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Absatz 2) Ausgewählte Literatur: Chebounov, Zur Problematik der Gewinnberichtigung nach dem DBARecht, IStR 2002, 586; Lahodny-Karner, Verrechnungspreise und Gegenberichtigung, in Gassner/ Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 91.
I. Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Absatz 2 Satz 1) 1. Regelungszweck Gegenberichtigungsnorm. Nimmt ein Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur gem. 124 Art. 9 Abs. 1 vor, führt dies in der Regel zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen. Beispiel: Die in Deutschland ansässige A GmbH hält 100 % der Anteile an der in der Schweiz ansässigen B AG. Die A GmbH erbringt auf Basis eines schriftlichen Vertrages Dienstleistungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Marketing und IT an die B AG. Nach einer Betriebsprüfung bei der A GmbH korrigiert die deutsche Finanzverwaltung die aus ihrer Sicht unangemessene Dienstleistungsgebühr, welche die A GmbH gegenüber der B AG im Jahr 2010 abgerechnet hat, von 500 000 Euro auf 2 Mio. Euro (sog. Erstberichtigung). Infolge der Einkünftekorrektur durch die deutsche Finanzverwaltung werden bei der A GmbH 1,5 Mio. Euro zusätzlich der Körperschaftsteuer, dem Solidaritätszuschlag und der Gewerbesteuer unterworfen. Da die auf Basis der Einkünftekorrektur entstehende (zusätzliche) Dienstleistungsgebühr im Rahmen der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage der B AG in der Schweiz keine Berücksichtigung fand, kommt es zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen.
Eine solche wirtschaftliche Doppelbesteuerung kann nur durch eine korrespondierende Gegenberichtigung durch die Finanzverwaltung des anderen Vertragsstaates (hier: Schweiz) vermieden werden (vgl. Rz. 4). Dies ist die Zielsetzung des Art. 9 Abs. 2. Denn diese Vorschrift sieht im Hinblick auf eine Gewinnerhöhung auf Grund einer Verrechnungspreiskorrektur durch einen Staat eine entsprechende Gewinnminderung durch den anderen Staat vor. Damit enthält – im Gegensatz zu den übrigen Verteilungsnormen des OECD-MA – Art. 9 Abs. 2 eine eigene Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und nimmt damit eine Sonderstellung innerhalb der Verteilungsnormen ein.1 Eine korrespondierende Gewinnberichtigung setzt allerdings voraus, dass der andere Vertragsstaat die Auffassung des die Erstberichtigung durchführenden Vertragsstaates teilt, dass eine Gewinnkorrektur auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes durchzuführen ist (vgl. Art. 9 Rz. 5 OECD-MK). Sind die Voraussetzungen einer Gegenberichtigung gegeben, so ist der andere Vertragsstaat verpflichtet, eine entsprechende Änderung vorzunehmen (vgl. Rz. 129). 2. Tatbestandsvoraussetzungen einer Gegenkorrektur Gewinnzurechnung und Besteuerung. Als Rechtsfolge der Erstkorrektur durch ei- 125 nen Vertragsstaat fordert Art. 9 Abs. 2 Satz 1 die direkte Gegenkorrektur des anderen Vertragsstaates, soweit die Erstkorrektur unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes (vgl. Rz. 49 ff.) erfolgte. Voraussetzung für eine Gegenberichtigung ist, dass der eine Vertragsstaat Gewinne in Übereinstimmung mit dem Fremdvergleichsgrundsatz zugerechnet und entsprechend besteuert hat, mit denen ein (verbundenes) Unternehmen (vgl. Rz. 35 ff.) des anderen Vertragsstaates in diesem anderen Vertragsstaat besteuert worden ist. Aus dem Wortlaut „zugerechnet und entsprechend besteuert“ folgt, dass die Erstberichtigung in dem Vertragsstaat nicht nur durchgeführt, sondern auch besteuert worden sein muss. Im anderen Vertragsstaat kann daher ein Nachweis über die entsprechende Gewinnkorrektur (z.B. in Form eines geänderten Steuerbescheides) vorgelegt werden. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 setzt allerdings nicht voraus, dass die aus der Erstberichtigung entstehende Steuermehrbelastung tatsächlich gezahlt wurde. Vielmehr ist von einem „entsprechend besteuert“ auch auszugehen, wenn die Erstberichtigung zu keiner unmittelbaren Steuerzahlungsverpflichtung führt. Dies ist etwa bei Gewinnkorrekturen der Fall, welche mit
1 Vgl. Lang, IStR 2002, 610 f.
Ditz
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Art. 9 Rz. 125–128
Verbundene Unternehmen
laufenden Verlusten des verbundenen Unternehmens verrechnet werden oder wenn die Korrektur zu einer Verminderung eines Verlustvortrages führt. Auch in diesen Fällen ist ein Nachweis über die Zurechnung und Besteuerung der Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat zu erbringen. Dies unterscheidet Art. 9 Abs. 2 vom Verständigungsverfahren gem. Art. 25 (vgl. Rz. 13), das bereits bei einer drohenden Doppelbesteuerung beantragt werden kann.1 Dies ist insofern sachgerecht, als eine Verpflichtung durch eine Gegenkorrektur eines Vertragsstaates – ohne Verständigung zwischen den Vertragsstaaten – nur dann verpflichtend angenommen werden kann, wenn die Erstkorrektur „offiziell“ in Steuerbescheiden umgesetzt und folglich entsprechend dokumentiert werden kann.2 126
Besteuerung im anderen Vertragsstaat. Neben einer Zurechnung und Besteuerung von Gewinnen im Vertragsstaat, welcher die Erstkorrektur durchführt, setzt Art. 9 Abs. 2 voraus, dass der korrigierte Betrag im anderen Vertragsstaat ebenfalls einer Steuer unterworfen wurde. Dies festzustellen ist in der Praxis mitunter nicht einfach, da häufig entsprechende Unterlagen, aus welchen die Besteuerung der Einkünfte im anderen Staat hervorgehen, nicht vorliegen. Da allerdings auch in diesem Zusammenhang der Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 („Unternehmen des anderen Vertragsstaates in diesem Staat besteuert worden ist“) eindeutig ist, ist auch insoweit der Nachweis einer Besteuerung durch das verbundene Unternehmen, das eine Anwendung des Art. 9 Abs. 2 begehrt, vorzulegen (z.B. durch einen ausländischen Steuerbescheid). Erforderlich ist dabei im anderen Staat lediglich eine Besteuerung dem Grunde nach, d.h. die Vorschrift verlangt weder eine bestimmte Höhe der Besteuerung noch eine Subsumtion der Einkünfte unter die gleiche Einkunftsart.3 Vielmehr ist entscheidend, dass die Einkünfte in beiden Vertragsstaaten einer Ertragbesteuerung4 unterliegen.
127
Gewinnkorrektur auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes. Art. 9 Abs. 2 sieht die Pflicht zu einer Gegenkorrektur nur für den Fall vor, dass die Erstberichtigung eines Vertragsstaates auf einer Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes basiert (vgl. Rz. 49 ff.). Dabei sind auch die Grundsätze des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen (vgl. Rz. 119 ff.). Kommt es demgegenüber zu Einkünftekorrekturen eines Vertragsstaates auf Basis von Regelungen, die nicht auf einer Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes fußen (z.B. im Rahmen der Anwendung sog. Thin Capitalisation Rules, vgl. hierzu Art. 11 Rz. 93 ff.), ist Art. 9 Abs. 2 nicht einschlägig.
128
Einigung der Vertragsstaaten. Das wesentliche Problem der Gegenkorrektur gem. Art. 9 Abs. 2 besteht in der Praxis darin, dass der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung dem Grunde oder der Höhe nach anerkennen muss (vgl. Art. 9 Rz. 6 OECD-MK). Ist damit eine Erstberichtigung (vgl. Rz. 124) durch einen Vertragsstaat ohne Weiteres möglich, wird der andere Vertragsstaat die Verpflichtung zur Gegenkorrektur nur anerkennen, wenn er der Erstberichtigung dem Grunde und der Höhe nach folgt. Rein praktisch gesprochen wird dabei die Gegenberichtigung nach Art. 9 Abs. 2 vom zuständigen FA geprüft und dann – soweit sie anerkannt wird – umgesetzt. Einer Einigung zwischen den Vertragsstaaten bedarf es insoweit nicht; eine solche ist auch nicht durch den Wortlaut der Vorschrift gedeckt.5 Erkennt der andere Vertragsstaat die Erstberichtigung nicht an, ist ein Konsultations- bzw. Verständigungsverfahren gem. Art. 25 durchzuführen (vgl. Rz. 13). In diesem Zusammenhang zeigt die internationale Besteuerungspraxis, dass in der Regel Erstberichtigungen im anderen Vertragsstaat nicht anerkannt werden. Dies gilt insbesondere in den Fällen, 1 Vgl. Becker in Haase2, Art. 9 OECD-MA Rz. 53; Lahodny-Karner in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (114 f.). 2 Art. 9 Abs. 2 OECD-MA findet dabei auch im Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 6 und Art. 12 Abs. 4 Anwendung (vgl. Rz. 10). 3 So auch Kaminski in S/K/K, Art. 9 OECD-MA Rz. 56. 4 Nach deutschem Verständnis umfasst dies die Einkommen-, die Körperschaft- und die Gewerbesteuer sowie den Solidaritätszuschlag (und ggf. die Kirchensteuer). 5 Gl.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 380; Becker in Haase2, Art. 9 OECDMA Rz. 56; a.A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.319; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 164.
796
Ditz
C. Korrespondierende Gewinnkorrektur (Absatz 2)
Rz. 128–131 Art. 9
in denen die innerstaatlichen Rechtsgrundlagen einer Korrektur (vgl. Rz. 20 ff.) nicht durch Art. 9 gedeckt sind (wie z.B. teilweise die Regelungen in § 1 Abs. 3 AStG, Rz. 23). Da Art. 9 Abs. 1 eine Gewinnkorrektur im Sinne einer Erstberichtigung auch ohne korrespondierende Gegenkorrektur im anderen Vertragsstaat zulässt, kann die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung in der Regel nur auf Basis eines Konsultationsbzw. Verständigungsverfahrens vermieden werden. 3. Durchführung einer Gegenkorrektur Keine bestimmte Methode. Für den Fall, dass der andere Vertragsstaat die Erst- 129 berichtigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach anerkennt, ist er zur Gegenberichtigung verpflichtet. Für diese bestimmt Art. 9 Abs. 2 keine konkrete Vorgehensweise. Vielmehr ist sie nach dem innerstaatlichen Recht des anderen Vertragsstaates durchzuführen (vgl. Art. 9 Rz. 7 OECD-MK). Der OECD-MK nennt in diesem Zusammenhang zwei Möglichkeiten: Einerseits ist denkbar, die Veranlagung des im anderen Vertragsstaat ansässigen verbundenen Unternehmens zu ändern, d.h. die steuerliche Bemessungsgrundlage – betragsmäßig in Höhe der Erstkorrektur – zu mindern. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass sie eine spiegelbildliche Maßnahme zur Erstberichtigung darstellt und ein mögliches Steuersatzgefälle zwischen den Vertragsstaaten ohne Bedeutung bleibt. Diese Methode bildet in der Praxis die Regel. Andererseits ist denkbar, die durch die Erstberichtigung eintretende (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung in analoger Anwendung des Art. 23 zu beseitigen (vgl. Art. 9 Rz. 7 OECD-MK). Da die Freistellungsmethode insofern nicht anwendbar ist, kommt im Hinblick auf eine Anwendung des Art. 23 lediglich eine „indirekte Steueranrechnung“ in Betracht.1 Verfahrensrechtliche Behandlung. Im Hinblick auf die Durchführung der Gegen- 130 berichtigung durch den anderen Vertragsstaat stellt sich die Frage, auf Basis welcher materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschrift er diese durchzuführen hat. Hinsichtlich der Frage der materiell-rechtlichen Regelung stellt Art. 9 Abs. 2 die Rechtsgrundlage der Gegenberichtigung dar. Insoweit kommt Art. 9 Abs. 2 eine Self Executing Wirkung zu; einer zusätzlichen Rechtsgrundlage im innerstaatlichen Recht (z.B. vGA, vE und § 1 AStG) bedarf es nicht.2 Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlage einer Gegenkorrektur kommen nach deutschem Verständnis § 164 Abs. 2 AO und § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Im Übrigen sind die Billigkeitsvorschriften der §§ 163 und 227 AO, § 34c Abs. 5 EStG sowie § 175a AO zu beachten. Die letztgenannte Vorschrift setzt indessen eine Verständigungsvereinbarung oder einen Schiedsspruch eines Schiedsgerichts voraus, die im Bereich des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 nicht vorliegen. Lediglich wenn nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 ein Konsultationsbzw. Verständigungsverfahren (i.V.m. Art. 25) durchgeführt wurde, ist im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 eine Anwendung des § 175a AO denkbar.3 Infolgedessen müssen Steuerpflichtige, um verfahrensrechtlich eine Gegenberichtigung bei bestandskräftigen Steuerbescheiden zu erhalten, auf das Zustandekommen einer Verständigungsvereinbarung drängen, um in den Anwendungsbereich des § 175a AO zu gelangen.4 Sekundäre Berichtigung. Der OECD-MK beschreibt auch die Frage, welche steuer- 131 lichen Konsequenzen sich auf Basis einer Erst- und einer Gegenberichtigung ergeben. Um in diesem Zusammenhang zwischen den verbundenen Unternehmen dieselbe Situation zu erreichen, wie sie bei einem fremdvergleichskonformen Verhalten eingetreten wäre, können sog. Sekundärberichtigungen (auch Folgeberichtigungen genannt) erforderlich sein (vgl. Art. 9 Rz. 8 OECD-MK). Wie diese konkret vorzunehmen sind, regelt Art. 9 Abs. 2 nicht. Sollten diese notwendig sein, sind sie nach innerstaatlichem Recht unter Beachtung der abkommensrechtlichen Regelungen vorzunehmen. Zwar werden durch die Erst- und die Gegenberichtigung die Gewinne zwischen den verbun1 2 3 4
Vgl. auch Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 177. A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 381. A.A. Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 173. Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 397.
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Art. 9 Rz. 131–133
Verbundene Unternehmen
denen Unternehmen so allokiert und besteuert, wie es bei einem fremdvergleichskonformen Verhalten der Fall gewesen wäre. Dabei ist allerdings nicht sichergestellt, dass das zunächst unangemessene Entgelt tatsächlich bei dem verbundenen Unternehmen anfällt, das die entsprechende Lieferung oder Leistung durchgeführt hat. Dies wird üblicherweise eine Zuwendung in der Form einer Dividende, eines Darlehens oder einer Lizenzgebühr notwendig machen. Daraus resultieren in der Regel Quellensteuerfragen, wie etwa die Festsetzung von Kapitalertragsteuern bei Gewinnausschüttungen. Wird z.B. bei einer im Inland ansässigen Tochtergesellschaft eine Verrechnungspreiskorrektur auf Basis einer vGA vorgenommen, weil die Tochtergesellschaft an ihre ausländische Muttergesellschaft überhöhte Verrechnungspreise bezahlt hat, hat die Gegenberichtigung bei der ausländischen Muttergesellschaft lediglich eine Minderung ihres Einkommens zur Folge. Dies ist Regelungsgegenstand des Art. 9 Abs. 2. Die vGA löst indessen eine Kapitalertragsteuer aus.1 Insofern stellt sich im Hinblick auf die Erstberichtigung in Deutschland bei der ausländischen Muttergesellschaft die Frage einer Anrechnung der in Deutschland einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Wie eine solche Sekundärberichtigung vorzunehmen ist, ergibt sich alleine nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts.2
II. Konsultationsverfahren (Absatz 2 Satz 2) 1. Regelungszweck 132
Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Ausgehend von einer fremdvergleichskonformen Erstberichtigung durch einen Vertragsstaat fordert Art. 9 Abs. 2 Satz 1 zunächst die unmittelbare Gegenkorrektur durch den anderen Vertragsstaat. Geht der andere Vertragsstaat indessen davon aus, dass die Erstberichtigung einem Fremdvergleich (vgl. Rz. 43 ff.) nicht entspricht, eröffnet Art. 9 Abs. 2 Satz 2 die Möglichkeit, ein Konsultationsverfahren zu führen. Zweck eines solchen ist die Vermeidung der (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung durch eine detaillierte Prüfung der Finanzbehörden der beiden Vertragsstaaten und einer anschließenden Verhandlung mit dem Ziel einer Beseitigung der Doppelbesteuerung. Bei der Konsultation handelt es sich um ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 zwischen den Vertragsstaaten.3 Dieses bildet auch den Rahmen für eine mögliche Einigung, wobei kein Einigungszwang zwischen den Vertragsstaaten besteht. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, dass das einschlägige DBA ein obligatorisches Schiedsverfahren vorsieht4 bzw. die EU-Schiedskonvention einschlägig ist.5 2. Konsultationen zwischen den Vertragsstaaten
133
Keine Pflicht zur Konsultation. Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 werden die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten „erforderlichenfalls“ einander konsultieren. Damit besteht keine Pflicht zur Konsultation zwischen den Vertragsstaaten; mithin hat der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf die Einleitung eines Konsultationsverfahrens.6 Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn die Art. 25 OECD-MA nachgebildete Abkommensnorm etwas anderes vorsieht. Art. 25 OECD-MA ist auch im Hinblick auf ein mögliches Konsultationsverfahren zwischen den Vertragsstaaten anzuwenden, da Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 explizit auf die „übrigen Bestimmungen dieses Abkommens“ verweist. Schließlich kann sich eine Pflicht zur Aufnahme von Konsultationsverfahren (verstanden als Verständigungsverfahren) auch aus der EU-Schiedskonven-
1 Vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 EStG. 2 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.322; Becker in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 332 ff. 3 Vgl. Rz. 4.33 OECD-Leitlinien; Art. 25 Rz. 10 f. OECD-MK. 4 Vgl. Art. 25 Abs. 5 OECD-MA 2008. 5 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 – S 1300 – 340/06, BStBl. I 2006, 461. 6 Vgl. auch BFH v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 388.
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Ditz
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 133–138 Art. 9
tion ergeben, soweit deren Anwendungsvoraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind.1 Die Vertragsstaaten sind hinsichtlich der Ausgestaltung der Konsultationen – außerhalb der EU-Schiedskonvention – völlig frei. Insbesondere kann das entsprechende Verfahren schriftlich, mündlich oder auch telefonisch geführt werden. Die deutsche Finanzverwaltung wird dabei regelmäßig vom BMF bzw. dem BZSt vertreten.2 Im Rahmen der Konsultationen sind damit die allgemeinen Grundsätze der Führung von Verständigungsverfahren nach Art. 25 anwendbar.3 Damit setzt die Einleitung eines Konsultations- bzw. (eigentlich) Verständigungsverfahrens4 den Antrag des Steuerpflichtigen voraus. Dies nicht zuletzt auch deswegen, um die Erlaubnis der Vertragsstaaten zum Informationsaustausch zu dokumentieren.
D. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 134 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 9 DBA-Belgien. Art. 9 DBA-Belgien entspricht inhaltlich Art. 9 Abs. 1 OECD- 135 MA. Hinsichtlich der Definition des verbundenen Unternehmens stellt Art. 9 DBABelgien allerdings nicht auf eine „Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital“, sondern auf eine „Beteiligung an der Geschäftsleitung, Kontrolle oder Finanzierung“ eines Unternehmens ab. Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Belgien enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD- 136 MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen Teleologische Auslegung des Begriffs „Finanzierung“. Der Begriff der Finanzie- 137 rung über eine „Beteiligung am Kapital“ ist weiter gefasst als Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, da er jegliche Formen der Eigen- oder Fremdfinanzierung erfasst. Daraus kann allerdings nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass jede Fremdfinanzierung eines Unternehmens zu einem verbundenen Unternehmen i.S.d. Art. 9 DBA-Belgien führt. Vielmehr ist der Begriff der Finanzierung teleologisch auszulegen, d.h. die Finanzierung einer Gesellschaft kann nur dann zu einer Verbundenheit führen, wenn sie einen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen des anderen Unternehmens möglich macht. Dies kann z.B. bei der Überlassung von Fremdkapital der Fall sein, welches mit Mitspracherechten verbunden ist. Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Belgien 138 keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann die wirtschaftliche Doppelbesteuerung aus Gewinnkorrekturen eines Vertragsstaates nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Belgien vermieden werden.
1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166. 2 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 – S 1300 – 340/06, BStBl. I 2006, 461 Rz. 1.4. 3 Vgl. Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 388. 4 Vgl. Rz. 4.33 OECD-Leitlinien; Art. 25 Rz. 10 f. OECD-MK.
Ditz
799
Art. 9 Rz. 139–147
Verbundene Unternehmen
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung 139
Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Belgien oder auf Basis der EU-Schiedskonvention1 zu beantragen.
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA 140 141
Art. 9 DBA-China. Art. 9 DBA-China entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-China enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECDMA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen
142
Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da Art. 9 DBA-China keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Gewinnkorrekturen durch einen Vertragsstaat nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-China vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
143
Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 26 DBA-China zu beantragen.
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 144
Art. 5 DBA-Frankreich. Art. 5 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Die Vorschrift definiert allerdings das Verbundensein als „Beteiligung an der Geschäftsführung oder am finanziellen Aufbau eines Unternehmens“.
145
Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Frankreich enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen
146
Teleologische Auslegung des verbundenen Unternehmens. Art. 5 DBA-Frankreich definiert das Verbundensein als „Beteiligung an der Geschäftsführung oder am finanziellen Aufbau eines Unternehmens“. Nach dem Wortlaut könnte damit auch eine Finanzierung über Fremdkapital die Verbundenheit zweier Unternehmen nach sich ziehen. Allerdings spricht der französische Text des Art. 5 DBA-Frankreich von einer „á la formation du capital“, so dass auch nach dem DBA-Frankreich eine Beteiligung am Kapital notwendig ist. Im Übrigen ist Art. 5 DBA-Frankreich teleologisch auszulegen (vgl. auch Rz. 137 zum DBA-Belgien). Im Ergebnis besteht daher keine inhaltliche Abweichung zu Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
147
Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Frankreich keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Frankreich vermieden werden.
1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166.
800
Ditz
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 148–158 Art. 9
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur 148 Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Frankreich oder auf Basis der EU-Schiedskonvention1 zu beantragen.
IV. Großbritannien Art. 9 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Art. 9 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht 149 Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Art. 9 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 9 Abs. 2 DBA-Großbritannien entspricht 150 Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 124 ff.).
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA 151
Art. 9 DBA-Indien. Art. 9 DBA-Indien entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Indien enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD- 152 MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Indien 153 keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Indien vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur 154 Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Indien zu beantragen.
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 155
Art. 9 DBA-Italien. Art. 9 DBA-Italien entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Italien enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD- 156 MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Italien 157 keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Italien vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur 158 Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 26
1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166.
Ditz
801
Art. 9 Rz. 158–168
Verbundene Unternehmen
DBA-Italien oder auf Basis der EU-Schiedskonvention1 zu beantragen. Dies ergibt sich auch aus Rz. 7 des Protokolls zum DBA-Italien.
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 159 160
Art. 9 DBA-Japan. Art. 9 DBA-Japan entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Japan enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECDMA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen
161
Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Japan keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Japan vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
162
Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Japan zu beantragen.
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA 163 164
Art. 9 DBA-Kanada. Art. 9 DBA-Kanada entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA. Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Kanada enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECDMA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen
165
Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Kanada keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur durch einen Vertragsstaat resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Kanada vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
166
Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 6 DBA-Kanada zu beantragen. Dabei ist auch die Schiedsgerichtsklausel nach Art. 25 Abs. 6 DBA-Kanada zu beachten.
IX. Luxemburg 167
Art. 9 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012. Art. 9 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
168
Art. 9 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012. Art. 9 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 124 ff.).
1 Vgl. Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 818 und BStBl. I 1995, 166.
802
Ditz
E. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 169–180 Art. 9
X. Niederlande Art. 9 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012. Art. 9 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 ent- 169 spricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.1 Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012. Art. 9 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 ent- 170 spricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 124 ff.).
XI. Österreich Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich. Art. 9 Abs. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
171
Art. 9 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 9 Abs. 2 DBA-Österreich entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 124 ff.).
172
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 9 DBA-Russland. Art. 9 DBA-Russland entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
173
Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Russland enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm.
174
2. Konsequenzen Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Russ- 175 land keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Russland vermieden werden. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur 176 Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 DBA-Russland zu beantragen.
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 177
Art. 9 DBA-Schweiz. Art. 9 DBA-Schweiz entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
Kein Art. 9 Abs. 2 OECD-MA. Das DBA-Schweiz enthält keine Art. 9 Abs. 2 OECD- 178 MA nachgebildete Norm. 2. Konsequenzen Keine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Da das DBA-Schweiz 179 keine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Norm enthält, kann eine aus einer Gewinnkorrektur resultierende wirtschaftliche Doppelbesteuerung nicht im Rahmen des Art. 9 DBA-Schweiz vermieden werden (siehe aber Rz. 180). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens. Dem Steuerpflichtigen steht zur 180 Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates die Möglichkeit offen, ein Verständigungsverfahren nach Art. 26 DBA-Schweiz zu beantragen.
1 Vgl. dazu auch Böing/Prang, BB 2012, 2211 (2214).
Ditz
803
Art. 9 Rz. 181–187
Verbundene Unternehmen
XIV. Spanien 181
Art. 9 Abs. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 9 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
182
Art. 9 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 9 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA (zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einer Gewinnkorrektur vgl. Rz. 125 ff.).
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA 183
Art. 9 Abs. 1 DBA-USA. Art. 9 Abs. 1 DBA-USA entspricht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA.
184
Art. 9 Abs. 2 DBA-USA. Art. 9 Abs. 2 DBA-USA entspricht Art. 9 Abs. 2 OECD-MA.
185
Protokoll. Das Protokoll zum DBA-USA gestattet den Vertragsstaaten explizit die Anwendung ihrer innerstaatlichen Vorschriften zur Aufteilung oder Zurechnung von Einnahmen, Ausgaben, Steueranrechnungs- oder Freibeträgen. 2. Konsequenzen
186
Erweiterung des Anwendungsbereichs des Fremdvergleichsgrundsatzes. Die im Protokoll zu Art. 9 DBA-USA vorgesehene Anwendung innerstaatlicher Vorschriften zur Aufteilung oder Zurechnung von Einnahmen, Ausgaben, Steueranrechnungsoder Freibeträgen soll sicherstellen, dass die USA sämtliche Parameter berichtigen kann, die zur Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens notwendig sind. Daraus resultiert allerdings keine Einschränkung der Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 DBAUSA (vgl. Rz. 19). Darüber hinaus erweitert das Protokoll zu Art. 9 DBA-USA den Anwendungsbereich des Fremdvergleichsgrundsatzes auf sämtliche „kommerzielle oder vertragliche Beziehungen, die zu beherrschendem Einfluss führen“ können. Die Vorschrift erfasst damit sämtliche Fälle einer nahestehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG und geht insoweit über Art. 9 Abs. 1 OECD-MA hinaus.1 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
187
Anwendung des Art. 9 Abs. 2 DBA-USA. Das DBA-USA enthält in Art. 9 Abs. 2 eine Art. 9 Abs. 2 OECD-MA entsprechende Vorschrift. Insofern kann eine aus einer Gewinnkorrektur eines Vertragsstaates resultierende (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung durch eine korrespondierende Gegenberichtigung vermieden werden (zu Einzelheiten vgl. Rz. 124 ff.).
1 Vgl. auch Wolff in Wassermeyer, Art. 9 DBA-USA Rz. 18.
804
Ditz
Artikel 10
Dividenden (1) Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, können im anderen Staat besteuert werden. (2) Diese Dividenden können jedoch auch in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, nicht übersteigen: a) 5 v.H. des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die unmittelbar über mindestens 25 v.H. des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt; b) 15 v.H. des Bruttobetrags der Dividenden in allen anderen Fällen. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten regeln in gegenseitigem Einvernehmen, wie diese Begrenzungsbestimmungen durchzuführen sind. Dieser Absatz berührt nicht die Besteuerung der Gesellschaft in Bezug auf die Gewinne, aus denen die Dividenden gezahlt werden. (3) Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Dividenden“ bedeutet Einkünfte aus Aktien, Genussaktien1 oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen oder anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung sowie aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. (4) Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden. (5) Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Gewinne oder Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat, so darf dieser andere Staat weder die von der Gesellschaft gezahlten Dividenden besteuern, es sei denn, dass diese Dividenden an eine im anderen Staat ansässige Person gezahlt werden oder dass die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebstätte gehört, noch Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nichtausgeschüttete Gewinne unterwerfen, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nichtausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Staat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . 1. Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Absatz 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Absatz 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . 2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Primäres Unionsrecht . . . . . . . . . b) Sekundäres Unionsrecht . . . . . .
.. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
1
3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . .
1 2 7 7 8 9 10 11 12 12 17 17 19
B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1) . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Eine in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansässigkeit der Gesellschaft in einem Vertragsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . IV. An eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 24 24 28 29 29 40 48 48 58
1 Bundesrepublik Deutschland: Statt „Genussaktien“ das Wort „Genussrechten“.
Schönfeld
805
Art. 10 V. Zahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsfolge: Können im anderen Vertragsstaat besteuert werden . . . . . C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eingeschränktes Besteuerungsrecht (Absatz 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewährung eines Quellenbesteuerungsrechts (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Voraussetzungen . . . b) 5 % bei Schachteldividenden (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a . . . c) 15 % in allen anderen Fällen (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b) . . II. Durchführung der Begrenzungsbestimmung (Absatz 2 Satz 2) . . . . . . 1. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung in Deutschland . . . . . . III. Keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes für Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft (Absatz 2 Satz 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. I. II. 1.
Dividendenbegriff (Absatz 3) . . . . . . . Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Arten von Dividenden . Fallgruppenübergreifende Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einkünfte aus Aktien, Genussaktien, Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen (Fallgruppe 1) . . . . . . . . . a) Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ordentliche Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorabgewinnausschüttung . . . dd) Gewinnabführung. . . . . . . . . . . ee) Sachausschüttung . . . . . . . . . . ff) Einlagenrückgewähr . . . . . . . . gg) Nennkapitalherabsetzung . . . . hh) Liquidationsgewinne . . . . . . . . ii) Umwandlungsgewinne . . . . . . . jj) Andere geldwerte Vorteile . . . . b) Genussaktien, Genussscheine und Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . aa) Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . bb) Genussscheine . . . . . . . . . . . . . cc) Genussaktien . . . . . . . . . . . . . . c) Kuxe und Gründeranteile. . . . . . . . 3. Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung (Fallgruppe 2) . . . 4. Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen (Fallgruppe 3) . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
806
Schönfeld
Dividenden 61 66 70 70 70
71
72 72 86 103 105 105 107
113 114 114 123 123
131 131 131 136 139 140 143 146 154 157 160 161 162 162 168 169 170
172
173 173
b) Aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte . . . . . . . c) Steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft . d) Einzelne Beteiligungsformen aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stille Beteiligung . . . . . . . . . . . bb) Partiarisches Darlehen. . . . . . . cc) Wandelanleihen, Gewinnobligationen und obligationsähnliche Genussrechte . . . . . . . . . . dd) Unterbeteiligung . . . . . . . . . . . ee) Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Eigenkapitalersetzende Darlehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Investmentanteile . . . . . . . . . . E. Betriebsstättenvorbehalt (Absatz 4) . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Anwendung des Dividendenartikels (Absatz 4 Satz 1) . . . . . . . . . . 1. Nutzungsberechtigte ist in einem Vertragsstaat ansässig . . . . . . . . . . . . 2. Unterhaltung einer Betriebsstätte im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatsächliche Zuordnung der Anteile zur Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung des Betriebsstättenartikels (Absatz 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Absatz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verbot der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne (Absatz 5 Fall 1) . . . . . 1. In einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat . . 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verbot der Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne (Absatz 5 Fall 2) . 1. Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat durch eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
174
176 181 181 185
186 187 188 189 190 191 191 197 197 198 201 205 206 207 207 208 208 209 210 214 218
218 219
G. Deutsches Muster-DBA . . . . . . . . . . . 223 H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung . II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung .
224 224 224 232 238 240 240 246 251
Art. 10
OECD-Musterkommentar III. 1. 2. 3. IV. 1. 2. 3. V. 1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. X. 1. 2. 3. XI. 1. 2. 3. XII. 1.
Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Österreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
253 253 262 270 272 272 279 287 289 289 295 300 302 302 311 317 319 319 328 335 337 337 344 350 352 352 358 369 371 371 378 386 388 388 394 398 400 400
2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2.
Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 10 Absatz 1 DBA-USA . . . . . . . b) Art. 10 Absatz 2 DBA-USA . . . . . . . c) Art. 10 Absatz 3 DBA-USA . . . . . . . aa) Voraussetzungen (ohne LoB-Klausel) . . . . . . . . . bb) Verweis auf bestimmte Teile der „Limitation on Benefits“-Klausel . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA . . (2) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA . . (3) Art. 28 Absatz 2 Buchst. f i.V.m. Absatz 4 DBA-USA . . . . (4) Art. 28 Absatz 3 DBA-USA. . . . (5) Art. 28 Absatz 7 DBA-USA. . . . cc) Sonderregelung für Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . d) Art. 10 Absatz 4 DBA-USA . . . . . . . e) Art. 10 Absatz 5 DBA-USA . . . . . . . f) Art. 10 Absatz 6 DBA-USA . . . . . . . g) Art. 10 Absatz 7 DBA-USA . . . . . . . h) Art. 10 Absatz 8 DBA-USA . . . . . . . i) Art. 10 Absatz 9 DBA-USA . . . . . . . j) Art. 10 Absatz 10 DBA-USA . . . . . . k) Art. 10 Absatz 11 DBA-USA . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung .
406 411 413 413 420 425 427 427 433 438 440 440 452 452 453 462 462
464 465 468 471 477 485 487 488 491 492 493 494 495 496 497 498
OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 10 CONCERNING THE TAXATION OF DIVIDENDS I. Preliminary remarks 1. By “dividends” is generally meant the distribution of profits to the shareholders by companies limited by shares,1 limited partnerships with share capital,2 limited liability companies3 or other joint stock companies.4 Under the laws of the OECD member countries, such joint stock companies are legal entities with a separate juri1 2 3 4
Sociétés anonymes. Sociétés en commandite par actions. Sociétés à responsabilité limitée. Sociétés de capitaux.
Schönfeld
807
Art. 10
Dividenden
dical personality distinct from all their shareholders. On this point, they differ from partnerships insofar as the latter do not have juridical personality in most countries. 2. The profits of a business carried on by a partnership are the partners’ profits derived from their own exertions; for them they are business profits. So the partner is ordinarily taxed personally on his share of the partnership capital and partnership profits. 3. The position is different for the shareholder; he is not a trader and the company’s profits are not his; so they cannot be attributed to him. He is personally taxable only on those profits which are distributed by the company (apart from the provisions in certain countries’ laws relating to the taxation of undistributed profits in special cases). From the shareholders’ standpoint, dividends are income from the capital which they have made available to the company as its shareholders. II. Commentary on the provisions of the Article Paragraph 1 4. Paragraph 1 does not prescribe the principle of taxation of dividends either exclusively in the State of the beneficiary’s residence or exclusively in the State of which the company paying the dividends is a resident. 5. Taxation of dividends exclusively in the State of source is not acceptable as a general rule. Furthermore, there are some States which do not have taxation of dividends at the source, while as a general rule, all the States tax residents in respect of dividends they receive from non-resident companies. 6. On the other hand, taxation of dividends exclusively in the State of the beneficiary’s residence is not feasible as a general rule. It would be more in keeping with the nature of dividends, which are investment income, but it would be unrealistic to suppose that there is any prospect of it being agreed that all taxation of dividends at the source should be relinquished. 7. For this reason, paragraph 1 states simply that dividends may be taxed in the State of the beneficiary’s residence. The term “paid” has a very wide meaning, since the concept of payment means the fulfilment of the obligation to put funds at the disposal of the shareholder in the manner required by contract or by custom. 8. The Article deals only with dividends paid by a company which is a resident of a Contracting State to a resident of the other Contracting State. It does not, therefore, apply to dividends paid by a company which is a resident of a third State or to dividends paid by a company which is a resident of a Contracting State which are attributable to a permanent establishment which an enterprise of that State has in the other Contracting State (for these cases, see paragraphs 4 to 6 of the Commentary on Article 21). Paragraph 2 9. Paragraph 2 reserves a right to tax to the State of source of the dividends, i.e. to the State of which the company paying the dividends is a resident; this right to tax, however, is limited considerably. The rate of tax is limited to 15 per cent, which appears to be a reasonable maximum figure. A higher rate could hardly be justified since the State of source can already tax the company’s profits. 10. On the other hand, a lower rate (5 per cent) is expressly provided in respect of dividends paid by a subsidiary company to its parent company. If a company of one of the States owns directly a holding of at least 25 per cent in a company of the other State, it is reasonable that payments of profits by the subsidiary to the foreign parent company should be taxed less heavily to avoid recurrent taxation and to facilitate international investment. The realisation of this intention depends on the fiscal treatment of the dividends in the State of which the parent company is a resident (see paragraphs 49 to 54 of the Commentary on Articles 23 A and 23 B). 11. If a partnership is treated as a body corporate under the domestic laws applying to it, the two Contracting States may agree to modify subparagraph a) of para808
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graph 2 in a way to give the benefits of the reduced rate provided for parent companies also to such partnership. 12. The requirement of beneficial ownership was introduced in paragraph 2 of Article 10 to clarify the meaning of the words “paid … to a resident” as they are used in paragraph 1 of the Article. It makes plain that the State of source is not obliged to give up taxing rights over dividend income merely because that income was immediately received by a resident of a State with which the State of source had concluded a convention. The term “beneficial owner” is not used in a narrow technical sense, rather, it should be understood in its context and in light of the object and purposes of the Convention, including avoiding double taxation and the prevention of fiscal evasion and avoidance. 12.1 Where an item of income is received by a resident of a Contracting State acting in the capacity of agent or nominee it would be inconsistent with the object and purpose of the Convention for the State of source to grant relief or exemption merely on account of the status of the immediate recipient of the income as a resident of the other Contracting State. The immediate recipient of the income in this situation qualifies as a resident but no potential double taxation arises as a consequence of that status since the recipient is not treated as the owner of the income for tax purposes in the State of residence. It would be equally inconsistent with the object and purpose of the Convention for the State of source to grant relief or exemption where a resident of a Contracting State, otherwise than through an agency or nominee relationship, simply acts as a conduit for another person who in fact receives the benefit of the income concerned. For these reasons, the report from the Committee on Fiscal Affairs entitled “Double Taxation Conventions and the Use of Conduit Companies”1 concludes that a conduit company cannot normally be regarded as the beneficial owner if, though the formal owner, it has, as a practical matter, very narrow powers which render it, in relation to the income concerned, a mere fiduciary or administrator acting on account of the interested parties. 12.2 Subject to other conditions imposed by the Article, the limitation of tax in the State of source remains available when an intermediary, such as an agent or nominee located in a Contracting State or in a third State, is interposed between the beneficiary and the payer but the beneficial owner is a resident of the other Contracting State (the text of the Model was amended in 1995 to clarify this point, which has been the consistent position of all member countries). States which wish to make this more explicit are free to do so during bilateral negotiations. 13. The tax rates fixed by the Article for the tax in the State of source are maximum rates. The States may agree, in bilateral negotiations, on lower rates or even on taxation exclusively in the State of the beneficiary’s residence. The reduction of rates provided for in paragraph 2 refers solely to the taxation of dividends and not to the taxation of the profits of the company paying the dividends. 13.1 Under the domestic laws of many States, pension funds and similar entities are generally exempt from tax on their investment income. In order to achieve neutrality of treatment as regards domestic and foreign investments by these entities, some States provide bilaterally that income, including dividends, derived by such an entity resident of the other State shall be exempt from source taxation. States wishing to do so may agree bilaterally on a provision drafted along the lines of the provision found in paragraph 69 of the Commentary on Article 18. 13.2 Similarly, some States refrain from levying tax on dividends paid to other States and some of their wholly-owned entities, at least to the extent that such dividends are derived from activities of a governmental nature. Some States are able to grant such an exemption under their interpretation of the sovereign immunity principle (see paragraphs 6.38 and 6.39 of the Commentary on Article 1); others may do it pursuant to provisions of their domestic law. States wishing to do so may confirm or clarify, in their bilateral conventions, the scope of these exemptions or grant such an 1 Reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(6)-1.
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exemption in cases where it would not otherwise be available. This may be done by adding to the Article an additional paragraph drafted along the following lines: Notwithstanding the provisions of paragraph 2, dividends referred to in paragraph 1 shall be taxable only in the Contracting State of which the recipient is a resident if the beneficial owner of the dividends is that State or a political subdivision or local authority thereof. 14. The two Contracting States may also, during bilateral negotiations, agree to a holding percentage lower than that fixed in the Article. A lower percentage is, for instance, justified in cases where the State of residence of the parent company, in accordance with its domestic law, grants exemption to such a company for dividends derived from a holding of less than 25 per cent in a non-resident subsidiary. 15. In subparagraph a) of paragraph 2, the term “capital” is used in relation to the taxation treatment of dividends, i.e. distributions of profits to shareholders. The use of this term in this context implies that, for the purposes of subparagraph a), it should be used in the sense in which it is used for the purposes of distribution to the shareholder (in the particular case, the parent company). a) As a general rule, therefore, the term “capital” in subparagraph a) should be understood as it is understood in company law. Other elements, in particular the reserves, are not to be taken into account. b) Capital, as understood in company law, should be indicated in terms of par value of all shares which in the majority of cases will be shown as capital in the company’s balance sheet. c) No account need be taken of differences due to the different classes of shares issued (ordinary shares, preference shares, plural voting shares, non-voting shares, bearer shares, registered shares, etc.), as such differences relate more to the nature of the shareholder’s right than to the extent of his ownership of the capital. d) When a loan or other contribution to the company does not, strictly speaking, come as capital under company law but when on the basis of internal law or practice (“thin capitalisation”, or assimilation of a loan to share capital), the income derived in respect thereof is treated as dividend under Article 10, the value of such loan or contribution is also to be taken as “capital” within the meaning of subparagraph a). e) In the case of bodies which do not have a capital within the meaning of company law, capital for the purpose of subparagraph a) is to be taken as meaning the total of all contributions to the body which are taken into account for the purpose of distributing profits. In bilateral negotiations, Contracting States may depart from the criterion of “capital” used in subparagraph a) of paragraph 2 and use instead the criterion of “voting power”. 16. Subparagraph a) of paragraph 2 does not require that the company receiving the dividends must have owned at least 25 per cent of the capital for a relatively long time before the date of the distribution. This means that all that counts regarding the holding is the situation prevailing at the time material for the coming into existence of the liability to the tax to which paragraph 2 applies, i.e. in most cases the situation existing at the time when the dividends become legally available to the shareholders. The primary reason for this resides in the desire to have a provision which is applicable as broadly as possible. To require the parent company to have possessed the minimum holding for a certain time before the distribution of the profits could involve extensive inquiries. Internal laws of certain OECD member countries provide for a minimum period during which the recipient company must have held the shares to qualify for exemption or relief in respect of dividends received. In view of this, Contracting States may include a similar condition in their conventions. 17. The reduction envisaged in subparagraph a) of paragraph 2 should not be granted in cases of abuse of this provision, for example, where a company with a holding of less than 25 per cent has, shortly before the dividends become payable, increased its holding primarily for the purpose of securing the benefits of the above810
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mentioned provision, or otherwise, where the qualifying holding was arranged primarily in order to obtain the reduction. To counteract such manoeuvres Contracting States may find it appropriate to add to subparagraph a) a provision along the following lines: provided that this holding was not acquired primarily for the purpose of taking advantage of this provision. 18. Paragraph 2 lays down nothing about the mode of taxation in the State of source. It therefore leaves that State free to apply its own laws and, in particular, to levy the tax either by deduction at source or by individual assessment. 19. The paragraph does not settle procedural questions. Each State should be able to use the procedure provided in its own laws. It can either forthwith limit its tax to the rates given in the Article or tax in full and make a refund (see, however, paragraph 26.2 of the Commentary on Article 1). Specific questions arise with triangular cases (see paragraph 71 of the Commentary on Article 24). 20. It does not specify whether or not the relief in the State of source should be conditional upon the dividends being subject to tax in the State of residence. This question can be settled by bilateral negotiations. 21. The Article contains no provisions as to how the State of the beneficiary’s residence should make allowance for the taxation in the State of source of the dividends. This question is dealt with in Articles 23 A and 23 B. 22. Attention is drawn generally to the following case: the beneficial owner of the dividends arising in a Contracting State is a company resident of the other Contracting State; all or part of its capital is held by shareholders resident outside that other State; its practice is not to distribute its profits in the form of dividends; and it enjoys preferential taxation treatment (private investment company, base company). The question may arise whether in the case of such a company it is justifiable to allow in the State of source of the dividends the limitation of tax which is provided in paragraph 2. It may be appropriate, when bilateral negotiations are being conducted, to agree upon special exceptions to the taxing rule laid down in this Article, in order to define the treatment applicable to such companies. Paragraph 3 23. In view of the great differences between the laws of OECD member countries, it is impossible to define “dividends” fully and exhaustively. Consequently, the definition merely mentions examples which are to be found in the majority of the member countries’ laws and which, in any case, are not treated differently in them. The enumeration is followed up by a general formula. In the course of the revision of the 1963 Draft Convention, a thorough study has been undertaken to find a solution that does not refer to domestic laws. This study has led to the conclusion that, in view of the still remaining dissimilarities between member countries in the field of company law and taxation law, it did not appear to be possible to work out a definition of the concept of dividends that would be independent of domestic laws. It is open to the Contracting States, through bilateral negotiations, to make allowance for peculiarities of their laws and to agree to bring under the definition of “dividends” other payments by companies falling under the Article. 24. The notion of dividends basically concerns distributions by companies within the meaning of subparagraph b) of paragraph 1 of Article 3. Therefore the definition relates, in the first instance, to distributions of profits the title to which is constituted by shares, that is holdings in a company limited by shares (joint stock company). The definition assimilates to shares all securities issued by companies which carry a right to participate in the companies’ profits without being debt-claims; such are, for example, “jouissance” shares or “jouissance” rights, founders’ shares or other rights participating in profits. In bilateral conventions, of course, this enumeration may be adapted to the legal situation in the Contracting States concerned. This may be necessary in particular, as regards income from “jouissance” shares and founders’ shares. On the other hand, debt-claims participating in profits do not come into this
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category (see paragraph 19 of the Commentary on Article 11); likewise interest on convertible debentures is not a dividend. 25. Article 10 deals not only with dividends as such but also with interest on loans insofar as the lender effectively shares the risks run by the company, i.e. when repayment depends largely on the success or otherwise of the enterprise’s business. Articles 10 and 11 do not therefore prevent the treatment of this type of interest as dividends under the national rules on thin capitalisation applied in the borrower’s country. The question whether the contributor of the loan shares the risks run by the enterprise must be determined in each individual case in the light of all the circumstances, as for example the following: – the loan very heavily outweighs any other contribution to the enterprise’s capital (or was taken out to replace a substantial proportion of capital which has been lost) and is substantially unmatched by redeemable assets; – the creditor will share in any profits of the company; – repayment of the loan is subordinated to claims of other creditors or to the payment of dividends; – the level or payment of interest would depend on the profits of the company; – the loan contract contains no fixed provisions for repayment by a definite date. 26. The laws of many of the States put participations in a société à responsabilité limitée (limited liability company) on the same footing as shares. Likewise, distributions of profits by co-operative societies are generally regarded as dividends. 27. Distributions of profits by partnerships are not dividends within the meaning of the definition, unless the partnerships are subject, in the State where their place of effective management is situated, to a fiscal treatment substantially similar to that applied to companies limited by shares (for instance, in Belgium, Portugal and Spain, also in France as regards distributions to commanditaires in the sociétés en commandite simple). On the other hand, clarification in bilateral conventions may be necessary in cases where the taxation law of a Contracting State gives the owner of holdings in a company a right to opt, under certain conditions, for being taxed as a partner of a partnership, or, vice versa, gives the partner of a partnership the right to opt for taxation as the owner of holdings in a company. 28. Payments regarded as dividends may include not only distributions of profits decided by annual general meetings of shareholders, but also other benefits in money or money’s worth, such as bonus shares, bonuses, profits on a liquidation and disguised distributions of profits. The reliefs provided in the Article apply so long as the State of which the paying company is a resident taxes such benefits as dividends. It is immaterial whether any such benefits are paid out of current profits made by the company or are derived, for example, from reserves, i.e. profits of previous financial years. Normally, distributions by a company which have the effect of reducing the membership rights, for instance, payments constituting a reimbursement of capital in any form whatever, are not regarded as dividends. 29. The benefits to which a holding in a company confer entitlement are, as a general rule, available solely to the shareholders themselves. Should, however, certain of such benefits be made available to persons who are not shareholders within the meaning of company law, they may constitute dividends if: – the legal relations between such persons and the company are assimilated to a holding in a company (“concealed holdings”); and – the persons receiving such benefits are closely connected with a shareholder; this is the case, for example, where the recipient is a relative of the shareholder or is a company belonging to the same group as the company owning the shares. 30. When the shareholder and the person receiving such benefits are residents of two different States with which the State of source has concluded conventions, differences of views may arise as to which of these conventions is applicable. A similar problem may arise when the State of source has concluded a convention with one of the States but not with the other. This, however, is a conflict which may affect other
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types of income, and the solution to it can be found only through an arrangement under the mutual agreement procedure. Paragraph 4 31. Certain States consider that dividends, interest and royalties arising from sources in their territory and payable to individuals or legal persons who are residents of other States fall outside the scope of the arrangement made to prevent them from being taxed both in the State of source and in the State of the beneficiary’s residence when the beneficiary has a permanent establishment in the former State. Paragraph 4 is not based on such a conception which is sometimes referred to as “the force of attraction of the permanent establishment”. It does not stipulate that dividends flowing to a resident of a Contracting State from a source situated in the other State must, by a kind of legal presumption, or fiction even, be related to a permanent establishment which that resident may have in the latter State, so that the said State would not be obliged to limit its taxation in such a case. The paragraph merely provides that in the State of source the dividends are taxable as part of the profits of the permanent establishment there owned by the beneficiary which is a resident of the other State, if they are paid in respect of holdings forming part of the assets of the permanent establishment or otherwise effectively connected with that establishment. In that case, paragraph 4 relieves the State of source of the dividends from any limitations under the Article. The foregoing explanations accord with those in the Commentary on Article 7. 32. It has been suggested that the paragraph could give rise to abuses through the transfer of shares to permanent establishments set up solely for that purpose in countries that offer preferential treatment to dividend income. Apart from the fact that such abusive transactions might trigger the application of domestic anti-abuse rules, it must be recognised that a particular location can only constitute a permanent establishment if a business is carried on therein and, as explained below, that the requirement that a shareholding be “effectively connected” to such a location requires more than merely recording the shareholding in the books of the permanent establishment for accounting purposes. 32.1 A holding in respect of which dividends are paid will be effectively connected with a permanent establishment, and will therefore form part of its business assets, if the “economic” ownership of the holding is allocated to that permanent establishment under the principles developed in the Committee’s report entitled Attribution of Profits to Permanent Establishments1 (see in particular paragraphs 72–97 of Part I of the report) for the purposes of the application of paragraph 2 of Article 7. In the context of that paragraph, the “economic” ownership of a holding means the equivalent of ownership for income tax purposes by a separate enterprise, with the attendant benefits and burdens (e.g. the right to the dividends attributable to the ownership of the holding and the potential exposure to gains or losses from the appreciation or depreciation of the holding). 32.2 In the case of the permanent establishment of an enterprise carrying on insurance activities, the determination of whether a holding is effectively connected with the permanent establishment shall be made by giving due regard to the guidance set forth in Part IV of the Committee’s report with respect to whether the income on or gain from that holding is taken into account in determining the permanent establishment’s yield on the amount of investment assets attributed to it (see in particular paragraphs 165–170 of Part IV). That guidance being general in nature, tax authorities should consider applying a flexible and pragmatic approach which would take into account an enterprise’s reasonable and consistent application of that guidance for purposes of identifying the specific assets that are effectively connected with the permanent establishment.
1 Attribution of Profits to Permanent Establishments, OECD, Paris, 2010.
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Paragraph 5 33. The Article deals only with dividends paid by a company which is a resident of a Contracting State to a resident of the other State. Certain States, however, tax not only dividends paid by companies resident therein but even distributions by non-resident companies of profits arising within their territory. Each State, of course, is entitled to tax profits arising in its territory which are made by non-resident companies, to the extent provided in the Convention (in particular in Article 7). The shareholders of such companies should not be taxed as well at any rate, unless they are residents of the State and so naturally subject to its fiscal sovereignty. 34. Paragraph 5 rules out the extra-territorial taxation of dividends, i.e. the practice by which States tax dividends distributed by a non-resident company solely because the corporate profits from which the distributions are made originated in their territory (for example, realised through a permanent establishment situated therein). There is, of course, no question of extra-territorial taxation when the country of source of the corporate profits taxes the dividends because they are paid to a shareholder who is a resident of that State or to a permanent establishment situated in that State. 35. Moreover, it can be argued that such a provision does not aim at, or cannot result in, preventing a State from subjecting the dividends to a withholding tax when distributed by foreign companies if they are cashed in its territory. Indeed, in such a case, the criterion for tax liability is the fact of the payment of the dividends, and not the origin of the corporate profits allotted for distribution. But if the person cashing the dividends in a Contracting State is a resident of the other Contracting State (of which the distributing company is a resident), he may under Article 21 obtain exemption from, or refund of, the withholding tax of the first-mentioned State. Similarly, if the beneficiary of the dividends is a resident of a third State which had concluded a double taxation convention with the State where the dividends are cashed, he may, under Article 21 of that convention, obtain exemption from, or refund of, the withholding tax of the last-mentioned State. 36. Paragraph 5 further provides that non-resident companies are not to be subjected to special taxes on undistributed profits. 37. It might be argued that where the taxpayer’s country of residence, pursuant to its controlled foreign companies legislation or other rules with similar effect seeks to tax profits which have not been distributed, it is acting contrary to the provisions of paragraph 5. However, it should be noted that the paragraph is confined to taxation at source and, thus, has no bearing on the taxation at residence under such legislation or rules. In addition, the paragraph concerns only the taxation of the company and not that of the shareholder. 38. The application of such legislation or rules may, however, complicate the application of Article 23. If the income were attributed to the taxpayer then each item of the income would have to be treated under the relevant provisions of the Convention (business profits, interest, royalties). If the amount is treated as a deemed dividend then it is clearly derived from the base company thus constituting income from that company’s country. Even then, it is by no means clear whether the taxable amount is to be regarded as a dividend within the meaning of Article 10 or as “other income” within the meaning of Article 21. Under some of these legislation or rules the taxable amount is treated as a dividend with the result that an exemption provided for by a tax convention, e.g. an affiliation exemption, is also extended to it. It is doubtful whether the Convention requires this to be done. If the country of residence considers that this is not the case it may face the allegation that it is obstructing the normal operation of the affiliation exemption by taxing the dividend (in the form of “deemed dividend”) in advance. 39. Where dividends are actually distributed by the base company, the provisions of a bilateral convention regarding dividends have to be applied in the normal way because there is dividend income within the meaning of the convention. Thus, the country of the base company may subject the dividend to a withholding tax. The country of
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residence of the shareholder will apply the normal methods for the elimination of double taxation (i.e. tax credit or tax exemption is granted). This implies that the withholding tax on the dividend should be credited in the shareholder’s country of residence, even if the distributed profit (the dividend) has been taxed years before under controlled foreign companies legislation or other rules with similar effect. However, the obligation to give credit in that case remains doubtful. Generally the dividend as such is exempted from tax (as it was already taxed under the relevant legislation or rules) and one might argue that there is no basis for a tax credit. On the other hand, the purpose of the treaty would be frustrated if the crediting of taxes could be avoided by simply anticipating the dividend taxation under counteracting legislation. The general principle set out above would suggest that the credit should be granted, though the details may depend on the technicalities of the relevant legislation or rules) and the system for crediting foreign taxes against domestic tax, as well as on the particularities of the case (e.g. time lapsed since the taxation of the “deemed dividend”). However, taxpayers who have recourse to artificial arrangements are taking risks against which they cannot fully be safeguarded by tax authorities. III. Effects of special features of the domestic tax laws of certain countries 40. Certain countries’ laws seek to avoid or mitigate economic double taxation i.e. the simultaneous taxation of the company’s profits at the level of the company and of the dividends at the level of the shareholder. There are various ways of achieving this: – company tax in respect of distributed profits may be charged at a lower rate than that on retained profits; – relief may be granted in computing the shareholder’s personal tax; – dividends may bear only one tax, the distributed profits not being taxed at the level of the company. The Committee on Fiscal Affairs has examined the question whether the special features of the tax laws of the member countries would justify solutions other than those contained in the Model Convention. A. Dividends distributed to individuals 41. In contrast to the notion of juridical double taxation, which has, generally, a quite precise meaning, the concept of economic double taxation is less certain. Some States do not accept the validity of this concept and others, more numerously, do not consider it necessary to relieve economic double taxation at the national level (dividends distributed by resident companies to resident shareholders). Consequently, as the concept of economic double taxation was not sufficiently well defined to serve as a basis for the analysis, it seemed appropriate to study the problem from a more general economic standpoint, i.e. from the point of view of the effects which the various systems for alleviating such double taxation can have on the international flow of capital. For this purpose, it was necessary to see, among other things, what distortions and discriminations the various national systems could create; but it was necessary to have regard also to the implications for States’ budgets and for effective fiscal verification, without losing sight of the principle of reciprocity that underlies every convention. In considering all these aspects, it became apparent that the burden represented by company tax could not be wholly left out of account. 1. States with the classical system 42. The Committee has recognised that economic double taxation need not be relieved at the international level when such double taxation remains unrelieved at the national level. It therefore considers that in relations between two States with the classical system, i.e. States which do not relieve economic double taxation, the respective levels of company tax in the Contracting States should have no influence on the rate of withholding tax on the dividend in the State of source (rate limited to 15 per cent by subparagraph b) of paragraph 2 of Article 10). Consequently, the solution recommended in the Model Convention remains fully applicable in the present case. Schönfeld
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2. States applying a split rate company tax 43. These States levy company tax at different rates according to what the company does with its profits: the high rate is charged on any profits retained and the lower rate on those distributed. 44. None of these States, in negotiating double taxation conventions, has obtained, on the grounds of its split rate of company tax, the right to levy with- holding tax of more than 15 per cent (see subparagraph b) of paragraph 2 of Article 10) on dividends paid by its companies to a shareholder who is an individual resident in the other State. 45. The Committee considered whether such a State (State B) should not be recognised as being entitled to levy withholding tax exceeding 15 per cent on dividends distributed by its companies to residents of a State with a classical system (State A), with the proviso that the excess over 15 per cent, which would be designed to offset, in relation to the shareholder concerned, the effects of the lower rate of company tax on distributed profits of companies of State B, would not be creditable against the tax payable by the shareholder in State A of which he is a resident. 46. Most member countries considered that in State B regard should be had to the average level of company tax, and that such average level should be considered as the counterpart to the charge levied in the form of a single-rate tax on companies resident of State A. The levy by State B of an additional withholding tax not credited in State A would, moreover, create twofold discrimination: on the one hand, dividends, distributed by a company resident of State B would be more heavily taxed when distributed to residents of State A than when distributed to residents of State B, and, on the other hand, the resident of State A would pay higher personal tax on his dividends from State B than on his dividends from State A. The idea of a “balancing tax” was not, therefore, adopted by the Committee. 3. States which provide relief at the shareholder’s level 47. In these States, the company is taxed on its total profits, whether distributed or not, and the dividends are taxed in the hands of the resident shareholder (an individual); the latter, however, is entitled to relief, usually as a tax credit against his personal tax, on the grounds that – in the normal course at least – the dividend has borne company tax as part of the company’s profits. 48. Internal law of these States does not provide for the extension of the tax relief to the international field. Relief is allowed only to residents and only in respect of dividends of domestic sources. However, as indicated below, some States have, in some conventions, extended the right to the tax credit provided for in their legislation to residents of the other Contracting State. 49. In many States that provide relief at the shareholder’s level, the resident shareholder receives a credit in recognition of the fact that the profits out of which the dividends are paid have already been taxed in the hands of the company. The resident shareholder is taxed on his dividend grossed up by the tax credit; this credit is set off against the tax payable and can possibly give rise to a refund. In some double taxation conventions, some countries that apply this system have agreed to extend the credit to shareholders who are residents of the other Contracting State. Whilst most States that have agreed to such extensions have done so on a reciprocal basis, a few countries have concluded conventions where they unilaterally extend the benefits of the credit to residents of the other Contracting State. 50. Some States that also provide relief at the shareholder’s level claim that under their systems the company tax remains in its entirety a true company tax, in that it is charged by reference solely to the company’s own situation, without any regard to the person and the residence of the shareholder, and in that, having been so charged, it remains appropriated to the Treasury. The tax credit given to the shareholder is designed to relieve his personal tax liability and in no way constitutes an adjustment of the company’s tax. No refund, therefore, is given if the tax credit exceeds that personal tax. 816
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51. The Committee could not reach a general agreement on whether the systems of the States referred to in paragraph 50 above display a fundamental difference that could justify different solutions at the international level. 52. Some member countries were of the opinion that such a fundamental difference does not exist. This opinion leaves room for the conclusion that the States referred to in paragraph 50 above should agree to extend the tax credit to non-resident shareholders, at least on a reciprocal basis, in the same way as some of the countries referred to in paragraph 49 above do. Such a solution tends to ensure neutrality as regards dividends distributed by companies of these countries, the same treatment being given to resident and non-resident shareholders. On the other hand, it would in relation to shareholders who are residents of a Contracting State (a State with a classical system in particular) encourage investment in a State that provides relief at the shareholder’s level since residents of the first State would receive a tax credit (in fact a refund of company tax) for dividends from the other State while they do not receive one for dividends from their own country. However, these effects are similar to those which present themselves between a State applying a split rate company tax and a State with a classical system or between two States with a classical system one of which has a lower company tax rate than the other (paragraphs 42 and 43 to 46 above). 53. On the other hand, many member countries stressed the fact that a determination of the true nature of the tax relief given under the systems of the States referred to in paragraph 50 above reveals a mere alleviation of the shareholder’s personal income tax in recognition of the fact that his dividend will normally have borne company tax. The tax credit is given once and for all (forfaitaire) and is therefore not in exact relation to the actual company tax appropriate to the profits out of which the dividend is paid. There is no refund if the tax credit exceeds the personal income tax. 54. As the relief in essence is not a refund of company tax but an alleviation of the personal income tax, the extension of the relief to non-resident shareholders who are not subject to personal income tax in the countries concerned does not come into consideration. On the other hand, however, on this line of reasoning, the question whether States which provide relief at the shareholder’s level should give relief against personal income tax levied from resident shareholders on foreign dividends deserves attention. In this respect it should be observed that the answer is in the affirmative if the question is looked at from the standpoint of neutrality as regards the source of the dividends; otherwise, residents of these States will be encouraged to acquire shares in their own country rather than abroad. But such an extension of the tax credit would be contrary to the principle of reciprocity: not only would the State concerned thereby be making a unilateral budgetary sacrifice (allowing the tax credit over and above the withholding tax levied in the other State), but it would do so without receiving any economic compensation, since it would not be encouraging residents of the other State to acquire shares in its own territory. 55. To overcome these objections, it might be a conceivable proposition, amongst other possibilities, that the State of source – which will have collected company tax on dividends distributed by resident companies – should bear the cost of the tax credit that a State which provides relief at the shareholder’s level would allow, by transferring funds to that State. As, however, such transfers are hardly favoured by the States this might be more simply achieved by means of a “compositional” arrangement under which the State of source would relinquish all withholding tax on dividends paid to residents of the other State, and the latter would then allow against its own tax, not the 15 per cent withholding tax (abolished in the State of source) but a tax credit similar to that which it gives on dividends of domestic source. 56. When everything is fully considered, it seems that the problem can be solved only in bilateral negotiations, where one is better placed to evaluate the sacrifices and advantages which the Convention must bring for each Contracting State. 57. [Deleted] 58. [Deleted]
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B. Dividends distributed to companies 59. Comments above relating to dividends paid to individuals are generally applicable to dividends paid to companies which hold less than 25 per cent of the capital of the company paying the dividends. The treatment of dividends paid to collective investment vehicles raises particular issues which are addressed in paragraphs 6.8 to 6.34 of the Commentary on Article 1. 60. In respect of dividends paid to companies which hold at least 25 per cent of the capital of the company paying the dividends, the Committee has examined the incidence which the particular company taxation systems quoted in paragraphs 42 and following have on the tax treatment of dividends paid by the subsidiary. 61. Various opinions were expressed in the course of the discussion. Opinions diverge even when the discussion is limited to the taxation of subsidiaries and parent companies. They diverge still more if the discussion takes into account more general economic considerations and extends to the taxation of shareholders of the parent company. 62. In their bilateral conventions States have adopted different solutions, which were motivated by the economic objectives and the peculiarities of the legal situation of those States, by budgetary considerations, and by a whole series of other factors. Accordingly, no generally accepted principles have emerged. The Committee did nevertheless consider the situation for the more common systems of company taxation. 1. Classical system in the State of the subsidiary (paragraph 42 above) 63. The provisions of the Convention have been drafted to apply when the State of which the distributing company is a resident has a so-called “classical” system of company taxation, namely one under which distributed profits are not entitled to any benefit at the level either of the company or of the shareholder (except for the purpose of avoiding recurrent taxation of inter-company dividends). 2. Split-rate company tax system in the State of the subsidiary (paragraph 43 to 46 above) 64. States of this kind collect company tax on distributed profits at a lower rate than on retained profits which results in a lower company tax burden on profits distributed by a subsidiary to its parent company. In view of this situation, most of these States have obtained, in their conventions, rates of tax at source of 10 or 15 per cent, and in some cases even above 15 per cent. It has not been possible in the Committee to get views to converge on this question, the solution of which is left to bilateral negotiations. 3. Imputation system in the State of the subsidiary (paragraph 47 and following) 65. In such States, a company is liable to tax on the whole of its profits, whether distributed or not; the shareholders resident of the State of which the distributing company is itself a resident are subject to tax on dividends distributed to them, but receive a tax credit in consideration of the fact that the profits distributed have been taxed at company level. 66. The question has been considered whether States of this kind should extend the benefit of the tax credit to the shareholders of parent companies resident of another State, or even to grant the tax credit directly to such parent companies. It has not been possible in the Committee to get views to converge on this question, the solution of which is left to bilateral negotiations. 67. If, in such a system, profits, whether distributed or not, are taxed at the same rate, the system is not different from a “classical” one at the level of the distributing
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company. Consequently, the State of which the subsidiary is a resident can only levy a tax at source at the rate provided in subparagraph a) of paragraph 2. IV. Distributions by Real Estate Investment Trusts 67.1 In many States, a large part of portfolio investment in immovable property is done through Real Estate Investment Trusts (REITs). A REIT may be loosely described as a widely held company, trust or contractual or fiduciary arrangement that derives its income primarily from long-term investment in immovable property, distributes most of that income annually and does not pay income tax on the income related to immovable property that is so distributed. The fact that the REIT vehicle does not pay tax on that income is the result of tax rules that provide for a single-level of taxation in the hands of the investors in the REIT. 67.2 The importance and the globalisation of investments in and through REITs have led the Committee on Fiscal Affairs to examine the tax treaty issues that arise from such investments. The results of that work appear in a report entitled “Tax Treaty Issues Related to REITS.”1 67.3 One issue discussed in the report is the tax treaty treatment of cross-border distributions by a REIT. In the case of a small investor in a REIT, the investor has no control over the immovable property acquired by the REIT and no connection to that property. Notwithstanding the fact that the REIT itself will not pay tax on its distributed income, it may therefore be appropriate to consider that such an investor has not invested in immovable property but, rather, has simply invested in a company and should be treated as receiving a portfolio dividend. Such a treatment would also reflect the blended attributes of a REIT investment, which combines the attributes of both shares and bonds. In contrast, a larger investor in a REIT would have a more particular interest in the immovable property acquired by the REIT; for that investor, the investment in the REIT may be seen as a substitute for an investment in the underlying property of the REIT. In this situation, it would not seem appropriate to restrict the source taxation of the distribution from the REIT since the REIT itself will not pay tax on its income. 67.4 States that wish to achieve that result may agree bilaterally to replace paragraph 2 of the Article by the following: 2. However, such dividends may also be taxed in the Contracting State of which the company paying the dividends is a resident and according to the laws of that State, but if the beneficial owner of the dividends is a resident of the other Contracting State (other than a beneficial owner of dividends paid by a company which is a REIT in which such person holds, directly or indirectly, capital that represents at least 10 per cent of the value of all the capital in that company), the tax so charged shall not exceed: a) 5 per cent of the gross amount of the dividends if the beneficial owner is a company (other than a partnership) which holds directly at least 25 per cent of the capital of the company paying the dividends (other than a paying company that is a REIT); b) 15 per cent of the gross amount of the dividends in all other cases. According to this provision, a large investor in a REIT is an investor holding, directly or indirectly, capital that represents at least 10 per cent of the value of all the REIT’s capital. States may, however, agree bilaterally to use a different threshold. Also, the provision applies to all distributions by a REIT; in the case of distributions of capital gains, however, the domestic law of some countries provides for a different threshold to differentiate between a large investor and a small investor entitled to taxation at the rate applicable to portfolio dividends and these countries may wish to amend the provision to preserve that distinction in their treaties. Finally, because it would be inappropriate to restrict the source taxation of a REIT distribution to a 1 Reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at R(23)-1.
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large investor, the drafting of subparagraph a) excludes dividends paid by a REIT from its application; thus, the subparagraph can never apply to such dividends, even if a company that did not hold capital representing 10 per cent or more of the value of the capital of a REIT held at least 25 per cent of its capital as computed in accordance with paragraph 15 above. The State of source will therefore be able to tax such distributions to large investors regardless of the restrictions in subparagraphs a) and b). 67.5 Where, however, the REITs established in one of the Contracting States do not qualify as companies that are residents of that Contracting State, the provision will need to be amended to ensure that it applies to distributions by such REITs. 67.6 For example, if the REIT is a company that does not qualify as a resident of the State, paragraphs 1 and 2 of the Article will need to be amended as follows to achieve that result: 1. Dividends paid by a company which is a resident, or a REIT organised under the laws, of a Contracting State to a resident of the other Contracting State may be taxed in that other State. 2. However, such dividends may also be taxed in, and according to the laws of, the Contracting State of which the company paying the dividends is a resident or, in the case of a REIT, under the laws of which it has been organised, but if the beneficial owner of the dividends is a resident of the other Contracting State (other than a beneficial owner of dividends paid by a company which is a REIT in which such person holds, directly or indirectly, capital that represents at least 10 per cent of the value of all the capital in that company), the tax so charged shall not exceed: a) 5 per cent of the gross amount of the dividends if the beneficial owner is a company (other than a partnership) which holds directly at least 25 per cent of the capital of the company paying the dividends (other than a paying company that is a REIT); b) 15 per cent of the gross amount of the dividends in all other cases. 67.7 Similarly, in order to achieve that result where the REIT is structured as a trust or as a contractual or fiduciary arrangement and does not qualify as a company, States may agree bilaterally to add to the alternative version of paragraph 2 set forth in paragraph 67.4 above an additional provision drafted along the following lines: For the purposes of this Convention, where a REIT organised under the laws of a Contracting State makes a distribution of income to a resident of the other Contracting State who is the beneficial owner of that distribution, the distribution of that income shall be treated as a dividend paid by a company resident of the firstmentioned State. Under this additional provision, the relevant distribution would be treated as a dividend and not, therefore, as another type of income (e.g. income from immovable property or capital gain) for the purposes of applying Article 10 and the other Articles of the Convention. Clearly, however, that would not change the characterisation of that distribution for purposes of domestic law so that domestic law treatment would not be affected except for the purposes of applying the limitations imposed by the relevant provisions of the Convention. Observations on the Commentary 68. Canada and the United Kingdom do not adhere to paragraph 24 above. Under their law, certain interest payments are treated as distributions, and are therefore included in the definition of dividends. 68.1 Belgium cannot share the views expressed in paragraph 37 of the Commentary. Belgium considers that paragraph 5 of Article 10 is a particular application of a general principle underlying various provisions of the Convention (paragraph 7 of Article 5, paragraph 1 of Article 7, and paragraphs 1 and 5 of Article 10), which is the prohibition for a Contracting State, except in exceptional cases expressly provided for in the Convention, to levy a tax on the profits of a company which is a resident of the
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other Contracting State. Paragraph 5, which deals with taxation where the income has its source, confirms this general prohibition and provides that the prohibition applies even where the undistributed profits derived by the entity that is a resident of the other Contracting State arise from business carried out in the State of source. Paragraph 5 prohibits the taxation of the undistributed profits of the foreign entity even where the State where those profits arise taxes them in the hands of a resident shareholder. The fact that a Contracting State taxes one of its residents on profits that are beneficially owned by a resident of the other State cannot change the nature of the profits, their beneficiary and, therefore, the allocation of the taxing rights on these profits. 68.2 With reference to paragraph 37, Ireland notes its general observation in paragraph 27.5 of the Commentary on Article 1. Reservations on the Article Paragraph 2 69. [Deleted] 70. [Deleted] 71. [Deleted] 72. The United States reserves the right to provide that shareholders of certain passthrough entities, such as Regulated Investment Companies and Real Estate Investment Trusts, will not be granted the direct dividend investment rate, even if they would qualify based on their percentage ownership. 73. [Deleted] 74. In view of its particular taxation system, Chile retains its freedom of action with regard to the provisions in the Convention relating to the rate and form of distribution of profits by companies. 75. Mexico, Portugal and Turkey reserve their positions on the rates of tax in paragraph 2. 76. [Deleted] 77. Poland reserves its position on the minimum percentage for the holding (25 per cent) and the rates of tax (5 per cent and 15 per cent). Paragraph 3 78. Belgium reserves the right to broaden the definition of dividends in paragraph 3 so as to cover expressly income – even when paid in the form of interest – which is subjected to the same taxation treatment as income from shares by its internal law. 79. Denmark reserves the right, in certain cases, to consider as dividends the selling price derived from the sale of shares. 80. France and Mexico reserve the right to amplify the definition of dividends in paragraph 3 so as to cover all income subjected to the taxation treatment of distributions. 81. Canada and Germany reserve the right to amplify the definition of dividends in paragraph 3 so as to cover certain interest payments which are treated as distributions under their domestic law. 81.1 Portugal reserves the right to amplify the definition of dividends in paragraph 3 so as to cover certain payments, made under profit participation arrangements, which are treated as distributions under its domestic law. 81.2 Chile and Luxembourg reserve the right to expand the definition of dividends in paragraph 3 in order to cover certain payments which are treated as distributions of dividends under their domestic law. 82. [Deleted]
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Paragraph 5 83. Canada and the United States reserve the right to impose their branch tax on the earnings of a company attributable to a permanent establishment situated in these countries. Canada also reserves the right to impose this tax on profits attributable to the alienation of immovable property situated in Canada by a company carrying on a trade in immovable property. 84. [Deleted] 85. Turkey reserves the right to tax, in a manner corresponding to that provided by paragraph 2 of the Article, the part of the profits of a company of the other Contracting State that carries on business through a permanent establishment situated in Turkey that remains after taxation pursuant to Article 7.
POSITIONS ON ARTICLE 10 (DIVIDENDS) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. Argentina and Thailand reserve the right to apply a 10 per cent rate of tax at source in the case referred to in subparagraph a). 2. [Deleted] 3. Bulgaria, Estonia, India, Latvia, Lithuania, Russia and Serbia reserve the right not to include the requirement for the competent authorities to settle by mutual agreement the mode of application of paragraph 2. 4. Israel reserves its position on the rates provided for in paragraph 2. 5. Romania reserves the right to tax at a uniform rate to be negotiated all dividends referred to in this paragraph. 6. Gabon, Ivory Coast, Morocco, Russia, South Africa and Tunisia reserve their position on the rates of tax in paragraph 2 and the minimum percentage for the holding in subparagraph a). 7. Serbia and Vietnam reserve the right to tax, at a uniform rate of not less than 10 per cent, all dividends referred to in paragraph 2. 7.1 Latvia reserves the right to reduce to 10 per cent the minimum percentage for the holding in subparagraph a) and to apply a 10 per cent rate of tax at source in the case referred to in subparagraph b). 7.2 India reserves the right to settle the rate of tax in bilateral negotiations. Paragraph 3 8. Argentina, Russia and Tunisia reserve the right to include a provision that will allow them to apply the thin capitalisation measures of their domestic law notwithstanding any other provisions of the Convention. 9. As their legislation does not provide for such concepts as “jouissance” shares, “jouissance” rights, mining shares and founders’ shares, Albania, Armenia, Bulgaria, Belarus and Serbia reserve the right to omit them from paragraph 3. 10. Bulgaria, Estonia, Latvia and Lithuania reserve the right to replace, in paragraph 3, the words “income from other corporate rights” by “income from other rights”. 10.1 Morocco reserves the right to amplify the definition of dividends in paragraph 3 by adding the words “and other assimilated income” after the words “as well as income from other corporate rights” and before the words “which is subjected to the same taxation treatment …”.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1–2 Art. 10
10.2 India reserves the right to modify the definition of the term “dividends”. 10.3 Israel reserves the right to exclude payments made by a Real Estate Investment Trust which is a resident of Israel from the definition of dividends in paragraph 3 and to tax those payments according to its domestic law. Paragraph 5 11. Argentina, Kazakhstan, Morocco, Russia and Tunisia reserve the right to apply a branch profits tax. 12. Brazil reserves the right to levy withholding tax on profits of a permanent establishment at the same rate of tax as is provided in paragraph 2, as is the traditional rule in the Brazilian income tax system. 13. Thailand reserves the right to levy a profit remittance tax on a permanent establishment at the same rate as is provided for in subparagraph 2 a). 14. Indonesia reserves the right to apply a branch profits tax, but that branch profits tax shall not affect the provisions contained in any production sharing contracts relating to oil and gas and contracts of works for other mining sectors. Position on the Commentary 15. India does not adhere to the interpretation set out in paragraph 24. Under the domestic law certain payments are treated as distributions and are therefore included in the definition of dividends.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 10 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Zuteilung der Besteuerungsrechte für grenzüberschreitende Dividenden. Der pri- 1 märe Regelungszweck von Art. 10 besteht darin, das Besteuerungsrecht des Quellenstaates für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen zu begrenzen. Zwar bestätigt Art. 10 Abs. 1 auch das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates, da es sich dabei aber um eine bloße Selbstverständlichkeit handelt, hat diese Regelung keinen eigenständigen Zweck. Bei Dividenden besteht im Übrigen die Besonderheit darin, dass die die Dividenden speisenden Einkünfte bereits einer Besteuerung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft unterliegen können. An der Besteuerung dieser Einkünfte ist der Quellenstaat jedenfalls durch Art. 10 nicht gehindert. Weil der Quellenstaat allerdings bereits die Einkünfte auf Ebene der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft besteuern darf, wird sein Besteuerungsrecht in Bezug auf den Dividendenempfänger durch Art. 10 Abs. 2 beschränkt, und zwar für Schachtelbeteiligungen auf 5 % und für alle anderen Fälle auf 15 %. Die Begünstigung von Schachteldividenden hat ihren Zweck zum einen darin, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen zu verhindern, zum anderen die grenzüberschreitende Verflechtung von Gesellschaften nicht dadurch zu behindern, dass an das jeweilige Ausschüttungsverhalten negative Rechtsfolgen geknüpft werden (Stichwort: Förderung von grenzüberschreitenden Investitionen).
II. Aufbau der Vorschrift Absatz 1. Art. 10 Abs. 1 regelt eigentlich eine Selbstverständlichkeit, indem das un- 2 eingeschränkte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers bestätigt wird. Dessen Besteuerungsrecht kann abkommensrechtlich allenfalls durch den Methodenartikel des Art. 23 beschränkt sein. Die eigentliche Funktion von
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Art. 10 Rz. 2–6
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Art. 10 Abs. 1 besteht daher darin, wesentliche Begriffe für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 sprachlich vorweg zu nehmen. 3
Absatz 2. Art. 10 Abs. 2 enthält den materiellen Kern des Dividendenartikels, indem das Besteuerungsrecht des Quellenstaates geregelt wird, d.h. des Ansässigkeitsstaates der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 enthält dabei den Grundsatz, dass auch der Quellenstaat die Dividenden besteuern darf. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 beschränkt dieses Besteuerungsrecht aber sogleich dahingehend, dass bei Dividenden zwischen Gesellschaften mit qualifizierter Beteiligung von mindestens 25 % die (Quellen-)Steuer maximal 5 % (sog. Schachteldividende) und im Übrigen höchstens 15 % betragen darf. Da Art. 10 keinerlei verfahrensrechtliche Vorgaben zur Durchführung der Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates enthält, überlässt es Art. 10 Abs. 2 Satz 2 den Finanzbehörden der Vertragsstaaten, dies in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. Aus deutscher Sicht gilt indes uneingeschränkt der Vorbehalt des Gesetzes, so dass durch Gesetz zu regeln ist, wie die Begrenzung des deutschen Besteuerungsrechts verfahrensrechtlich durchgeführt wird, weshalb Art. 10 Abs. 2 Satz 2 insoweit leerläufig ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 regelt schließlich, dass die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 nicht das Recht des Quellenstaates berührt, die Gewinne der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, die später die Dividenden speisen, besteuern zu können.
4
Absatz 3. Art. 10 Abs. 3 enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Dividenden“ für die Anwendung des gesamten Art. 10. Adressat der Dividendendefinition ist daher nicht nur der Quellenstaat, sondern grds. auch der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers. Systematisch ordnet Art. 10 Abs. 3 die einzelnen Arten der Dividenden nach Fallgruppen. Die erste Fallgruppe nennt mit „Einkünften aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen“ beispielhaft einige in den OECD-Staaten anzutreffende Eigenkapitalpositionen, aus denen Dividenden resultieren (können). Die zweite Fallgruppe nennt „Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung, wobei die praktische Relevanz (insbesondere in deutschen DBA) gering ist. Wichtiger ist die dritte Fallgruppe, die als Auffangtatbestand fungiert und abhebt auf die „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammenden Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.“ Dabei ist umstritten, inwieweit die Bindung der Dividendendefinition in der dritten Fallgruppe an das Steuerrechts des Quellenstaates auch innerhalb der übrigen Fallgruppen gilt (vgl. Rz. 116).
5
Absatz 4. Art. 10 Abs. 4 enthält den sog. Betriebsstättenvorbehalt. Danach ist Art. 10 Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. Stattdessen soll der Betriebsstättenartikel des Art. 7 anzuwenden sein. Der Zweck besteht darin, das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Betriebsstättenartikel des Art. 7 und dem Dividendenartikel des Art. 10 aufzulösen.
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Absatz 5. Art. 10 Abs. 5 regelt schließlich das sog. Verbot der extraterritorialen Besteuerung. Danach darf eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft mit ihren ausgeschütteten und nichtausgeschütteten Gewinnen nicht auch in einem anderen Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Gesellschaft nicht ansässig ist (sog. Nichtansässigkeitsstaat), aus dem die Gewinne aber wirtschaftlich stammen. Da es auch Staaten geben soll, die die Ausschüttungen einer nicht auf ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft besteuern wollen, und zwar weil die Dividenden aus Gewinnen gespeist werden, die wirtschaftlich aus dem Hoheitsgebiet des anderen Staates stammen, verbietet Art. 10 Abs. 5 dies. Hiervon macht Art. 10 Abs. 5 allerdings zwei Ausnahmen, nämlich dass die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden oder der Gesellschaftsanteil tatsächlich zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte gehört.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 7–11 Art. 10
III. Rechtsentwicklung 1. Absatz 1 Fast wörtliche Übereinstimmung in allen Fassungen. Art. 10 Abs. 1 stimmt in allen 7 Fassungen fast wörtlich überein und ist seit dem OECD-MA 1977 unverändert.1 2. Absatz 2 Ergänzung des „Nutzungsberechtigten“ als wesentliche Änderung. Auch Art. 10 8 Abs. 2 stimmt in allen Fassungen fast wörtlich überein. Die wesentliche Änderung hat Art. 10 Abs. 2 durch das OECD-MA 1977 erfahren, indem der Konditionalsatz „wenn der Empfänger der Dividende der Nutzungsberechtigte ist“ eingefügt und in Buchst. a der Begriff „Empfänger“ durch „Nutzungsberechtigter“ ersetzt wurde. In 1995 wurde der Konditionalsatz schließlich sprachlich weiter ergänzt: „wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist“.2 3. Absatz 3 Fast wörtliche Übereinstimmung in allen Fassungen. Auch Art. 10 Abs. 3 stimmt 9 in allen Fassungen fast wörtlich überein und ist seit dem OECD-MA 1977 unverändert. Lediglich der in der Fallgruppe 3 enthaltene Verweis auf das (Steuer-)Recht des Quellenstaates hat eine bloße sprachliche Änderung erfahren, ohne dass diese aber von praktischer Relevanz wäre.3 4. Absatz 4 Im Wesentlichen stimmt die ursprüngliche Fassung mit der gegenwärtigen Fas- 10 sung überein. Die ursprüngliche Fassung von Art. 10 Abs. 4 stimmt mit der gegenwärtigen Fassung im Wesentlichen überein. Die Fassung des OECD-MA 1963 lautete (in deutscher Übersetzung): „Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger der Dividenden in dem anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Betriebstätte hat und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte gehört.“4 Die gegenwärtige Fassung weicht hiervon nur insoweit ab, als im OECD-MA 1977 aus dem „Empfänger der Dividenden“ der „Nutzungsberechtigte“ und anstelle des „eine Betriebsstätte hat“ „eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt“ geworden ist. Zwischenzeitlich enthielt Art. 10 Abs. 3 auch einen entsprechenden Verweis auf den die Einkünfte aus selbständiger Arbeit regelnden Art. 14, der mit dessen Aufhebung jedoch in 2000 wieder obsolet geworden ist.5 5. Absatz 5 Deutliche Ausweitung gegenüber OECD-MA 1963. Einzig die ursprüngliche Fas- 11 sung von Art. 10 Abs. 5 hat später eine deutliche Ausweitung erfahren. Um die Änderungen zu verdeutlichen, sind die Abweichungen der gegenwärtigen Fassung zur Fassung des OECD-MA 1963 nachfolgend kursiv im Änderungsmodus hervorgehoben (in deutscher Übersetzung): „Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Gewinne oder Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat, so darf dieser andere Staat weder die von der Gesellschaft gezahlten Dividenden besteuern, die die Gesellschaft es sei denn, dass diese Dividenden an eine im nicht in diesem anderen Staat ansässige Personen gezahlt werden oder dass die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebstätte gehört, noch Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nichtausgeschüttete Gewinne unterwer1 2 3 4 5
Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 15. Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 16. Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 17. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 18. Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 18.
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Art. 10 Rz. 11–15
Dividenden
fen, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nichtausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Staat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen.“1 Die wesentlichen Änderungen beruhen dabei auf dem OECD-MA 1977. Zwischenzeitlich enthielt Art. 10 Abs. 3 auch einen entsprechenden Verweis auf den die Einkünfte aus selbständiger Arbeit regelnden Art. 14, der mit dessen Aufhebung jedoch in 2000 wieder obsolet geworden ist.2
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht 12
Art. 7. Ein Konkurrenzverhältnis von Art. 10 zu anderen Vorschriften des OECDMA kann zunächst in Bezug auf Art. 7 bestehen. Dabei stellt Art. 10 Abs. 2 Satz 3 selbst klar, dass Art. 10 Abs. 2 nicht das Recht des Quellenstaates berührt, die von der die Dividenden zahlenden Gesellschaft erzielten Einkünfte nach seinem innerstaatlichen Recht zu besteuern.3 Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 7 Abs. 7, dass Art. 10 grds. auch dann anzuwenden ist, wenn die Dividenden im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit bezogen werden.4 Diesen Grundsatz kehrt Art. 10 Abs. 4 nur für den Fall um, dass die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft tatsächlich zu einer im anderen Staat gelegenen Betriebsstätte gehören. Wegen der weiteren Einzelheiten zu diesem sog. Betriebsstättenvorbehalt vgl. Rz. 191 ff.
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Art. 9. Soweit auf Grundlage von Art. 9 bzw. einer diese Regelung umsetzenden innerstaatlichen Vorschrift (z.B. verdeckte Gewinnausschüttung, § 1 Abs. 1 AStG) eine Einkünftekorrektur zwischen nahestehenden Personen vorgenommen wird, weil diese eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung getroffen haben, kann es ebenfalls zu einem Konkurrenzverhältnis zu Art. 10 kommen. Führt nämlich diese Korrektur zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, dann sind diese abkommensrechtlich als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren, wenn sie nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Damit gilt insbesondere die in Art. 10 Abs. 2 geregelte Beschränkung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates. Wegen der weiteren Einzelheiten zur verdeckten Gewinnausschüttung vgl. Rz. 136 ff.
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Art. 11. Ein Konkurrenzverhältnis kann sich auch zu Art. 11 ergeben, da die Vertragsstaaten die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital in ihrem Steuerrecht völlig unterschiedlich vornehmen können. Nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) besteht dabei (jedenfalls innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3) im Grundsatz eine Bindung an die steuerliche Qualifikation durch den Quellenstaat. Liegt im Grundsatz eine Vergabe von Fremdkapital vor, dessen Vergütung als Zinsen grds. unter Art. 11 fällt, dann ermöglicht Art. 11 Abs. 6 gleichwohl die Anwendung von Art. 10, soweit aufgrund eines Verstoßes gegen den Fremdvergleichsgrundsatz eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.5 Wegen weiterer hybrider Finanzierungsformen vgl. Rz. 92, 162 ff.
15
Art. 13. Werden die von einer Gesellschaft erzielten Gewinne nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert, kann sich für einen späteren Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an dieser Gesellschaft ein Konkurrenzverhältnis zu Art. 10 ergeben, soweit der Veräußerungsgewinn auf die thesaurierten Gewinne entfällt. Weil nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (jedenfalls innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3) eine grds. Bindung an die steuerliche Qualifikation durch den Quellenstaat besteht (vgl. Rz. 116), ist dieses Konkurrenzverhältnis abkommensrechtlich dahingehend aufzulösen, dass dann, wenn der Quellenstaat darin keine „Dividende“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3 sieht (was die Regel sein dürfte), eine Anwendung von 1 2 3 4 5
Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 18. Vgl. näher Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 18. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 14. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 14; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 5. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 16; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 6 f.; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 19.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 15–18 Art. 10
Art. 10 nicht in Betracht kommt. Vielmehr unterfällt der Veräußerungsgewinn Art. 13.1 Entsprechendes soll gelten, wenn der Dividendenanspruch isoliert von den sonstigen Beteiligungsrechten veräußert wird. Der dem Veräußerer zufließende Veräußerungspreis soll bei diesem abkommensrechtlich nicht unter Art. 10, sondern unter Art. 13 fallen.2 Teilweise wird aber auch die Anwendung von Art. 10 bejaht.3 Ob sich dies aber tatsächlich aus § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG ergibt, erscheint durchaus fraglich, weil die in Art. 10 Abs. 3 vorgenommene Gleichstellung mit den Einkünften aus Aktien aus deutscher Sicht primär auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nicht aber auch auf § 20 Abs. 2 EStG abhebt. Anderenfalls müssten auch die in § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG geregelten klassischen Beteiligungsveräußerungsgewinne als „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3 qualifizieren, was bisher so nicht vertreten worden ist. Zudem stellt § 20 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG ausdrücklich klar, dass diese Besteuerung die nach § 20 Abs. 1 EStG ersetzt. Der Erwerber des Dividendenanspruches unterfällt mit den späteren Dividenden ebenfalls nicht Art. 10, weil er in Ermangelung sonstiger Beteiligungsrechte nicht der Nutzungsberechtigte ist; für ihn dürfte Art. 21 eingreifen.4 Art. 23. Der Methodenartikel des Art. 23A/B ist die Korrespondenzvorschrift zu Art. 10 Abs. 1, der das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers bestätigt. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 beschränken das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates lediglich dahin, dass die (in den Grenzen von Art. 10 Abs. 2) durch den Quellenstaat erhobene Steuer anzurechnen ist.
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2. EU-Recht a) Primäres Unionsrecht Inländerdiskriminierung ist EU-rechtlich zulässig. Die Grundfreiheiten des AEUV 17 stehen zunächst insoweit in einem Spannungsverhältnis zu Art. 10, als insbesondere die Quellenbesteuerung von Dividenden zwischen EU-/EWR-Gesellschaften diskriminierungsfrei ausgestaltet sein muss, d.h. grenzüberschreitende Dividenden dürfen steuerlich nicht schlechter behandelt werden als rein inländische Dividenden (zum Verhältnis von EU-Recht und DBA vgl. auch Systematik Rz. 101 ff.). Aus dem Blickwinkel von Art. 10 Abs. 2 ist dies zunächst unproblematisch, weil dadurch grenzüberschreitende Dividenden sogar steuerlich besser behandelt werden als rein inländische Dividenden. Während nämlich nach deutschem Recht im inländischen Fall eine Kapitalertragsteuer von 25 % (zzgl. SolZ) erhoben wird, ist im grenzüberschreitenden Fall diese Besteuerung mit Abgeltungswirkung auf 5 % (Schachteldividende) bzw. 15 % (sonstige Fälle) beschränkt. Insoweit kann aus Art. 10 Abs. 2 allenfalls eine sog. Inländerdiskriminierung resultieren, an der zumindest das EU-Recht keinen Anstoß nimmt. EU-Rechtswidrigkeit der Besteuerung von Inbound-Dividenden. Aus der Abgel- 18 tungswirkung der deutschen Kapitalertragsteuer ergeben sich jedoch außerhalb von Art. 10 durchaus EU-rechtliche Probleme, wenn diese auf grenzüberschreitende Dividenden beschränkt ist, während rein inländische Dividenden in den Genuss einer Veranlagung unter Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG kommen können. Letzteres führt nämlich im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, dass auf Dividenden zwischen deutschen Gesellschaften nur der Betrag nach § 8b Abs. 5 KStG steuerpflichtig ist, während grenzüberschreitende Dividenden einer abgeltenden (ggf. aber nach Art. 10 Abs. 2 begrenzten) Kapitalertragsteuer unterliegen. Innerhalb der EU ist dieses Problem aber nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Mutter-Tochter-RL virulent, d.h. insbesondere soweit das Mindestbeteiligungserfordernis von 10 % nicht erfüllt ist (ab 1.1.2009). Für Streubesitzdividenden bleibt es bei dem geschilderten Problem,
1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 17; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 8; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 19/1. 2 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 17; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 8. 3 So Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 19/2. 4 So Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 17.
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Art. 10 Rz. 18–20
Dividenden
was der EuGH in seiner Entscheidung v. 20.10.2011 ausdrücklich bestätigt hat.1 Aufgrund der Betroffenheit der auch im Verhältnis von Drittstaaten wirkenden Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Tatsache, dass die deutsche Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer unabhängig von bestimmten Beteiligungserfordernissen greift (vgl. zur Drittstaatenproblematik näher Systematik Rz. 105 ff.), spricht einiges dafür, dass die EU-Rechtswidrigkeit der deutschen Besteuerung von Streubesitzdividenden auch im Verhältnis von Drittstaaten greift. Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09“ hat der Gesetzgeber diese Verwerfungen beseitigt, indem er Streubesitzdividenden (Beteiligung l 10 %) ab dem 28.2.2013 für voll steuerpflichtig erklärt. b) Sekundäres Unionsrecht 19
Mutter-Tochter-Richtlinie. Auf sekundärrechtlicher Ebene wird das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a teilweise durch die Mutter-TochterRL2 überlagert. Während nämlich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eine Mindestbeteiligung von 25 % verlangt und das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 5 % begrenzt, begnügt sich die Mutter-Tochter-RL mit einer Mindestbeteiligung von 10 % und postuliert ein Quellenbesteuerungsverbot. Darüber hinaus bezieht die Mutter-Tochter-RL z.T. auch hybride Rechtsträger in ihren Anwendungsbereich ein. Die Umsetzung der Mutter-Tochter-RL erfolgte in Deutschland in § 43b EStG. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor (z.B. weil die Mindestbehaltedauer von 12 Monaten nicht erfüllt wird), kann der Dividendenempfänger gleichwohl eine Entlastung nach § 50d EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 verlangen.
20
Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz. Nach Art. 15 des Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der EU und der Schweiz v. 29.12.2004 (ZBstA) gilt für zwischengesellschaftliche Dividenden im Verhältnis der EU zur Schweiz ein Quellenbesteuerungsverbot, wenn die Muttergesellschaft mindestens zwei Jahre lang eine direkte Beteiligung von mindestens 25 % am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft hält. Art. 15 Abs. 1 ZBstA sieht damit ebenso wie Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz ein Quellensteuerverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vor. Allerdings sind die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 1 ZBstA im Hinblick auf die zweijährige Mindestbeteiligung und den Beteiligungsumfang von mindestens 25 % wesentlich enger als Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz. Die Regelung schafft damit in aller Regel keine weitergehende Quellensteuererleichterung im Verhältnis Deutschland-Schweiz. Als Teil des Unionsrechtes genießt das ZBstA gleichwohl Anwendungsvorrang vor den DBA. Aus Art. 15 Abs. 3 ZBstA ergibt sich indes, dass eine günstigere steuerliche Behandlung nach dem DBA unberührt bleibt. Die Bundesrepublik hat sich deshalb entschieden, von einer Umsetzung von Art. 15 Abs. 1 ZBstA abzusehen.3 Sollte sich gleichwohl erweisen, dass sich aus Art. 15 Abs. 1 ZBstA im Einzelfall eine für den betroffenen Stpfl. günstigere Rechtsfolge ergibt, so wird dieser sich in Anlehnung an die Rspr. des EuGH zur fehlenden Umsetzung von RL nach Ablauf der Umsetzungsfrist (1.1.20054) unmittelbar auf das ZBstA berufen können. Derartige Konstellationen sind wegen der engeren Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 1 ZBstA allerdings kaum vorstellbar. Diskutieren könnte man, inwieweit § 50d Abs. 3 EStG die Zwischenschaltung einer schweizerischen Holdinggesellschaft bei Anwendung von Art. 15 Abs. 1 ZBstA verhindert. Das gelingt nur, wenn man das ZBstA als ein „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ versteht, weil das ZBStA keine RL i.S.v. § 43b EStG darstellt. Allerdings erscheint das durchaus problematisch, weil der Gesetzgeber mit der Formulierung in § 50d Abs. 3 EStG sicherlich nur die bilateralen deutschen DBA sowie die Mutter-Tochter-RL gemeint haben dürfte, nicht aber ein Abkommen zwischen der EU und einem Drittstaat.
1 2 3 4
EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09, Kommission ./. Deutschland, noch nicht in Slg, IStR 2011, 840. RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. Vgl. BMF v. 28.6.2005 – IV B 1-S 1316-42/05, BStBl. I 2005, 858. Art. 17 Abs. 2 ZBstA.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 21–26 Art. 10
3. Innerstaatliches Recht § 20 EStG. Die innerstaatliche Regelung des § 20 EStG ist für die Auslegung von 21 Art. 10 von hervorgehobener Bedeutung. Denn ist Deutschland der Quellenstaat, so ergibt sich insbesondere (aber nicht ausschließlich) aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, was unter dem Begriff der Dividende in Art. 10 Abs. 3 zu verstehen ist. Dies gilt insbesondere für die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition, weil diese nach der steuerlichen Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien fragt. Die Antwort darauf gibt aus deutscher Sicht u.a. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Daneben ist aber auch eine Gesamtschau der deutsch-steuerlichen Vorschriften zu laufenden Beteiligungserträgen aus Körperschaften erforderlich, wie z.B. die Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b Abs. 1 KStG. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in Rz. 179 verwiesen. § 44a Abs. 9 EStG. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass 22 ausländische Kapitalgesellschaften als Dividendenempfänger bereits unilateral nach § 44a Abs. 9 EStG einen Anspruch auf Verminderung der Kapitalertragsteuer um zwei Fünftel haben (gegenwärtig also auf 15 % zzgl. SolZ). Die Regelung steht neben einem ggf. weitergehenden Anspruch nach Art. 10 Abs. 2. § 50d EStG. Für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 von besonderer Bedeutung ist 23 ferner die Regelung des § 50d EStG. Denn Art. 10 enthält keine Aussage zu der Frage, wie die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durchzuführen ist. Diese Frage beantwortet § 50d EStG, indem in Abs. 1 das Erstattungsverfahren (vgl. näher Rz. 107) und in Abs. 2 das Freistellungsverfahren (vgl. näher Rz. 108) geregelt wird. § 50d Abs. 3 EStG enthält schließlich eine Regelung zur Vermeidung von sog. „Treaty-Shopping“ (vgl. näher Rz. 109).
B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1) I. Regelungszweck Unbeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates. Nach Art. 10 Abs. 1 24 können Dividenden, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person zahlt, im anderen Staat besteuert werden. Die Regelung ist an sich überflüssig, weil nach der Systematik des OECD-MA die Verteilungsvorschriften der Artt. 6 bis 22 das Besteuerungsrecht des Quellenstaates regeln, wohingegen der Methodenartikel des Art. 23A/B darüber befindet, in welchem Umfange der andere Vertragsstaat, in dem die die Einkünfte erzielende Person ansässig ist (Ansässigkeitsstaat), über ein entsprechendes Besteuerungsrecht verfügt. Art. 10 Abs. 1 regelt damit eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit. Keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates. Mit der For- 25 mulierung „können“ wird aber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass jedenfalls aus Art. 10 Abs. 1 keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates resultiert. Anderenfalls hätte das OECD-MA „können nur“ formulieren müssen. Dies würde aber auch im Widerspruch zu Art. 10 Abs. 2 stehen, der dem Quellenstaat ein zumindest beschränktes Besteuerungsrecht zubilligt (vgl. Rz. 79 ff.). Anrechnung ausländischer Quellensteuern. Macht der Ansässigkeitsstaat von sei- 26 nem durch Art. 10 Abs. 1 bestätigten Besteuerungsrecht Gebrauch, so regeln erst Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 Buchst. a, dass die – in den Grenzen von Art. 10 Abs. 2 erhobene – Quellensteuer auf die im Ansässigkeitsstaat auf die Dividende zu erhebende Steuer vom Einkommen anzurechnen ist. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, dann wirkt sich diese Anrechnungsverpflichtung wegen der körperschaftsteuerlichen Freistellung von Dividenden gem. § 8b Abs. 1 KStG praktisch nur innerhalb der Einkommensteuer aus. Im Übrigen sehen deutsche DBA abweichend vom OECD-MA z.T. auch im Methodenartikel ein Schachtelprivileg vor, welches zu einer Freistellung der Dividenden auch im Ansässigkeitsstaat führt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Art. 23A/B Rz. 67 ff. verwiesen.
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Art. 10 Rz. 27–29 27
Dividenden
Vorwegnahme von Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2. Der praktisch eigentlich relevante Regelungszweck von Art. 10 Abs. 1 beschränkt sich daher darauf, einzelne Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 sprachlich vorweg zu nehmen. So beschränkt Art. 10 Abs. 1 z.B. den Anwendungsbereich des Dividendenartikels insgesamt auf solche Dividenden, die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in einem anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden. Art. 10 gilt daher nicht für solche Dividenden, die eine in einem dritten Staat ansässige Gesellschaft zahlt, oder die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in einem dritten Staat ansässige Person gezahlt werden. Der Dividendenartikel gilt auch nicht für solche Dividenden, die nicht zur Zahlung gelangen, wobei der Begriff des „Zahlens“ weit auszulegen ist (vgl. Rz. 61 ff.). Letztlich bringt auch bereits Art. 10 Abs. 1 zum Ausdruck, dass es der Vorschrift um (in Art. 10 Abs. 3 definierte) Dividenden einer (in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b definierten) Gesellschaft geht. Entsprechend bezieht sich Art. 10 Abs. 2 auch ausdrücklich auf Art. 10 Abs. 1, indem die Regelung mit der Formulierung „[d]iese Dividenden“ eingeleitet wird.
II. Dividenden 28
Dividendenbegriff. Der Begriff der Dividende erfährt eine (sehr weite) Legaldefinition in Art. 10 Abs. 3. Auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen (vgl. Rz. 114 ff.). Typischerweise geht es aber um Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften (z.B. AG, GmbH), d.h. von Gesellschaften, die über eine eigene Rechtspersönlichkeit sowie über ein von den Gesellschaftern getrenntes Gesellschaftsvermögen verfügen und die dadurch gekennzeichnet sind, dass der persönlichen Komponente des Gesellschafters eine eher nachrangige Rolle zukommt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 auch solche aus Gesellschaftsanteilen stammenden Einkünfte in den Begriff der Dividende einbezieht, die nach dem Recht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien (ggf. auch nur) steuerlich gleichgestellt sind (vgl. Rz. 73 ff.).
III. Eine in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft 1. Gesellschaft 29
Gesellschaftsbegriff. Die Dividenden müssen gem. Art. 10 Abs. 1 von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft gezahlt werden.1 Was unter einer „Gesellschaft“ zu verstehen ist, bestimmt die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b. Danach umfasst der Ausdruck „Gesellschaft“ sämtliche juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Die Begriffsbestimmungen in Art. 3 stehen zwar unter dem Vorbehalt, dass sich aus dem konkreten Zusammenhang kein anderweitiges Verständnis ergibt. Die Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b wurde aber ausweislich der Ausführungen im Musterkommentar insbesondere unter Berücksichtigung des Artikels über Dividenden abgefasst (vgl. Art. 3 Rz. 3 OECD-MK). Damit kommt der Definition im vorliegenden Kontext eine hervorgehobene Bedeutung zu.2 Wegen der weiteren Einzelheiten kann daher auf die Kommentierung zu Art. 3 Rz. 13 ff., verwiesen werden. Nach deutschem Verständnis können jedenfalls nur Körperschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG Gesellschaften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sein. Personengesellschaften sind danach keine Gesellschaften im abkommensrechtlichen Sinne, auch wenn sie als Mitunternehmerschaften i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG qualifizieren und damit Steuersubjekt zumindest für die Gewerbesteuer sein können. Eine andere Frage ist die, ob diese deutsche Sichtweise auch dann allein maßgeblich ist, wenn Deutschland nicht der Sitzstaat des fraglichen
1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 26 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 16 ff.; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 40 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 27 ff. 2 Anders wohl Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 28, der die Definition innerhalb von Art. 10 für nicht anwendbar hält.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 29–32 Art. 10
Rechtsträgers und damit nicht der Quellenstaat ist, sondern der Ansässigkeitsstaat des Ausschüttungsempfängers (vgl. dazu Rz. 30 ff.). Problem hybrider Rechtsträger. Das in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b niedergelegte Ver- 30 ständnis bereitet solange keine Schwierigkeiten, wie die betreffende Gesellschaft sowohl nach dem Verständnis des Ansässigkeitsstaates (der Dividendenempfänger) als auch nach dem Verständnis des Quellenstaates (der Gesellschaft) als Steuersubjekt qualifiziert. Schwierigkeiten bereitet die Frage jedoch dann, wenn die ausschüttende Gesellschaft zwar nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates wie eine juristische Person besteuert wird, der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden empfangenden Person aber nach seinem Steuerrecht einen transparenten Rechtsträger erblickt. Ähnliches gilt im umgekehrten Fall, wenn die ausschüttende Gesellschaft nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates wie ein transparenter Rechtsträger besteuert wird, der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden empfangenden Person aber nach seinem Steuerrecht eine juristische Person sieht. Abkommensorientierte Auslegung. Der die Besteuerungssituation im Ansässig- 31 keitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft in den Blick nehmende Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b deutet an sich darauf hin, dass allein die steuerliche Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft maßgeblich ist und der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers an diese Qualifikation gebunden ist. Für eine solche Qualifikationsverkettung hat sich dementsprechend (jedenfalls zum Teil und für bestimmte Konstellationen) auch die OECD in ihrem sog. Partnership Report1 aus dem Jahre 1999 sowie ein Teil des Schrifttums ausgesprochen (sog. abkommensorientierte Auslegung).2 Anwenderstaatsorientierte Auslegung. Die deutsche Finanzverwaltung ist dieser 32 abkommensorientierten Auslegung seit jeher nicht gefolgt.3 Auch der überwiegende Teil des Schrifttums hat sich gegen eine solche Bindung des Ansässigkeitsstaates an die Qualifikation durch den Quellenstaat ausgesprochen (sog. anwenderstaatsorientierte Auslegung).4 Wassermeyer5 (unter teilweiser Abkehr von seiner ursprünglichen Auffassung) und Lüdicke6 haben die Diskussion zuletzt neu entfacht. Insbesondere letzterer fasst den Diskussionsstand prägnant zusammen und kommt nach einer Abwägung der widerstreitenden Argumente zu dem überzeugenden Ergebnis, dass eine Bindung Deutschlands an die Subjektqualifikation durch den Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft nicht geboten ist. Die Diskussion war auch deshalb möglich, weil der BFH die Frage immer wieder offen gelassen hatte.7 Mit Urt. v. 25.5.20118 hat er diese Frage aber nunmehr im Sinne einer anwenderstaatsorientierten Auslegung entschieden.
1 The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation, No. 6. 2 Vgl. z.B. Seitz in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.41 ff.; Weggenmann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.45 f.; Chr. Schmidt, IStR 2010, 413, 426; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung7, S. 532 ff., 539, 564 f.; Prokisch in V/L5, Art. 1 OECDMA Rz. 38, jeweils m.w.N. 3 Vgl. zuletzt BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4. 4 Vgl. z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in FS für Herzig, 2010, 897, 907 ff.; Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 10a; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 63; Grotherr in G/K/G, DBA, Art. 23A/Art. 23B OECD-MA Rz. 80/3; Kempermann in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.68 f.; Niehaves in Haase, Art. 7 OECD-MA Rz. 93; Gaffron, in Haase, Art. 3 OECD-MA Rz. 25; insoweit wohl auch M. Lang, IWB 2011, 281, 290 ff.; Schuch/Bauer in Gassner/Lang/Lechner [Hrsg.], Personengesellschaften im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2000, S. 27 ff. 5 Wassermeyer, IStR 2011, 85 ff. 6 Lüdicke, IStR 2011, 91 ff. 7 Zuletzt im Beschl. v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156. 8 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602.
Schönfeld
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Art. 10 Rz. 33–36
Dividenden
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Geltung nur für ältere DBA? Dies soll nach den Ausführungen des BFH jedenfalls für solche DBA gelten, die vor einer Änderung des OECD-MK im Jahre 2000 abgeschlossen worden sind.1 Da der OECD-MK nach ständiger Rspr. des BFH aber ohnehin nur eine Auslegungshilfe darstellt, erscheint es fraglich, ob für danach abgeschlossene DBA eine abkommensorientierte Auslegung schlicht unterstellt werden darf. Vielmehr ist es so, dass in neueren DBA ausdrückliche Regelungen zum Umgang mit hybriden Gesellschaften aufgenommen werden (z.B. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA), um die aus einem Qualifikationskonflikt resultierenden Probleme zu beseitigen. Findet sich eine solche Regelung daher nicht in neueren deutschen DBA, obwohl Deutschland als Vertragsstaat um hybride Rechtsträger im anderen Vertragsstaat weiß, dann wird man nicht einfach unterstellen können, dass sich die Vertragsstaaten die abkommensorientierte Auslegung mit einer Bindung Deutschlands an die Subjektqualifikation durch den anderen Vertragsstaat zu eigen machen wollten. Hierzu bedarf es schon konkreter Hinweise. Oder anders formuliert: Enthalten die neueren deutschen DBA keine ausdrückliche Regelung zur Behandlung hybrider Rechtsträger (und sei es auch nur im Protokoll zum DBA), dann bleibt es bei der vom BFH bestätigten Praxis der Finanzverwaltung zur anwenderstaatsorientierten Auslegung.
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Praktische Konsequenzen. Für die praktische Rechtsanwendung hat dies folgende Konsequenzen:
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Behandlung des Rechtsträgers im Ausland als Körperschaft. Wird die ausschüttende Gesellschaft in ihrem ausländischen Sitzstaat für Zwecke der Besteuerung wie eine Körperschaft behandelt, qualifiziert diese Gesellschaft aber aus deutsch-steuerlicher Sicht als Personengesellschaft, dann mag der ausländische Staat zwar eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b erblicken. Auch wird dies unter den weiteren Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 zur Folge haben, dass der ausländische Sitzstaat der Gesellschaft für sich nur ein eingeschränktes Besteuerungsrecht für Ausschüttungen dieser Gesellschaft in Anspruch nehmen darf. Aus Sicht Deutschlands als Anwenderstaat handelt es sich aber weder um eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b noch um Dividenden, für die Deutschland gem. Art. 10 Abs. 1 das Besteuerungsrecht in Anspruch nehmen könnte. Vielmehr sind die Ausschüttungen bloße Entnahmen, die in Deutschland keiner eigenen Besteuerung unterliegen. Besteuerungsgegenstand sind allein die über die Personengesellschaft erzielten Einkünfte. Fallen diese als (abkommensrechtliche) Unternehmensgewinne in einer ausländischen Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 Abs. 1 an, richtet sich die Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 7 i.V.m. Art. 23A/B, anderenfalls nach der die konkreten Einkünfte betreffenden Verteilungsnorm (z.B. Art. 6 Abs. 1) ggf. i.V.m. Art. 23A/B. Soweit danach die Freistellung der anteiligen ausländischen Einkünfte des inländischen Gesellschafters nicht in Betracht kommen sollte, ist die anteilige auf den Gewinn der Gesellschaft erhobene ausländische Steuer nach § 34c EStG (ggf. i.V.m. § 26 Abs. 1, 6 KStG) anzurechnen. Eine Anrechnung bzw. ein Abzug derjenigen Quellensteuer, die vom Sitzstaat der ausländischen Gesellschaft auf die Ausschüttung erhoben wird, soll bei konsequenter Anwendung der anwenderstaatsorientierten Auslegung nicht möglich sein, weil aus deutscher Sicht die Ausschüttungen als steuerlich nicht relevante Entnahmen nicht besteuert werden.2
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Behandlung des Rechtsträgers in Deutschland als Körperschaft. Wird die ausschüttende Gesellschaft in ihrem ausländischen Sitzstaat für Zwecke der Besteuerung als transparenter Rechtsträger behandelt, qualifiziert diese Gesellschaft aber aus deutsch-steuerlicher Sicht als Körperschaft, dann mag es sich für Deutschland als Anwenderstaat zwar um eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b handeln. Auch wird Deutschland die Ausschüttungen als Dividenden gem. § 20 Abs. 1 EStG besteuern und darauf ggf. § 3 Nr. 40 EStG, § 32d EStG oder § 8b Abs. 1 KStG anwenden. Das deutsche Besteuerungsrecht richtet sich aber abkommensrechtlich nicht nach Art. 10 Abs. 1, sondern nach Art. 21 Abs. 1, weil es für die ausländische Gesell1 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602. 2 Zum Ganzen vgl. BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.4.1 sowie Lüdicke, IStR 2011, 91 ff.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 36–38 Art. 10
schaft an der gem. Art. 4 Abs. 1 erforderlichen Ansässigkeit im anderen Staat fehlt.1 Für Zwecke der Anwendung des Art. 4 Abs. 1 soll es nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut und Telos nicht auf die steuerliche Qualifikation durch den Anwenderstaat ankommen. Aus Sicht des ausländischen Sitzstaates der Gesellschaft liegen demgegenüber weder eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b noch Dividenden vor, für die das Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 2 beschränkt sein könnte. Der ausländische Staat wird daher auch regelmäßig keine Quellensteuer erheben (anders z.B. in den USA nach der sog. Branch Profits Tax). Er wird vielmehr die Gesellschafter mit ihrem Anteil am Gewinn der Gesellschaft im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuern. Maßgeblichkeit des sog. Rechtstypenvergleichs. Wann ein ausländischer Rechts- 37 träger aus deutsch-steuerlicher Sicht als Körperschaft oder als transparenter Rechtsträger qualifiziert, ist unabhängig von der gesellschafts- und steuerrechtlichen Einordnung des Rechtsträgers in seinem ausländischen Sitzstaat zu beurteilen. Maßgeblich ist allein das deutsche Recht nach den Grundsätzen des sog. Rechtstypenvergleichs. Die Rspr. stellt hierfür darauf ab, ob der ausländische Rechtsträger seinem Typus nach einer unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 6 KStG fallenden Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts entspricht.2 Der ausländische Rechtsträger ist hiernach als Körperschaft einzuordnen, wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des privaten Rechts gleicht. Es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland rechtsfähige Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse dem „Typ“ und der tatsächlichen Handhabung nach einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person entspricht. Für die danach vorzunehmende Gesamtwürdigung sind eine Reihe von Beurteilungsmerkmalen entwickelt worden, die für den Vergleich maßgebend sind. Beurteilungsmerkmale für den Rechtstypenvergleich. Diese Merkmale hat die 38 Finanzverwaltung (speziell für die LLC aufgegriffen und) in dem BMF-Schr. v. 19.3.20043 aufgelistet: 1. Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung 2. Beschränkte Haftung 3. Freie Übertragbarkeit der Anteile 4. Gewinnzuteilung (durch Gesellschafterbeschluss) 5. Kapitalaufbringung 6. Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft 7. Gewinnverteilung 8. Formale Gründungsvoraussetzungen Da für die Einordnung entscheidend ist, ob die bei einem ausländischen Rechtsträger vorhandenen Merkmale in ihrem Gesamtbild eher für eine Körperschaft oder für eine Personengesellschaft typisch sind, sollen bei der Beurteilung die Einzelmerkmale gewichtet werden. Dabei soll keinem der Merkmale eine allein ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Führt die Prüfung im Einzelfall zu keinem eindeutigen Gesamtbild, soll der ausländische Rechtsträger als Körperschaft einzustufen sein, wenn bei ihm die Mehrzahl der unter 1. bis 5. genannten Kriterien, die für eine Körperschaft sprechen, vorhanden sind. Das unter 6. genannte Kriterium (unbegrenzte Lebensdauer) soll nur unter den im BMF-Schr. näher beschriebenen Voraussetzungen einzube1 Vgl. hierzu auch das zur US-LLC ergangene Urt. des BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263. 2 Grundlegend RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; ferner BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263, jeweils m.w.N.; Schnittker in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 4.5 ff.; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, 618, jeweils m.w.N. 3 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411.
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Art. 10 Rz. 38–39
Dividenden
ziehen sein. Im Ergebnis verlangt die Finanzverwaltung daher eine Art „Zählen“, was für die Praxis bedeutet, je nach Qualifikationsziel (Körperschaft oder Personengesellschaft) die höchstmögliche „Trefferquote“ bezogen auf die im BMF-Schr. genannten Merkmale zu erreichen. In der praktischen Handhabung wird dabei häufig der Fehler gemacht, dass die Merkmale allein nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen bestimmt werden. Richtigerweise muss aber das ausländische Gesellschaftsrecht (z.B. Chapter 18 „Limited Liability Company Act“ des Delaware Code) der Ausgangspunkt der Analyse sein. Nur soweit dieses Recht disponibel ist, können im Gesellschaftsvertrag entsprechende Regelungen getroffen werden, die (ggf. in Abweichung vom geschriebenen Recht) die Beurteilung des ausländischen Rechtsträgers in die eine oder andere Richtung lenken können. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze1 in Anhang I (Tabellen 1 und 2) entsprechende Hinweise für die Einordnung ausgewählter ausländischer Gesellschaftsformen enthalten. Gleiches gilt für den Anhang des BMF-Schr. zur Anwendung von DBA auf Personengesellschaften v. 16.4.2010.2 39
Keine Besonderheiten des Gesellschaftsbegriffs bei Einkünften aus steuerlich gleichgestellten Gesellschaftsanteilen (Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3). Die anwenderstaatsorientierte Auslegung soll allerdings dann nicht eingreifen, wenn es um die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 genannten Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen geht, die nach dem Recht des Staates, in dem der ausschüttende Rechtsträger ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind, oder die (über Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 hinausgehend) aufgrund ausdrücklicher Regelung in den Anwendungsbereich des Art. 10 einbezogen werden, wie dies z.B. für Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen in deutschen DBA durchaus üblich ist.3 Dieser Verweis auf das Steuerrecht des Sitzstaates des Rechtsträgers wird teilweise so verstanden, dass die steuerlich gleichgestellten Einkünfte ungeachtet dessen als Dividenden qualifizieren, ob sie von einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b geschuldet werden. Der BFH hat in seinem Urt. v. 27.1.19824 auch in der Tat entschieden, dass der Anwendungsbereich der vergleichbaren Regelung des Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht auf Körperschaften als Schuldner der steuerlich gleichgestellten Einkünfte beschränkt sein soll. Vielmehr sollen auch Personengesellschaften (im Urteilsfall eine deutsche KG, an deren Handelsgewerbe eine typisch stille Beteiligung bestand) in den Anwendungsbereich einzubeziehen sein. Der BFH begründete dies damit, dass der Begriff der Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b immer nur dann zu bestimmen sei, wenn sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts anderes ergebe. Aus dem Abkommenszusammenhang ergebe sich aber aufgrund schlichter Einbeziehung von z.B. typischen Beteiligungen in den Anwendungsbereich des Dividendenartikels, dass es nach dem Willen der Vertragsstaaten nicht darauf ankomme, ob es sich bei dem Schuldner um eine juristische Person handele oder nicht. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nach einer neueren Entscheidung des BFH (zur abkommensrechtlichen Behandlung einer typisch stillen Beteiligung) der abkommensrechtlich erweiterte Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 jedenfalls nicht ohne Weiteres für den Ansässigkeitsstaat des Empfängers der „Dividenden“ maßgeblich ist. So wurde im Streitfall das internationale Schachtelprivileg und die damit einhergehende Freistellung von Einkünften aus einer stillen Beteiligung an einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft versagt, weil es bezogen auf die stille Beteiligung an der notwendigen direkten Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft fehlte.5 Auch wenn man die Entscheidung nicht überbewer-
1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, unter Berücksichtigung der Änderungen durch die BMF v. 20.11.2000 – IV B 4-S 1300-222/00, BStBl. I 2000, 1509 und v. 29.9.2004 – IV B 4-S 1300-296/04, BStBl. I 2004, 917. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Anlage „Besonderheiten einzelner DBA zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und Hinweise zu einzelnen Gesellschaftsformen“. 3 Vgl. z.B. Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 42, m.w.N. 4 I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. 5 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 39–42 Art. 10
ten sollte, weil es dem BFH mit dieser Auslegung mglw. auch (nur) darum ging, die vom Steuerpflichtigen intendierte Schaffung „weißer Einkünfte“ (Steuerfreistellung in Deutschland und Abzug in Luxemburg) zu verhindern, so deutet sie doch darauf hin, dass der erweiterte Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nicht alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale einer Abkommensvorschrift zu überspielen vermag. Insoweit wird auch der BFH künftig für die Anwendung der Kernregelung des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als Schuldner der steuerlich gleichgestellten Einkünfte verlangen, so dass Personengesellschaften aus dem Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ausschieden. Ob etwas anderes für solche – über Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 hinausgehende – Dividendenartikel in deutschen DBA gilt, die den Anwendungsbereich über die steuerlich gleichgestellten Einkünfte hinaus schlicht auf z.B. Einnahmen aus stillen Beteiligungen, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen erweitern, kann man gegenwärtig nicht sagen. Die Frage sollte aber in Abhängigkeit von der konkreten Formulierung des DBA zu beantworten sein, d.h. ob die Formulierung eine Auslegung losgelöst vom Erfordernis einer die Einnahmen auszahlenden „Gesellschaft“ erlaubt. Jedenfalls deutet die Entscheidung des BFH darauf hin, dass dann, wenn der Ansässigkeitsstaat des Empfängers der Einkünfte der Anwenderstaat ist, dieser Staat die Frage der „Gesellschaft“ losgelöst von der Qualifikation durch den Sitzstaat des die steuerlich gleichgestellten Einkünfte schuldenden Rechtsträgers beantworten kann. Aus Sicht der Finanzverwaltung schlägt die erweiterte Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 jedenfalls insoweit nicht auf den Methodenartikel durch, als es um die Anwendung des Schachtelprivileges geht (keine „Kapitalbeteiligung“).1 2. Ansässigkeit der Gesellschaft in einem Vertragsstaat Ansässigkeit. Die ausschüttende Gesellschaft muss in einem Vertragsstaat ansäs- 40 sig sein.2 Für die Beantwortung der Frage kommt es nach der in Art. 4 Abs. 1 enthaltenen Legaldefinition darauf an, wo die Gesellschaft aufgrund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach dem Recht dieses Staates (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine Gesellschaft unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren statutarischen Sitz hat. Eines der beiden Kriterien genügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 22 ff.) verwiesen. Doppelansässigkeit. Ist die Gesellschaft aufgrund der vorbezeichneten Kriterien 41 in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie nach der (nicht in jedem deutschen DBA enthaltenen) tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 3 nur in dem Vertragsstaat als ansässig, in dem sich der Ort ihrer Geschäftsleitung befindet. Auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 3 (Art. 4 Rz. 99 ff.) wird verwiesen. Satzungssitz in Deutschland und Geschäftsleitung im anderen Vertragsstaat. Be- 42 findet sich daher der statutarische Sitz der Gesellschaft in Deutschland, der Ort der Geschäftsleitung aber im anderen Vertragsstaat, dann ist diese Gesellschaft – vorbehaltlich ihres zivilrechtlichen Fortbestandes (Stichwort: Sitz- vs. Gründungstheorie3) – abkommensrechtlich im anderen Vertragsstaat ansässig. Dies hat zur Folge, dass das Quellenbesteuerungsrecht des ausländischen Staates gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt ist. Deutschland hat demgegenüber ein gem. Art. 10 Abs. 1 im Grundsatz uneingeschränktes Besteuerungsrecht, welches er bezogen auf die nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft auch im Rahmen einer Quellenbesteuerung durch Einbehaltung von Kapitalertragsteuer wahr-
1 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1.3 und 4.1.1.1.3. 2 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 33 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 19 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 34 ff. 3 Der BFH nimmt hierzu allerdings eine rein steuerliche Sicht ein, weshalb eine doppeltansässige Gesellschaft auch dann der unbeschränkten Steuerpflicht zugänglich sein soll, wenn sie zivilrechtlich eigentlich nicht mehr existiert, vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 6/09, BFH/NV 2011, 154.
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Art. 10 Rz. 42–45
Dividenden
nehmen kann, und zwar jedenfalls sofern der Dividendenempfänger ebenfalls in Deutschland ansässig ist.1 Aufgrund fehlender abkommensrechtlicher Ansässigkeit der Gesellschaft in Deutschland greift die Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts nach Art. 10 Abs. 2 durch Deutschland nicht ein. Dies kann ggf. zu unerwünschten steuerlichen Effekten führen, was im Falle der Ansässigkeit des Dividendenempfängers in Deutschland durch Anrechnung der ausländischen Quellensteuern noch beherrschbar sein sollte, im Falle der Ansässigkeit des Dividendenempfängers im anderen Vertragsstaat oder in einem Drittstaat kann dies aber mitunter problematischer sein.2 43
Satzungssitz im anderen Vertragsstaat und Geschäftsleitung in Deutschland. Die Ausführungen in Rz. 42 gelten entsprechend, wenn sich der statutarische Sitz der Gesellschaft im anderen Vertragsstaat, der Ort der Geschäftsleitung aber in Deutschland befindet. Dann ist diese Gesellschaft – wiederum vorbehaltlich ihres zivilrechtlichen Fortbestandes3 (was gegenwärtig nur innerhalb des EU/EWR-Raums der Fall sein dürfte) – abkommensrechtlich in Deutschland ansässig mit der Folge, dass das deutsche Quellenbesteuerungsrecht gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt ist, während der andere Vertragsstaat über ein im Grundsatz gem. Art. 10 Abs. 1 uneingeschränktes Besteuerungsrecht verfügt, sofern der Dividendenempfänger ebenfalls im anderen Vertragsstaat ansässig ist.
44
Satzungssitz in einem Vertragsstaat und Geschäftsleitung im Drittstaat. Art. 4 Abs. 3 greift nach seinem Wortlaut indes nur dann ein, um die abkommensrechtliche Ansässigkeit einem der beiden Vertragsstaaten verbindlich zuzuweisen, wenn die ausschüttende Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 in beiden Vertragsstaaten ansässig ist.4 Anderenfalls besteht auch keine Notwendigkeit für diese Zuweisung, weil sich die abkommensrechtliche Ansässigkeit bereits abschließend aus Art. 4 Abs. 1 ergibt. Befindet sich daher (nur) der statutarische Sitz in einem Vertragsstaat mit der Folge, dass die Gesellschaft dort unbeschränkt steuerpflichtig ist, hat die Gesellschaft ihren Ort der Geschäftsleitung aber in einem Drittstaat, dann ist die Gesellschaft gleichwohl im Staat ihres Satzungssitzes abkommensrechtlich ansässig.5 Das Besteuerungsrecht des Vertragsstaates des statutarischen Sitzes ist folglich gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt, während der andere Vertragsstaat des Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 2 besteuern darf. Dies kann u.U. zu einer unerwünschten Doppelbesteuerung führen, weil daneben auch der Drittstaat nach seinem innerstaatlichen Recht ein Besteuerungsrecht für sich beanspruchen kann. Allerdings sollte für den Fall, dass zwischen dem Drittstaat und dem Staat des statutarischen Sitzes der Gesellschaft ein DBA besteht, zu prüfen sein, ob letzterem Staat ggf. nach Art. 21 Abs. 1 eine Besteuerung versagt ist.6 Besteht kein DBA zwischen dem Drittstaat und dem Staat des statutarischen Sitzes der Gesellschaft, aber ein solches zwischen dem Drittstaat und dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann kann die Doppelbesteuerung abkommensrechtlich ggf. dadurch abgemildert bzw. vermieden werden, dass entweder der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nach einem sog. DBA-Schachtelprivileg im Methodenartikel die Dividende nicht besteuert oder der Drittstaat aufgrund eines im Dividendenartikel vereinbarten Schachtelprivileges nicht besteuern darf. Zusätzlich wäre auch an eine (allerdings meist höchstbetragsbegrenzte) Anrechnung der Steuern im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers zu denken, was sich dann aber wohl auf die in beiden Quellenstaaten erhobene Steuer erstrecken müsste.
45
Satzungssitz im Drittstaat und Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat. Die Ausführungen in Rz. 44 gelten entsprechend, wenn sich der statutarische Sitz der die Di1 2 3 4
Ebenso Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 35. Dazu ausführlich Piltz in FS Herzig, 23 ff. Vgl. den Nachweis in Rz. 42. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 35; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 36. 5 Vgl. z.B. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 35. 6 Vgl. zu sog. Dreieckssachverhalten Art. 21 Rz. 65.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 45–49 Art. 10
videnden zahlenden Gesellschaft in einem Drittstaat befindet, der Ort der Geschäftsleitung aber in einem Vertragsstaat liegt. Auch hier ist die Gesellschaft im Vertragsstaat ihres Ortes der Geschäftsleitung abkommensrechtlich ansässig.1 Das Besteuerungsrecht dieses Staates ist folglich ebenfalls gem. Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt, während der andere Vertragsstaat des Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 2 besteuern darf. Daneben kann auch hier der Drittstaat nach seinem innerstaatlichen Recht ein Besteuerungsrecht für sich beanspruchen, welches nur unter den in Rz. 44 genannten Grenzen eingeschränkt sein kann. Ansässigkeit bei Qualifikationskonflikt. Ist die Gesellschaft zwar aus Sicht des 46 Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers eine solche i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, behandelt aber derjenige Staat, in welchem die Gesellschaft über statutarischen Sitz und Ort der Geschäftsleitung verfügt, die Gesellschaft als steuerlich transparent, dann soll es an der Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 in diesem Staat fehlen.2 Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zu den Konsequenzen wird auf die Ausführungen in Rz. 36 verwiesen. In einem Vertragsstaat. Der Ausdruck „Vertragsstaat“ erfährt keine Legaldefiniti- 47 on im OECD-MA, wird aber an verschiedenen Stellen verwendet. Im Kern geht es um die Beschreibung des räumlichen Anwendungsbereiches des Abkommens. Aufgrund fehlender Definition im OECD-MA muss dazu auf das innerstaatliche Recht der Vertragsstaaten zurückgegriffen werden. Regelmäßig wird der räumliche Anwendungsbereich mit dem jeweiligen Staatsgebiet der Vertragsstaaten bzw. dem Geltungsbereich des innerstaatlichen Steuerrechts übereinstimmen.3 Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Kommentierung zu Art. 1 Rz. 26 ff. verwiesen.
IV. An eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person 1. Person Personenbegriff. Die Dividenden müssen von der in einem Vertragsstaat ansässi- 48 gen Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden. Der abkommensrechtliche Begriff der Person wird dabei in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a definiert und umfasst natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Art. 3 Rz. 10 ff. verwiesen. Maßgeblichkeit der steuerlichen Zurechnung durch den Anwenderstaat. Auch 49 wenn dies im Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a nicht zum Ausdruck gelangt, muss der Begriff der Person im Zusammenhang mit Art. 10 zusätzlich vor dem Hintergrund gesehen werden, wer die Dividenden steuerlich erzielt. Dies folgt auch aus einer Gesamtschau zu der in Art. 10 Abs. 2 genannten Voraussetzung des „Nutzungsberechtigten“.4 Da die DBA in der Regel keine Aussage zur steuerlichen Zurechnung von Einkünften treffen, ist die Beantwortung dieser Frage gem. Art. 3 Abs. 2 dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates übertragen.5 Ist Deutschland der Anwenderstaat, ist in erster Linie das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gem. § 39 AO maßgeblich. § 20 Abs. 5 EStG stellt dies für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ausdrücklich klar. Nach § 39 Abs. 1 AO ist der zivilrechtliche Eigentümer der Anteile zwar auch regelmäßig der wirtschaftliche Eigentümer. Übt jedoch ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise
1 Vgl. z.B. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 35. 2 Vgl. dazu auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 37; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 37. 3 Zutreffend Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 38. 4 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 40; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 21 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 25. 5 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; zutreffend auch bereits Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40.
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Art. 10 Rz. 49–52
Dividenden
aus, dass er diesen im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm gem. § 39 Abs. 2 Satz 1 AO das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Für die Fälle der Treuhand und des Sicherungseigentums sieht § 39 Abs. 2 Satz 2 AO entsprechend ausdrücklich vor, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Treugeber bzw. Sicherungsgeber liegt. Werden daher die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft insbesondere von einem Treuhänder gehalten, ist nicht dieser die für die Anwendung von Art. 10 maßgebliche Person, sondern der Treugeber. An wen also die tatsächliche Zahlung der Dividende erfolgt, ist grds. ohne Relevanz. Entsprechend interessiert es auch nicht, wenn der Anspruch auf die Dividenden vom wirtschaftlichen Eigentümer der Anteile an einen Dritten abgetreten wurde. Solange das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen nicht auf den Dritten übergeht, kann der Dritte nicht die für die Anwendung von Art. 10 interessante Person werden.1 50
Personengesellschaften und sonstige transparente Rechtsträger. Erfolgt die Zahlung der Dividenden an eine Personengesellschaft oder einen sonstigen transparenten Rechtsträger, dann lässt der relativ weite Personenbegriff des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a („alle anderen Personenvereinigungen“) zwar grds. auch die Annahme einer „Person“ zu. Dies gilt nach den Ausführungen in Rz. 49 jedoch nur dann, wenn die Dividenden nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates steuerlich als von der Personengesellschaft erzielt gelten, d.h. für steuerliche Zwecke der Personengesellschaft bzw. dem sonstigen transparenten Rechtsträger zugerechnet werden. Ist Deutschland der Anwenderstaat, dann kommt eine solche Zurechnung zu einer Personengesellschaft nicht in Betracht. Vielmehr werden die Dividenden steuerlich grds. anteilig den Gesellschaftern der Personengesellschaft zugerechnet. Dies folgt entweder aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn es sich bei der Personengesellschaft um eine Mitunternehmerschaft handelt, oder aus § 39 Abs. 2 Satz 1 AO. Daher sind für Zwecke der Anwendung von Art. 10 aus deutscher Sicht die hinter der Personengesellschaft stehenden Personen maßgeblich.2
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Zurechnungskonflikte im Falle Deutschlands als Quellenstaat. Die Maßgeblichkeit der steuerlichen Zurechnung durch den Anwenderstaates führt dazu, dass es zu Zurechnungskonflikten kommen kann. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft (Quellenstaat), dann sind solche Konflikte z.B. in folgenden Fällen denkbar:
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Deutschland transparent/anderer Vertragsstaat intransparent. Zunächst ist vorstellbar, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft die Dividenden nicht dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger steuerlich zurechnet, sondern einer anderen Person (transparent), während der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers diesem auch für steuerliche Zwecke die Dividenden zurechnet (intransparent). In diesem Fall wird der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 1 ein im Grundsatz uneingeschränktes Besteuerungsrecht für sich in Anspruch nehmen (ggf. unter Anrechnung von deutschen Quellensteuern bzw. Freistellung nach einem DBA-Schachtelprivileg). Deutschland wird sich nach Art. 10 Abs. 2 aber nur insoweit in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sehen, als nach deutsch-steuerlichen Grundsätzen eine Zurechnung zu Personen erfolgt, die im anderen Vertragsstaat ansässig sind, und selbst dann ist umstritten, ob eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechtes nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a in Betracht kommen kann, weil es mglw. an der Voraussetzung einer unmittelbaren Beteiligung fehlt (dazu auch Rz. 96). Erfolgt die steuerliche Zurechnung zu Personen, die in einem Drittstaat ansässig sind, dann kann eine Einschränkung des deutschen Quellenbesteuerungsrechtes nur in Betracht kommen, wenn auch mit diesem Drittstaat ein deutsches DBA besteht. In diesem Sinne wird man auch die Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schr. v. 1 Vgl. auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 40; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40. 2 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 40.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 52–53 Art. 10
24.1.20121 verstehen müssen, wenn bei der deutsch-steuerlichen Qualifikation eines ausländischen, dividendenbeziehenden Rechtsträgers als transparent verlangt wird, dass die Dividenden im anderen Vertragsstaat als Einkünfte einer dort ansässigen Person steuerpflichtig sind. Zwar könnte man die Formulierung im BMF-Schr. auch so deuten, dass sämtliche Gesellschafter des transparenten Rechtsträgers im anderen Vertragsstaat ansässig und dort mit den Dividenden steuerpflichtig sein müssen. Der Finanzverwaltung geht es aber nur darum, solche Gestaltungen zu verhindern, bei denen sich nicht abkommensberechtigte Personen (z.B. aus Drittstaaten) die Vergünstigungen eines DBA über die Einschaltung einer hybriden Gesellschaft „erschleichen“. Ein solcher missbräuchlicher Fall ist jedoch nicht gegeben, wenn die in einem Drittstaat ansässigen Personen nach einem deutschen DBA mit dem Drittstaat entsprechende Abkommensvergünstigungen für sich beanspruchen können. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht erforderlich, wenn in Rz. 3 Satz 6 des BMFSchr. zusätzlich die Möglichkeit vorgesehen ist, dass abweichend von der an sich maßgeblichen deutsch-steuerlichen Qualifikation einer ausländischen Gesellschaft die ausländisch-steuerliche Qualifikation maßgeblich sein soll mit der Folge, dass auch dann für Zwecke des § 50d EStG eine „Gesellschaft“ gegeben sein soll.2 Im Entwurf des JStG 2013 war in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E3 eine Regelung vorgesehen, die diese Auffassung der Finanzverwaltung kodifizieren wollte. Danach sollte im Falle eines Zurechnungskonfliktes insoweit eine Bindung Deutschlands als Quellenstaat an die Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat bestehen, als dieser Vertragsstaat die Dividenden einer dort ansässigen Person zurechnet. Deutschland intransparent/anderer Vertragsstaat transparent. Umgekehrt ist ein 53 solcher Konflikt auch vorstellbar, wenn zwar Deutschland als Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft die Dividenden dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger steuerlich zurechnet (intransparent), während der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers nicht diesem, sondern einer anderen Person die Dividenden für steuerliche Zwecke zurechnet (transparent). In diesem Fall wird der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers ein Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 1 nur dann für sich beanspruchen, soweit diejenigen Personen, denen die Dividenden steuerlich zugerechnet werden, im anderen Vertragsstaat ansässig sind. Für Deutschland müsste das Quellenbesteuerungsrecht eigentlich durch Art. 10 Abs. 2 eingeschränkt sein, weil es sich aus deutsch-steuerlicher Sicht beim Dividendenempfänger um eine „Person“ im abkommensrechtlichen Sinne handelt. Allerdings ist diese Person im anderen Vertragsstaat nicht mit den Dividenden unbeschränkt steuerpflichtig, so dass es mglw. an der abkommensrechtlichen Ansässigkeit i.S.v. Art. 4 Abs. 1 fehlt. Vor diesem Hintergrund macht die in Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20124 niedergelegte Auffassung der Finanzverwaltung durchaus Sinn, wonach der abkommensrechtliche Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 oder Abs. 2 EStG zu gewähren sein soll, „wenn die Einkünfte nach dem Recht des anderen Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind.“ Das BMF-Schr. nennt zwar beispielhaft nur den Fall einer ausländischen Personengesellschaft, die nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft behandelt wird. Darin sollte sich allerdings der Anwendungsbereich nicht erschöpfen. Die Entlastung von deutscher Abzugsteuer sollte vielmehr auch dann gewährt werden, wenn eine ausländische Personengesellschaft nach ausländischem Steuerrecht zwar nicht als Kapitalgesellschaft behandelt wird, aber hinter der ausländischen Personengesellschaft abkommensberechtigte Personen stehen. Sind an einer ausländischen Personengesellschaft neben abkommensberechtigten Personen auch nicht abkommensberechtigte Personen beteiligt, so ergibt sich nur ein anteiliger Entlastungsanspruch. Der in Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20125 verwandte Begriff „wenn“ sollte des-
1 2 3 4 5
BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. Siehe aber sogleich in Rz. 53. Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171.
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Art. 10 Rz. 53–54
Dividenden
halb auch besser als „soweit“ gelesen werden. Auch ist es missverständlich, wenn das BMF-Schr. verlangt, dass die Einkünfte aus deutschen Quellen nach dem Recht des anderen Staates dort als Einkünfte einer ansässigen Person steuerpflichtig sind. Es sollte eher lauten: „als Einkünfte einer ansässigen Person gelten“. Denn es kann nicht darauf ankommen, ob der ausländische Staat die Einkünfte besteuert oder nicht. Entscheidend ist nur, ob sich Drittstaatenangehörige über ein hybrides Gebilde in den Genuss eines Entlastungsanspruches bringen. Das entspräche auch der im DBASchweiz a.F. vereinbarten sog. Vereinfachungsregel1 sowie den Wertungen von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA 2006. Auch im Entwurf des JStG 2013 war in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E eine Regelung vorgesehen, die diese Auffassung der Finanzverwaltung bestätigte.2 54
Beispiele zu hybriden Gesellschaften. Die nachfolgenden Beispiele sollen die Konsequenzen der Auffassung der Finanzverwaltung sowie des Entwurfs des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E i.d.F. des JStG 2013 verdeutlichen: Beispiel 1 (Deutschland = transparent/Ausland = intransparent): An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine ausländische Gesellschaft beteiligt, die nach ausländischem Recht als Kapitalgesellschaft, nach dem deutschen Rechtstypenvergleich allerdings als Personengesellschaft zu qualifizieren ist. Die Anteile der ausländischen Gesellschaft werden von zwei in demselben Staat ansässigen und aktiv tätigen Kapitalgesellschaften gehalten. D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an die ausländische Gesellschaft aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Nach dem deutschen DBA besteht ein Quellenbesteuerungsverbot bei unmittelbarer Beteiligung von 20 %. Besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2? – Die deutsche Finanzverwaltung hätte die Frage früher unabhängig von § 50d Abs. 3 EStG verneint, weil die Zwischenschaltung einer Gesellschaft, die nach dem Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft qualifiziert, eine (notwendige) unmittelbare Beteiligung zumindest dann verhindern soll, wenn sich die Beteiligung im Gesamthandsvermögen befindet.3 Nach Rz. 3 des BMF-Schr. v. 24.1.20124 soll aber eine (nach dem Rechtstypenvergleich als solche zu qualifizierende) ausländische Personengesellschaft nunmehr eine Gesellschaft i.S.v. § 50d EStG sein, wenn sie nach dem Steuerrecht ihres Ansässigkeitsstaates als Steuersubjekt qualifiziert. Die nach ausländischem Recht als Steuersubjekt qualifizierende Gesellschaft scheint danach Gläubigerin der Gewinnausschüttungen sein zu können. Nach der im Entwurf des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E i.d.F. des JStG 2013 vorgesehenen Regelung ist dies wohl ebenfalls so. Auch im Übrigen steht § 50d Abs. 3 EStG einer Kapitalertragsteuerherabsetzung nicht entgegen, weil die Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft bei unmittelbarem Einkünftebezug einen entsprechenden Entlastungsanspruch hätten und zudem aufgrund ihrer Aktivität die weiteren Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG (nicht) erfüllen sollen. Beispiel 2 (Deutschland = intransparent/Ausland = transparent): Wie Beispiel 1, nur ist die ausländische Gesellschaft nach dem deutschen Rechtstypenvergleich als Kapitalgesellschaft, nach ausländischem Recht aber als Personengesellschaft zu qualifizieren. Besteht der Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. 10 Abs. 2? – Bereits bisher war die Frage zu bejahen, weil die ausländische Gesellschaft auf Grundlage des Rechtstypenvergleiches als Kapitalgesellschaft qualifizierte und deshalb aus Sicht Deutschlands als Anwenderstaat die Gläubigerin der Kapitalerträge war. Auch stand § 50d Abs. 3 EStG einer Kapitalertragsteuer-
1 Verhandlungsprotokoll v. 18.6.1971, „Zu den Artikeln 10 bis 12“. 2 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. 3 BFH v. 6.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761; kritisch u.a. Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970, 1977, die unter Hinweis auf die Rspr. des BFH zu § 9 Nr. 7 GewStG (BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685) für eine Abkehr von dieser restriktiven Position plädieren; der BFH hatte in der genannten Entscheidung darauf hingewiesen, dass es für die Gewährung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivileges nicht darauf ankommen kann, wie die Beteiligung im Inland strukturiert ist. Das BZSt soll aber (zutreffend) eine Ausnahme von der Schädlichkeit der Zwischenschaltung einer Personengesellschaft machen, wenn die transparente Gesellschaft (z.B. eine aus deutscher steuerlicher Sicht transparente US-LLC) nur über einen Gesellschafter (z.B. US-Corp.) verfügt; denn in diesem Fall handelt es sich bei dem transparenten Gebilde aus deutscher steuerlicher Sicht lediglich um eine Betriebsstätte des Gesellschafters. 4 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 54–57 Art. 10
herabsetzung schon deshalb nicht entgegen, weil die Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft bei unmittelbarem Einkünftebezug einen entsprechenden Entlastungsanspruch hätten und zudem aufgrund ihrer Aktivität die weiteren Voraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG (nicht) erfüllen. Auf Grundlage von Rz. 3 des BMF-Schr. v. 24.1.20121 ändert sich daran nichts. Zwar ist die ausländische Gesellschaft nach der steuerlichen Qualifikation ihres Ansässigkeitsstaates als Personengesellschaft zu qualifizieren. Das ist jedoch deshalb unbeachtlich, weil die hinter der ausländischen Gesellschaft stehenden Personen ebenfalls abkommensberechtigt sind. Die im Entwurf des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E i.d.F. des JStG 2013 vorgesehene Regelung bestätigt diese Sicht. Beispiel 3 (Deutschland = intransparent/Ausland = transparent mit Drittstaatengesellschafter): Wie Beispiel 2, nur ist an der ausländischen Gesellschaft neben einer in demselben Staat ansässigen Person auch eine in einem Drittstaat ansässige Person zu 50 % beteiligt. Besteht der Entlastungsanspruch nach § 50d Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2? – Ein Anspruch besteht nur hälftig, weil die an die ausländische Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden nur insoweit als Einkünfte einer dort ansässigen Person gelten, als sie auf die Gesellschaft mit Ansässigkeit in demselben Staat entfallen; im Übrigen entfallen sie auf eine nicht abkommensberechtigte Person. Dies gilt auch nach der im Entwurf des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E i.d.F. des JStG 2013 vorgesehenen Regelung, weil nach dieser lediglich insoweit eine Qualifikationsverkettung vorgesehen ist, als der andere Vertragsstaat die Dividenden in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Personen zurechnet.
Zurechnungskonflikte im Falle Deutschlands als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland nicht der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, sondern der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers, dann sind Zurechnungskonflikte z.B. in folgenden Fällen denkbar:
55
Deutschland transparent/Quellenstaat intransparent. Ein solcher Konflikt ist z.B. 56 vorstellbar, wenn Deutschland als Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers die Dividenden steuerlich nicht diesem, sondern einer anderen Person zurechnet (transparent), während der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger auch für steuerliche Zwecke die Dividenden zurechnet (intransparent). In diesem Fall wird Deutschland ein Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 1 nur beanspruchen, soweit diejenigen Personen, denen die Dividenden für deutsch-steuerliche Zwecke zugerechnet werden, auch in Deutschland ansässig sind. Inwieweit sich der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft durch Art. 10 Abs. 2 in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sieht, hängt entscheidend davon ab, wie dieser Staat mit der mglw. fehlenden abkommensrechtlichen Ansässigkeit des zivilrechtlichen Dividendenempfängers i.S.v. Art. 4 Abs. 1 umgeht, und ob er – wie die deutsche Finanzverwaltung – auf diejenigen Personen „durchschaut“, die mit den Dividenden tatsächlich steuerpflichtig sind (vgl. Rz. 53). Sollte sich der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft durch Art. 10 Abs. 2 in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sehen und hätte Deutschland als Quellenstaat diese Einschränkung nicht nachvollzogen, kann eine abkommensrechtliche Freistellung der Dividenden in Deutschland (z.B. nach einem im Methodenartikel vereinbarten DBASchachtelprivileg) durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen sein (durch § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG nur dann, wenn die Dividenden bei der Ermittlung des Gewinns der ausschüttenden Gesellschaft abgezogen worden sind, vgl. § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG). Deutschland intransparent/Quellenstaat transparent. Umgekehrt ist ein Konflikt 57 auch dann möglich, wenn Deutschland als Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers die Dividenden steuerlich diesem zurechnet (intransparent), während der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft nicht dem zivilrechtlichen Dividendenempfänger, sondern einer anderen Person die Dividenden für steuerliche Zwecke zurechnet (intransparent). In diesem Fall wird Deutschland als der Ansässigkeitsstaat des zivilrechtlichen Dividendenempfängers gem. Art. 10 Abs. 1 ein im Grundsatz uneingeschränktes Besteuerungsrecht für sich in Anspruch nehmen (ggf. unter Anrechnung von deutschen Quellensteuern bzw. Freistellung nach einem DBA-Schachtelprivileg; zur Anwendung von § 50d Abs. 9 1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171.
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Art. 10 Rz. 57–61
Dividenden
EStG vgl. Rz. 56). Der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft wird sich nach Art. 10 Abs. 2 aber nur insoweit in seinem Quellenbesteuerungsrecht eingeschränkt sehen, als er nach seinen steuerlichen Grundsätzen eine Zurechnung zu Personen vornimmt, die in Deutschland ansässig sind, wobei sich auch hier die Frage stellt, wie der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a die Voraussetzung einer unmittelbaren Beteiligung versteht. Erfolgt die steuerliche Zurechnung im Übrigen zu Personen, die in einem Drittstaat ansässig sind, dann wird eine Einschränkung des Quellenbesteuerungsrechtes nur in Betracht kommen, wenn auch mit diesem Drittstaat ein DBA zum Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft besteht. 2. Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat 58
Ansässigkeit. So wie sich die abkommensrechtliche Ansässigkeit der die Dividenden zahlenden Gesellschaft nach Art. 4 Abs. 1 richtet (vgl. Rz. 40), gilt das auch für den Dividendenempfänger. Der Dividendenempfänger kann aber nicht nur eine Gesellschaft sein, sondern auch eine natürliche Person oder eine andere Personenvereinigung. Nach Art. 4 Abs. 1 bedeutet der Ausdruck „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine natürliche Person grds. unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Gesellschaft ist unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren statutarischen Sitz hat, wobei eines der beiden Kriterien genügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 38 ff.) verwiesen, hier auch zu den Besonderheiten z.B. der auf Antrag zu gewährenden fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG.
59
Doppelansässigkeit. Ist eine natürliche Person nach Art. 4 Abs. 1 in beiden Vertragsstaaten ansässig (z.B. weil sie in beiden Staaten über eine Wohnung verfügt), dann richtet sich die Ansässigkeit nach der tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 2 (insbesondere Lebensmittelpunkt). Ist eine Gesellschaft in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie nach der (nicht in jedem deutschen DBA enthaltenen) tie-breaker-rule des Art. 4 Abs. 3 nur in dem Vertragsstaat als ansässig, in dem sich der Ort ihrer Geschäftsleitung befindet. Auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 2 und 3 (Art. 4 Rz. 59 ff.) wird verwiesen.
60
Im anderen Vertragsstaat. Der Dividendenempfänger muss schließlich im anderen Vertragsstaat ansässig sein, d.h. die Dividenden zahlende Gesellschaft muss in dem einen Vertragsstaat und der Dividendenempfänger in dem anderen Vertragsstaat ansässig sein. Art. 10 kommt daher nicht zur Anwendung, wenn beide in demselben Vertragsstaat ansässig sind oder einer von beiden in einem Drittstaat ansässig ist. Daher genügt es auch nicht, wenn der Dividendenempfänger zwar über eine Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat verfügt, der ggf. auch die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zuzuordnen sind, der Dividendenempfänger selbst aber in einem Drittstaat ansässig ist. Ist der Dividendenempfänger allerdings im anderen Vertragsstaat ansässig, verfügt er aber gleichzeitig über eine Betriebsstätte in dem Vertragsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, dann schließt Art. 10 Abs. 4 die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 aus.1 Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 47 entsprechend.
V. Zahlung 61
Abkommensrechtliche (weite) Auslegung. Nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 ist weitere Voraussetzung, dass die in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine Dividende an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person „zahlt“. Im Schrifttum wird zutreffend darauf hingewiesen, dass der Begriff des Zahlens nach dem all-
1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 43.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Absatz 1)
Rz. 61–64 Art. 10
gemeinen Sprachgebrauch eigentlich mit einem Zahlungsvorgang in Verbindung gebracht wird.1 Art. 10 Rz. 7 OECD-MK verstärkt diesen Eindruck, wenn er darauf abhebt, dass der „Begriff ‚zahlen‘ die Erfüllung der Verpflichtung beinhaltet, dem Aktionär auf die vertragsgemäße oder die übliche Weise Geldmittel zur Verfügung zu stellen.“ Es wird auch den Regelfall darstellen, dass der Gesellschafter aufgrund eines Gewinnausschüttungsbeschlusses eine Dividende von der Gesellschaft ausgezahlt bekommt. Andererseits stellt Art. 10 Rz. 7 OECD-MK auch fest, dass der Ausdruck „zahlt“ eine „sehr weite Bedeutung“ haben soll. Ein solches weites Verständnis ist auch geboten, weil es wertungswidersprüchlich wäre, über Art. 10 Abs. 3 dem Quellenstaat das Rechts zur Bestimmung des Dividendenbegriffes zuzugestehen, dann aber bestimmte Arten von Gewinnausschüttungen, die mit keinem (Geld-)Zahlungsvorgang verbunden sind, als nicht „gezahlt“ anzusehen.2 Zahlung als unselbständiger Bestandteil des Dividendenbegriffs. Insoweit ist 62 Tischbirek darin zuzustimmen, wenn er den Begriff des „Zahlens“ als unselbständigen Bestandteil des Dividendenbegriffs in Art. 10 Abs. 3 versteht und wie folgt definiert: „Zahlung ist die Zuwendung jeden Vorteils, der nach Abs. 3 als Dividende zu qualifizieren ist.“3 Damit fallen z.B. auch verdeckte Gewinnausschüttungen und Sachausschüttungen unter Art. 10 Abs. 1, wenn diese nach dem Recht des Quellenstaates als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 qualifizieren, auch wenn damit kein Zahlungsvorgang in Geld verbunden sein sollte (was die Regel sein dürfte). Entsprechendes gilt für Kapitalherabsetzung und Einlagenrückgewähr, sofern diese Maßnahmen nach dem Recht des Quellenstaates als Dividenden qualifizieren (was eher die Ausnahme sein dürfte). Aber auch alle Erfüllungssurrogate (wie z.B. Hinterlegung, Aufrechnung, Erlass) fallen unter Art. 10, auch wenn mit diesen kein Zahlungsvorgang verbunden ist. Kein abkommensrechtlicher Zahlungs- bzw. Besteuerungszeitpunkt. Art. 10 ent- 63 hält keine Aussage zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt für die „Zahlung“ resp. Besteuerung der Dividende abzustellen ist. Teilweise wird auf den tatsächlichen Zahlungszeitpunkt abgestellt.4 Dies kann schon vor dem Hintergrund der Systematik der Anwendung von DBA nicht überzeugen, weil DBA kein innerstaatliches Besteuerungsrecht begründen, sondern ein solches allenfalls bestätigen oder beschränken können. Oder anders formuliert: DBA kommen erst in dem Zeitpunkt zur Anwendung, in welchem ein Vertragsstaat nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht einen Besteuerungstatbestand als erfüllt ansieht. Erst in diesem Zeitpunkt besteht ein Bedürfnis, anhand der einschlägigen DBA zu prüfen, ob und inwieweit dieser Vertragsstaat in seiner Besteuerung beschränkt ist. Daher kann es für Zwecke des Art. 10 Abs. 1 auch nicht überzeugen, wenn auf den nach dem innerstaatlichen Recht des Quellenstaates maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt abzustellen sein soll.5 Dies mag für Art. 10 Abs. 2 gelten, der das Recht des Quellenstaates beschränkt, nicht aber für Art. 10 Abs. 1, der lediglich das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers bestätigt. Der Besteuerungszeitpunkt und damit der Zeitpunkt der Anwendung des DBA werden damit ausschließlich durch das innerstaatliche Recht des jeweiligen Anwenderstaates bestimmt.6 Besteuerungszeitpunkt im Falle Deutschlands als Quellenstaat. Ist Deutschland 64 der Quellenstaat, d.h. der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, dann regelt § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG für den (Quellen-)Besteuerungszeitpunkt den Grundsatz, dass die Kapitalertragsteuer in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen. Sofern deren Ausschüttung von einer Kör-
1 Vgl. z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 45; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 22. 2 So völlig zutreffend Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 22. 3 Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 22. 4 Portner/Heuser, IStR 1998, 268. 5 Vgl. dazu Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 45. 6 Ebenso Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 50; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 22; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 50 ff.
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Art. 10 Rz. 64–67
Dividenden
perschaft beschlossen wird, regelt § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG den Zufluss an dem Tag, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist. Nach der Rspr. des BFH gelten für die Bestimmung des Auszahlungszeitpunktes im Beschluss strenge Maßstäbe.1 Der Auszahlungszeitpunkt ist danach taggenau im Beschluss festzulegen, die bloße Bestimmung eines Zeitraumes (z.B. „Februar 2012“) genügt nicht. Enthält der Ausschüttungsbeschluss keinen oder einen nur unzureichenden Auszahlungszeitpunkt, greift die Zuflussfiktion des § 44 Abs. 2 Satz 2 EStG mit der Folge ein, dass als Zeitpunkt des Zufließens der Tag nach der Beschlussfassung gilt. Dies gilt auch dann, wenn die Ausschüttung an einen beherrschenden Gesellschafter erfolgt, weil die hierzu von der Rspr. entwickelte Zuflussfiktion lediglich Auswirkungen auf den tatsächlichen Zuflusszeitpunkt i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG hat (also für Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, s.u.), nicht aber auf die gesetzlichen Zuflusszeitpunkte i.S.v. § 44 Abs. 2 EStG (also nicht für Deutschland als Quellenstaat).2 Der Tag nach der Beschlussfassung ist auch dann maßgeblich, wenn die Auszahlung erst später erfolgt. Lediglich für den Fall, dass vor dem Zufließen die Stundung vereinbart ist, weil der Schuldner vorübergehend nicht zur Zahlung in der Lage ist, ist der Steuerabzug gem. § 44 Abs. 4 EStG erst mit Ablauf der Stundungsfrist vorzunehmen. Die gesetzlichen Zuflusszeitpunkte des § 44 Abs. 2 EStG gelten demgegenüber nicht, wenn kein Ausschüttungsbeschluss erforderlich ist (wie z.B. bei der verdeckten Gewinnausschüttung). 65
Besteuerungszeitpunkt im Falle Deutschlands als Ansässigkeitsstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann richtet sich der Besteuerungszeitpunkt danach, ob die Dividenden im Privat- oder im Betriebsvermögen anfallen und im letzteren Fall, ob der Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG oder durch Einnahmen-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Im Privatvermögen ist ebenso wie im Falle der Einnahmen-/Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG der tatsächliche Zufluss maßgeblich, der näher in § 11 Abs. 1 EStG definiert wird (d.h. Auszahlung oder wirtschaftlich gleichkommende Maßnahme). Hiervon macht die Rspr. bei beherrschenden Gesellschaftern eine Ausnahme, bei denen unabhängig vom tatsächlichen Zufluss der Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich sein soll, vorausgesetzt, die Gesellschaft ist zahlungsfähig.3 Dies soll selbst dann gelten, wenn ein abweichender Fälligkeitszeitpunkt im Beschluss bestimmt wird, da es der Gesellschafter ansonsten in der Hand hätte, den Zuflusszeitpunkt zu bestimmen. Diese Sicht kann man durchaus kritisch hinterfragen. Bei Dividendenempfängern, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln, kommt es nicht auf den Zufluss an, sondern auf den Zeitpunkt, in welchem der Anspruch auf die Dividende entsteht. Dieser setzt nach nunmehr geklärter Rspr. einen Ausschüttungsbeschluss voraus.4
VI. Rechtsfolge: Können im anderen Vertragsstaat besteuert werden 66
Uneingeschränktes Besteuerungsrecht. Als Rechtsfolge gewährt Art. 10 Abs. 1 dem Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers ein uneingeschränktes, aber nicht ausschließliches Besteuerungsrecht. Ob und inwieweit der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers von diesem Recht Gebrauch macht, bleibt allein ihm überlassen. Macht er von diesem Recht Gebrauch, dann besteht allerdings gem. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 die Verpflichtung, die nach Art. 10 Abs. 2 durch den Quellenstaat ggf. erhobene Quellensteuer anzurechnen.
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Besteuerungsfolgen in Deutschland als Ansässigkeitsstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann hängen die Besteuerungsfolgen zunächst davon ab, ob es sich beim Dividendenempfänger um eine körperschaftsteuer- oder einkommensteuerpflichtige Person handelt. 1 Vgl. BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672, m.w.N. 2 BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672, m.w.N. 3 BFH v. 17.11.1998 – VIII R 24/98, BStBl. II 1999, 223; v. 30.4.1974 – VIII R 123/73, BStBl. II 1974, 541. 4 BFH v. 28.2.2001 – I R 48/94, BStBl. II 2001, 401, m.w.N.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 68–70 Art. 10
Körperschaftsteuerpflichtige Personen. Bei einer körperschaftsteuerpflichtigen 68 Person bleiben die aus dem anderen Vertragsstaat stammenden Dividenden gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG steuerfrei; lediglich 5 % gelten gem. § 8b Abs. 5 KStG als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben. Hiervon macht § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG insbesondere für verdeckte Gewinnausschüttungen eine Ausnahme, sofern diese nicht im Quellenstaat eine Korrektur erfahren (und damit abzugsfähig sind; sog. Korrespondenzprinzip). Im Übrigen kann es zu einer Steuerpflicht unter den Voraussetzungen von § 8b Abs. 4 KStG n.F. für Streubesitzbeteiligungen (l 10%) von § 8b Abs. 7 KStG kommen, was auch für Holdinggesellschaften zum Tragen kommen kann.1 Für die Gewerbesteuer kommt bei einer Beteiligung von mindestens 15 % (innerhalb der EU mindestens 10 %) eine Steuerfreiheit unter den weiteren Voraussetzungen von § 9 Nr. 7 GewStG (ggf. i.V.m. § 8 Nr. 5 GewStG) in Betracht (d.h. insbesondere Aktivitätsvoraussetzung bei Nicht-EU-Gesellschaften). Im Übrigen kann auch ein DBASchachtelprivileg oder § 9 Nr. 8 GewStG (sofern nicht § 8b Abs. 1 KStG eingreift) zu einer Gewerbesteuerfreiheit führen. Einkommensteuerpflichtige Personen. Bei einer einkommensteuerpflichtigen Per- 69 son hängen die steuerlichen Rechtsfolgen für die aus dem anderen Vertragsstaat stammenden Dividenden wiederum zunächst davon ab, ob sich die Anteile im Privatoder im Betriebsvermögen befinden. Für Dividenden im Privatvermögen gilt grds. der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 32d Abs. 1 EStG, der mit dem Einbehalt der Kapitalertragsteuer abgegolten ist (sog. Abgeltungsteuer). Da aber ausländische Dividenden nicht in jedem Fall der deutschen Kapitalertragsteuer unterliegen (Ausnahme: inländische Zahlstelle, § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG), besteht gem. § 32d Abs. 3 EStG die Verpflichtung zur Angabe in der Steuererklärung, wobei eine Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. § 32d Abs. 5 EStG erfolgt. Für Dividenden im Betriebsvermögen gilt das sog. Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 EStG, wonach grds. 40 % steuerfrei bleiben. Auch hier gilt das Korrespondenzprinzip für verdeckte Gewinnausschüttungen gem. § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG sowie die dem § 8b Abs. 7 KStG nachgebildete volle Steuerpflicht nach § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG. Für die Gewerbesteuer gelten die Ausführungen in Rz. 68 entsprechend.
C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2) I. Eingeschränktes Besteuerungsrecht (Absatz 2 Satz 1) 1. Regelungszweck Materieller Kern des Dividendenartikels. Art. 10 Abs. 2 enthält den materiellen 70 Kern des Dividendenartikels. Während Art. 10 Abs. 1 mit dem uneingeschränkten Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers eigentlich nur eine Selbstverständlichkeit regelt (vgl. Rz. 24) und im Übrigen wesentliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 vorweg nimmt (vgl. Rz. 27), konstituiert Art. 10 Abs. 2 endlich das entscheidende Besteuerungsrecht des Quellenstaates, d.h. des Ansässigkeitsstaates der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 enthält dabei den Grundsatz, dass auch der Quellenstaat die Dividenden besteuern darf. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 beschränkt dieses Besteuerungsrecht aber sogleich dahingehend, dass bei Dividenden zwischen Gesellschaften mit qualifizierter Beteiligung von mindestens 25 % die (Quellen-)Steuer maximal 5 % (sog. Schachteldividende) und im Übrigen höchstens 15 % betragen darf. Die Begünstigung von Schachteldividenden hat ihren Zweck zum einen darin, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen zu verhindern, zum anderen die grenzüberschreitende Verflechtung von Gesellschaften nicht dadurch zu behindern, dass an das jeweilige Ausschüttungsverhalten negative Rechtsfolgen geknüpft werden (Stichwort: Förderung von grenzüberschreitenden In-
1 Vgl. z.B. BFH v. 26.10.2011 – I R 17/11, BFH/NV 2012, 613, m.w.N.
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Art. 10 Rz. 70–73
Dividenden
vestitionen). Besonders deutlich kommt dieser Zweck in der Mutter-Tochter-RL zum Ausdruck, die bei Dividenden zwischen qualifiziert beteiligten EU-Gesellschaften ein Quellenbesteuerungsverbot postuliert. 2. Gewährung eines Quellenbesteuerungsrechts (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 1) 71
Grundsatz. Anknüpfend an Art. 10 Abs. 1 enthält Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 den Grundsatz, dass auch der Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft über ein Besteuerungsrecht verfügt. Technisch setzt das OECD-MA dies um, indem Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 auf „diese Dividenden“ Bezug nimmt und damit sprachlich unmittelbar auf Art. 10 Abs. 1 rekurriert (vgl. Rz. 28). Da der in Art. 10 Abs. 1 verwendete Dividendenbegriff allerdings seine Legaldefinition in Art. 10 Abs. 3 erfährt, wird damit letztlich nur diese Definition in Bezug genommen. Entsprechendes gilt für die Bezugnahme auf den „Vertragsstaat“, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist (vgl. Rz. 47), sowie für den Begriff der „Gesellschaft“ (vgl. Rz. 29 ff.) und deren „Ansässigkeit“ (vgl. Rz. 40 ff.). Diese Begriffe sind bereits durch Art. 10 Abs. 1 vorgegeben und werden in Art. 10 Abs. 2 synonym verwandt. Insoweit kann auch wegen der möglichen Qualifikations- und Zurechnungskonflikte, die aus der unterschiedlichen Beurteilung durch den Quellenstaat und den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers resultieren, auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rz. 30 ff., 46, 51 ff.). 3. Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 2) a) Gemeinsame Voraussetzungen
72
Sinn und Zweck des Nutzungsberechtigten. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 begrenzt das durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 eingeräumte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates der die Dividenden zahlenden Gesellschaft auf 5 % bei Schachteldividenden (Buchst. a) und auf 15 % (Buchst. b) in allen anderen Fällen. Gemeinsame Voraussetzung beider Begrenzungen ist jedoch, dass der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist. Das Erfordernis des erst später eingeführten Erfordernisses des Nutzungsberechtigten begründet Art. 10 Rz. 12 OECD-MK damit, dass die Bedeutung des in Art. 10 Abs. 1 verwendeten Begriffs des „Zahlens“ zur Vermeidung von Abkommensmissbräuchen näher geklärt werden soll. So soll eine Inanspruchnahme der Vergünstigungen von Art. 10 Abs. 2 nicht bereits deshalb möglich sein, weil die Dividenden an eine Person gezahlt werden, die zwar im anderen Vertragsstaat ansässig ist, die mit den Dividenden aber nach dem Recht des Quellenstaates und/oder nach dem Recht des anderen Vertragsstaates nicht steuerpflichtig ist. Derartige Situationen sind z.B. denkbar, wenn der zivilrechtliche Dividendenempfänger lediglich Treuhänder für eine andere Person ist oder wenn lediglich ein Dividendenanspruch, nicht aber auch die übrigen Rechte aus der Beteiligung an eine andere Person abgetreten werden.1
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Bestimmung des Nutzungsberechtigten. Entsprechend spricht sich Art. 10 Rz. 12 OECD-MK dafür aus, den Begriff des Nutzungsberechtigten nicht in einem engen technischen Sinne, sondern im Lichte des Sinns und Zwecks des DBA auszulegen. Konsequenterweise spricht sich daher auch ein wesentlicher Teil des Schrifttums für eine abkommensautonome Auslegung aus.2 Soweit die DBA eine entsprechende Definition enthalten, ist diese Feststellung sicherlich richtig und unproblematisch. Was das aber für die Rechtsanwendung genau heißt, wenn die DBA keine Definition bereithalten, bleibt teilweise leider etwas im Dunkeln. Ausgangspunkt muss in diesem Fall die Überlegung sein, dass DBA eine Doppelbesteuerung verhindern wollen. Daraus folgt zunächst, dass die Bestimmung des Nutzungsberechtigten ausschließlich von der steuerlichen Zurechnung des Anteils an der die Dividenden zahlenden Ge1 Vgl. auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 58 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 43 ff.; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 40 ff.; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 42 f.; kritisch zum Begriff aber Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 72. 2 Grundlegend z.B. Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10 ff., m.w.N.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 73–75 Art. 10
sellschaft abhängt, weil sich danach letztlich die Besteuerung richtet. Oder anders formuliert: Nutzungsberechtigter ist derjenige, dem der Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft steuerlich zuzurechnen ist. Wem der Anspruch auf die Dividende zusteht, ist demgegenüber ohne Bedeutung.1 Die Frage ist lediglich die, ob sich diese steuerliche Zurechnung nach dem Recht des Quellen- oder des Ansässigkeitsstaates oder nach dem Recht beider Staaten richtet. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 spricht einiges dafür, dass die steuerliche Zurechnung durch den Quellenstaat als Anwenderstaat maßgeblich ist. Vor dem Hintergrund, dass DBA eine Doppelbesteuerung verhindern wollen, ist dies aber mglw. etwas zu kurz gegriffen, weil damit noch nicht geklärt ist, ob auch der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers diesen mit den Dividenden besteuert. Nur in diesem Fall kann es nämlich überhaupt zu einer Doppelbesteuerung kommen. Das Erfordernis der Ansässigkeit des Nutzungsberechtigten im anderen Vertragsstaat dürfte hier nicht weiterhelfen, weil man diese auch losgelöst von der Besteuerung der fraglichen Dividenden bestimmen kann. Insoweit könnte eine abkommensautonome Auslegung, nähme man diese ernst, die Bestimmung des Nutzungsberechtigten für Zwecke der Anwendung von Art. 10 Abs. 2 dahingehend eingrenzen, dass die Schnittmenge der steuerlichen Zurechnung durch Quellen- und Ansässigkeitsstaat maßgeblich ist. Mit anderen Worten: Nutzungsberechtigter wäre danach derjenige, dem der Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft übereinstimmend nach dem Recht des Quellen- und des Ansässigkeitsstaates zuzurechnen ist. In allen anderen Fällen (also bei allen Qualifikationskonflikten!) wäre der Dividendenempfänger nicht der Nutzungsberechtigte und eine Inanspruchnahme der Vergünstigungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 käme nicht in Betracht. Es bliebe vielmehr bei der Grundregel des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1, wonach auch der Quellenstaat (uneingeschränkt) besteuern darf. Nutzungsberechtigter aus deutscher Sicht. Deutschland als Quellenstaat ist dem 74 bislang nicht gefolgt. Die herrschende anwenderstaatsorientierte Sicht (vgl. Rz. 32) führt dazu, dass Deutschland als Anwenderstaat die Bestimmung des Nutzungsberechtigten allein nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht beurteilt, sofern die DBA nicht eine anderweitige Definition vorgeben. Maßgeblich ist also das für ertragsteuerliche Zwecke maßgebliche wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. § 20 Abs. 5 EStG stellt dies für Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ausdrücklich klar. Der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile (nicht des Dividendenanspruchs!) ist der Nutzungs- und damit zugleich der Entlastungsberechtigte nach dem DBA. Für Dividendenausschüttungen an eine ausländische Gesellschaft hat die Finanzverwaltung diese rein nationale Sicht bereits dahingehend eingeschränkt, dass selbst dann, wenn nach deutschem Steuerrecht die Anteile an der die Dividenden zahlenden deutschen Gesellschaft einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft zuzurechnen sind, eine Entlastung nach dem DBA auch dann gewährt wird, wenn der andere Vertragsstaat die Dividenden anderen in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Personen zurechnet (und umgekehrt).2 Der Entwurf des JStG 2013 bestätigt dies in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E, indem eine partielle Bindung an die Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers kodifiziert wird, soweit die Dividenden nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaates als solche einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Person zugerechnet werden.3 Nach der Gesetzesbegründung entspricht es dem Sinn und Zweck der DBA, dass der Quellenstaat eine Entlastung von Abzugsteuern dem ausländischen Antragsteller gewährt, dem der andere Staat nach seinem Steuerrecht die Einkünfte oder Gewinne zurechnet. Zurechnungskonflikte und Beispiele. Zu den Auswirkungen möglicher Zurechnungskonflikte nach bisheriger und möglicher neuer Rechtslage vgl. mit Beispielen
1 Vgl. Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 46; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 68 f. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3. 3 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42.
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Art. 10 Rz. 75–79
Dividenden
bereits Rz. 51 ff. Darüber hinaus sollen die Probleme der Bestimmung des Nutzungsberechtigten im Falle Deutschlands als Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft anhand der folgenden Beispiele verdeutlicht werden: 76 Beispiel 1: Grundfall An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine im anderen Vertragsstaat ansässige natürliche Person A beteiligt. Die Beteiligung wird dem A sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht zugerechnet. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Hat A einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b? – Die Frage ist zu bejahen, da A der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden D-GmbH ist ihm sowohl nach deutschem Steuerrecht als auch nach dem Recht des anderen Vertragsstaates zuzurechnen.
77 Beispiel 2: Treuhand Wie Fall 1, nur hält A den Anteil an der D-GmbH treuhänderisch für eine in demselben Staat ansässige Person B (Abwandlung: B ist in einem Drittstaat ansässig). Für steuerliche Zwecke wird der Anteil an der D-GmbH dem B sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht zugerechnet. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Hat B einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b? – Die Frage ist zu bejahen, da nicht A als Treuhänder, sondern B als Treugeber der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden D-GmbH ist dem B sowohl nach deutschem Steuerrecht als auch nach dem Recht des anderen Vertragsstaates zuzurechnen. In der Abwandlung hängt der Erstattungsanspruch davon ab, ob Deutschland mit dem Drittstaat als abweichendem Ansässigkeitsstaat des B ein DBA abgeschlossen hat, welches dem OECD-MA nachgebildet ist. Falls nicht, bleibt es bei dem uneingeschränkten deutschen Quellenbesteuerungsrecht.
78 Beispiel 3: Vorbehaltsnießbrauch Wie Fall 1, nur hat A seinem in demselben Staat ansässigen Sohn S die Anteile an der D-GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge geschenkt, sich aber den Nießbrauch an den Anteilen vorbehalten (Abwandlung: S ist in einem Drittstaat ansässig). Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an S aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Wem steht der Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b zu? – Der Anspruch steht dem A zu, da es beim Vorbehaltsnießbrauch regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG kommt und der Nießbraucher damit der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.1 Damit kommt es auch allein darauf an, ob der A im anderen Vertragsstaat ansässig ist; wo der S steuerlich ansässig ist, spielt keine Rolle.
79 Beispiel 4: Zuwendungsnießbrauch Wie Fall 1, nur hat A seinem in demselben Staat ansässigen Sohn S unentgeltlich einen Nießbrauch an den Anteilen der D-GmbH zugewendet (Abwandlung: S ist in einem Drittstaat ansässig). Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Wem steht der Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b zu? – Der Anspruch steht weiterhin dem A zu, da es beim Zuwendungsnießbrauch regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG kommt und der Nießbrauchbesteller damit der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.2 Zu einer Zurechnungsänderung kann es nur kommen, wenn der Nießbraucher ermächtigt ist (§ 185 BGB), auf eigene Rechnung über die be-
1 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 55; Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 174 ff., m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 57; Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 174 ff., m.w.N., sowie § 17 EStG Rz. 51, m.w.N.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 79–82 Art. 10
lasteten Anteile zu verfügen.1 Damit kommt es auch allein darauf an, ob der A im anderen Vertragsstaat ansässig ist; wo der S steuerlich ansässig ist, spielt keine Rolle. Entsprechendes sollte beim problematischeren entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch gelten.2
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Beispiel 5: Unterbeteiligung Wie Fall 4, nur hat A seinem in demselben Staat ansässigen Sohn S unentgeltlich eine Unterbeteiligung an den Anteilen der D-GmbH eingeräumt (Abwandlung: S ist in einem Drittstaat ansässig). Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an A aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA, so dass eine Quellensteuerbegrenzung für den im anderen Vertragsstaat ansässigen Nutzungsberechtigten der Dividenden auf 15 % besteht. Wem steht der Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b zu? – Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, wem bei einer Unterbeteiligung das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen zusteht. Bei einem Kapitalgesellschaftsanteil ist der Unterbeteiligte nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.3 In der Praxis ist es vielfach so, dass das Rechtsinstitut der Unterbeteiligung dazu genutzt wird, um im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die kommende Generation an das Unternehmen heranzuführen. Der die Unterbeteiligung einräumende hält sich dabei typischerweise ein Letztentscheidungsrecht vor, die Rechte des Unterbeteiligten sind stark beschränkt (meist auf die Mindestrechte eines Kommanditisten). Bleibt danach das wirtschaftliche Eigentum bei A, steht diesem weiterhin der Entlastungsanspruch zu. Damit kommt es auch allein darauf an, ob der A im anderen Vertragsstaat ansässig ist; wo der S steuerlich ansässig ist, spielt keine Rolle. Wird der S als Unterbeteiligter der wirtschaftliche Eigentümer, dann steht S im Ausgangsfall der Entlastungsanspruch zu, in der Abwandlung kommt es darauf an, ob Deutschland mit dem Ansässigkeitsstaat des S ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA abgeschlossen hat.
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Beispiel 6: Abtretung des Ausschüttungsanspruchs An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine in einem Nicht-DBA-Staat ansässige natürliche Person C beteiligt. Die Beteiligung wird dem C sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht zugerechnet. Die D-GmbH beschließt am 1.2. eine Gewinnausschüttung i.H.v. 100, die nach dem Beschluss am 1.4. gezahlt werden soll. Am 2.2. tritt der C den Dividendenanspruch an den A ab, der in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA entsprechendes DBA abgeschlossen hat. Am 1.4. kommt es zur Ausschüttung, wovon die D-GmbH 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Hat A einen Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b? – Die Frage ist zu verneinen, da nach wie vor C der Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Für die Bestimmung der Frage, wer der Nutzungsberechtigte ist, kommt es nicht darauf an, wem der Dividendenanspruch steuerlich zuzurechnen ist, sondern maßgeblich ist allein die steuerliche Zurechnung des Anteils an der die Dividenden zahlenden D-GmbH. Der Anteil an der D-GmbH ist aber sowohl nach deutschem Steuerrecht als auch nach dem Recht des anderen Staates dem C (und nicht dem A) zuzurechnen.
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Beispiel 7: Transparente Personengesellschaft An der deutschen D-GmbH ist zu 100 % eine im anderen Vertragsstaat ansässige Personengesellschaft beteiligt. Diese Gesellschaft qualifiziert sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht als intransparente Gesellschaft. An der Personengesellschaft sind A und B zu jeweils 50 % beteiligt. A ist in demselben Staat wie die Personengesellschaft ansässig, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA abgeschlossen hat. B ist in einem NichtDBA-Staat ansässig. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2? – Die Frage ist nur bezogen auf A zu bejahen. Da der Anteil an der die Dividenden zahlenden D-GmbH sowohl nach deutschem als auch nach ausländischem Steuerrecht den hinter der Personengesellschaft stehenden Mitunternehmern A und B zuzurechnen ist, sind diese (und nicht die Personengesellschaft) die Nutzungsberechtigten der Dividenden. Da aber lediglich A in einem DBA-Staat ansässig ist, besteht allein für diesen ein Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer.
1 Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 51, m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 58 f. 3 BFH v. 22.7.2008 – IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004; v. 8.11.2005 – VIII R 11/02, BStBl. II 2006, 253; Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 50; Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 367, m.w.N.
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Art. 10 Rz. 83–85
Dividenden
83 Beispiel 8: Nur aus deutscher Sicht transparente Personengesellschaft Wie Fall 7, nur qualifiziert die Personengesellschaft nach dem für deutsch-steuerliche Zwecke maßgeblichen Rechtstypenvergleich als Mitunternehmerschaft, nach ausländischem Steuerrecht handelt es sich um eine intransparente Gesellschaft, die selbst Steuersubjekt ist. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2? – Der Beantwortung der Frage sollte man sich in zwei Schritten nähern. Zunächst hat man festzustellen, dass aus deutscher Sicht die Nutzungsberechtigten der Dividenden die hinter der Personengesellschaft stehenden Mitunternehmer A und B sind, denen für deutsch-steuerliche Zwecke die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zuzurechnen sind. Da lediglich A in einem DBA-Staat ansässig ist, wäre es daher aus deutscher Sicht an sich folgerichtig, wie in Fall 7 allein dem A einen Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer zuzugestehen. Bereits das BMF-Schr. v. 24.1.20121 will davon aber abweichen, soweit der andere Vertragsstaat die Dividenden einer dort ansässigen und dort mit den Dividenden steuerpflichtigen Person zurechnet. Da die Personengesellschaft nach dem Recht des anderen Vertragsstaates dort mit den Dividenden steuerpflichtig ist, kann daher die Personengesellschaft die Herabsetzung der Kapitalertragsteuer beanspruchen. Nach Rz. 3 Satz 6 des BMFSchr. v. 24.1.20122 soll die Personengesellschaft sogar eine „ausländische Gesellschaft“ sein können, was darauf hindeuten könnte, dass sogar die Vergünstigungen des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b (5 %) beansprucht werden können. Die im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E enthaltende Regelung kodifiziert diese Sicht der Finanzverwaltung, ohne allerdings auch die Frage der „ausländischen Gesellschaft“ zu beantworten. Es wäre allerdings bei einer partiellen Qualifikationsverkettung nur konsequent, auch diese Frage zu bejahen.
84 Beispiel 9: Nur aus ausländischer Sicht transparente Personengesellschaft Wie Fall 7, nur qualifiziert die Personengesellschaft nach dem für deutsch-steuerliche Zwecke maßgeblichen Rechtstypenvergleich als intransparente Gesellschaft, aber nach ausländischem Steuerrecht handelt es sich um eine transparente Gesellschaft. Die D-GmbH schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 aus, wovon sie 25 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Besteht ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2? – Der Beantwortung der Frage sollte man sich wieder in zwei Schritten nähern. Zunächst hat man festzustellen, dass aus deutscher Sicht der Nutzungsberechtigte der Dividenden die intransparente Personengesellschaft ist, da dieser für deutsch-steuerliche Zwecke die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zuzurechnen sind. Allerdings ist die Personengesellschaft nicht im anderen Vertragsstaat ansässig, weil sie dort eben gerade nicht Steuersubjekt ist. Insoweit man den Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer eigentlich versagen. Nach dem BMF-Schr. v. 24.1.20123 soll es aber darauf ankommen, ob der andere Vertragsstaat die Dividenden einer dort ansässigen und mit den Dividenden steuerpflichtigen Person zurechnet. Dies ist jedenfalls bezogen auf A der Fall, weshalb insoweit ein Anspruch auf Herabsetzung der Kapitalertragsteuer nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (15 %) besteht. Da B in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist, besteht insoweit kein Anspruch. Wäre aber der B in einem Staat ansässig, mit dem Deutschland ein dem OECD-MA entsprechendes DBA abgeschlossen hat, dann würde sich die Kapitalertragsteuerherabsetzung zum einen nach diesem DBA richten und zum anderen danach, ob der Ansässigkeitsstaat des B diesem steuerlich den Anteil an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft zurechnet. Die im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E enthaltende Regelung kodifiziert diese Sicht der Finanzverwaltung.
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Gegenstand der Begrenzung („die Steuer darf aber“). Gegenstand der durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 konstituierten Begrenzung ist die durch den Quellenstaat zu erhebende „Steuer“. Auch wenn dies in Abhängigkeit des innerstaatlichen Steuerrechts des Quellenstaates mehrere Steuern sein können, so gilt die Begrenzung jedoch entsprechend des Anwendungsbereiches des betreffenden DBA grds. für sämtliche vom Einkommen erhobenen Steuern.4 Aus deutscher Sicht folgt daraus, dass die Begrenzung nicht nur die Kapitalertragsteuer, sondern auch den hierauf gem. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG erhobenen Solidaritätszuschlag erfasst. In der Summe dürfen daher Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b genannten Grenzen von 5 % bzw. 15 %
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BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 57.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 85–88 Art. 10
nicht übersteigen. Technisch setzt § 5 SolZG dies so um, dass sich die Ermäßigung nach einem DBA zunächst auf den Solidaritätszuschlag bezieht.1 b) 5 % bei Schachteldividenden (Absatz 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a Allgemeines. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a begrenzt das Besteuerungs- 86 recht des Quellenstaates auf 5 % des Bruttobetrages der Dividenden, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft (jedoch keine Personengesellschaft) ist, die unmittelbar über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Derartige zwischengesellschaftliche Dividenden werden auch als sog. „Schachteldividenden“ bezeichnet. Das Mindestbeteiligungserfordernis von 25 % ist gewählt worden, weil es nach internationalen Maßstäben dazu dient, sog. „Portfolioinvestitionen“ von „Direktinvestitionen“ abzugrenzen. Ein Beteiligungsumfang von 25 % gewährt gesellschaftsrechtlich regelmäßig einen wesentlichen Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft, und sei es auch nur über eine Sperrminorität. Die rechtspraktische Bedeutung ist jedenfalls innerhalb der EU relativ gering, weil die MutterTochter-RL bei geringerer Mindestbeteiligung ein vollständiges Quellenbesteuerungsverbot aufstellt (vgl. Rz. 19). Im Übrigen hat Deutschland (oder die EU) mit wichtigen Industriestaaten ebenfalls ein Quellenbesteuerungsverbot vereinbart. Nutzungsberechtigter ist eine Gesellschaft. Voraussetzung für die Gewährung des 87 Schachtelprivileges ist zunächst, dass der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine Gesellschaft ist. Der Begriff des „Nutzungsberechtigten“ ist in Rz. 73 ff. ausführlich kommentiert. Der Begriff der „Gesellschaft“ wird in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b legal definiert. Danach umfasst der Ausdruck „Gesellschaft“ sämtliche juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Kommentierung zu Art. 3 Rz. 13 ff., verwiesen werden. Im Übrigen ist der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a verwandte Begriff der Gesellschaft identisch mit dem in Art. 10 Abs. 1 verwandten Begriff, so dass auch auf die dortigen Ausführungen einschließlich der Probleme mit hybriden Rechtsträgern verwiesen werden kann (Rz. 29 ff.). Zu beachten ist lediglich, dass Deutschland grundsätzlich der anwenderstaatsorientierten Auslegung folgt, d.h. die Bestimmung der Frage, ob eine juristische Person oder ein Rechtsträger für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, grds. nach deutsch-steuerlichen Grundsätzen erfolgt (sog. Rechtstypenvergleich). Lediglich bei Qualifikationskonflikten will die Finanzverwaltung auf eine (nur) eingeschränkte Qualifikationsverkettung mit Blick auf die steuerliche Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers abheben (dazu sogleich Rz. 88). Keine Personengesellschaften. Insoweit ist der Klammerzusatz „jedoch keine Per- 88 sonengesellschaften“ an sich überflüssig. Nach dem BMF-Schr. v. 24.1.20122 soll allerdings auch eine Personengesellschaft, die nach dem ausländischen Steuerrecht als Kapitalgesellschaft behandelt wird, „Gesellschaft“ i.S.d. § 50d EStG sein können. Da der dortige Gesellschaftsbegriff auf einem abkommensrechtlichen Fundament ruht, wird man diese Frage auch für Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a mit der Finanzverwaltung beantworten müssen. Es steht Deutschland auch frei, die Wirkungen des Klammerzusatzes durch eine Anknüpfung an das Recht des Ansässigkeitsstaates zu vermeiden. Dies gilt selbst dann, wenn die Personengesellschaft nur steuerlich als „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b qualifiziert und nach ausländischem Gesellschaftsrecht eine Personengesellschaft bleibt. DBA wollen eine Doppelbesteuerung verhindern, weshalb allein die steuerliche Perspektive maßgeblich ist. Ob die im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E3 enthaltende partielle Qualifikationsverkettung auch die Frage der „ausländischen Gesellschaft“ im Sinne der Finanzverwaltung kodifiziert, kann man ggf. hinterfragen. Es wäre allerdings bei einer solchen partiellen Qualifikationsverkettung nur konsequent, auch diese Frage zu be-
1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 57. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 6. 3 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42.
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Art. 10 Rz. 88–91
Dividenden
jahen. Im Übrigen ändert § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E nichts an der im BMF-Schr. v. 24.1.20121 niedergelegten Rechtsauffassung der Finanzverwaltung. Wegen der Einzelheiten zu hybriden Personengesellschaften vgl. die Beispiele 7 bis 9 in Rz. 82 ff. 89
Besonderheiten bei Organ- und Gruppengesellschaften. Auch deutsche Organgesellschaften können als Nutzungsberechtigte einer Dividende in den Genuss des Schachtelprivileges kommen. Zum einen ändert die Einbeziehung in einen Organkreis nichts daran, dass die Organgesellschaft selbst steuerpflichtig bleibt und damit in Deutschland ansässig i.S.v. Art. 4 Abs. 1 ist. Zum anderen ändert die Zurechnung des Einkommens nach § 14 Abs. 1 KStG nichts daran, dass die Organgesellschaft Nutzungsberechtigte bleibt. Denn aufgrund der Technik der deutschen Organschaftsbesteuerung (Bruttomethode) werden die Einkünfte steuerlich zunächst der Organgesellschaft zugerechnet, um dort das dem Organträger zuzurechnende Einkommen zu ermitteln. Damit bleibt auch das maßgebliche wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft bei der Organgesellschaft.2 Da Deutschland allerdings im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a nicht der Anwenderstaat ist, muss man im Blick haben, dass diese Aussage auch von der Qualifikation durch den Quellenstaat abhängt. Deutschland als Anwenderstaat ermöglicht jedenfalls ausländischen Gesellschaften, die Mitglied einer (nach ausländischem Recht) steuerlichen Gruppe sind, deren Einkünfte konsolidiert werden, in den Genuss des Schachtelprivileges zu kommen.3
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Ansässigkeit im anderen Vertragsstaat. Die die Dividenden beziehende Gesellschaft muss im anderen Vertragsstaat ansässig sein. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a. Aus dem in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 enthaltenen allgemeinen Erfordernis, dass der Nutzungsberechtigte der Dividenden im anderen Vertragsstaat ansässig sein muss, ergibt sich jedoch zwingend, dass dann, wenn der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine Gesellschaft, diese ebenfalls im anderen Vertragsstaat ansässig sein muss. Wann eine Gesellschaft in einem Vertragsstaat ansässig ist, findet sich bereits im Zusammenhang mit Art. 10 Abs. 1 kommentiert, dort auch zu Problemen mit doppelansässigen Gesellschaften und Qualifikationskonflikten (vgl. Rz. 40 ff.). Im Übrigen kommt es nach der in Art. 4 Abs. 1 enthaltenen Legaldefinition darauf an, wo die Gesellschaft aufgrund ihres Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach dem Recht dieses Staates (unbeschränkt) steuerpflichtig ist. In Deutschland ist eine Gesellschaft unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland ihre Geschäftsleitung oder ihren statutarischen Sitz hat. Eines der beiden Kriterien genügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auch auf die Ausführungen zu Art. 4 Abs. 1 (Art. 4 Rz. 38 ff.) verwiesen.
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Kapitalbeteiligung von mindestens 25 %. Das Schachtelprivileg wird auch nur dann gewährt, wenn die nutzungsberechtigte Gesellschaft über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt.4 Das Kapital als Bezugsgröße ist im Zusammenhang mit dem Umfang der Beteiligung des Gesellschafters an den Ausschüttungen der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zu sehen. Da sich dies nach dem Gesellschafts- und nicht nach dem Steuerrecht richtet, ist das Kapital im gesellschaftsrechtlichen Sinne angesprochen. Es handelt sich dabei um das Nennkapital, im Regelfall um das in der Bilanz ausgewiesene Grund- oder Stammkapital (Art. 10 Rz. 15 Buchst. a und b OECD-MK). Unterschiede bei der Ausgestaltung der Gesellschaftsanteile (wie z.B. Stammaktien, Vorzugsaktien, stimmrechtslose Aktien, Inhaberaktien, Namensaktien etc.) bleiben ebenfalls unberücksichtigt (Art. 10 Rz. 15 Buchst. c OECD-MK). Veränderungen in der Beteiligung am Kapital können sich da-
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BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 69; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 87 ff. Vgl. BFH v. 19.2.1975 – I R 26/73, BStBl. II 1975, 584. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 73 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 31 f.; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 73 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 83 ff.; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 56 f.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 91–94 Art. 10
her grds. nur durch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen in Form von Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen ergeben. Kapitalbeteiligung bei anderen Finanzierungsformen. Andererseits sollen nach 92 Art. 10 Rz. 15 Buchst. d OECD-MK auch Darlehen und andere Mittel, die gesellschaftsrechtlich zwar kein Kapital darstellen, deren Erträge aber nach innerstaatlichem Recht unter Art. 10 fallen, als „Kapital“ i.S.v. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a anzusehen sein. Dies könnte man zwar mit dem Argument kritisieren, dass der OECD-MK keine rechtsbegründende Wirkung haben kann. Andererseits muss man aber auch berücksichtigen, dass das Kapital als Bezugsgröße im Zusammenhang mit dem Umfang der Beteiligung an den Ausschüttungen der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zu sehen sein soll. Ist das aber richtig, dann spricht einiges dafür, auch solche der die Dividenden zahlenden Gesellschaft überlassenen Mittel als „Kapital“ zu qualifizieren, die zu abkommensrechtlichen Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 führen. Der BFH hat gleichwohl für eine stille Beteiligung, deren Erträge nach dem betreffenden DBA als (fiktive) Dividenden galten, entschieden, dass es sich dabei um keine das Schachtelprivileg gewährende Kapitalbeteiligung handelt.1 Neben der Fiktion von Dividenden hätte dies auch die zusätzliche Fiktion einer Kapitalbeteiligung erfordert. Die Entscheidung ist zwar zu dem im Methodenartikel enthaltenen Schachtelprivileg ergangen, die dort entwickelten Grundsätze wird man aber aufgrund ihrer Deutlichkeit durchaus auf das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a übertragen können. Es dürfte auch schwierig sein, die Entscheidungsgrundsätze als bloße bereichsspezifische Ausnahme zur Vermeidung „weißer Einkünfte“ zu begreifen. Zwar ist die Entscheidung klar davon geprägt, die Entstehung solcher Einkünfte aufgrund „hybrider Finanzierungsinstrumente“ zu verhindern. Der BFH hat seine Begründung aber deutlich breiter angelegt. Man muss deshalb davon ausgehen, dass aus deutscher Sicht eine Beteiligung am Kapital in aller Regel nur eine solche am Nenn- oder Grundkapital sein wird. Damit dürften andere Finanzierungsformen, sofern diese zu keiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Kapital führen, vom Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a ausgenommen sein (z.B. Genuss-, Wandlungs- und Optionsrechte). Bestimmung der Kapitalbeteiligung und eigene Anteile. Die in Rz. 92 dargestellte 93 strenge formale Sicht dürfte im Übrigen auch zur Folge haben, dass von der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gehaltene eigene Anteile keinen Einfluss auf die Bestimmung des Beteiligungsumfangs haben, womit eigene Anteile nicht zu einer Verminderung des Kapitals für diesen Zweck führen.2 Bestimmung der Kapitalbeteiligung und Wertpapierleihe. Kaeser/Wassermeyer3 94 weisen zutreffend darauf hin, dass bei einer Wertpapierleihe der Entleiher neben dem zivilrechtlichen auch das volle wirtschaftliche Eigentum an den entliehenen Papieren erwirbt, und dass daher auch die über eine Wertpapierleihe vermittelten Anteile bei der Bestimmung der Kapitalbeteiligung zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass in der Regel über den Wertpapierleihzins ein Ausgleich für eine während der Leihe vereinnahmte Dividende an den Verleiher gezahlt werden muss, ändert an dieser Zurechnung nichts, da den Entleiher für den Zeitraum der Leihe alle Chancen und Risiken aus dem zugrundeliegenden Papier treffen und alle daraus resultierenden Rechte zustehen. Insofern unterscheidet sich die Wertpapierleihe von der unter Rz. 81 dargestellten bloßen Abtretung des Dividendenanspruchs. Für die Richtigkeit der vorstehenden Überlegung spricht im Übrigen auch, dass der Gesetzgeber im Rahmen der neuen Steuerpflicht von Streubesitzdividenden in § 8b Abs. 4 KStG die Wertpapierleihe für die Bestimmung der Mindestbeteiligungsquote von 10 % ausdrücklich ausnimmt. Dies hätte er nicht gemusst, wenn die Wertpapierleihe schon keine Beteiligung am Kapital vermittelt. Wollte der Gesetzgeber dies daher auch für abkom1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 Streitig, wie hier Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 57; a.A. Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECDMA Rz. 36, unter Hinweis auf eher nicht einschlägige BFH-Rspr. 3 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 69.
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Art. 10 Rz. 94–96
Dividenden
mensrechtliche Zwecke so haben, müsste er es (vorzugsweise in dem betreffenden DBA) regeln. 95
Geringere Beteiligung. Die Vertragsstaaten können nach Art. 10 Rz. 13 OECD-MK auch eine unter 25 % liegende Mindestbeteiligung vereinbaren. Dies soll insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der Staat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, aufgrund seines innerstaatlichen Steuerrechts der Gesellschaft eine Befreiung für Dividenden gewährt, die aus einer Beteiligung von weniger als 25 % an einer nichtansässigen Gesellschaft stammen. Aus deutscher Sicht wäre daher eine Absenkung der Mindestbeteiligung auf jedenfalls 15 % gerechtfertigt, weil dies die Mindestbeteiligungsvoraussetzung für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 1 GewStG ist, bei Maßgabe des Körperschaftsteuerrechts wäre mit Blick auf § 8b Abs. 4 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 eine Herabsetzung auf 10 % gerechtfertigt. Die deutsche Abkommenspraxis ist hier sehr uneinheitlich, z.T. wird das Mindestbeteiligungserfordernis aber bis auf 10 % abgesenkt (zu ausgewählten deutschen DBA vgl. Rz. 224 ff.). In wenigen Fällen ist es aber auch so, dass Deutschland abweichend von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eine höhere Mindestbeteiligung vereinbart. In diesen Fällen ist es dann aber auch zumeist so, dass die Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts nicht bei 5 %, sondern bei 0 % liegt (z.B. 80 % Mindestbeteiligung nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA, vgl. Rz. 466 ff.).
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Unmittelbarkeitserfordernis. Für die Gewährung des Schachtelprivileges verlangt Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a zusätzlich, dass die nutzungsberechtigte Gesellschaft „unmittelbar“ über mindestens 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Das OECD-MA selbst definiert nicht, was damit gemeint ist. Insoweit soll die Definition gem. Art. 3 Abs. 2 dem Anwenderstaat überlassen bleiben.1 Aus deutscher Sicht ist unbestritten, dass mittelbar über eine andere (Tochter-)Kapitalgesellschaft gehaltene Anteile nicht mit direkt gehaltenen Anteilen an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zusammengerechnet werden können. Dies ist auch abkommensrechtlich nachvollziehbar, weil die vermittelnde Kapitalgesellschaft selbst Nutzungsberechtigte ist. Schwieriger ist die Problematik, wenn Anteile über eine Personengesellschaft gehalten werden. Es konnte bereits gezeigt werden, dass Nutzungsberechtigte in diesem Fall die hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschafter sind (vgl. Rz. 88). Insoweit wäre es nur konsequent, aus steuerlicher Sicht darin keine mittelbare, sondern eine unmittelbare Beteiligung zu sehen. Insoweit wären über eine Personengesellschaft gehaltene Anteile mit direkt gehaltenen Anteilen an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zusammenzurechnen. Nach älterer Rechtsprechung soll dies allerdings nicht möglich sein. So soll die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft eine unmittelbare Beteiligung zumindest dann verhindern, wenn sich die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft im Gesamthandsvermögen befindet.2 Neuerdings hat der I. Senat des BFH zu § 9 Nr. 7 GewStG allerdings eine andere Auffassung vertreten.3 Man sollte mit Blick auf den Telos von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a überlegen, ob man die vom BFH angestellten Überlegungen nicht auf diese Regelung übertragen kann.4 Dies erscheint auch deshalb sachgerecht, weil es keinen Unterschied machen kann, ob die Anteile über eine aus Sicht beider Vertragsstaaten transparente Personengesellschaft oder aus Sicht nur eines Vertragsstaates transparente Personengesellschaft
1 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 71; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 102; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 91; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECDMA Rz. 55. 2 BFH v. 6.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761. 3 BFH vv. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685; der BFH hat darauf hingewiesen, dass es für die Gewährung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivileges nicht darauf ankommen kann, wie die Beteiligung im Inland strukturiert ist. 4 Im Ergebnis ebenso Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Grützner in G/K/G, Art. 104 OECD-MA Rz. 73 ff.; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 74; a.A. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 71.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 96–99 Art. 10
gehalten werden. Denn in letzterem Fall kann die Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schr. v. 24.1.20121 dazu führen, dass die Anteile dem hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschafter mit der Folge zuzurechnen sind, dass trotz der zivilrechtlichen Zwischenschaltung einer Personengesellschaft steuerlich eine unmittelbare Beteiligung besteht. Erst recht muss dies gelten, wenn die im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E enthaltene Regelung kodifiziert wird.2 In diesem Zusammenhang ist auch auf die vergleichbare Diskussion zu Art. 1 Abs. 7 DBA-USA hinzuweisen.3 97
Beispiel 1: Beteiligung über (intransparente) Kapitalgesellschaft Eine im anderen Vertragsstaat ansässige Muttergesellschaft M hält sämtliche Anteile an einer in demselben Vertragsstaat ansässigen Tochtergesellschaft T, die aus deutscher und ausländischer Sicht als intransparenter Rechtsträger besteuert wird, sowie daneben 20 % der Anteile an der deutschen D-GmbH. Die T hält ihrerseits weitere 10 % an der D-GmbH. Zwischen Deutschland und dem anderen Vertragsstaat besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Besteht für Dividenden der D-GmbH ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a? – Die Frage ist zu verneinen, da eine unmittelbare Beteiligung der M an der D-GmbH lediglich im Umfange von 20 % besteht. Die von der T gehaltene Beteiligung von 10 % kann nicht mit der von der M gehaltenen Beteiligung zusammengerechnet werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass M sämtliche Anteile an der T hält, da T selbst Nutzungsberechtigte der Dividenden ist. Beispiel 2: Beteiligung über (hybride) Personengesellschaft Ausgangsfall: Wie Fall 1, nur wird die T aus deutscher Sicht als intransparenter und aus ausländischer Sicht als transparenter Rechtsträger besteuert. Besteht für Dividenden der D-GmbH ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a? – Die Frage sollte zu bejahen sein. Nach Rz. 3 Satz 5 des BMFSchr. v. 24.1.20124 soll unabhängig von der deutsch-steuerlichen Qualifikation eines ausländischen Rechtsträgers die steuerliche Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat maßgeblich sein, sofern die Dividenden nach dem Recht des anderen Vertragsstaates dort steuerpflichtig sind. Dies führt vorliegend dazu, dass ungeachtet der deutsch-steuerlichen Qualifikation der T die Entlastungsberechtigung bei M liegt. Ist dies aber der Fall, dass ist es nur konsequent, die zivilrechtlich von der T gehaltenen Anteile an der D-GmbH mit den zivilrechtlich von der M gehaltenen Anteilen zusammenzurechnen. Dies führt zu einer (steuerlich) unmittelbaren Beteiligung von 30 %, die das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a eröffnet. Nach der im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E enthaltenden Regelung sollte dies in jedem Fall so sein, weil sich die Entlastungsberechtigung ausdrücklich (partiell) nach dem ausländischen Steuerrecht richtet. Abwandlung: Gilt dies auch, wenn die T aus deutscher Sicht als transparenter und aus ausländischer Sicht als intransparenter Rechtsträger besteuert wird. Die Frage sollte nach den vorstehenden Ausführungen zu verneinen sein. Denn rechnet das ausländische Steuerrecht der T die Anteile an der D-GmbH zu, dann wird Deutschland diese Zurechnung aufgrund des BMF-Schr. v. 24.1.20125 sowie aufgrund der im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E enthaltenden Regelung mit der Folge nachvollziehen, dass Nutzungsberechtigter bezogen auf den 10 %-Anteil die T und bezogen auf den 20 %-Anteil die M ist. Eine Zusammenrechnung dürfte damit für Zwecke des Schachtelprivileges nicht in Betracht kommen.
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Beispiel 3: Beteiligung über (transparente) Personengesellschaft
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Wie Fall 1, nur wird die T aus deutscher Sicht und ausländischer Sicht als transparenter Rechtsträger besteuert. Besteht für Dividenden der D-GmbH ein Anspruch auf teilweise Erstattung der Kapitalertragsteuer gem. § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a? – Die Frage sollte zu bejahen sein. Zwar soll nach älterer Rspr. die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft eine „unmittelbare“ Beteiligung zumindest dann verhindern, wenn sich die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft im Gesamthandsvermögen befindet.6 Da allerdings
1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 3 Satz 5. 2 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42. 3 Vgl. Schnitger in E/J/G/K, Art. 1 DBA-USA Rz. 76; Schönfeld, IStR 2007, 271; Sheppard, Tax Notes International 2006 (October 2), 96, 98; a.A. wohl FG Köln v. 24.4.2012 – 2 K 3928/09, EFG 2012, 1853; s. zu diesem Urteil Oellerich, ISR 2012, 15. 4 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. 5 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. 6 BFH v. 6.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761.
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Art. 10 Rz. 99–101
Dividenden
Nutzungsberechtigter der Anteile an der D-GmbH nach übereinstimmender Auffassung beider Vertragsstaaten die M ist, besteht aus teleologischer Sicht überhaupt kein Anlass, der M das Schachtelprivileg aus rein formalen (zivilrechtlichen) Gründen zu versagen. Es wäre auch ein echtes Novum, dass die zivilrechtliche Beurteilung die steuerliche Betrachtung schlägt. Hinzu kommt, dass nach Rz. 3 Satz 5 des BMF-Schr. v. 24.1.20121 sowie nach der im Entwurf des JStG 2013 in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG-E enthaltenden Regelung die steuerliche Zurechnung durch den anderen Vertragsstaat (partiell) maßgeblich sein soll. Dies führt nach dem Beispiel 2 (Ausgangsfall) dazu, dass bei hybriden Personengesellschaften eine unmittelbare Beteiligung gegeben sein kann. Ist dies aber zutreffend, dann muss dies erst recht dann gelten, wenn der (zivilrechtlich zwischengeschaltete) ausländische Rechtsträger aus Sicht beider Vertragsstaaten transparent ist.
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Zeitpunkt der Beteiligung. Das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a enthält anders als z.B. die Mutter-Tochter-RL oder verschiedene deutsche DBA (z.B. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA: 12 Monate) keine Vorgaben dazu, ob die Beteiligungsvoraussetzungen insbesondere zur Vermeidung von Missbräuchen über einen bestimmten Zeitraum unverändert erfüllt sein müssen (keine Mindestbeteiligungsdauer). Entscheidend ist allein, dass die Beteiligungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Entstehung der Quellensteuer vorliegen.2 Zum Besteuerungszeitpunkt im Falle Deutschlands als Quellenstaat vgl. ausführlich Rz. 64. Hierbei ist zu beachten, dass die über § 44 Abs. 2 Satz 1 EStG mögliche Steuerung des Besteuerungszeitpunktes durch Festlegung des (genauen!) Auszahlungszeitpunktes im Ausschüttungsbeschluss eine gewisse Flexibilität schafft, um die Beteiligungsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme des Schachtelprivileges (noch) herzustellen (hierzu auch sogleich unter Rz. 101).
101
Kein Missbrauch bei Herstellung der Beteiligungsvoraussetzungen kurz vor Steuerentstehung. Damit können die Beteiligungsvoraussetzungen zur Erlangung des DBA-Schachtelprivileges ggf. auch kurzfristig vor der Entstehung der Quellensteuer hergestellt werden. Soweit das betreffende DBA keine Mindestbeteiligungsvoraussetzung vorsieht, wird man darin auch keinen steuerlichen Gestaltungsmissbrauch sehen können. Daran ändern auch die (wohl anderweitigen) Überlegungen der OECD in Art. 10 Rz. 17 OECD-MK nichts. Zum einen haben diese keine rechtsbegründende Wirkung. Zum anderen sieht Art. 10 Rz. 17 OECD-MK die bloße Möglichkeit vor, Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a um einen entsprechenden Missbrauchsvorbehalt zu ergänzen. Solange dies aber nicht der Fall ist, bleiben die einzelnen Vertragsstaaten als Anwenderstaaten grds. berechtigt, abkommensrechtliche Missbräuche – vorbehaltlich eines ggf. unzulässigen „Treaty overrides“ (vgl. Systematik Rz. 148 ff.) – durch ihr innerstaatliches Steuerrecht zu verhindern. Insoweit sind diese Vorschriften zu beachten, aus deutscher Sicht ist dies § 50d Abs. 3 EStG. Da § 50d Abs. 3 EStG aber (auch nach Auffassung der Finanzverwaltung) lex specialis gegenüber der allgemeinen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO ist, bleibt neben 50d Abs. 3 EStG kein Raum für die Anwendung von § 42 AO.3 Damit kann auch die sog. Gesamtplanrechtsprechung nicht ergänzend zum Zuge kommen, da diese jedenfalls nach Auffassung des BFH lediglich einen Anwendungsfall von § 42 AO darstellt.4 Aus deutscher Sicht spricht daher nichts dagegen, wenn die Voraussetzungen für die Herstellung des Schachtelprivileges kurz vor Steuerentstehung hergestellt werden, selbst wenn diese kurz danach wieder entfallen. Sofern es dem Steuerpflichtigen insbesondere gelingt nachzuweisen, dass in Bezug auf die fraglichen Dividenden „für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe“ gegeben waren (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG), bleibt es beim Schachtelprivileg. In der Praxis werden sich aber bei derartigen Gestaltungen genau in diesem Punkt entsprechende
1 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. 2 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 77, 83; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 38; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 93; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 59. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 11. 4 BFH v. 19.1.2011 – X B 43/10, BFH/NV 2011, 636.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 101–104 Art. 10
Probleme ergeben, weil steuerliche Gründe keine solchen i.S.v. § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG sein sollen.1 Rechtsfolge: Begrenzung auf 5 % des Bruttobetrages der Dividende. Als Rechtsfol- 102 ge begrenzt Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf „5 v.H. des Bruttobetrages der Dividenden“. Damit bringt die Regelung zunächst zum Ausdruck, dass die maximale Quellenbesteuerung als Höchstsatz bei 5 % liegen darf. Den Vertragsstaaten steht es allerdings frei, einen geringeren Satz zu vereinbaren, wovon Deutschland in DBA z.T. Gebrauch gemacht hat. Daneben ist auch auf die Mutter-Tochter-RL hinzuweisen, die innerhalb der EU bei geringerer Mindestbeteiligung ein Quellenbesteuerungsverbot aufstellt (vgl. Rz. 19). Darüber hinaus enthält die Rechtsfolge einen Hinweis auf die Bemessungsgrundlage für die Begrenzung, nämlich den Bruttobetrag der Dividenden. Der Quellenstaat darf also nicht mehr als 5 % dieses Betrages an Steuern erheben. Was dabei unter dem „Bruttobetrag der Dividenden“ zu verstehen ist, ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem DBA. Vor dem Hintergrund der Regelung macht aber bereits der Begriff „Brutto“ deutlich, dass damit lediglich eine Klarstellung dahingehend erfolgt, dass die Quellensteuer „auf die „Brutto“-dividende, d.h. auf einen Betrag vor Abzug der Quellensteuer erhoben wird“.2 Daneben sollen auch Aufwendungen, die im Zusammenhang mit den fraglichen Dividenden stehen, nicht bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sein.3 c) 15 % in allen anderen Fällen (Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b) In allen anderen Fällen. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b begrenzt das Be- 103 steuerungsrecht des Quellenstaates schließlich in allen anderen Fällen auf 15 % des Bruttobetrages der Dividenden. Die Formulierung „in allen anderen Fällen“ bringt dabei in Abgrenzung zum Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a zum Ausdruck, dass in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b eine Auffangvorschrift für solche Fälle zu sehen ist, in denen die besonderen Voraussetzungen des Schachtelprivileges nicht erfüllt sind. Der Grundfall dürfte dabei der sein, dass der im anderen Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte über weniger als 25 % des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt (sog. Streubesitzanteile). Es sind allerdings auch andere Fälle denkbar. So greift Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b z.B. auch dann ein, wenn eine Beteiligung von mindestens 25 % besteht, der Nutzungsberechtigte aber keine „Gesellschaft“ ist (usw). Der Auffangcharakter von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b ändert aber nichts daran, dass die allgemeinen Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 erfüllt sein müssen, insbesondere muss der Nutzungsberechtigte eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person sein. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass ausländische Kapitalgesellschaften als Dividendenempfänger nach § 44a Abs. 9 EStG einen Anspruch auf Verminderung der Kapitalertragsteuer um zwei Fünftel haben (gegenwärtig also auf 15 % zzgl. SolZ). Rechtsfolge: Begrenzung auf 15 % des Bruttobetrages der Dividende. Die Begren- 104 zung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates erfolgt auf „15 v.H. des Bruttobetrages der Dividenden“. Was unter dem „Bruttobetrag der Dividenden“ zu verstehen ist, ergibt sich aus den Ausführungen zu den identischen Begriffen in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (vgl. Rz. 102). Im Übrigen gilt aber auch hier, dass 15 % lediglich einen Höchstsatz darstellt und die Vertragsstaaten einen geringeren Satz vereinbaren können. Deutschland hat von dieser Möglichkeit nur in wenigen DBA Gebrauch gemacht (z.B. DBA-China und DBA-Indien mit 10 %). Bemerkenswert ist allerdings auch, dass einige deutsche DBA sogar einen höheren Satz enthalten (z.B. DBA-Israel mit 25 %).
1 Kritisch dazu Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 123, m.w.N. 2 BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, 63. 3 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 56; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 28.
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Art. 10 Rz. 105–107
Dividenden
II. Durchführung der Begrenzungsbestimmung (Absatz 2 Satz 2) 1. Regelungszweck 105
Keine verfahrensrechtlichen Vorgaben. Art. 10 enthält keinerlei verfahrensrechtliche Vorgaben zur Durchführung der Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates. In technischer Hinsicht bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie der Quellenstaat das ihm zugewiesene Besteuerungsrecht (max. 5 % bei Schachteldividenden, ansonsten max. 15 %) wahrnimmt. So wäre z.B. denkbar, dass der Quellenstaat die (der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden) Dividenden erst im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens steuerlich erfasst und hierbei die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b genannten Höchstsätze zur Anwendung bringt. Zur Sicherstellung der Besteuerung an der Quelle kann der Quellenstaat aber auch den Einbehalt und die Abführung einer Quellensteuer verlangen. Hierbei wäre wiederum denkbar, dass die Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts direkt bei der Erhebung der Quellensteuer umgesetzt wird. Denkbar ist aber auch, dass zunächst eine höhere Quellensteuer erhoben wird, die danach unter Berücksichtigung der Höchstsätze (teilweise) zu erstatten ist. Deutschland praktiziert zur Umsetzung der DBArechtlichen Vorgaben in § 50d Abs. 1 und 2 EStG ein Mischsystem (vgl. Rz. 107 ff.).
106
Durchführung soll durch Finanzverwaltungen geregelt werden. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 überlässt es indes den Finanzbehörden der Vertragsstaaten, in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln, welcher der in Rz. 105 dargestellten Wege zur Durchführung der Begrenzung des Quellenbesteuerungsrechts eingeschlagen werden soll. Aus deutscher Sicht ist eine solche Kompetenzzuweisung zur Exekutive schon deshalb bedenklich, weil die Durchführung der Begrenzung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates nicht nur begünstigende, sondern auch belastende Wirkungen haben kann. Dies gilt nicht nur aufgrund der möglichen Inanspruchnahme der die Dividenden zahlenden Gesellschaft als Haftungsschuldner,1 sondern auch bereits deshalb, weil es nicht der Finanzverwaltung überlassen bleiben kann, ob ein bestehendes (teilweises) Besteuerungsverbot unmittelbar an der Quelle im Rahmen einer Freistellung oder (im schlimmsten Falle) erst Jahre später im Rahmen einer Erstattung vollzogen wird. Vielmehr gilt uneingeschränkt der Vorbehalt des Gesetzes, so dass aus deutscher Sicht durch Gesetz zu regeln ist, wie die Begrenzung des deutschen Besteuerungsrechts verfahrensrechtlich durchgeführt wird. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 ist damit aus deutscher Sicht leerläufig. 2. Durchführung in Deutschland
107
Erstattungsverfahren, § 50d Abs. 1 EStG. In Deutschland wird das nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 begrenzte Besteuerungsrecht dergestalt umgesetzt, dass gem. § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst ungeachtet der abkommensrechtlichen Vorgaben deutsche Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zzgl. SolZ einzubehalten und abzuführen ist. Auf Antrag des Gläubigers der Kapitalerträge wird jedoch die den abkommensrechtlichen Höchstsatz übersteigende Kapitalertragsteuer erstattet. Den Begriff des „Gläubigers“ der Kapitalerträge versteht die Rspr. nicht im zivilrechtlichen, sondern im steuerlichen Sinne.2 Gläubiger soll daher der die Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 beanspruchende Nutzungsberechtigte sein. Dies kann insbesondere bei einer (aus Sicht beider Vertragsstaaten transparenten) Personengesellschaft problematisch sein, weil nicht diese die Nutzungsberechtigte der Dividenden ist, sondern die hinter der Personengesellschaft stehenden Gesellschafter. Folglich müssten die Gesellschafter den Erstattungsantrag stellen, was sich bei großen Personengesellschaften aus praktischer Sicht als durchaus schwierig erweisen kann. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass bei hybriden Personengesellschaften als Dividendenempfängern nach der gesetzlichen Fiktion des § 50d Abs. 1 Satz 11
1 Darauf zutreffend hinweisend Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 85; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 96. 2 BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 107–108 Art. 10
EStG-E i.d.F. des JStG 20131 derjenige der Gläubiger der Kapitalerträge sein soll, dem der andere Vertragsstaat die Dividenden steuerlich zurechnet. Entsprechend ist dies auch der Antragsteller. Der Antrag ist innerhalb einer Frist von vier Jahren auf amtl. Vordruck beim BZSt zu stellen, § 50d Abs. 1 Satz 9 EStG. Die Regelung des § 50d Abs. 1 EStG enthält keine ausdrückliche Frist, innerhalb derer das BZSt über den Erstattungsantrag zu entscheiden hat. Es spricht aber eigentlich einiges dafür, die Dreimonatsfrist des § 50d Abs. 2 Satz 6 EStG entsprechend anzuwenden. Jedenfalls muss dies für solche Fälle gelten, in denen alternativ zum Erstattungsverfahren auch das Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG in Betracht käme (aber lediglich wegen des bereits durchgeführten Steuerabzugs nicht mehr beansprucht werden kann). Denn die Dreimonatsfrist des § 50d Abs. 2 Satz 6 EStG gilt auch für solche Fälle, in denen zunächst ein Antrag auf Freistellung gestellt worden ist, aber vor Erteilung der Freistellungsbescheinigung durch das BZSt die Ausschüttung mit Steuerabzug vorgenommen worden ist; in diesem Fall wandelt sich nämlich die erteilte Freistellungsbescheinigung in einen Freistellungsbescheid i.S.v. § 50d Abs. 1 EStG mit der Folge, dass ohne weiteren Antrag eine Erstattung der Kapitalertragsteuer zu erfolgen hat. Nichts anderes kann aber gelten, wenn sogleich der Erstattungsantrag gestellt wird. Die Notwendigkeit einer Bearbeitungsfrist ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die zu viel einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht verzinst wird (vgl. § 233a Abs. 1 Satz 2 AO). Die Verzinsungsregelung des § 50d Abs. 1a EStG ist auf die in § 50g EStG genannten Fälle beschränkt. Freistellungsverfahren, § 50d Abs. 2 EStG. Neben dem in § 50d Abs. 1 EStG gere- 108 gelten Erstattungsverfahren besteht die Möglichkeit eines Freistellungsverfahrens gem. § 50d Abs. 2 EStG, um die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 bereits beim Steuerabzug durchzuführen. Dies setzt voraus, dass das BZSt dem Gläubiger der Kapitalerträge aufgrund eines auf amtl. Vordruck gestellten Antrages eine Freistellungsbescheinigung erteilt. Das Freistellungsverfahren steht dabei nur Kapitalgesellschaften als Gläubigern der Kapitalerträge zu, die im anderen Vertragsstaat ansässig sind und unmittelbar über mindestens 10 % des Nennkapitals der ausschüttenden (deutschen) Gesellschaft verfügen. Damit können insbesondere nicht natürliche Personen das Freistellungsverfahren beanspruchen. Das Freistellungsverfahren ist im Übrigen auch für solche Kapitalgesellschaften interessant, die nicht in den Genuss des Schachtelprivileges des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a kommen (z.B. weil die Beteiligung unter 25 %, aber mindestens 10 % beträgt). Zwar besteht in diesem Falle auch ein unilateraler Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer i.H.v. zwei Fünfteln gem. § 44a Abs. 9 EStG. Allerdings verbleibt danach die Möglichkeit der Erhebung des SolZ, so dass die Besteuerung im Vergleich zu Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b insgesamt mehr als 15 % beträgt. Zum anderen verweist § 44a Abs. 9 Satz 2 EStG nicht auf § 50d Abs. 2 EStG, womit nur das Erstattungs-, nicht aber auch das Freistellungsverfahren ermöglicht wird. Das kann unter Liquiditätsgesichtspunkten von Bedeutung sein. Die Freistellung kann unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt und von Auflagen oder Bedingungen abhängig gemacht werden, § 50d Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Geltungsdauer der Freistellung beginnt frühestens mit dem Tag des Eingangs des Antrags beim BZSt und beträgt mindestens ein Jahr und darf drei Jahre nicht überschreiten, § 50d Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 EStG. In der Praxis ist es so, dass die Freistellung regelmäßig für drei Jahre erteilt wird, der Gläubiger der Kapitalerträge aber verpflichtet bleibt, den Wegfall der Voraussetzungen für die Erteilung der Freistellung dem BZSt gegenüber anzuzeigen, § 50d Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 EStG. Zu beachten ist ferner, dass die Erteilung der Freistellungsbescheinigung zwar ab dem Tag des Eingangs des Antrags beim BZSt erfolgen kann, die Freistellungsbescheinigung aber keine Rückwirkung dahingehend entfalten soll, dass der Schuldner der Kapitalerträge bereits ab Antragstellung nur noch in dem im DBA genannten Umfange zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer verpflichtet sein soll. Dies erscheint wenig sachgerecht, weil es keinen Sinn macht, einerseits die Geltung der Freistellung ab Antrag-
1 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42.
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Art. 10 Rz. 108–109
Dividenden
stellung zu ermöglichen, der Freistellung aber die rechtliche Wirkung für den Schuldner der Kapitalerträge erst mit Erteilung und Aushändigung an den Schuldner zubilligt. Zwar ist nach § 50d Abs. 2 Satz 5 EStG Voraussetzung für die Abstandnahme vom Steuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge, dass ihm die Freistellungsbescheinigung vorliegt. Die Regelung soll aber lediglich den ungehinderten Haftungszugriff auf den Schuldner der Kapitalerträge ermöglichen. Hierfür besteht aber kein Bedürfnis, wenn die Freistellungsbescheinigung mit Wirkung für einen vor der Entstehung der Kapitalertragsteuer liegenden Zeitpunkt erteilt wird. Hier liegt es letztlich in der Risikosphäre des Schuldners der Kapitalerträge, ob er darauf vertraut, dass die Freistellungsbescheinigung tatsächlich erteilt wird. Aufgrund dieser Unsicherheiten sollte der Schuldner der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer vorsorglich einbehalten, da anderenfalls z.B. Säumniszuschläge nach § 240 AO drohen. Anders als im Erstattungsverfahren besteht gem. § 50d Abs. 2 Satz 6 EStG die Verpflichtung des BZSt binnen einer Frist von drei Monaten über den Antrag zu entscheiden. Da die Frist allerdings gem. § 50d Abs. 2 Satz 7 EStG erst mit der Vorlage aller für die Entscheidung erforderlichen Nachweise beginnt, kann hier insbesondere mit Blick auf die Nachweise nach § 50d Abs. 3 EStG ein gewisser Spielraum bestehen. 109
Missbrauchsvorbehalt, § 50d Abs. 3 EStG. Die Entlastungsansprüche nach § 50d Abs. 1 (Rz. 107) und Abs. 2 (Rz. 108) stehen unter dem typisierenden Missbrauchsvorbehalt des § 50d Abs. 3 EStG. Danach hat eine ausländische Gesellschaft keinen Anspruch auf völlige oder teilweise Entlastung nach § 50d Abs. 1 und Abs. 2, soweit Personen an ihr beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie (1.) in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder (2.) die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Die Regelung ist bereits sprachlich komplex und die Auslegung wesentlicher Tatbestandsvoraussetzungen ist hochumstritten.1 In der Praxis bereitet die Anwendung erhebliche Schwierigkeiten. Das BMF-Schr. v. 24.1.20122 hilft hier nur begrenzt weiter. Inwieweit eine solche typisierende und ggf. einen sog. „Treaty override“ bewirkende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift zulässig ist, um eine unangemessene Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen zu verhindern (Stichwort: „Treaty-Shopping“), wird zunehmend unter verfassungs- und europarechtlichen Gesichtspunkten kritisch diskutiert (vgl. Systematik Rz. 149 ff.). Selbst wenn man sich aber grundsätzlich für diese Möglichkeit ausspricht, ergibt sich aus dem (verfassungs- und europarechtlich fundierten) Verhältnismäßigkeitsgebot, dass eine typisierende Missbrauchsbekämpfungsvorschrift nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung des legislativen Zieles erforderlich ist. Für den Steuerpflichtigen sollte daraus die Möglichkeit folgen, den typisierten Missbrauchsvorwurf im Rahmen eines Gegenbeweises entkräften zu können (vgl. ausführlich Systematik Rz. 162 ff.). Für § 50d Abs. 3 EStG wird ganz überwiegend bezweifelt, ob die Regelung diesen Anforderungen gerecht wird.3 Hinzuweisen ist ferner darauf, dass nach richtiger (und nunmehr auch von der Finanzverwaltung im Grds. geteilter4) Auffassung § 50d Abs. 3 EStG die gegenüber § 42 AO speziellere Vorschrift darstellt.5 Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG vor, so greifen die Rechtsfolgen der Regelung auch dann ein, wenn die Voraussetzungen von § 42 AO nicht gegeben sind. Umge-
1 Zu weiteren Einzelheiten der Neufassung durch das BeitrRLUmsG vgl. Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 29g ff.; Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80; Maerz/Guter, IWB 2011, 923; Dorfmueller/ Fischer, IStR 2011, 857; Lüdicke, IStR 2012, 81. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171. 3 Vgl. dazu auch Kraft/Gebhardt, DB 2012, 80; Maerz/Guter, IWB 2011, 923; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857; Lüdicke, IStR 2012, 81. 4 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 11. 5 So FG Köln v. 16.3.2006 – 2 K 2916/02, EFG 2006, 980; Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 30; Ritzer/Stangl, FR 2006, 757, 762 f., jeweils m.w.N.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaates (Absatz 2)
Rz. 109–112 Art. 10
kehrt bleibt für eine Anwendung von § 42 AO kein Raum, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen von § 50d Abs. 3 EStG nicht vorliegen.1 Wenn die Finanzverwaltung demgegenüber eine Prüfung von § 42 AO verlangt, so entbehrt dies einer rechtssystematischen Grundlage und vor allem der eigenen Einsicht von der Spezialität des § 50d Abs. 3 EStG gegenüber § 42 AO.2 Daran ändert auch § 42 Abs. 2 AO i.d.F. des StÄndG 2001 nichts, weil in Fällen des § 50d Abs. 3 EStG die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 AO, auf die auch dessen Abs. 2 abstellt, infolge des spezialgesetzlichen Wertungsvorrangs verdrängt werden.3 Folgen eines Verstoßes gegen die Einbehaltungspflicht. Verstößt der Schuldner 110 der Kapitalerträge vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Pflicht, die gesetzliche Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen, so haftet er gem. § 44 Abs. 5 EStG für diese Kapitalertragsteuer. Der Schuldner der Kapitalerträge kann sich im Haftungsverfahren insbesondere nicht auf etwaige Rechte des Gläubigers der Kapitalerträge aus Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 berufen (§ 50d Abs. 1 Satz 12 EStG). Im eigenen Haftungsinteresse sollte sich daher der Schuldner der Kapitalerträge stets die Freistellungsbescheinigung vorlegen lassen (§ 50d Abs. 2 Satz 5 EStG) und in allen anderen Fällen den Steuerabzug vornehmen. Dies gilt selbst dann, wenn der Schuldner der Kapitalerträge etwaige Zweifel haben sollte, ob die Kapitalerträge überhaupt einem Steuerabzug unterliegen. Im Rahmen des Art. 10 kann es dabei mitunter zweifelhaft sein, ob die Zahlungen als Dividenden oder z.B. als Zinsen zu qualifizieren sind. Im letzteren besteht nur in engen Grenzen eine Verpflichtung zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer für eine die Kapitalerträge „auszahlende Stelle“ (vgl. § 44 Abs. 1 EStG). Folgen eines zu Unrecht vorgenommenen Steuerabzugs. Nimmt der Schuldner der 111 Kapitalerträge den Steuerabzug zu Unrecht vor (z.B. weil es bereits an der beschränkten Steuerpflicht fehlt), dann kann der Gläubiger der Kapitalerträge die Steueranmeldung anfechten (was aber nur einer eingeschränkten Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegt; bei Zweifeln des Schuldners ist die Steueranmeldung bereits rechtmäßig). Parallel kann er auch die Erstattung beantragen, dann aber in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG, wobei nicht das BZSt, sondern das Betriebsstättenfinanzamt des Schuldners der Kapitalerträge örtlich zuständig sein soll. Bei einer entsprechenden Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG hätte man sich eigentlich auch eine entsprechende Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG und damit eine Zuständigkeit des BZSt vorstellen können. Der BFH hat aber erst wieder kürzlich entschieden, dass er diese Analogie für Zuständigkeitsfragen nicht ziehen will.4 Um sich in der Zukunft vor einem unrechtmäßigen Steuerabzug zu schützen, sollte der Gläubiger der Kapitalerträge in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 2 EStG beim Betriebsstättenfinanzamt einen feststellenden Verwaltungsakt dergestalt begehren können, dass künftig kein Steuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge durchzuführen ist. Es wäre wertungswidersprüchlich, wenn zwar eine Erstattung in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG begehrt werden könnte, nicht aber auch eine in die Zukunft wirkende Freistellung in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 2 EStG. Das betreffende Betriebsstättenfinanzamt hat auch ein eigenes Interesse daran, um in der Zukunft nicht ständig mit Erstattungsanträgen überzogen zu werden. Kontrollmeldeverfahren, § 50d Abs. 6 EStG. Nach § 50d Abs. 6 EStG gilt das in § 50d 112 Abs. 5 EStG geregelte Kontrollmeldeverfahren auch für Dividenden, wenn sich im Zeitpunkt der Zahlung des Kapitalertrags der Anspruch auf Besteuerung nach einem niedrigeren Steuersatz ohne nähere Ermittlungen feststellen lässt. Das BZSt ermäch1 Zutreffend Füger/Rieger, IStR 1998, 353; Fischer, SWI 1999, 196; Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 24, 30; Vogel, StuW 1996, 251; zur Abschirmwirkung der spezielleren Vorschrift gegenüber § 42 AO vgl. auch BFH v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50, m.w.N. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 11. 3 So zur Vorgängerfassung des § 50d Abs. 1a EStG ausdrücklich FG Köln v. 16.3.2006 – 2 K 1139/02, IStR 2006, 425; ebenso Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 30. 4 BFH v. 11.1.2012 – I R 25/10, BFH/NV 2012, 871.
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Art. 10 Rz. 112–115
Dividenden
tigt in diesem Fall auf Antrag den Schuldner der Kapitalerträge, in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung ein vereinfachtes Verfahren (Kontrollmeldeverfahren) anzuwenden. Im Kontrollmeldeverfahren unterlässt der Schuldner der Kapitalerträge von sich aus bei Gläubigern, die in einem ausländischen Staat ansässig sind, mit dem ein entsprechendes DBA besteht, den Steuerabzug oder nimmt diesen nur nach dem gem. dem DBA höchstens zulässigen Satz vor. Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Schuldner der Kapitalerträge für jeden Gläubiger dem Bundeszentralamt für Steuern und dem für ihn zuständigen FA jeweils eine „Jahreskontrollmeldung“ zu übersenden. Weitere Einzelheiten zur Anwendung des Kontrollmeldeverfahrens auf grenzüberschreitende Dividenden regelt das BMF-Schr. v. 20.5.2009.1
III. Keine Beschränkung des Besteuerungsrechtes für Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft (Absatz 2 Satz 3) 113
Vorschrift hat nur klarstellenden Charakter. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 regelt schließlich, dass die Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 nicht das Recht des Quellenstaates berührt, die Gewinne der die Dividenden zahlenden Gesellschaft, die später die Dividenden speisen, besteuern zu können. Hier können sich abkommensrechtliche Einschränkungen allenfalls aus anderen Verteilungsvorschriften bzw. aus dem Methodenartikel ergeben. Die Regelung in Art. 10 Abs. 2 Satz 3 hat allenfalls klarstellende Bedeutung. Kaeser/Wassermeyer weisen zutreffend darauf hin, dass die Vorschrift eigentlich überflüssig ist und abgeschafft gehört.2 Bereits nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 steht unmissverständlich fest, dass diese Regelung nur die Besteuerung der Gesellschafter, nicht aber auch die der Gesellschaft betrifft. Der Umstand, dass die Gesellschaft vielfach im Rahmen des Quellensteuereinbehalts steuerliche Pflichten der Gesellschafter erfüllt, ändert daran nichts.
D. Dividendenbegriff (Absatz 3) I. Regelungszweck 114
Definition des Dividendenbegriffs für Anwendung von Art. 10 Abs. 2 (Quellenstaat). Art. 10 Abs. 3 enthält eine Legaldefinition des Begriffs „Dividenden“ für die Anwendung „in diesem Artikel“, d.h. für den gesamten Art. 10. An anderer Stelle konnte allerdings bereits darauf hingewiesen werden, dass der materielle Kern von Art. 10 in der Begrenzung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates durch Art. 10 Abs. 2 besteht (vgl. Rz. 70). Die Bestätigung des Besteuerungsrechtes des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers ist lediglich klarstellender Natur (vgl. Rz. 24). Daher liegt die praktische Bedeutung der Definition des Dividendenbegriffs in erster Linie darin, den Dividendenbegriff für den Quellenstaat vorzugeben.3
115
Bedeutung der Definition für Anwendung von Art. 10 Abs. 1 (Wohnsitzstaat). Ungeachtet dessen ergibt sich aber bereits aus der in Art. 10 Abs. 3 enthaltenen Formulierung „in diesem Artikel verwendete Ausdruck“, dass Adressat der Dividendendefinition nicht nur der Quellenstaat, sondern auch der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers ist.4 Auch wenn Art. 10 Abs. 1 lediglich das Besteuerungsrecht des letztgenannten Staates bestätigt, so richtet sich doch Art. 10 Abs. 1 unstreitig an den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers. Damit ist die umstrittene Frage, ob die Dividendendefinition auch für den Ansässigkeitsstaat im Rahmen der Anwendung des Methodenartikels des Art. 23 A/B (sowie für ein ggf. dort enthaltenes Schachtelprivileg) von Bedeutung ist, im Sinne einer grds. Maßgeblichkeit von Art. 10 Abs. 3 auch für den Ansässigkeitsstaat zu beantworten. Die Entscheidung des
1 2 3 4
BMF v. 20.5.2009 – IV B 5 - S 2411/07/10021 (2009/0230615), BStBl. I 2009, 645. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 99. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 92; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 55; Kaeser/ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 108; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 184.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 115–116 Art. 10
BFH v. 4.6.20081 steht dem nicht entgegen. Vielmehr hat der BFH ausdrücklich entschieden, dass die Sachzusammenhänge und die systematischen Verknüpfungen zwischen dem Verteilungsartikel des Art. 10 Abs. 1 und dem Methodenartikel, dessen Adressat der Wohnsitzstaat ist, dafür sprechen, dass die Dividendendefinition im Grundsatz hier wie dort gleichermaßen einschlägig ist. Soweit das jeweilige DBA keine anderweitige Begriffsdefinition der Dividende enthalte, sei auch nicht erkennbar, dass der Methodenartikel aus sich heraus ein abweichendes Begriffsverständnis geböte. Nicht zuletzt wäre es – so zutreffend der BFH – bei einem anderweitigen Verständnis ausgeschlossen, die jeweilige Quellensteuer nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 Buchst. a auf die im Wohnsitzstaat erfassten Dividenden anzurechnen. Dafür soll es auch keine Rolle spielen, ob die Dividenden solche originärer oder aber nur fiktiver Art sind, wie es z.B. in manchen deutschen DBA für Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung der Fall ist.2 Eingeschränkte Qualifikationsverkettung für abkommensrechtliche Zwecke. Aus 116 der vorstehend beschriebenen Maßgeblichkeit der Dividendendefinition sowohl für den Quellenstaat als auch für den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers soll sich nach teilweise vertretener Auffassung indes nicht zugleich ergeben, dass der Begriff im Sinne einer Qualifikationsverkettung in beiden Staaten identisch auszulegen sein soll.3 Insbesondere soll der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nicht an die Definition durch den Quellenstaat gebunden sein. Dem kann nicht uneingeschränkt gefolgt werden.4 Für eine Bindung des Ansässigkeitsstaates an die Definition nach dem Recht des Quellenstaates spricht zunächst das vom BFH in der Entscheidung v. 4.6.20085 herangezogene Argument, wonach eine Anrechnung der Quellensteuern im Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers eine Begriffsidentität erfordert. Zudem ergibt sich jedenfalls für die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 geregelten Dividenden, dass sich deren Qualifikation ausdrücklich nach der steuerlichen Einordnung nach dem Recht des Quellenstaates richtet. Die Bindung besteht dabei nicht hinsichtlich der Qualifikation durch den Quellenstaat, sondern hinsichtlich der Qualifikation nach dem Steuerrecht des Quellenstaates, weshalb der Ansässigkeitsstaat das Recht des Quellenstaates autonom anwendet.6 Der BFH stellt in der Entscheidung v. 4.6.20087 auch fest, dass die direkt durch das DBA (z.B. im Wege einer Fiktion) oder indirekt durch den Quellenstaat (z.B. durch Anwendung von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3) vorgegebene Dividendendefinition den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nicht davon entbindet, die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 10 oder ggf. eines in Art. 23 enthaltenen Schachtelprivileges autonom zu prüfen. So bleibt es z.B. nach Art. 10 Abs. 1 dabei, dass die nach Art. 10 Abs. 3 definierten „Dividenden“ von einer „Gesellschaft“ stammen müssen. Auch verlangt ein in Art. 23 enthaltenes Schachtelprivileg typischerweise eine bestimmte „Beteiligung am Kapital“ dieser Gesellschaft. Der Quellenstaat mag diese Voraussetzungen für sich bejahen. Der Ansässigkeitsstaat ist aber daran nicht gebunden, weil die Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 diese Voraussetzungen gerade nicht enthält. Dies kann zwar ebenfalls zu Qualifikationskonflikten führen mit der Folge, dass z.B. die Anrechnung einer ausländischen Quellensteuer ausscheidet, letztlich ist diese Konsequenz aber ebenfalls in der Entscheidung des BFH angelegt. Was die hier präferierte eingeschränkte Qualifikationsverkettung für den Dividendenbegriff anbelangt, so könnte man allenfalls überlegen, ob sich diese tatsächlich auch auf die ersten beiden Fallgruppen der Dividendendefinition (Einkünfte aus Aktien u.Ä. [Fallgruppe 1] und Einkünfte aus anderen
1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793, unter Hinweis u.a. auf Wagner, StBp 2001, 349; Wagner, Stbg 2007, 21; Suchanek/Herbst, FR 2003, 1108; Suchanek/Herbst, FR 2006, 1112; Rödder/Ritzer, IStR 2006, 666; Wassermeyer, IStR 2007, 413; allgemein Vogel in V/L5, Art. 23 OECDMA Rz. 108; a.A. Fries, IStR 2005, 805. 3 So z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 109. 4 Zutreffend Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 184. 5 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 6 So treffend Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 149. 7 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
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Art. 10 Rz. 116–118
Dividenden
Rechten [Fallgruppe 2]) erstrecken soll, weil lediglich die Fallgruppe 3 (Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen) nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf das Steuerrecht des Quellenstaates abhebt. Es erschiene allerdings etwas merkwürdig, in Abhängigkeit von der jeweiligen Fallgruppe zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Zudem ließe das Anrechnungsargument des BFH für eine fallgruppenübergreifende (eingeschränkte) Qualifikationsverkettung des Dividendenbegriffs anführen. Gleichwohl ist der BFH (zum DBA-Brasilien) diesen Überlegungen nicht gefolgt und sieht allenfalls eine Bindung an das Recht des Quellenstaates für Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3.1 Überzeugen kann diese Entscheidung jedoch nicht. Zwar ist zuzugeben, dass die streitgegenständliche Eigenkapitalverzinsung in Brasilien dazu diente, die Folgen der Hyperinflation abzumildern. Auch wird man daher dem BFH aus wirtschaftlicher Sicht durchaus zustimmen können. Der Wertungswiderspruch dieser Entscheidung wird jedoch deutlich, wenn man sich vorstellt, dass anstelle einer brasilianischen AG z.B. eine (der GmbH ähnlichen) Limitada die Ausschüttung der Eigenkapitalverzinsung vornimmt. Hält man sich – mit dem BFH – streng an den Wortlaut von Art. 10, dann fällt die Limitada nicht unter die 1. Fallgruppe, sondern unter die 3. Fallgruppe mit der Folge, dass es auf die steuerliche Qualifikation durch den Quellenstaat Brasilien ankommt. Und ist die Ausschüttung danach als „Zins“ zu qualifizieren, liegen abkommensrechtlich keine „Dividenden“ vor. Warum das bei einer brasilianischen AG anders sein soll, ist nicht wirklich einleuchtend. Der Vergleich mit der Limitada zeigt vielmehr, dass das Problem allein in Brasilien liegt. Würde Brasilien die Eigenkapitalverzinsung nach dem innerstaatlichen Steuerrecht als „Dividenden“ qualifizieren, wären abkommensrechtlich in allen drei Fallgruppen des Art. 10 auch abkommensrechtliche Dividenden gegeben. Die Abzugsfähigkeit der „Dividenden“ in Brasilien würde dabei der Qualifikation als abkommensrechtliche Dividenden nicht entgegenstehen. Man muss vielmehr sehen, dass der Abzug von Dividenden in manchen Rechtsordnungen vorgesehen ist, um eine Doppelbesteuerung zu verhindern. Hier ersetzt der Abzug unseren § 8b Abs. 1 KStG. Daher bleibt zu hoffen, dass der BFH seine Entscheidung irgendwann noch einmal überdenkt. In naher Zukunft wird man das aber nicht erwarten können, so dass man mit den Konsequenzen aus rechtspraktischer Sicht zunächst leben muss. 117 Beispiel 1: Grundfall An der ausländischen A-Co ist zu 100 % eine in Deutschland ansässige natürliche Person D beteiligt. Die A-Co wird nach dem Recht beider Staaten als Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b qualifiziert. Die A-Co schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an D aus, wovon sie 15 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der A-Co wird die Gewinnausschüttung den Einkünften aus Aktien gleichgestellt und damit unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 subsumiert. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA unter Vereinbarung der Freistellungsmethode des Art. 23A. Hat D einen Anspruch auf Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. Art. 23A Abs. 2? – Die Frage ist zu bejahen. Da der Ansässigkeitsstaat der A-Co die Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 fasst, ist Deutschland daran gebunden und hat die Quellensteuer nach Art. 23A Abs. 2 anzurechnen.
118 Beispiel 2: Keine Gesellschaft Wie Fall 1, nur wird die A-Co nach dem Recht ihres Ansässigkeitsstaates als Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b qualifiziert, während sie aus deutscher Sicht als transparent behandelt wird. Die A-Co schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an D aus, wovon sie 15 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt. Nach dem Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates der A-Co wird die Gewinnausschüttung den Einkünften aus Aktien gleichgestellt und damit unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 subsumiert. Das deutsche DBA entspricht dem OECD-MA unter Vereinbarung der Freistellungsmethode des Art. 23A. Hat D einen Anspruch auf Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gem. Art. 23A Abs. 2? – Die Frage ist zu verneinen. Zwar fasst der Ansässigkeitsstaat der A-Co die Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3, so dass begrifflich „Dividenden“ vorliegen, woran Deutschland gebunden ist. Gleichwohl scheidet eine Anrechnung nach Art. 23A Abs. 2 aus, da für die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 erforderlich ist, dass es sich bei der A-Co um eine „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b handelt, was Deutschland als Anwenderstaat autonom bestimmen kann. Aus deutscher Sicht handelt es sich aber um einen transparenten Rechtsträger und damit um bloße Entnahmen. Damit könnten allerdings die von der A-Co erzielten
1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 118–123 Art. 10
Gewinne z.B. unter Art. 7 mit der Folge fallen, dass Deutschland die Betriebsstättenfreistellung nach Art. 23A Abs. 1 praktiziert. Dies hilft indes nicht bei der Anrechnung der Quellensteuer. Im Übrigen soll dies selbst dann gelten, wenn Deutschland für die Einkünfte der A-Co die Anrechnungsmethode zur Anwendung bringt, weil die Gewinnausschüttung aus deutscher Sicht eine bloße Entnahme darstellt und damit aus deutscher Sicht nicht steuerpflichtig sind. Beispiel 3: Keine qualifizierte Beteiligung am Kapital Wie Fall 1, nur ist an der A-Co die deutsche D-GmbH typisch still beteiligt. Die A-Co schüttet einen Gewinn i.H.v. 100 an D aus, wovon sie lediglich 5 % an Kapitalertragsteuer einbehält und abführt, weil die Gewinnausschüttung nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der A-Co für die typisch stille Beteiligung die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 bejaht, insbesondere einen Anteil am Kapital von mindestens 25 % bejaht. Deutschland qualifiziert die typisch stille Beteiligung steuerlich als Fremdkapital. Im Methodenartikel des DBA ist ein Schachtelprivileg für Dividenden vereinbart, soweit eine „Beteiligung am Kapital“ von mindestens 25 % besteht. Ist Deutschland zu Freistellung nach dem Schachtelprivileg für Dividenden verpflichtet? – Die Frage ist zu verneinen. Zwar fasst der Ansässigkeitsstaat der A-Co die Gewinnausschüttung unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3, so dass begrifflich „Dividenden“ vorliegen, woran Deutschland gebunden ist. Gleichwohl scheidet eine Freistellung nach dem im DBA vereinbarten Schachtelprivileg für Dividenden aus, weil aus deutscher Sicht aufgrund des Fremdkapitalcharakters der typisch stillen Beteiligung keine „Beteiligung am Kapital“ der A-Co vorliegt.
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Keine Qualifikationsverkettung für innerstaatlich-steuerliche Zwecke. Die vorste- 120 hend präferierte eingeschränkte Qualifikationsverkettung ist aber lediglich eine solche für abkommensrechtliche Zwecke. Die in Art. 10 Abs. 3 geregelte Dividendendefinition schlägt damit nicht auf die Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts durch den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers durch. Für Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers folgt daraus, dass die durch den Quellenstaat als solche definierten Dividenden nicht zwingend zu Einkünften führen, die unter § 8b Abs. 1 KStG oder § 3 Nr. 40 EStG fallen. Keine abschließende Definition. Die in Art. 10 Abs. 3 enthaltene Definition ist nach 121 Art. 10 Rz. 23 OECD-MK schließlich keine abschließende. Wegen der großen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der OECD lässt sich der Begriff der Dividende nicht abschließend bestimmen. Art. 10 Abs. 3 beschränkt sich daher auf Beispiele, die in den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedstaaten zu finden sind. Verhältnis der Fallgruppen. Für die praktische Rechtsanwendung ergibt sich da- 122 raus jedoch die Frage, ob es der beispielhafte Charakter der aufgezählten Dividendenarten erlaubt, die in der Fallgruppe 1 genannten Einkünfte aus Aktien, Genussaktien, Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen einem Typenvergleich mit der Folge zu unterziehen, dass auch ähnliche Einkünfte unter die Fallgruppe 1 zu subsumieren wären. Aus deutscher Sicht wäre dies z.B. für Einkünfte aus GmbH-Anteilen von Interesse, weil diese nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch steuerrechtlich mit Einkünften aus Aktien im Wesentlichen identisch sind. Gleichwohl ergibt sich aus der Systematik der in Art. 10 Abs. 3 enthaltenen Fallgruppen, dass dieser Typenvergleich abschließend in den Fallgruppen 2 (Einkünfte aus anderen Rechten) und 3 (Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen) geregelt ist. Für das Verhältnis der Fallgruppen im Rahmen der Rechtsanwendung folgt daraus, dass zunächst die Fallgruppe 1 als speziellste Regelung zu prüfen ist. Erst in einem zweiten Schritt sind die (praktisch weniger relevante) Fallgruppe 2 und die (praktisch wichtige) Auffangregelung der Fallgruppe 3 zu prüfen.
II. Die einzelnen Arten von Dividenden 1. Fallgruppenübergreifende Voraussetzungen Drei Fallgruppen. Systematisch ordnet Art. 10 Abs. 3 die einzelnen Arten der Divi- 123 denden nach Fallgruppen.1 Die erste Fallgruppe nennt mit „Einkünften aus Aktien, 1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 95 f.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 56; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 110.
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Art. 10 Rz. 123–125
Dividenden
Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen“ beispielhaft einige in den OECD-Staaten anzutreffende Eigenkapitalpositionen, aus denen Dividenden resultieren (können). Die zweite Fallgruppe nennt „Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung“, wobei die praktische Relevanz (insbesondere in deutschen DBA) gering ist. Wichtiger ist die dritte Fallgruppe, die als Auffangtatbestand fungiert und abhebt auf die „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammenden Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.“ 124
Einkünfte. Auffällig ist, dass Art. 10 Abs. 3 „Dividenden“ als „Einkünfte“ definiert.1 Was unter dem Begriff der „Einkünfte“ zu verstehen ist, soll nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus dem Abkommen heraus zu beantworten sein.2 Das innerstaatliche Steuerrecht ist lediglich ergänzend heranzuziehen. Der Begriff ist damit nicht inhaltsgleich mit dem Einkünftebegriff des deutschen Steuerrechts, der gem. § 2 Abs. 2 EStG entweder den um Betriebsausgaben verminderten Gewinn oder den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten darstellt. Vielmehr handelt es sich um einen abkommensrechtlichen Oberbegriff (auch zu den in Art. 6 bis 21 genannten Einkünften), der sowohl Einnahmen als auch Einkünfte i.S.d. deutschen Verständnisses umfasst.3 Damit äußert sich Art. 10 Abs. 3 nicht dazu, ob und in welchem Umfange bestimmte Aufwendungen bzw. Ausgaben von den Dividenden zum Abzug gebracht werden dürfen. Dies entscheidet allein das Steuerrecht des Anwenderstaates. Die Intention der Formulierung dürfte bei genauer Betrachtung wohl allein darin bestehen, bestimmte Quellen zu bezeichnen, aus denen einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person ein geldwerter Vorteil zufließt.4
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Weites Verständnis des Einkünftebegriffs. Der Begriff der „Einkünfte“ ist nach den Ausführungen in Rz. 124 denkbar weit und umfasst jedwede geldwerten Vorteile, die aus einer in Art. 10 Abs. 3 näher bezeichneten Quelle stammen. Verfügt daher eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person z.B. über Aktien i.S.v. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1, dann führen nicht nur die jährlich von der Hauptversammlung zu beschließenden Gewinnausschüttungen zu „Einkünften aus Aktien“ und damit zu „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3, sondern sämtliche geldwerten Vorteile, die dem (wirtschaftlichen) Inhaber der Aktie (i.d.R. Aktionär) aufgrund des Innehabens der Aktie zufließen. Damit fallen bspw. auch verdeckte Gewinnausschüttungen, Sachausschüttungen, Gratisaktien, Boni, Liquidationsgewinne u.Ä. (vgl. näher Rz. 136 ff.) an den Aktionär unter Art. 10 Abs. 3 (ebenso Art. 10 Rz. 28 OECD-MK). Mit Blick auf die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 enthaltene Kompetenzzuweisung an den Quellenstaat, bei Einkünften aus sonstigen Gesellschaftsanteilen darüber zu entscheiden, ob diese nach seinem Steuerrecht den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind, wird zum Teil gefordert, dass die Einbeziehung derartiger Vorteilszuwendungen in den Dividendenbegriff von der steuerlichen Beurteilung durch den Quellenstaat abhängen soll. Begründet wird dies damit, dass es ansonsten innerhalb der drei Fallgruppen des Art. 10 Abs. 3 zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnte (z.B. Einbeziehung von vGA bei Aktien der Fallgruppe 1, aber keine Einbeziehung von vGA bei GmbH-Anteilen der Fallgruppe 3).5 Es spricht einiges für diese Auffassung, nach der Entscheidung des BFH v. 6.6.2012 sollte diese Bindungswirkung aber auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 beschränkt sein.6 Innerhalb der übrigen Fallgruppen obliegt die Entscheidung über das Vorliegen von Einkünften dem Recht des Anwenderstaates (vgl. dazu Rz. 116). 1 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113. 2 BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113. 3 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 102; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 55; Kaeser/ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 186. 4 In diesem Sinne auch Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113. 5 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 104, m.w.N. 6 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111, dazu kritisch auch Rz. 112.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 126–129 Art. 10
Gesellschaftsanteil als Oberbegriff für alle Fallgruppen. Im Schrifttum wird im 126 Ausgangspunkt zutreffend darauf hingewiesen, dass der in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 genannte Ausdruck „Gesellschaftsanteil“ den Oberbegriff für sämtliche Rechtstitel bildet, deren Erträge nach Art. 10 Abs. 3 als Dividenden qualifizieren.1 Dies ergibt sich bereits aus der Einleitungsformulierung „sowie sonstige Gesellschaftsanteile“. Zudem erfordert die Abgrenzung zu anderen Verteilungsartikeln (insbesondere zu Unternehmensgewinnen i.S.v. Art. 7 und Zinsen i.S.v. Art. 11) eine klare Aussage dazu, aus welchen rechtlichen Positionen „Dividenden“ resultieren. Sprachlich besteht „Gesellschaftsanteil“ einerseits aus dem Begriff „Gesellschaft“ und andererseits aus dem Begriff „Anteil“. „Gesellschaft“. Dass Dividenden nur von einer Gesellschaft stammen können, er- 127 gibt sich bereits aus Art. 10 Abs. 1 (für den Ansässigkeitsstaat; vgl. Rz. 29), auf den Art. 10 Abs. 2 (für den Quellenstaat; vgl. Rz. 71) Bezug nimmt. Insoweit hat der Begriff der Gesellschaft innerhalb von Art. 10 Abs. 3 keine eigenständige Bedeutung. Er ist vielmehr identisch mit dem in Art. 10 Abs. 1 und 2 verwandten Begriff. Daraus folgt nicht nur, dass sich der Begriff der Gesellschaft nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b richtet, sondern auch autonom durch den Anwenderstaat zu bestimmen ist.2 Daraus können sich Qualifikationskonflikte ergeben, weshalb hier auch nur von einer eingeschränkten Qualifikationsverkettung gesprochen wird. Die anderweitigen Überlegungen des BFH in seinem Urt. v. 27.1.19823 sind durch die Entscheidung v. 4.6.20084 überholt (vgl. ausführlich auch Rz. 39). „Anteil“. Was den Begriff des „Anteils“ anbelangt, so wird im Schrifttum teilweise 128 eine gesellschaftsrechtliche Perspektive mit der Folge eingenommen, dass eine Ausstattung mit „Mitgliedschaftsrechten“ verlangt wird.5 Dies ist allerdings schon deshalb wenig hilfreich, weil z.B. die ebenfalls ausdrücklich unter Art. 10 Abs. 3 fallenden Genussrechte nicht mitgliedschaftsrechtlicher, sondern rein schuldrechtlicher Natur sind (vgl. näher Rz. 162 ff.). Auch wird das Gesellschaftsrecht etwas wortkarg, wenn es um die Frage geht, was unter „Mitgliedschaftsrechten“ zu verstehen ist und wo genau die Grenzen liegen. Das Stimmrecht und andere Mitwirkungsrechte können es nicht sein, weil diese auch bei Aktien oder GmbH-Anteilen teilweise ausgeschlossen sein können (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktie). Dem Anteilsbegriff sollte daher zumindest im Rahmen von Art. 10 Abs. 3 (anders als im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a; vgl. Rz. 91 ff.) ein weites Verständnis beigelegt werden.6 Anteilsbegriff orientiert sich an steuerlichem Eigenkapital. Ein solches weites Ver- 129 ständnis kann aber Schwierigkeiten bereiten, wenn es um die Abgrenzung zu reinen Forderungen geht, deren Erträge z.B. als Zinsen unter Art. 11 fallen. Zudem muss man sehen, dass gerade Genussrechte so ausgestaltet werden können, dass sie handelsrechtlich als Eigen- oder Fremdkapital qualifizieren, ohne dass diese Qualifikation durch das Steuerrecht nachvollzogen wird. Nach Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ist aber das Steuerrecht des Quellenstaates maßgeblich. Zur Vermeidung solcher Abgrenzungsschwierigkeiten bietet es sich daher an, für die Bestimmung des Anteilsbegriffes ein rein steuerliches Verständnis zugrunde zu legen, so dass die daraus resultierenden Einkünfte lediglich solche aus steuerlichem Eigenkapital einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b sein müssen. Liegt demgegenüber steuerliches Fremdkapital vor, sind die Einkünfte hieraus nicht solche i.S.v. Art. 10, sondern solche i.S.v. Art. 11. Handelt es sich um keine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, sondern um eine gewerblich tätige Personengesellschaft, dann sind die Einkünfte hieraus ggf. unter Art. 7 (oder einen anderen Verteilungsartikel) zu subsumieren. Die Frage, welcher Vertragsstaat darüber entscheidet, ob der jeweilige Rechtstitel als steuerliches EigenZutreffend Tischbierek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 188. A.A. Tischbierek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 188. BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. So z.B. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 147; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 73. 6 Ebenso Tischbierek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 189.
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Art. 10 Rz. 129–131
Dividenden
kapital zu qualifizieren ist, sollte jedenfalls für Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 dahingehend zu beantworten sein, dass dies der Quellenstaat ist (vgl. Rz. 116). Zu einem anderen Ergebnis kann man nur gelangen, wenn man den Begriff des „Anteils“ – ebenso wie den der „Gesellschaft“ – als einen solchen versteht, der eine über Art. 10 Abs. 3 hinausgehende Bedeutung hat. Es konnte allerdings bereits gezeigt werden, dass dem Anteilsbegriff im Rahmen von Art. 10 Abs. 3 – anders als z.B. im Rahmen von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a – ein besonderes Verständnis beizulegen ist. Für die Richtigkeit der vorstehenden Überlegung spricht auch, dass Deutschland in den jeweiligen DBA regelmäßig darauf verzichtet, in Art. 10 Abs. 3 von sonstigen „Gesellschaftsanteilen“ zu sprechen. Vielmehr wird z.B. auf sonstige „Rechte“ abgestellt, die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates wie Einkünfte aus Aktien behandelt werden. Dies zeigt, dass die Qualifikation als steuerliches Eigenkapital nach dem Recht des Quellenstaates die richtige Vorgehensweise darstellt. Ob dies allerdings auch für die 1. und 2 Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 gilt, dürfte nach der Entscheidung des BFH v. 6.6.20121 eher zu verneinen sein (vgl. Rz. 116). Vielmehr sollte für diese Fallgruppen das Steuerrecht des Anwenderstaates maßgeblich sein. Aufgrund der wesentlichen Bedeutung von Art. 10 für die Quellensteuerbegrenzung des Quellenstaates (Art. 10 Abs. 2) liegt damit aber praktisch auch hier die Qualifikationskompetenz beim Quellenstaat, lediglich für Zwecke des Art. 10 Abs. 1 ist das Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates maßgeblich. 130
Steuerliches Eigenkapital aus deutscher Sicht. Ist Deutschland der Quellenstaat, so folgt aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG (Genussrechte), § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 KStG, dass steuerliches Eigenkapital an einer Gesellschaft jedenfalls dann vorliegt, wenn über eine Beteiligung am Gewinn hinaus auch eine Beteiligung am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft gegeben ist.2 Die Ausprägung dieser Merkmale kann insbesondere bei hybriden Finanzierungsinstrumenten unterschiedlich sein. Da die Definition des steuerlichen Eigenkapitals in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG (Genussrechte) und § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 KStG im Zusammenhang mit (beteiligungsähnlichen) Genussrechten erfolgt, wird wegen der weiteren Einzelheiten auf Rz. 163 ff. verwiesen. 2. Einkünfte aus Aktien, Genussaktien, Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen (Fallgruppe 1) a) Aktien aa) Ordentliche Gewinnausschüttung
131
Begriff der Aktie. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 nennt als ersten Rechtstitel, aus dem Einkünfte in Form von Dividenden resultieren, die „Aktie“. Es handelt sich dabei um einen abkommensrechtlichen Begriff. Die Nennung als erstes Beispiel findet seine Begründung vermutlich darin, dass die Aktie quasi die „Urform“ einer Beteiligung an einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit darstellt, deren Grundkapital in Aktien zerlegt ist.3 Die Aktie verkörpert die Mitgliedschaft des einzelnen Aktionärs, die er durch Übernahme einer Quote des Grundkapitals erwirbt. Nach deutschem Rechtsverständnis können Aktien an einer Aktiengesellschaft (AG) und an einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) bestehen, hinzu kommt aus europäischer Sicht die Societas Europaea (SE). Die Aktie kann unterschiedlich ausgestaltet sein, z.B. als Nennbetrags- oder Stückaktie,4 als Inhaber- oder (vinkulierte) Namensaktie,5 als Stamm- oder Vorzugsaktie.6 Aktien mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten bilden unterschiedliche Aktiengattungen.7 Dem einzelnen Aktionär steht grds. ein Recht auf Einzelverbriefung seiner Mitgliedschaft in einem Wertpapier, der Aktien1 2 3 4 5 6 7
BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111. Vgl. BFH v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399. Zum Begriff vgl. nur Maul in Beck’sches Handbuch der AG, § 3, Rz. 1 ff., m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG, § 3, Rz. 4 ff., m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG, § 3, Rz. 16 ff., m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG, § 3, Rz. 47 ff., m.w.N. Vgl. Maul in Beck’sches Handbuch der AG, § 3, Rz. 66 ff., m.w.N.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 131–135 Art. 10
urkunde, zu. Dieser Anspruch kann allerdings auch eingeschränkt sein (z.B. Globalurkunde). Die Nennbeträge der Aktien müssen seit dem 1.1.2002 auf Euro lauten. Aktien können übertragen und vererbt werden, bei vinkulierten Namensaktien allerdings nur mit Zustimmung der Gesellschaft. Aktien können, wenn dies in der Satzung für zulässig erklärt wird, eingezogen werden. Die Aktie kann als Mitgliedschaftsrecht zahlreiche Rechte und Pflichten des Aktionärs verkörpern, sie kann je nach Ausgestaltung aber auch erheblich in den Rechten eingeschränkt sein (z.B. stimmrechtslose Vorzugsaktie). Steuerliche Einordnung von Einkünften aus Aktien. Für die Anwendung von 132 Art. 10 Abs. 3 spielt die konkrete Ausgestaltung der Aktie mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten aus den in Rz. 128 f. dargestellten Gründen nur insoweit eine Rolle, als sichergestellt sein muss, dass die Aktie nach dem Steuerrecht des Anwenderstaates steuerliches Eigenkapital abbildet (vgl. Rz. 130). Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, erfordert dies eine 133 Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Gesellschaft (vgl. Rz. 130). Für eine an einer AG oder SE bestehenden Aktie werden die Voraussetzungen steuerlichen Eigenkapitals regelmäßig erfüllt sein (vgl. auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Bei einer KGaA bilden nur die von den Kommanditaktionären gehalten Aktien steuerliches Eigenkapital an einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b. Der Komplementär wird aus deutscher Sicht als Mitunternehmer besteuert, so dass seine Gewinnanteile keine solchen i.S.d. Art. 10 Abs. 3 sind.1 Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Divi- 134 dendenempfängers, so soll nach der Rspr. des BFH innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 keine Bindung an die Qualifikation der aus den Aktien stammenden Einkünfte nach dem Recht des Quellenstaates bestehen (vgl. Rz. 116).2 Insoweit gelten die Ausführungen zu Rz. 133 entsprechend. Ungeachtet dessen hat Deutschland für die Bestimmung der (für die Anwendung von Art. 10 Abs. 1 maßgeblichen) Frage, ob die nach ausländischem Recht als solche qualifizierenden Dividenden von einer „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b stammen, einen Rechtstypenvergleich durchzuführen (vgl. Rz. 29 ff.). Die Besteuerung durch Deutschland richtet sich nur dann nach Art. 10 Abs. 1 ggf. i.V.m. Art. 23A Abs. 2 (bzw. einem dort vereinbarten Schachtelprivileg), wenn der Rechtstypenvergleich zu einer Aktien- oder ähnlichen Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG gelangt. Tracking Stocks. Bei sog. „tracking stocks“ besteht die Besonderheit darin, dass 135 die Beteiligung am Gewinn der AG nicht auf Basis des Gesamtgewinns, sondern in Anknüpfung z.B. an einen Spartengewinn erfolgt. Dennoch sollte auch insoweit eine Vergleichbarkeit mit Aktien weiterhin zu bejahen sein, da die Einräumung sog. „tracking stocks“ (Spartenaktien) auch in Form der stimmrechtslosen Vorzugsaktien nach deutschem Aktienrecht zulässig sind3 (zu den Besonderheiten von Spartengenussrechten vgl. Rz. 164). Aus praktischer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass eine Vergütung auf Basis eines Spartengewinns nur vorbehaltlich eines entsprechenden Gesamtgewinns der Gesellschaft gezahlt werden sollte, so dass eine dem deutschen Aktienrecht ohnehin unübliche gewinnlose Vergütung und damit eine Nähe zu Darlehensverhältnissen vermieden wird. Durch den Bezug der „tracking stocks“ auf einen Spartengewinn kommt es i.d.R. zu sog. disquotalen Gewinnausschüttungen, d.h. die Ausschüttungen entsprechen nicht dem Verhältnis der Beteiligungsquoten. Die deutsche Finanzverwaltung erkennt dies für steuerliche Zwecke dann nicht an, wenn der vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichenden Gewinnausschüttung keine besonderen Gesellschafterleistungen zugrunde liegen.4 Rechtsfolge einer Nichtanerkennung wäre aber lediglich, dass die Gewinnausschüttungen steuerlich den Gesell1 Näher zur Besteuerung der KGaA vgl. Rödder in Beck’sches Handbuch der AG, § 13, Rz. 700 ff., m.w.N. 2 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 3 Vgl. Cichy/Heins, AG 2010, 181, 184, kritisch, aber wohl nur bezogen auf die Verlustbeteiligung, Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151. 4 BMF v. 7.12.2000 – IV A 2-S 2810-4/00, BStBl. I 2001, 47.
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Art. 10 Rz. 135–139
Dividenden
schaftern nach ihrem Beteiligungsverhältnis zuzurechnen sind. Insbesondere handelt es sich nicht um verdeckte Gewinnausschüttungen.1 bb) Verdeckte Gewinnausschüttung 136
Allgemeines. Nicht nur offene Gewinnausschüttungen fallen unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1. Vielmehr ermöglicht es der weite Begriff der „Einkünfte“ (vgl. Rz. 124 f.), auch verdeckte Gewinnausschüttungen2 abkommensrechtlich als Dividenden zu qualifizieren.3 Da die Abgrenzung zwischen offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen weniger eine Frage des Rechtstitels (z.B. Aktie) ist, aus dem die Gewinnausschüttungen einheitlich resultieren, sondern vielmehr eine Frage des abkommensrechtlichen Begriffs der „Einkünfte“, könnte man überlegen, ob die steuerliche Qualifikation für abkommensrechtliche Zwecke überhaupt eine Rolle spielt. Nach der eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) sind verdeckte Gewinnausschüttungen aber zumindest innerhalb der Fallgruppe 3 als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren, wenn diese nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. In den übrigen Fallgruppen bleibt es bei der autonomen Beurteilung durch den Anwenderstaat. Die vom BFH4 entschiedene Begrenzung der Bindung an das Steuerrecht des Quellenstaates auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 zeigt dabei einmal mehr, dass die Rspr. nicht wirklich überzeugt. Denn damit ist der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung im Abkommensrecht rechtsformabhängig.
137
Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, so folgt aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, dass verdeckte Gewinnausschüttungen als sonstige Bezüge steuerlich den Gewinnanteilen (Dividenden) gleichstehen und zu einem Beteiligungsertrag beim Empfänger führen. Das deutsche Besteuerungsrecht richtet sich daher nach Art. 10 Abs. 2.
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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers, dann entscheidet nach der hier präferierten eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 das Steuerrecht des Quellenstaates darüber, ob abkommensrechtlich Dividenden vorliegen oder nicht. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei verdeckten Gewinnausschüttungen aus Aktien) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland als Anwenderstaat.5 Die Frage, ob die verdeckten Gewinnausschüttungen den Gewinn der ausländischen Gesellschaft gemindert haben, spielt dabei für abkommensrechtliche Zwecke grds. keine Rolle. Allerdings versagt in diesem Fall § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (sowie § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG) die Steuerfreiheit auf Ebene des Empfängers der verdeckten Gewinnausschüttung, so dass ein im Methodenartikel vereinbartes Schachtelprivileg wieder an Bedeutung gewinnen kann. Hier ist allerdings zu beachten, dass einige deutsche DBA genau für diesen Fall entsprechende Regelungen vorsehen, die beim Abzug im Ausland das Schachtelprivileg im Methodenartikel versagen (z.B. Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 4 DBA-USA). cc) Vorabgewinnausschüttung
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Keine steuerlichen Besonderheiten gegenüber ordentlichen Gewinnausschüttungen. Auch eine Vorabgewinnausschüttung fällt aus deutscher Sicht unter Art. 10 Abs. 3, weil es sich dabei um eine ordentliche Gewinnausschüttung handelt, die lediglich auf den künftigen (handelsrechtlichen) ausschüttungsfähigen Gewinn und daher unter der (auflösenden) Bedingung erfolgt, dass zum Bilanzstichtag ausreichend
1 Vgl. Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 166. 2 Zum Begriff vgl. Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 166 ff. 3 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 123; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 115. 4 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 5 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 139–142 Art. 10
(handelsrechtlicher) ausschüttungsfähiger Gewinn vorhanden ist.1 Stellt sich später heraus, dass die Vorabgewinnausschüttung den ausschüttungsfähigen Gewinn übersteigt, dann besteht ein Anspruch der Gesellschaft auf Rückzahlung des übersteigenden Betrages. Steuerlich bleibt es aber grds. bei einer Gewinnausschüttung in ursprünglicher Höhe. Die Rückzahlung stellt eine Einlage dar. Lediglich unter den Voraussetzungen einer Einlagenrückgewähr i.S.v. § 27 KStG kann im Falle Deutschlands als Quellenstaat ein Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 2 entfallen (vgl. Rz. 146 ff.). dd) Gewinnabführung Allgemeines. Das jeweilige Gesellschaftsrecht kann die Möglichkeit zulassen, dass 140 sich eine Gesellschaft dazu verpflichtet, ihren Gewinn an einen (oder mehrere) Gesellschafter abzuführen. In diesem Fall wird über die Ausschüttung des Gewinns nicht jährlich beschlossen, sondern dieser wird aufgrund des (kooperationsrechtlichen) Vertrages an einen (oder mehrere) Gesellschafter abgeführt. Da es für den Begriff der Dividende i.S.v. Art. 10 Abs. 3 nicht darauf ankommt, ob über den beim Gesellschafter ankommenden geldwerten Vorteil ein Beschluss gefasst worden ist, sondern die (weit zu verstehende) Zahlung ausreicht (vgl. Rz. 61 f.), besteht daher grds. die Möglichkeit, auch Gewinnabführungen unter Art. 10 Abs. 3 zu subsumieren.2 Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, so ist der Ab- 141 schluss eines Ergebnisabführungsvertrages deutscher Couleur unproblematisch möglich, weil sich die Zulässigkeit nach dem deutschen Gesellschaftsrecht richtet.3 Kommt die Gesellschaft dann der Verpflichtung aus dem Ergebnisabführungsvertrag nach und führt ihren ganzen Gewinn an einen im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschafter ab, liegen aus deutscher Sicht keine den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellte Beteiligungserträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor.4 Deutschland kann daher für grenzüberschreitende Gewinnabführungen sein Besteuerungsrecht nicht auf Art. 10 Abs. 2 stützen.5 Teilweise wird zwar auch vertreten, dass sich zivilrechtliche Gewinnabführung und steuerrechtliche Ausschüttung nicht ausschließen sollen.6 An anderer Stelle konnte aber bereits gezeigt werden, dass für Zwecke des Art. 10 Abs. 3 die steuerliche Perspektive des Anwenderstaates maßgeblich ist (vgl. Rz. 124 f.), innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 sogar mit Bindungswirkung an das Steuerrecht des Quellenstaates (vgl. Rz. 116). Im Übrigen soll auch die These vom fehlenden Ausschluss von Gewinnabführung und Gewinnausschüttung nur gelten, wenn die (übrigen) Voraussetzungen der Organschaft nicht vorliegen.7 Bis zu einer entsprechenden Gesetzesänderung bleibt es daher dabei, dass grenzüberschreitende Gewinnabführungen einer deutschen Organgesellschaft nicht unter Art. 10 Abs. 3 fallen. Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Gesell- 142 schafters, dann hängt zunächst die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit des Abschlusses eines Ergebnisabführungsvertrages mit einer ausländischen Organgesellschaft vom ausländischen Gesellschaftsrecht ab.8 Allerdings kennen nur sehr wenige Staaten das Rechtsinstitut des Ergebnisabführungsvertrages.9 Wird ein solcher anerkannt, hängt die Qualifikation der Gewinnabführung als abkommensrechtliche Dividende nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) zu1 2 3 4 5
6 7 8 9
Vgl. dazu Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 33, m.w.N. So zutreffend Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 117. Hoene, IStR 2012, 462 ff., m.w.N. Wassermeyer in Herzig, Organschaft, 2003, S. 210 f. Vgl. zum Verlust deutschen Besteuerungsrecht bei der Inbound-Organschaft grundlegend BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; mit Nichtanwendungserlass belegt durch BMF v. 27.12.2011, BStBl. I 2012, 119. So Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 392. Neumann in Gosch2, § 14 KStG Rz. 392. Hoene, IStR 2012, 462 ff., m.w.N. Vgl. Hoene, IStR 2012, 462 ff., m.w.N.
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Art. 10 Rz. 142–145
Dividenden
mindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 vom Steuerrecht des Quellenstaates ab. Bejaht der Quellenstaat danach eine Dividende, ist Deutschland daran mit der Folge gebunden, eine auf die Gewinnabführung erhobene Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 anrechnen zu müssen. Die Anrechnungsmöglichkeit hängt dabei wiederum davon ab, wie Deutschland die „Gewinnabführung“ besteuert. Da aufgrund der Ansässigkeit der Organgesellschaft im Ausland die Voraussetzungen von § 14 KStG nicht erfüllt sind, wird Deutschland für Zwecke des innerstaatlichen Steuerrechts ebenfalls eine Dividende mit der Folge annehmen, dass bei Körperschaften als Empfängern eine Anrechnung wegen § 8b Abs. 1 KStG regelmäßig nicht in Betracht kommen wird, während bei einkommensteuerpflichtigen Personen eine Anrechnung im Rahmen der Abgeltungsteuer bzw. des Teileinkünfteverfahrens möglich ist. Anders dürfte es bei einer EU-/EWR-Organgesellschaft liegen, weil hier das EU-Recht dazu zwingen sollte, die Gewinnabführung auch steuerlich mit der Folge nachzuvollziehen, dass ein deutsches Besteuerungsrecht vollständig entfallen kann (z.B. wegen Art. 7 i.V.m. Art. 23A Abs. 1)1 und die Anrechnung damit ins Leere geht. Verneint der Quellenstaat eine Dividende, könnte Deutschland sein Besteuerungsrecht an der „Gewinnabführung“ zwar grds. auf Art. 21 Abs. 1 stützen, bei einer EU-/EWR-Gesellschaft sollte Deutschland aber die „Gewinnabführung“ auch steuerlich mit der Folge nachvollziehen müssen, dass ein Besteuerungsrecht z.B. wegen Art. 7 i.V.m. Art. 23A Abs. 1 entfallen kann. Aufgrund der Beschränkung der Bindung an das Steuerrecht des Quellenstaates auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (vgl. Rz. 116) kann Deutschland sein Besteuerungsrecht innerhalb der übrigen Fallgruppen zusätzlich autonom aus Art. 10 Abs. 1 herleiten. ee) Sachausschüttung 143
Allgemeines. Anstelle oder zusätzlich zu einer Barausschüttung kann auch eine (offene oder verdeckte) Sachausschüttung erfolgen. Charakteristisch für eine Sachausschüttung ist, dass der Ausschüttungsanspruch nicht in Form von Geld, sondern in Form anderer Aktiva (z.B. Aktien, Forderungen) erfüllt wird. Typischerweise wird deshalb die Sachdividende steuerlich einer Bardividende gleichgestellt.
144
Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, dann steht die Sachdividende einer Bardividende steuerlich grds. gleich. Für steuerliche Zwecke wird lediglich diskutiert, ob die Sachdividende insoweit aufzuteilen ist, als in Höhe des Buchwertes der ausgekehrten Aktiva eine offene Gewinnausschüttung und (nur) in Höhe des darüber hinausgehenden Betrages eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.2 Für Zwecke der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 bedarf diese Frage keiner Entscheidung, weil auch verdeckte Gewinnausschüttungen von dieser Regelung erfasst werden (vgl. Rz. 136 ff.). Kommt es zu einer Sachausschüttung, kann der Einbehalt der Kapitalertragsteuer auf den Verkehrswert der ausgekehrten Aktiva durchaus Schwierigkeiten bereiten, weil die Kapitalertragsteuer an das FA in Geld abzuführen ist. Für diesen Fall sieht § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG jedoch die Verpflichtung des Gläubigers der Kapitalerträge vor, den entsprechenden Betrag der ausschüttenden Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, hat die ausschüttende Gesellschaft dies gem. § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG dem zuständigen FA anzuzeigen. Das FA kann die zu wenig erhobene Kapitalertragsteuer vom Gläubiger der Kapitalerträge gem. § 44 Abs. 1 Satz 9 EStG nachfordern.
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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, dann besteht aufgrund der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine Bindung an das Steuerrecht des Quellenstaates bzgl. der Frage, ob eine Dividende i.S.v. Art. 10 Abs. 3 vorliegt. Bejaht der Quellenstaat danach die Anwendung von Art. 10 Abs. 3 für Sachausschüttungen, kann Deutschland sein Besteuerungsrecht (nur) aus Art. 10 Abs. 1 herleiten und ist grds. verpflichtet, eine ausländische Quellensteuer gem. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 anzurechnen. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 1 Vgl. mit Fallbeispielen Schönfeld, IStR 2012, 368, m.w.N. 2 Vgl. dazu Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 193, m.w.N.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 145–148 Art. 10
(also insbesondere bei Sachausschüttungen von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.1 Bei Körperschaftsteuersubjekten spielt dies aber in der Praxis regelmäßig keine Rolle, weil mittlerweile auch die Finanzverwaltung Sachausschüttungen unter § 8b Abs. 1 KStG subsumiert.2 Zu Qualifikationskonflikten wird es im Bereich der Sachausschüttungen vermutlich nur selten kommen (vgl. aber die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr, Rz. 146 ff.). ff) Einlagenrückgewähr Allgemeines. Ob eine Rückgewähr von Einlagen als Dividende i.S.v. Art. 10 Abs. 3 146 qualifiziert, wird durch die einzelnen Staaten völlig unterschiedlich beantwortet. Im Ausgangspunkt besteht zwar weitgehend Einigkeit darin, dass die Rückgewähr einer ursprünglich getätigten Einlage keinen steuerpflichtigen Vorgang beim Gesellschafter darstellen darf. Bei der technischen Umsetzung dieser Maßgabe gibt es denn aber erhebliche Unterschiede. So lässt z.B. das österreichische Steuerrecht eine Einlagenrückgewähr (aus dem sog. Einlagenevidenzkonto) unabhängig davon zu, ob und in welchem Umfange laufende Gewinne oder Gewinnrücklagen bestehen. Andere Staaten legen demgegenüber Wert darauf, dass zunächst die Gewinne oder Gewinnrücklagen (ggf. steuerpflichtig) ausgeschüttet werden, bevor eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr unter Verminderung der Anschaffungskosten bzw. des Buchwerts der Beteiligung möglich ist.3 Deutschland als Quellenstaat. Deutschland als Quellenstaat hat sich der letzteren 147 Auffassung angeschlossen und sieht in § 27 KStG eine gewisse Verwendungsreihenfolge vor. Danach haben unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem sog. steuerlichen Einlagenkonto auszuweisen und dieses gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 KStG in den Folgejahren unter Berücksichtigung von Zuund Abgängen fortzuschreiben. Leistungen einer Kapitalgesellschaft mindern gem. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG das steuerliche Einlagenkonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr). Als ausschüttbarer Gewinn gilt dabei gem. § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagenkontos. Es handelt sich dabei also um eine rein steuerliche Rechnung, so dass auch solche Vorgänge zu einer Einlagenrückgewähr führen können, die handelsrechtlich in das Gewand einer Gewinnausschüttung gekleidet sind (was sogar die Regel sein dürfte). Der Bestand des steuerlichen Einlagenkontos wird gesondert festgestellt. Gilt steuerliches Einlagenkonto als verwendet, so ist keine Kapitalertragsteuer einzubehalten (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Zu beachten ist jedoch, dass dies eine entsprechende Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG voraussetzt und nur der bescheinigte (und nicht der errechnete) Betrag maßgeblich ist (ggf. Haftung für Kapitalertragsteuer, vgl. § 27 Abs. 5 KStG). Die Einlagenrückgewähr gilt im Übrigen gem. § 17 Abs. 4 EStG als Veräußerungsvorgang, wobei es zu einem Veräußerungsgewinn nur und insoweit kommen kann, als die Einlagenrückgewähr die steuerlichen Anschaffungskosten bzw. den steuerlichen Buchwert übersteigt. In einem solchen Fall würde sich für Deutschland als Quellenstaat das Besteuerungsrecht nach Art. 13 Abs. 4, 5 richten (vgl. Art. 13 Rz. 81 ff.). Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Emp- 148 fängers der Leistung, dann richtet sich die Qualifikation als Dividende für abkommensrechtliche Zwecke nach der hier präferierten eingeschränkten Qualifikationsver-
1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 2 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2-S 2750a-7/03, BStBl. I 2003, 292, Rz. 22; Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 193. 3 Zum Ganzen auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 125 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 132.
Schönfeld
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Art. 10 Rz. 148–152
Dividenden
kettung (vgl. Rz. 116) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nach dem Steuerrecht des Quellenstaates. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Einlagenrückgewähr durch Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.1 In beiden Fällen bleibt es Deutschland aber unbenommen, sein abkommensrechtlich ggf. bestehendes Besteuerungsrecht nicht auszuüben, weil die Einlagenrückgewähr innerstaatlich bereits zu keinen Einkünften führt. Für Zwecke der Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts kann auf Antrag aber (nur) für EU/EWR-Gesellschaften ein Einlagenkonto festgestellt werden, § 27 Abs. 8 KStG. Erfolgt keine Feststellung, gelten die Leistungen der ausländischen Kapitalgesellschaft gem. § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG als Gewinnausschüttungen. 149
Qualifikationskonflikte bei Einlagenrückgewähr. Im Fall der Feststellung eines steuerlichen Einlagenkontos gem. § 27 Abs. 8 KStG kann es zu Qualifikationskonflikten kommen:
150
Quellenstaat = Dividenden/Deutschland = Einlagenrückgewähr. So ist z.B. denkbar, dass der Quellenstaat von Dividenden ausgeht, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat eine Einlagenrückgewähr annimmt. In diesem Fall wird der Quellenstaat ein Besteuerungsrecht in den Grenzen von Art. 10 Abs. 2 beanspruchen, während Deutschland schon keine Einkünfte annimmt, sondern die Leistung mit den steuerlichen Anschaffungskosten bzw. dem steuerlichen Buchwert der Beteiligung (steuerneutral) verrechnet. Solange ausreichend steuerliche Anschaffungskosten bzw. steuerlicher Buchwert vorhanden ist, erscheint diese Folge zumindest aus fiskalischer Sicht deshalb unkritisch, weil bei einer späteren Veräußerung ein höherer Veräußerungsgewinn entsteht, für den Deutschland typischerweise gem. Art. 13 Abs. 5 über ein (ausschließliches) Besteuerungsrecht verfügt. Für den Steuerpflichtigen wird sich allerdings das Problem ergeben, dass die auf die abkommensrechtlichen Dividenden ggf. einbehaltenen Quellensteuern wohl nicht auf die auf den Veräußerungsgewinn erhobene Steuern angerechnet werden können. Noch merkwürdiger kann die Situation werden, wenn die (nach dem Recht des Quellenstaates) abkommensrechtlich als Dividenden qualifizierenden Auskehrungen die steuerlichen Anschaffungskosten bzw. den steuerlichen Buchwert übersteigen. In diesem Fall entsteht nämlich über die Fiktion des § 17 Abs. 4 EStG ein Veräußerungsgewinn, für den Deutschland vermutlich über Art. 13 Abs. 5 ein Besteuerungsrecht beanspruchen möchte. Aufgrund der Tatsache, dass abkommensrechtlich „Dividenden“ vorliegen, kann Deutschland sein Besteuerungsrecht aber nur auf Art. 10 Abs. 1 stützen mit der Folge, dass eine Verpflichtung zur Anrechnung nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 besteht. Da dies aber genau der Sinn der eingeschränkten Qualifikationsverkettung ist, kann an diesem Ergebnis nichts ausgesetzt werden. In aller Regel wird sich der deutsche Fiskus dadurch sogar besser stellen, da eben – wie gezeigt – bis zum Erreichen des steuerlichen Buchwertes bei einer späteren Veräußerung wohl keine Anrechnungsverpflichtung besteht.
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Quellenstaat = Einlagenrückgewähr/Deutschland = Dividenden. Zu einem Qualifikationskonflikt kann es schließlich auch dann kommen, wenn der Quellenstaat von einer Einlagenrückgewähr ausgeht, während Deutschland als Ansässigkeitsstaat eine Dividende annimmt. In diesem Fall wird der Quellenstaat kein Besteuerungsrecht beanspruchen. Deutschland kann sein Besteuerungsrecht nicht aus Art. 10 Abs. 1 herleiten, da aus Sicht des Quellenstaates keine Dividenden vorliegen. Allerdings wird Deutschland sein Besteuerungsrecht wohl auf Art. 21 Abs. 1 stützen können.
152
Deutschland = Dividende/Wohnsitzstaat = Einlagenrückgewähr. Ist Deutschland schließlich der Quellenstaat, dann kann es zu einem Qualifikationskonflikt kommen, wenn Deutschland als Quellenstaat eine Dividende annimmt, während der Ansässigkeitsstaat von einer Einlagenrückgewähr ausgeht. In diesem Fall verfügt Deutschland nur über ein gem. Art. 10 Abs. 2 beschränktes Steuerrecht, während der Ansässigkeitsstaat ungeachtet seines aus Art. 10 Abs. 1 resultierenden Besteuerungsrechtes die
1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 152–156 Art. 10
Leistung nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht steuerneutral mit den steuerlichen Anschaffungskosten bzw. dem steuerlichen Buchwert verrechnen wird. Deutschland = Einlagenrückgewähr/Wohnsitzstaat = Dividende. Nimmt umge- 153 kehrt Deutschland als Quellenstaat eine Einlagenrückgewähr an, während der Ansässigkeitsstaat von einer Dividende ausgeht, wird umgekehrt Deutschland nicht besteuern, weil es entweder eine steuerneutrale Verrechnung mit den steuerlichen Anschaffungskosten bzw. dem steuerlichen Buchwert vornimmt oder sich gem. Art. 13 Abs. 5 in einer Besteuerung gehindert sieht. Der Ansässigkeitsstaat kann sein Besteuerungsrecht aufgrund fehlender „Dividenden“ nicht auf Art. 10 Abs. 1, sondern auf Art. 21 Abs. 1 stützen. § 50d Abs. 9 EStG findet in diesen Fällen keine Anwendung, im Falle Deutschlands als Quellenstaat schon deshalb nicht, weil die Regelung eine unbeschränkte Steuerpflicht voraussetzt (aber Hinweis auf Doppelansässigkeit). gg) Nennkapitalherabsetzung Allgemeines. Typischerweise soll ebenso wie bei der Einlagenrückgewähr die Aus- 154 kehrung von Vermögen anlässlich einer Nennkapitalherabsetzung beim Empfänger zu keinem steuerpflichtigen Vorgang führen (vgl. Rz. 146). Hat der Empfänger den Anteil jedoch zu einem vom Nennbetrag abweichenden Betrag erworben, kann es durchaus sinnvoll sein, an die Nennkapitalherabsetzung steuerliche Konsequenzen zu knüpfen.1 Deutschland als Quellenstaat. Deutschland als Quellenstaat sieht daher in § 17 155 Abs. 4 EStG vor, dass eine Kapitalherabsetzung als Veräußerung gilt. Zu einem Veräußerungsgewinn kann es dabei nur kommen, soweit die anlässlich der Nennkapitalherabsetzung vorzunehmende Vermögensauskehrung die steuerlichen Anschaffungskosten an der Beteiligung übersteigt.2 In diesem Fall richtet sich das deutsche Besteuerungsrecht nicht nach Art. 10 Abs. 2, sondern nach Art. 13 Abs. 4, 5. Fallen die Anteile nicht unter § 17 EStG, richten sich die Rechtsfolgen der Nennkapitalherabsetzung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, die im Ergebnis denjenigen in § 17 Abs. 4 EStG entsprechen, nur gilt die Nennkapitalherabsetzung nicht als „Veräußerung“.3 Zudem sind allgemein die Besonderheiten von § 28 KStG bei der Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital und Nennkapitalherabsetzung zu beachten. Gehören die Anteile zu einem Betriebsvermögen, erfolgt ebenfalls zunächst eine (steuerneutrale) Verrechnung mit dem steuerlichen Beteiligungsbuchwert. Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Emp- 156 fängers der anlässlich der Nennkapitalherabsetzung erbrachten Leistung, hängt die Qualifikation dieser Leistung als Dividende nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 davon ab, ob die Nennkapitalherabsetzung nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt ist. Praktisch wird das zwar nur selten der Fall sein, ggf. wäre Deutschland dann aber für den Begriff der Dividende mit der Folge daran gebunden, eine ggf. anfallende ausländische Quellensteuer nach Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 A Abs. 2 bzw. Art. 23B anzurechnen. Aus den zur Einlagenrückgewähr dargestellten Gründen ist dieses Ergebnis nicht zu beanstanden, da Deutschland über die verminderten steuerlichen Anschaffungskosten bzw. den steuerlichen Buchwert über Art. 13 Abs. 5 ggf. steuerpflichtige stille Reserven schafft (vgl. Rz. 146 ff.). Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Kapitalherabsetzung von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.4 Im Übrigen kann es auch (in seltenen Fällen) bei einer Nennkapitalherabsetzung zu Qualifikationskonflikten kommen, für die die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr entsprechend gelten (vgl. Rz. 149 ff.). 1 Zum Ganzen auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 127 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 131. 2 BFH v. 29.6.1995 – VIII R 69/93, BStBl. II 1995, 725; Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 237. 3 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 69 ff. 4 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112.
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Art. 10 Rz. 157–160
Dividenden
hh) Liquidationsgewinne 157
Allgemeines. Im Liquidationsfall kann zum einen ein Gewinn auf Ebene der liquidierten Gesellschaft daraus entstehen, dass sich in den von der liquidierten Gesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgütern stille Reserven befinden. Zum anderen kann ein Gewinn auf Ebene des Gesellschafters der liquidierten Gesellschaft daraus entstehen, dass die von der liquidierten Gesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter (bzw. deren Surrogate) an den Gesellschafter ausgekehrt werden. Nur letztere Konstellation kann von Art. 10 Abs. 3 angesprochen sein.1
158
Deutschland als Quellenstaat. Ist Deutschland der Quellenstaat, richten sich die Rechtsfolgen nach § 17 Abs. 4 EStG bzw. nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Im Ergebnis ist danach die anlässlich der Liquidation vorzunehmende Auskehrung wie folgt aufzuteilen: (1) Auskehrung von Nennkapital und steuerlichem Einlagenkonto i.S.d. § 27 Abs. 1 KStG mit vorrangiger Beteiligungsbuchwertverrechnung sowie (2) Auskehrung thesaurierter Gewinn, die wie eine Gewinnausschüttungen zu behandeln sind. Nur für letztere sind aus deutscher Sicht die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 mit der Folge erfüllt, dass sich das Besteuerungsrecht nach Art. 10 Abs. 2 richtet; im Übrigen gilt Art. 13 Abs. 4, 5. Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr und zur Nennkapitalherabsetzung entsprechend (vgl. Rz. 146 ff. und Rz. 154 ff.).
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Deutschland als Wohnsitzstaat. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat des Empfängers des anlässlich der Liquidation ausgekehrten Vermögens, hängt die Qualifikation dieser Leistung als Dividende nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 davon ab, ob die Auskehrung nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt ist. In diesem Fall wäre Deutschland für den Begriff der Dividende mit der Folge gebunden, eine ggf. anfallende ausländische Quellensteuer nach Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B anzurechnen. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei der Liquidation von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.2 Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Einlagenrückgewähr und zur Nennkapitalherabsetzung entsprechend (vgl. Rz. 146 ff. und Rz. 154 ff.). ii) Umwandlungsgewinne
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Umwandlungsgewinne können unter Art. 10 Abs. 3 fallen. Auch im Falle der Umwandlung einer Gesellschaft kann es zu Gewinnauswirkungen auf Ebene des übertragenden und übernehmenden Rechtsträgers kommen. Darüber hinaus kann die Umwandlung mit einer Auskehrung von Vermögen an die Gesellschafter der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger verbunden sein (z.T. auch zwischen den beteiligten Rechtsträgern). Diese Fälle können in erster Linie von Art. 10 Abs. 3 angesprochen sein. Soweit dabei eine Nähe zu Liquidationsgewinnen besteht, kann auf die Ausführungen in Rz. 157 ff. verwiesen werden. Teilweise fingiert das jeweilige Umwandlungsteuerrecht aber auch nur Vermögensauskehrungen, wie z.B. § 7 UmwStG für die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft bzw. über § 9 UmwStG für den Formwechsel einer Kapital- in eine Personengesellschaft. Nach § 7 Satz 1 UmwStG wird eine Ausschüttung offener Rücklagen fingiert, die zu Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führt. Dies ermöglicht es zwanglos, auch die z.B. nach § 7 Satz 1 UmwStG fingierten Auskehrungen unter Art. 10 Abs. 3 mit der Folge zu fassen, dass der Quellenstaat sein Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 2 herleitet.3 Im Übrigen gilt auch für Umwandlungsgewinne, dass sich dies nach der hier präferierten eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nach dem Steuerrecht des Quellenstaates richtet. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei Umwandlung von Aktien-
1 Zum Ganzen auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 132 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 130. 2 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 3 Ebenso Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 151.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 160–163 Art. 10
gesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.1 jj) Andere geldwerte Vorteile Gratisaktien, Boni usw. Art. 10 Rz. 28 OECD-MK stellt klar, dass der Begriff „Divi- 161 denden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3 nicht nur die jährlich von der Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossenen Gewinnausschüttungen behandelt, sondern auch andere geldwerte Vorteile, die der Gesellschafter aufgrund seines Gesellschaftsanteils erhält. Daher können neben den ausdrücklich behandelten geldwerten Vorteilen wie verdeckte Gewinnausschüttung etc. (vgl. Rz. 136 ff.) auch Gratisaktien, Boni etc. als „Dividenden“ qualifizieren. Nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) hängt die Beantwortung dieser Frage zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 davon ab, ob der betreffende Vorteil nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien gleichgestellt ist. Außerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 (also insbesondere bei anderen geldwerten Vorteilen von Aktiengesellschaften) bleibt es nach der Rspr. des BFH bei der autonomen Auslegung durch Deutschland.2 b) Genussaktien, Genussscheine und Genussrechte aa) Genussrechte Begriff. Bei Genussrechten handelt es sich um einen allgemeinen Oberbegriff, der 162 die in Art. 10 Abs. 3 ausdrücklich genannten „Genussaktien“ und „Genussscheine“ mitumfasst.3 Der Begriff des Genussrechts ist weder im OECD-MA noch im deutschen Recht definiert. Allerdings wird er im deutschen Recht an verschiedenen Stellen genannt und damit vorausgesetzt (z.B. § 221 Abs. 3 AktG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Beschreiben lässt sich ein Genussrecht als ein Kapitalüberlassungsverhältnis auf rein schuldrechtlicher Grundlage.4 Mit Abschluss des Genussrechtsvertrages verpflichtet sich der Genussrechtsinhaber, dem Genussrechtsemittenten das Genussrechtskapital zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug werden dem Genussrechtsinhaber vom Genussrechtsemittenten bestimmte Vermögensrechte gewährt, die in der Regel auch Gesellschaftern des Emittenten zustehen (z.B. eine gewinnabhängige Vergütung, eine Beteiligung am Liquidationserlös etc.). Eine Ausstattung mit Verwaltungsrechten, insbesondere mit Stimmrechten, ist hingegen nicht möglich. Nur beteiligungsähnliche Genussrechte fallen unter Art. 10 Abs. 3. Ob unverbrief- 163 te Genussrechte, die anders als Genussaktien und Genussscheine nicht ausdrücklich in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 genannt sind, unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 oder unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 fallen, wird im Schrifttum uneinheitlich beantwortet.5 Vor dem Hintergrund der hier vertretenen Auffassung, wonach bei allen drei Fallgruppen das Vorliegen steuerlichen Eigenkapitals erforderlich ist (vgl. Rz. 128 f.), ist diese Frage jedoch ohne praktische Bedeutung. Vielmehr steht danach fest, dass nur sog. beteiligungsähnliche Genussrechte unter Art. 10 Abs. 3 fallen, die aus Sicht des Anwenderstaates als steuerliches Eigenkapital qualifizieren (im Gegensatz zu obligationsähnlichen Genussrechten).6 Ist Deutschland der Quellenstaat, so ergibt sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG sowie aus § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 EStG, dass beteiligungsähnliche Genussrechte eine Beteiligung am Gewinn (Rz. 164) und Liquidationserlös (Rz. 165) einer Kapitalgesellschaft voraussetzen.7
1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 2 BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. 3 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 64; Kaeser/ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 124 f. 4 Zum Begriff vgl. nur Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 149. 5 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 115; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 124 ff.; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 194. 6 Anders mglw. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 126. 7 Vgl. hierzu auch BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09; BFH/NV 2011, 135.
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Art. 10 Rz. 164–165
Dividenden
164
Beteiligung am Gewinn. Eine „Beteiligung am Gewinn […] der Kapitalgesellschaft“ erfordert eine variable, von der Höhe des „Gewinns“ der Kapitalgesellschaft abhängige Vergütung. Die Anknüpfung an den „Gewinn“ wird allgemein weit verstanden, so dass jede mittelbare oder unmittelbare Abhängigkeit ausreichen soll. Danach soll jede erfolgsabhängige Vergütung, deren Bezugsgröße der Jahresüberschuss, der ausschüttungsfähige Gewinn, der Bilanzgewinn, die Dividende oder eine vergleichbare auf das Ergebnis bezogene Bemessungsgrundlage ist, ausreichen.1 Die weite Auslegung rechtfertigt sich nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die an die Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft anknüpft.2 Auch hätte der Gesetzgeber, hätte er eine bestimmte Bezugsgröße gewünscht, diese deutlich zum Ausdruck bringen können. Der Annahme einer Beteiligung am Gewinn steht eine Mindestverzinsung des Genussrechtskapitals nach allgemeiner Ansicht nicht entgegen, wenn die erfolgsabhängige Vergütung bei wirtschaftlicher Beteiligung im Vordergrund steht, d.h. bei Betrachtung eines längerfristigen Zeitraums nach der Ertragskraft der Gesellschaft die Beteiligung am Gewinn nachhaltig über der Mindestverzinsung liegt.3 Hierzu wird zum einen darauf abgestellt, ob – im Emissionszeitpunkt – unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls damit zu rechnen ist, dass die Anteilsinhaber langfristig etwa gleich hohe Dividenden erhalten werden, d.h. die Mindestverzinsung nach den jeweiligen Verhältnissen durch den aufgrund der Ertragskraft des Unternehmens üblicherweise langfristig erzielbaren Gewinn gedeckt werden könne. Andere ziehen als Vergleichsmaßstab das idealtypische Fremdkapital heran und konkret den Zinssatz für vergleichbare Anleiheemissionen am Kapitalmarkt.4 Unterschreitet die Mindestverzinsung die Verzinsung vergleichbarer Anleiheemissionen signifikant, soll insgesamt von einer Beteiligung am Gewinn auszugehen sein. Vor diesem Hintergrund sollte man in der Praxis die feste Verzinsung möglichst gering festsetzen, so dass der Anteil der variablen Vergütung deutlich im Vordergrund steht. In der Praxis finden sich auch Genussrechte, die die der variable Vergütung an einen Gewinn einer bestimmten Sparte der Kapitalgesellschaft anknüpfen. Es stellt sich die Frage, ob darin eine Beteiligung am Gewinn der Kapitalgesellschaft gesehen werden kann. Dies sollte zu bejahen sein, weil weder § 20 Abs. 1 Nr. 1 Fall 5 EStG noch § 8 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 EStG eine Beteiligung am „Gesamtgewinn“ fordern. Gleichwohl wird teilweise eine Beteiligung am Gewinn bei Anknüpfung an einen Spartengewinn jedenfalls für die Fälle verneint, in denen der Genussrechtsinhaber auch dann eine variable Vergütung auf Basis eines Spartengewinns erhalten soll, obwohl die Gesellschaft insgesamt keinen Gewinn oder sogar einen Verlust erzielt hat.5 Ob der BFH eine ebenso strenge Sicht einnimmt, scheint zumindest fraglich.6 Dieser Fall kann jedoch durch entsprechende Gestaltung der Genussrechtsvereinbarung ausgeschlossen werden, indem die variable Vergütung nur gezahlt wird, wenn ein entsprechender Gesamtgewinn der Kapitalgesellschaft gegeben ist. Der umgekehrte Fall, dass keine variable Genussrechtsvergütung gezahlt wird, weil kein Spartengewinn erzielt wurde, aber ein Gesamtgewinn, dürfte demgegenüber unkritisch sein, weil dieser Umstand für sich gesehen nicht die Fremdkapitalähnlichkeit des Genussrechts begründen kann.
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Beteiligung am Liquidationserlös. Für die Annahme eines beteiligungsähnlichen Genussrechtes ist weiterhin eine „Beteiligung am […] Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft“ erforderlich. Nach der Rspr. des BFH liegt eine Beteiligung am Liquidationserlös stets dann vor, wenn das Genussrechtskapital zzgl. der anteiligen stillen Reserven zurückzuzahlen ist.7 Dies gilt jedenfalls für den tatsächlichen Liquidationsfall. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll eine Beteiligung am Liquidationserlös 1 Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151; Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 56; Rengers in Blümich, § 8 KStG, Rz. 202; Widmayer, IStR 2001, 337, 339. 2 Kratzsch, BB 2005, 2603, 2605. 3 Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8 Rz. 123a; Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151. 4 Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2006, 120; Kroschweski, Stbg 2005, 341, 343. 5 Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151; K. Stein in H/H/R, § 8 Rz. K184 KStG. 6 BFH v. 26.8.2010 – I R 53/09; BFH/NV 2011, 135. 7 BFH v. 14.6.2005 – VIII R 73/03, BStBl. II 2005, 861, zu § 17 EStG.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 165–167 Art. 10
selbst bei vorzeitiger Rückzahlung ohne Beteiligung an den stillen Reserven vorliegen, wenn die Laufzeit des Genussrechts die Mindestdauer von 30 Jahren überschreitet, da der Rückzahlungsanspruch in diesen Fällen bedeutungslos sei.1 Der BFH lehnt ein solches Verständnis mit Blick auf den klaren Regelungswortlaut ab.2 Die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung wegen Befristung oder Kündigung ist nach überwiegender Auffassung für die Annahme einer Beteiligung am Liquidationserlös unschädlich, wenn auch eine Beteiligung an den stillen Reserven vorgesehen ist (sog. Beteiligung am fiktiven Liquidationserlös).3 Zum Teil wird aber auch vertreten, dass es an einer Beteiligung am Liquidationserlös in einem solchen Fall fehlt, weil der Genussrechtsinhaber in diesem Fall denknotwendig nicht mehr am Liquidationserlös beteiligt werden könne.4 Jedenfalls dann, wenn sowohl eine Vereinbarung über die Beteiligung am echten als auch am fiktiven Liquidationserlös besteht und zu Beginn der Vereinbarung offen ist, wann die Genussrechte eingelöst werden, sollte die erforderliche Beteiligung am Liquidationserlös zu bejahen sein.5 Keinesfalls darf für Fälle der vorzeitigen Kündigung oder des Laufzeitendes eine Mindestrückzahlungsverpflichtung in Höhe des Nennwerts des Genussrechtskapitals vereinbart werden.6 Abgrenzung zu typisch/atypisch stillen Beteiligung. Die stille Beteiligung i.S.v. 166 § 230 HGB setzt – unabhängig von der steuerlichen Qualifikation als „typische“ oder „atypische“ stille Beteiligung – als Gesellschaft im Gegensatz zur rein schuldrechtlichen Vereinbarung eines Genussrechts voraus, dass Anleger und Emittent zu einem gemeinsamen Zweck zusammenwirken. Allgemein darf sich der gemeinsame Zweck nicht darin erschöpfen, dass jede Partei für sich alleine Ziele anstrebt, die vielleicht aufeinander abgestimmt sind, mangels entsprechender Bindung aber nicht gegenseitig eingefordert werden können. Nicht als gemeinsamer Zweck ausreichend ist die bloße Kapitalhingabe durch den Anleger und die Anlage durch den Emittenten zur Erzielung von Vermögenszuwächsen, erforderlich ist vielmehr ein substanzielle „Mehr“.7 Ein solches soll z.B. gegeben sein, wenn Anleger und Emittent eine „Gewinn- und Verlustgemeinschaft“ bilden, weil der Emittent dann erheblich am Erfolg und Misserfolg der Kapitalanlage partizipiert. Kommt jedoch der Gewinn aus der Kapitalanlage vollständig dem Anleger zugute und erhält der Emittent lediglich eine Art Gebühr, dürfte eine solche „Gewinn- und Verlustgemeinschaft“ zu verneinen sein. Weiter soll für die Annahme von Genussrechten im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sprechen, wenn diese (1) frei übertragbar sind, (2.) keine bzw. Informationsrechte vorgesehen sind, die hinter § 233 HGB zurückbleiben und (3.) keine Beteiligung am Liquidationserlös bzw. an den Verlusten vermitteln. Abgrenzung zum partiarischen Darlehen. Partiarische Darlehen zeichnen sich da- 167 durch aus, dass die Verzinsung sich ganz oder teilweise am Gewinn des Schuldners orientieren. Dies entspricht ebenso einem Genussrecht wie der Umstand, dass kein eine stille Gesellschaft charakterisierender „gemeinsamer Zweck“ besteht. Der partiarische Darlehensgeber erhält einen Gewinnanteil aus dem Geschäft, für das er das Darlehen gewährt hat. Abweichend vom Genussrecht ist jedoch typischerweise beim partiarischen Darlehen eine Verlustbeteiligung ausgeschlossen.8 Insoweit steht dem
1 BMF v. 8.12.1986, BB 1987, 667. 2 Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151, unter Hinweis auf BFH v. 14.6.2005 – VIII R 73/03, BStBl. II 2005, 861. 3 Vgl. Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz. 123 m.w.N.; K. Stein in H/H/R, § 8 KStG Rz. 187 m.w.N.; Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2005, 129 f.; Kroschewski, Stbg 2005, 341, 343. 4 Vgl. Linscheidt, DB 1992, 1852, 1855 f.; vgl. auch Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151, dort die Nachweise in Fn. 6. 5 Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 4 Rz. 123; Kroschewski, Stbg 2005, 341, 343. 6 Gosch in Gosch2, § 8 KStG Rz. 151; Briesemeister, Hybride Finanzinstrumente im Ertragsteuerrecht, 2005, 131. 7 Vgl. BFH v. 8.4.2008 – VIII R 3/05, BStBl. II 2008, 852. 8 Vgl. BFH v. 19.2.2009 – IV R 83/06, BFH/NV 2009, 1021 zur Abgrenzung stille Beteiligung zum partiarischen Darlehen.
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Art. 10 Rz. 167–171
Dividenden
Darlehensgeber zumindest der Anspruch auf Kapitalrückgewährung zu. Mit einem Genussrecht ist eine Beteiligung am (echten oder fiktiven) Liquidationserlös verbunden, so dass der Genussrechtsinhaber in Verlustfällen grds. auch mit dem Genussrechtskapital haftet. bb) Genussscheine 168
Verbrieftes Genussrecht. Der Begriff der Genussscheine ist nicht im Abkommen definiert, so dass sich die Begriffsbestimmung nach dem Recht des Anwenderstaates richtet. Aus deutscher Sicht handelt es sich bei Genussscheinen um Urkunden, die Genussrechte verbriefen (zum Genussrecht vgl. Rz. 162 ff.). Genussscheine können als Inhaberpapiere, Namenspapiere oder Orderpapiere ausgegeben werden. Sie unterscheiden sich nach der Form (Nominalpapier, auf bestimmte Summe lautend; Quotenpapier, auf prozentualen Anteil am Gewinn oder Liquidationserlös lautend), nach dem Inhalt (Genussscheine mit Anspruch auf Gewinnbeteiligung; Genussscheine mit Anspruch auf Anteil am Liquidationserlös; Genussscheine mit Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Summe) sowie nach der Ausgabe (Genussscheine können von Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen zur Kapitalbeschaffung ausgegeben werden). Auch Genussscheine fallen als verbrieftes Genussrecht nur dann unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3, wenn sie als steuerliches Eigenkapital qualifizieren (beteiligungsähnliche Genussscheine; vgl. näher Rz. 163). cc) Genussaktien
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Keine praktische Relevanz. Eine Genussaktie ist ein regelmäßig mit Stimmrechten versehener Genussschein (vgl. zum Genussschein Rz. 168). Die Genussaktie verbrieft die Vermögens- und Mitspracherechte des Aktionärs. In der Regel handelt es sich dabei um Anteile am Reingewinn oder am Liquidationserlös. Die Genussaktie ist der Vorzugsaktie vergleichbar, damit aber in keinem Fall zu verwechseln. Das deutsche Aktienrecht kennt Genussaktien nicht, so dass sich für Deutschland als Quellenstaat kein Definitionsproblem stellt.1 c) Kuxe und Gründeranteile
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Kuxe. Die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 genannten Kuxe sind Anteile an bergrechtlichen Gewerkschaften. Soweit diese bergrechtlichen Gewerkschaften nach dem Rechts des Quellenstaates als „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b behandelt werden, sind die Gewinnausschüttungen als Dividenden zu qualifizieren. Für den Ansässigkeitsstaat ist diese Qualifikation trotz der hier vertretenen Maßgeblichkeit der Dividendendefinition durch den Quellenstaat (vgl. Rz. 116) nicht bindend, da dem Begriff der Gesellschaft innerhalb von Art. 10 Abs. 3 keine eigenständige Bedeutung zukommt und autonom durch den Anwenderstaat zu bestimmen ist (vgl. Rz. 127).2 In Deutschland wurden mit Bergbaugesetz v. 13.8.19803 die in Deutschland damals noch bestehenden bergrechtlichen Gewerkschaften mit Wirkung zum 1.1.1986 aufgelöst.4 In anderen Gesellschaftsformen errichtete bergbautreibende Vereinigungen (z.B. Personengesellschaften) zählen nicht zu den bergrechtlichen Gewerkschaften, sondern zählen zu den Gesellschaftsformen, in die sie gekleidet sind.5
171
Gründeranteile. Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt keine „Gründeranteile“. Für Deutschland als Quellenstaat ist der Begriff damit ohne praktische Relevanz.6 Aus internationaler Sicht handelt es sich um Anteile, die den Gründern vorbehalten und u.U. mit Sonderrechten ausgestattet sind („golden share“, Mehrstimmrecht 1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 114; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 124. 2 A.A. Tischbierek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 196. 3 BGBl. I 1980, 1310. 4 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 127. 5 Tischbierek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 196. 6 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 118; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 68; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 191; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECDMA Rz. 128; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 197.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 171–174 Art. 10
etc.).1 Sofern die Gründeranteile an einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b bestehen (vgl. Rz. 29) und steuerlich als Eigenkapital qualifizieren (vgl. Rz. 128 f.), sind die Einkünfte hieraus als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 zu qualifizieren. 3. Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung (Fallgruppe 2) Andere verbriefte Rechte aus Gesellschaftsanteilen. Zu den Dividenden sollen 172 gem. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 auch Einkünfte aus anderen Rechten – ausgenommen Forderungen – mit Gewinnbeteiligung gehören. Die Formulierung verspricht mehr praktische Bedeutung als dieser Fallgruppe (wenn sie überhaupt in deutschen DBA vereinbart wird) tatsächlich zukommt.2 So ergibt sich bereits aus den Ausführungen in Rz. 126, dass dem Begriff „Rechte“ in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 keine eigenständige (weite) Bedeutung zukommt, sondern dass es sich bei allen Rechtstiteln innerhalb von Art. 10 Abs. 3 um „Gesellschaftsanteile“ handeln muss, d.h. nach dem Recht des Quellenstaates als steuerliches Eigenkapital qualifizieren (vgl. Rz. 128 f.). Insoweit ist auch die von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 geforderte Abgrenzung zu „Forderungen“ lediglich klarstellender Natur. Anders als im Schrifttum z.T. erwogen, bedarf es dafür auch keines (unmittelbaren) Rückgriffes auf zivilrechtliche Wertungen.3 Vielmehr genügt eine rein steuerliche Betrachtung dahin, ob der betreffende Rechtstitel steuerliches Eigen- oder Fremdkapital vermittelt. Letztlich bringt auch Art. 10 Rz. 24 OECD-MK diese Wertungen zum Ausdruck, indem unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2 nur verbriefte Rechte mit Beteiligungscharakter fallen sollen. Die praktisch wichtigen unverbrieften Rechte (z.B. GmbH-Anteile) fallen damit nicht unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 2, sondern unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3. Für die Beantwortung der Frage, ob steuerliches Eigen- oder Fremdkapital vorliegt, würde es nach der hier vertretenen eingeschränkten Qualifikationsverkettung (vgl. Rz. 116) eigentlich Sinn machen, das Steuerrecht des Quellenstaates für maßgeblich zu erklären. Der BFH will allerdings die eingeschränkte Qualifikationsverkettung auf Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 begrenzen,4 so dass die Qualifikation innerhalb der Fallgruppe 2 jedem Anwenderstaat autonom überlassen bleibt. 4. Einkünfte aus nach dem Steuerrecht des Quellenstaates vergleichbaren Gesellschaftsanteilen (Fallgruppe 3) a) Allgemeines Generalklausel. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 sieht schließlich eine Generalklausel 173 für aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte vor, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.5 Eine Generalklausel war schon deshalb erforderlich, weil nicht alle denkbaren Beteiligungsformen genannt werden konnten und im Übrigen einer ständigen Änderung sowie Erweiterung unterliegen. Der Charakter als Generalklausel ergibt sich auch nach Art. 10 Rz. 23 OECD-MK daraus, dass es angesichts der bestehenden Unterschiede zwischen den OECD-Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Steuerrechts nicht möglich ist, eine vom innerstaatlichen Recht unabhängige Definition des Dividendenbegriffs auszuarbeiten. b) Aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte Einkünfte. Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 stellt nochmals eigenständig auf den Begriff der „Einkünfte“ ab. Es ist allerdings nicht erkennbar, warum diesem Begriff in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ein anderes Verständnis beigelegt werden sollte als in Art. 10
1 2 3 4 5
Vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 128. Zutreffend Tischbierek in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 198. So aber wohl Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 136. BFH v. 6.6.2012 – I R 6, 8/11, BStBl. II 2013, 111; dazu kritisch auch Rz. 112. Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 141 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 72 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 139 ff.
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174
Art. 10 Rz. 174–177
Dividenden
Abs. 3 Fallgruppen 1 und 2. Auf die Ausführungen in Rz. 124 f. kann daher verwiesen werden. 175
Sonstige Gesellschaftsanteile. Die Einkünfte müssen schließlich aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen. An anderer Stelle konnte bereits darauf hingewiesen werden, dass in der Formulierung „sonstige“ eine Klammerfunktion dahin zum Ausdruck kommt, dass „Gesellschaftsanteile“ eine fallgruppenübergreifende Voraussetzung darstellen (vgl. Rz. 126). Insoweit findet sich auch die ausführliche Kommentierung des Begriffs der „Gesellschaftsanteile“ am Anfang der Kommentierung von Art. 10 Abs. 3, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (vgl. Rz. 126 ff.). Im Ergebnis wird danach unter einem Gesellschaftsanteil ein „Anteil“ an einer „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b verstanden, der nach dem (zumindest innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 maßgeblichen) Steuerrecht des Quellenstaates als steuerliches Eigenkapital qualifiziert. Über die Frage, ob eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b vorliegt, entscheidet jeder Anwenderstaat selbst (vgl. auch Rz. 29 ff.), was zu Qualifikationskonflikten führen kann. Ob eine rein innerstaatliche Fiktion von „Dividenden“ (z.B. im Rahmen von Unterkapitalisierungsregeln) zugleich die Fiktion eines „Gesellschaftsanteils“ bewirkt bzw. dessen Prüfung entfallen lässt, ist umstritten und wird ausführlich in Rz. 180 diskutiert. c) Steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft
176
„Ausschüttende“. Die sonstigen Gesellschaftsanteile müssen an der „ausschüttenden Gesellschaft“ bestehen. Abweichend von Art. 10 Abs. 1 spricht Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nicht von „zahlt“, sondern „ausschütten“. Dabei dürfte es sich jedoch um eine bloße sprachliche Ungenauigkeit handeln, die nicht dahin missverstanden werden darf, dass Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 seinen Anwendungsbereich auf Dividenden in einem strengen gesellschaftsrechtlichen Sinne verengt, die aus einer (offenen oder verdeckten) „Gewinnausschüttung“ stammen. Es gilt vielmehr auch innerhalb von Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 das zum Begriff des „Zahlens“ entwickelte weite Verständnis (vgl. dazu Rz. 61).
177
Gesellschaft. Entsprechendes gilt für den in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b definierten Begriff der „Gesellschaft“, den jeder Vertragsstaat autonom bestimmt und insoweit nicht an die Qualifikation durch den Quellenstaat gebunden ist (vgl. Rz. 29 ff.). Auch die in Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 ausdrücklich vorgesehene Qualifikationskompetenz des Quellenstaates für den Begriff der Dividenden vermag daran nichts zu ändern. Zwar hat der BFH in einem älteren Urt. entschieden, dass der Anwendungsbereich der vergleichbaren Regelung des Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz nicht auf Körperschaften als Schuldner der steuerlich gleichgestellten Einkünfte beschränkt sein soll. Vielmehr sollen auch Personengesellschaften (im Urteilsfall eine deutsche KG, an deren Handelsgewerbe eine typisch stille Beteiligung bestand) in den Anwendungsbereich einzubeziehen sein, was der BFH mit einer abkommensautonomen Auslegung begründete (vgl. auch ausführlicher Rz. 31). Diese Erwägungen dürften jedoch überholt sein. Aus einer neueren Entscheidung des BFH1 (zur abkommensrechtlichen Behandlung einer typisch stillen Beteiligung) ergibt sich, dass der erweiterte Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 nicht alle erforderlichen Tatbestandsmerkmale einer Abkommensvorschrift zu überspielen vermag (im Streitfall die qualifizierte Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft). Insoweit spricht alles dafür, dass der BFH künftig für die Anwendung der Kernregelung des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b als Schuldnerin der steuerlich gleichgestellten Einkünfte verlangt. Damit bestimmt sich das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Empfängers eines geldwerten Vorteils einer Gesellschaft, die aus dessen Sicht als steuerlich transparent qualifiziert, nicht nach Art. 10 Abs. 1, selbst wenn aus Sicht des Quellenstaates eine „Dividende“ einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b vorliegt. Die Finanzverwaltung wendet die BFH-Entscheidung an.2 1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 4.1.1.1.3.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 178–179 Art. 10
Steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien. Die Einkünfte müssen 178 schließlich nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sein. Damit knüpft Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 für die Bestimmung des Dividendenbegriffs ausdrücklich an das Recht des Ansässigkeitsstaates der ausschüttenden Gesellschaft an, also an das Recht des Quellenstaates. Zu der Frage, wo eine Gesellschaft „ansässig“ ist, kann auf die Ausführungen in Rz. 40 ff. verwiesen werden. Aus der ausdrücklichen Anknüpfung wird dann auch im Schrifttum geschlussfolgert, dass zumindest für Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 eine Bindung des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers an die Qualifikation der Einkünfte durch den Quellenstaat besteht.1 Auch wenn alles dafür spricht, diese Bindung als eingeschränkte Qualifikationsverkettung auf sämtliche Fallgruppen des Art. 10 Abs. 3 zu erstrecken, hat der BFH die Bindungswirkung auf die dritte Fallgruppe beschränkt (vgl. zum Streit ausführlich Rz. 116). Die Bindung ist dabei dahin zu verstehen, dass der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers nach dem Recht des Quellenstaates autonom prüft, ob die Einkünfte solchen aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. In der Regel wird dies der tatsächlichen Qualifikation durch den Quellenstaat entsprechen, muss es aber nicht. Maßgeblich ist das Steuerrecht des Quellenstaates. Es kommt also nicht darauf an, ob gesellschaftsrechtlich Einkünfte vorliegen, die den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Entscheidend ist allein, ob die aus einem „Gesellschaftsanteil“ (vgl. Rz. 128 f.) stammenden Einkünfte steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Diese Frage kann jeder Staat für sich beantworten. Ob diese steuerliche Gleichstellung allerdings auch das selbständige Erfordernis eines „Gesellschaftsanteils“ entfallen lässt, ist umstritten und wird sogleich ausführlich in Rz. 180 diskutiert. Steuerlich gleichgestellte Einkünfte nach deutschem Steuerrecht. Ist Deutschland 179 der Quellenstaat, so besteht zunächst Einigkeit darin, dass steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellte Einkünfte die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Einkünfte aus Kapitalvermögen sind. Neben den Ausbeuten und sonstigen Bezügen aus Aktien gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG dazu Einkünfte aus beteiligungsähnlichen Genussrechten (wenn man diese nicht bereits unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 1 fasst, vgl. Rz. 162 ff.), aus Anteilen an einer GmbH, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben (zu Kuxen vgl. Rz. 170). Zu den steuerlich gleichgestellten Einkünften gehören dabei nicht nur diejenigen, die aus offenen Gewinnausschüttungen der vorgenannten Rechtstitel stammen. Vielmehr stellt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG klar, dass zu den sonstigen Bezügen auch verdeckte Gewinnausschüttungen gehören (vgl. dazu bereits Rz. 136 ff.). Aber auch im Übrigen gelten die zu Aktien exemplarisch dargestellten Ausführungen entsprechend, wonach auch anderweitige Vorgänge aus den genannten Rechtstiteln zu steuerlich gleichgestellten Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen können, wie z.B. aus Vorabgewinnausschüttungen (Rz. 139), Gewinnabführungen (Rz. 140 ff.), Sachausschüttungen (Rz. 143 ff.), Einlagenrückgewähr (Rz. 146 ff.), Nennkapitalherabsetzung (Rz. 154 ff.), Liquidation (Rz. 157 ff.), Umwandlung (Rz. 160) sowie die Zuführung anderer geldwerter Vorteile (Rz. 161). Die Verwendung des Einlagenkontos gem. § 27 KStG nimmt § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG dabei ausdrücklich aus. Zur Fiktion des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG vgl. Rz. 180. Aus einer Gesamtschau der deutsch-steuerlichen Regelungen zu Dividendenbezügen (z.B. Nennung in § 3 Nr. 40 Buchst. a und d EStG) folgt ferner, dass auch die in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG genannten Einkünfte den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Gleiches gilt (aufgrund der Nennung in § 3 Nr. 40 Buchst. e EStG) auch für die Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie für Bezüge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a EStG. Im Schrifttum findet sich darüber hinaus eine Tendenz, sämtlichen in § 20 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte aus Kapitalvermögen die grds. Fähigkeit zuzuerkennen, für eine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien geeignet zu sein.2 So wird z.B. diskutiert, ob die in § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG genannten Einkünfte aus stiller Beteiligung 1 Z.B. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 149. 2 So mglw. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 146.
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Art. 10 Rz. 179–180
Dividenden
in den Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 fallen (vgl. dazu ausführlich Rz. 181 ff.). Dies kann indes nicht überzeugen. Vergleichsmaßstab sind nach dem eindeutigen Wortlaut nur die „Einkünfte aus Aktien“. Diese Gleichstellung wird im deutschen Steuerrecht nicht allein dadurch bewirkt, dass neben den ausdrücklich in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten „Dividenden“ auch die in den übrigen Nummern genannten Einkünfte solche aus Kapitalvermögen sind. Dann könnten nämlich auch die in § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG genannten „Zinsen“ steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sein. Davon kann indes keine Rede sein. Vielmehr ist eine Gesamtschau der deutsch-steuerlichen Vorschriften zu laufenden Beteiligungserträgen aus Körperschaften erforderlich. Dies bedeutet, dass z.B. auch die Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b Abs. 1 KStG bei der Auslegung zu berücksichtigen sind. Dem kann nicht entgegengehalten werden, bei den letztgenannten Vorschriften handelt es sich um Vorschriften, die sich ausschließlich an Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers richten. Denn § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG sind auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht durch Deutschland als Quellenstaat anzuwenden, sofern die Kapitalertragsteuer keine abgeltende Wirkung hat (z.B. Anteil gehört zu deutschem Betriebsvermögen). Deutschland steht es als Vertragsstaat allerdings frei, über die nach innerstaatlichem Steuerrecht gleichgestellten Einkünfte aus Aktien hinaus im DBA zu vereinbaren, dass Einkünfte aus anderen Rechtstiteln als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 gelten. Davon wird z.B. für Einkünfte aus stiller Beteiligung regelmäßig Gebrauch gemacht. 180
Genügt die steuerliche Fiktion von „Dividenden“ durch den Quellenstaat? Eine weitere kontrovers diskutierte Frage ist die, ob dann, wenn der Quellenstaat eine steuerliche Dividendenfiktion anordnet, ohne dass ein tatsächlicher „Gesellschaftsanteil“ (vgl. Rz. 128 f.) vorliegt, sich diese Fiktion auch auf den Gesellschaftsanteil erstreckt.1 So hat etwa Deutschland im Bereich der Gesellschafter-Fremdfinanzierung die gezahlten Darlehenszinsen über § 8a KStG a.F. in Beteiligungserträge umqualifiziert, ohne dass die zugrundeliegende Darlehensbeziehung ebenfalls eine (ausdrückliche) steuerliche Umqualifizierung in Eigenkapital erfahren hat. Auch gegenwärtig enthält das deutsche Steuerrecht derartige Fiktionen (z.B. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Insoweit könnte man überlegen, unter Betonung der steuerlichen Gleichstellung der Einkünfte nach dem Recht des Quellenstaates das zusätzliche Erfordernis eines „Gesellschaftsanteils“ als entbehrlich anzusehen. Hierfür spricht auch in der Tat einiges, weil es etwas wertungswidersprüchlich anmuten würde, einerseits den Dividendenbegriff aus einer steuerlichen Gleichstellung mit den Einkünften aus Aktien nach dem Recht des Quellenstaates zu bestimmen, diese Kompetenz des Quellenstaates aber andererseits auf derartige Einkünfte aus „Gesellschaftsanteilen“ zu beschränken. Gleichwohl begegnet diese Überlegung gewissen Bedenken. So ergibt sich z.B. aus der nun bereits mehrfach angesprochenen Entscheidung des BFH v. 4.6.2008,2 dass selbst eine abkommensrechtliche Fiktion nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen zu überspielen vermag. Im Streitfall war dies die (für das Schachtelprivileg des Methodenartikels erforderliche) qualifizierte Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft. Trotz der abkommensrechtlichen Fiktion einer Dividende für Einkünfte aus einer stillen Beteiligung verlangte der BFH, dass neben der Beteiligung als stiller Gesellschafter eine Beteiligung am Kapital der Gesellschaft vorliegt (vgl. Rz. 39). Auch hierin liegt ein gewisser Wertungswiderspruch, den der BFH aber ausdrücklich akzeptiert. Nach hier vertretener Auffassung lässt diese Entscheidung auch die Schlussfolgerung zu, dass innerhalb des Art. 10 Abs. 3 der jeweilige Anwenderstaat autonom darüber entscheidet, ob die Dividende von einer „Gesellschaft“ stammt, obwohl der BFH diese Frage früher anders beantwortet hat.3 Dann erscheint es aber nur konsequent, die Voraussetzung des „Gesellschaftsanteils“ nicht
1 Zur Diskussion vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 147 ff.; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 195 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 128; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 201 ff. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 180–182 Art. 10
einfach über eine Fiktion von Einkünften zu überspielen.1 Anderenfalls hätte es der Quellenstaat auch in der Hand, ein ggf. nicht bestehendes Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einer bloßen Darlehensforderung dadurch zu umgehen, dass die Zinsen steuerlich Dividenden gleichgestellt werden. Vielmehr bedarf es eines „Gesellschaftsanteils“ in Form von steuerlichem Eigenkapital an einer Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b (vgl. Rz. 128 f.). Eine andere Frage ist daher sogleich die, ob ein „Gesellschaftsanteil“ auch dann gegeben ist, wenn das Steuerrecht des Quellenstaates einen solchen lediglich fingiert (z.B. steuerliche Umqualifizierung von Eigenin Fremdkapital). Nimmt man die steuerliche Qualifikationskompetenz ernst, wird man dies wohl bejahen müssen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf, dass in deutschen DBA weitgehend auf das zusätzliche Erfordernis eines Gesellschaftsanteils verzichtet wird. Vielmehr genügt es, wenn die gleichgestellten Einkünfte aus „sonstigen Rechten“ stammen. In diesem Fall schlägt die Einkünftequalifikation durch den Quellenstaat ungeschmälert durch; für das zusätzliche Erfordernis eines Gesellschaftsanteils bleibt kein Raum. d) Einzelne Beteiligungsformen aus deutscher Sicht aa) Stille Beteiligung Allgemeines. Bei der stillen Gesellschaft handelt es sich um eine unternehmeri- 181 sche Verbindung, bei der sich der stille Gesellschafter als Kapitalgeber am Handelsgewerbe eines anderen mit einer Vermögenseinlage beteiligt und dafür am Gewinn des Handelsgewerbes teilhat. Inhaber des Handelsgewerbes kann sowohl ein Einzelkaufmann, eine Personen- oder auch eine Kapitalgesellschaft sein. Bei der Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsvertrages sind die Parteien weitestgehend frei. Eine gesetzliche Definition der stillen Gesellschaft existiert nicht. Der Gesetzgeber hat in den §§ 230–236 HGB lediglich einige Grundmerkmale vorgegeben, von denen die Parteien abweichen können. Nur an wenige Vorschriften sind die Parteien zwingend gebunden. Es besteht keine Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister. Wesensmerkmal der stillen Gesellschaft ist, dass der stille Gesellschafter „still“, also anonym bleiben kann.2 Dem stillen Gesellschafter können gleichwohl verschiedene Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte eingeräumt werden.3 Mit Begründung der stillen Gesellschaft entsteht zivilrechtlich eine reine Innengesellschaft, die über kein Gesamthandsvermögen verfügt.4 Sie tritt im Wirtschaftsleben nach außen hin nicht in Erscheinung. Sie weist deshalb auch keine Kaufmannseigenschaft auf. Kaufmann ist lediglich der Betriebsinhaber. Abgrenzung von typisch und atypisch stiller Gesellschaft. Die konkrete Ausgestal- 182 tung der stillen Gesellschaft ist maßgeblich dafür, ob man von einer typisch stillen Gesellschaft oder von einer atypisch stillen Gesellschaft spricht. Eine typisch stille Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie eher einem typischen Kapitalüberlassungsverhältnis entspricht, während bei der atypisch stillen Gesellschaft unternehmerische Merkmale hervortreten, weshalb die atypisch stille Gesellschaft auch als Mitunternehmerschaft besteuert wird. Entsprechend ist die Abgrenzung anhand der üblichen Kriterien der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisiko zu beurteilen. Dies ist nach ständiger Rspr. des BFH aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Danach reicht es für die Annahme einer atypisch stillen Gesellschaft jedenfalls nicht aus, dass sie lediglich im Vertragswerk als solche bezeichnet wird. Maßgebend ist vielmehr, welche Regelungen der Gesellschaftsvertrag im Einzelnen enthält und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Wirkungen diese Regelungen im jeweiligen Einzelfall nach Maßgabe seiner Besonderheiten haben.5 Ein stiller Gesellschafter ist dann Mit-
1 In diesem Sinne auch Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 205. 2 Zur stillen Gesellschaft ausführlich Rauch in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 120 ff. 3 Rauch in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 129 ff. 4 Rauch in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 129. 5 BFH v. 18.2.1993 – IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647, m.w.N.
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Art. 10 Rz. 182–184
Dividenden
unternehmer (und damit atypisch stiller Gesellschafter), wenn er Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann. Für die Annahme einer Mitunternehmerschaft müssen zwar beide Merkmale vorliegen, können aber mehr oder weniger ausgeprägt sein. Eine schwach ausgeprägte Mitunternehmerinitiative reicht für die Annahme einer Mitunternehmerstellung aus, wenn das Mitunternehmerrisiko besonders stark ausgeprägt ist und umgekehrt.1 Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Eine solche Beteiligung kann allerdings dann keine Mitunternehmerschaft begründen, wenn sie keine wirtschaftliche Bedeutung hat, weil von vornherein nur eine lediglich theoretische, kaum realitätsbezogene Möglichkeit besteht, dass sich stille Reserven bilden und der stille Gesellschafter bei Auflösung der Gesellschaft einen Anteil hieran erlangt.2 Ist ein stiller Gesellschafter am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven und am Geschäftswert beteiligt, so ist er bereits dann Mitunternehmer, wenn er annähernd die Rechte hat, die einem stillen Gesellschafter nach dem Regelstatut des HGB zustehen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Einsichts- und Kontrollrechte des § 233 HGB.3 183
Typisch stille Beteiligung. Die Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG und sind damit Einkünfte aus Kapitalvermögen. Daraus könnte man schlussfolgern, dass diese Einkünfte den Einkünften aus Aktien gleichstehen und daher grds. unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe fallen können. Allerdings wird bereits aufgrund des Charakters der stillen Gesellschaft als reine Innengesellschaft zumeist das Vorliegen eines „Gesellschaftsanteils“ verneint.4 Gerade dies hätte aber nahegelegen, weil die Innengesellschaft gerade über kein Gesamthandsvermögen verfügt und auch keine Mitunternehmerschaft darstellt. Die Kapitaleinlage hätte man damit durchaus als „Gesellschaftsanteil“ verstehen können, das Problem ist nur, dass die Einlage eines typisch stillen Gesellschafters typischerweise steuerliches Fremdkapital darstellt, was nach der hier präferierten Definition des Gesellschaftsanteils (vgl. Rz. 129) schädlich ist. Letztlich kommt es darauf aber auch nicht an, weil es nach hier vertretener Auffassung bereits an der steuerlichen Vergleichbarkeit mit Einkünften aus Aktien fehlt (vgl. Rz. 178 f.). Die Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG finden sich weder in § 3 Nr. 40 EStG noch in § 8b Abs. 1 EStG. Zu beachten ist allerdings, dass es deutsche Abkommenspolitik ist, zur Sicherstellung deutschen Besteuerungsrechtes die Einkünfte aus (typisch) stiller Beteiligung ausdrücklich in die Art. 10 Abs. 3 nachgebildete Dividendendefinition aufzunehmen. In diesem Fall soll nach älterer Rspr. des BFH die Möglichkeit der stillen Beteiligung nicht auf Gesellschaften i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b beschränkt sein, sondern auch für Personengesellschaften bestehen.5 Diese Rspr. dürfte aber durch die Entscheidung des BFH v. 4.6.20086 überholt sein (vgl. auch Rz. 180).
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Atypisch stille Beteiligung. Die Einkünfte aus atypisch stiller Beteiligung werden aus deutsch-steuerlicher Sicht wie mitunternehmerische Einkünfte besteuert, weshalb schon von daher eine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien nicht gegeben ist.7 Dies gilt auch ungeachtet dessen, ob in den deutschen DBA eine Unterscheidung zwischen typisch und atypisch stiller Beteiligung vorgenommen 1 St. Rspr., vgl. z.B. BFH v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, DB 1991, 1054, m.w.N. 2 BFH v. 18.2.1993 – IV R 132/91, BFH/NV 1993, 647, m.w.N. 3 BFH v. 11.12.1990 – VIII R 122/86, DB 1991, 1054; zum Ganzen auch ausführlich OFD Erfurt, FR 2003, 1299. 4 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 150; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 214; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECDMA Rz. 143. 5 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, BStBl. II 1982, 374. 6 I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 7 Vgl. auch Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 153; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 76; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 210; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 144.
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D. Dividendenbegriff (Absatz 3)
Rz. 184–187 Art. 10
wird. Unter eine Art. 10 Abs. 3 nachgebildete deutsche Abkommensvorschrift können nur Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung fallen.1 bb) Partiarisches Darlehen Abgrenzung zu stiller Gesellschaft. Das partiarische Darlehen weist zum Teil ge- 185 meinsame Charakteristika mit der stillen Gesellschaft auf, insbesondere besteht eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft. Der wesentliche Unterschied zur stillen Gesellschaft besteht aber darin, dass beim partiarischen Darlehen kein über die Kapitalüberlassung hinausgehender gemeinsamer Zweck besteht, und dass ein partiarisches Darlehen nie am Verlust der Gesellschaft teilnimmt, weil dies dem Wesen eines Darlehens widersprechen würde.2 Steuerlich fallen Einkünfte aus partiarischen Darlehen ebenso wie die aus typisch stiller Beteiligung unter § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Aus den in Rz. 183 dargestellten Gründen scheidet eine Subsumtion unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 daher aus. Allerdings entspricht es auch hier deutscher Abkommenspolitik, die Einkünfte aus partiarischen Darlehen in die Art. 10 Abs. 3 nachgebildete Dividendendefinition ausdrücklich aufzunehmen.3 cc) Wandelanleihen, Gewinnobligationen und obligationsähnliche Genussrechte Keine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien. Auch für Wandel- 186 anleihen, Gewinnobligationen und obligationsähnliche Genussrechte (zur Abgrenzung von beteiligungsähnlichen Genussrechten vgl. Rz. 163) fehlt es an der steuerlichen Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien, da diese unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu fassen sind.4 Eine Subsumtion unter Art. 10 Abs. 3 Fallgruppe 3 kommt damit aus den in Rz. 178 f. dargestellten Gründen nicht in Betracht. Allerdings beziehen einige deutsche DBA derartige Einkünfte ausdrücklich in den Dividendenbegriff ein.5 dd) Unterbeteiligung Unterbeteiligung ist nur eine Zurechnungsfrage. Auch die Einräumung einer Un- 187 terbeteiligung führt – ähnlich wie bei der stillen Gesellschaft (vgl. Rz. 183) – zur Begründung einer Innengesellschaft. Allerdings begründet selbst die atypische Unterbeteiligung an einem Kapitalgesellschaftsanteil keine Mitunternehmerschaft.6 Damit bleiben die laufenden Einkünfte aus einer Unterbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft solche aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die entscheidende Frage ist lediglich die, wem der Anteil an der Kapitalgesellschaft und damit die Einkünfte steuerlich zuzurechnen sind (vgl. § 20 Abs. 5 EStG). Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, wem bei einer Unterbeteiligung das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen zusteht. Bei einem Kapitalgesellschaftsanteil ist der Unterbeteiligte nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.7 Dies ist im Einzelfall im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen. Bleibt das wirtschaftliche Eigentum bei der die Unterbeteiligung einräumenden Person, ist er der Nutzungsberechtigte und ihm steht ein Entlastungsanspruch nach Art. 10 Abs. 2 zu. Geht das wirtschaftliche Eigentum auf den Unterbeteiligten über, ist dieser der Nutzungsberechtigte und ihm steht ein Entlastungsanspruch nach Art. 10 Abs. 2 zu (vgl. auch das Beispiel in Rz. 80). Der Umstand, dass die Unterbeteiligung eine Innengesellschaft begründet steht dem nicht entgegen. Denn die Frage, ob ein „Gesellschaftsanteil“ vorliegt, ist nach hier vertretener Auffassung allein aus steuerlicher 1 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 153. 2 Vgl. Wagner in Bösl/Sommer, Mezzanine Finanzierung, 2006, S. 271 ff. 3 Vgl. dazu Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 78; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 216 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 146. 4 Vgl. Weber-Grellet in Schmidt31, § 43 EStG Rz. 22. 5 Vgl. Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 16.335. 6 Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 367, m.w.N. 7 BFH v. 22.7.2008 – IX R 61/05, BFH/NV 2008, 2004; v. 8.11.2005 – VIII R 11/02, BStBl. II 2006, 253; Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 50; Wacker in Schmidt31, § 15 EStG Rz. 367, m.w.N.
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Art. 10 Rz. 187–190
Dividenden
Sicht mit der Folge zu entscheiden, dass es allein darauf ankommt, wem das wirtschaftliche Eigentum an der als steuerliches Eigenkapital qualifizierenden Rechtsposition zusteht (vgl. Rz. 129). ee) Nießbrauch 188
Nießbrauch ist nur eine Zurechnungsfrage. Auch der Nießbrauch an einem Kapitalgesellschaftsanteil ist – ähnlich wie bei der Unterbeteiligung (vgl. Rz. 187) – keine Frage der Einkünftequalifikation, sondern eine solche der Einkünftezurechnung, d.h. wem das wirtschaftliche Eigentum an den nießbrauchsbelasteten Anteilen zuzurechnen ist (vgl. § 20 Abs. 5 EStG). Dabei ist zwischen dem Vorbehalts- und dem Zuwendungsnießbrauch zu unterscheiden. Beim Vorbehaltsnießbrauch kommt es regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG, womit der Nießbraucher der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.1 Auch beim Zuwendungsnießbrauch soll es regelmäßig zu keiner Zurechnungsänderung für Zwecke des § 20 Abs. 5 EStG kommen, womit der Nießbrauchbesteller der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile bleibt.2 Zu einer Zurechnungsänderung kann es nur kommen, wenn der Nießbraucher ermächtigt ist (§ 185 BGB), auf eigene Rechnung über die belasteten Anteile zu verfügen.3 Entsprechendes sollte beim problematischeren entgeltlichen Zuwendungsnießbrauch gelten (vgl. auch die Beispiele in Rz. 78 f.).4 ff) Eigenkapitalersetzende Darlehen
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Keine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien. Darlehensforderungen bleiben auch dann steuerliches Fremdkapital, wenn sie nach gesellschaftsrechtlichen Kategorien als eigenkapitalersetzend einzustufen sind. Anders kann es nur liegen, wenn der Gesellschafter auf eine werthaltige Darlehensforderung gegenüber der Gesellschaft verzichtet und den nämlichen Betrag damit in die Kapitalgesellschaft einlegt; der Betrag wäre im Beteiligungskonto zu erfassen und würde die steuerlichen Anschaffungskosten erhöhen.5 Bleibt das eigenkapitalersetzende Darlehen aber steuerliches Eigenkapital, fallen die Einkünfte hieraus nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Eine steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien liegt damit nicht vor (vgl. Rz. 178 f.). Der Umstand, dass § 8b Abs. 3 Sätze 4 bis 8 KStG nunmehr ein Abzugsverbot für Gewinnminderungen aus (eigenkapitalersetzenden) Darlehen enthält, steht dem nicht entgegen, weil sich die Regelung nur einseitig auf die negativen Einkünfte, nicht aber auch auf die positiven Einkünfte bezieht.6 Entsprechendes sollte auch unter der alten „Thin-Cap-Regelung“ des § 8a KStG a.F. gegolten haben, die Frage ist aber umstritten.7 Mit der Einführung der Zinsschranke des § 4h EStG, § 8a KStG n.F. spielt diese Frage ohnehin keine Rolle mehr für Deutschland als Quellenstaat. gg) Investmentanteile
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Einbeziehung von Einkünften aus Investmentanteilen ist umstritten. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG gelten die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie ausschüttungsgleichen Erträge (§ 2 Abs. 3 InvStG) und der Zwischengewinn (§ 2 Abs. 4 InvStG) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Damit werden die Erträge aus Investmentanteilen für deutsch-steuerliche Zwecke den Einkünften aus Aktien gleichgestellt. § 2 InvStG gilt allerdings nur unter den Voraussetzungen von § 5 InvStG (Veröffentlichungs- und Bescheinigungspflichten). Die Ein-
1 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 55; Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 174 ff., m.w.N. 2 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 57; Weber-Grellet in Schmidt31, § 20 EStG Rz. 174 ff., m.w.N., sowie § 17, Rz. 51, m.w.N. 3 Weber-Grellet in Schmidt31, § 17 EStG Rz. 51, m.w.N. 4 Vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1-S 2253-103/83, BStBl. I 1983, 508, Rz. 58 f. 5 Vgl. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 276, m.w.N. 6 Zur Regelung vgl. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 279a ff., m.w.N. 7 Vgl. dazu Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 148 f.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 80.1; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 196 ff.
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E. Betriebsstättenvorbehalt (Absatz 4)
Rz. 190–192 Art. 10
behaltung der Kapitalertragsteuer richtet sich dabei nach § 7 InvStG. Die steuerliche Gleichstellung mit Einkünften aus Aktien ändert allerdings nichts daran, dass ein „Gesellschaftsanteil“ vorliegen muss (vgl. Rz. 126 f.). Dies mag über die Fiktion des § 11 Abs. 1 InvStG noch zu bejahen sein, ändert aber nichts daran, dass nach hier vertretener Auffassung jeder Anwenderstaat autonom prüft, ob überhaupt eine „Gesellschaft“ i.S.v. Art. 3 Buchst. b vorliegt (vgl. Rz. 29 ff.). Die Fiktion des § 11 Abs. 1 InvStG kann daher allenfalls Deutschland als Anwenderstaat binden. Das entscheidende Problem bei Investmentgesellschaften scheint aber aufgrund deren persönlicher Steuerbefreiung zu sein, ob diese überhaupt abkommensberechtigt sind (vgl. dazu ausführlich Art. 4 Rz. 25). In deutschen DBA finden sich daher z.T. ausdrückliche Regelungen, die zum einen Investmentgesellschaften in den Anwendungsbereich der Art. 10 Abs. 3 nachgebildeten Dividendendefinition einbeziehen, und die zum anderen ausdrücklich klarstellen, dass Investmentgesellschaften abkommensberechtigt sind. Es spricht einiges dafür, dass diese Regelungen nicht nur klarstellender Natur sind.1
E. Betriebsstättenvorbehalt (Absatz 4) I. Regelungszweck Auflösung des Konkurrenzverhältnisses von Art. 7 und Art. 10. Nach Art. 10 Abs. 4 191 Satz 1 sind die Absätze 1 und 2 nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt und die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört. Stattdessen soll gem. Art. 10 Abs. 4 Satz 2 anstelle von Art. 10 Abs. 1 und 2 der Betriebsstättenartikel des Art. 7 anzuwenden sein. Der Zweck dieses sog. Betriebsstättenvorbehaltes besteht allein darin, das Konkurrenzverhältnis zwischen dem Betriebsstättenartikel des Art. 7 und dem Dividendenartikel des Art. 10 aufzulösen. Diese Auflösung ist deshalb erforderlich, weil Art. 7 Abs. 7 eigentlich die speziellere Vorschrift für maßgeblich erklärt. Bei grenzüberschreitenden Dividenden ist das eigentlich Art. 10. Gleichwohl ist es sachgerecht, den Betriebsstättenartikel dann für einschlägig zu erklären, wenn die Dividenden in einer im Quellenstaat gelegenen Betriebsstätte anfallen. Art. 10 Abs. 4 enthält dafür die notwendige Rückverweisung auf Art. 7.2 Betriebsstättenvorbehalt gilt nur unter den engen Voraussetzungen. Nach Art. 10 192 Rz. 31 OECD-MK bestand auch deshalb eine Notwendigkeit für die Formulierung einer genauen Rückverweisung, weil verschiedene Mitgliedstaaten für sich in Anspruch nahmen, dass dann, wenn Dividenden aus inländischen Quellen stammten und der Dividendenempfänger im Inland zugleich eine Betriebsstätte unterhielt, die Dividenden ausnahmslos dieser Betriebsstätte zuzuordnen sein sollen (sog. Attraktivkraft der Betriebsstätte). Nach Art. 10 Abs. 4 ist diese Annahme nur unter den dort genannten strengen Voraussetzungen zulässig: 1. Der Nutzungsberechtigte muss in einem Vertragsstaat ansässig sein, der nicht der Quellenstaat ist. 2. Der Nutzungsberechtigte muss im Quellenstaat (Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft) eine Betriebsstätte unterhalten. 3. Die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft muss tatsächlich der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, gilt jedenfalls die Rückverweisung des Art. 10 Abs. 4 nicht.
1 Zur Anwendung von Art. 10 im Rahmen des InvStG vgl. auch instruktiv Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 147 f. 2 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 155 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 82 ff.; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 225 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 155 ff.
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Art. 10 Rz. 193–196 193
Dividenden
Rechtsfolgen bei Fehlen einer Voraussetzung. Die Frage ist nur die, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn eine der genannten Voraussetzungen fehlt. Die erste Voraussetzung ist dabei weniger problematisch, weil sich diese bereits aus Art. 10 Abs. 1 und 2 ergibt. Bei deren Fehlen scheidet schon die Anwendung von Art. 10 aus; der Quellenstaat ist in seinem Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt. Probleme können sich aber dann ergeben, wenn entweder die Beteiligung nicht tatsächlich einer Betriebsstätte im Quellenstaat zugeordnet werden kann oder die Beteiligung zwar einer Betriebsstätte zugeordnet werden kann, die Dividenden aber von einer Gesellschaft stammen, die nicht im Betriebsstättenstaat ansässig ist. Die Probleme sollen anhand der nachfolgenden Beispiele verdeutlicht werden:1
194 Beispiel 1: Keine tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte Die Nutzungsberechtigte A-Co ist in einem Vertragsstaat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer im Vertragsstaat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co. A-Co verfügt über eine Betriebsstätte im Staat Q, die Anteile an der Q-Co können aber nicht dieser Betriebsstätte tatsächlich zugeordnet werden. Nach welchem Verteilungsartikel richtet sich das Besteuerungsrecht? Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates Q folgt aus Art. 10 Abs. 2, das des Ansässigkeitsstaates A aus Art. 10 Abs. 1. Eine Qualifikation als Betriebsstätteneinkünfte i.S.v. Art. 7 kommt nicht in Betracht. Zu den Konsequenzen bei unterschiedlicher Qualifikation des die Dividenden zahlenden Rechtsträgers vgl. Rz. 34 ff.
195 Beispiel 2: Tatsächliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte in einem Drittstaat Wie Fall 1, nur unterhält die A-Co auch eine Betriebsstätte in einem Drittstaat D, mit dem die Staaten A und Q ebenfalls ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA abgeschlossen haben. Die Anteile an der Q-Co können dieser Betriebsstätte tatsächlich zugeordnet werden. Nach welchem Verteilungsartikel richtet sich das Besteuerungsrecht? Das Besteuerungsrecht des Quellenstaates B sollte weiterhin aus Art. 10 Abs. 2 folgen, da die Rückverweisung des Art. 10 Abs. 4 in Ermangelung einer Betriebsstätte im Staat Q nicht eingreift. Aus Sicht des Staates Q liegen auch die übrigen Voraussetzungen von Art. 10 vor. Der Staat D könnte sich wegen Art. 21 Abs. 1 in seinem Besteuerungsrecht eingeschränkt sehen, allerdings sieht Art. 21 Abs. 2 die Anwendung von Art. 7 mit der Folge vor, dass auch Staat D besteuern darf.2 Schwierigkeiten ergeben sich für Staat A, der sich Ansprüchen aus zwei DBA ausgesetzt sieht. Im Ausgangspunkt ist dies unkritisch, weil sich sein uneingeschränktes Besteuerungsrecht gegenüber dem Staat Q aus Art. 10 Abs. 1 und gegenüber dem Staat D aus Art. 7 Abs. 1 ergeben dürfte. Für die durch Staat Q auf die Dividenden erhobenen Quellensteuern besteht jedoch eine Anrechnungsverpflichtung nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 (oder Freistellung nach einem vereinbarten Schachtelprivileg), für die in der Betriebsstätte des Staates D anfallenden Dividenden besteht eine Verpflichtung zur Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 bzw. zur Anrechnung nach Art. 23B Abs. 1. Eine andere Frage ist die, ob auch der Staat D zur Anrechnung der Quellensteuern verpflichtet ist; aus dem DBA dürfte sich dies in Ermangelung der Ansässigkeit des Empfängers der Einkünfte nicht ergeben.
196 Beispiel 3: Dividenden stammen aus einem Drittstaat Die Nutzungsberechtigte A-Co ist in einem Vertragsstaat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer in einem Drittstaat D ansässigen Gesellschaft D-Co. Mit dem Drittstaat D besteht kein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Die A-Co verfügt über eine Betriebsstätte im Vertragsstaat B und die Anteile an der D-Co können auch dieser Betriebsstätte tatsächlich zugeordnet werden. Mit dem Staat B besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Nach welchem Verteilungsartikel richtet sich das Besteuerungsrecht? Das Besteuerungsrecht der Staaten A und B folgt zunächst nicht aus Art. 10, da die Dividenden nicht von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft stammen. Art. 10 Abs. 4 spielt von daher keine Rolle. Der Ansässigkeitsstaat A könnte sein ausschließliches Besteuerungsrecht aber aus Art. 21 Abs. 1 herleiten wollen, was ihm Art. 21 Abs. 2 mit der Folge verbietet, die Dividenden Art. 7 zu unterwerfen. Sowohl der Ansässigkeitsstaat A als auch der Betriebsstättenstaat B dürfen daher nach Art. 7 besteuern, wobei der Staat A entweder zur Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 oder zur Anrechnung nach Art. 23B Abs. 1 verpflichtet ist. Die Anrechnungsverpflichtung erstreckt sich jedoch nicht auf die im Drittstaat D erhobenen Quellensteuer. Ob sich für den Betriebsstättenstaat B eine derartige Anrechnungsverpflichtung ergibt, folgt jedenfalls nicht aus einem DBA.
1 Vgl. zu ähnlichen Beispielen auch Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 156 f. 2 Vgl. dazu auch Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 46.
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E. Betriebsstättenvorbehalt (Absatz 4)
Rz. 197–200 Art. 10
II. Keine Anwendung des Dividendenartikels (Absatz 4 Satz 1) 1. Nutzungsberechtigte ist in einem Vertragsstaat ansässig Begriffe ergeben sich aus Art. 10 Abs. 1 und 2. Für die Anwendung des Betriebs- 197 stättenvorbehaltes ist zunächst erforderlich, dass der Nutzungsberechtigte (der Dividenden) in einem Vertragsstaat ansässig ist. Mit diesen Voraussetzungen bezieht sich Art. 10 Abs. 4 Satz 1 unmittelbar auf die in Art. 10 Abs. 1 und 2 verwandten Begriffe. Wer Nutzungsberechtigter ist, ergibt sich daher aus den Ausführungen in Rz. 73 ff. Was ein Vertragsstaat ist, wird in Rz. 47 erörtert. Wann der Nutzungsberechtigte in diesem Vertragsstaat ansässig ist, wird in Rz. 58 f. dargestellt. 2. Unterhaltung einer Betriebsstätte im Quellenstaat Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Weiterhin ist erfor- 198 derlich, dass der Nutzungsberechtigte aus einem anderen Vertragsstaat entsprechende Dividenden von einer dort ansässigen Gesellschaft gezahlt bekommt. Mit dem Erfordernis einer die Dividenden zahlenden Gesellschaft knüpft Art. 10 Abs. 4 Satz 1 ebenfalls an bereits in Art. 10 verwandte Begriffe an. Für den Begriff der „Gesellschaft“ kann daher auf Rz. 29 ff. verwiesen werden. Wann eine Gesellschaft im anderen Vertragsstaat „ansässig“ ist, ergibt sich aus Rz. 40 ff. Der Begriff des „Zahlens“ wird in Rz. 61 f. erörtert. Und was unter einer „Dividende“ zu verstehen ist, folgt aus Art. 10 Abs. 3; auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen (vgl. Rz. 114 ff.). Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch eine im anderen Vertragsstaat belegene 199 Betriebsstätte. Der Nutzungsberechtigt muss schließlich in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort belegene Betriebsstätte ausüben. Was unter einer „Betriebsstätte“ zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 5 (vgl. Art. 5 Rz. 31 ff.). Es handelt sich dabei um eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Begriff der Betriebsstätte ist daher ein abkommensrechtlicher und vor allem tatsächlicher, der nicht durch eine Fiktion des innerstaatlichen Steuerrechts ersetzt werden kann. Die von der Finanzverwaltung1 ursprünglich vertretene Auffassung, dass insbesondere die Gewerblichkeitsfiktion des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG auf das Abkommen durchschlägt, hat der BFH in nunmehr ständiger Rspr. verworfen.2 Durch diese Fiktion werden „Dividenden“ weder zu „Unternehmensgewinnen“ noch ersetzt die Vermittlung einer Betriebsstätte durch einen Mitunternehmeranteil das Vorliegen einer tatsächlichen Betriebsstätte. Die Betriebsstätte muss schließlich in dem Staat belegen sein, in dem die die Dividenden zahlende Gesellschaft ansässig ist. Ist die Gesellschaft in einem anderen Staat ansässig, kommt Art. 10 Abs. 4 nicht zur Anwendung. Der Betriebsstättenvorbehalt gilt nicht im Rahmen von Art. 5 Abs. 4 und 5. In beiden Fällen liegt keine abkommensrechtliche Betriebsstätte vor.3 Für Art. 5 Abs. 4 ist dies eindeutig, weil derartige Tätigkeiten ausdrücklich nicht als Betriebsstätte gelten. Gleiches gilt aber auch für den ständigen Vertreter des Art. 5 Abs. 5, weil dieser Fall nur so behandelt wird, als unterhalte man eine Betriebsstätte. Eine Betriebsstätte ist es aber eben auch nicht. Es wäre auch merkwürdig, einer fiktiven Betriebsstätte ein Wirtschaftsgut zurechnen zu wollen. Gewerblich geprägte Personengesellschaft. Gehören daher Anteile an einer inlän- 200 dischen Kapitalgesellschaft zum Gesamthandsvermögen einer inländischen gewerblich geprägten GmbH & Co KG, dann mögen die von der Kapitalgesellschaft gezahlten Dividenden zwar gewerbliche Einkünfte i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG sein, abkommensrechtlich bleiben sie jedoch „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 3. Auch begründet der inländische Ort der Geschäftsleitung der GmbH & Co KG noch keine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5. Vielmehr ist dazu eine feste Geschäftseinrichtung 1 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2-S 1300/09/10003 (2009/0716905), BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1. 2 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138; v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550. 3 Vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 169.
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Art. 10 Rz. 200–202
Dividenden
erforderlich, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ausgeübt wird. Neben der festen Geschäftseinrichtung müssen also auch eine abkommensrechtliche Unternehmenstätigkeit vorliegen, was insbesondere bei reinen vermögensverwaltenden Tätigkeiten zum Problem wird. Praktisch relevant ist dies insbesondere für Holdingpersonengesellschaften, wobei die Grenze zur Unternehmenstätigkeit dort verlaufen dürfte, wo aus einer rein passiven Beteiligungsverwaltung eine strategische Beteiligungsführung wird. Hier wird man auf die zu § 50d Abs. 3 EStG von Finanzverwaltung und Schrifttum entwickelten Grundsätze zurückgreifen können (zu Besonderheiten bei Holdingpersonengesellschaften vgl. auch Rz. 204).1 3. Tatsächliche Zuordnung der Anteile zur Betriebsstätte 201
Rechtliche Zuordnung grds. nicht ausreichend. Letztlich ist erforderlich, dass der Anteil an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehört“. Die Formulierung unterscheidet sich von der in Art. 13 Abs. 2, die von „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ spricht. Der BFH versteht letztere Formulierung dahin, dass auch eine rein steuerrechtliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte genügt, so dass ein im Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft befindlicher Gesellschaftsanteil zum „Betriebsvermögen“ dieser Betriebsstätte für Zwecke des Art. 13 Abs. 2 wird.2 Der Anteil mag abkommensrechtlich sogar „Betriebsvermögen“ einer gewerblich geprägten Personengesellschaft werden können, aus den in Rz. 200 dargestellten Gründen verfügt eine bloße gewerblich geprägte Personengesellschaft nie über eine abkommensrechtliche Betriebsstätte. Daraus folgt für Art. 10 Abs. 4 aber zugleich, dass eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte auch eine tatsächliche sein muss.3 Eine bloße zivil- oder steuerrechtliche Zuordnung genügt nicht.
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Sonderbetriebsvermögen. Dies gilt auch für einen im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmeranteils befindlichen Gesellschaftsanteil, wobei hier zu beachten ist, dass dann, wenn die Mitunternehmerschaft über nur eine Betriebsstätte im Vertragsstaat der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft verfügt, eine tatsächliche Zuordnung zu einer Mitunternehmerbetriebsstätte nur dann in Betracht kommt, wenn sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür finden, dass der Mitunternehmeranteil den im Sonderbetriebsvermögen befindlichen Gesellschaftsanteil in einer Mitunternehmerbetriebsstätte verwaltet (wofür auch ein Arbeitszimmer genügen soll).4 Auch § 50d Abs. 10 EStG ändert daran nichts. Zwar ordnet die Regelung unter weiteren Voraussetzungen an, dass „Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 zweiter Halbs. und Nummer 3 zweiter Halbs. […] als Unternehmensgewinne“ gelten. Gesellschaftsanteile werden aber – anders als Darlehen – wohl nur selten einer Mitunternehmerschaft zur Nutzung überlassen, weshalb die Dividenden allenfalls Sonderbetriebseinnahmen, nicht aber auch Sondervergütungen (i.e.S.) darstellen werden. Zudem hat der BFH entschieden, dass aus der Umqualifikation der Vergütungen in Unternehmensgewinne noch nicht folgt, dass die den Vergütungen zugrundeliegenden Wirtschaftsgüter auch tatsächlich einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte zuzuordnen sind.5 Im Übrigen sollte man vorsichtig dabei sein, entgegen der eindeutigen Rspr. des BFH6 jedwedes Sonderbetriebsvermögen (also nicht nur Sondervergütungen i.e.S. bewirkende und zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter) in den Anwendungsbereich von § 50d Abs. 10 EStG einzubeziehen, weil die Fiktion von Unterneh1 Vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 5.2 f.; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 186 ff., m.w.N., sowie mit einer Checkliste für Holdinggesellschaften. 2 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; zur Diskussion auch Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. 3 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 160; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 84 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 162. 4 Der I. Senat hat die Begründung einer solchen (Mitunternehmer-)Betriebsstätte erst kürzlich für möglich gehalten, vgl. BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 5 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138. 6 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, BFH/NV 2011, 138.
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E. Betriebsstättenvorbehalt (Absatz 4)
Rz. 202–204 Art. 10
mensgewinnen auch die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 mit der Folge beseitigt, dass ohne eine tatsächliche Zuordnung der Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte kein deutsches Besteuerungsrecht für die Dividenden besteht.1 Funktionale Betrachtung maßgeblich. Maßgeblich ist daher allein eine Zuordnung 203 des Gesellschaftsanteils unter funktionalen Gesichtspunkten.2 Es muss also unter funktionalen Gesichtspunkten eine Verbindung zwischen dem Gesellschaftsanteil und der Betriebsstätte bestehen. Dies wird man stets dann zu bejahen haben, wenn sich Teile einer betrieblichen Wertschöpfungskette in der Betriebsstätte und in dem Gesellschaftsanteil befinden. Der (einfache) Klassiker ist dabei der, dass in der Betriebsstätte die Produktion und in dem Gesellschaftsanteil der Vertrieb erfolgt. In der Praxis sind die Fragen aber deutlich komplexer. So lässt sich z.B. auch der umgekehrte Fall bilden, dass nämlich die Produktion im Gesellschaftsanteil und der Vertrieb in der Betriebsstätte erfolgt. Auch hier hat man eine tatsächliche Zugehörigkeit zu bejahen, auch wenn man auf die (abwegige) Idee kommen könnte, nicht der Gesellschaftsanteil sei unter funktionalen Gesichtspunkten für die Betriebsstätte notwendig, sondern die Betriebsstätte für den Gesellschaftsanteil. Schwieriger wird es mit sog. Portfoliobeteiligungen, die keinen strategischen Einfluss auf die Beteiligungsgesellschaft gewähren. Hier wird man danach zu differenzieren haben, warum die Beteiligung gehalten wird. Besteht diese z.B. an einem Wettbewerber unter strategischen Gesichtspunkten, dann kann eine Zurechnung zu einer Produktionsbetriebsstätte durchaus in Betracht kommen. Bei rein passiver Beteiligungsverwaltung zur reinen Kapitalanlage kann es schwieriger werden. Allerdings sollte auch hier der Nachweis möglich sein, dass das Kapital entweder für die laufende Tätigkeit der Betriebsstätte oder für deren Ausbau vorgehalten wird. Vielleicht kann man sich hier auch an die zur funktionalen Betrachtungsweise innerhalb der §§ 7–14 AStG entwickelten Kriterien anlehnen.3 Eine Kapitalanlagetätigkeit kann danach schädlich sein, wenn sie einen Umfang erreicht, der einen gewissen selbständigen Bereich abbildet.4 Zwingend ist das aber nicht. Bei einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft kann die Besonderheit bestehen, dass diese nur über eine Betriebsstätte verfügt. Die tatsächliche Zuordnung zu einer Mitunternehmerbetriebsstätte kommt in diesem Fall nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten in Betracht (vgl. Rz. 201). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Finanzverwaltung nach wie vor von der „Zentralfunktion des Stammhauses“ auszugehen scheint.5 Damit dürfte aber spätestens mit der Umsetzung des AOA endgültig Schluss sein. Besonderheiten bei Holdingpersonengesellschaften. Für die Praxis von wesentli- 204 cher Bedeutung ist, unter welchen Umständen eine Holdingpersonengesellschaft eine abkommensrechtliche Unternehmenstätigkeit in einer Betriebsstätte ausübt und die von der Holdingpersonengesellschaft gehaltenen Anteile dieser tatsächlich zugeordnet werden können. Der Begriff des Unternehmens wird in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c nur unzureichend definiert. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, dass der Unternehmensbegriff gem. Art. 3 Abs. 2 allein unter Rückgriff auf das innerstaatliche Recht mit der Folge auszulegen ist, dass die Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auf die abkommensrechtliche Auslegung durchschlägt. Die jüngere Rspr. des BFH zum Betriebsstättenvorbehalt z.B. des Art. 11 Abs. 4 OECD-MA6 und Art. 12 Abs. 3 OECDMA7 hat dem jedoch eine klare Absage erteilt. Vielmehr hat die Personengesellschaft für abkommensrechtliche Zwecke eine tatsächliche gewerbliche Betätigung auszuüben. Damit ist die entscheidende Frage aufgeworfen, ob eine geschäftsleitende Holding eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Nach der Rspr. des BFH beteiligt sich ei1 Vgl. Gosch in Kirchhof11, § 50d EStG Rz. 45. 2 Instruktiv Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 163. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. I 2004, 3, Rz. 8.0.2; ausführlich Wassermeyer in F/W/B/S, § 8 AStG, Rz. 31 ff., m.w.N. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. I 2004, 3, Rz. 8.0.2. 5 Vgl. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Rz. 2.4 Abs. 4; kritisch dazu z.B. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.5, m.w.N. 6 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550. 7 BFH v. 8.9.2010 – I R 74/09, DStR 2010, 2450.
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Art. 10 Rz. 204–207
Dividenden
ne geschäftsleitende Holding dann am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und übt damit eine gewerbliche Tätigkeit aus, „wenn zum einen die Ausübung der einheitlichen Leitung durch äußere Merkmale erkennbar ist. Es genügt hierfür im Allgemeinen, dass die Konzernleitung die RL über die Geschäftspolitik aufstellt und den abhängigen Unternehmen zuleitet oder ihnen sonst schriftliche Weisungen oder schriftlich festgehaltene Empfehlungen erteilt. Zum anderen muss das herrschende Unternehmen selbst nach außen in Erscheinung treten, wobei etwa die Eintragung im Handelsregister genügt“ (BFH v. 28.10.2008 – VIII R 73/06, BStBl. II 2009, 647, m.w.N.).
Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (zur Voraussetzung der eigenen Wirtschaftstätigkeit i.S.d. § 50d Abs. 3 EStG): „Hält die antragstellende ausländische Gesellschaft in ihrem Betriebsvermögen Anteile an inländischen Gesellschaften, liegt eine eigene Wirtschaftstätigkeit nur dann vor, wenn Beteiligungen von einigem Gewicht erworben wurden, um gegenüber den Gesellschaften, an denen die Beteiligungen bestehen, geschäftsleitende Funktionen wahrzunehmen (aktive Beteiligungsverwaltung, […]). Es reicht nicht aus, dass eine Gesellschaft ohne sonstige unternehmerische Betätigung geschäftsleitende Funktionen nur gegenüber einer in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft ausübt oder lediglich Anteile an einer oder mehreren Tochtergesellschaften hält und sich dabei auf die Ausübung der Gesellschafterrechte beschränkt (passive Beteiligungsverwaltung). Ob eine Beteiligung von einigem Gewicht erworben wurde, hängt nicht von der Höhe der kapitalmäßigen Beteiligung ab. Es kommt darauf an, dass auf das Geschäft der Beteiligungsgesellschaft tatsächlich Einfluss genommen wird.“ (BMF v. 24.1.2012, BStBl. I 2012, 171, Rz. 5.2).
Liegen diese Voraussetzungen vor, wird man zugleich eine funktionale Zuordnung zu der Betriebsstätte der Holdingpersonengesellschaft zu bejahen haben. Denn die strategisch geführten Beteiligungen sind unter funktionalen Gesichtspunkten zwingend erforderlich, um eine Holdingtätigkeit ausüben zu können. Oder anders formuliert: Was ist eine Holding ohne Beteiligungen? Dies wird nunmehr auch in Art. 10 Rz. 32.1 OECD-MK so gesehen. 4. Rechtsfolge 205
Keine Anwendung von Art. 10 Abs. 1 und 2. Als Rechtsfolge sieht Art. 10 Abs. 4 Satz 1 allein vor, dass Art. 10 Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden sind. Art. 10 Abs. 3 bleibt anzuwenden, was schon für die Anwendung von Art. 10 Abs. 4 zwingend ist, um den Dividendenbegriff zu definieren. Mit der Nichtanwendung von Art. 10 Abs. 1 und 2 ist aber noch nichts darüber gesagt, welche Vorschrift stattdessen anzuwenden ist. Diese Rechtsfolge sieht Art. 10 Abs. 4 Satz 2 vor.
III. Anwendung des Betriebsstättenartikels (Absatz 4 Satz 2) 206
Anwendung von Art. 7. Liegen die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 4 Satz 1 vor, dann ist anstelle von Art. 10 Abs. 1 und 2 der Betriebsstättenartikel des Art. 7 anzuwenden. Sowohl für den Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers als auch für den Quellenstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft ergibt sich das Besteuerungsrecht für Dividenden aus Art. 7 (vgl. Art. 7 (2008) Rz. 23).
F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Absatz 5) I. Regelungszweck 207
Keine Besteuerung einer nichtansässigen Gesellschaft. Art. 10 Abs. 5 regelt das sog. Verbot der extraterritorialen Besteuerung. Die Regelung ist sprachlich etwas kompliziert und daher nicht unbedingt einfach verständlich. Im Kern geht es aber darum, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft mit ihren ausgeschütteten und nichtausgeschütteten Gewinnen nicht auch in einem anderen Vertragsstaat besteuert werden darf, in dem die Gesellschaft nicht ansässig ist (sog. Nichtansässigkeitsstaat), aus dem die Gewinne aber wirtschaftlich stammen. Nach den Ausführungen in Art. 10 Rz. 33 f. OECD-MK soll es auch Staaten geben, die die Ausschüttungen einer nicht auf ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft besteuern wollen, und zwar weil die Dividenden aus Gewinnen gespeist werden, die wirtschaftlich aus dem
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F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Absatz 5)
Rz. 207–210 Art. 10
Hoheitsgebiet des anderen Staates stammen. Art. 10 Abs. 5 verbietet dies. Da ein solches Verbot der Besteuerung einer nichtansässigen Gesellschaft aber selbstredend sehr weit und u.U. im Widerspruch zu den in Art. 10 selbst enthaltenen Regelungen stehen kann, macht Art. 10 Abs. 5 von diesem Grundsatz zwei Ausnahmen, nämlich dass die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden oder der Gesellschaftsanteil tatsächlich zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte gehört.1
II. Verbot der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne (Absatz 5 Fall 1) 1. In einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Begriffe ergeben sich aus Art. 10 Abs. 1 und 2. Das Verbot der extraterritorialen 208 Besteuerung verlangt zunächst eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft. Mit diesen Voraussetzungen bezieht sich Art. 10 Abs. 5 unmittelbar auf die in Art. 10 Abs. 1 und 2 verwandten Begriffe. Was ein „Vertragsstaat“ ist, wird in Rz. 47 erörtert. Was unter einer „Gesellschaft“ zu verstehen ist, ergibt sich aus Rz. 29 ff. Wann diese Gesellschaft in einem Vertragsstaat „ansässig“ ist, wird in Rz. 40 ff. dargestellt. Innerhalb von Art. 10 Abs. 5 spielt dabei die in Art. 4 Abs. 3 enthaltene „tie breaker rule“ bei Doppelansässigkeit eine hervorgehobene Bedeutung. Denn im Falle einer Doppelansässigkeit einer Gesellschaft kann diese in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sein, Art. 4 Abs. 3 entscheidet dann aber abschließend darüber, in welchem Vertragsstaat die Gesellschaft für Zwecke der Anwendung des DBA ansässig ist.2 2. Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat Wirtschaftliche Herkunft aus dem anderen Vertragsstaat. Weiterhin verlangt 209 Art. 10 Abs. 5, dass die Gesellschaft aus einem anderen Vertragsstaat Gewinne oder Einkünfte bezieht. Daraus könnte man schlussfolgern, dass Art. 10 Abs. 5 dann nicht eingreift, wenn die Gewinne aus einem Drittstaat stammen. Dieser Schlussfolgerung dürfte aber entgegenstehen, dass dann, wenn der Nichtansässigkeitsstaat schon nicht für die auf seinem Hoheitsgebiet erwirtschafteten Gewinne eine Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters anlässlich der Ausschüttung dieser Gewinne durchführen darf, dies doch erst recht gelten muss, wenn die Gewinne nicht auf dem Hoheitsgebiet des Nichtansässigkeitsstaates erwirtschaftet wurden. In letzterem Fall dürfte es aber auch bereits nach den allgemeinen Grundsätzen an dem erforderlichen Konnex fehlen, der eine Besteuerung rechtfertigen könnte. 3. Rechtsfolge Verbot der Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne. Als Rechtsfolge verbietet 210 Art. 10 Abs. 5 Fall 1 dem Nichtansässigkeitsstaat, die ausgeschütteten Gewinne zu besteuern. Damit bleibt es dabei, dass der Ansässigkeitsstaat sein Besteuerungsrecht für die ausgeschütteten Dividenden aus Art. 10 Abs. 2 herleitet. Auf das Verbot können sich nach überzeugender Auffassung von Tischbirek auch Personen berufen, die in Drittstaaten ansässig sind.3 Die von der Gegenauffassung4 vorgebrachten Argumente überzeugen nicht, weil wir sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht entsprechende Fälle kennen, in denen Personen in den Schutzbereich z.B. eines Vertrages oder einer Norm einbezogen werden, obwohl sie nicht direkt „Beteiligte“ sind. Die folgenden Beispiele sollen die dem Besteuerungsverbot des Art. 10 Abs. 5 Fall 1 zugrundeliegenden Grundkonstellationen verdeutlichen:
1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 163 ff.; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 89 ff.; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 227 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 175 ff.; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 243 ff. 2 Vgl. z.B. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 f. 3 Instruktiv Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 253, m.w.N. 4 Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 174; Grützner in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 230; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 184.
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Art. 10 Rz. 211–215
Dividenden
211 Beispiel 1: Grundfall Die A-Co ist in einem Staat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer im Staat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co. Die Dividenden stammen aus Einkünften, die auf dem Hoheitsgebiet des Staates D erwirtschaftet worden sind. Die A-Co verfügt über keine Betriebsstätte im Staat D. Zwischen allen Staaten besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Der Staat D möchte die Dividenden besteuern. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat D entgegen? Die Frage ist zu bejahen. Bei der Q-Co handelt es sich um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates D ansässige Gesellschaft, so dass D ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 1 die Dividenden der Q-Co nicht besteuern darf. Der Umstand, dass die Dividenden aus Einkünften gespeist werden, die aus dem Staat D stammen, ändert daran ausdrücklich nichts.
212 Beispiel 2: Kein DBA mit Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers Wie Beispiel 1, nur besteht zwischen dem Staat D und dem Staat A kein DBA. Ändert sich etwas an der Aussage zu Beispiel 1? Die Frage ist zu verneinen. Der Staat D darf nach wie vor nicht die Dividenden der Q-Co besteuern. Das Verbot der extraterritorialen Besteuerung bindet den Staat Q auch im Verhältnis zu Nicht-DBA-Staaten, in denen die Anteilseigner der Q-Co ansässig sind. Art. 10 Abs. 5 Fall 1 will u.U. verhindern, dass ein Nichtansässigkeitsstaat negative steuerliche Rechtsfolgen an das Ausschüttungsverhalten der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft knüpft. Damit wird durch Art. 10 Abs. 5 Fall 1 auch die ausschüttende Gesellschaft geschützt. Dieser Schutz würde unterlaufen, wenn für Dividenden an Ansässige in Nicht-DBA-Staaten der Staat D ein Besteuerungsrecht praktizieren dürfte.
213 Beispiel 3: Betriebsstätte im Drittstaat Wie Beispiel 1, nur verfügt die Q-Co über eine Betriebsstätte im Staat D, aus der die die Dividenden speisenden Einkünfte stammen. Ändert sich etwas an der Aussage zu Beispiel 1? Die Frage ist unverändert zu verneinen. Der Staat D darf zwar nach dem zwischen Q und D abgeschlossenen DBA die in der Betriebsstätte anfallenden Betriebsstätteneinkünfte nach Art. 7 besteuern. Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf die von der Q-Co ausgeschütteten Dividenden.
4. Ausnahmen 214
Ausnahme 1: Dividendenzahlung an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person. Das von Art. 10 Abs. 5 Fall 1 ausgesprochene Verbot der Besteuerung der Dividenden durch den Nichtansässigkeitsstaat greift allerdings nach der ersten Ausnahme nicht ein, wenn der Dividendenempfänger eine im Vertragsstaat ansässige Person ist. Die Ausnahme ist zwingend, da anderenfalls das in Art. 10 Abs. 1 niedergelegte Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates des Dividendenempfängers leerlaufen würde. Die Ausnahme ist damit aber auch gewissermaßen eine Selbstverständlichkeit. Der Nichtansässigkeitsstaat darf also Dividenden einer nicht auf seinem Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft nach Art. 10 Abs. 1 besteuern, wenn diese an eine auf seinem Hoheitsgebiet ansässige Person gezahlt werden. Wann eine Person im anderen Vertragsstaat ansässig ist, ergibt sich aus Rz. 58 f. Nach den Überlegungen in Rz. 72 ff. muss es sich bei der ansässigen Person, an den die Dividenden gezahlt werden, um den Nutzungsberechtigten handeln. Dem Begriff des Zahlens ist auch hier das übliche Verständnis beizulegen (vgl. Rz. 62).
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Ausnahme 2: Beteiligung gehört zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte. Das von Art. 10 Abs. 5 Fall 1 ausgesprochene Verbot der Besteuerung der Dividenden durch den Nichtansässigkeitsstaat greift auch dann nicht ein, wenn die Beteiligung, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte gehört. Mit dieser Ausnahme wird letztlich nur dem im OECD-MA enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken entsprechend Ausdruck verliehen, wonach dem Betriebsstättenstaat aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung mit seiner Volkswirtschaft (Stichwort: Äquivalenzprinzip) ein Besteuerungsrecht nach Art. 7 zustehen soll. Fallen also die Dividenden in einer Betriebsstätte des anderen Vertragsstaates an, darf dieser ungeachtet dessen besteuern, dass weder die ausschüttende Gesellschaft noch der Dividendenempfänger in seinem Hoheitsgebiet ansässig sind. Zu der Frage, wann eine Beteiligung tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehört, vgl. die Ausführungen zum Betriebsstättenvorbehalt in Rz. 201 ff. Die folgen-
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F. Verbot extraterritorialer Besteuerung (Absatz 5)
Rz. 215–219 Art. 10
den Beispiele sollen die der Ausnahme zugrundeliegenden Grundkonstellationen verdeutlichen:1 216
Beispiel 1: Kein DBA mit Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers Die A-Co ist in einem Staat A ansässig. Sie bezieht Dividenden von einer im Staat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co. Die Dividenden stammen aus Einkünften, die auf dem Hoheitsgebiet des Staates D erwirtschaftet worden sind. Die A-Co verfügt über eine Betriebsstätte im Staat D, aus der zwar nicht die die Dividenden speisenden Einkünfte stammen, der aber die Anteile an der Q-Co tatsächlich zugeordnet werden können. Zwischen den Staaten D und Q besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA; zu dem Staat A besteht kein DBA. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat D entgegen? Die Frage ist zu verneinen. Zwar handelt es sich bei der Q-Co um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates D ansässige Gesellschaft, so dass D ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der eigentlich nach Art. 10 Abs. 5 Fall 1 die Dividenden der Q-Co nicht besteuern darf. Davon macht aber Art. 10 Abs. 5 Fall 1 eine Ausnahme, wenn die Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft tatsächlich zu einer Betriebsstätte des Staates D gehört. D kann also im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht die von der Q-Co an die A-Co ausgeschütteten Dividenden besteuern. Beispiel 2: DBA zwischen Ansässigkeits-, Quellen- und Betriebsstättenstaat Wie Fall 1, nur besteht auch zwischen dem Staat A und den Staaten D und Q ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat D entgegen? Die Frage ist ebenfalls zu verneinen. Die Ausführungen zu Fall 1 gelten entsprechend. Aus abkommensrechtlicher Sicht ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Staat D im Verhältnis zu Staat A auch nicht wegen Art. 21 Abs. 1 in seinem Besteuerungsrecht eingeschränkt ist. Denn Art. 21 Abs. 2 sieht die Anwendung von Art. 7 mit der Folge vor, dass auch Staat D besteuern darf.2 Im Verhältnis zu Staat Q ergibt sich das Besteuerungsrecht des Staates A aus Art. 10 Abs. 1. Für die durch Staat Q ggf. auf die Dividenden erhobenen Quellensteuern besteht danach eine Anrechnungsverpflichtung durch Staat A nach Art. 23A Abs. 2 bzw. Art. 23B Abs. 1 (oder Freistellung nach einem vereinbarten Schachtelprivileg), für die in der Betriebsstätte des Staates D anfallenden Dividenden besteht eine Verpflichtung zur Freistellung nach Art. 23A Abs. 1 bzw. zur Anrechnung nach Art. 23B Abs. 1. Zur Anrechnung der Quellensteuern kann demgegenüber Staat D nur nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht verpflichtet sein, aus dem zwischen Q und D bestehenden DBA ergeben sich in Ermangelung der Ansässigkeit des Empfängers der Einkünfte keine Wirkungen.
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III. Verbot der Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne (Absatz 5 Fall 2) 1. Bezug von Gewinnen oder Einkünften aus dem anderen Vertragsstaat durch eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft Übereinstimmende Voraussetzungen. Art. 10 Abs. 5 Fall 2 regelt das Verbot der 218 Besteuerung nicht ausgeschütteter Gewinne. Die Voraussetzungen sind dabei mit denen von Art. 10 Abs. 5 Fall 1 identisch, d.h. es bedarf einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft, die aus einem anderen Vertragsstaat Gewinne oder Einkünfte bezieht (vgl. Rz. 208 ff.). 2. Rechtsfolge Verbot der Besteuerung der nicht ausgeschütteten Gewinne. Als Rechtsfolge ver- 219 bietet Art. 10 Abs. 5 Fall 2, dass der andere Vertragsstaat (Nichtansässigkeitsstaat) die Gewinne der Gesellschaft einer Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne unterwirft, selbst wenn die gezahlten Dividenden oder die nicht ausgeschütteten Gewinne ganz oder teilweise aus im anderen Vertragsstaat erzielten Gewinnen oder Einkünften bestehen. Die Regelung könnte dahingehend missverstanden werden, dass der Nichtansässigkeitsstaat die von der Gesellschaft bezogenen Einkünfte generell nicht besteuern darf. Dies liefe aber dem OECD-MA insgesamt zuwider. Vielmehr geht es nur darum, dass die Gesellschaft keiner Sondersteuer für nicht ausgeschüttete Gewinne
1 Weitere instruktive Fälle bei Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 193 ff. 2 Vgl. dazu auch Lehner in V/L5, Art. 21 OECD-MA Rz. 46.
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Art. 10 Rz. 219–222
Dividenden
unterworfen werden darf (vgl. Art. 10 Rz. 36 OECD-MK).1 Die Regelung ist erforderlich, weil ansonsten das in Art. 10 Abs. 5 Fall 1 geregelte Verbot der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne dadurch unterlaufen werden könnte, dass die negativen Besteuerungsfolgen an die nicht ausgeschütteten Gewinne geknüpft werden. Das Verbot des Art. 10 Abs. 5 Fall 2 soll die Mitgliedstaaten auch nicht daran hindern, solche Regeln wie die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG (sog. Controlled Foreign Companies Legislation) zu praktizieren (Art. 10 Rz. 37 OECD-MK). Das kann man durchaus kritisch sehen, weil nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 5 Fall 2 auch der Ansässigkeitsstaat der potentiellen Dividendenempfänger ein Nichtansässigkeitsstaat sein kann und die CFC-Legislation durch den Ansässigkeitsstaat der potentiellen Dividendenempfänger praktiziert wird. Aus deutscher Sicht könnte man die praktische Relevanz zwar damit bestreiten, dass sich Art. 10 Abs. 5 Fall 2 primär an solche Einkünfte richtet, die aus dem Nichtansässigkeitsstaat stammen. Der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG geht es auch primär um Einkünfte, die nicht aus dem Nichtansässigkeitsstaat stammen. Allerdings erfasst die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung auch inländische Einkünfte2 und es spricht einiges dafür, dass Art. 10 Abs. 5 Fall 2 auch für solche Einkünfte gilt, die nicht aus dem Nichtansässigkeitsstaat stammen. Man könnte allenfalls überlegen, ob überhaupt ein Fall „extraterritorialer Besteuerung“ vorliegt, wenn die Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat des potentiellen Dividendenempfängers erfolgt. Die folgenden Beispiele sollen die dem Besteuerungsverbot des Art. 10 Abs. 5 Fall 2 zugrundeliegenden Grundkonstellationen verdeutlichen: 220 Beispiel 1: Nichtansässigkeitsstaat ist Drittstaat Die A-Co ist in einem Staat A ansässig. Sie ist an der im Staat Q ansässigen Gesellschaft Q-Co mit 10 % beteiligt. Die Q-Co erzielt Einkünfte, die auf dem Hoheitsgebiet des Drittstaates D erwirtschaftet worden sind. Zwischen allen Staaten besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Der Staat D möchte eine Sondersteuer für Gewinne erheben, die nicht von der Q-Co ausgeschüttet worden sind. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat A entgegen? Die Frage ist zu bejahen. Bei der Q-Co handelt es sich um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates D ansässige Gesellschaft, so dass D ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 2 keine Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne erheben darf. Der Umstand, dass die Dividenden aus Einkünften gespeist werden, die aus dem Staat D stammen, ändert daran ausdrücklich nichts.
221 Beispiel 2: Nichtansässigkeitsstaat ist Ansässigkeitsstaat des potentiellen Dividendenempfängers ohne CFC-Besteuerung Wie Beispiel 1, nur erzielt die Q-Co Einkünfte, die auf dem Hoheitsgebiet des Staates A erwirtschaftet worden sind. Zwischen den Staaten A und Q besteht ein dem OECD-MA nachgebildetes DBA. Der Staat A möchte (außerhalb seiner CFC-Regeln) eine Sondersteuer für Gewinne erheben, die nicht ausgeschüttet worden sind. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat A entgegen? Die Frage ist zu bejahen. Bei der Q-Co handelt es sich um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates A ansässige Gesellschaft, so dass A ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 2 keine Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne erheben darf. Der Umstand, dass die Dividenden aus Einkünften gespeist werden, die aus dem Staat A stammen, ändert daran ausdrücklich nichts.
222 Beispiel 3: Nichtansässigkeitsstaat ist Ansässigkeitsstaat des potentiellen Dividendenempfängers mit CFC-Besteuerung Wie Beispiel 1, nur ist A-Co beherrschend an der Q-Co beteiligt, die niedrigbesteuerte passive Einkünfte erzielt. Nach den CFC-Regeln des Staates A sind diese Einkünfte im Staat A durch A-Co zu versteuern, sofern die Einkünfte nicht innerhalb eines Jahres zur Ausschüttung gelangen. Steht Art. 10 Abs. 5 einer Besteuerung der Dividenden durch Staat A entgegen? Die Frage soll zumindest nach herrschender Auffassung verneinen. Zwar handelt es sich bei der Q-Co um eine nicht auf dem Hoheitsgebiet des Staates A ansässige Gesellschaft, so dass A ein Nichtansässigkeitsstaat ist, der nach Art. 10 Abs. 5 Fall 2 keine Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne erheben darf. Allerdings soll Art. 10 Abs. 5 Fall 2 nicht der Anwendung der mitgliedstaatlichen CFC-Regeln zur Missbrauchsbekämpfung entgegenstehen. Das kann man auch anders sehen, zu1 Vgl. Gaffron in Haase, Art. 10 OECD-MA Rz. 176; Gradel in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 99; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 188; Tischbirek in V/L5, Art. 10 OECD-MA Rz. 255. 2 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, 496, mit Beispielen.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 222–232 Art. 10
mal gerade die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung in vielen Fällen nichts mit Missbrauch zu tun haben.
G. Deutsches Muster-DBA Der Text der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkom- 223 men („deutsches Muster-DBA“) sowie eine zusammenhängende und systematische Erstkommentierung der Abweichungen und Besonderheiten des deutschen MusterDBA gegenüber dem OECD-MA sind als Anhang 4 Rz. 1 ff. Bestandteil des Kommentars.
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten I. Belgien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien entspricht fast wörtlich 224 Art. 10 Abs. 1 OECD-MA. Die geringfügigen sprachlichen Abweichungen sind ohne praktische Relevanz. Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 2 Halbs. 1 DBA-Belgien entspricht Art. 10 225 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBABelgien lediglich die (dem OECD-MA entsprechende) Quellensteuerbegrenzung auf 15 %, ohne aber auch über ein Schachtelprivileg zu verfügen, wie es in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA enthalten ist. Zudem ist das Konzept des Nutzungsberechtigten noch nicht umgesetzt. Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien enthält eine in älteren 226 deutschen DBA enthaltene Regelung zu Schachteldividenden, die über kein Pendant im OECD-MA verfügt. Art. 10 Abs. 4 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 4 Satz 1 DBA-Belgien entspricht inhaltlich 227 Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. Art. 10 Abs. 4 Satz 2 DBA-Belgien ist ohne Pendant im OECD-MA. Art. 10 Abs. 5 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DBA-Belgien entspricht inhaltlich 228 im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe stellt sprachlich ausdrücklich auf das „Steuerrecht“ des Quellenstaates ab. Ohne Pendant sind demgegenüber Art. 10 Abs. 5 Satz 2 und 3 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus Personengesellschaften, die der belgischen Körperschaftsteuer unterliegen, Art. 10 Abs. 5 Satz 3 DBA-Belgien auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden. Art. 10 Abs. 6 DBA-Belgien. Art. 10 Abs. 6 DBA-Belgien entspricht inhaltlich im 229 Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt. Art. 10 Abs. 7 DBA-Belgien. Auch Art. 10 Abs. 7 DBA-Belgien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.
230
Protokoll. Nr. 5 des Schlussprotokolls enthält eine Regelung zur besonderen belgi- 231 schen Vorsteuer (précompte mobiler). In diesen Zusammenhang gehört auch Nr. 8 des Schlussprotokolls, die regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft Anteile an der ausschüttenden Gesellschaft mittelbar gehören. 2. Konsequenzen Keine Umsetzung des Konzeptes des Nutzungsberechtigten. Die fehlende Umset- 232 zung des Konzeptes des Nutzungsberechtigten ist vermutlich ohne praktische Relevanz. Zwar genügt es nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien, der die wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen wie Art. 10 Abs. 1 OECD-MA sprachlich vorweg nimmt, wenn die Gesellschaft die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat „ansässige Schönfeld
899
Art. 10 Rz. 232–237
Dividenden
Person zahlt“. Nach dem Wortlaut muss die Person also nur der Empfänger, nicht auch der Nutzungsberechtigte sein. Belgien als Quellenstaat wendet gleichwohl das Konzept des Nutzungsberechtigten an.1 Auch für Deutschland als Quellenstaat sollte dies zumindest im Ergebnis keine Rolle spielen, weil eine Abkommensvergünstigung nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien wohl nur gewährt wird, wenn der Empfänger der Dividenden der wirtschaftliche Eigentümer der Anteile der ausschüttenden Gesellschaft ist und in Belgien ansässig ist. Nach der Entscheidung des BFH v. 19.5.20102 zum Schachtelprivileg im DBA-Frankreich könnte man aber auch durchaus die Gegenposition einnehmen, weil der BFH dort dem Wortlaut des DBA mit Blick auf den Umstand des Zahlens besondere Bedeutung beigemessen hat. 233
Kein Schachtelprivileg. Aufgrund des fehlenden Schachtelprivileges gilt nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien die einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 15 %. Praktisch ist das fehlende Schachtelprivileg gleichwohl ohne Bedeutung, weil innerhalb der EU die Mutter-Tochter-RL (vgl. Rz. 19) ohnehin zumeist günstiger ist.
234
Nr. 5 des Schlussprotokolls ohne praktische Bedeutung. Mit Wegfall der besonderen belgischen Vorsteuer (précompte mobiler) seit 1974 ist auch die hierzu in Nr. 5 des Schlussprotokolls niedergelegte Regelung ohne praktische Relevanz.3 Entsprechend gilt dies auch für im Zusammenhang mit Nr. 5 des Schlussprotokolls zu sehende Regelung des Nr. 8 des Schlussprotokolls.4
235
Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien ohne praktische Bedeutung. Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien erweitert abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien das Besteuerungsrecht des Quellenstaates auf 25 % für bestimmte Schachteldividenden. Die Regelung ist jedoch nur anzuwenden, wenn der deutsche Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete Dividenden 20 Prozentpunkte niedriger ist als für thesaurierte Gewinne. Weil dies nicht mehr der Fall ist, kommt Art. 10 Abs. 3 DBA-Belgien keine praktische Bedeutung zu.5
236
Einkünfte von der belgischen Körperschaftsteuer unterliegenden Gesellschaften. Belgien unterwirft grds. auch belgische Personengesellschaften der Körperschaftsteuer. Ausschüttungen aus derartigen Gesellschaften gelten nach Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien als Dividenden, so dass Belgien darauf eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf.6 Für Deutschland als Wohnsitzstaat besteht aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Belgien keine Bindungswirkung an diese Dividendendefinition, so dass ein Anrechnung der belgischen Quellensteuer nicht geboten ist (vgl. auch Art. 23A/B Rz. 116). Deutschland als Quellenstaat ist in der Besteuerung seiner Personengesellschaften durch Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-Belgien nicht eingeschränkt.
237
Einkünfte aus stiller Beteiligung. Die Erweiterung des Dividendenbegriffs durch Art. 10 Abs. 5 Satz 3 DBA-Belgien auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden, hat schließlich zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Belgien als Quellenstaaten auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Belgien herleitet, jedoch können nach der
1 2 3 4 5
Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 18. BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919. Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 19, 21. Portner in G/K/G, Art. 10 DBA-Belgien, Rz. 4. Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 27; Portner in G/K/G, Art. 10 DBA-Belgien, Rz. 4. 6 Malinski in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 41 f.
900
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 237–244 Art. 10
Entscheidung des BFH v. 4.6.20081 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 3 DBA-Belgien enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Belgien als Wohnsitzstaat. Belgien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppel- 238 besteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden zunächst gem. Art. 23 Abs. 2 Nr. 2 DBA-Belgien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, allerdings begrenzt auf einen belgischen Pauschalbetrag.2 Daneben gewährt Art. 23 Abs. 2 Nr. 3 DBA-Belgien ein Schachtelprivileg für Dividenden einer in Belgien ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, soweit diese Befreiung gewährt würde, wenn die beiden Gesellschaften in Belgien ansässig wären. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 239 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden zunächst gem. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a DBA-Belgien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, mit Ausnahme der Einkünfte aus dem Kapitalvermögen, das in einer in Belgien ansässigen offenen Handelsgesellschaft oder KG investiert ist (vgl. näher Art. 23 DBA-Belgien, Art. 23A/B Rz. 116). Der anzurechnende Betrag darf aber den Teil der sich ohne die Anrechnung ergebenden Steuer nicht übersteigen, der anteilig auf diese in Belgien steuerpflichtigen Einkünfte entfällt. Daneben gewährt Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 DBABelgien ein Schachtelprivileg für Dividenden einer in Belgien ansässigen AG oder KGaA, die eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft bezieht, der mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile der belgischen Gesellschaft gehören, sofern die aus dritten Staaten stammenden Bruttodividenden, abzüglich der ausländischen Steuer, nicht mehr als 20 % der Gewinne der belgischen Gesellschaft ausmachen. Dividenden, die auf Grund eines zwischen Deutschland und einem dritten Staat geschlossenen DBA in Deutschland steuerbefreit wären, wenn sie unter den gleichen Umständen unmittelbar an die in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft gezahlt worden wären, gelten für die Anwendung des Schachtelprivileges nicht als Dividenden, die aus einem dritten Staat stammen (vgl. näher Art. 23 DBA-Belgien, Art. 23A/B Rz. 118).
II. China 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-China. Art. 10 Abs. 1 DBA-China entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
240
Art. 10 Abs. 2 DBA-China. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DBA-China entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-China eine vom OECD-MA abweichende Quellensteuerbegrenzung auf 10 % und enthält kein Schachtelprivileg, wie es in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA enthalten ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-China entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.
241
Art. 10 Abs. 3 DBA-China. Art. 10 Abs. 3 DBA-China entspricht inhaltlich im We- 242 sentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Lediglich die im OECD-MA enthalten Genussaktien und Genussscheine werden nicht erwähnt. Art. 10 Abs. 4 DBA-China. Art. 10 Abs. 4 DBA-China entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-China.
243
Art. 10 Abs. 5 DBA-China. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-China entspricht inhaltlich im 244 Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“. 1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 Vgl. Straka in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Belgien Rz. 43.
Schönfeld
901
Art. 10 Rz. 245–249 245
Dividenden
Protokoll. Nr. 3 Buchst. a des Schlussprotokolls enthält eine Regelung für den Fall, dass einer der Vertragsstaaten unterschiedlich hohe Körperschaftsteuersätze für ausgeschüttete und thesaurierte Gewinne praktiziert. Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung und aus Ausschüttungen aus Investmentvermögen. Nr. 4 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat schließlich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen
246
Einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 %. Aufgrund des fehlenden Schachtelprivileges in Art. 10 Abs. 2 DBA-China gilt eine einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 % für sämtliche grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen. Die in Nr. 3 Buchst. a des Schlussprotokolls enthaltene Regelung, wonach dann, wenn in einem Vertragsstaat der Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete Gewinne niedriger ist als für thesaurierte Gewinne, eine Quellensteuerbegrenzung von 15 % gilt, hat gegenwärtig keine praktische Relevanz.1
247
Keine Erwähnung von Genussrechten. Aus der fehlenden Erwähnung von Genussrechten in Art. 10 Abs. 3 DBA-China wird zum Teil geschlussfolgert, dass die daraus resultierenden Einkünfte ausdrücklich nicht als Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBAChina qualifizieren sollen. Vielmehr soll ggf. Art. 11 DBA-China anzuwenden sein.2 Dieser Umkehrschluss zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA ist sicherlich naheliegend, zwingend ist er indes nicht. Denn werden Einkünfte aus Genussrechten nach dem Steuerrecht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt, dann fallen diese nach der dritten Fallgruppe unter Art. 10 Abs. 3 DBA-China. Hätte man Genussrechte vom Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 3 DBA-China ausnehmen wollen, so hätte man erwarten können, dass man dies im Protokoll zumindest ausdrücklich festhält.
248
Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus stiller Beteiligung. Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch China als Quellenstaaten auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 10 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-China nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-China herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180).
249
Einkünfte aus Investmentvermögen. Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff zudem auf Einkünfte aus Ausschüttungen aus Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Für deutsche Zwecke wird man zusätzlich auf die Wertungen von Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls zum DBA-Luxemburg 2012 zurückgreifen können, wonach ein Investmentvermögens
1 Hackemann/Pfaar in Wassermeyer, Art. 10 DBA-China, Rz. 7, 19 f. 2 Hackemann/Pfaar in Wassermeyer, Art. 10 DBA-China Rz. 30. 3 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
902
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 249–252 Art. 10
„ein durch eine Kapitalanlagegesellschaft verwaltetes Sondervermögen im Sinne des Investmentgesetzes“ ist. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 4 250 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-China für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden oder Zinsen abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und China derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung China als Wohnsitzstaat. China als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteue- 251 rung von grenzüberschreitenden Dividenden zunächst gem. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-China durch Anwendung der Anrechnungsmethode (direkte Steueranrechnung). Die anzurechnende deutsche Steuer darf dabei nicht den Betrag an chinesischer Steuer übersteigen, der nach den steuerlichen Vorschriften der Volksrepublik China auf diese Einkünfte entfällt. Daneben gewährt Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBAChina eine indirekte Steueranrechnung für Dividenden, die eine in Deutschland ansässige Gesellschaft an eine in China ansässige Gesellschaft zahlt, der mindestens 10 % des Kapitals der erstgenannten Gesellschaft gehört. In diesem Fall wird die von der deutschen Gesellschaft gezahlte Steuer auf die von China erhobene angerechnet.2 Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 252 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-China durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in China ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Nr. 6 Buchst. b des Schlussprotokolls unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die Einnahmen der ausschüttenden Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich stammen (aa) aus einer der folgenden in China ausgeübten aktiven Tätigkeiten: Herstellung oder Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratung oder technische Dienstleistung oder Bank- oder Versicherungsgeschäfte oder (bb) aus Dividenden, die von einer oder mehreren in China ansässigen Gesellschaften gezahlt werden, deren Kapital zu mehr als 25 % der erstgenannten Gesellschaft gehört und die ihre Einkünfte wiederum ausschließlich oder fast ausschließlich aus einer der folgenden in China ausgeübten Tätigkeiten beziehen: Herstellung oder Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratung oder technische Dienstleistung oder Bank- oder Versicherungsgeschäfte (vgl. näher Art. 24 DBA-China, Art. 23A/B Rz. 121 ff.).
1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 Hackemann/Pfaar in Wassermeyer, Art. 10 DBA-China, Rz. 11.
Schönfeld
903
Art. 10 Rz. 253–261
Dividenden
III. Frankreich 1. Abweichungen zum OECD-MA 253
Art. 9 Abs. 1 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 1 DBA-Frankreich entspricht fast wörtlich Art. 10 Abs. 1 OECD-MA. Die geringfügigen sprachlichen Abweichungen sind ohne praktische Relevanz.
254
Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 DBA-Frankreich entspricht im Ergebnis Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 9 Abs. 2 Satz 2 DBA-Frankreich lediglich die (dem OECD-MA entsprechende) Quellensteuerbegrenzung auf 15 %, ohne aber das Konzept des Nutzungsberechtigten umzusetzen.
255
Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Frankreich ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern der französischen Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals gehören, darf Frankreich die Dividenden nicht besteuern.
256
Art. 9 Abs. 4 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 4 DBA-Frankreich enthält eine Regelung zur besonderen französischen Vorsteuer (précompte), die aufgrund der Nichterhebung seit dem 1.1.2005 keine praktische Relevanz mehr entfaltet.
257
Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Frankreich ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern der deutschen Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals gehören, ist die deutsche Quellensteuer auf 5 % des Bruttobetrags der Dividende begrenzt (10 % für Dividenden v. 1.1.1990 bis 31.12.1991).
258
Art. 9 Abs. 6 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 6 Satz 1 DBA-Frankreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition der ersten beiden Fallgruppen des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Art. 9 Abs. 6 Satz 2 DBA-Frankreich enthält für Zwecke der Anwendung von Art. 9 Abs. 2 bis 5 (nicht Abs. 1!) die dritte Fallgruppe (Buchst. a) sowie eine Erweiterung des Dividendenbegriffs für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen (Buchst. b). Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „Einkünfte“.
259
Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich enthält eine Regelung, die zugunsten von Frankreich ein Quellenbesteuerungsrecht nach Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich (maximal 15 %) für Einkünfte aus bestimmten französische Personengesellschaften ermöglicht, sofern diese Einkünfte nach französischem Recht als Dividenden qualifizieren.
260
Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich enthält einen Art. 10 Abs. 4 OECD-MA zumindest vergleichbaren Betriebsstättenvorbehalt. Allerdings verlangt Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich – anders als Art. 10 Abs. 4 OECD-MA – nicht, dass die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte“ gehören. Vielmehr müssen diese Anteile nach Art. 9 Abs. 8 DBAFrankreich nur zum „Vermögen dieser Betriebsstätte gehören“.
261
Art. 9 Abs. 9 DBA-Frankreich. Art. 9 Abs. 9 DBA-Frankreich lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Einkünfte aus hybriden Finanzierungsinstrumenten wieder aufleben, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners abzugsfähig sind.
904
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 262–265 Art. 10
2. Konsequenzen Quellenbesteuerungsverbot für französische Schachteldividenden. Das in Art. 9 262 Abs. 3 DBA-Frankreich enthaltene Schachtelprivileg unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Frankreich ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden deutscher Gesellschaften gilt aber ggf. Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich (vgl. Rz. 263). Zum anderen greift das Schachtelprivileg bereits ab einer Mindestbeteiligung von 10 % am Gesellschaftskapital und Frankreich ist die Erhebung einer Quellensteuer vollständig versagt. Aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber mittlerweile eher gering sein. Quellensteuerbegrenzung auf 5 % für deutsche Schachteldividenden. Das in Art. 9 263 Abs. 5 DBA-Frankreich enthaltene Schachtelprivileg unterscheidet sich ebenfalls in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Frankreich ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden französischer Gesellschaften gilt aber ggf. Art. 9 Abs. 3 DBA-Frankreich (vgl. Rz. 262). Zum anderen greift das Schachtelprivileg bereits ab einer Mindestbeteiligung von 10 % am Gesellschaftskapital und die deutsche Quellensteuer ist auf 5 % des Bruttobetrags der Dividende begrenzt. Aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein. Hinzuweisen ist aber darauf, dass Art. 9 Abs. 6 DBAFrankreich nicht das ansonsten übliche und umstrittene Unmittelbarkeitserfordernis enthält, weshalb die Regelung zumindest auch dann eingreifen sollte, wenn die Anteile über eine Personengesellschaft gehalten werden (zum Problem vgl. Rz. 96). Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividen- 264 dendefinition des Art. 10 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich mit „Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.). Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 265 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ für die Zwecke der deutschen Besteuerung auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte.1 Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 9 Abs. 5 DBA-Frankreich gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat soll an diese Dividendendefinition offenbar nicht gebunden sein, weil die Erweiterung der Dividendendefinition nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 9 Abs. 6 Satz 2 DBAFrankreich nur für die Anwendung von Art. 9 Abs. 2 bis 5 DBA-Frankreich gelten soll, nicht aber auch für den das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates geltenden Art. 9 Abs. 1 DBA-Frankreich. 1 Vgl. näher Kramer in Wassermeyer, Art. 9 DBA-Frankreich, Rz. 52 ff.
Schönfeld
905
Art. 10 Rz. 266–268
Dividenden
266
Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchst. b DBA-Frankreich erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1
267
Quellenbesteuerungsrecht für Gewinnausschüttungen französischer Personengesellschaften. Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich ermöglich Frankreich als Quellenstaat die Erhebung einer Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen von bestimmten, in Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich erwähnten Personengesellschaften. Nach Art. 4 Abs. 3 DBAFrankreich können Anteile an den Gewinnen einer „société de fait“, einer „association en participation“ oder einer „société civile“ französischen Rechts nur in dem Staat besteuert werden, in dem das Unternehmen eine Betriebstätte hat, jedoch nur in Höhe des Anteils des Mitunternehmers an den auf die Betriebstätte entfallenden Gewinnen. Soweit Frankreich danach das Besteuerungsrecht für Gewinne dieser Personengesellschaften zusteht und die Ausschüttung dieser Gewinne nach französischem Recht zu Dividenden führt, kann Frankreich eine Quellensteuer nach Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich i.H.v. maximal 15 % erheben. In Frankreich unterliegen Personengesellschaften, bei denen die Haftung beschränkt ist, der Körperschaftsteuer (vgl. Art. 206 Abs. 4 Code Général des Impôts), zum Teil können Personengesellschaften auch darauf optieren (vgl. Art. 206 Abs. 3 Code Général des Impôts). Im Schrifttum wird zudem die Auffassung vertreten, dass Art. 9 Abs. 7 DBA-Frankreich nicht nur auf die in Art. 4 Abs. 3 DBA-Frankreich ausdrücklich genannten Personengesellschaften anzuwenden ist.2
268
Keine tatsächliche Zuordnung erforderlich. Abweichend von Art. 10 Abs. 4 OECDMA verlangt der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich nicht, dass die Anteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte“ gehören. Es soll vielmehr genügen, wenn diese Anteile zum „Vermögen dieser Betriebsstätte“ gehören. Im Schrifttum wird trotz des abweichenden Wortlautes die Auffassung vertreten, dass sich an der Notwendigkeit der tatsächlichen Zuordnung unter funktionalen Gesichtspunkten nichts ändere.3 Die Formulierung unterscheidet sich von der in Art. 13 Abs. 2, die von „Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“ spricht. Nach der Entscheidung des BFH v. 13.2.2008 erscheint diese Sichtweise zumindest fraglich.4 Dort hat der BFH nämlich dem ebenfalls anderslautenden Wortlaut des Betriebsstättenvorbehalts des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA („Betriebsvermögen einer Betriebsstätte“) durchaus Gewicht beigemessen. Der BFH versteht letztere Formulierung dahin, dass auch eine rein steuerrechtliche Zuordnung zu einer Betriebsstätte genügt, so dass z.B. ein im Gesamthandsvermögen einer gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft befindlicher Gesellschaftsanteil zum „Betriebsvermögen“ dieser Betriebsstätte für Zwecke des Art. 13 Abs. 2 OECD-MA wird.5 Es spricht einiges dafür, dass dies auch im Rahmen von Art. 9 Abs. 8 DBA-Frankreich gilt.
1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 Vgl. näher Kramer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Frankreich, Rz. 57 ff. 3 Kramer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Frankreich, Rz. 66. 4 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 5 BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414; zur Diskussion auch Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 82.
906
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 269–275 Art. 10
Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Art. 9 269 Abs. 9 DBA-Frankreich lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Dividenden wieder aufleben, wenn diese aus Rechten oder Anteilen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Genussrechte oder Genussscheine und im Fall Deutschlands der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter und der Einkünfte aus partiarischen Darlehen und Gewinnobligationen) stammen und bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Frankreich derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Frankreich als Wohnsitzstaat. Frankreich als Wohnsitzstaat vermeidet eine Dop- 270 pelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa und bb DBA-Frankreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode, allerdings mit Besonderheiten bzgl. des Anrechnungshöchstbetrages. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 271 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b DBA-Frankreich durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. c DBA-Frankreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg ist dabei nur auf die Nettoeinkünfte anzuwenden, die den Dividenden entsprechen, die von einer in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige Kapitelgesellschaft gezahlt werden, der mindestens 10 % des Gesellschaftskapitals der erstgenannten Gesellschaft gehören. Den Begriff des „Zahlens“ versteht der BFH dahin, dass z.B. auch eine KGaA in den Genuss des Schachtelprivileges kommen kann, selbst wenn die persönlich haftenden Gesellschafter natürliche Personen und in Drittstaaten ansässig sind.1 Die daraus resultierenden Gestaltungsmöglichkeiten hat der Gesetzgeber versucht, mit der Regelung des § 50d Abs. 11 EStG einzuschränken (vgl. näher Art. 20 DBA-Frankreich, Art. 23A/B Rz. 126 ff.).
IV. Großbritannien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Großbritannien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
272
Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA- 273 Großbritannien entspricht im Wesentlichen dem Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA, wobei abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt wird. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA-Großbritannien entspricht der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA geregelten Quellensteuerbegrenzung auf 15 % in allen anderen Fällen. Ohne Pendant im OECD-MA ist demgegenüber Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien, der eine Quellensteuerbegrenzung von 10 % für Altersvorsorgeeinrichtungen als Nutzungsberechtigte vorsieht. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Großbritannien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien entspricht 274 inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 4 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Großbritannien entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt. 1 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919.
Schönfeld
907
275
Art. 10 Rz. 276–282
Dividenden
276
Art. 10 Abs. 5 DBA-Großbritannien. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Großbritannien entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.
277
Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien. Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien ist ohne Pendant im OECD-MA. Die Regelung soll unerwünschten Abkommensmissbräuchen begegnen.
278
Protokoll. Das Schlussprotokoll zum DBA-Großbritannien enthält wesentliche Ergänzungen. So bestimmt Nr. 1 des Schlussprotokolls, was unter einer „Altersvorsorgeeinrichtung“ zu verstehen ist. Nr. 2 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. 3 des Schlussprotokolls enthält schließlich eine Regelung für Dreieckssachverhalte, in denen ein deutsches Unternehmen Einkünfte aus Großbritannien bezieht und diese einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. 2. Konsequenzen
279
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.1
280
Altersvorsorgeeinrichtungen als Nutzungsberechtigte. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien enthält eine besondere Quellensteuerermäßigung auf 10 % für den Fall, dass der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte eine „Altersvorsorgeeinrichtung“ ist. Den Begriff definiert Nr. 1 des Schlussprotokolls. Danach bedeutet „Altersvorsorgeeinrichtung“ (a) in Deutschland eine als solche nach deutschem Recht errichtete und deutschem Recht unterliegende Altersvorsorgeeinrichtung und (b) in Großbritannien nach Teil 4 des Finance Act 2004 erfasste „Pension Schemes“ (außer Sozialversicherungseinrichtungen), einschließlich Versorgungsfonds oder „Pension Schemes“, die durch Versicherungsgesellschaften und Investmentfonds vermittelt werden, deren Anteilseigner ausschließlich „Pension Schemes“ sind. Die zuständigen Behörden können auch die Einbeziehung wirtschaftlich oder rechtlich gleichartiger oder im Wesentlichen ähnlicher Altersvorsorgeeinrichtungen vereinbaren, die in einem der Staaten nach der Unterzeichnung des Abkommens kraft Gesetz oder durch Rechtsvorschrift eingeführt werden.
281
Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.).
282
Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nur deutsche Investmentvermögen erfasst, nicht aber auch britische Investmentver1 Vgl. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 31; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 282–285 Art. 10
mögen. Was ein deutsches Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 Missbrauchsbekämpfung. Auf Wunsch Großbritanniens ist Art. 10 Abs. 6 DBA- 283 Großbritannien aufgenommen worden, der eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien verhindern soll. Danach werden Entlastungen nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien nicht gewährt, „wenn der Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke einer der Personen, die an der Begründung oder Übertragung der Aktien oder anderen Rechte, für die die Dividende gezahlt wird, beteiligt waren, darin bestand, diesen Artikel mithilfe dieser Begründung oder Übertragung in Anspruch zu nehmen“. Mit anderen Worten: Besteht der Hauptzweck der Anschaffung oder Übertragung der Anteile oder anderen Rechte, für die die Dividende gezahlt wird, darin, eine Quellensteuerreduktion nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien zu erreichen, dann wird diese Ermäßigung nicht gewährt. Denkbar sind z.B. Fälle, in denen kurz vor dem Dividendenstichtag die Anteile an eine abkommensberechtigte Person übertragen werden. Die weite Formulierung dürfte aber auch solche Fälle erfassen, in denen der Steuervorteil bei eher mittelbar beteiligten Personen eintritt. Zu denken ist z.B. auch die missbräuchliche Zwischenschaltung einer britischen Gesellschaft in den Bezug von Dividenden einer deutschen Gesellschaft durch eine nicht abkommensberechtigte Person. Hier stellt sich unmittelbar die Frage nach § 50d Abs. 3 EStG und § 42 AO. Normalerweise sollen entsprechende DBA-Vorschriften (wie z.B. Art. 28 DBA-USA) die innerstaatliche Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG verdrängen.2 Die Finanzverwaltung will dies zumindest in den Fällen bejahen, in denen „das einschlägige DBA eine abschließende Regelung enthält.“3 Ob dies vorliegend relevant ist, wird zum Teil bezweifelt, weil sich die Vertragsparteien in der Gemeinsamen Erklärung anlässlich der Vertragsunterzeichnung darauf verständigt haben, dass Art. 10 Abs. 6 DBA-Großbritannien einen Vertragsstaat nicht daran hindere, seine Bestimmungen nach innerstaatlichem Steuerrecht zur Verhinderung von Abkommensmissbräuchen anzuwenden.4 Zu beachten ist schließlich, dass der Steuervorteil aus Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien der Hauptzweck der entsprechenden Maßnahme sein muss. Als bloßer Nebenzweck ist er unschädlich.5 Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 2 284 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Großbritannien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. Dreieckssachverhalte mit Drittstaatenbetriebsstätten. Nr. 3 des Schlussprotokolls 285 enthält eine Regelung, die die Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 Abs. 2 DBAGroßbritannien einschränkt bzw. versagt, wenn ein deutsches Unternehmen Dividen1 So Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 32. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 10. 4 Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 93 f. 5 Vgl. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 93; Häuselmann, Ubg 2010, 347.
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Art. 10 Rz. 285–286
Dividenden
den aus Großbritannien bezieht und diese Einkünfte einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens zuzurechnen sind, sofern die für diese Einkünfte in Deutschland und im Drittstaat tatsächlich gezahlte Steuer insgesamt weniger als 60 % der Steuer beträgt, die in Deutschland zu entrichten gewesen wäre, wenn das Unternehmen die Einkünfte in Deutschland erzielt hätte und die Einkünfte nicht der im Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen wären. Die Regelung greift damit zunächst nur dann ein, wenn aus Großbritannien stammende Dividenden durch ein deutsches Unternehmen bezogen werden. Sie gilt nicht, wenn die Dividenden aus Deutschland stammen und von einem britischen Unternehmen bezogen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass die Dividenden einer in einem Drittstaat gelegenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Das ist nach abkommensrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, weil die Nr. 3 des Schlussprotokolls diejenigen Fälle erfassen will, in denen die in der Betriebsstätte anfallenden Dividenden von der deutschen Besteuerung aufgrund einer in einem mit dem Drittstaat vereinbarten Betriebsstättenfreistellung ausgenommen sind. Weil Deutschland der Anwenderstaat der Betriebsstättenfreistellung ist, richtet sich die Zurechnung auch nach der deutschen Sicht. Daraus folgt aber auch zugleich, dass Nr. 3 des Schlussprotokolls nicht eingreift, wenn die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte z.B. durch § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG versagt wird.1 Greift die Betriebsstättenfreistellung für die Dividenden ein, dann ist in einem weiteren Schritt eine hypothetische Prüfung dahin durchzuführen, welcher deutschen Besteuerung die Dividenden ohne die Einschaltung der Drittstaatenbetriebsstätte unterlegen hätten. Nur wenn die in Deutschland und im Drittstaat tatsächlich gezahlte Steuer insgesamt weniger als 60 % als die im hypothetischen Vergleichsfall ohne Drittstaatenbetriebsstätte zu zahlende Steuer beträgt, kommt die Rechtsfolge von Nr. 3 des Schlussprotokolls zum Tragen. Daraus folgt aber, dass dann, wenn Deutschland die Einkünfte schon selbst nicht besteuert, z.B. weil § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden ist, eine Anwendung von Nr. 3 des Schlussprotokolls ausscheidet.2 Man wird auch nicht so weit gehen können, dass man die nach § 8b Abs. 2 KStG auf die Fiktion nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben anfallende Steuer in die hypothetische Vergleichsrechnung einbezieht.3 Die Bedeutung der Vorschrift dürfte daher primär in Fällen des § 8b Abs. 7 und 8 KStG bestehen. Dies auch deshalb, weil die Rechtsfolge von Nr. 3 des Schlussprotokolls abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBAGroßbritannien eine Quellensteuerbegrenzung von 15 % vorsieht. Damit dürften primär die Fälle des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a (Schachtelprivileg) und b Altersvorsorgeeinrichtungen) DBA-Großbritannien angesprochen sein. Nr. 3 des Schlussprotokolls sieht schließlich Ausnahmen vor. Dabei stellt sich die Frage, ob die „sonstige Einkünfte“ ansprechende Regelung von Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls auf „Dividenden“ anzuwenden ist. Aus der Systematik der Regelung im Schlussprotokoll sollte dies aber zu beantworten sein, weil sich Nr. 3 des Schlussprotokolls nach der Überschrift auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren bezieht, und weil Nr. 3 Buchst. a des Schlussprotokolls lediglich „Lizenzgebühren“ anspricht. Dann müssen „sonstige Einkünfte“ nach Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls jedenfalls auch „Dividenden“ sein. Nach Nr. 3 Buchst. b des Schlussprotokolls gilt die Regelung damit nicht für Dividenden, die aus Großbritannien stammen und im Zusammenhang mit einer von der Betriebsstätte im Drittstaat aktiv ausgeübten gewerblichen Tätigkeit erzielt werden oder aus Anlass dieser Tätigkeit anfallen (mit Ausnahme der Tätigkeit der Platzierung, Verwaltung oder der bloßen Verwahrung von Kapitalanlagen für eigene Rechnung der Person, es sei denn, es handelt sich um Banktätigkeiten oder Wertpapierhandel einer Bank oder eines zugelassenen Wertpapierhändlers). Damit wird wohl den Anliegen des britischen Finanzplatzes Rechnung getragen. 286
Besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Nr. 5 des Protokolls (zu Art. 29 DBA-Großbritannien) enthält eine besondere Verfahrensregel für die 1 Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 88; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 352. 2 Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 88; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 352. 3 Zum Verhältnis der Betriebsstättenfreistellung zu § 8b Abs. 1 KStG vgl. Gosch in Gosch2, § 8b KStG Rz. 40.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 286–290 Art. 10
Quellensteuerbegrenzung. Danach können Treuhänder oder Verwalter von Investmentvermögen oder geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften, die in einem Vertragsstaat niedergelassen sind, für die Investoren des Investmentvermögens oder die Gesellschafter der Personengesellschaft einen Anspruch nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Großbritannien geltend machen, soweit diese Investoren oder Gesellschafter Anspruch auf diese Vergünstigungen haben. Die vollständige oder teilweise Anerkennung eines Anspruchs durch den anderen Vertragsstaat kann Bedingungen unterworfen werden, die nach dem Ermessen des anderen Vertragsstaats auferlegt werden. Mit der Anerkennung eines Anspruchs des Treuhänders, Verwalters oder geschäftsführenden Gesellschafters erlischt das Recht des eigentlichen Investors, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen. Im Übrigen ist auf Art. 29 DBA-Großbritannien hinzuweisen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Großbritannien als Wohnsitzstaat. Großbritannien als Wohnsitzstaat vermeidet 287 eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Großbritannien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, d.h. durch Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die britische Steuer (direkte Anrechnung). Darüber wird nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Großbritannien bei Dividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Großbritannien ansässige Gesellschaft gezahlt werden, welcher unmittelbar oder mittelbar mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft gehören, in die Anrechnung (neben den nach Buchst. a anrechnungsfähigen deutschen Quellensteuern) auch die deutsche Steuer einbezogen, die die Gesellschaft von den Gewinnen zu entrichten hat, aus denen die Dividenden gezahlt werden (indirekte Anrechnung). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 288 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Großbritannien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBAGroßbritannien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA-Großbritannien unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Großbritannien ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Großbritannien in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 23 DBA-Großbritannien, Art. 23A/B Rz. 132).
V. Indien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Indien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
289
Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DBA-Indien entspricht 290 Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBA-Indien eine vom OECD-MA abweichende Quellensteuerbegrenzung auf 10 % und enthält kein Schachtelprivileg, wie es in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA enthalten ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Indien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.
Schönfeld
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Art. 10 Rz. 291–298
Dividenden
291
Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Fallgruppen in Buchstaben a und b untergliedert. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.
292
Art. 10 Abs. 4 DBA-Indien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Indien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Indien.
293
Art. 10 Abs. 5 DBA-Indien. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Indien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.
294
Protokoll. Nr. 3 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung und aus Ausschüttungen aus Kapitalanlagegesellschaften. Nr. 4 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat schließlich ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen
295
Einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 %. Aufgrund des fehlenden Schachtelprivileges in Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien gilt eine einheitliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 % für sämtliche grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen.
296
Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien mit „sonstigen Einkünften“.1 Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Indien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.).2
297
Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 3 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte aus stiller Beteiligung. Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Indien als Quellenstaaten auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 10 % erheben dürfen.3 Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Indien herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20084 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Indien enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180).
298
Einkünfte aus Kapitalanlagegesellschaften. Nr. 3 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff zudem auf Einkünfte aus Ausschüttungen aus Kapitalanlagegesellschaften. Das Abstellen auf den Begriff „Kapitalanlagegesellschaften“ dürfte aus deutscher Sicht der Zeit des DBA geschuldet sein, bei der das KAGG noch in Kraft war. Nach § 1 Abs. 1 KAGG sind Kapitalanlagegesellschaften Kreditinstitute, deren
1 2 3 4
Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien, Rz. 65. Portner in G/K/G, Art. 10 DBA-Indien, Rz. 4. Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien, Rz. 67. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
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Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 298–301 Art. 10
Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger (Anteilinhaber) nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach diesem Gesetz zugelassenen Vermögensgegenständen gesondert vom eigenen Vermögen in Form von Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs-, Investmentfondsanteil-, Grundstücks-, Gemischten Wertpapier- und Grundstücks- oder Altersvorsorge-Sondervermögen anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Anteilinhaber Urkunden (Anteilscheine) auszustellen. Heute wird man mit Blick auf das das KAGG ablösende InvG – wie in anderen neuen DBA – eher von Investmentvermögen sprechen. Für die Frage, was ein Investmentvermögen ist, sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 4 299 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Indien für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden oder Zinsen abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Indien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.2 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Indien als Wohnsitzstaat. Indien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteue- 300 rung von grenzüberschreitenden Dividenden gem. Art. 23 Abs. 2 DBA-Indien durch Anwendung der Anrechnungsmethode, wobei das DBA missverständlich von „Abzug“ spricht, da sich der Abzug aber auf die Steuer bezieht, entspricht er einer Anrechnung. Indien lässt dabei einen Betrag zur Anrechnung zu, der der in Deutschland entweder unmittelbar oder im Abzugsweg gezahlten Einkommensteuer entspricht. Die Anrechnung darf aber in keinem Fall den Teil der (vor dem Abzug der Steuer ermittelten) Einkommensteuer übersteigen, der auf das Einkommen entfällt, das in Deutschland besteuert werden kann. Trotz des Wortlautes soll die Anrechnung nicht auf die deutsche Einkommensteuer beschränkt sein, sondern auch die Körperschaftsteuer umfassen.3 Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 301 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Indien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Indien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Indien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. e DBA-Indien unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die Einkünfte der in Indien ansässigen Gesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten stammen. Für Einkünfte im Sinne von Art. 10 DBA-Indien gilt die Freistellung auch dann, wenn die Dividenden aus Beteiligungen 1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien, Rz. 39. 3 Strauß in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Indien, Rz. 114.
Schönfeld
913
Art. 10 Rz. 301–310
Dividenden
an anderen in Indien ansässigen Gesellschaften stammen, die aktive Tätigkeiten ausüben und an denen die zuletzt ausschüttende Gesellschaft zu mehr als 25 v.H. beteiligt ist. Aktive Tätigkeiten sind in Indien ausgeübte Herstellung und Verkauf von Gütern oder Waren, technische Beratung und technische Dienstleistung und Bank- und Versicherungsgeschäfte. Das Schachtelprivileg kann in Fällen eines Qualifikationsbzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (Nr. 6 Buchst. c des Schlussprotokolls, vgl. näher Art. 23 DBA-Indien, Art. 23A/B Rz. 139 ff.).
VI. Italien 1. Abweichungen zum OECD-MA 302
Art. 10 Abs. 1 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 1 DBA-Italien entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
303
Art. 10 Abs. 2 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Italien entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b OECD-MA. Zudem entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 DBA-Italien den in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 OECD-MA enthaltenen Regelungen.
304
Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Italien ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern die deutsche Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, unmittelbar über mindestens 25 % des Gesellschaftskapitals der italienischen Gesellschaft verfügt, darf die italienische Steuer 10 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen.
305
Art. 10 Abs. 4 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 4 DBA-Italien enthält eine (gegenstandslos gewordene und damit praktisch irrelevante) Regelung zur Vergütung eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrages für Dividenden einer deutschen Gesellschaft an eine italienische Gesellschaft.
306
Art. 10 Abs. 5 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 5 DBA-Italien enthält eine (gegenstandslos gewordene und damit praktisch irrelevante) Regelung zur Vergütung eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrages („maggiorazione“) für Dividenden einer italienischen Gesellschaft an eine deutsche Gesellschaft.
307
Art. 10 Abs. 6 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 6 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, unterteilt aber die Fallgruppen in Buchst. a und Buchst. b. Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Italien erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter an einem gewerblichen Unternehmen und auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen.
308
Art. 10 Abs. 7 DBA-Italien. Art. 10 Abs. 7 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.
309
Art. 10 Abs. 8 DBA-Italien. Auch Art. 10 Abs. 8 DBA-Italien entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.
310
Protokoll. Nr. 8 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. 9 des Schlussprotokolls definiert den Begriff des Nutzungsberechtigten dahin, dass diesem das den Dividendenzahlungen zugrundeliegende Recht zustehen muss und ihm die Einkünfte hieraus nach dem Steuerrecht beider Staaten zuzurechnen sind. Nr. 10 des Schlussprotokolls stellt lediglich klar, dass der in Art. 10 Abs. 7 DBA-Italien enthaltene Betriebsstättenvorbehalt die Anwendung von Art. 7 und 14 DBA-Italien unberührt lässt.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 311–315 Art. 10
2. Konsequenzen Engeres Konzept des Nutzungsberechtigten. Anders als in anderen deutschen 311 DBA wird der Begriff des Nutzungsberechtigten in Nr. 9 des Schlussprotokolls näher definiert. Zunächst muss diesem das den Dividendenzahlungen zugrundeliegende Recht zustehen, d.h. aus deutscher Sicht muss er wirtschaftlicher Eigentümer des Gesellschaftsanteils sein (vgl. Rz. 72 ff.). Insoweit ergeben sich keine Abweichungen zu dem zum OECD-MA entwickelten Verständnis. Wichtig ist aber weiterhin, dass Nutzungsberechtigter nur ist, wem die Einkünfte aus dem Recht nach dem Steuerrecht beider Staaten zuzurechnen sind. Diese Sicht entspricht dem in Rz. 73 entwickelten Gedanken, nicht aber wohl der Sicht der herrschenden Auffassung. Jedenfalls im Anwendungsbereich des Art. 10 DBA-Italien folgt daraus, dass die Quellensteuerherabsetzung nach diesem Artikel nicht gewährt wird, wenn Deutschland oder Italien z.B. aufgrund eines Qualifikationskonfliktes eine unterschiedliche Zurechnung der Einkünfte vornehmen, d.h. im Falle eines Qualifikationskonfliktes kann niemand eine Quellensteuerherabsetzung nach Art. 10 Abs. 2 oder 3 DBA-Italien beanspruchen.1 Einseitiges qualifiziertes Schachtelprivileg. Das in Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien ent- 312 haltene Schachtelprivileg unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Italien ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden deutscher Gesellschaften bleibt es bei dem einheitlichen Quellensteuersatz von 15 %. Zum anderen ist die italienische Quellensteuer nur auf 10 % des Bruttobetrages der Dividenden begrenzt. Aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden MutterTochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein. Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividen- 313 dendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.). Stille Beteiligung. Art. 10 Abs. 6 Buchst. b DBA-Italien erweitert den Dividenden- 314 begriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter an einem gewerblichen Unternehmen. Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Italien nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Selbst dann erscheint es aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 3 DBA-Italien gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Italien herleitet, jedoch können nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien nur Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien in den Genuss des im Methodenartikel enthaltenen Schachtelprivileges kommen, nicht also auch die hybriden Finanzierungsformen des Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien. Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 6 315 Buchst. b DBA-Italien erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch italienische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA 1 Vgl. Krabbe in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Italien, Rz. 23.
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Art. 10 Rz. 315–321
Dividenden
noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 316
Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 3 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Italien für Dividenden wieder aufleben, wenn diese auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Italien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
317
Italien als Wohnsitzstaat. Italien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. b DBA-Italien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-Italien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur für Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien (nicht also auch für steuerlich gleichgestellte Dividenden der dritten Fallgruppe) und nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Italien ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 25 % unmittelbar der italienischen Gesellschaft gehört.
318
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 3 Buchst. b DBA-Italien durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur für Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 6 Buchst. a DBA-Italien (nicht also auch für steuerlich gleichgestellte Dividenden der dritten Fallgruppe) und nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Italien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört (vgl. näher Art. 24 DBA-Italien, Art. 23A/B Rz. 146 ff.).
VII. Japan 1. Abweichungen zum OECD-MA 319
Art. 10 Abs. 1 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 1 DBA-Japan entspricht fast wörtlich Art. 10 Abs. 1 OECD-MA. Die geringfügigen sprachlichen Abweichungen sind ohne praktische Relevanz.
320
Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 2 Halbs. 1 DBA-Japan entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 OECD-MA. Demgegenüber regelt Art. 10 Abs. 2 Halbs. 2 DBAJapan lediglich die (dem OECD-MA entsprechende) Quellensteuerbegrenzung auf 15 %. Zudem ist das Konzept des Nutzungsberechtigten noch nicht umgesetzt.
321
Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan enthält eine Regelung zu Schachteldividenden, die von einer in Japan ansässigen Gesellschaft an eine in 1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 321–329 Art. 10
Deutschland ansässige Gesellschaft gezahlt werden. Sofern der deutschen Gesellschaft, die diese Dividenden empfängt, während der der Dividendenzahlung unmittelbar vorausgehenden 12 Monate mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden zahlenden japanischen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar gehörten, darf die japanische Steuer 10 % des Bruttobetrages der Dividenden nicht übersteigen. Art. 10 Abs. 4 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 4 DBA-Japan entspricht inhaltlich Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.
322
Art. 10 Abs. 5 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 5 Halbs. 1 DBA-Japan entspricht inhaltlich 323 im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Allerdings werden „Genussaktien“ nicht genannt und die dritte Fallgruppe stellt sprachlich ausdrücklich auf das „Steuerrecht“ des Quellenstaates ab. Art. 10 Abs. 5 Halbs. 2 DBAJapan erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden. Art. 10 Abs. 6 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 6 DBA-Japan entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.
324
Art. 10 Abs. 7 DBA-Japan. Auch Art. 10 Abs. 7 DBA-Japan entspricht inhaltlich im 325 Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung. Art. 10 Abs. 8 DBA-Japan. Art. 10 Abs. 8 DBA-Japan lässt das uneingeschränkte 326 Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Einkünfte aus stiller Beteiligung wieder aufleben, wenn diese bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens des Schuldners abzugsfähig sind. Notenwechsel. Im Notenwechsel v. 17.4.1979 haben die Vertragsstaaten zum geän- 327 derten Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan vereinbart, dass für den Fall, dass Deutschland in einem DBA mit einem anderen OECD-Mitgliedstaat künftig seine im Abzugswege erhobenen Steuern von Dividenden auf einen niedrigeren als den in den genannten Bestimmungen vorgesehenen Satz begrenzt, sich die beiden Regierungen die genannten Bestimmungen im Hinblick auf eine gleiche Behandlung überprüfen werden. Zudem besteht zur Auslegung der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 5 DBA-Japan entsprechendes Einverständnis, dass der Ausdruck „Dividenden“ die Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen umfasst, wenn die Einkünfte nach dem Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die die Zahlung leistende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. 2. Konsequenzen Keine Umsetzung des Konzeptes des Nutzungsberechtigten. Die fehlende Umset- 328 zung des Konzeptes des Nutzungsberechtigten ist vermutlich ohne praktische Relevanz. Zwar genügt es nach Art. 10 Abs. 1 DBA-Japan, der die wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen wie Art. 10 Abs. 1 OECD-MA sprachlich vorweg nimmt, wenn die Gesellschaft die Dividenden an eine im anderen Vertragsstaat „ansässige Person zahlt“. Nach dem Wortlaut muss die Person also nur der Empfänger, nicht auch der Nutzungsberechtigte sein. Gleichwohl soll die Voraussetzung des „Nutzungsberechtigten“ aufgrund des innerstaatlichen Rechtes der Vertragsstaaten zu ergänzen sein.1 Nach der Entscheidung des BFH v. 19.5.20102 zum Schachtelprivileg im DBA-Frankreich könnte man aber auch durchaus die Gegenposition einnehmen, weil der BFH dort dem Wortlaut des DBA mit Blick auf den Umstand des Zahlens besondere Bedeutung beigemessen hat. Einseitiges qualifiziertes Schachtelprivileg. Das in Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan ent- 329 haltene Schachtelprivileg unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA. Zum einen wird das Schachtelprivileg nur einseitig für Ausschüttungen einer in Japan ansässigen Gesellschaft an eine in 1 Vgl. Preuss in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Japan, Rz. 28. 2 BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919.
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Art. 10 Rz. 329–334
Dividenden
Deutschland ansässige Gesellschaft gewährt. Für Dividenden deutscher Gesellschaften bleibt es bei dem einheitlichen Quellensteuersatz von 15 %. Zum anderen ist die japanische Quellensteuer nur auf 10 % des Bruttobetrages der Dividenden begrenzt und die Beteiligung von mindestens 25 % der stimmberechtigten Anteile muss während der der Dividendenzahlung unmittelbar vorausgehenden 12 Monate bestanden haben. Maßgeblicher Zeitpunkt sollte auch hier die Entstehung der Steuer nach dem Steuerrecht des Quellenstaates sein. 330
Einkünfte aus stiller Beteiligung. Die Erweiterung des Dividendenbegriffs durch Art. 10 Abs. 5 Halbs. 2 DBA-Japan auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen, die in Deutschland als Einkünfte aus Kapitalvermögen qualifiziert werden, hat schließlich zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Japan als Quellenstaaten auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 10 Abs. 8 DBA-Japan das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates für Einkünfte aus stiller Beteiligung wieder aufleben lässt, wenn diese bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens des Schuldners abzugsfähig sind. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Japan herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20081 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBAJapan enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180).
331
Keine Genussrechte. Aus der fehlenden Nennung von Genussrechten in der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 5 Halbs. 1 DBA-Japan wird z.T. die Schlussfolgerung gezogen, dass die daraus resultierenden Einkünfte unter den Zinsartikel des Art. 11 DBA-Japan fallen.2 Diese Auffassung kann man sicherlich vertreten, man kann sich aber mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut von Art. 10 Abs. 5 Halbs. 1 Fallgruppe 3 DBA-Japan auch auf den Standpunkt stellen, dass diese Frage aus Sicht des Steuerrechtes des Quellenstaates zu beantworten ist. Stellt dieser die Einkünfte aus Genussrechten den Einkünften aus Aktien steuerlich gleich, dann spricht einiges dafür, hierin „Dividenden“ i.S.d. Art. 10 Abs. 5 DBA-Japan zu sehen.
332
Keine Gründeranteile. Die fehlende Aufnahme von Gründeranteilen in die Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 5 Halbs. 1 DBA-Japan spielt aus deutscher Sicht keine praktische Rolle. Im Übrigen gelten die Ausführungen in Rz. 331 entsprechend.
333
Partiarische Darlehen. Einkünfte aus partiarischen Darlehen sollen nach dem Notenwechsel v. 17.4.1979 ebenfalls als „Dividenden“ i.S.v. Art. 10 Abs. 5 DBA-Japan zu qualifizieren sein, wenn die Einkünfte nach dem Steuerrecht des Vertragsstaates, in dem die die Zahlung leistende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind. Die Ausführungen in Rz. 331 gelten entsprechend.
334
Keine Meistbegünstigung. Für die im Notenwechsel v. 17.4.1979 enthaltene Prüfungsverpflichtung im Falle einer niedrigeren Quellensteuerbegrenzung in deutschen DBA mit OECD-Staaten stellt sich zunächst die Frage, ob diese nur für Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan gilt oder auch für das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan. Der Notenwechsel selbst bezieht sich zwar auf Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan, spricht aber selbst von „Regelungen“, was durchaus den Schluss nahelegt, auch die in Art. 10 Abs. 3 DBA-Japan enthaltene Regelung mit zu umfassen. Letztlich dürfte diese Frage aber wohl ohne praktische Relevanz sein, weil die im Notenwechsel enthaltene Prüfungspflicht sich nur an die Vertragsstaaten wendet und dem Steuerpflichtigen wohl keine Quellensteuerherabsetzung nach einem günstigeren anderen DBA gewährt. Insoweit scheint sich aus dem Notenwechsel keine „Meistbegünstigung“ zu ergeben. Allerdings kann man sich auch fragen, welchen Zweck die im Notenwechsel enthalte1 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 2 Preuss in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Japan, Rz. 66.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 334–343 Art. 10
ne Regelung haben soll, wenn die Steuerpflichtigen hieraus (ggf. über das Diskriminierungsverbot) kein subjektives Recht herleiten können. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Japan als Wohnsitzstaat. Japan als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteue- 335 rung von grenzüberschreitenden Dividenden gem. Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 336 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA-Japan durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Nr. 1 DBA-Japan durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in Japan ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 % der erstgenannten Gesellschaft gehören (vgl. näher Art. 23 DBA-Japan, Art. 23A/B Rz. 152 ff.).
VIII. Kanada 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
337
Art. 10 Abs. 2 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Kanada entspricht im We- 338 sentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich wird abweichend vom OECDMA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt und Personengesellschaften werden nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Kanada entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Kanada entspricht inhalt- 339 lich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, unterteilt aber die Fallgruppen in Buchst. a und Buchst. b. Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Kanada erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 4 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 4 DBA-Kanada entspricht inhaltlich im 340 Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 5 DBA-Kanada. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Kanada entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.
341
Art. 10 Abs. 6 DBA-Kanada. Art. 10 Abs. 6 DBA-Kanada enthält eine Regelung zur 342 Erhebung der sog. „branch tax“, die über kein Pendant im OECD-MA verfügt. Protokoll. Nr. 3 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneinge- 343 schränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können.
Schönfeld
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Art. 10 Rz. 344–348
Dividenden
2. Konsequenzen 344
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Kanada mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten größer.
345
Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Kanada entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.).1
346
Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Kanada erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ für die Zwecke der deutschen Besteuerung auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus einem partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen und ähnliche gewinnabhängige Entgelte.2 Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Kanada nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Kanada gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Kanada herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Kanada enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180).
347
Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-Kanada erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch kanadische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich.4 § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.5
348
Branch tax. Art. 10 Abs. 6 Satz 1 DBA-Kanada erlaubt es Kanada als Quellenstaat, auch für Gewinne einer kanadischen Betriebsstätte sowie für die Veräußerung in Ka-
1 2 3 4 5
Vgl. auch W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Kanada, Rz. 69a. Vgl. näher Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich, Rz. 11 ff. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Kanada, Rz. 75. Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.
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Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 348–351 Art. 10
nada belegenen unbeweglichen Vermögens durch ein mit dem Handel von unbeweglichem Vermögen tätiges Unternehmen neben der eigentlichen kanadischen Steuer, die auf die Einkünfte einer in Kanada ansässigen Gesellschaft entfällt, auch eine Zweigniederlassungssteuer zu erheben. Die zusätzliche Steuer darf jedoch höchstens zu dem nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada begrenzten Satz von den Einkünften erhoben werden, die dieser zusätzlichen Steuer in vorhergegangenen Steuerjahren nicht unterworfen waren. Art. 10 Abs. 6 Satz 2 DBA-Kanada definiert für Zwecke dieser Regelung, was der Ausdruck „Einkünfte“ bedeutet, nämlich (a) die Einkünfte, die auf die Veräußerung des in Kanada liegenden unbeweglichen Vermögens entfallen, soweit sie in Kanada gemäß den Bestimmungen von Art. 6 oder Art. 13 Abs. 1 DBA-Kanada besteuert werden können, und (b) die Gewinne, die den in Kanada gelegenen Betriebsstätten (einschließlich der in Art. 13 Abs. 2 DBA-Kanada bezeichneten Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen, das Betriebsvermögen dieser Betriebsstätten ist) in Übereinstimmung mit Art. 7 DBA-Kanada in einem Jahr und vorhergehenden Jahren nach Abzug nachstehender Beträge zuzurechnen sind: (aa) diesen Betriebsstätten in dem betreffenden Jahr und vorhergehenden Jahren zuzurechnende Geschäftsverluste (einschließlich der Verluste aus der Veräußerung von Vermögen, das Betriebsvermögen dieser Betriebsstätten ist); (bb) alle Steuern, die in Kanada von diesen Gewinnen erhoben werden, ausgenommen die in diesem Absatz erwähnte zusätzliche Steuer; (cc) in Kanada reinvestierte Gewinne, vorausgesetzt, dieser Abzugsbetrag wird nach den geltenden Bestimmungen des kanadischen Rechts über die Ermittlung des Abzugs bei Vermögensinvestitionen in Kanada einschließlich etwaiger späterer Änderungen dieser Bestimmungen, soweit sie deren allgemeine Grundsätze nicht berühren, berechnet, und (dd) fünfhunderttausend kanadische Dollar (500 000 $) oder ihr Gegenwert in der Währung der Bundesrepublik Deutschland, vermindert um alle nach Art. 10 Abs. 6 DBA-Kanada von der Gesellschaft oder von einer mit ihr verbundenen Person im Zusammenhang mit der gleichen oder einer ähnlichen wie der von der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeit abgezogenen Beträge.1 Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 3 349 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Kanada für Dividenden wieder aufleben, wenn diese auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Kanada derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Kanada als Wohnsitzstaat. Kanada als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppel- 350 besteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Anrechnungsmethode, d.h. durch Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die kanadische Steuer (direkte Anrechnung). Darüber hinaus wird nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Kanada bei Dividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in Kanada ansässige Gesellschaft gezahlt werden, welcher unmittelbar oder mittelbar mindestens 10 v.H. der Stimmrechte der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft kontrolliert, bei der Anrechnung die Steuer berücksichtigt, die die deutsche Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland auf die Gewinne schuldet, aus denen diese Dividende gezahlt wird (indirekte Anrechnung). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 351 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Kanada durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur 1 Ausführlich dazu W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Kanada, Rz. 110 ff.
Schönfeld
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Art. 10 Rz. 351–357
Dividenden
dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in Kanada ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Kanada unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Kanada ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht. Der Verweis auf § 8 AStG dürfte wohl jedenfalls insoweit ein statischer sein, als es § 8 Abs. 2 AStG anbelangt, weil das dort geregelte Privileg für Landes- und Funktionsholdings längst aufgehoben worden ist. Anderenfalls sind Dividenden stets passiv, weil der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fehlt.1 Das Schachtelprivileg kann auch in Fällen eines Qualifikationskonfliktes versagt sein (Nr. 9 des Schlussprotokolls; vgl. näher Art. 23 DBA-Kanada, Art. 23A/B Rz. 157 ff.).
IX. Luxemburg 1. Abweichungen zum OECD-MA 352
Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012. Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
353
Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b DBA- Luxemburg entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA- Luxemburg geregelte Ausschluss von Investmentgesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten und die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA- Luxemburg enthaltene Quellensteuerbegrenzung auf 15 % für Ausschüttungen von Immobilieninvestmentgesellschaften verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Zudem wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Luxemburg 2012 entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.
354
Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012. Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECDMA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.
355
Art. 10 Abs. 4 DBA-Luxemburg 2012. Art. 10 Abs. 4 DBA-Luxemburg 2012 entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.
356
Art. 10 Abs. 5 DBA-Luxemburg 2012. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Luxemburg 2012 entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.
357
Protokoll. Das Schlussprotokoll zum DBA-Luxemburg 2012 enthält wesentliche Ergänzungen. So sieht Nr. 1 des Schlussprotokolls vor, Investmentvermögen und Investmentgesellschaften die Rechte aus Art. 10 DBA-Luxemburg 2012 wahrnehmen können. Zugleich werden die entsprechenden Begriffe definiert. Nr. 2 Abs. 1 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. 2 Abs. 2 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff „im Falle Luxemburgs“ auf Einkünfte aus Obligationen, die neben einer festen Verzinsung auch eine Zusatzverzinsung enthalten, die sich nach der Höhe der Gewinnausschüttung richtet, und auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung. Nr. 3 des Schlussprotokolls 1 In diesem Sinne auch W. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Kanada, Rz. 149; anders aber wohl für das DBA-Russland Wagner in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Russland, Rz. 6.
922
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 357–361 Art. 10
bestimmt, dass die entsprechenden EU-RL (Fusionsrichtlinie, Mutter-Tochter-RL und Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie ungeachtet der Art. 10, 11, 12, 13 und 22 DBA-Luxemburg 2012 anzuwenden sind. 2. Konsequenzen Ausschluss von Investmentgesellschaften als Nutzungsberechtigte. Der Ausschluss 358 von Investmentgesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten im Rahmen des Schachtelprivileges hat zunächst zur Folge, dass Investmentgesellschaften die Quellensteuerherabsetzung auf 5 % grds. nicht beanspruchen können. In einem gewissen Widerspruch hierzu steht Nr. 1 Abs. 2 des Schlussprotokolls, wonach auch Investmentgesellschaften die in Art. 10 DBA-Luxemburg 2012 vorgesehenen Beschränkungen selbständig geltend machen können, wobei der Begriff der Investmentgesellschaft (a) in Deutschland die Investmentaktiengesellschaft und (b) in Luxemburg die Risikoanlagegesellschaft (société d’investissement en capital à risque [SICAR]), die Anlagegesellschaft mit variablem Kapital (société d’investissement à capital variable [SICAV]) sowie die Anlagegesellschaft mit festem Kapital (société d’ investissement à capital fixe [SICAF]) bedeutet. Dieser Widerspruch besteht zumindest insoweit nicht, als Investmentgesellschaften nur vom Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 ausgenommen sind, nicht aber von der allgemeinen Quellensteuerbegrenzung auf 15 % des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Luxemburg 2012. Jedenfalls letztere Abkommensvergünstigung kann damit auch eine Investmentgesellschaft beanspruchen. Zudem sieht Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls vor, dass ein nach dem Recht eines Vertragsstaates gebildetes Investmentvermögen, das aus dem anderen Vertragsstaat stammende Dividenden bezieht, die in den Art. 10 DBA-Luxemburg 2012 vorgesehenen Beschränkungen des Besteuerungsrechts des anderen Vertragsstaats geltend machen kann, soweit die Anteile an dem Investmentvermögen von in dem erstgenannten Staat ansässigen Personen gehalten werden. Der Begriff des Investmentvermögens bedeutet nach der Legaldefinition im Protokoll (a) in Deutschland ein durch eine Kapitalanlagegesellschaft verwaltetes Sondervermögen im Sinne des InvG und (b) in Luxemburg ein Investmentfond (fonds commun de placement). Daraus sollte sich ergeben, dass dann, wenn eine Investmentgesellschaft zugleich ein Investmentvermögen im Sinne des Schlussprotokolls darstellt, und die Anteile an dem Investmentvermögen von einer „Gesellschaft“ gehalten werden, die im Staat des Investmentvermögens ansässig ist (Wohnsitzstaat), zumindest insoweit auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 durch das Investmentvermögen beansprucht werden kann. Mit Anerkennung eines Anspruchs des Investmentvermögens erlischt nach dem Schlussprotokoll indes das Recht der Anteilscheininhaber an diesem Investmentvermögen, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen. Ausschüttungen von Immobilieninvestmentgesellschaften. Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA-Luxemburg 2012 darf die Quellensteuer ungeachtet der Bestimmungen der Buchstaben a und b 15 % des Bruttobetrags der Dividenden nicht übersteigen, wenn die ausschüttende Gesellschaft eine Immobilieninvestmentgesellschaft ist, deren Gewinne vollständig oder teilweise von der Steuer befreit sind oder die die Ausschüttungen bei der Ermittlung ihrer Gewinne abziehen kann.
359
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg 360 des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein. Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividen- 361 dendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich
Schönfeld
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Art. 10 Rz. 361–365
Dividenden
Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.). 362
Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBA-Luxemburg 2012 enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Was ein „Investmentvermögen“ ist, wird in Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls definiert. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1
363
Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 2 Abs. 2 Buchst. b des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff „im Falle Luxemburgs“ auf Einkünfte aus einer Beteiligung als stiller Gesellschafter. Dies hat zur Folge, dass Luxemburg als Quellenstaat auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Ob dann auch die im Schachtelprivileg niedergelegte Quellensteuerbegrenzung auf null eingreift, erscheint mit Blick auf die Entscheidung des BFH v. 4.6.20082 zumindest fraglich, weil es wohl an einer Beteiligung am „Kapital“ der Gesellschaft fehlen dürfte, und zwar wohl auch dann, wenn neben der stillen Beteiligung eine Schachtelbeteiligung an der Gesellschaft besteht, wobei man dies auch durchaus anders sehen könnte. Für Luxemburg als Quellenstaat hätte diese Rspr. des BFH ohnehin keine bindende Wirkung, mglw. aber doch Bedeutung für die Auslegung (Stichwort: Entscheidungsharmonie). Deutschland als Wohnsitzstaat könnte an diese Dividendendefinition mglw. gebunden sein, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg 2012 herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180). Zudem soll die Erweiterung des Dividendenbegriffs ohnehin nur „im Falle Luxemburgs“ gelten (s.o.).
364
Einkünfte aus Obligationen. Nr. 2 Abs. 2 Buchst. a des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff „im Falle Luxemburgs“ auch auf Einkünfte aus Obligationen, die neben einer festen Verzinsung auch eine Zusatzverzinsung enthalten, die sich nach der Höhe der Gewinnausschüttung richtet. Die Ausführungen in Rz. 363 gelten entsprechend.
365
Investmentvermögen als Anspruchsberechtigte. Zu der in Nr. 1 Abs. 1 des Schlussprotokolls vorgesehenen Möglichkeit, dass auch Investmentvermögen die in Art. 10 DBA-Luxemburg 2012 geregelten Abkommensvergünstigungen beanspruchen können, soweit die Anteile an dem Investmentvermögen von in demselben Staat ansässigen Personen gehalten werden, vgl. die Ausführungen in Rz. 358. Zu beachten ist, dass mit Anerkennung eines Anspruchs des Investmentvermögens das Recht der Anteilscheininhaber an diesem Investmentvermögen, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen, erlischt. Der Begriff des Investmentvermögens bedeutet nach der Legaldefinition im Protokoll (a) in Deutschland ein durch eine Kapitalanlagegesellschaft verwaltetes Sondervermögen im Sinne des InvG und (b) in Luxemburg ein Investmentfond (fonds commun de placement).
1 So zur (fast) identischen Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien z.B. Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
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Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 366–371 Art. 10
Investmentgesellschaften als Anspruchsberechtigte. Zu der in Nr. 1 Abs. 2 des 366 Schlussprotokolls vorgesehenen (und in gewisser Weise in Widerspruch zu Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 stehenden) Möglichkeit, dass auch Investmentgesellschaften die in Art. 10 DBA-Luxemburg 2012 vorgesehenen Beschränkungen selbständig geltend machen können, vgl. ebenfalls die Ausführungen in Rz. 358. Der Begriff der Investmentgesellschaft bedeutet (a) in Deutschland die Investmentaktiengesellschaft und (b) in Luxemburg die Risikoanlagegesellschaft (société d’investissement en capital à risque [SICAR]), die Anlagegesellschaft mit variablem Kapital (société d’investissement à capital variable [SICAV]) sowie die Anlagegesellschaft mit festem Kapital (société d’ investissement à capital fixe [SICAF]). Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. 2 367 Abs. 1 des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Luxemburg 2012 für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Luxemburg derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. Vorrang der EU-Richtlinien lediglich klarstellender Natur. Der in Nr. 3 des Schlussprotokolls geregelte Vorrang der EU-RL auf dem Gebiet des Steuerrechts, der im Rahmen von Art. 10 DBA-Luxemburg 2012 insbesondere für die Mutter-Tochter-RL relevant ist, dürfte lediglich deklaratorischer Natur und ohne praktische Bedeutung sein. Denn ein DBA könnte als bilateraler völkerrechtlicher Vertrag ohnehin kein sekundäres Unionsrecht außer Kraft setzen.
368
3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Luxemburg als Wohnsitzstaat. Luxemburg als Wohnsitzstaat vermeidet eine Dop- 369 pelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DBA-Luxemburg 2012 durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt. Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 370 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Luxemburg 2012 durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBALuxemburg 2012 durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Luxemburg ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Luxemburg 2012 unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Luxemburg ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. e DBA-Luxemburg 2012 in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 22 DBA-Luxemburg 2012, Art. 23A/B Rz. 164 ff.).
X. Niederlande 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Niederlande 2012. Art. 10 Abs. 1 DBA- Niederlande entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
Schönfeld
925
371
Art. 10 Rz. 372–379
Dividenden
372
Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBANiederlande 2012 entspricht im Wesentlichen dem Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECD-MA, wobei abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt wird. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c DBA-Niederlande 2012 entspricht der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA geregelten Quellensteuerbegrenzung auf 15 % in allen anderen Fällen. Ohne Pendant im OECD-MA ist demgegenüber Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande 2012, der eine Quellensteuerbegrenzung von 10 % für in den Niederlanden ansässige Pensionsfonds als Nutzungsberechtigte vorsieht. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Niederlande 2012 entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA.
373
Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012. Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECDMA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA.
374
Art. 10 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012. Art. 10 Abs. 4 DBA-Niederlande 2012 entspricht dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.
375
Art. 10 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Niederlande 2012 entspricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.
376
Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012. Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 enthält eine Regelung zu Dividendenzahlungen im Wegzugsfall, die ohne Pendant im OECDMA ist.
377
Protokoll. Das Schlussprotokoll zum DBA-Niederlande 2012 enthält wesentliche Ergänzungen. So enthält Nr. I Abs. 2 des Schlussprotokolls eine Regelung für den Fall, dass der Dividendenempfänger eine Person ist, die durch die Vertragsstaaten steuerlich unterschiedlich qualifiziert wird (hybride Rechtsträger). Nr. VIII des Schlussprotokolls bestimmt, was unter einem „Pensionsfonds“ zu verstehen ist und welchen Umständen dieser die Abkommensvergünstigungen aus Art. 10 DBA-Niederlande 2012 beanspruchen kann. Nr. IX des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. Nr. X des Schlussprotokolls enthält schließlich eine Zuweisung zu Art. 10 DBA-Niederlande 2012 (anstelle zu Art. 13 DBA-Niederlande 2012) für Einkünfte aus der Liquidation einer Gesellschaft sowie für Einkünfte aus dem Erwerb eigener Anteile. Nach Nr. XV Abs. 1 DBA-Niederlande 2012 soll die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG legitimiert werden. 2. Konsequenzen
378
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Niederlande 2012 mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.
379
Niederländische Pensionsfonds als Nutzungsberechtigte. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande 2012 enthält eine besondere Quellensteuerermäßigung auf 10 % für den Fall, dass der in den Niederlanden ansässige Nutzungsberechtigte ein „Pensionsfonds“ ist. Den Begriff definiert Nr. VIII Abs. 1 des Schlussprotokolls. Danach ist ein „Pensionsfonds“ eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die (a) im Wege des Kapitaldeckungsverfahrens Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für einen oder mehrere Arbeitgeber zugunsten von Arbeitnehmern erbringt, (b) die Höhe der Leistungen oder die Höhe der für diese Leistungen zu entrichtenden
926
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 379–381 Art. 10
künftigen Beiträge nicht für alle vorgesehenen Leistungsfälle durch versicherungsförmige Garantien zusagen darf, (c) den Arbeitnehmern einen eigenen Anspruch auf Leistung gegen den Pensionsfonds einräumt und (d) Folgendes zahlen muss: (aa) lebenslange Ruhestandsleistungen zugunsten von Arbeitnehmern oder ehemaligen Arbeitnehmern („ouderdomspensioen“), (bb) Leistungen zugunsten des Ehe-/Lebenspartners nach dem Tod des Arbeitnehmers („partnerpensioen“), (cc) Leistungen zugunsten der Kinder nach dem Tod des Arbeitnehmers („wezenpensioen“), (dd) Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit („arbeidsongeschiktheidspensioen“), (ee) Leistungen im Rahmen einer Vorruhestandsregelung („regeling voor vervroegde uittreding“ oder „prepensioenregeling“) oder (ff) vorübergehende Leistungen für Arbeitnehmer oder ehemalige Arbeitnehmer als Ersatz für eine Sozialversicherungsrente oder -leistungen bis zum Alter von 65 („overbruggingspensioen“), und (e) bei der Ausübung ihrer Tätigkeit einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle unterliegt. Nach Nr. VIII Abs. 2 des Schlussprotokolls hat ein in den Niederlanden ansässiger Pensionsfonds nur Anspruch auf Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012, wenn zum Ende des vorhergehenden Veranlagungsjahres mehr als 75 % der Begünstigten, Gesellschafter oder Teilhaber des Pensionsfonds natürliche Personen sind, die in den Niederlanden ansässig sind oder in Deutschland ansässig sind und aufgrund von an einen in den Niederlanden ansässigen Arbeitgeber geleisteten Diensten Anspruch auf Leistungen aus dem Pensionsfonds haben. Nr. VIII Abs. 3 und 4 des Schlussprotokolls enthalten Verfahrensregeln, auf die verwiesen wird. Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen. 380 Art. 10 Abs. 3 DBA-Niederlande 2012 enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nur deutsche Investmentvermögen erfasst, nicht aber auch niederländische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 Dividendenzahlungen im Wegzugsfall. Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 ent- 381 hält eine Regelung für Dividendenzahlungen im Wegzugsfall. Danach können Dividenden oder Ausschüttungen auf Gewinnobligationen, die von einer nach dem Recht eines Vertragsstaats in diesem Staat ansässigen Gesellschaft an eine im anderen Vertragsstaat ansässige natürliche Person gezahlt werden, bei der wegen Beendigung der Ansässigkeit im erstgenannten Staat der Vermögenszuwachs im Sinne von Artikel 13 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 besteuert wird, ungeachtet des Art. 10 Abs. 1, 2 und 5 DBA-Niederlande 2012 auch in diesem Staat nach dem Recht dieses Staates besteuert werden, jedoch nur während eines Zeitraums von zehn Jahren nach dem Wegzug der natürlichen Person, „soweit die Veranlagung des Vermögenszuwachses noch nicht abgeschlossen ist“. Angesprochen ist also der Fall, in dem eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in den anderen Vertragsstaat zieht und dabei mit einem Anteil an einer im erstgenannten Vertragsstaat (Wegzugsstaat) ansässigen Gesellschaft einer Wegzugsbesteuerung unterliegt. In diesem Fall können Dividenden und Ausschüttungen auf Gewinnobligationen im Wegzugsstaat (= Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft) ungeachtet der Regelungen in Art. 10 DBANiederlande 2012 für einen Zeitraum von 10 Jahren besteuert werden, insbesondere greift die Quellensteuerbegrenzung des Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 nicht
1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.
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Art. 10 Rz. 381–385
Dividenden
ein. Nach Benz/Kroon1 soll Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 nur für Wegzüge aus den Niederlanden relevant sein, weil dort die Veranlagung für den genannten 10-Jahreszeitraum nicht abgeschlossen sei. Andererseits sehen die Autoren aber auch einen Anwendungsbereich für Wegzüge aus Deutschland, die unter § 2 AStG fallen (was bei den Niederlanden als Zuzugsstaat an der Niedrigbesteuerung scheitert). In diesem Fall stellt sich aber schon die Frage, warum nur in diesem Fall ein deutsches Interesse an einer uneingeschränkten Besteuerung der Dividenden nach Wegzug besteht. Denn Beteiligungserträge kann man nicht nur aus einer (fiktiven) Veräußerung, sondern auch aus laufenden Dividenden erzielen. So ist z.B. denkbar, dass der Wegzug mit Anteilen an einer Gesellschaft erfolgt, die über erhebliche thesaurierte Gewinne verfügt. Im Falle des Wegzuges in die Niederlande kommt es zwar zu einer Festsetzung der Steuer, diese wird aber gem. § 6 Abs. 5 AStG gestundet. Schüttet der Gesellschafter nach Wegzug die thesaurierten Gewinne aus, verfügt Deutschland nur noch über ein Besteuerungsrecht von 15 % (im Falle der Einbringung des Anteils in eine ausländische Gesellschaft ggf. sogar 0 %). Vor diesem Hintergrund kann die Regelung des Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 auch aus deutscher Sicht ggf. Sinn machen, zumal im Falle eines (späteren) ausschüttungsbedingten Veräußerungsverlustes die auf die Dividenden erhobene deutsche Kapitalertragsteuer eine Berücksichtigung gem. § 6 Abs. 6 Satz 4 AStG erfährt. Die Frage ist nur, wie man die technische Formulierung „soweit die Veranlagung des Vermögenszuwachses noch nicht abgeschlossen ist“ versteht. Diese könnte aus deutscher Sicht bei einem technischen Verständnis ggf. die Anwendung von Art. 10 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012 hindern. 382
Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. IX des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande 2012 für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und die Niederlande derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern.
383
Liquidationsgewinne. Nach Nr. X des Schlussprotokolls werden Einkünfte, die in Verbindung mit der (Teil-)Abwicklung einer Gesellschaft oder dem Erwerb eigener Aktien durch eine Gesellschaft erzielt werden, wie Einkünfte aus Aktien und nicht wie Veräußerungsgewinne behandelt. Damit wird für derartige Einkünfte Art. 10 DBA-Niederlande 2012 (anstelle Art. 13 DBA-Niederlande 2012) zugewiesen.
384
Missbrauchsbekämpfung. Nr. XV (zu Art. 23 DBA-Niederlande 2012) bestimmt, dass auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung im Wesentlichen § 42 AO, § 50d Abs. 3 EStG EStG und den vierten, fünften und siebten Teil des AStG in ihrer jeweils gültigen Fassung umfassen. Im Rahmen von Art. 10 DBA-Niederlande 2012 soll dabei insbesondere die Anwendung von § 50d Abs. 3 EStG legitimiert werden, was zwar einen (ggf. verfassungsrechtlich problematischen) „Treaty override“ beseitigt, nicht aber die unverändert bestehende (potentielle) EURechtswidrigkeit der Vorschrift. Ein mit höherrangigem EU-Recht kollidierender Rechtszustand kann nicht dadurch geheilt werden, dass zwei Staaten diesen Zustand für sich akzeptieren wollen. Anderenfalls könnte die EU-rechtlichen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote durch ein bilaterales DBA einfach unterlaufen werden.
385
Besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Nr. XIX Abs. 1 des Protokolls (zu Art. 29 DBA-Niederlande 2012) enthält eine besondere Verfahrensregel für die Quellensteuerbegrenzung. Danach können bei in einem Vertragsstaat niedergelassenen Investmentvermögen oder Personengesellschaften, die keine intransparenten Gesellschaften sind, die Verwalter oder geschäftsführenden Gesellschafter
1 Benz/Kroon, IStR 2012, 799.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 385–390 Art. 10
für die Investoren des Investmentvermögens oder die Gesellschafter der Personengesellschaft einen Anspruch bzgl. der durch das Abkommen gewährten Vergünstigungen geltend machen, soweit diese Investoren oder Gesellschafter Anspruch auf diese Vergünstigungen haben. Im Sinne dieser Bestimmung bedeuten Investmentvermögen oder Personengesellschaften Rechtsträger, die in einem oder beiden Vertragsstaaten nicht wie juristische Personen behandelt werden. Mit der Anerkennung eines Anspruchs des Verwalters oder geschäftsführenden Gesellschafters erlischt das Recht des eigentlichen Investors oder Gesellschafters, einen Anspruch auf dieselbe Vergünstigung geltend zu machen. Eine ähnliche Regelung enthält Nr. XIX Abs. 2 des Protokolls (zu Art. 29 DBA-Niederlande 2012) sog. „Geschlossene Fonds für gemeinsame Rechnung (FGR)“. Hierbei wird auch ausdrücklich geregelt, dass die Einkünfte aus einem solchen Fonds den Fondsanlegern zuzurechnen sind. Im Übrigen ist auf Art. 29 DBA-Niederlande 2012 hinzuweisen. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Niederlande als Wohnsitzstaat. Die Niederlande als Wohnsitzstaat vermeiden eine 386 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 2 Buchst. c DBA-Niederlande 2012 durch Anwendung der Anrechnungsmethode (mit kompliziert formuliertem Anrechnungshöchstbetrag). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 387 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande 2012 durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBANiederlande 2012 durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Niederlande 2012 unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in den Niederlanden ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezogen hat (vgl. näher Art. 22 DBA-Niederlande 2012, Art. 23A/B Rz. 172 ff.). Das Schachtelprivileg kann auch in Fällen eines Qualifikationskonfliktes versagt sein (Art. 22 Abs. 1 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-Niederlande 2012).
XI. Österreich 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 1 DBA-Österreich entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
388
Art. 10 Abs. 2 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Österreich entspricht im 389 Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Österreich entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECDMA. Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Österreich entspricht in- 390 haltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Österreich erweitert den Dividendenbegriff auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen und ähnliche Vergütun-
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Art. 10 Rz. 390–396
Dividenden
gen, wenn sie nach dem Recht des Staates, aus dem sie stammen, bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners nicht abzugsfähig sind, sowie auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen. 391
Art. 10 Abs. 4 DBA-Österreich. Art. 10 Abs. 4 DBA-Österreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Österreich.
392
Art. 10 Abs. 5 DBA-Österreich. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Österreich entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.
393
Protokoll. Nr. 3 des Schlussprotokolls definiert, nimmt zu der Frage Stellung, wann ein stiller Gesellschafter wie ein Unternehmer behandelt wird. 2. Konsequenzen
394
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Österreich mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.
395
Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Österreich entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.).1
396
Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Österreich erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ auch Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, Einkünfte aus partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen und ähnliche Vergütungen, wenn sie nach dem Recht des Staates, aus dem sie stammen, bei der Ermittlung des Gewinns des Schuldners nicht abzugsfähig sind.2 Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch Österreich als Quellenstaaten auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Österreich nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Österreich gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Österreich herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20083 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180). Nr. 3 des Schlussprotokolls stellt im Übrigen klar, dass ein stiller Gesellschafter wie ein Unternehmer behandelt wird, wenn mit seiner Einlage eine Beteiligung am Vermögen des Unternehmens verbunden ist. In die1 Vgl. auch Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich, Rz. 7. 2 Vgl. näher Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich, Rz. 11 ff. 3 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
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Rz. 396–401 Art. 10
sem Fall kommt für die Einkünfte aus der stillen Beteiligung nicht Art. 10 DBA-Österreich, sondern z.B. Art. 7 DBA-Österreich zur Anwendung. In der Sache entspricht dies auch der deutschen Sichtweise, da ein atypisch stiller Gesellschafter mitunternehmerische Einkünfte und nicht solche aus Kapitalvermögen bezieht. Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 397 Satz 2 DBA-Österreich erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch österreichische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich.1 § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.2 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Österreich als Wohnsitzstaat. Österreich als Wohnsitzstaat vermeidet eine Dop- 398 pelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Österreich durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBA-Österreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Österreich ansässige Gesellschaft von einer in den Deutschland ansässigen Gesellschaft gezahlt werden und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Ein Mindestbeteiligungserfordernis ist nicht vorgesehen (vgl. näher Art. 23 DBA-Österreich, Art. 23A/B Rz. 179). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 399 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Österreich durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Österreich durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in den Österreich ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind (vgl. näher Art. 23 DBA-Österreich, Art. 23A/B Rz. 180 ff.).
XII. Russland 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 1 DBA-Russland entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
400
Art. 10 Abs. 2 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 DBA-Russland entspricht im 401 Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt und der Kapitalanteil beträgt mindestens 160 000 DM oder den entsprechen-
1 Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich, Rz. 23 ff. 2 Schuch/Haslinger in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Österreich, Rz. 25 f.; zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.
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Art. 10 Rz. 401–407
Dividenden
den Betrag in Rubel. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Russland entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. 402
Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Russland entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“.
403
Art. 10 Abs. 4 DBA-Russland. Art. 10 Abs. 4 DBA-Russland entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt, enthält aber noch den Verweis auf Art. 14 DBA-Russland.
404
Art. 10 Abs. 5 DBA-Russland. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Russland entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber auch hier noch den für Einkünfte aus selbständiger Arbeit wesentlichen Verweis auf eine „feste Einrichtung“.
405
Protokoll. Nr. 4 des Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen und auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland auch auf Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter. Nr. 5 des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen
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Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Russland mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten größer.
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Mindestkapital von 160 000 DM. Zusätzlich ist allerdings erforderlich, dass der Kapitalanteil mindestens 160 000 DM oder den entsprechenden Wert in Rubel beträgt. Die Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. In der Verständigungsvereinbarung v. 18.10.20011 haben sich die Vertragsparteien darauf verständigt, dass der Betrag ab dem 1.1.2002 insgesamt EUR 81 806,70 EUR betragen soll. In den Verständigungsgesprächen ist auch die Frage diskutiert worden, ob das nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a DBA-Russland erforderliche Mindestkapital nur im Zeitpunkt der Investition oder jährlich im Zeitpunkt der Ausschüttung von Dividenden erfüllt sein muss. Mit Blick auf die Zielrichtung dieser Bestimmung hat man sich bindend darauf verständigt, dass die Erfüllung der Mindestbeteiligung im Zeitpunkt der Investition ausreichend ist. Damit soll allerdings nach teilweise vertretener Auffassung im Schrifttum noch nicht die Frage beantwortet sein, ob das „Nennkapital“ oder der „gemeine Wert“ der Beteiligung maßgeblich ist.2 Wortlaut und Systematik von Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-Russland sprechen dafür, dass das „Nennkapital“ gemeint ist. Denn es würde etwas merkwürdig anmuten, für das Mindestbeteiligungserfordernis von 10 % den Begriff des Kapitals als im gesellschaftsrechtlichen Sinne als Nennkapital zu verstehen (vgl. Rz. 91 ff.), dem für das Mindestkapitalanteil maßgeblichen Begriff des „Kapitalanteils“ aber nicht im gesellschaftsrechtlichen, sondern in einem verkehrswertorientierten Sinne zu verstehen. Hinzu kommt aus teleologischer Sicht, dass die Regelung auf Wunsch Russlands aufgenommen worden ist, weil die Mindestkapitalanforderungen an russische Kapitalgesellschaften nach dem russischen Gesellschaftsrecht sehr gering3 sein sollen. Insoweit erscheint die ganze Diskussion nur 1 BStBl. I 2001, 777. 2 Zur Diskussion vgl. Wagner in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Russland, Rz. 12; Kramer, IStR 2003, 161. 3 Wagner in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Russland, Rz. 10.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 407–411 Art. 10
wenig nachvollziehbar. Allerdings muss man auch sehen, dass die Verständigungsvereinbarung eigentlich nur richtig Sinn macht, wenn man auf einen (veränderbaren) Marktwert abhebt, weil durch die Vereinbarung vermutlich ein ständiges Bewerten der Anteile verhindert werden sollte. Es wäre zumindest merkwürdig, wenn beim Abstellen auf das Nennkapital nur der Zeitpunkt der Investition maßgeblich sein soll, weil dann im Falle einer nachfolgenden Kapitalherabsetzung die Voraussetzungen des Schachtelprivileges bestehen blieben. Insoweit ist man wohl gut beraten, beide Voraussetzungen im Zeitpunkt der Investition zu erfüllen. Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividenden- 408 definition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBARussland mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECDMA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Russland entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.). Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen. Nr. 4 des 409 Schlussprotokolls erweitert den Dividendenbegriff auf Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nicht nur deutsche Investmentvermögen erfasst, sondern auch russische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1 Einkünfte aus stiller Beteiligung. Nr. 4 des Schlussprotokolls erweitert den Divi- 410 dendenbegriff „auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland“ ferner auf Einkünfte aus stillen Beteiligungen. Dies hat zur Folge, dass Deutschland als Quellenstaat auf Einkünfte aus typisch stiller Beteiligung eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben darf. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Russland nur dann der Fall ist, wenn die stille Beteiligung an einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Russland gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBARussland herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20082 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180). 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Russland als Wohnsitzstaat. Russland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppel- 411 besteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 1 DBA-Russland durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Steuerbetrag, der von diesen Einkünften gemäß den Gesetzen und Vorschriften der Russischen Föderation ermittelt wird, nicht übersteigen. 1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793.
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Art. 10 Rz. 412–419 412
Dividenden
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a DBA-Russland durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Russland durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Russland ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 23 Abs. 2 Buchst. c DBA-Russland unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Russland ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht. Der Verweis auf § 8 AStG dürfte wohl jedenfalls insoweit ein statischer sein, als es § 8 Abs. 2 AStG anbelangt, weil das dort geregelte Privileg für Landes- und Funktionsholdings längst aufgehoben worden ist. Anderenfalls sind Dividenden stets passiv, weil der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fehlt (vgl. näher Art. 23 DBA-Russland, Art. 23A/B Rz. 187 ff.).1 Das Schachtelprivileg kann auch in Fällen eines Qualifikationskonfliktes versagt sein (Art. 23 Abs. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-Russland).
XIII. Schweiz 1. Abweichungen zum OECD-MA 413
Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
414
Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz weicht in wesentlichen Punkten vom OECD-MA ab. Zunächst wird das Konzept des Nutzungsberechtigten zumindest sprachlich nicht umgesetzt. Ferner enthält Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBASchweiz eine Quellensteuerbegrenzung von 5 % für Grenzkraftwerke am Rhein vor. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz begrenzt die Quellensteuer für bestimmte (hybride) Finanzierungsformen auf 30 %. Art. 10 Abs. 2 Buchst. c DBA-Schweiz entspricht demgegenüber der allgemeinen Quellensteuerbegrenzung auf 15 % des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. b OECD-MA.
415
Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz. In Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz ist ein Quellenbesteuerungsverbot für Schachteldividenden niedergelegt, welches über kein Pendant im OECD-MA verfügt. Zugleich werden Dividenden von bestimmten deutschen Investmentgesellschaften vom Schachtelprivileg ausdrücklich ausgenommen.
416
Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und der Dividendenbegriff wird abweichend vom OECD-MA auf Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutschen Rechts, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen sowie der Ausschüttungen auf die Anteilscheine von Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds).
417
Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz. Art. 10 Abs. 5 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt.
418
Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz. Auch Art. 10 Abs. 6 DBA-Schweiz entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung.
419
Protokoll. Nr. 1 Buchst. a des Schlussprotokolls enthält eine Regelung zur verfahrensrechtlichen Umsetzung des Schachtelprivileges. Nr. 1 Buchst. b des Schlussprotokolls stellt klar, dass auch die über eine Personengesellschaft gehaltene Beteiligung
1 So aber wohl Wagner in Wassermeyer, Art. 23 DBA-Russland Rz. 6.
934
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 419–423 Art. 10
eine „unmittelbare“ Beteiligung i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz sein kann. Nr. 1 Buchst. c des Schlussprotokolls bestimmt, dass die Mindestbehaltedauer auch erst nach der Ausschüttung der Dividenden erfüllt sein kann. 2. Konsequenzen Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz: Grenzkraftwerke. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a 420 DBA-Schweiz begrenzt das Quellenbesteuerungsrecht auf 5 % des Bruttobetrags der Dividenden, wenn diese von einer Gesellschaft gezahlt werden, die ein Kraftwerk zur Ausnutzung der Wasserkraft des Rheinstromes zwischen dem Bodensee und Basel betreibt (Grenzkraftwerk am Rhein). Die Dividenden müssen nach dem Wortlaut nicht aus Einkünften aus dem Betrieb eines Grenzkraftwerkes stammen; es genügt vielmehr, dass die die Dividenden zahlende Gesellschaft ein solches Kraftwerk betreibt. Ist die Beteiligung an einer solchen Gesellschaft im Übrigen eine Schachtelbeteiligung i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz, dann kann auch das weitergehende Quellenbesteuerungsverbot in Anspruch genommen werden.1 Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz: hybride Finanzierungsformen. Art. 10 421 Abs. 2 Buchst. b DBA-Schweiz begrenzt das Quellenbesteuerungsrecht auf relativ hohe 30 %, wenn es sich um Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutscher Rechts, aus Genussrechten, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen handelt und wenn diese Beträge bei der Gewinnermittlung des Schuldners abzugsfähig sind. Aus deutscher Sicht dürfte die Regelung gegenwärtig keine praktische Relevanz haben, da nach innerstaatlichem Recht (wenn überhaupt) eine Kapitalertragsteuer von 25 % zzgl. SolZ erhoben wird. Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz: Quellenbesteuerungsverbot. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 422 DBA-Schweiz verbietet schließlich vollständig eine Quellenbesteuerung, wenn der Empfänger der Dividenden eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, die während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens 12 Monaten unmittelbar über mindestens 10 v.H. des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft verfügt. Bzgl. des Mindestbeteiligungsumfanges entspricht dies nunmehr (im DBA-Schweiz 2001 noch 20 %) dem in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a OECDMA enthaltenen Schachtelprivileg. Der Mindestbeteiligungszeitraum geht aber über die Vorgaben des OECD-MA hinaus, der dies für das Schachtelprivileg nicht kennt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf Nr. 1 Buchst. c des Schlussprotokolls, wonach die Voraussetzung der Mindestdauer der Beteiligung gem. Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz auch dann erfüllt ist, wenn der Beteiligungszeitraum erst nach dem Zeitpunkt der Zahlung der Dividenden vollendet wird. Zudem wird in Nr. 1 Buchst. b des Schlussprotokolls klarstellend festgehalten, dass das Halten von Anteilen an einer Gesellschaft über eine Personengesellschaft der Anwendung von Artikel 10 Abs. 3 DBA-Schweiz nicht entgegensteht. Hinzuweisen ist auch auf Art. 15 Abs. 1 ZBstA, welches ebenso wie Art. 10 Abs. 3 DBA-Schweiz ein Quellensteuerverbot für zwischengesellschaftliche Dividenden vorsieht, allerdings von einer Mindestbehaltedauer von zwei Jahren und einem Mindestbeteiligungsumfang von 25 % abhängig macht. Deutschland hat daher auch Art. 15 Abs. 1 ZBstA nicht in innerstaatliches Recht transformiert (vgl. Rz. 20). Nach Art. 10 Abs. 3 Satz 2 DBA-Schweiz ist im Fall von Dividenden, die von einer deutschen Immobilien-AG mit börsennotierten Anteilen (REIT-AG), einem deutschen Investmentfonds oder einer deutschen Investmentaktiengesellschaft gezahlt werden, nicht Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz, sondern Art. 10 Abs. 2 Buchst. c DBA-Schweiz (15 %) anzuwenden. Erweiterung des Dividendenbegriffs auf hybride Finanzierungsformen. Art. 10 423 Abs. 4 DBA-Schweiz erweitert den Dividendenbegriff auf hybride Finanzierungsformen. Danach umfasst der Ausdruck „Dividenden“ auch Einnahmen aus Beteiligungen an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter im Sinne des deutschen
1 Zwosta in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 50.
Schönfeld
935
Art. 10 Rz. 423–425
Dividenden
Rechts, aus Gewinnobligationen oder aus partiarischen Darlehen.1 Dies hat zur Folge, dass sowohl Deutschland als auch die Schweiz als Quellenstaaten auf Einkünfte aus derartigen Finanzierungsformen eine Quellensteuer von maximal 15 % erheben dürfen. Nach hier vertretener Auffassung spricht einiges dafür, dass dies aber auf Grundlage von Art. 10 Abs. 2 DBA-Schweiz nur dann der Fall ist, wenn die Finanzierungsform zu einer „Gesellschaft“ im abkommensrechtlichen Sinne besteht, mithin regelmäßig nur an einer Kapitalgesellschaft (vgl. dazu Rz. 39 und 180). Selbst dann erscheint aber fraglich, ob auch das Schachtelprivileg des Art. 10 Abs. 3 Satz 1 DBASchweiz gewährt wird, weil es an einer Beteiligung am Kapital fehlen dürfte. Deutschland als Wohnsitzstaat ist an diese Dividendendefinition zwar grds. gebunden, so dass sich das deutsche Besteuerungsrecht aus Art. 10 Abs. 1 DBA-Schweiz herleitet, jedoch können nach der Entscheidung des BFH v. 4.6.20082 gewisse Zweifel bestehen, ob dies auch auf das im Methodenartikel des Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweiz enthaltene Schachtelprivileg durschlägt (vgl. Rz. 39 und 180). 424
Ausschüttungen auf Anteilsscheine von Kapitalanlagegesellschaften. Art. 10 Abs. 4 DBA-Schweiz erweitert den Dividendenbegriff ferner auf Ausschüttungen Ausschüttungen auf die Anteilscheine von Kapitalanlagegesellschaften (Investmentfonds). Das Abstellen auf den Begriff „Kapitalanlagegesellschaften“ dürfte aus deutscher Sicht der Zeit des DBA geschuldet sein, bei der das KAGG noch in Kraft war. Nach § 1 Abs. 1 KAGG sind Kapitalanlagegesellschaften Kreditinstitute, deren Geschäftsbereich darauf gerichtet ist, bei ihnen eingelegtes Geld im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Einleger (Anteilinhaber) nach dem Grundsatz der Risikomischung in den nach diesem Gesetz zugelassenen Vermögensgegenständen gesondert vom eigenen Vermögen in Form von Geldmarkt-, Wertpapier-, Beteiligungs-, Investmentfondsanteil-, Grundstücks-, Gemischten Wertpapier- und Grundstücks- oder Altersvorsorge-Sondervermögen anzulegen und über die hieraus sich ergebenden Rechte der Anteilinhaber Urkunden (Anteilscheine) auszustellen. Heute wird man mit Blick auf das das KAGG ablösende InvG – wie in anderen neuen DBA – eher von Investmentvermögen sprechen. Für die Frage, was ein Investmentvermögen ist, sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.3 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung
425
Schweiz als Wohnsitzstaat. Die Schweiz als Wohnsitzstaat gewährt verschiedene Entlastungsmöglichkeiten, nämlich bestehend (a) in der Anrechnung der nach Art. 10 DBA-Schweiz in Deutschland erhobenen Steuer auf die vom Einkommen des Dividendenempfängers geschuldete schweizerische Steuer, wobei der anzurechnende Betrag jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten schweizerischen Steuer nicht übersteigen darf, der auf die Dividenden entfällt, oder (b) in einer pauschalen Ermäßigung der schweizerischen Steuer oder (c) in einer vollen oder teilweisen Befreiung der Dividenden von der schweizerischen Steuer, mindestens aber im Abzug der in Deutschland erhobenen Steuer vom Bruttobetrag der Dividenden. Die Entlastung besteht im Abzug der in Deutschland erhobenen Steuer vom Bruttoertrag der Dividenden, wenn der in der Schweiz ansässige Empfänger die in Art. 10 DBASchweiz vorgesehene Begrenzung der deutschen Steuer von den Dividenden nicht beanspruchen kann.
1 Vgl. näher Zwosta in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Schweiz, Rz. 82 ff. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793. 3 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.
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Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 426–433 Art. 10
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 426 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 24 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweiz durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 24 Abs. 2 DBA-Schweiz durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in der Schweiz ansässigen Gesellschaft gezahlt werden und die deutsche Gesellschaft über mindestens 20 % des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft verfügt. Das Schachtelprivileg steht ferner unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Kanada ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten oder aus unter § 8 Abs. 2 AStG fallenden Beteiligungen bezieht. Der Verweis auf § 8 Abs. 2 AStG ist nach der ausdrücklichen Regelung im DBA ein statischer, wobei die am 1.1.1990 geltende Fassung des AStG maßgeblich ist. Die statische Anwendung ist auch deshalb erforderlich, weil das in § 8 Abs. 2 AStG geregelte Privileg für Landesund Funktionsholdings längst aufgehoben worden ist. Anderenfalls wären Dividenden stets passiv, weil der Verweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG fehlt (vgl. näher Art. 24 DBA-Schweiz, Art. 23A/B Rz. 194 ff.).
XIV. Spanien 1. Abweichungen zum OECD-MA Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 2011. Art. 10 Abs. 1 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD-MA.
427
Art. 10 Abs. 2 DBA-Spanien 2011. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a und b 428 DBA-Spanien 2011 entspricht im Wesentlichen Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA. Lediglich der in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA- Spanien geregelte Ausschluss von REIT-Gesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Zudem wird abweichend vom OECD-MA das Schachtelprivileg bereits ab einer Beteiligung am Kapital von 10 % gewährt. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-Spanien 2011 entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien 2011. Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 entspricht in- 429 haltlich im Wesentlichen der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA. Anstelle von „Genussaktien“ wird lediglich von „Genussrechten“ gesprochen und die Aufnahme von „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen“ verfügt über kein Pendant im OECD-MA. Die dritte Fallgruppe verzichtet schließlich darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen „sonstige Einkünfte“. Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 2011. Art. 10 Abs. 4 DBA-Spanien 2011 entspricht dem 430 in Art. 10 Abs. 4 OECD-MA enthaltenen Betriebsstättenvorbehalt. Art. 10 Abs. 5 DBA-Spanien 2011. Auch Art. 10 Abs. 5 DBA-Spanien 2011 ent- 431 spricht dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung. Protokoll. Nr. V des Schlussprotokolls räumt dem Quellenstaat ein uneinge- 432 schränktes Besteuerungsrecht für Dividenden (und Zinsen) aus Forderungen mit Gewinnbeteiligung ein, wenn diese Einkünfte bei der Gewinnermittlung des Schuldners abgezogen werden können. 2. Konsequenzen Ausschluss von REIT-Gesellschaften als Nutzungsberechtigte. Der Ausschluss 433 von REIT-Gesellschaften aus dem Kreis der Nutzungsberechtigten im Rahmen des Schachtelprivileges hat zunächst zur Folge, dass REIT-Gesellschaften die Quellensteuerherabsetzung auf 5 % grds. nicht beanspruchen können. Was unter dem Begriff der REIT-Gesellschaft zu verstehen ist, wird im DBA nicht definiert. Daher ist auf das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates zurückzugreifen. Für Deutschland Schönfeld
937
Art. 10 Rz. 433–437
Dividenden
als Anwenderstaat ergibt sich die Definition aus § 1 REITG. Danach ist eine REITGesellschaften eine Aktiengesellschaften, deren Unternehmensgegenstand sich darauf beschränkt, (1.) Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte an (a) inländischem unbeweglichen Vermögen mit Ausnahme von Bestandsmietwohnimmobilien, (b) ausländischem unbeweglichen Vermögen, soweit dies im Belegenheitsstaat im Eigentum einer REIT-Körperschaft, -Personenvereinigung oder -Vermögensmasse oder einer einem REIT vergleichbaren Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stehen darf und (c) anderen Vermögensgegenständen im Sinne des § 3 Abs. 7 REITG zu erwerben, zu halten, im Rahmen der Vermietung, der Verpachtung und des Leasings einschließlich notwendiger immobiliennaher Hilfstätigkeiten zu verwalten und zu veräußern, (2.) Anteile an Immobilienpersonengesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, (3.) Anteile an REIT-Dienstleistungsgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, (4.) Anteile an Auslandsobjektgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern sowie (5.) Anteile an Kapitalgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, die persönlich haftende Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 REITG und an dieser vermögensmäßig nicht beteiligt sind. 434
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Anders als das Schachtelprivileg des OECD-MA, welches eine Beteiligung am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft von mindestens 25 % verlangt, begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. a DBA-Spanien 2011 mit einer Kapitalbeteiligung von 10 %. Damit wird der Kreis der Anspruchsberechtigten zwar größer, aufgrund der für zwischengesellschaftliche Beteiligungserträge geltenden Mutter-Tochter-RL dürfte die praktische Relevanz aber eher gering sein.
435
Verzicht auf „sonstige Gesellschaftsanteile“. Die dritte Fallgruppe der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 verlangt nicht, dass die nach dem Steuerrecht des Quellenstaates als Dividenden zu qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ stammen müssen. Vielmehr begnügt sich Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 mit „sonstigen Einkünften“. Insoweit besteht eine Abweichung zum OECD-MA, die darauf hindeuten könnte, dass das (inhaltlich umstrittene) Erfordernis eines Gesellschaftsanteils innerhalb der dritten Fallgruppe von Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 entbehrlich ist (vgl. zum Begriff des Gesellschaftsanteils Rz. 126 ff.).
436
Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 3 DBA-Spanien 2011 enthält faktisch eine 4. Fallgruppe, indem auch Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem deutschen Investmentvermögen als Dividenden qualifizieren sollen. Anders als in anderen (neueren) deutschen DBA sind nur deutsche Investmentvermögen erfasst, nicht aber auch spanische Investmentvermögen. Was ein Investmentvermögen ist, wird weder im DBA noch im Schlussprotokoll definiert. Für die Beantwortung dieser Frage sind für Deutschland als Quellenstaat die Maßstäbe des innerstaatlichen (Investment-)Rechts maßgeblich. § 1 Abs. 2 InvG definiert ein Investmentvermögen als Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind. Was „Ausschüttungen“ sind, dürfte unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Quellenstaates zu entscheiden sein. Für Deutschland als Quellenstaat werden damit z.B. auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst.1
437
Uneingeschränktes Besteuerungsrecht bei Abzugsfähigkeit der Einkünfte. Nr. V des Schlussprotokolls lässt das uneingeschränkte Besteuerungsrecht des Quellenstaates abweichend von Art. 10 Abs. 2 DBA-Spanien 2011 für Dividenden (und Zinsen) wieder aufleben, wenn diese (a) auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung (einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung oder
1 Zur vergleichbaren Regelung in Art. 10 Abs. 3 DBA-Großbritannien ebenso Bahns in Wassermeyer, Art. 10 DBA-Großbritannien, Rz. 73; Häuselmann, Ubg 2010, 347, 351, dort auch näher zur praktischen Bedeutung der Regelung.
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Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 437–443 Art. 10
aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen) beruhen und (b) bei der Gewinnermittlung des Schuldners der Dividenden (oder Zinsen) abzugsfähig sind. In diesem Fall können Deutschland und Spanien derartige Bezüge als Quellenstaaten uneingeschränkt besteuern. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung Spanien als Wohnsitzstaat. Spanien als Wohnsitzstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a DBA-Spanien 2011 durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus Deutschland bezogenen Einkünfte entfällt.
438
Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 439 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. a DBA-Spanien 2011 durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DBA-Spanien 2011 durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft (jedoch nicht an eine Personengesellschaft) von einer in Spanien ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren Kapital zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehört, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg steht ferner gem. Art. 22 Abs. 1 Buchst. c DBA-Spanien 2011 unter einem Aktivitätsvorbehalt. Danach muss die deutsche Gesellschaft nachweisen, dass die in Spanien ansässige Gesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Ausschüttung vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. e DBA-Spanien 2011 in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 22 DBA-Spanien 2011, Art. 23A/B Rz. 199 ff.).
XV. USA 1. Abweichungen zum OECD-MA Allgemeines. Art. 10 DBA-USA in der Fassung des Änderungsprotokolles 2006 ge- 440 hört wohl zu den komplexesten Dividendenartikeln in deutschen DBA. Aus Sicht der Praxis dürfte es sich auch um eine Kernvorschrift des neuen DBA-USA 2006 handeln. In weiten Teilen ist die Regelung zwar dem OECD-MA nachgebildet, bringt aber auch in wesentlichen Bereichen die Besonderheiten der US-amerikanischen Abkommenspolitik zum Ausdruck. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA entspricht Art. 10 Abs. 1 OECD- 441 MA. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA ist in seinem Aufbau der paralle- 442 len Regelung im OECD-MA weitgehend nachgebildet. Allerdings verlangt Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 DBA-USA, dass „die Dividenden von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person als Nutzungsberechtigtem bezogen werden“, während sich das OECD-MA damit begnügt, dass „der Nutzungsberechtigte der Dividenden eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist“. Ferner begnügt sich Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA mit einer Beteiligungsquote von 10 %, während das OECD-MA 25 % fordert. Auch Personengesellschaften werden – anders als im OECD-MA – nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen, was mit Blick auf Art. 1 Abs. 7 auch notwendig ist. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA wurde nicht ins DBA-USA übernommen. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 DBA-USA entspricht Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA enthält ein Quellenbesteue- 443 rungsverbot bei der Beteiligung von Pensionsfonds sowie bei sonstigen qualifizierten Beteiligungen (mind. 80 % Beteiligung; mind. 12 Monate). Die Norm ist durch ihr Zusammenwirken mit Teilen des Art. 28 DBA-USA äußerst komplex und nur schwer zu handhaben. Schönfeld
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Art. 10 Rz. 444–453
Dividenden
444
Art. 10 Abs. 4 DBA-USA. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA enthält eine Sonderreglung für bestimmte Investmentgebilde (US-REITs, US-RICs).
445
Art. 10 Abs. 5 DBA-USA. Die Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DBAUSA entspricht weitgehend Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, wobei die vom DBA-USA vorgenommene Einbeziehung von Einkünften aus „sonstigen Rechten“ weiter als die Formulierung des OECD-MA „aus sonstigen Gesellschaftsanteilen“ ist. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-USA erweitert den Dividendenbegriff für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte aus einer stillen Gesellschaft, aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen.
446
Art. 10 Abs. 6 DBA-USA. Die Regelung in Art. 10 Abs. 6 DBA-USA ist ohne Pendant im OECD-MA und soll für eine angemessen Besteuerung hybrider Finanzierungsformen (Abzugsfähigkeit der Dividende) sorgen.
447
Art. 10 Abs. 7 DBA-USA. Der Betriebsstättenvorbehalt des Art. 10 Abs. 7 DBA-USA unterscheidet sich vom OECD-MA zum einen dadurch, dass anstelle eine „Geschäftstätigkeit“ eine „gewerbliche Tätigkeit“ verlangt wird und zum anderen die Beteiligung nicht „tatsächlich zu dieser Betriebsstätte gehören“, sondern „Betriebsvermögen dieser Betriebsstätte“ sein muss.
448
Art. 10 Abs. 8 DBA-USA. Auch Art. 10 Abs. 8 DBA-USA entspricht im Ergebnis dem in Art. 10 Abs. 5 OECD-MA enthaltenen Verbot der extraterritorialen Besteuerung, enthält aber u.a. einen Vorbehalt zugunsten der in Art. 10 Abs. 9 DBA-USA geregelten Branch Profits Tax.
449
Art. 10 Abs. 9 und 10 DBA-USA. Die Regelungen in Art. 10 Abs. 9 und 10 DBA-USA sind wiederum eine Besonderheit des DBA-USA und öffnen das Abkommen für die in den USA erhobene Branch Profits Tax.
450
Art. 10 Abs. 11 DBA-USA. Neu aufgenommen wurde in Art. 10 Abs. 11 DBA-USA schließlich die insbesondere für Art. 10 Abs. 3 DBA-USA wesentliche Definition des Begriffes des Pensionsfonds.
451
Protokoll. Nr. 8 des Schlussprotokolls regelt für Zwecke des Art. 10 Abs. 3 DBAUSA, dass dann, wenn Deutschland eine Regelung einführt, nach der Grundstücksgesellschaften (Real Estate Investment Companies) von der Besteuerung freigestellt sind, Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA auf Ausschüttungen einer solchen in Deutschland ansässigen Gesellschaft keine Anwendung findet. Im Fall Deutschlands soll Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA ferner auf die Person anzuwenden sein, die nach § 39 AO als Eigentümer des Vermögens des Pensionsfonds gilt, sofern die Dividenden ausschließlich zur Gewährung von Ruhegehältern durch einen solchen Fonds genutzt werden können. Nr. 9 des Schlussprotokolls regelt für Zwecke des Art. 10 Abs. 9 DBAUSA, dass das tragende Prinzip des „ausschüttungsgleichen Betrages“ nach dem Recht der Vereinigten Staaten darin besteht, den Teil der in Art. 10 Abs. 9 DBA-USA genannten Einkünfte darzustellen, der dem Betrag vergleichbar ist, der als Dividende ausgeschüttet würde, wenn eine inländische Tochtergesellschaft diese Einkünfte erzielt hätte. 2. Konsequenzen a) Art. 10 Absatz 1 DBA-USA
452
Keine. Aufgrund fehlender Abweichungen zu Art. 10 Abs. 1 OECD-MA ergeben sich keine Konsequenzen.1 b) Art. 10 Absatz 2 DBA-USA
453
Begrenztes Besteuerungsrecht des Quellenstaates. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA räumt dem Quellenstaat ein der Höhe nach begrenztes Besteuerungsrecht ein. Die Rege1 Wegen der Einzelheiten vgl. ausführlich Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 56 ff.; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 23 ff.
940
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 453–455 Art. 10
lung vermittelt dem Dividendenempfänger einen Rechtsanspruch gegen den Quellenstaat, die erhobene Quellensteuer auf die in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a und b bezeichneten Höchstgrenzen abzusenken („die Steuer darf … nicht übersteigen“).1 Deutschland als Quellenstaat setzt diesen Anspruch um, indem die über den jeweiligen Höchstsatz erhobene Kapitalertragsteuer auf fristgebundenen Antrag hin gem. Art. 29 Abs. 2 DBA-USA i.V.m. § 50d Abs. 1 EStG erstattet wird. Für Schachteldividenden (unmittelbare Beteiligung von 10 %) sieht § 50d Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbs. EStG die darüber hinausgehende Möglichkeit vor, von einem Kapitalertragsteuereinbehalt (ggf. auch teilweise) abzusehen. Im Gegensatz zu Deutschland erheben die USA als Quellenstaat unter den Voraussetzungen von sec. 1.441–6 Treasury Regulations von vornherein nur Quellensteuern zum maßgebenden Abkommenssatz.2 Der Anspruch auf Begrenzung der Quellensteuern ist wie im OECD-MA grds. nicht von einer angemessenen Besteuerung im Ansässigkeitsstaat abhängig. Die zum DBA 1989 hiergegen gerichtete Auffassung der USA3 hat im DBA 2006 nur im Rahmen der „triangular provision“ des Art. 28 Abs. 5 DBA-USA einen ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Anspruchsberechtigte Person. Der Anspruch steht derjenigen Person zu, die die 454 Dividenden als Nutzungsberechtigte bezieht. Anders als im OECD-MA war der Begriff des Nutzungsberechtigten in Nr. 10 des Protokolles zum DBA 1989 legaldefiniert. Danach galt derjenige als Nutzungsberechtigter, dem die Einkünfte nach dem Recht des Quellenstaates steuerlich zuzurechnen sind.4 Art. XVI des Protokolles v. 1.6.2006 hat die Regelung indes aufgehoben. Dies war notwendig, weil sich nach Art. 1 Abs. 7 DBA-USA (neu angefügt durch Protokoll v. 1.6.2006) für den Bezug von Einkünften durch oder über ein steuerlich transparentes Gebilde die Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat des Gebildes durchsetzen soll, soweit dieser Staat nach seinem Steuerrecht die Einkünfte den hinter dem Gebilde stehenden Personen zurechnet.5 Man wird deshalb für die Bestimmung des Nutzungsberechtigten einerseits zu berücksichtigen haben, dass es dem Begriff darum geht, eine missbräuchliche Inanspruchnahme des DBA durch die Zwischenschaltung eines in einem Vertragsstaat ansässigen lediglich formal Berechtigten zu vermeiden. Dann muss aber die Ansässigkeit derjenigen Person entscheidend sein, der die Dividenden wirtschaftlich zustehen (z.B. Treugeber, Nießbraucher etc.).6 Andererseits wird man bei der Zwischenschaltung eines steuerlich transparenten Gebildes, insbes. bei Personengesellschaften, wegen Art. 1 Abs. 7 DBA zu beachten haben, dass insoweit die Qualifikation durch den Ansässigkeitsstaat des Gebildes maßgeblich sein kann. Beispiel: Anteile an einer US-Corp. gehören zum Gesamthandsvermögen einer deutschen oHG, die nach US-Recht nach den check-the-box-rules auf Besteuerung als Corp. optiert hat. An der oHG sind eine in Deutschland ansässige AG und die natürliche Person D beteiligt. Wer ist „Nutzungsberechtigter“? – Aus Sicht des Quellenstaates USA handelt es sich bei der oHG eigentlich um eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA, weil sie nach US-Steuerrecht wie eine juristische Person besteuert wird. Nach deutschem Recht ist die oHG aber nicht steuerpflichtig (und deshalb auch nicht im anderen Staat ansässig, vgl. Art. 4 Abs. 1 DBA-USA). Das deutsche Steuerrecht rechnet den Gesellschaftern der oHG die Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu. Daher gelten die Dividenden nach Art. 1 Abs. 7 DBA-USA als von den Gesellschaftern der oHG erzielt. Diese sind die Nutzungsberechtigten der Dividenden.
Limitation on Benefits. Zur Vermeidung von DBA-Missbräuchen steht dem Nut- 455 zungsberechtigten der Anspruch auf Quellensteuerherabsetzung nach Art. 10 Abs. 2
1 2 3 4
BFH v. 24.3.1992 – VIII R 51/89, BStBl. II 1992, 941. Ausführlich dazu Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 56. Vgl. West, TNI 1996, 987, 1004 ff. Zur Quellensteuerrichtlinie des IRS für Ausschüttungen von US-Gesellschaften vgl. Apelt, IStR 1997, 234. 5 Vgl. ausführlich dazu mit Beispielen z.B. Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 31 ff.; Schönfeld, IStR 2007, 279; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 61 ff. 6 Vgl. ausführlich Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 68 ff.; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 58 ff.
Schönfeld
941
Art. 10 Rz. 455–458
Dividenden
DBA-USA nur dann zu, wenn er eine „berechtigte Person“ i.S.v. Art. 28 Abs. 2 DBAUSA ist. Hierzu müssen die nachfolgenden Tests alternativ erfüllt sein:
Beteiligungsvoraussetzung
Quellensteuer 5 %
Quellensteuer 15 %
unmittelbare Beteiligung ≥ 10 %
keine
Die die Dividenden empfangende Person muss mindestens einen der nachfolgenden Tests (alternativ) erfüllen:
„Limitation on Benefits“ (Art. 28 DBA-USA)
1. publicly traded corporationtest 2. international headquarters test 3. ownership test 4. Gemeinnütziger Rechtsträger 5. Pensionsgesellschaft 6. a) indirect ownership test + b) base erosion test 7. a) derivative benefit test + b) base erosion test 8. active business test 9. „Gnadenklausel“
1. natürliche Person 2. Gebietskörperschaft 3. publicly traded corporation test 4. international headquarters test 5. ownership test 6. Gemeinnütziger Rechtsträger 7. Pensionsgesellschaft 8. a) indirect ownership test + b) base erosion test 9. a) derivative benefit test + b) base erosion test 10. active business test 11. „Gnadenklausel“
456
Verhältnis zu § 50d Abs. 3 EStG. Inwieweit neben Art. 28 DBA-USA auch § 50d Abs. 3 EStG angewendet werden kann, erscheint sehr fraglich. Bereits nach der allgemeinen Auslegungsregel „lex specialis derogat legi generali“ ist Art. 28 DBA-USA die gegenüber § 50d Abs. 3 EStG speziellere Vorschrift. Daher sollen entsprechende DBA-Vorschriften die innerstaatliche Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG verdrängen.1 Die Finanzverwaltung will dies zumindest in den Fällen bejahen, in denen „das einschlägige DBA eine abschließende Regelung enthält.“2 Wegen der extrem hohen Regelungsdichte von Art. 28 DBA-USA sollte dies zu bejahen sein.
457
Quellensteuerherabsetzung bei Schachteldividenden (Buchst. a). Die Quellensteuer ist auf 5 % des Bruttobetrages der Dividende begrenzt, wenn der Nutzungsberechtigte eine Gesellschaft ist, der unmittelbar mind. 10 % der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gehören. Der Begriff des Bruttobetrages entspricht dem des OECD-MA.3 Der Nutzungsberechtigte muss eine im anderen Staat ansässige Gesellschaft i.S.v. Artt. 3 Abs. 1 Buchst. e, 4 Abs. 1 DBA-USA sein.
458
Besonderheiten bei transparenten Dividendenempfängern. Das kann bei einem Bezug der Dividende über eine Personengesellschaft problematisch sein, wenn der Quellenstaat die Personengesellschaft als Gesellschaft i.S.v. Art. 4 Abs. 1 DBA-USA qualifiziert, der Ansässigkeitsstaat jedoch die Steuersubjektqualität verneint. In diesem Fall ist wegen Art. 1 Abs. 7 DBA-USA und der fehlenden Ansässigkeit der Personengesellschaft (Art. 4 Abs. 1 DBA-USA erklärt das Recht des potentiellen Ansässigkeitsstaates für maßgeblich) auf die hinter der Personengesellschaft stehenden
1 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG, Rz. 32. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3-S 2411/07/10016 (2011/1032913), BStBl. I 2012, 171, Rz. 10. 3 Vgl. zum Begriff Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 67.
942
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 458–460 Art. 10
Personen abzustellen.1 Soweit es sich dabei um im anderen Staat ansässige Gesellschaften handelt und der Quellenstaat trotz der Zwischenschaltung der Personengesellschaft eine unmittelbare Beteiligung bejaht,2 kann Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBAUSA eingreifen. Wird umgekehrt die die Dividenden empfangende Person nach dem Recht des Quellenstaates, nicht aber nach dem Rechts des potentiellen Ansässigkeitsstaates als Personengesellschaft qualifiziert (sondern als selbständiges Steuersubjekt) setzt sich wegen Art. 1 Abs. 7 DBA-USA die Qualifikation des Ansässigkeitsstaates durch. Beispiel 1: Anteile an einer US-Corp. gehören zum Gesamthandsvermögen einer deutschen oHG, die nach US-Recht nach den check-the-box-rules auf Besteuerung als Corp. optiert hat. An der oHG sind eine in Deutschland ansässige AG zu 80 % und die natürliche Person D zu 20 % beteiligt. Die USCorp. schüttet 100 an die oHG aus. In welchem Umfang wird die Dividende von einer Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen? – Die AG und die natürliche Person D sind gem. Art. 1 Abs. 7 DBA-USA die Nutzungsberechtigten. Lediglich bei der AG handelt es sich aber um eine in Deutschland ansässige Gesellschaft, weshalb nur i.H.v. 80 die Dividende durch eine Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen wird. Insoweit kommt die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA in Betracht. Beispiel 2: Anteile an einer US-Corp. werden von einer deutschen GmbH gehalten, die nach US-Recht nach den check-the-box-rules auf transparente Besteuerung optiert hat. An der GmbH sind eine in Deutschland ansässige AG zu 80 % und die natürliche Person D zu 20 % beteiligt. Die US-Corp. schüttet 100 an die GmbH aus. In welchem Umfang wird die Dividende von einer Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen? – Nach dem Steuerrecht der USA als Anwenderstaat (= Quellenstaat) schüttet die US-Corp. nur bezogen auf die an der (aus US-Sicht transparenten) GmbH beteiligte AG an eine Gesellschaft i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA aus. Art. 1 Abs. 7 DBAUSA zwingt die USA jedoch dazu, der Qualifikation durch Deutschland als Ansässigkeitsstaat der GmbH zu folgen.3 Folglich wird i.H.v. 100 (und nicht nur i.H.v. 80) eine Dividende durch eine Gesellschaft als Nutzungsberechtigte bezogen. Insoweit kommt die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA in Betracht.
Schachtelprivileg bereits ab 10 % Beteiligung. Abweichend vom OECD-MA ver- 459 langt Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA keine Mindestbeteiligung am Kapital i.H.v. 25 %, sondern eine solche von 10 % der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden zahlenden Gesellschaft. Was „stimmberechtigte Anteile“ sind, bestimmt sich nach dem jeweiligen nationalen Gesellschaftsrecht. Insbesondere ist die gesellschaftsrechtliche Einräumung von Mehrstimmrechten (nicht aber die Übertragung von Stimmrechten) zu berücksichtigen, weil der Telos von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBAUSA auf die Stimmberechtigung abstellt (der korrespondierende Abs. 3 spricht jetzt ausdrücklich von „Stimmrechten“).4 Unmittelbarkeitserfordernis. Die Voraussetzung des „unmittelbaren“ Verfügens 460 über die stimmberechtigten Anteile bestimmt sich gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA nach dem Recht des Quellenstaates (= Anwenderstaat) und ist insbes. bei einer Beteiligung über eine Personengesellschaft von Bedeutung. Die USA als Quellenstaat beurteilen dies als unschädlich. Das kommt auch in einem Ruling des IRS v. 6.3.2005 (No. 200522006) zum DBA-USA-UK zum Ausdruck, in welchem einer britischen Mutter mit Blick auf den Telos von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA-UK die Quellensteuerermäßigung gewährt wurde, obwohl sie über eine in einem Drittstaat ansässige Tochter, die nach den check-the-box-rules auf eine nach US-Steuerrecht transparen1 Vgl. Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 31 ff.; Schönfeld, IStR 2007, 279; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 61 ff. 2 Im Gegensatz zur deutschen Rechtslage bejaht die US-Finanzverwaltung eine unmittelbare Beteiligung bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft; vgl. dazu Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 83 f.; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 73 m.w.N.; dazu auch ein jüngstes Ruling des Internal Revenue Services v. 6.3.2005 zum DBA-USA-UK, No. 200522006; zu finden unter http://ftp.qai.irs.gov/pub/irs-wd/0522006.pdf. 3 Vgl. das Beispiel in der Denkschrift zu Art. 1 Abs. 7. 4 Ausführlich dazu Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 85; Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBAUSA, Rz. 72.
Schönfeld
943
Art. 10 Rz. 460–462
Dividenden
te Behandlung optierte, an einer US-Enkelin beteiligt war. Demgegenüber soll nach bisheriger deutscher Rechtsauffassung die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft eine unmittelbare Beteiligung zumindest dann verhindern, wenn sich die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft im Gesamthandsvermögen befindet. Das ist aus den in Rz. 96 wenig überzeugend. Man sollte mit Blick auf den Telos von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA überlegen, ob man die vom BFH und vom IRS angestellten Überlegungen nicht auf diese Regelung übertragen kann.1 Im Übrigen ist auf Art. 1 Abs. 7 DBA-USA hinzuweisen, dessen Anwendung zu einer autonomen abkommensrechtlichen Bestimmung der Frage der unmittelbaren Beteiligung führen kann.2 Darüber hinaus dürfte ein unmittelbare Beteiligung auch dann zu bejahen sein, wenn die transparente US-Gesellschaft (z.B. eine aus deutscher steuerlicher Sicht transparente LLC) nur über einen US-Gesellschafter (z.B. US-Corp.) verfügt; denn in diesem Fall handelt es sich bei dem transparenten Gebilde aus deutscher steuerlicher Sicht lediglich um eine US-Betriebsstätte des US-Gesellschafters.3 Beispiel 3: Wie Beispiel 1. – Aus US-Sicht liegt eigentlich schon keine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft vor, weil die oHG steuerlich als Corp. qualifiziert wird. Letztlich kann das jedoch dahinstehen, weil für US-steuerliche Zwecke selbst eine mittelbare Beteiligung über eine Personengesellschaft nicht schadet. Beispiel 4: Wie Beispiel 2. – Aus US-Sicht liegt zwar eine mittelbare Beteiligung über die transparente GmbH vor, die aber aus den dargelegten Gründen unschädlich ist. Beispiel 5: Anteile an einer AG gehören zum Gesamthandsvermögen einer US-Partnership. An der US-Partnership sind eine in den USA ansässige US-Corp. zu 80 % und die natürliche Person U zu 20 % beteiligt. Ist die US-Corp. für Zwecke des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA unmittelbar an der AG beteiligt? – Nach bisheriger deutscher Rechtsauffassung soll keine unmittelbare Beteiligung i.S.v. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA gegeben sein. Ob die Anwendung von Art. 1 Abs. 7 DBA-USA daran etwas ändert, ist noch nicht abschließend geklärt, wird aber in ersten Stellungnahmen so gesehen, weil danach die Dividenden „als von einer in einem Staat ansässigen Person erzielt“ gelten. Beispiel 6: Anteile an einer AG gehören zum Gesamthandsvermögen einer US-LLC, die aus deutscher steuerlicher Sicht nach dem Rechtstypenvergleich als „Personengesellschaft“ qualifiziert. Alleinige Gesellschafterin ist eine US-Corp. Ist die US-Corp. für Zwecke des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBAUSA unmittelbar an der AG beteiligt? – Die Frage ist zu bejahen. Zwar liegt auch hier – wie im Beispiel 5 – an sich eine aus deutscher Sicht schädliche „mittelbare“ Beteiligung vor. Nach dem BMF-Schr. v. 19.3.20044 zur Behandlung der Delaware-LLC ist die US-LLC bloße Betriebsstätte des einzigen Gesellschafters (US-Corp.). Die Beteiligung über eine Betriebsstätte ist jedoch keine „mittelbare“ Beteiligung. Insoweit auch Hinweis auf Diskussion um sog. „Betriebsstättenpersonengesellschaft“.5
461
Quellensteuerherabsetzung in sonstigen Fällen (Buchst. b). Werden die Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA nicht erfüllt, liegen aber die übrigen Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 erster Halbs. DBA-USA sowie von Art. 28 DBAUSA vor, dann ist die Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA auf 15 % begrenzt. c) Art. 10 Absatz 3 DBA-USA aa) Voraussetzungen (ohne LoB-Klausel)
462
Quellenbesteuerungsverbot. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA enthält mit dem Verbot der Quellenbesteuerung bei qualifizierten Beteiligungen von Gesellschaften (Buchst. a)
1 Vgl. Baumann, Tax Notes International 2006 (October 2), 49; Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBAUSA Rz. 83 f. 2 Vgl. Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 84. 3 Vgl. Beispiel 6, m.w.N.; dem Vernehmen nach wird diese Auffassung auch vom BZSt geteilt. 4 BStBl. I 2004, 411, Rz. IV. 5 Vgl. BFH v. 1.10.1992 – IV R 130/90, BStBl. II 1993, 574.
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Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 462–463 Art. 10
oder Pensionsfonds (Buchst. b) die entscheidende Aussage des neuen Dividendenartikels.1 Das entspricht auch der jüngsten US-Abkommenspraxis im Verhältnis zu entwickelten Industrienationen.2 Systematisch steht Art. 10 Abs. 3 DBA-USA dabei unabhängig neben Art. 10 Abs. 2 DBA-USA („ungeachtet des Absatzes 2“), so dass bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 DBA-USA als Rückfallposition eine Quellensteuerherabsetzung auf 5 % (Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA) oder auf 15 % (Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA) bleibt. Qualifizierte Beteiligungen von Gesellschaften (Buchst. a). Darüber hinaus ist für 463 Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA erforderlich, dass die die Dividenden empfangende Gesellschaft im Zeitpunkt des Entstehens des Dividendenanspruches seit einem Zeitraum von 12 Monaten unmittelbare Anteile i.H.v. mindestens 80 % der Stimmrechte an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft hält. Im Vergleich zu Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA bringt der Wortlaut dabei klar zum Ausdruck, dass es um die gesellschaftsrechtliche Stimmberechtigung geht. Die Wahl des Beteiligungsumfanges von 80 % dürfte auf den 80-percent voting test des § 1504 (2) (A) IRC zurückzuführen sein, der Voraussetzung für ein Besteuerung als „affiliated group“ (sog. „privilege to file consolidated return“) nach US-Steuerrecht ist. Wann eine unmittelbare Beteiligung vorliegt, insbes. bei Zwischenschaltung einer Personengesellschaft, ist in Rz. 460 mit zahlreichen Beispielen erläutert. Der für die 12-Monatsfrist enscheidende Zeitpunkt des Entstehens des Dividendenanspruches ist nicht im DBA geregelt; er bestimmt sich deshalb gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA grds. nach dem Gesellschaftsrecht des Anwenderstaates (= Quellenstaat). Aus deutscher Sicht entsteht der Dividendenanspruch bei einer offenen Ausschüttung mit Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses. Auf die Fälligkeit der Dividende soll es nicht ankommen.3 Mit Blick auf den Telos der Vorschrift, einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Art. 10 Abs. 3 DBA-USA durch kurzfristige Zwischenschaltung einer abkommensberechtigten Gesellschaft zu begegnen, kann man dies auch durchaus anders sehen. Nicht maßgeblich ist in jedem Fall aber die steuerliche Entstehung der Kapitalertragsteuer.4 Gleiches gilt für die Feststellung des Jahresabschlusses. Zu beachten ist auch, dass durch Satzung eine abweichende Regelung möglich ist (z.B. kein Gewinnverwendungsbeschluss erforderlich). Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung wird kein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst, so dass in Übertragung der Überlegungen zur offenen Gewinnausschüttung der Zeitpunkt der Entstehung des fälligen und durchsetzbaren Anspruches auf die der verdeckten Gewinnausschüttung zugrundeliegende Leistung maßgeblich sein sollte, spätestens aber der Zeitpunkt der Leistung. Aus US-Sicht ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Dividendenanspruch definitiv bestimmt wird (sog. „dividend record date“).5 Beispiel 1: Eine US-Corp. ist seit dem 1.5.2006 Alleingesellschafterin einer deutschen AG. Der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses wird am 15.4.2007 gefasst, der über die Ergebnisverwendung am 10.5.2007. – Weil nicht der Zeitpunkt der Entstehung des mitgliedschaftlichen Gewinnanspruches (15.4.2007) maßgeblich ist, sondern der des Dividendenzahlungsanspruches (10.5.2007) ist die 12-Monatsfrist erfüllt.
1 Dazu ausführlich mit zahlreichen Fallbeispielen Dannecker/Werder, BB 2006, 1716; Mundaca/ O’Connor/Eckhardt, Tax Notes International 2006 (July 3), 63; Swoboda/Dorfmueller, IStRLänderbericht, 13/06, 2 f.; Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 ff. 2 Vgl. Art. 10 Abs. 3 DBA USA-Australien i.d.F. des Prot. v. 27.9.2001; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Dänemark i.d.F. des Prot. v. 2.5.2006; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Finnland i.d.F. des Prot. v. 31.5.2006; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Japan i.d.F. des Prot. v. 6.11.2003; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Mexiko i.d.F. des Prot. v. 26.10.2002; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Niederlande i.d.F. des Prot. v. 8.3.2004; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USASchweden i.d.F. des Prot. v. 30.9.2005; Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-UK i.d.F. des Prot. v. 19.7.2002. 3 Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 97. 4 Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 87. 5 Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 87.
Schönfeld
945
Art. 10 Rz. 463–464
Dividenden
Beispiel 2: Wie Beispiel 1, nur ist die US-Corp. Alleingesellschafterin einer deutschen GmbH, in deren Satzung auf einen Ergebnisverwendungsbeschluss verzichtet worden ist. – Wegen des fehlenden Ergebnisverwendungsbeschlusses wird der Dividendenzahlungsanspruch mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig (15.4.2007), weshalb die 12-Monatsfrist nicht erfüllt ist. Beispiel 3: Eine US-Corp., die seit dem 1.5.2006 Alleingesellschafterin einer deutschen AG ist, vereinbart mit der AG ein unangemessen hoch verzinstes Darlehen. Die Zinsen sind nach dem Darlehensvertrag am 1.6.2007 fällig, werden aber a) am 1.7.2007 bzw. b) am 1.4.2007 gezahlt. – In der Fallvariante a) ist die 12-Monatsfrist wegen der Fälligkeit der Zinsen (anteil. vGA) nach dem 1.5.2007 erfüllt, in der Fallvariante b) wegen der Leistung vor dem 1.5.2007 nicht.
bb) Verweis auf bestimmte Teile der „Limitation on Benefits“-Klausel 464
Überblick. Zur Eindämmung von „Treaty-shopping“ schränkt Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA den Kreis der Anspruchsberechtigten ferner durch einen Verweis auf ausgewählte Regelungen der LoB-Klausel ein.1 Wegen der komplexen und sprachlich wenig geglückten LoB-Klausel kann dies die Rechtsanwendung wesentlich erschweren. Sie wirft auch in der Sache zahlreiche Auslegungsprobleme auf. Aufgrund des Verweises müssen alternativ die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA („publicly-traded corporation-/international headquarters test“) oder von Doppelbuchst. bb („ownership test“), von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 28 Abs. 4 DBA-USA („indirect ownership-/base erosion-/active business-test“), von Art. 28 Abs. 3 DBA-USA („derivative benefit-/base erosion test“) oder die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 7 DBA-USA („Gnadenklausel“) erfüllt sein. Die Unterschiede im Überblick:
Beteiligungsvoraussetzung
Quellensteuer 5 % (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA nF)
Quellensteuer 0 % (Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA nF)
Mindestbeteiligung i.H.v. 10 %
– Mindestbeteiligung i.H.v. 80 % – Beteiligung seit mind. 12 Monaten
Die die Dividenden empfangende Person muss mindestens einen der nachfolgen-den Tests (alternativ) erfüllen:
„Limitation on Benefits“ (Art. 28 DBA-USA nF)
1. publicly traded corporation test 2. international headquarters test 3. ownership test 4. Gemeinnütziger Rechtsträger 5. Pensionsgesellschaft 6. a) indirect ownership test + b) base erosion test 7. a) derivative benefit test + b) base erosion test 8. active business test 9. „Gnadenklausel“
1. publicly traded corporation test 2. international headquarters test 3. ownership test 4. a) indirect ownership test + b) base erosion test + c) active business test 5. a) derivative benefit test + b) base erosion test 6. „Gnadenklausel“
1 Dazu ausführlich mit zahlreichen Beispielen die Darstellung von Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1970 ff.
946
Schönfeld
Rz. 465–466 Art. 10
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten (1) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA
„Publicly-traded corporation test“ bzw. „international headquarters test“. Die Vo- 465 raussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA sind erfüllt, wenn die Hauptaktiengattung (und alle Vorzugsaktiengattungen) der nutzungsberechtigten Gesellschaft regelmäßig an einer oder mehreren anerkannten Börsen gehandelt wird, und entweder ihre Hauptaktiengattung hauptsächlich an einer in ihrem Ansässigkeitsstaat gelegenen Börse gehandelt wird („publicly-traded corporation test“)1 oder der hauptsächliche Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft sich in ihrem Ansässigkeitsstaat befindet („international headquarters test“).2 Beispiel 1:
D
Beispiel 2:
hauptsächlicher Handel an deutscher Börse
D
börsennotierte AG
börsennotierte AG
Dividende
Dividende
>80 %
>80 % Corp.
Corp. USA
hauptsächlicher Ort der GF in Deutschland
USA
Im Beispiel 1 ist der „publicly-traded corporation test“ und im Beispiel 2 der „international headquarters test“ aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 dargestellt. In welchem Umfang im Quellenstaat USA eine Quellensteuerherabsetzung gewährt wird, hängt von den weiteren Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Buchst. a DBA-USA ab, insbesondere vom Beteiligungsumfang.
Hauptsächlicher Handel der Hauptaktiengattung an anerkannter Börse. Was eine 466 anerkannte Börse ist, definiert Art. 28 Abs. 8 Buchst. a DBA-USA. Der Ausdruck „Hauptaktiengattung“ ist in Art. 28 Abs. 8 Buchst. b DBA-USA legaldefiniert und bezieht sich primär auf die Stammaktien der Gesellschaft, sofern sie die Mehrheit der Stimmrechte und des Wertes der Gesellschaft darstellen.3 Wann der Handel i.S.v. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa Großbuchst. A DBA-USA schließlich hauptsächlich an einer anerkannten Börse erfolgt, wird im DBA nicht definiert. Die Auslegung obliegt daher gem. Art. 3 Abs. 2 DBA-USA an sich dem Anwenderstaat. Aus dem systematischen Zusammenhang zum Begriff „hauptsächlich“ in Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA, der mit „größeren Teil (…) als in jedem anderen Staat“ legaldefiniert wird,4 könnte man jedoch eine abkommensrechtliche Auslegung dahingehend bejahen, dass der quantitativ überwiegende Handel im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft während des maßgeblich Besteuerungszeitraumes ausreicht. Die USA begnügen sich gleichwohl in den Technical Explanation damit, dass die jeweilige Aktiengattung in nennenswertem Umfang an mindestens 60 Tagen während eines Steuerjahres gehandelt wird und mindestens 10 % der durchschnittlich während des Steuerjahres ausgegebene Zahl der Aktien dieser Gattung
1 2 3 4
Art. 28 Abs. 2 Buchst. c aa Großbuchst. A DBA-USA. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c aa Großbuchst. B DBA-USA. Zum Ausdruck „Vorzugsaktiengattung“ vgl. Art. 28 Abs. 8 Buchst. c DBA-USA. Vgl. Art. 28 Abs. 8 Buchst. d DBA-USA.
Schönfeld
947
Art. 10 Rz. 466–468
Dividenden
entsprechen.1 Für Deutschland als Quellenstaat könnte man eine Auslegung in Anlehnung an den Begriff „nachhaltig“ in § 15 Abs. 2 EStG in Erwägung ziehen.2 467
Hauptsächlicher Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft. Der hauptsächliche Ort der Geschäftsführung und Überwachung der Gesellschaft ist gem. Art. 28 Abs. 8 Buchst. d DBA-USA im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft, wenn die Mehrzahl der „strategie-, finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen“ im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft getroffen werden, und wenn die Entscheidungsträger die Mehrzahl der zur Vorbereitung und Herbeiführung dieser Entscheidungen erforderlichen laufenden Tätigkeiten im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft ausüben. Durch das Tätigkeitsmerkmal soll vermutlich verhindert werden, dass eine im Übrigen substanzlose Holding in den Genuss von Art. 10 Abs. 3 DBA-USA kommt, nur weil die Entscheidungsträger zum Treffen der genannten Entscheidungen vorübergehend den Ansässigkeitsstaat der Holding aufsuchen. Zu beachten ist ferner, dass die genannten Voraussetzungen nicht nur für Entscheidungen bzgl. der Gesellschaft selbst gelten, sondern auch für unmittelbare oder mittelbare Tochtergesellschaften. Befinden sich diese im Ausland und werden dort auch Entscheidungen getroffen, so ist das nicht per se schädlich. Aus der Formulierung „größeren Teil der (…) Entscheidungen (…) als in jedem anderen Staat“ lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Entscheidungen auch im Ausland getroffen werden können, ohne dass die Abkommensvergünstigungen versagt werden, wenn nur der (quantitativ und qualitativ) überwiegende Teil der Entscheidungen im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft getroffen und die zugehörigen Tätigkeiten dort ausgeübt werden. Im Einzelfall kann das gleichwohl zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Allerdings dürfte sich diese Problematik dadurch entschärfen, dass mit der Beschränkung auf „strategie-, finanz- und geschäftspolitische Entscheidungen“ nur wesentliche Unternehmensentscheidungen mit perspektivischer Komponente und nicht die gewöhnlichen Entscheidungen des Tagesgeschäftes angesprochen sind.3 (2) Art. 28 Absatz 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA
468
„Ownership test“. Erfüllt die die Dividenden empfangende Gesellschaft zwar nicht selbst die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA („publicly-traded corporation test“), werden aber mindestens 50 % ihrer Anteile mittelbar oder unmittelbar von fünf oder weniger Gesellschaften gehalten, die ihrerseits die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA erfüllen, dann greift über Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA („ownership test“) gleichwohl das Verbot der Quellenbesteuerung. Beispiel 1:
Beispiel 2:
max. 5 börsennotierte AGn
max. 5 börsennotierte AGn
≥50 %
≥50 %
GmbH?
AG
≥80 %
≥80 %
Dividende
Corp.
1 Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 35. 2 Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 36. 3 Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 41 ff.
948
Schönfeld
Dividende
Corp.
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 468–470 Art. 10
In Beispiel 1 wird der Grundfall aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA dargestellt. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab. Beispiel 2 stellt die ggf. problematische Konstellation der Zwischenschaltung einer GmbH dar.
Halten von GmbH-Anteilen? Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA 469 verlangt ausdrücklich das Halten von „Aktien“ an der die Dividenden beziehenden Gesellschaft. Zur ähnlichen Vorschrift des Art. 28 Abs. 1 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA 1989 genügte z.B. das Halten von GmbH-Anteilen nicht.1 Für Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA wird man dies gleichwohl nicht fordern können, weil sich der Sinn der Begrenzung nicht wirklich erschließt.2 Geht Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA davon aus, dass ein Abkommensmissbrauch ausgeschlossen ist, wenn eine börsennotierte Gesellschaft an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft qualifiziert beteiligt ist, und überträgt Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA diese Wertung auf tiefergegliederte Beteiligungsstrukturen, so macht es keinen Unterschied, ob der Nutzungsberechtigte eine AG oder eine GmbH ist. Zudem spricht die englische Fassung lediglich von „shares“ und nicht von „stocks“, weshalb sich auch insoweit keine Begrenzung auf „Aktien“ ergibt. Möglicherweise hat sich die deutsche Abkommensseite daher bei der Formulierung darüber überhaupt keine Gedanken gemacht. Dafür spricht, dass die Denkschrift zu Abs. 2 lediglich von „Gesellschaften“ spricht. Auch aus US-Sicht ist die bloße Aufnahme von „shares“ nachvollziehbar, weil das US-Steuerrecht grds. nur die „Corporation“ als Körperschaft besteuert; die „Limited Liability Company (LLC)“ kann lediglich auf eine Besteuerung als Corporation optieren. Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis gelangt, dass der Wortlaut eine Einbeziehung von GmbH-Anteilen nicht zulässt (was man bei dem den Wortlaut einer Vorschrift betonenden I. Senat des BFH nicht ausschließen kann), wird man insoweit jedenfalls eine planwidrige Regelungslücke bejahen müssen, die über eine teleologische Erweiterung auf GmbH-Anteile zu schließen ist. Jedenfalls dürfte in einem solchen Fall das von der sog. „Gnadenklausel“ des Art. 28 Abs. 7 DBA-USA eröffnete Ermessen reduziert sein. Mehrstufige Beteiligungsstrukturen. Der „ownership test“ kann auch dann gelin- 470 gen, wenn die Beteiligung an der die Dividenden empfangenden Gesellschaft mittelbar über eine oder mehrere andere Gesellschaften gehalten wird.3 Entscheidend ist gem. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb letzter Halbs. DBA-USA nur, dass jeder zwischengeschaltete Beteiligte in den USA oder in Deutschland ansässig ist. Einer Ansässigkeit in dem Vertragsstaat, in dem die die Dividenden empfangende Gesellschaft ansässig ist, bedarf es nicht. Das ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Es entspricht auch dem Sinn der Regelung, lediglich nicht abkommensberechtigte Personen von den Abkommensvergünstigungen auszuschließen. Dieser Zweck führt im Übrigen zu der weiteren praktisch relevanten Konsequenz, dass – wie im nachfolgenden Beispiel 2 dargestellt – diejenigen beteiligten Obergesellschaften, die die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA erfüllen müssen, ebenfalls in jedem der beiden Vertragsstaaten ansässig sein können. Die Abkommensregelung verlangt nicht, dass die Obergesellschaften einen Anspruch auf dieselben Abkommensvergünstigungen wie die die Dividenden empfangende Gesellschaft haben (was im Beispiel 2 nicht der Fall wäre, weil für hypothetische Dividenden der Corp. an die börsennotierte Corp. schon gar kein DBA greifen würde). Die Obergesellschaften müssen lediglich abstrakt einen Anspruch auf Vergünstigungen gem. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBAUSA haben.
1 Vgl. Debatin/Endres, DBA Deutschland-USA, 1990, Art. 28, Rz. 12; zu Recht kritisch auch Becker in G/K/G, Art. 28 DBA-USA, Rz. 66. 2 Ebenso Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 49; Wassermeyer/Schönfeld, DB 2006, 1972; Wolff/Eimermann, IStR 2006, 840. 3 Gohr in E/J/G/K, Art. 28 DBA-USA Rz. 53 f.
Schönfeld
949
Art. 10 Rz. 470–473
Dividenden
Beispiel 1:
Beispiel 2:
D D
max. 5 börsennotierte AGn
25 %
25 %
AG
LLC
Dividende
100 %
D
max. 5 börsennotierte AGn
max. 5 börsennotierte AGn
>50 %
USA
USA
>80 %
Corp.
AG USA >80 %
USA
Dividende
Corp.
In Beispiel 1 wird der Fall der Zwischenschaltung von weiteren Gesellschaften mit Ansässigkeit in einem der beiden Abkommensstaaten dargestellt, im Beispiel 2 die Beteiligung von in einem der beiden Abkommensstaaten ansässigen Obergesellschaften. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab.
(3) Art. 28 Absatz 2 Buchst. f i.V.m. Absatz 4 DBA-USA 471
Verhinderung von Durchlaufgesellschaften. Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA enthält eine Art. 28 Abs. 1 Buchst. e DBA 1989 in den Grundzügen vergleichbare Vorschrift, die dem Einsatz sog. „Durchlaufgesellschaften“1 begegnen soll. Durch die Zwischenschaltung einer in demselben Abkommensstaat ansässigen und von dort beherrschten Gesellschaft („indirect ownership test“) sollen sich in Drittsaaten ansässige Personen nicht dadurch Abkommensvergünstigungen erschleichen können, dass sie aus Geschäftsbeziehungen mit der zwischengeschalteten Gesellschaft mehr als 50 % deren Rohgewinnes in Drittstaaten absaugen („base erosion test“).
472
„Indirect ownership test“. Vor diesem Hintergrund fordert Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. aa DBA-USA („indirect ownership test“), dass an mehr als der Hälfte der Tage des Steuerjahres mindestens 50 % jeder „Aktiengattung oder sonstigen wirtschaftlichen Eigentums“ an der die Einkünfte erzielenden Person unmittelbar oder mittelbar von Personen gehalten werden, die die die Vergünstigungen nach diesem Abkommen gem. Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation-/international headquarters test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Altersversorgungseinrichtung) beanspruchen können. Zu beachten ist, dass diese Personen abweichend von Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb („ownership test“; vgl. Rz. 470) in demselben Abkommensstaat wie die die Einkünfte erzielende Gesellschaft ansässig sein müssen. Gleiches gilt für den Fall, dass Beteiligungen mittelbar über eine andere Gesellschaft gehalten werden. Auch diese müssen im Vertragsstaat der die Einkünfte erzielenden Gesellschaft ansässig sein.
473
Halten von GmbH-Anteilen? Mit der Formulierung „Aktiengattungen“ ist ferner das bereits oben zu Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA diskutierte Pro1 So die Begrifflichkeit zu Art. 28 Abs. 1 Buchst. e DBA-USA 1989; vgl. nur Becker in G/K/G, Art. 28 DBA-USA, Rz. 62; Debatin/Endres, DBA Deutschland-USA, 1990, Art. 28, Rz. 13.
950
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 473–476 Art. 10
blem angesprochen, ob auch z.B. GmbH-Anteile begünstigt sind (vgl. Rz. 468). Allerdings soll anders als im Rahmen des „ownership tests“ auch das sonstige wirtschaftliche Eigentum an der Person genügen, was den Verdacht einer planwidrigen Regelungslücke bestärkt, jedenfalls aber im Rahmen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA das Halten von GmbH-Anteilen definitiv als unschädlich erscheinen lässt. Abstrakte Abkommensberechtigung genügt. Eine weitere Frage ist die, ob die an 474 der die Einkünfte erzielenden Person beteiligte Person in den Genuss derselben (konkreten) Vergünstigung wie die erstgenannte Person kommen muss, oder ob es genügt, wenn sie abstrakt nach den genannten Vorschriften abkommensberechtigt ist. Der Wortlaut spricht nicht von „diese Vergünstigungen“, sondern nur von „die Vergünstigungen“. Dies deutet darauf hin, dass eine abstrakte Abkommensberechtigung nach den genannten Vorschriften ausreichend ist. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Telos der Norm, die sich nur allgemein gegen eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen durch Drittstaatenangehörige wenden will. Anders als im Rahmen von § 50d Abs. 3 EStG ergeben sich aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA keine Anhaltspunkte dafür, dass nach einem fiktiven Abkommensvergünstigungsanspruch bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte zu fragen ist. Beispiel: An der deutschen D-AG sind seit mehreren Jahren die natürlichen und in Deutschland ansässigen Personen A und B zu je 50 % beteiligt. D-AG ist eine reine Holdinggesellschaft, die u.a. auch eine 20 %ige Beteiligung an einer US-Corp. hält. Kann D-AG eine Quellensteuerherabsetzung auf 5 % gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a i.V.m. Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA verlangen? Unter den Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-USA („base erosion test“) ist diese Frage zu bejahen. An D-AG sind zu mehr als 50 % Personen beteiligt, die als natürliche und in Deutschland ansässige Personen Vergünstigungen nach dem DBA-USA beanspruchen können (Abs. 2 Buchst. a). Es ist unbeachtlich, dass A und B bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte lediglich einen Anspruch nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b DBA-USA (Quellensteuerherabsetzung auf 15 %) beanspruchen könnten.
„Base erosion test“. Zusätzlich müssen die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 475 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-USA („base erosion test“) gegeben sein. Danach darf die die Dividenden empfangende Gesellschaft nicht mehr als 50 % ihres Rohgewinnes durch solche Zahlungen steuerlich mindern, die an nicht abkommensberechtigte Personen erfolgen. Der hinter dieser Regelung stehende Zweck besteht darin, nicht abkommensberechtigte Personen, insbesondere solche in Drittstaaten, nicht dadurch in den Genuss von Abkommensvergünstigungen kommen zu lassen, dass die von einer in einem Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft bezogenen Dividenden in Form z.B. von Zinsen an diese Personen weitergeleitet werden. Diese gegen „Treaty-shopping“ gerichtete Regelung schießt deutlich über das gebotene Ziel hinaus. Unter Rohgewinn soll die Gesamtleistung des Unternehmens abzüglich des Materialaufwandes zu verstehen sein. Entsprechend werden nicht nur die problematischen Zins- und Lizenzzahlungen erfasst, sondern jede Gegenleistung im Rahmen der Wertschöpfung, die nicht für den Erwerb von Material getätigt wird. Die Dividenden empfangende Gesellschaft wird mithin dazu gezwungen, entweder andere Leistungen als Material nur noch auf dem räumlichen Beschaffungsmarkt ihres Ansässigkeitsstaates einzukaufen oder ein entsprechendes Kontroll- und Warnsystem bezogen auf die Herkunft dieser Leistungen zu installieren. Die Vertragsstaaten dürften bei der Aufnahme dieser Regelung von der ökonomischen Realität verlassen gewesen sein; dies insbesondere vor dem Hintergrund einer zunehmend globaleren, arbeitsteiligen Welt. „Active business test“. Die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 4 DBA-USA („active 476 business test“) müssen ebenfalls erfüllt sein.1 Art. 10 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-USA formuliert etwas unklar, dass „die Gesellschaft (…) hinsichtlich der Dividenden die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 4 DBA-USA“ erfüllen muss. Denkbar wäre, dass die Dividenden selbst aus aktiven Tätigkeiten der die Dividenden zahlenden Gesellschaft gespeist werden müssen. Vernünftigerweise kann mit Gesell1 Ausführlich dazu Gohr in E/J/G/K, Art. 10 DBA-USA Rz. 157 ff.
Schönfeld
951
Art. 10 Rz. 476
Dividenden
schaft aber wohl nur die die Dividenden empfangende Gesellschaft gemeint sein. Im Vergleich zu dem vormals geltenden „active business test“ des Art. 28 Abs. 1 Buchst. c DBA-USA 1989 sind ferner die Tatbestandsvoraussetzungen erheblich erweitert und sprachlich verkompliziert worden. Nach Art. 28 Abs. 4 Buchst. a DBAUSA muss die die Dividenden empfangende Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat „aktiv gewerblich tätig“ sein. Was darunter zu verstehen ist, wird auch vom neuen DBA nicht definiert. Fest steht nur, dass Tätigkeiten mit Kapitalanlagecharakter aufgrund ihrer ausdrücklichen Ausnahme nicht aktiv sind. Auch im Teil A Abs. 3 des Notenwechsels v. 29.8.1989 wird das Vorliegen einer aktiven gewerblichen Tätigkeit lediglich anhand von Beispielen näher erläutert. Auf diese wird man aber zur Auslegung nach wie vor zurückgreifen können. Teilweise wird auch auf § 8 Abs. 1 AStG verwiesen.1 Der von der Rechtswirklichkeit in weiten Teilen überholte Katalog des § 8 Abs. 1 AStG kann aber allenfalls ein Indiz für das Vorliegen einer aktiven gewerblichen Tätigkeit sein. Im Übrigen ist weitere Voraussetzung, dass die Dividenden im Zusammenhang mit der aktiven Tätigkeit bezogen werden oder aus Anlass dieser aktiven Tätigkeit anfallen. Aus den Beispielen im vorgenannten Notenwechsel ergibt sich, dass die Verfasser des DBA-USA 1989 primär Einkünfte aus betrieblichen Funktionen vor Augen hatten, die der gewerblichen Tätigkeit der Muttergesellschaft dienen (z.B. Vertrieb). Man sollte allerdings keine überhöhten Anforderungen an diesen Zusammenhang stellen. Das vormals nur im Notenwechsel anhand von Beispielen entwickelte Kriterium der „Erheblichkeit“ ist nunmehr in Art. 28 Abs. 4 Buchst. b DBA-USA kodifiziert. Danach soll die gewerbliche Tätigkeit der Muttergesellschaft gegenüber der gewerblichen Tätigkeit der Tochtergesellschaft erheblich sein. Das dürfte von der (im Einzelfall zweifelhaften) Vorstellung eines Subordinationsverhältnisses zwischen den betreffenden Tätigkeiten getragen sein, wonach nur eine untergeordnete Tätigkeit einer übergeordneten Tätigkeit dienen kann. Die Regelung setzt ferner implizit voraus, dass die Tochtergesellschaft selbst gewerblich tätig ist. Eine abkommensrechtliche Forderung dieser Voraussetzung sucht man indes vergeblich. Insbesondere muss die Tochtergesellschaft in Ermangelung einer entsprechenden Regelung nicht notwendiger Weise selbst eine aktive Tätigkeit ausüben. Die Voraussetzung der Erheblichkeit ändert daran nichts. Auch die zentrale Verwaltung des aus einer aktiven gewerblichen Tätigkeit der Muttergesellschaft erwirtschafteten Kapitals durch eine im anderen Vertragsstaat ansässige Tochtergesellschaft kann der aktiven Tätigkeit der Muttergesellschaft dienen (z.B. Erhaltung des Betriebskapitals2), solange nur die gewerbliche Tätigkeit der Muttergesellschaft gegenüber der Tätigkeit der Tochtergesellschaft ein wirtschaftliches Übergewicht einnimmt. Letztendlich gelten für die Feststellung, ob die die Dividenden empfangende Gesellschaft in einem Vertragsstaat aktiv gewerblich tätig ist, die Tätigkeiten verbundener Personen als Tätigkeiten dieser Gesellschaft (Art. 28 Abs. 4 Buchst. c DBA-USA). Von verbundenen Personen spricht man dann, wenn eine Person mindestens 50 % des wirtschaftlichen Eigentums an der anderen Person innehat, jedenfalls aber dann, wenn sie die andere Person tatsächlich beherrscht. Einer Muttergesellschaft werden danach die Tätigkeiten verbundener Tochtergesellschaften zugerechnet. Ob das auf solche Tochtergesellschaften beschränkt ist, die in demselben Vertragsstaat wie die Muttergesellschaft ansässig sind, lässt sich Art. 28 Abs. 4 Buchst. c DBA-USA nicht eindeutig entnehmen. Nach dem Wortlaut ist eigentlich keine Beschränkung gegeben. Die Tochtergesellschaft muss lediglich eine verbundene Person sein. Eine bestimmte Ansässigkeit wird nicht gefordert. Im Übrigen kann es keinen Unterschied machen, ob die Tochtergesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft oder im Ausland aktiv gewerblich tätig ist. Der Grundfall des Art. 28 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Abs. 4 DBA-USA n.F. lässt sich vereinfacht wie folgt darstellen:
1 Arthur Andersen, DBA Deutschland – USA, 1990, Art. 28 Rz. 39; kritisch Becker in G/K/G, Art. 28 DBA-USA, Rz. 43. 2 Vgl. Beispiel VI des Notenwechsels v. 29.8.1989.
952
Schönfeld
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 476–477 Art. 10
Beispiel:
- natürliche Personen - Gebietskörperschaft - „publicly-traded corporation test“ - gemeinnütziger Rechtsträger - Pensionsgesellschaft in Deutschland ansässige Personen
D
≥50 % AG
≥80 %
Dividenden
keine abzugsfähigen Zahlungen an nicht abkommensberechtigte Personen i.H.v. mehr als 50 % des Rohgewinns
aktive gewerbliche Tätigkeit hinsichtlich der Dividenden
Corp.
USA
Im Beispiel wird der Grundfall aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 DBA-USA dargestellt. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab. Bei einer Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA muss die AG ferner den „active business test“ gem. Abs. 4 erfüllen.
(4) Art. 28 Absatz 3 DBA-USA „Derivative benefit-/base erosion-test“). Art. 28 Abs. 3 DBA-USA knüpft die Ab- 477 kommensvergünstigungen an die Voraussetzung, dass mindestens 95 % der Anteile der die Dividenden empfangenden Gesellschaft (und mindestens 50 % aller Vorzugsaktiengattungen) von maximal sieben gleichberechtigten Begünstigten gehalten werden („derivative benefit test“)1 und der „base erosion test“2 erfüllt wird. Beispiel:
max. 7 gleichberechtigte Begünstigte ≥95 %
keine abzugsfähigen Zahlungen an nicht gleichberechtigte Begünstigte i.H.v. mehr als 50 % des Rohgewinns
GmbH
Dividenden
≥80 % Corp.
Im Beispiel wird der Grundfall aus Sicht einer deutschen AG als Dividendenempfängerin i.S.v. Art. 10 Abs. 1 dargestellt. Die in Betracht kommenden Abkommensvergünstigungen hängen insbes. vom weiteren Beteiligungsumfang an der US-Corp ab.
1 Art. 28 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA n.F. 2 Art. 28 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA n.F.; zum „base erosion test“ vgl. die Ausführungen zu Art. 28 Abs. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb DBA-USA n.F.
Schönfeld
953
Art. 10 Rz. 478–480
Dividenden
478
Halten von GmbH-Anteilen? Anders als Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA n.F. („ownership test“) spricht Art. 28 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA nicht von „Aktien“, sondern von „Anteilen“. Ungeachtet dessen, dass nach den Ausführungen in Rz. 468 auch GmbH-Anteile vom Begriff der „Aktien“ erfasst sein sollten, gilt dies vorliegend wegen der Verwendung des Begriffes „Anteile“ ausdrücklich. Der zusätzliche Verweis auf „Vorzugsaktiengattungen“ muss so verstanden werden, dass nur im Falle einer AG und nur für den Fall, dass Vorzugsaktien bestehen, mindestens 50 % dieser Aktien von gleichberechtigten Personen gehalten werden.
479
Gleichberechtigter Begünstigter. Was unter einem gleichberechtigten Begünstigten zu verstehen ist, wird in Art. 28 Abs. 8 Buchst. e DBA-USA legal definiert. Der einleitende Halbs. bestimmt dabei in einem ersten Schritt, dass als gleichberechtigte Begünstigte solche Personen gelten, die in einem Mitgliedstaat der EU, in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes oder in einem Vertragsstaat des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens1 ansässig sind. Damit können unter den weiteren Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA auch in den USA oder Deutschland ansässige Personen als gleichberechtigte Begünstigte gelten. Die übrigen Personen müssen die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA nachweisen.
480
Nicht in den USA oder Deutschland ansässige gleichberechtigte Begünstigte. Als gleichberechtigter Begünstigter gilt eine nicht in den USA oder Deutschland ansässige Person nur dann, wenn sie die weiteren Voraussetzungen von Doppelbuchst. aa erfüllt. Danach ist erforderlich, dass die betreffende Person aus einem DBA mit demjenigen Abkommensstaat, vom dem die Abkommensvergünstigung beansprucht wird, eine vergleichbare Vergünstigung beanspruchen kann. Für Dividenden wird dabei von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA ausdrücklich gefordert, dass nur dann ein Anspruch auf eine Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA n.F. (bzw. gem. Art. 10 Abs. 2 DBA-USA n.F. auf 5 % bzw. 15 %) besteht, wenn der nach dem anderen DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des gleichberechtigten Begünstigten geltende Steuersatz ebenso niedrig ist. Ferner verlangt Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. A DBA-USA n.F. so, dass das betreffende DBA mit dem Ansässigkeitsstaat des gleichberechtigten Begünstigten einen bezogen auf Art. 28 Abs. 2 Buchst. a, Buchst. b, Buchst. c Doppelbuchst. aa, Buchst. d oder Buchst. e DBA-USA vergleichbaren umfassenden Artikel zur Begrenzung von Abkommensvergünstigungen enthalten muss, dessen Voraussetzungen der Begünstigte erfüllt. Anderenfalls muss die Person, will sie gleichberechtigter Begünstigter sein, unmittelbar die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Pensionsgesellschaft) DBA-USA erfüllen. Beispiel:
börsennotierte schwedische AB ≥95 %
GmbH Dividenden
≥80 % Corp.
1 USA, Kanada und Mexiko.
954
Schönfeld
0 % Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 480–482 Art. 10
Im Beispiel wird die Konstellation eines gleichberechtigten Begünstigten i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa für eine in Schweden ansässige AG dargestellt, die die Voraussetzungen des „publicly-traded corporation test“ des neuen Art. 17 Abs. 2 Buchst. c DBA SchwedenUSA erfüllt und deren Ansässigkeitsstaat (= Schweden) mit den USA ein DBA geschlossen hat, welches in Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA ein Quellenbesteuerungsverbot enthält. In diesem Fall kommt für die GmbH eine Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA in Betracht.
In den USA oder Deutschland ansässige gleichberechtigte Begünstigte. Eine in 481 den USA oder Deutschland ansässige Person gilt demgegenüber bereits dann als gleichberechtigter Begünstigter i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA, wenn sie die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation-/international headquarters test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Altersversorgungseinrichtung) DBA-USA erfüllt. Hinzuweisen ist darauf, dass die Obergesellschaft in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen nicht in einem bestimmten Abkommensstaat ansässig sein muss; es genügt vielmehr dass sie in den USA oder in Deutschland ansässig ist. Beispiel:
börsennotierte AG ≥95 %
GmbH
Dividenden
≥80 % Corp.
Im Beispiel wird die Konstellation eines gleichberechtigten Begünstigten i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA für eine in Deutschland ansässige AG dargestellt, die die Voraussetzungen des „publicly-traded corporation test“ des Art. 28 Abs. 2 Buchst. aa DBA-USA erfüllt. In diesem Fall kommt für die GmbH eine Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA in Betracht.
Sonderregelung für Dividenden i.S.v. Art. 10 Abs. 3 DBA-USA. Art. 28 Abs. 8 482 Buchst. e letzter Satz DBA-USA enthält eine speziell für die Quellensteuerermäßigung nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA geltende Sonderregelung. Danach soll diejenige Person, die an der die Quellensteuerherabsetzung beanspruchenden Gesellschaft beteiligt ist, für Zwecke der Feststellung, ob sie ein gleichberechtigter Begünstigter ist, so behandelt werden, als halte sie dieselben Stimmanteile an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft wie die die Quellensteuerherabsetzung beanspruchende Gesellschaft. Die Formulierung „dieselben Stimmanteile“ deutet dabei darauf hin, dass die Regelung einen quantitativen Bezug hat. Der Sinn der Regelung dürfte darin bestehen, dem (potenziell) gleichberechtigten Begünstigten den Umfang der Beteiligung an der die Dividenden zahlenden Gesellschaft mit der Folge zuzurechnen, dass bei der Prüfung der Frage, ob dem (potenziell) gleichberechtigten Begünstigten eine Quellensteuerherabsetzung auf Null nach einem DBA seines Ansässigkeitsstaates mit dem Ansässigkeitsstaat der die Dividenden zahlenden Gesellschaft zusteht, nicht auf dessen tatsächliche Beteiligungsquote an der die Dividenden empfangenden Gesellschaft abzustellen ist, sondern auf die Beteiligungsquote der die Dividenden zahlenden Gesellschaft an der die Dividenden empfangenden Gesellschaft.1
1 Vgl. auch Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 92.
Schönfeld
955
Art. 10 Rz. 482–483
Dividenden
Beispiel:
börsennotierte schwedische AB
börsennotierte AG 50 %
50 %
GmbH
0 % Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA
100 %
Dividenden
Corp.
Im Beispiel wird aufgrund der Regelung des Art. 28 Abs. 8 Buchst. e letzter Satz DBA-USA eine Beteiligung der börsennotierten schwedischen AB i.H.v. 100 % an der Corp. fingiert. Dies ist deshalb erforderlich, weil Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA verlangt, dass die schwedische AB nach dem DBA Schweden-USA n.F. eine Quellensteuerermäßigung auf Null erhält, diese Ermäßigung aber gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA Schweden-USA nur bei einer Beteiligung von mindestens 80 % gewährt wird, die zwischen der schwedischen AB und der GmbH nicht besteht. Bei der Bestimmung der Beteiligungsquote wird also nur auf die Beteiligung der GmbH an der Corp. abgestellt.
483
Weitere Besonderheiten in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen. Der „derivative benefit test“ verlangt anders als der „ownership test“ nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. b DBA-USA bei einer bloßen mittelbaren Beteiligung an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft nicht von den zwischengeschalteten Beteiligten, in einem (oder in einem bestimmten) Vertragsstaat ansässig zu sein. Insoweit können von den gleichberechtigten Begünstigten auch Beteiligungen an der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft mittelbar über Drittstaatengesellschaften gehalten werden. Aus dem klaren Wortlaut von Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. b DBA-USA ergibt sich ferner, dass von einem in den USA oder Deutschland ansässigen gleichberechtigten Begünstigten nicht gefordert wird, in demselben Vertragsstaat wie die die Einkünfte erzielende Gesellschaft ansässig zu sein; es genügt die Ansässigkeit in einem der Vertragsstaaten. Beispiel 1:
Beispiel 2:
börsennotierte schwedische AB
börsennotierte AB
100 %
100 %
NL-BV
NL-BV
≥95 %
0 % Quellensteuer gem. Art. 10 Abs. 3 DBA Schweden-USA
≥95 % Corp.
GmbH Dividenden
Dividenden ≥80 % Corp.
956
Schönfeld
≥80 % GmbH
H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 483–484 Art. 10
Im Beispiel 1 wird die Konstellation einer in Schweden ansässigen AG als gleichberechtigte Begünstigte i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA bei Zwischenschaltung einer niederländischen BV dargestellt, und zwar für die Möglichkeit der Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA zugunsten der GmbH.1 Im Beispiel 2 wird das Beispiel 1 insoweit abgewandelt, als eine in Deutschland ansässige AG gleichberechtigte Begünstigte i.S.v. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA ist.
Maßgeblichkeit der Quellensteuersätze der Mutter-Tochter-Richtlinie. Schließlich 484 ist in diesem Zusammenhang auf Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA hinzuweisen, der die Situation vor Augen hat, dass ein in den USA ansässiger Nutzungsberechtigter, an dem in der EU ansässige Gesellschaften beteiligt sind, u.a. Dividenden aus deutschen Quellen bezieht. Für Zwecke des Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA muss für die Feststellung, ob der US-Nutzungsberechtigte einen Anspruch auf Abkommensvergünstigungen nach Art. 10 hat, eigentlich auf die vergleichbaren Abkommensvergünstigungen des DBA zwischen Deutschland und dem betreffenden EU-Staat abgestellt werden (vgl. Rz. 479). Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA modifiziert die Regelung in Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa Großbuchst. B DBA-USA allerdings dahin, dass der US-Nutzungsberechtigte auch dann einen Anspruch auf Abkommensvergünstigungen haben soll, wenn für die Zahlungen aus deutschen Quellen zwar in dem deutschen DBA mit dem betreffenden EU-Staat ein höherer Steuersatz als in dem DBA-USA vereinbart ist, aber nach einer EG-RL ein Besteuerungsverbot existiert. Anders gewendet: Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA fragt danach, ob eine EU-Gesellschaft bei unmittelbarem Bezug der Dividenden aus deutschen Quellen einen Anspruch aus einer EG-RL geltend machen könnte. Ist dies der Fall, dann soll die Zwischenschaltung eines US-Nutzungsberechtigten nicht missbräuchlich sein und der Anspruch nach Art. 10 bestehen. Gegenwärtig kommt im Bereich der Dividenden als Regelung einer EG-RL die Quellensteuerherabsetzung auf Null nach der sog. Mutter-Tochter-RL2 in Betracht. D.h. selbst wenn der Quellensteuersatz nach einem DBA zwischen Deutschland und dem betreffenden EU-Staat höher sein sollte als in Art. 10, soll auf das Quellenbesteuerungsverbot des Art. 5 Abs. 1 Mutter-Tochter-RL (für Dividenden) abzustellen sein. Beispiel:
börsennotierte italienische SpA ≥95 % US-Corp.
Dividenden
0 % Quellensteuer gem. Art. 5 Abs. 1 Mutter-Tochter-RL
≥80 % GmbH
Im Beispiel wird die Konstellation des Art. 28 Abs. 8 Buchst. f DBA-USA für die Quellensteuerherabsetzung auf Null gem. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA zugunsten einer US-Corp. dargestellt, deren Anteile von einer börsennotierten italienischen SpA gehalten werden. Für die vergleichbaren Abkommensvergünstigungen aus Sicht der italienischen SpA als gleichberechtigten Begünstigten kommt es dabei nicht auf das DBA-Deutschland-Italien an, sondern auf die MutterTochter-RL.
1 Die niederländische BV ist selbst nicht gleichberechtigte Begünstigte, obwohl sie in einem EGMitgliedstaat ansässig ist und nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA USA-Niederlande i.d.F. des Protokolls v. 8.3.2004 ein Quellenbesteuerungsverbot existiert. Denn die NL-BV erfüllt weder die Voraussetzungen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. a (natürliche Person), Buchst. b (Gebietskörperschaft), Buchst. c Doppelbuchst. aa („publicly-traded corporation test“), Buchst. d (gemeinnütziger Rechtsträger) oder Buchst. e (Altersversorgungseinrichtung) DBA-USA n.F., noch die vergleichbaren Vorschriften des Art. 26 Abs. 2 DBA USA-Niederlande n.F. 2 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8.
Schönfeld
957
Art. 10 Rz. 485–489
Dividenden
(5) Art. 28 Absatz 7 DBA-USA 485
„Gnadenklausel“. Wird keiner der vorgenannten „Tests“ von der die Einkünfte erzielenden Person erfüllt, können die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die begehrte Abkommensvergünstigung gleichwohl gem. Art. 28 Abs. 7 DBA-USA gewähren. Diese sog. „Gnadenklausel“ war bereits in Art. 28 Abs. 2 DBA-USA 1989 enthalten. Allerdings enthält die neue Regelung konkretere Vorgaben, wann die Abkommensvergünstigung versagt werden soll. Entscheidend soll danach insbesondere sein, ob die Errichtung, der Erwerb oder das Bestehen der die Abkommensvergünstigungen beanspruchenden Person hauptsächlich dazu dient, die Vergünstigungen nach dem DBA in Anspruch zu nehmen. Dies geht in die Richtung der bereits an anderer Stelle geäußerten Auffassung, dass es Konstellationen geben kann, in denen das Ermessen der Behörden gebunden ist. Im Notenwechsel zum Protokoll v. 30.9.2005 des DBA Schweden-USA1 findet sich der Hinweis, dass die Behörden der Vertragsstaaten „the legal requirements for the facilitation of the free flow of capital and persons within the European Union, together with the differing internal income tax systems, tax incentive regimes, and existing tax treaty policies among member states of the European Union“ bei ihrer Entscheidung berücksichtigen werden. Es wäre zu begrüßen, wenn sich Deutschland und die USA in einem Notenwechsel auf eine ähnliche RL verständigen könnten.
486
Kosten. Für einen nach dem 4.5.2006 gestellten Antrag auf Gewährung von Abkommensvergünstigungen nach der „Gnadenklausel“ wird von US-Seite eine Gebühr von 15 000 US-$ erhoben. Die Gebühr ist unabhängig davon zu zahlen, ob es sich um eine erstmalige Entscheidung, eine Verlängerung einer bestehenden oder eine ergänzende Entscheidung handelt. Im Falle einer Rücknahme des Antrages wird die Gebühr grundsätzlich nicht erstattet.2 Aus deutscher Sicht handelt es sich bei dem Antrag nach Art. 28 Abs. 7 DBA-USA um keinen i.S.v. § 89 Abs. 2 AO, so dass eine Gebühr danach nicht erhoben werden dürfte. cc) Sonderregelung für Pensionsfonds
487
Beteiligungen von Pensionsfonds (Buchst. b). In den Genuss des Quellenbesteuerungsverbotes kommt nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA auch ein die Dividenden empfangender Pensionsfonds. Der Begriff Pensionsfonds wird in Art. 10 Abs. 11 legal definiert (vgl. Rz. 497). Die Dividenden dürfen allerdings weder unmittelbar noch mittelbar aus einer gewerblichen Tätigkeit des die Dividenden empfangenden Fonds stammen. d) Art. 10 Absatz 4 DBA-USA
488
Ausschüttungen von US-RICs und deutschen Investmentvermögen. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA stellt im Ergebnis sicher, dass für Ausschüttungen von US-Regulated Investment Companies (RICs) und deutschen Investmentfonds bzw. -aktiengesellschaften lediglich eine Quellensteuerherabsetzung auf 15 % beansprucht werden kann, es sei denn, die Investmentgebilde sind Pensionsfonds; dann gilt Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA (0 %). Der erhöhte Quellensteuersatz für US-RICs soll verhindern, dass deutsche Streubesitzanteile an US-Gesellschaften (für die die Quellensteuer auf 15 % begrenzt ist) in einem US-RIC zu einer Schachtelbeteiligung i.S.v. Abs. 2 Buchst. a oder Abs. 3 Buchst. a DBA-USA gebündelt werden. Eine solche Übertragung wäre nach US-Recht relativ einfach möglich und wegen der Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen des US-RIC von der Bemessungsgrundlage der KSt. auch steuerlich ohne Nachteil.3
489
Ausschüttungen von US-REITs. Ausschüttungen von US-Real Estate Investment Trusts (REITs) können nach Art. 10 Abs. 4 DBA-USA grds. der vollen US-Quellensteuer (derzeit 30 %) unterliegen. Dadurch soll zum einen eine angemessene Besteue1 Zu finden unter „www.ustreas.gov/offices/tax-policy/treaties.shtml“. 2 Vgl. Revenue Procedure 2006-26; Wolff, IStR-Länderbericht, Heft 23/2006, 8. 3 Vgl. Technical Explanation des Treasury Departments zum Prot. zur Änderung des DBA-USASchweden v. 30.9.2005.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 489–493 Art. 10
rung deutscher Anteilseigner sichergestellt werden, weil US-REITs wegen der Abzugsfähigkeit der Ausschüttungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage de facto steuerfreie Einkünfte generieren. Zum anderen soll eine Transformation von Immobilieneinkünften, die in den USA einer Quellenbesteuerung i.H.v. 30 % unterliegen, in ggf. steuerfreie Dividenden verhindert werden. Eine Quellensteuerherabsetzung auf 15 % oder für Pensionsfonds unter den Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA auf 0 % ist allerdings unter folgenden engen Voraussetzungen möglich: (i) die Dividende bezieht eine natürliche Personen oder ein Pensionsfonds, die zu max. 10 % an einem US-REIT beteiligt sind; (ii) die Dividende wird von einer zu max. 5 % beteiligten natürlichen Person bzw. Gesellschaft von einem börsennotierten REIT bezogen; oder (iii) die Dividende wird von einer zu max. 10 % beteiligten natürlichen Person bzw. Gesellschaft von einem sog. „diversifizierten REIT“ bezogen. Was ein diversifizierter REIT ist, definiert Art. 10 Abs. 4 Sätze 4 bis 6 DBA-USA. Ausschüttungen von deutschen REITs. Abs. 8 des Protokolles zum DBA v. 1.6.2006 490 enthält eine Regelung für den Fall der Einführung eines deutschen REIT. Wird der G-REIT von der Besteuerung freigestellt, dann soll das Quellenbesteuerungsverbot nicht greifen. Wenn das Protokoll allerdings zu diesem Zweck auf „Abs. 3 Buchst. b“ verweist, muss es sich dabei um einen Schreibfehler handeln; gemeint dürfte Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA gewesen sein. e) Art. 10 Absatz 5 DBA-USA Dividendendefinition. Art. 10 Abs. 5 Satz 1 DBA-USA definiert den Begriff der Di- 491 videnden in weitestgehender Anlehnung an das OECD-MA. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-USA enhält eine Erweiterung des Dividendenbegriffs für Zwecke der deutschen Besteuerung auf Einkünfte aus einer stillen Beteiligung, aus partiarischen Darlehen oder aus Gewinnobligationen sowie Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Investmentvermögen. Anstelle von „Genussaktien“ wird ferner von „Genussrechten“ gesprochen und die dritte Fallgruppe verzichtet darauf, dass die als Dividenden qualifizierenden Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen stammen“ müssen; es genügen vielmehr „aus sonstigen Rechten stammende andere Einkünfte. f) Art. 10 Absatz 6 DBA-USA Unbeschränktes Besteuerungsrecht bei abzugsfähigen Dividenden. Nach Art. 10 492 Abs. 6 DBA-USA behält der Quellenstaat ungeachtet der Quellensteuerbegrenzungen nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 DBA-USA (sowie des Besteuerungsverbotes für Zinsen nach Art. 11 Abs. 1 DBA-USA) das uneingeschränkte Besteuerungsrecht für gewinnabhängige Vergütungen, wenn diese bei der Ermittlung des Gewinns der zahlenden Person abzugsfähig sind. In Deutschland als Quellenstaat sind von Art. 10 Abs. 6 DBA-USA insbesondere die in Art. 10 Abs. 5 Satz 2 DBA-USA genannten Einkünfte betroffen. Für die USA als Quellenstaat nennt Art. 10 Abs. 6 DBA-USA ausdrücklich Zinsen, deren Höhe sich nicht in einem Bruchteil des Kapitals bemisst und die keine Portfoliozinsen („contingent interest“) sind. g) Art. 10 Absatz 7 DBA-USA Betriebsstättenvorbehalt. Art. 10 Abs. 7 DBA-USA enthält den Betriebsstättenvor- 493 behalt in weitgehender Anlehnung an das OECD-MA. Das zentrale Tatbestandsmerkmal des Art. 10 Abs. 7 DBA-USA ist das der Betriebsvermögenszugehörigkeit. Das DBA 1954/65 enthielt das heute noch im OECD-MA verwandte Merkmal der „tatsächlichen“ Zugehörigkeit. In Nr. 3 der Verständigungsvereinbarung v. 18.10.1965 wurde dieses Merkmal unter Bezugnahme auf die Kriterien des US-Steuerrechts („effective connection“) erläutert. Das DBA 1989 hat den Begriff allerdings nicht übernommen. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Bindung an die vormalige Definition nicht besteht, vielmehr die Bestimmung des – im DBA nicht definierten – Begriffes der Betriebsvermögenszugehörigkeit dem jeweiligen Anwenderstaat obliegt.1 Art. 10 Abs. 7 DBA-USA stellt dabei – in Abweichung zum OECD-MA („Geschäftstätigkeit“) – klar, dass die Tätigkeit eine gewerbliche sein muss. Nach dem Verständnis 1 So Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 177.
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Art. 10 Rz. 493–495
Dividenden
des BFH dürfte das aber eine bloße Selbstverständlichkeit sein, da rein vermögensverwaltende Tätigkeiten keine „Betriebsstätte“ begründen. Aus US-Sicht gelten für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern ähnliche, mitunter sogar strengere Regeln. Ausgangspunkt ist die Frage, ob es sich um „effectively connected income“ i.S.v. secs. 864 (c), 871 (a), 881 (a) IRC handelt. Eine ausführliche Erläuterung findet sich in § 1.864–4 Treasury Regulations. Danach müssen die Voraussetzungen des sog. „asset use test“ erfüllt sein, was aber bei einer Beteiligung an einer inl. oder ausl. Kapitalgesellschaft grds. verneint wird.1 h) Art. 10 Absatz 8 DBA-USA 494
Verbot extraterritorialer Besteuerung. Art. 10 Abs. 8 enthält in Anlehnung an das OECD-MA das Verbot der sog. „extraterritorialen Besteuerung“. Dieses Verbot war im DBA 1989 noch nicht enthalten und ist – dem OECD-MA entsprechend – erst durch das Protokoll v. 1.6.2006 aufgenommen worden. Es richtet sich primär gegen bestimmte Besteuerungspraktiken der USA.2 i) Art. 10 Absatz 9 DBA-USA
495
Branch Profits Tax. Verfügt eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft über eine im anderen Vertragsstaat belegene Betriebsstätte (Art. 10 Abs. 9 Buchst. a DBAUSA) oder ist die Gesellschaft im anderen Staat mit Einkünften i.S.v. Art. 6 oder Art. 13 Abs. 1 DBA-USA auf Nettobasis (und nicht auf Bruttobasis durch Erhebung einer Abzugssteuer) steuerpflichtig (Art. 10 Abs. 9 Buchst. b DBA-USA), so gewährt Art. 10 Abs. 9 DBA-USA das Recht, neben einer nach anderen Bestimmungen des DBA möglichen Quellensteuer eine weitere Steuer zu erheben. Obwohl das Recht beiden Vertragsstaaten zusteht, beschränkt sich die Bedeutung von Art. 10 Abs. 9 DBA-USA auf die Möglichkeit der Erhebung der sog. „Branch-Profits-Tax“ (BPT) durch die USA.3 Mit der BPT sollen bestimmte aus US-Quellen stammende Einkünfte so behandelt werden, als würde die ausländische Gesellschaft diese Einkünfte als Dividenden einer in den USA ansässigen Tochtergesellschaft beziehen. Damit stellen die USA zum einen sicher, dass die einer Betriebsstätte zurechenbaren gewerblichen Gewinne aus US-Quellen zunächst auf Nettobasis besteuert und sodann einer Quellensteuer von 30 % unterworfen werden können. Zum anderen können die aus US-Quellen stammenden Einkünfte i.S.v. Art. 6 DBA-USA (unbewegliches Vermögen) und Art. 13 Abs. 1 DBA-USA (Veräußerungsgewinne) zunächst auf Nettobasis besteuert werden, um die „ausschüttungsgleichen Beträge“ sodann der Quellensteuer von 30 % zu unterwerfen. Wann gewerbliche Gewinne einer Betriebsstätte zuzurechnen sind, regelt sec. 884 (d) IRC i.V.m. § 1.864–4 Treasury Regulations („effectively connected earnings and profits“). Für Beteiligungen an anderen (Kapital-)Gesellschaften verneint das US-Steuerrecht grds. eine Zuordnung zu einer Betriebsstätte, weshalb schon von daher keine Doppelbelastung mit US-Einkommensteuer und BPT droht. Im Übrigen würde eine solche Doppelbelastung auch dem Gedanken der Gleichbehandlung von Betriebsstätte und Tochterkapitalgesellschaft widersprechen, weil letztere in den Genuss der „dividends received deductions“ kommen würde (secs. 243 et seq. IRC). Was für Zwecke des Art. 10 Abs. 9 Buchst. b DBA-USA unter „ausschüttungsgleichen Beträgen“ zu verstehen ist, regelt sec. 884 (b) IRC. Ausgangspunkt ist ein auf die betreffenden Wirtschaftsgüter der ausländischen Gesellschaft bezogener Betriebsvermögensvergleich vermindert bzw. erhöht um bestimmte Korrekturbeträge.
1 § 1.864–4 (c) (2) (iii) (a) Treasury Regulations: „Except as provided in paragraph (c)(2)(iii)(b) of this section [Stock held by foreign insurance companies – bisher nicht geregelt], stock of a corporation (whether domestic or foreign) shall not be treated as an asset used in, or held for use in, the conduct of a trade or business in the United States.“ 2 Vgl. dazu ausführlich Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 186 ff., der auch darauf hinweist, dass diese Besteuerungspraktiken bereits unter dem DBA 1989 vom Anwendungsbereich des DBA ausgenommen waren. 3 Ausführlich zur BPT vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 10 DBA-USA, Rz. 202 ff.
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H. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten
Rz. 496–499 Art. 10
j) Art. 10 Absatz 10 DBA-USA Begrenzung des Besteuerungsrechtes für Branch Profits Tax. Der dem Art. 10 496 Abs. 9 DBA-USA zugrundeliegende Gedanke der Gleichbehandlung von unselbständiger Zweigniederlassung und Tochterkapitalgesellschaft wird dadurch ergänzt, dass Art. 10 Abs. 10 DBA-USA das Besteuerungsrecht des Quellenstaates der Höhe nach beschränkt. Den Grundsatz formuliert dabei Art. 10 Abs. 10 Satz 1 DBA-USA mit der Aussage, dass die BPT den in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA genannten Steuersatz (5 %) nicht übersteigen darf. Es handelt sich nach dem Wortlaut um einen bloßen Rechtsfolgenverweis, weshalb es auf die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-USA genannten weiteren Beteiligungsvoraussetzungen nicht ankommt. Nach Art. 10 Abs. 10 Satz 2 DBA-USA gilt ein Erhebungsverbot, sofern die im anderen Staat ansässige Gesellschaft (bei BPT eine in Deutschland ansässige Gesellschaft) bestimmte Tatbestände des Art. 28 DBA-USA erfüllt. Auch hier greift der Gedanke der Gleichbehandlung von unselbständiger Zweigniederlassung und Tochterkapitalgesellschaft insoweit Platz, als im Ergebnis die (Mutter-)Gesellschaft unter den Voraussetzungen von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA (bezogen auf den Verweis auf Teile des Art. 28 DBA-USA) eine Quellensteuerherabsetzung auf Null beanspruchen könnte. k) Art. 10 Absatz 11 DBA-USA Definition des Begriffes „Pensionsfonds“. Art. 10 Abs. 11 DBA-USA definiert für 497 Zwecke des Quellenbesteuerungsverbotes nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. b DBA-USA den Begriff des „Pensionsfonds“. Zunächst muss es sich um eine Person handeln, die nach dem Recht eines Vertragsstaates errichtet wurde. Die Errichtung und Unterhaltung muss ferner vorwiegend zu dem Zweck erfolgen, Ruhegehälter oder ähnliche Vergütungen, einschließlich Sozialversicherungsleistungen, Invaliditätsrenten und Witwenrente, zu verwalten oder zu gewähren oder zugunsten einer oder mehrerer dieser Personen Einkünfte zu erzielen. Ein in den USA ansässiger Pensionsfonds muss schließlich für die vorgenannten Tätigkeiten dort von der Steuer befreit sein, ein in Deutschland ansässiger Pensionsfonds für geleistete Beiträge die Vergünstigungen nach dem EStG (z.B. § 4e EStG) beanspruchen können. 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung USA als Wohnsitzstaat. Die USA als Wohnsitzstaat vermeiden eine Doppel- 498 besteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA durch Anwendung der Anrechnungsmethode, d.h. durch Anrechnung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die amerikanischen Steuer (direkte Anrechnung). Darüber hinaus wird nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-USA bei Dividenden, die von einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft an eine in den USA ansässige Gesellschaft gezahlt werden, welcher mindestens 10 v.H. der stimmberechtigten Anteile der die Dividenden auszahlenden Gesellschaft gehören, in die Anrechnung (neben den nach Buchst. a anrechnungsfähigen deutschen Quellensteuern) auch die deutsche Steuer einbezogen, die die Gesellschaft von den Gewinnen zu entrichten hat, aus denen die Dividenden gezahlt werden (indirekte Anrechnung). Deutschland als Wohnsitzstaat. Deutschland als Wohnsitzstaat vermeidet eine 499 Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Dividenden entweder gem. Art. 23 Abs. 3 Buchst. a DBA-USA durch Anwendung der Freistellungsmethode für Schachteldividenden oder gem. Art. 23 Abs. 3 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-USA durch Anwendung der Anrechnungsmethode. Das Schachtelprivileg wird dabei nur dann gewährt, wenn die Dividenden an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von einer in den USA ansässigen Gesellschaft gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 10 % unmittelbar der deutschen Gesellschaft gehören, und bei der Ermittlung der Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft nicht abgezogen worden sind. Das Schachtelprivileg kann nach Art. 23 Abs. 4 Buchst. b DBA-Großbritannien in Fällen eines Qualifikations- bzw. Zurechnungskonfliktes versagt sein (vgl. näher Art. 23 DBA-USA, Art. 23A/B Rz. 207 ff.).
Schönfeld
961
Artikel 11
Zinsen (1) Zinsen, die aus einem Vertragsstaat stammen und an eine im anderen Vertragsstaat ansässige Person gezahlt werden, können im anderen Staat besteuert werden. (2) Diese Zinsen können jedoch auch in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden; die Steuer darf aber, wenn der Nutzungsberechtigte der Zinsen eine in dem anderen Vertragsstaat ansässige Person ist, 10 v.H. des Bruttobetrags der Zinsen nicht übersteigen. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten regeln in gegenseitigem Einvernehmen, wie diese Begrenzungsbestimmung durchzuführen ist. (3) Der in diesem Artikel verwendete Ausdruck „Zinsen“ bedeutet Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, und insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen. Zuschläge für verspätete Zahlung gelten nicht als Zinsen im Sinne dieses Artikels. (4) Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Nutzungsberechtigte im anderen Vertragsstaat, aus dem die Zinsen stammen, eine Geschäftstätigkeit durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt und die Forderung, für die die Zinsen gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebstätte gehört. In diesem Fall ist Artikel 7 anzuwenden. (5) Zinsen gelten dann als aus einem Vertragsstaat stammend, wenn der Schuldner eine in diesem Staat ansässige Person ist. Hat aber der Schuldner der Zinsen, ohne Rücksicht darauf, ob er in einem Vertragsstaat ansässig ist oder nicht, in einem Vertragsstaat eine Betriebstätte und ist die Schuld, für die die Zinsen gezahlt werden, für Zwecke der Betriebstätte eingegangen worden und trägt die Betriebstätte die Zinsen, so gelten die Zinsen als aus dem Staat stammend, in dem die Betriebstätte liegt. (6) Bestehen zwischen dem Schuldner und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigen deshalb die Zinsen, gemessen an der zugrundeliegenden Forderung, den Betrag, den Schuldner und Nutzungsberechtigter ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so wird dieser Artikel nur auf den letzteren Betrag angewendet. In diesem Fall kann der übersteigende Betrag nach dem Recht eines jeden Vertragsstaats und unter Berücksichtigung der anderen Bestimmungen dieses Abkommens besteuert werden. A. Grundaussagen der Vorschrift . . . . . . I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufbau der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . 1. Abkommensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu Art. 10 (Dividenden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu weiteren Art. des OECD-MA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbeziehung hybrider Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Switch-over bei abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Remittance-Klausel . . . . . . . . . . . . f) Bekämpfung des Treaty-Shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
962
Körner
1
2. EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . .
1 6 7 8 8
B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Absatz 1) . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Stammen“ aus einem Vertragsstaat IV. Im anderen Vertragsstaat ansässige Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsfolge: Besteuerung in dem anderen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 15 17
19 20 21
C. Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Absatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz: Limitiertes Besteuerungsrecht (Absatz 2 Satz 1) . . . . . III. Ausübung des limitierten Besteuerungsrechts (Absatz 2 Satz 2). . . . .
23 36 42 42 43 45 46 47
.. ..
48 48
..
49
..
52
Art. 11
Zinsen D. Zinsbegriff (Absatz 3) . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Positive Abgrenzung: Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch bei Beteiligung am Gewinn des Schuldners (Absatz 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung des Forderungsbegriffs vom Anteilsbegriff, insbesondere bei Beteiligung am Gewinn des Schuldners: Hybride Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zahlungen ohne Hauptforderungen: swaps und andere Zinsderivate/-termingeschäfte . . . . . . . 2. Unschädlichkeit von Immobiliarbesicherungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und Obligationen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Negative Abgrenzung: Keine Zuschläge für verspätete Zahlung (Absatz 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Betriebsstättenvorbehalt für erhaltene Zinsen (Absatz 4) . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen (Absatz 4 Satz 1) . III. Rechtsfolgen (Absatz 4 Satz 2) . . . . . F. Quellenstaat der Zinsen (Absatz 5) I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz: Personenbezogene Zuordnung (Absatz 5 Satz 1). . . . . . . . III. Betriebsstättenvorbehalt für Zinszahlungen (Absatz 5 Satz 2) . . . . . .
53 53
55 55
55
81 82 83
84
. . . .
85 85 86 89
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90 90
..
91
..
92
G. Fremdvergleichsvorbehalt (Absatz 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbegrenzung des Zinsartikels auf den fremdüblichen Betrag (Absatz 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . III. Anwendungseröffnung anderer Vorschriften hinsichtlich des übersteigenden Betrags (Absatz 6 Satz 2) . . .
. .
93 93
.
94
.
95
H. Deutsches Muster-DBA. . . . . . . . . . . .
96
I. Die DBA Deutschlands mit den wichtigsten Industriestaaten . . . . . . I. Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung II. China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung III. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abweichungen zum OECD-MA . . . . 2. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermeidung der Doppelbesteuerung IV. Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
97 97 97 100 103 105 105 108 109 111 111 115 116 118
1. 2. 3. V. 1. 2. 3. VI. 1. 2. 3. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. IX. 1. 2. 3. 4.
X. 1. 2. 3. 4.
XI. 1. 2. 3. XII. 1. 2. 3. XIII. 1. 2. 3. XIV. 1. 2. 3. XV. 1. 2. 3.
Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Luxemburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Luxemburg a.F. . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA . . . b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . DBA-Niederlande a.F. . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen zum OECD-MA . . . b) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung . USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abweichungen zum OECD-MA . . . . . Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeidung der Doppelbesteuerung .
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OECD-Musterkommentar COMMENTARY ON ARTICLE 11 CONCERNING THE TAXATION OF INTEREST I. Preliminary remarks 1. “Interest” is generally taken to mean remuneration on money lent, being remuneration coming within the category of “income from movable capital” (revenus de capitaux mobiliers). Unlike dividends, interest does not suffer economic double taxation, that is, it is not taxed both in the hands of the debtor and in the hands of the creditor. Unless it is provided to the contrary by the contract, payment of the tax charged on interest falls on the recipient. If it happens that the debtor undertakes to bear any tax chargeable at the source, this is as though he had agreed to pay his creditor additional interest corresponding to such tax. 2. But, like dividends, interest on bonds or debentures or loans usually attracts tax charged by deduction at the source when the interest is paid. This method is, in fact, commonly used for practical reasons, as the tax charged at the source can constitute an advance of the tax payable by the recipient in respect of his total income or profits. If in such a case the recipient is a resident of the country which practises deduction at the source, any double taxation he suffers is remedied by internal measures. But the position is different if he is a resident of another country: he is then liable to be taxed twice on the interest, first by the State of source and then by the State of which he is a resident. It is clear that his double charge of tax can reduce considerably the interest on the money lent and so hamper the movement of capital and the development of international investment. 3. A formula reserving the exclusive taxation of interest to one State, whether the State of the beneficiary’s residence or the State of source, could not be sure of receiving general approval. Therefore a compromise solution was adopted. It provides that interest may be taxed in the State of residence, but leaves to the State of source the right to impose a tax if its laws so provide, it being implicit in this right that the State of source is free to give up all taxation on interest paid to non-residents. Its exercise of this right will however be limited by a ceiling which its tax cannot exceed but, it goes without saying, the Contracting States can agree to adopt an even lower rate of taxation in the State of source. The sacrifice that the latter would accept in such conditions will be matched by a relief to be given by the State of residence, in order to take into account the tax levied in the State of source (see Article 23 A or 23 B). 4. Certain countries do not allow interest paid to be deducted for the purposes of the payer’s tax unless the recipient also resides in the same State or is taxable in that State. Otherwise they forbid the deduction. The question whether the deduction should also be allowed in cases where the interest is paid by a resident of a Contracting State to a resident of the other State, is dealt with in paragraph 4 of Article 24. II. Commentary on the provisions of the Article Paragraph 1 5. Paragraph 1 lays down the principle that interest arising in a Contracting State and paid to a resident of the other Contracting State may be taxed in the latter. In doing so, it does not stipulate an exclusive right to tax in favour of the State of residence. The term “paid” has a very wide meaning, since the concept of payment means the fulfilment of the obligation to put funds at the disposal of the creditor in the manner required by contract or by custom. 6. The Article deals only with interest arising in a Contracting State and paid to a resident of the other Contracting State. It does not, therefore, apply to interest arising in a third State or to interest arising in a Contracting State which is attributable to a
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permanent establishment which an enterprise of that State has in the other Contracting State (for these cases, see paragraphs 4 to 6 of the Commentary on Article 21). Paragraph 2 7. Paragraph 2 reserves a right to tax interest to the State in which the interest arises; but it limits the exercise of that right by determining a ceiling for the tax, which may not exceed 10 per cent. This rate may be considered a reasonable maximum bearing in mind that the State of source is already entitled to tax profits or income produced on its territory by investments financed out of borrowed capital. The Contracting States may agree in bilateral negotiations upon a lower tax or on exclusive taxation in the State of the beneficiary’s residence with respect to all interest payments or, as explained below, as regards some specific categories of interest. 7.1 In certain cases, the approach adopted in paragraph 2, which is to allow source taxation of payments of interest, can constitute an obstacle to international trade or may be considered inappropriate for other reasons. For instance, when the beneficiary of the interest has borrowed in order to finance the operation which earns the interest, the profit realised by way of interest will be much smaller than the nominal amount of interest received; if the interest paid is equal to or exceeds the interest received, there will be either no profit at all or even a loss. The problem, in that case, cannot be solved by the State of residence, since little or no tax will be levied in that State where the beneficiary is taxed on the net profit derived from the transaction. That problem arises because the tax in the State of source is typically levied on the gross amount of the interest regardless of expenses incurred in order to earn such interest. In order to avoid that problem, creditors will, in practice, tend to shift to the debtor the burden of the tax levied by the State of source on the interest and therefore increase the rate of interest charged to the debtor, whose financial burden is then increased by an amount corresponding to the tax payable to the State of source. 7.2 The Contracting States may wish to add an additional paragraph to provide for the exclusive taxation in the State of the beneficiary’s residence of certain interest. The preamble of that paragraph, which would be followed by subparagraphs describing the various interest subject to that treatment (see below), might be drafted along the following lines: 3. Notwithstanding the provisions of paragraph 2, interest referred to in paragraph 1 shall be taxable only in the Contracting State of which the recipient is a resident if the beneficial owner of the interest is a resident of that State, and: a) [description of the relevant category of interest] … 7.3 The following are some of the categories of interest that Contracting States may wish to consider for the purposes of paragraph 7.2 above. Interest paid to a State, its political subdivisions and to central banks 7.4 Some States refrain from levying tax on income derived by other States and some of their wholly-owned entities (e.g. a central bank established as a separate entity), at least to the extent that such income is derived from activities of a governmental nature. Some States are able to grant such an exemption under their interpretation of the sovereign immunity principle (see paragraphs 6.38 and 6.39 of the Commentary on Article 1); others may do it pursuant to provisions of their domestic law. In their bilateral conventions, many States wish to confirm or clarify the scope of these exemptions with respect to interest or to grant such an exemption in cases where it would not otherwise be available. States wishing to do so may therefore agree to include the following category of interest in a paragraph providing for exemption of certain interest from taxation in the State of source: a) is that State or the central bank, a political subdivision or local authority thereof;
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Interest paid by a State or its political subdivisions 7.5 Where the payer of the interest happens to be the State itself, a political subdivision or a statutory body, the end result may well be that the tax levied at source may actually be borne by that State if the lender increases the interest rate to recoup the tax levied at source. In that case, any benefits for the State taxing the interest at source will be offset by the increase of its borrowing costs. For that reason, many States provide that such interest will be exempt from any tax at source. States wishing to do so may agree to include the following category of interest in a paragraph providing for exemption of certain interest from taxation in the State of source: b) if the interest is paid by the State in which the interest arises or by a political subdivision, a local authority or statutory body thereof; In this suggested provision, the phrase “statutory body” refers to any public sector institution. Depending on their domestic law and terminology, some States may prefer to use phrases such as “agency or instrumentality” or “legal person of public law” [personne morale de droit public] to refer to such an institution. Interest paid pursuant to export financing programmes 7.6 In order to promote international trade, many States have established export financing programmes or agencies which may either provide export loans directly or insure or guarantee export loans granted by commercial lenders. Since that type of financing is supported by public funds, a number of States provide bilaterally that interest arising from loans covered by these programmes shall be exempt from source taxation. States wishing to do so may agree to include the following category of interest in a paragraph providing for exemption of certain interest from taxation in the State of source: c) if the interest is paid in respect of a loan, debt-claim or credit that is owed to, or made, provided, guaranteed or insured by, that State or a political subdivision, local authority or export financing agency thereof; Interest paid to financial institutions 7.7 The problem described in paragraph 7.1, which essentially arises because taxation by the State of source is typically levied on the gross amount of the interest and therefore ignores the real amount of income derived from the transaction for which the interest is paid, is particularly important in the case of financial institutions. For instance, a bank generally finances the loan which it grants with funds lent to it and, in particular, funds accepted on deposit. Since the State of source, in determining the amount of tax payable on the interest, will usually ignore the cost of funds for the bank, the amount of tax may prevent the transaction from occurring unless the amount of that tax is borne by the debtor. For that reason, many States provide that interest paid to a financial institution such as a bank will be exempt from any tax at source. States wishing to do so may agree to include the following interest in a paragraph providing from exemption of certain interest from taxation in the State of source: d) is a financial institution; Interest on sales on credit 7.8 The disadvantages described in paragraph 7.1 also arise frequently in the case of sales on credit of equipment and other commercial credit sales. The supplier in such cases very often merely passes on to the customer, without any additional charge, the price he will himself have had to pay to a bank or an export finance agency to finance the credit. In these cases, the interest is more an element of the selling price than income from invested capital. In fact, in many cases, the interest incorporated in the amounts of instalments to be paid will be difficult to separate from the actual sale price. States may therefore wish to include interest arising from such
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sales on credit in a paragraph providing for exemption of certain interest from taxation in the State of source, which they can do by adding the following subparagraph: e) if the interest is paid with respect to indebtedness arising as a consequence of the sale on credit of any equipment, merchandise or services; 7.9 The types of sales on credit referred to in this suggested provision comprise not only sales of complete units, but also sales of separate components thereof. Sales financed through a general line of credit provided by a seller to a customer constitute sales on credit as well for the purposes of the provision. Also, it is immaterial whether the interest is stipulated separately in addition to the sale price or is included from the outset in the price payable by instalments. Interest paid to some tax-exempt entities (e.g. pension funds) 7.10 Under the domestic laws of many States, pension funds and similar entities are generally exempt from tax on their investment income. In order to achieve neutrality of treatment as regards domestic and foreign investments by these entities, some States provide bilaterally that income, including interest, derived by such an entity resident of the other State shall also be exempt from source taxation. States wishing to do so may agree bilaterally on a provision drafted along the lines of the provision found in paragraph 69 of the Commentary on Article 18. 7.11 If the Contracting States do not wish to exempt completely any or all of the above categories of interest from taxation in the State of source, they may wish to apply to them a lower rate of tax than that provided for in paragraph 2 (that solution would not, however, seem very practical in the case of interest paid by a State or its political subdivision or statutory body). In that case, paragraph 2 might be drafted along the following lines: 2. However, such interest may also be taxed in the Contracting State in which it arises and according to the laws of that State, but if the beneficial owner of the interest is a resident of the other Contracting State, the tax so charged shall not exceed: a) [lower rate of tax] per cent of the gross amount of the interest in the case of interest paid [description of the relevant category of interest] … b) 10 per cent of the gross amount of the interest in all other cases. The competent authorities of the Contracting States shall by mutual agreement settle the mode of application of this limitation. If the Contracting States agree to exempt some of the above categories of interest, this alternative provision would be followed by a paragraph 3 as suggested in paragraph 7.2 above. 7.12 Contracting States may add to the categories of interest enumerated in the paragraphs above, other categories in regard to which the imposition of a tax in the State of source might appear to them to be undesirable. 8. Attention is drawn generally to the following case: the beneficial owner of interest arising in a Contracting State is a company resident in the other Contracting State; all or part of its capital is held by shareholders resident outside that other State; its practice is not to distribute its profits in the form of dividends; and it enjoys preferential taxation treatment (private investment company, base company). The question may arise whether, in the case of such a company, it is justifiable to allow in the State of source of the interest the limitation of tax which is provided in paragraph 2. It may be appropriate, when bilateral negotiations are being conducted, to agree upon special exceptions to the taxing rule laid down in this Article, in order to define the treatment applicable to such companies. 9. The requirement of beneficial ownership was introduced in paragraph 2 of Article 11 to clarify the meaning of the words “paid to a resident” as they are used in paragraph 1 of the Article. It makes plain that the State of source is not obliged to give up taxing rights over interest income merely because that income was immediately received by a resident of a State with which the State of source had concluded
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a convention. The term “beneficial owner” is not used in a narrow technical sense, rather, it should be understood in its context and in light of the object and purposes of the Convention, including avoiding double taxation and the prevention of fiscal evasion and avoidance. 10. Relief or exemption in respect of an item of income is granted by the State of source to a resident of the other Contracting State to avoid in whole or in part the double taxation that would otherwise arise from the concurrent taxation of that income by the State of residence. Where an item of income is received by a resident of a Contracting State acting in the capacity of agent or nominee it would be inconsistent with the object and purpose of the Convention for the State of source to grant relief or exemption merely on account of the status of the immediate recipient of the income as a resident of the other Contracting State. The immediate recipient of the income in this situation qualifies as a resident but no potential double taxation arises as a consequence of that status since the recipient is not treated as the owner of the income for tax purposes in the State of residence. It would be equally inconsistent with the object and purpose of the Convention for the State of source to grant relief or exemption where a resident of a Contracting State, otherwise than through an agency or nominee relationship, simply acts as a conduit for another person who in fact receives the benefit of the income concerned. For these reasons, the report from the Committee on Fiscal Affairs entitled “Double Taxation Conventions and the Use of Conduit Companies”1 concludes that a conduit company cannot normally be regarded as the beneficial owner if, though the formal owner, it has, as a practical matter, very narrow powers which render it, in relation to the income concerned, a mere fiduciary or administrator acting on account of the interested parties. 11. Subject to other conditions imposed by the Article, the limitation of tax in the State of source remains available when an intermediary, such as an agent or nominee located in a Contracting State or in a third State, is interposed between the beneficiary and the payer but the beneficial owner is a resident of the other Contracting State (the text of the Model was amended in 1995 to clarify this point, which has been the consistent position of all member countries). States which wish to make this more explicit are free to do so during bilateral negotiations. 12. The paragraph lays down nothing about the mode of taxation in the State of source. It therefore leaves that State free to apply its own laws and, in particular, to levy the tax either by deduction at source or by individual assessment. Procedural questions are not dealt with in this Article. Each State should be able to apply the procedure provided in its own law (see, however, paragraph 26.2 of the Commentary on Article 1). Specific questions arise with triangular cases (see paragraph 71 of the Commentary on Article 24). 13. It does not specify whether or not the relief in the State of source should be conditional upon the interest being subject to tax in the State of residence. This question can be settled by bilateral negotiations. 14. The Article contains no provisions as to how the State of the beneficiary’s residence should make allowance for the taxation in the State of source of the interest. This question is dealt with in Articles 23 A and 23 B. 15. [Deleted] 16. [Renumbered] 17. [Renumbered] Paragraph 3 18. Paragraph 3 specifies the meaning to be attached to the term “interest” for the application of the taxation treatment defined by the Article. The term designates, in general, income from debt-claims of every kind, whether or not secured by mortgage and whether or not carrying a right to participate in profits. The term “debt-claims of 1 Reproduced in Volume II of the full-length version of the OECD Model Tax Convention at page R(6)-1.
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every kind” obviously embraces cash deposits and security in the form of money, as well as government securities, and bonds and debentures, although the three latter are specially mentioned because of their importance and of certain peculiarities that they may present. It is recognised, on the one hand, that mortgage interest comes within the category of income from movable capital (revenus de capitaux mobiliers), even though certain countries assimilate it to income from immovable property. On the other hand, debt-claims, and bonds and debentures in particular, which carry a right to participate in the debtor’s profits are nonetheless regarded as loans if the contract by its general character clearly evidences a loan at interest. 19. Interest on participating bonds should not normally be considered as a dividend, and neither should interest on convertible bonds until such time as the bonds are actually converted into shares. However, the interest on such bonds should be considered as a dividend if the loan effectively shares the risks run by the debtor company (see inter alia paragraph 25 of the Commentary on Article 10). In situations of presumed thin capitalisation, it is sometimes difficult to distinguish between dividends and interest and in order to avoid any possibility of overlap between the categories of income dealt with in Article 10 and Article 11 respectively, it should be noted that the term “interest” as used in Article 11 does not include items of income which are dealt with under Article 10. 20. As regards, more particularly, government securities, and bonds and debentures, the text specifies that premiums or prizes attaching thereto constitute interest. Generally speaking, what constitutes interest yielded by a loan security, and may properly be taxed as such in the State of source, is all that the institution issuing the loan pays over and above the amount paid by the subscriber, that is to say, the interest accruing plus any premium paid at redemption or at issue. It follows that when a bond or debenture has been issued at a premium, the excess of the amount paid by the subscriber over that repaid to him may constitute negative interest which should be deducted from the interest that is taxable. On the other hand, any profit or loss which a holder of such a security realises by the sale thereof to another person does not enter into the concept of interest. Such profit or loss may, depending on the case, constitute either a business profit or a loss, a capital gain or a loss, or income falling under Article 21. 21. Moreover, the definition of interest in the first sentence of paragraph 3 is, in principle, exhaustive. It has seemed preferable not to include a subsidiary reference to domestic laws in the text; this is justified by the following considerations: a) the definition covers practically all the kinds of income which are regarded as interest in the various domestic laws; b) the formula employed offers greater security from the legal point of view and ensures that conventions would be unaffected by future changes in any country’s domestic laws; c) in the Model Convention references to domestic laws should as far as possible be avoided. It nevertheless remains understood that in a bilateral convention two Contracting States may widen the formula employed so as to include in it any income which is taxed as interest under either of their domestic laws but which is not covered by the definition and in these circumstances may find it preferable to make reference to their domestic laws. 21.1 The definition of interest in the first sentence of paragraph 3 does not normally apply to payments made under certain kinds of nontraditional financial instruments where there is no underlying debt (for example, interest rate swaps). However, the definition will apply to the extent that a loan is considered to exist under a “substance over form” rule, an “abuse of rights” principle, or any similar doctrine. 22. The second sentence of paragraph 3 excludes from the definition of interest penalty charges for late payment but Contracting States are free to omit this sentence and treat penalty charges as interest in their bilateral conventions. Penalty charges, which may be payable under the contract, or by customs or by virtue of a judgement,
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consist either of payments calculated pro rata temporis or else of fixed sums; in certain cases they may combine both forms of payment. Even if they are determined pro rata temporis they constitute not so much income from capital as a special form of compensation for the loss suffered by the creditor through the debtor’s delay in meeting his obligations. Moreover, considerations of legal security and practical convenience make it advisable to place all penalty charges of this kind, in whatever form they be paid, on the same footing for the purposes of their taxation treatment. On the other hand, two Contracting States may exclude from the application of Article 11 any kinds of interest which they intend to be treated as dividends. 23. Finally, the question arises whether annuities ought to be assimilated to interest; it is considered that they ought not to be. On the one hand, annuities granted in consideration of past employment are referred to in Article 18 and are subject to the rules governing pensions. On the other hand, although it is true that instalments of purchased annuities include an interest element on the purchase capital as well as return of capital, such instalments thus constituting “fruits civils” which accrue from day to day, it would be difficult for many countries to make a distinction between the element representing income from capital and the element representing a return of capital in order merely to tax the income element under the same category as income from movable capital. Taxation laws often contain special provisions classifying annuities in the category of salaries, wages and pensions, and taxing them accordingly. Paragraph 4 24. Certain States consider that dividends, interest and royalties arising from sources in their territory and payable to individuals or legal persons who are residents of other States fall outside the scope of the arrangement made to prevent them from being taxed both in the State of source and in the State of the beneficiary’s residence when the beneficiary has a permanent establishment in the former State. Paragraph 4 is not based on such a conception which is sometimes referred to as “the force of attraction of the permanent establishment”. It does not stipulate that interest arising to a resident of a Contracting State from a source situated in the other State must, by a kind of legal presumption, or fiction even, be related to a permanent establishment which that resident may have in the latter State, so that the said State would not be obliged to limit its taxation in such a case. The paragraph merely provides that in the State of source the interest is taxable as part of the profits of the permanent establishment there owned by the beneficiary which is a resident in the other State, if it is paid in respect of debt-claims forming part of the assets of the permanent establishment or otherwise effectively connected with that establishment. In that case, paragraph 4 relieves the State of source of the interest from any limitation under the Article. The foregoing explanations accord with those in the Commentary on Article 7. 25. It has been suggested that the paragraph could give rise to abuses through the transfer of loans to permanent establishments set up solely for that purpose in countries that offer preferential treatment to interest income. Apart from the fact that such abusive transactions might trigger the application of domestic anti-abuse rules, it must be recognised that a particular location can only constitute a permanent establishment if a business is carried on therein and, as explained below, that the requirement that a debt-claim be “effectively connected” to such a location requires more than merely recording the debt-claim in the books of the permanent establishment for accounting purposes. 25.1 A debt-claim in respect of which interest is paid will be effectively connected with a permanent establishment, and will therefore form part of its business assets, if the “economic” ownership of the debt-claim is allocated to that permanent establishment under the principles developed in the Committee’s report entitled Attribution of Profits to Permanent Establishments1 (see in particular paragraphs 72–97 of Part I of the report) for the purposes of the application of paragraph 2 of Article 7. In the con1 Attribution of Profits to Permanent Establishments, OECD, Paris, 2010.
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text of that paragraph, the “economic” ownership of a debt-claim means the equivalent of ownership for income tax purposes by a separate enterprise, with the attendant benefits and burdens (e.g. the right to the interest attributable to the ownership of the debt-claim and the potential exposure to gains or losses from the appreciation or depreciation of the debt-claim). 25.2 In the case of the permanent establishment of an enterprise carrying on insurance activities, the determination of whether a debt-claim is effectively connected with the permanent establishment shall be made by giving due regard to the guidance set forth in Part IV of the Committee’s report with respect to whether the income on or gain from that debt-claim is taken into account in determining the permanent establishment’s yield on the amount of investment assets attributed to it (see in particular paragraphs 165–170 of Part IV). That guidance being general in nature, tax authorities should consider applying a flexible and pragmatic approach which would take into account an enterprise’s reasonable and consistent application of that guidance for purposes of identifying the specific assets that are effectively connected with the permanent establishment. Paragraph 5 26. This paragraph lays down the principle that the State of source of the interest is the State of which the payer of the interest is a resident. It provides, however, for an exception to this rule in the case of interest-bearing loans which have an obvious economic link with a permanent establishment owned in the other Contracting State by the payer of the interest. If the loan was contracted for the requirements of that establishment and the interest is borne by the latter, the paragraph determines that the source of the interest is in the Contracting State in which the permanent establishment is situated, leaving aside the place of residence of the owner of the permanent establishment, even when he resides in a third State. 27. In the absence of an economic link between the loan on which the interest arises and the permanent establishment, the State where the latter is situated cannot on that account be regarded as the State where the interest arises; it is not entitled to tax such interest, not even within the limits of a “taxable quota” proportional to the importance of the permanent establishment. Such a practice would be incompatible with paragraph 5. Moreover, any departure from the rule fixed in the first sentence of paragraph 5 is justified only where the economic link between the loan and the permanent establishment is sufficiently clear-cut. In this connection, a number of possible cases may be distinguished: a) The management of the permanent establishment has contracted a loan which it uses for the specific requirements of the permanent establishment; it shows it among its liabilities and pays the interest thereon directly to the creditor. b) The head office of the enterprise has contracted a loan the proceeds of which are used solely for the purposes of a permanent establishment situated in another country. The interest is serviced by the head office but is ultimately borne by the permanent establishment. c) The loan is contracted by the head office of the enterprise and its proceeds are used for several permanent establishments situated in different countries. In cases a) and b) the conditions laid down in the second sentence of paragraph 5 are fulfilled, and the State where the permanent establishment is situated is to be regarded as the State where the interest arises. Case c), however, falls outside the provisions of paragraph 5, the text of which precludes the attribution of more than one source to the same loan. Such a solution, moreover, would give rise to considerable administrative complications and make it impossible for lenders to calculate in advance the taxation that interest would attract. It is, however, open to two Contracting States to restrict the application of the final provision in paragraph 5 to case a) or to extend it to case c). 28. Paragraph 5 provides no solution for the case, which it excludes from its provisions, where both the beneficiary and the payer are indeed residents of the Contract-
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ing States, but the loan was borrowed for the requirements of a permanent establishment owned by the payer in a third State and the interest is borne by that establishment. As paragraph 5 now stands, therefore, only its first sentence will apply in such a case. The interest will be deemed to arise in the Contracting State of which the payer is a resident and not in the third State in whose territory is situated the permanent establishment for the account of which the loan was effected and by which the interest is payable. Thus the interest will be taxed both in the Contracting State of which the payer is a resident and in the Contracting State of which the beneficiary is a resident. But, although double taxation will be avoided between these two States by the arrangements provided in the Article, it will not be avoided between them and the third State if the latter taxes the interest on the loan at the source when it is borne by the permanent establishment in its territory. 29. It has been decided not to deal with that case in the Convention. The Contracting State of the payer’s residence does not, therefore, have to relinquish its tax at the source in favour of the third State in which is situated the permanent establishment for the account of which the loan was effected and by which the interest is borne. If this were not the case and the third State did not subject the interest borne by the permanent establishment to source taxation, there could be attempts to avoid source taxation in the Contracting State through the use of a permanent establishment situated in such a third State. States for which this is not a concern and that wish to address the issue described in the paragraph above may do so by agreeing to use, in their bilateral convention, the alternative formulation of paragraph 5 suggested in paragraph 30 below. The risk of double taxation just referred to could also be avoided through a multilateral convention. Also, if in the case described in paragraph 28, the State of the payer’s residence and the third State in which is situated the permanent establishment for the account of which the loan is effected and by which the interest is borne, together claim the right to tax the interest at the source, there would be nothing to prevent those two States together with, where appropriate, the State of the beneficiary’s residence, from concerting measures to avoid the double taxation that would result from such claims using, where necessary, the mutual agreement procedure (as envisaged in paragraph 3 of Article 25). 30. As mentioned in paragraph 29, any such double taxation could be avoided either through a multilateral convention or if the State of the beneficiary’s residence and the State of the payer’s residence agreed to word the second sentence of paragraph 5 in the following way, which would have the effect of ensuring that paragraphs 1 and 2 of the Article did not apply to the interest, which would then typically fall under Article 7 or 21: Where, however, the person paying the interest, whether he is a resident of a Contracting State or not, has in a State other than that of which he is a resident a permanent establishment in connection with which the indebtedness on which the interest is paid was incurred, and such interest is borne by such permanent establishment, then such interest shall be deemed to arise in the State in which the permanent establishment is situated. 31. If two Contracting States agree in bilateral negotiations to reserve to the State where the beneficiary of the income resides the exclusive right to tax such income, then ipso facto there is no value in inserting in the convention which fixes their relations that provision in paragraph 5 which defines the State of source of such income. But it is equally obvious that double taxation would not be fully avoided in such a case if the payer of the interest owned, in a third State which charged its tax at the source on the interest, a permanent establishment for the account of which the loan had been borrowed and which bore the interest payable on it. The case would then be just the same as is contemplated in paragraphs 28 to 30 above. Paragraph 6 32. The purpose of this paragraph is to restrict the operation of the provisions concerning the taxation of interest in cases where, by reason of a special relationship between the payer and the beneficial owner or between both of them and some other per972
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OECD-Musterkommentar
son, the amount of the interest paid exceeds the amount which would have been agreed upon by the payer and the beneficial owner had they stipulated at arm’s length. It provides that in such a case the provisions of the Article apply only to that last-mentioned amount and that the excess part of the interest shall remain taxable according to the laws of the two Contracting States, due regard being had to the other provisions of the Convention. 33. It is clear from the text that for this clause to apply the interest held excessive must be due to a special relationship between the payer and the beneficial owner or between both of them and some other person. There may be cited as examples cases where interest is paid to an individual or legal person who directly or indirectly controls the payer, or who is directly or indirectly controlled by him or is subordinate to a group having common interest with him. These examples, moreover, are similar or analogous to the cases contemplated by Article 9. 34. On the other hand, the concept of special relationship also covers relationship by blood or marriage and, in general, any community of interests as distinct from the legal relationship giving rise to the payment of the interest. 35. With regard to the taxation treatment to be applied to the excess part of the interest, the exact nature of such excess will need to be ascertained according to the circumstances of each case, in order to determine the category of income in which it should be classified for the purposes of applying the provisions of the tax laws of the States concerned and the provisions of the Convention. This paragraph permits only the adjustment of the rate at which interest is charged and not the reclassification of the loan in such a way as to give it the character of a contribution to equity capital. For such an adjustment to be possible under paragraph 6 of Article 11 it would be necessary as a minimum to remove the limiting phrase “having regard to the debt-claim for which it is paid”. If greater clarity of intent is felt appropriate, a phrase such as “for whatever reason” might be added after “exceeds”. Either of these alternative versions would apply where some or all of an interest payment is excessive because the amount of the loan or the terms relating to it (including the rate of interest) are not what would have been agreed upon in the absence of the special relationship. Nevertheless, this paragraph can affect not only the recipient but also the payer of excessive interest and if the law of the State of source permits, the excess amount can be disallowed as a deduction, due regard being had to other applicable provisions of the Convention. If two Contracting States should have difficulty in determining the other provisions of the Convention applicable, as cases require, to the excess part of the interest, there would be nothing to prevent them from introducing additional clarifications in the last sentence of paragraph 6, as long as they do not alter its general purport. 36. Should the principles and rules of their respective laws oblige the two Contracting States to apply different Articles of the Convention for the purpose of taxing the excess, it will be necessary to resort to the mutual agreement procedure provided by the Convention in order to resolve the difficulty. Observation on the Commentary 37. Canada and the United Kingdom do not adhere to paragraph 18 above. Under their domestic legislation, certain interest payments are treated as distributions, and are therefore dealt with under Article 10. Reservations on the Article Paragraph 2 38. Chile, Hungary, Mexico, Portugal, the Slovak Republic and Turkey reserve their positions on the rate provided in paragraph 2. 39. [Deleted] 40. The United States reserves the right to tax certain forms of contingent interest at the rate applicable to portfolio dividends under subparagraph b) of paragraph 2 of Article 10. It also reserves the right to tax under its law a form of interest that is “an
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excess inclusion with respect to residual interest in a real estate mortgage investment conduit”. Paragraph 3 41. Mexico reserves the right to consider as interest other types of income, such as income derived from financial leasing and factoring contracts. 42. Belgium, Canada and Ireland reserve the right to amend the definition of interest so as to secure that interest payments treated as distributions under their domestic law fall within Article 10. 43. Canada, Chile and Norway reserve the right to delete the reference to debtclaims carrying the right to participate in the debtor’s profits. 44. Greece, Portugal and Spain reserve the right to widen the definition of interest by including a reference to their domestic law in line with the definition contained in the 1963 Draft Convention. 45. [Deleted] Paragraph 6 46. Mexico reserves the right to include a provision regarding the treatment of interest derived from back-to-back loans, as a safeguard against abuse.
POSITIONS ON ARTICLE 11 (INTEREST) AND ITS COMMENTARY Positions on the Article 1. Bulgaria and Ukraine reserve the right to exclude from the scope of the Article interest on a debt-claim where the main purpose or one of the main purposes of any person concerned with the creation or assignment of the debt-claim in respect of which the interest is paid is to take advantage of this Article and not for bona fide commercial reasons. Paragraph 2 2. Argentina, Brazil, India, Israel, Ivory Coast, the Philippines, Romania, Thailand and Ukraine reserve their positions on the rate provided for in paragraph 2. 3. Brazil reserves the right to add to its conventions a paragraph dealing with interest paid to a government of a Contracting State or one of its political subdivisions or a local authority thereof or any agency (including a financial institution) wholly owned by the said government and stating that such interest is taxable only in the State of residence of the creditor. However, if interest is paid by a government of a Contracting State or one of its political subdivisions or a local authority thereof or any agency (including a financial institution) wholly owned by the said government, such interest shall be taxable only in that Contracting State (i.e. in the State of source). 4. Bulgaria, Estonia, India, Latvia, Lithuania, Russia and Serbia reserve the right not to include the requirement for the competent authorities to settle by mutual agreement the mode of application of paragraph 2. Paragraph 3 5. Brazil, Thailand and Ukraine reserve the right to regard penalty charges for late payment as interest for the purposes of this Article, in accordance with their domestic law.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 1 Art. 11
6. Malaysia reserves the right to exclude premiums or prizes from the definition of interest, in accordance with the treatment of such payments under its domestic law. 7. Brazil and Thailand reserve the right to consider as interest any other income assimilated to income from money lent by the tax law of the Contracting State in which the income arises. 7.1 Estonia, Latvia, Lithuania, Morocco and Tunisia reserve the right to amend the definition of interest to clarify that interest payments treated as distributions under its domestic law fall within Article 10. Paragraph 4 8. Brazil reserves the right to provide that where interest is paid to a permanent establishment of a resident of the other Contracting State situated in a third State, the limit on the rate of taxation of interest in paragraph 2 shall not apply. 8.1 Morocco reserves the right to include in paragraph 4 a reference to other business activities carried on in the other State of the same and similar kind as those effected through a permanent establishment. Paragraph 5 8.2 Israel reserves the right to include a provision that would allow interest income to be taxed under Article 7 if the taxpayer so elects. Positions on the Commentary 9. Malaysia does not agree with paragraph 20 of the Commentary as under Malaysian domestic legislation, premiums or prizes are not taxable. 10. India reserves its right to treat the interest element of sales on credit (described in paragraphs 7.8 and 7.9) as interest. 11. India does not adhere to the interpretation set out in paragraph 20, it reserves the right to treat the difference between redemption value and issue price in accordance with its domestic law.
KOMMENTIERUNG ZU ARTIKEL 11 A. Grundaussagen der Vorschrift I. Allgemeiner Regelungsgegenstand und -zweck Abkommensrechtliche Aufteilung der Besteuerungsrechte für Zinsen. In den 1 meisten Rechtsordnungen ist es üblich, dass innerhalb eines Landes erfolgende Zinszahlungen beim Zahlenden vorbehaltlich spezifischer Abzugsverbote1 steuerlich abzugsfähig sind und beim Empfänger besteuert werden. Dieses Symmetriekonzept soll Art. 11 auch im internationalen Fall verwirklichen. Art. 11 sieht für Zinsen grundsätzlich eine Aufteilung der Besteuerungsrechte zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat vor. Die grundsätzlich steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen beim Zahlenden bleibt unberührt. Der Staat, aus dem die Zinsen gezahlt werden, hat gem. Art. 11 Abs. 2 die Möglichkeit, eine Quellensteuer in Höhe von bis zu 10 % zu erheben. Im Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers besteht die Möglichkeit der vollen Besteuerung der Zinsen, jedoch unter Anrechnung der Quellensteuer, Art. 11 Abs. 1, Art. 23A Abs. 2 oder Art. 23B. Die Quellensteuer soll nicht nur rechtlich, sondern auch öko1 Ein solches Abzugsverbot kann sich beispielsweise aus der Zinsschranke oder ausländischen thin capitalisation rules ergeben. Zu offenen Praxisfragen zur Zinsschranke allgemein sowie zur europarechtlichen Würdigung insbesondere Körner, Ubg 2011, 610.
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Art. 11 Rz. 1–2
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nomisch den Zinsempfänger treffen. Theoretisch wird auf diese Weise dieselbe Symmetrie wie im Inlandsfall erreicht und das Besteuerungssubstrat zwischen Quellenund Ansässigkeitsstaat aufgeteilt. Hat der Zinsgläubiger keine Refinanzierungsaufwendungen, so führt das Konzept des Art. 11 in der Tat zu dem sachgerechten Ergebnis, dass beide Staaten jeweils auf einen Teil des gesamten Besteuerungssubstrats zugreifen dürfen und dass auch keine Doppelbesteuerung erfolgt. Es ist aber eines der zentralen Probleme des Zinsartikels, dass in der Praxis eigenkapitalfinanzierte Fremdmittelausreichungen die rare Ausnahme sind und dass deswegen der Mechanismus des Art. 11 i.V.m. Art. 23A/B Doppelbesteuerungen hervorruft. 2
Quellensteuererhebung auf Bruttobasis kann zu Doppelbesteuerungsproblemen führen. International ist es üblich, entsprechend der Ermächtigung des Art. 11 Abs. 1 Quellensteuern auf Bruttobasis zu erheben. Bemessungsgrundlage der Quellensteuern sind also die vollen Zinszahlungen ohne Berücksichtigung etwaiger Refinanzierungsaufwendungen des Zinsgläubigers. Da eine verzinsliche Refinanzierung in der Praxis die Regel ist, führt die Quellensteuererhebung auf Bruttobasis häufig zu massiven Problemen. Institutionelle Investoren wie insbesondere Banken, aber auch Konzernfinanzierungsgesellschaften refinanzieren typischerweise ihre Fremdmittelausreichungen nahezu vollständig durch Fremdmittelaufnahmen, die in nahezu derselben Höhe verzinslich sind. Bei derartigen Margengeschäften bewirkt die Erhebung einer (10 %igen) Quellensteuer auf Bruttobasis generell die Entstehung nicht anrechenbarer Quellensteuerüberhänge. Die auf die Marge im Ansässigkeitsstaat des Zinsgläubigers entfallende Steuer entspricht regelmäßig nur einem kleinen Bruchteil der Quellensteuer, so dass überwiegend keine Anrechnung möglich ist. Die Anrechnung im Rahmen der Besteuerung anderer Einkünfte des Zinsgläubigers ist typischerweise durch die per-country-limitation1 eingeschränkt – regelmäßig hat der Zinsgläubiger zwar noch andere Fremdmittelausreichungen vorgenommen, diese aber auf diverse Staaten verteilt. Somit ist keine Kompensation von Anrechnungsüberhängen mit Anrechnungsunterhängen möglich. Noch größere Probleme als die per-country-limitation bewirkt die Tatsache, dass beim Zinsgläubiger in Gestalt einer Bank oder Konzernfinanzierungsgesellschaft nahezu alle Geschäfte Margengeschäfte sind. In diesen Fällen geht es gar nicht um die Kompensation von Anrechnungsüberhängen und -unterhängen, es gibt vielmehr ausschließlich Anrechnungsüberhänge. Bei Banken ist das Margengeschäft der geschäftsmodellseitig und aufsichtsrechtlich vorgegebene Standard. Die finanzielle Steuerung bezieht sich auf eine gewünschte Eigenkapitalquote und -rendite, was eine überwiegende Fremdmittelrefinanzierung aller Fremdmittelausreichungen erfordert. Bei Konzernfinanzierungsgesellschaften ist eine höhere Eigenkapitalausstattung als bei Banken üblich. Dennoch entstehen in der Praxis vielfach auch bei Konzernfinanzierungsgesellschaften Anrechnungsüberhänge, da derartige Gesellschaften nicht nur Eigenkapital einsetzen, sondern typischerweise gebündelt Mittel am Markt aufnehmen und diese international gestreut an diverse Konzerngesellschaften mit einem geringen Margenaufschlag verzinslich weiterreichen. Wegen der internationalen Streuung dieser Weiterreichung und wegen der geringen Margen entsteht hier das Problem eher aus der per-country-limitation. Die (Mit-)Verwendung von Eigenkapital für Zwecke der Refinanzierung kann dieses Problem reduzieren, löst es aber in der Praxis meist nicht komplett.
1 Per-country-limitation: Begrenzung der Anrechnung von Quellensteuern auf die Einkünfte aus einem Staat, Verbot der Anrechnung auf Einkünfte aus einem anderen Staat. Die percountry-limitation ergibt sich abkommensrechtlich nach Art. 23A Abs. 2 Satz 2/23B Abs. 1 Satz 2, nach nationalem Recht in Deutschland aus § 34c Abs. 1 S. 1 EStG/§ 26 Abs. 1 KStG: „ist die […] ausländische Steuer auf die deutsche Einkommen/Körperschaftsteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt“. Zwar ist die Höchstbegrenzung der Anrechnung auf das Belastungsniveau des Ansässigkeitsstaats nach dem Urt. des EuGH v. 12.5.1998 – C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2793 europarechtskonform. Durch die per-country-limitation wird jedoch die Investition in verschiedenen anderen Mitgliedstaaten im Gegensatz zur Investition in nur einem anderen Mitgliedstaat benachteiligt. Sie ist daher möglicherweise durch eine „per-community-limitation“ zu ersetzen, also die Zusammenfassung der Anrechnungsbeträge aus sämtlichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 3–4 Art. 11
Abwendung der Doppelbesteuerung bei Margengeschäften durch abkommens- 3 oder europarechtliche Quellensteuerfreiheit. Die bei Margengeschäften durch Anrechnungsüberhänge drohende Doppelbesteuerung (s. Rz. 2) wird am effektivsten durch Quellensteuerfreiheit abgewendet. Aus diesem Grund ordnet europäisches Recht für bestimmte Konstellationen vollständige Quellensteuerfreiheit an. Für konzerninterne Zinszahlungen, die in den Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie1 fallen, besteht Quellensteuerfreiheit. Der Anwendungsbereich dieser RL ist jedoch in persönlicher und sachlicher Hinsicht gegenüber dem Zinsartikel deutlich eingeschränkt (vgl. Rz. 25, 26). Die RL lässt abkommensrechtliche Regelungen unberührt, die mit derselben Intention wie die RL, aber für einen weiteren Anwendungsbereich abweichend von Art. 11 Abs. 2 kategorisch die vollständige Quellensteuerfreiheit von Zinsen anordnen. Teilweise ordnen die Abkommen auch nur für bestimmte Zinszahlungen die vollständige Quellensteuerfreiheit an, beispielsweise für Zahlungen an Banken und Finanzunternehmen. Theoretisch geht der komplette Ausschluss des Quellensteuerrechts für alle Zahlungen oder für bestimmte Zahlungen zwar zu Lasten des Steuersubstrats des Quellenstaats. Angesichts dessen, dass ansonsten die meisten Zinsgeschäfte nicht getätigt würden, vergibt sich in der Realität der Quellenstaat kein Besteuerungssubstrat, sondern macht sich lediglich standortpolitisch attraktiver und generiert infolgedessen ein höheres Aufkommen anderer Abgaben. Insbesondere die Abkommen Deutschlands mit den klassischen Standorten für Finanzierungsgesellschaften und/oder Banken (Großbritannien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz) sehen generell für Zinszahlungen ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Zinsgläubigers vor. Aus standortpolitischen Gründen haben diese Staaten auch in vielen DBA mit anderen Staaten als Deutschland gleichermaßen die vollständige Quellensteuerfreiheit vereinbart. Um vor dem Hintergrund der Üblichkeit von Margengeschäften als Standorte für Emissionen am Kapitalmarkt faktisch überhaupt in Frage zu kommen, erheben viele dieser Staaten bereits nach nationalem Recht grundsätzlich keine Quellensteuer auf nationale wie internationale Zinszahlungen. Deutschland hat sich dazu nicht durchringen können, diesem Beispiel zu folgen. Vielmehr differenziert Deutschland nach nationalen und internationalen Sachverhalten einerseits und nach Art und Weise des zinstragenden Instruments andererseits. Outbound-Zinszahlungen auf einfache Darlehen sind nach deutschem Recht quellensteuerfrei,2 auf vergleichbare innerdeutsche Zahlungen wird dagegen in der Regel Kapitalertragsteuer erhoben. Outbound-Zahlungen auf die meisten anderen zinstragenden Instrumente unterliegen sowohl im nationalen als auch im internationalen Fall vorbehaltlich abkommens- oder europarechtlicher Regelungen deutscher Quellensteuer.3 Abwehr der Doppelbesteuerung im Gestaltungswege. Wird die bei Margengeschäf- 4 ten durch Anrechnungsüberhänge drohende Doppelbesteuerung4 nicht bereits durch vollständige Quellensteuerfreiheit auf nationaler,5 abkommensrechtlicher oder europarechtlicher Basis6 abgewendet, so lassen sich Anrechnungsüberhänge im Gestaltungswege verhindern. Insbesondere kommt es in Betracht, ein Margengeschäft auf zwei Rechtsträger aufzuteilen und es dabei durch eine Eigenkapitalebene zu trennen.
1 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, Abl. EU Nr. L 157/49, geändert durch RL 2004/66/EG und RL 2004/76 EG. 2 Umkehrschluss zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Zinsen für deutsche Staatsanleihen, die von Investoren aus nicht-DBA-Staaten gehalten werden, quellensteuerfrei bleiben sollen, da der sonst von diesen Investoren verlangte Ausgleich für die Quellensteuer (gross-up, s.o. Rz. 5) die Finanzierungskosten der öffentlichen Hand steigern würde. Aus diesem Grund darf auch vermutet werden, dass die generelle Quellensteuerfreiheit einfacher Outbound-Zinsen nicht vom deutschen Gesetzgeber beseitigt werden wird. 3 Vgl. §§ 43, 43a EStG für die nationalen Fälle sowie § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG für die internationalen Fälle, zu Details s. Rz. 36 ff. 4 Vgl. Rz. 2. 5 Zur Quellensteuerpflicht und -freiheit nach deutschem Recht s.u. Rz. 36 ff. 6 Vgl. Rz. 3, 24 ff.
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Art. 11 Rz. 4–5
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Beispiel: Kapitalgesellschaft 1 nimmt Mittel am Kapitalmarkt verzinslich auf. Mit den erhaltenen Mitteln erhöht Kapitalgesellschaft 1 das Eigenkapital ihrer Tochterkapitalgesellschaft (2). Kapitalgesellschaft 2 reicht die Mittel verzinslich an weitere Kapitalgesellschaften (3) aus. Lösung: Quellensteuern, die auf Zahlungen der Kapitalgesellschaften 3 an Kapitalgesellschaft 2 erhoben werden, führen grundsätzlich nicht zu Anrechnungsüberhängen bei Kapitalgesellschaft 2. Grund dafür ist, dass Kapitalgesellschaft 2 sich aus Eigen- und nicht aus Fremdmitteln refinanziert, also technisch kein Margengeschäft betreibt. Damit die Gestaltung insgesamt erfolgreich ist, muss sichergestellt werden, dass bei Kapitalgesellschaft 1 der Abzug der Refinanzierungsaufwendungen für ihre Beteiligung an Kapitalgesellschaft 2 rechtlich und ökonomisch erreicht wird. Ist Kapitalgesellschaft 1 in Deutschland ansässig, so ist dieser Abzug vorbehaltlich der Zinsschranke1 wegen § 8b Abs. 5 KStG grundsätzlich möglich. Es kommt lediglich zur 25 %igen gewerbesteuerlichen Hinzurechnung aus § 8 Nr. 1 GewStG, soweit der Freibetrag von 100 000 Euro überschritten ist. Handelt es sich bei Kapitalgesellschaft 1 um eine deutsche Obergesellschaft eines internationalen Konzerns, liegt regelmäßig auch das entsprechende Einkommen (tax capacity) vor, so dass ökonomisch der Abzug erreicht wird. Da Kapitalgesellschaft 1 sich am Kapitalmarkt refinanziert, ist überdies darauf zu achten, dass auch die Zahlungen an die Investoren am Kapitalmarkt quellensteuerfrei erfolgen, da sich ansonsten die Problematik der Doppelbesteuerung durch ein Margengeschäft bei den Investoren stellt. In der Praxis lässt sich dies am besten bewerkstelligen, indem Kapitalgesellschaft 1 nicht direkt an die Investoren herantritt, sondern indirekt über eine ausländische Konzernfinanzierungstochter, die in einem Staat ansässig ist, der bereits nach nationalem Recht keine Quellensteuer erhebt.2 Die Gestaltung ist nicht nur völlig legitim, da sie der Abwendung einer Doppelbesteuerung dient und dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit3 entspricht. Sie ist auch europarechtlich legitimiert, wenn Kapitalgesellschaft 1 im Inland und Kapitalgesellschaft 2 im Ausland ansässig ist. Das pauschale 5 %ige Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG repräsentiert den Versuch4 des deutschen Gesetzgebers, von der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 2 der europarechtlichen MTRL5 Gebrauch zu machen. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der MTRL darf zwar ein pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot vom nationalen Gesetzgeber in Höhe von maximal 5 % der erhaltenen Ausschüttungen angeordnet werden, aber nur dann, wenn daneben die konkreten Ausgaben zum Abzug zugelassen werden. Nimmt beispielsweise Kapitalgesellschaft 2 gar keine Ausschüttungen vor, da Kapitalgesellschaft 1 die Vergütungen an die Investoren aus anderen Quellen speist, etwa aus Liquidität aus dem operativen Geschäft, wirkt sich daher die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG ausschließlich vorteilhaft aus. Auch das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG für Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften stehen, ist unanwendbar. Nach dem Wortlaut des § 8b Abs. 5 S. 2 KStG ist ausdrücklich die Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG gesperrt. Selbst wenn man eine Sperrung des § 3c Abs. 1 EStG nur für den Fall der tatsächlichen Entstehung nichtabzugsfähiger Aufwendungen aus § 8b Abs. 5 KStG annähme, ergäbe sich nichts anderes, da dann die vor Einführung der 5 %-Regelung geltende Rspr. zu § 3c Abs. 1 EStG zur Anwendung käme: Ohne Dividendenzufluss im selben VZ war auch vor Einführung der 5 %-Regelung § 3c Abs. 1 EStG mangels unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs unanwendbar.6
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Übernahme der Quellensteuer durch den Zahlenden (gross-up). Für den Fall, dass sich Quellensteuerfreiheit nicht gewährleisten lässt, hat es sich am Kapitalmarkt zum Standard entwickelt, dass der Zahlende die Zinszahlungen um die Quellensteuer erhöht, sog. gross-up. Der Hintergrund dafür ist, dass es am Kapitalmarkt Standard ist, dass der Zinsgläubiger ein Margengeschäft tätigt und infolgedessen ge1 Zu offenen Praxisfragen zur Zinsschranke allgemein sowie insbesondere zur europarechtlichen Würdigung siehe Körner, Ubg 2011, 610. 2 Beispielsweise die Niederlande oder Luxemburg, s.o. Rz. 3. 3 Es steht im deutschen Steuerrecht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, wie er seine Aktivitäten finanziert, so genannter Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 197; v. 8.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. 4 Dieser Versuch ist an der Nichtberücksichtigung des Diskriminierungsverbots aus der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gescheitert. Dieses primärrechtliche europäische Diskriminierungsverbot ist auch bei der Umsetzung sekundärrechtlicher europarechtlicher RL zu beachten, Körner, BB 2003, 2436; Körner, IStR 2006, 376. 5 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 6 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57; v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, 60; v. 29.5.1996 – I R 21/96, BStBl. II 1997, 63.
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Körner
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 5–7 Art. 11
nerell keine Quellensteuer anrechnen kann (vgl. Rz. 2). Die somit definitiv werdende Quellensteuer wird in diesen Fällen vom Zinsgläubiger auf den Zinsschuldner überwälzt. Dies verteuert die Finanzierung für den Zinsschuldner, lässt aber die Marge des Zinsgläubigers unberührt. Wegen dieser Verteuerung ist ein gross-up regelmäßig auch nicht von vornherein vorgesehen, sondern vielmehr als hilfsweise eintretender Mechanismus für den Fall, dass ein ursprünglich quellensteuerfreies Geschäft quellensteuerbelastet wird. Dies kann sich beispielsweise durch eine Änderung der Rechtslage während der Laufzeit eines Geschäfts ergeben. Quellensteuererhebung kann aber auch bei unveränderter Rechtslage dadurch auftreten, dass sich die Fehleinschätzung der Quellensteuerfreiheit durch die Parteien herausstellt. Um das Volumen des gross-up zu minimieren, sehen die entsprechenden Klauseln regelmäßig die Verpflichtung des Zinsgläubigers vor, sich um eine Anrechnung bestmöglich zu bemühen und enthalten ein vorzeitiges Kündigungsrecht des Schuldners.
II. Aufbau der Vorschrift Allgemeine Regelung sowie Hilfs- und Spezialnormen. Art. 11 enthält im Wesentli- 6 chen drei Geltungsanordnungen. Neben einer allgemeinen Regelung, deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen inklusive der Definitionen und Hilfsnormen über die Abs. 1, 2, 3, 5 verteilt sind, gibt es noch eine abweichende Regelung in Gestalt des Betriebsstättenvorbehalts des Abs. 4 sowie einen Fremdvergleichsvorbehalt in Abs. 6. Die allgemeine Regelung der Abs. 1, 2, 3, 5 sieht vor, dass aus dem einem Abkommensstaat stammende Zinsen in diesem Quellenstaat einer 10 %igen Besteuerung unterworfen werden dürfen (Abs. 2) und im Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten in grundsätzlich unbeschränkter Höhe besteuert werden dürfen (Abs. 1), wobei aber nach Art. 23A/B die Quellensteuer auf die im Ansässigkeitsstaat anfallende Steuer1 anzurechnen ist. Für Zwecke dieser allgemeinen Regelung definiert Abs. 3 den Begriff der Zinsen. Dies ist weniger innerhalb des Regelungsmechanismus des Art. 11 selbst von Bedeutung, als für die Abgrenzung gegenüber anderen Verteilungsnormen des OECDMA, insbesondere gegenüber Art. 10 (Dividenden; s. dazu Art. 10 Rz. 114 ff. sowie Rz. 14 und 53 ff.) sowie gegenüber Art. 13 (Veräußerungsgewinne; s. dazu Rz. 81) und Art. 21 (Andere Einkünfte; s. dazu Rz. 81). Unter welchen Voraussetzungen Zinsen aus einem Abkommensstaat stammen, regelt Abs. 5. Dabei ist nach Abs. 5 S. 1 grundsätzlich auf die Person des Schuldners abzustellen. Ist dieser in einem Abkommensstaat ansässig, stammen die Zinsen aus diesem Staat. Ausnahmsweise kommt es nach Abs. 5 S. 2 nicht auf die Person des Schuldners an. Ist die zinstragende Verbindlichkeit funktional einer Betriebsstätte in einem Abkommensstaat zuzuordnen, gelten die Zinsen als aus diesem Staat stammend, unabhängig von der Ansässigkeit des Schuldners. Die allgemeine Regelung der Abs. 1, 2, 3, 5 tritt unter den Voraussetzungen des Abs. 4 zurück, so dass sich die Besteuerungskompetenzen verändern. Im Falle der tatsächlichen Zugehörigkeit der zinstragenden Forderung zu einer Betriebsstätte im Quellenstaat tritt gem. Abs. 4 ein unbeschränktes Besteuerungsrecht des Betriebsstätten-/ Quellenstaats an die Stelle des beschränkten Besteuerungsrechts aus Abs. 2, die Zinsen gehören dann also zu den Betriebsstättengewinnen. In diesen Fällen ist der Ansässigkeitsstaat nach Art. 23A/B zur Abwendung der Doppelbesteuerung gehalten. Befindet sich die Betriebsstätte außerhalb Deutschlands, werden in der deutschen Abkommenspraxis die ihr zuzurechnenden Gewinne generell freigestellt. Der Fremdvergleichsvorbehalt des Abs. 6 für überhöhte Zinsen gilt ausweislich des Wortlauts für den gesamten Anwendungsbereich des Art. 11. Nach Abs. 6 S. 1 wird die Anwendung der übrigen Regelungen des Zinsartikels auf den fremdüblichen Betrag der Zinsen limitiert. Abs. 6 S. 2 eröffnet die Anwendung anderer Vorschriften des OECD-MA für den übersteigenden Teil.
III. Rechtsentwicklung Regelungsstabilität einerseits, zunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs andererseits. Der Regelungsinhalt des Zinsartikels ist seit vielen Jahren sta1 Zu dem Doppelbesteuerungsproblem durch Anrechnungsüberhänge s. Rz. 2 ff.
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7
Art. 11 Rz. 7–10
Zinsen
bil; in den OECD-MA 1977, 1998, 2000, 2005, 2010 ist er in unverändertem Text enthalten. Auch gegenüber der Vorgängerversion des OECD-MA 1963 besteht der Unterschied lediglich darin, dass im OECD-MA 1963 noch nicht die Regelung enthalten war, wonach Zuschläge für verspätete Zahlung nicht als Zinsen im Sinne des Zinsartikels gelten. Dennoch ist im Zusammenhang mit dem Zinsartikel eine für die Praxis äußerst praxisrelevante historische Entwicklung zu beobachten, die sich allerdings erst aus der Zusammenschau mit den Änderungen anderer Regelungen des OECD-MA ergibt. Die allgemeinen Regelungen des OECD-MA, die Abkommensvorteile aus Qualifikationskonflikten kassieren, entfalten insbesondere im Bereich der Qualifikationskonflikte zwischen Zins- und Dividendenartikel ihre Bedeutung. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 23A Abs. 4 zu nennen, wonach grundsätzlich der Wechsel zur Anrechnungsmethode erfolgt, wenn Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen oder verschiedenen Personen zugerechnet werden, sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren im Sinne des Art. 25 Abs. 3 lösen lässt und infolgedessen eine Nicht- oder Minderbesteuerung eintritt, s. dazu Rz. 19. Diverse weitere Ausnahmevorschriften für die Fälle der Erzielung nicht intendierter Abkommensvorteile haben sich jenseits des OECD-MA in der Abkommenspraxis etabliert, namentlich komplette oder teilweise Rücknahmen der Quellensteuerbegrenzung des Zinsartikels in bestimmten Fällen hybrider Finanzierung sowie in Fällen von Treaty-shopping, s. dazu Rz. 16–21. M.E. steht zu erwarten, dass auch die OECD in künftigen Fassungen des OECD-MA derartige Vorschriften aufnehmen wird. Schließlich war dies auch die Entwicklung hinsichtlich Art. 23A Abs. 4 – bevor diese Regelung ins OECD-MA eingefügt wurde, hatte sie sich zunächst in der Abkommenspraxis etabliert. Wenig erfreulich ist an der gesamten Entwicklung, dass es ausschließlich um die Bekämpfung tatsächlicher sowie vermeintlicher Abkommensmissbräuche geht. Aus Sicht der Steuerpflichtigen hat sich somit eine erhebliche Gefahr aus der drohenden Versagung von Abkommensvorteilen in Fällen nichtsteuerlich getriebener Finanzierungen entwickelt. Zu vermissen ist eine Weiterentwicklung des Regelungsgehalts des Zinsartikels für den Bereich der nicht missbräuchlichen praxistypischen Fälle, z.B. im Sinne eines kompletten Ausschlusses des Quellenbesteuerungsrechts zwecks Abwendung von Anrechnungsüberhängen bei Margengeschäften, s. dazu Rz. 2.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Abkommensrecht a) Verhältnis zu Art. 10 (Dividenden) 8
Unterschiedliche Regelungsbereiche. Art. 10 (Dividenden) regelt grundsätzlich die abkommensrechtliche Behandlung von Vergütungen für die Überlassung von Eigenkapital. Art. 11 (Zinsen) betrifft dagegen die abkommensrechtliche Behandlung von Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital.
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Unterschiedliche Voraussetzungen. Auf der Voraussetzungsseite erfolgt die Abgrenzung über die Unterschiede zwischen den Definitionsnormen des Art. 10 Abs. 3 einerseits und des Art. 11 Abs. 31 andererseits. Anhand der entsprechenden Begriffsbestimmungen sind Eigen- und Fremdkapital abkommensrechtlich voneinander zu unterscheiden.
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Unterschiedliche Rechtsfolgen. Sowohl Art. 10 als auch Art. 11 betreffen die Überlassung von Kapital, ordnen jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen an.2 Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen liegen nicht nur in den unterschiedlich hohen Quellensteuerbegrenzungen. Für die Praxis viel bedeutsamer sind die international vorherrschenden unterschiedlichen Besteuerungskonzepte beim Zahlenden einerseits und beim Empfänger andererseits. Diese unterschiedlichen Konzepte ergeben sich nicht nur aus dem Abkommensrecht, sondern auch aus dem jeweiligen nationalen Recht. Zwar zielen beide Konzepte auf Symmetrie, jedoch wird diese in unterschiedlicher Weise verfolgt. 1 S. dazu Rz. 53 ff. 2 S. zu den Details der Abgrenzung auf der Voraussetzungsseite Rz. 53 ff.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 11–12 Art. 11
Allgemeines Besteuerungskonzept bezüglich Zinsen. International ist es üblich, 11 dass in Inlandssachverhalten Zinsen beim Zahlenden steuerlich abzugsfähig sind und beim Empfänger besteuert werden. Durch Art. 11 soll dies auch im grenzüberschreitenden Fall erreicht werden;1 die Quellensteuererhebung dient dabei lediglich der Aufteilung des Besteuerungssubstrats zwischen den beiden Abkommensstaaten. Allgemeines Besteuerungskonzept bezüglich Dividenden. In den allermeisten 12 Rechtsordnungen sind in nationalen wie internationalen Sachverhalten Dividenden im Gegensatz zu Zinsen steuerlich beim Zahlenden nicht abzugsfähig. Zinsen betreffen nach diesem Konzept die Ebene der Einkommens-/Gewinnermittlung des Zahlenden, Dividenden dagegen die Verwendung eines zuvor ermittelten Gewinns. Der Gewinn, aus dem die Dividenden gezahlt werden, hat regelmäßig bereits der Ertragsbesteuerung auf Ebene des Zahlenden unterlegen. Diese Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne wird üblicherweise durch teilweise oder vollständige Freistellung der Dividenden beim Empfänger berücksichtigt. In Deutschland erfolgt dies beispielsweise durch § 8b Abs. 1, 5 KStG bei interkorporalen Dividenden und durch die Abgeltungssteuer oder das Teileinkünfteverfahren bei Ausschüttungen an natürliche Personen. Die allgemeine Regelung, dass Dividenden nicht abzugsfähig sind, gilt in Deutschland wie in vielen Rechtsordnungen auch für internationale Fälle. Die Freistellung internationaler Dividendenzahlungen auf Empfängerebene ergibt sich regelmäßig abkommensrechtlich oder nach nationalem Recht. In der (deutschen) Abkommenspraxis wird für Schachteldividenden i.S.d. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a auf Empfängerseite regelmäßig die Freistellung vereinbart. Überdies ergibt sich unabhängig von einer Beteiligungsquote aus deutscher Sicht die 95 %ige Freistellung interkorporaler Dividenden bereits aus der nationalen Vorschrift des § 8b Abs. 1, 5 KStG. Allerdings wird voraussichtlich infolge der Gesetzesänderungen im Rahmen des anstehenden JStG 2013 die Freistellung des § 8b Abs. 1, 5 KStG in all den Fällen versagt werden, in denen die entsprechenden Dividenden bei der ausschüttenden Körperschaft steuerlich abgezogen worden sind.2 Die Freistellung nach § 8b Abs. 1, 5 KStG dürfte also künftig von einer symmetrischen (= korrespondierenden) Besteuerung bei Zahlendem und Zahlungsempfänger abhängig werden. Der Anwendungsbereich des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG, der im Moment ein derartiges Korrespondenzprinzip nur für verdeckte Gewinnausschüttungen aus in- und ausländischen Körperschaften anordnet, wird voraussichtlich auf sämtliche Bezüge ausgeweitet, also auch auf offene Gewinnausschüttungen aus in- und ausländischen Körperschaften. Gerade für den Fall, dass im Ausland eine Abzugsfähigkeit bewusst gewährt wird, ist eine derartige Regelung äußerst verdächtig, eine europarechtlich verbotene Hinzurechnungsbesteuerung zu bewirken.3 Vor allem stellt sich die Frage, ob es nicht künftig im Falle der Auslösung von Abzugsverboten im Ausland in konsequenter Anwendung des Korrespondenzprinzips auch in umgekehrter Richtung zur Freistellung entsprechender bislang steuerpflichtiger (Zins-)Zahlungen in Deutschland nach § 8b Abs. 1, 5 KStG kommen müsste – zumindest innerhalb der EU wäre eine Korrespondenz nur zu Gunsten des deutschen Fiskus äußerst fragwürdig.4 Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 8b Abs. 1, 5 KStG droht in Gestalt einer Einführung einer Mindestbeteiligungsschwelle von 10 % am Nennkapital, wie sie § 8b Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 vorsieht.5 Dadurch würden auch bei Erfüllung der Voraussetzung der Vorbelastung im Sinne des § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG Instrumente, die bislang für die Anwendung des § 8b Abs. 1, 5 KStG qualifizieren, da sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös im
1 S.o. Rz. 1. 2 Vgl. zum Entwurf des JStG 2013 die erste Fußnote zu Art. 7 (2008) Rz. 42; s. bereits Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 zur Stellungnahme des Bundesrats zum JStG 2013 vom 6.7.2012, BR-Drucks. 302/12. 3 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1593, unter 2.). 4 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1593, unter II.3.). 5 G v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, 561.
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Art. 11 Rz. 12–13
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Sinne des § 8 Abs. 3, Satz 2, Halbs. 2 KStG umfassen, aus dem Anwendungsbereich der Freistellung ausgenommen: derartige Instrumente, wie etwa eigenkapitalähnliche Genussrechte, umfassen regelmäßig gar keine Nennkapitalbeteiligung, da sie zivilrechtlich als Forderungen einzustufen sind. Die Grundregelung des § 8b KStG, wonach Beteiligungserträge beim Empfänger freigestellt werden, dürfte also in Deutschland durch einige bedeutsame Ausnahmen weiter eingeschränkt werden. Im Übrigen bliebe aber das Prinzip der interkorporalen Freistellung von Eigenkapitalerträgen erhalten; er ist auch international äußerst verbreitet. Im Ausland existieren vielfach dem § 8b KStG vergleichbare Vorschriften, zum Teil mit Mindestbeteiligungsschwelle und -dauer.1 Viele EU-Mitgliedstaaten setzen durch eine solche Freistellung die MTRL2 um. Zwar erfordert die MTRL grundsätzlich eine 10 %ige Beteiligungsquote, überdies erlaubt sie den Mitgliedstaaten, eine Mindestbeteiligungsdauer von maximal zwei Jahren zu fordern. Jedoch setzen viele EU-Mitgliedstaaten die RL über ihre Voraussetzungen hinaus für praktisch alle interkorporalen Dividenden durch Anordnung einer Freistellung um. Eine wesentliche Konsequenz der Freistellung ist, dass Quellensteuer auf Dividenden grundsätzlich nicht beim Empfänger anrechenbar ist, da es sich (technisch) um steuerfreie Einkünfte handelt. Da eine Quellensteuererstattung an Gebietsfremde in den meisten Rechtsordnungen und Abkommen nicht vorgesehen ist, wird die Quellensteuer in diesen Fällen definitiv. Um die insofern drohende Doppelbesteuerung abzuwenden, ordnet die MTRL unter anderem die Quellensteuerfreiheit von Dividenden an. Jenseits des Anwendungsbereichs der MTRL, also bei Dividenden aus Nicht-EU-Quellen oder aus EU-Quellen und bei einer Beteiligungsquote von weniger als 10 %, kommt es jedoch darauf an, ob durch nationales Recht oder durch das konkrete DBA die Quellensteuerfreiheit erreicht werden kann. Deutschland erhebt beispielsweise auf Outbound-Dividendenzahlungen grundsätzlich Kapitalertragsteuer, so dass zur Abwendung einer Definitivbelastung eine Abkommensvorschrift erforderlich ist, die vollständige Quellensteuerfreiheit anordnet. Der EuGH hat die Definitivbelastung im Falle der Beteiligungsquote von weniger als 10 % bei Zahlungen an EU-Ausländer als europarechtlich verbotene Diskriminierung eingestuft.3 Dies ist auch der Hintergrund für die mit dem JStG 2013 angestrebte Einführung eines 10 %igen Mindestbeteiligungserfordernisses in § 8b KStG. Es ist jedoch fraglich, ob auf diese Weise die Europarechtskonformität hinsichtlich der Quellensteuer hergestellt werden kann, da auf diese Weise nicht unbedingt sicher gestellt würde, dass nicht weiterhin faktisch grenzübergreifende Dividendenzahlungen einer höheren Belastung unterworfen würden als inländische Zahlungen. 13
Kritik der Rechtsfolgenunterschiede. Zwar zielen der Zins- und der Dividendenartikel sowie die zugrunde liegenden Konzepte generell auf die Abwendung der Doppelbesteuerung und auf eine Gesamtbetrachtung von Zahlenden und Zahlungsempfänger. Durch die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte ergeben sich jedoch massive Rechtsfolgenunterschiede, die in internationalen Fällen noch verstärkt werden. Zunächst einmal gibt es erhebliche Unterschiede bei der Quellensteuer: Die Finanzierungskosten für Eigenkapital werden durch Quellensteuern verteuert, dieser Effekt tritt beim Fremdkapital grundsätzlich nicht auf. Bei Dividenden sind Quellensteuern regelmäßig im internationalen Fall wegen der Freistellung der Dividenden beim Empfänger nicht anrechenbar, nicht erstattbar und führen somit zu einer Doppelbesteuerung und echten Mehrbelastung. Bei Zinsen sind Quellensteuern theoretisch generell und praktisch unter Berücksichtigung üblicher Gestaltungen anrechenbar und führen somit zu keiner Doppelbesteuerung. Bereits das ist nicht nachvollziehbar, da die Quellensteuern abkommensrechtlich in beiden Fällen im Wesentlichen die Aufteilung des Besteuerungssubstrats bezwecken, aber keine Doppelbesteuerung hervorrufen sollen. Ein weiteres Problem ist, dass die Steuersatzunterschiede zwischen Zahlendem und Zahlungsempfänger sich bei Dividenden und Zinsen äußerst unterschiedlich auswirken, wie das folgende Beispiel zeigt: 1 Zu den entsprechenden Regelungen typischer Holdingstandorte innerhalb der EU s. Eggeling, Ubg 2011, 676. 2 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 3 EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09 – Kommission./.Deutschland, DStR 2011, 2038.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 13
Art. 11
Beispiel: Die in Deutschland ansässige Mutterkapitalgesellschaft ist an zwei Tochterkapitalgesellschaften 1 und 2 beteiligt. Tochterkapitalgesellschaft 1 ist in einem Staat ansässig, der einen niedrigeren Ertragsteuersatz als Deutschland aufweist, Tochterkapitalgesellschaft 2 ist in einem Staat mit einem höheren Ertragsteuersatz als Deutschland ansässig. Lösung: Die unterschiedlichen Besteuerungskonzepte für Zinsen und Dividenden legen nahe, Tochterkapitalgesellschaft 1 mit Eigenkapital auszustatten, Tochterkapitalgesellschaft 2 dagegen mit (Gesellschafter-)Fremdkapital. Durch die Eigenkapitalfinanzierung werden die Gewinne von Tochterkapitalgesellschaft 1 dem niedrigen Steuersatz ihres Ansässigkeitsstaats unterworfen. Ausschüttungen der Tochterkapitalgesellschaft 1 werden in Deutschland nach § 8b Abs. 1, 5 KStG überwiegend freigestellt. Die Gewinne von Tochterkapitalgesellschaft 2, die ohne Fremdfinanzierung komplett dem hohen Steuersatz ihres Ansässigkeitsstaats unterliegen würden, werden in Höhe der abzugsfähigen Zinszahlungen (Hinweis auf etwaige thin capitalisation rules) stattdessen zur Mutterkapitalgesellschaft verlagert und dem deutschen Steuersatz unterworfen. Die Allokation von Eigen- oder Fremdkapital in die diversen Gesellschaften ist grundsätzlich frei wählbar, vgl. das Beispiel in Rz. 4. Daher ist wegen der unterschiedlichen Besteuerungskonzepte für Eigen- und Fremdkapitalerträge auch die internationale Allokation der steuerpflichtigen Finanzierungserträge an Standorten mit niedrigem Steuersatz und damit die Minimierung der steuerlichen Gesamtbelastung grundsätzlich möglich; extremen Gestaltungen wird allerdings durch spezifische Missbrauchsbekämpfungsvorschriften vorgebeugt.
In ökonomischer Hinsicht sind diese Unterschiede wenig nachvollziehbar, da sowohl für die Überlassung von Eigen- als auch von Fremdkapital eine Vergütung üblich ist. Der rechtliche Unterschied besteht lediglich darin, dass diese beim Fremdkapital typischerweise von vornherein vertraglich fixiert wird, während sie beim Eigenkapital seitens des Investors als Dividende oder Wertsteigerung erwartet wird. Tendenziell wird jedoch die Eigenkapitalfinanzierung steuerlich nachteiliger behandelt, insbesondere hinsichtlich der definitiven Quellensteuern. Ökonomisch sachgerecht wäre es, das für Fremdkapital geltende Besteuerungskonzept auch für Eigenkapital zur Anwendung zu bringen, also die Kosten der Eigenkapitalfinanzierung steuerlich abzugsfähig zu machen.1 Diesen Ansatz verfolgt beispielsweise die belgische Regelung über die „notional interest deduction“, wonach eine bestimmte Eigenkapitalrendite steuerlich abzugsfähig ist. Die Höhe dieser jährlich neu festgesetzten Eigenkapitalrendite orientiert sich an der nominellen Verzinsung belgischer Staatsanleihen und lag in den letzten Jahren bei 3–4 %. Mit dieser Regelung wurde zugleich auch ein Anreiz zur Thesaurierung geschaffen, da der Abzug nicht an die Zahlung einer Dividende anknüpft, sondern an den Eigenkapitaleinsatz an sich. Standortpolitisch hat sich diese Regelung für Belgien sehr vorteilhaft ausgewirkt, da sie massive Kapitalerhöhungen und Investitionen bewirkte. Indem die tendenzielle steuerliche Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung beseitigt wurde, wurden Zentren der Wertschöpfung gestärkt und der Anreiz zu erodierender Fremdfinanzierung beseitigt. In diesem Zusammenhang sollte man sich die jüngste Finanzkrise, die Diskussion um die künftig höhere Eigenkapitalausstattung insbesondere von Banken (Basel III) und den Effekt der Stärkung operativ tätiger Unternehmen in ihrer Investitionskraft durch einen Thesaurierungsanreiz vor Augen führen. Italien hat jüngst die belgische Regelung grundsätzlich übernommen, allerdings wurde zur Aufkommensstabilisierung die Regelung nur für das Eigenkapital eingeführt, welches ab dem 1.1.2012 neu gebildet worden ist. Eine in ihren Anreizwirkungen den belgischen und italienischen Vorschriften ähnliche Regelung gilt seit einigen Jahren in Estland. Dort kommt es lediglich im Falle einer Ausschüttung zur Erhebung von Körperschaftsteuer. Solange Gewinne thesauriert werden, bleiben sie komplett steuerbefreit. Eine derartige Ausschüttungssteuer ist übrigens im Gegensatz zu einer Quellensteuer (s. dazu Rz. 12) auch abkommens- und europarechtlich unproblematisch, da sie keine Quellensteuer darstellt und daher ihre Erhebung keinen Einschränkungen unterliegt. Dadurch, dass Deutschland keinen Eigenkapitalkostenabzug gewährt ist im Übrigen auch der Anreiz entstanden, belgische, italienische oder estnische Tochtergesellschaften mit Eigenkapital auszustatten und die entsprechenden Refinanzierungsaufwendungen in 1 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1594, 1995, unter III.2. und unter IV.).
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Art. 11 Rz. 13–14
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Deutschland zu allozieren.1 In den meisten Rechtsordnungen wird nicht der grundlegende Befund der Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung beseitigt. Stattdessen werden in Deutschland und andernorts die Symptome der Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung durch Auferlegung ähnlicher Nachteile für bestimmte Formen der Fremdfinanzierung bekämpft, indem der Abzug durch thin capitalisation rules im Ausland und in Deutschland durch die Zinsschranke nebst gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen ganz oder teilweise eingeschränkt wird. Dies ist vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips äußerst problematisch, da sowohl die Kosten der Fremd- als auch der Eigenkapitalfinanzierung echte ökonomische Belastungen bewirken. Überdies wäre die Gewährung eines Abzugs für Eigenkapitalkosten standortpolitisch sehr viel geschickter als die gegenwärtige steuerliche Diskriminierung der Eigenkapitalfinanzierung.2 In Deutschland betrug im Jahr 2011 das Aufkommen der von Bund, Ländern und Gemeinden insgesamt vereinnahmten Steuern ca. 573 Mio. t, davon ca. 17 Mrd. t KSt inklusive SolZ, ca. 40 Mrd. t GewSt, ca. 190 Mrd. t USt und ca. 140 Mrd. t LSt. Diese Zahlen plausibilisieren, dass eine Begünstigung der Eigenkapitalbildung und damit der Investition in Kapitalgesellschaften sich über zusätzliche Investitionen und damit über ein höheres USt- und LSt-Aufkommen, ggf. auch durch zusätzliche Sozialabgaben für den Fiskus auszahlen dürfte. Insbesondere gilt dies, wenn nach italienischem Vorbild eine derartige Regelung nur für das Eigenkapital eingeführt wird, das ab einem bestimmten Stichtag zusätzlich gebildet wird, da auf diese Weise auch einem Rückgang des vorhandenen KSt- und GewSt-Aufkommens vorgebeugt wird. Es ist durchaus denkbar, in Deutschland die italienische Regelung mit der estnischen zu kombinieren, d.h. für die Thesaurierung von Eigenkapital, welches ab einem bestimmten Stichtag zusätzlich gebildet wird, einen Eigenkapitalkostenabzug und daneben eine ausschließliche Ausschüttungssteuer einzuführen. Somit würde das aktuelle Aufkommen der Gewinnsteuern stabilisiert und zugleich bei Gesamtbetrachtung von Kapitalnehmern und -gebern sowohl ein positiver als auch ein negativer Thesaurierungsanreiz gesetzt. 14
Gestaltungschancen und -risiken. Der vor dem ökonomischen Hintergrund seltsam anmutende steuerkonzeptionelle Unterschied in der Behandlung von Eigen- und Fremdkapital führt in der Praxis nicht nur zu fehlender Finanzierungsneutralität, s. dazu das Beispiel in Rz. 13. Er eröffnet auch umfangreiche Gestaltungschancen. Dabei geht es nicht nur um die Ausnutzung des Steuersatzgefälles. Viel weitergehende Chancen liegen traditionellerweise im Grenzbereich der Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung, der hybriden Finanzierung. Besonders vorteilhaft aus Sicht des Steuerpflichtigen sind dabei (konzerninterne) Gestaltungen, bei denen Qualifikationskonflikte genutzt werden, die eine Kombination der Vorteile der beiden Konzepte beinhalten: Wird dieselbe Vergütung im Quellenstaat als abzugsfähiger Zins, im Ansässigkeitsstaat als freizustellende Dividende eingestuft, ergeben sich in der Gesamtbetrachtung steuerfreie (= weiße) Einkünfte durch eine sog. one-sided deduction, also einen Abzug bei einem Steuerpflichtigen, dem keine Steuerpflicht beim anderen Steuerpflichtigen gegenübersteht. Ein derartiger Qualifikationskonflikt basiert typischerweise auf unterschiedlichen Abgrenzungskriterien für Eigen- und Fremdkapital in den beiden involvierten Rechtsordnungen oder aufgrund abweichender Anwendungen des Abkommens (vgl. Rz. 9 sowie Rz. 53 ff.). Nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit3 ist die Missbräuchlichkeit entsprechender Gestaltungen i.S.d. § 42 AO nicht aus der bloßen Tatsache abzuleiten, dass der Steuerpflichtige die steuerlichen Unterschiede in der Behandlung von Eigen- und Fremdkapital gezielt nutzt. Die steuerliche Korrektur derartiger Gestaltungen zu Gunsten des Fiskus kann daher nur unter den Voraussetzungen abkommensrechtlicher4 oder nationaler Spezial-
1 Tochterkapitalgesellschaft 1 des Beispiels wäre also z.B. in Belgien ansässig. 2 Kraft/Körner/Türksch, DB 2012, 1592 (1594, 1595, unter III.2. und unter IV.). 3 Es steht im deutschen Steuerrecht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, wie er seine Aktivitäten finanziert, so genannter Grundsatz der Finanzierungsfreiheit, BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, BStBl. II 1998, 197; v. 8.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532. 4 Z.B. switch-over oder subject-to-tax-Klauseln, s.u. Rz. 16 ff.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 14–16 Art. 11
vorschriften1 erfolgen. Der Bekämpfung von Gestaltungen innerhalb der EU sind aber durch die Rspr. des EuGH sehr enge Grenzen gesetzt,2 so dass bei Sachverhalten innerhalb der EU bislang die Chancen überwiegen, während bei Sachverhalten ohne EU-Bezug die Risiken überwiegen. Nichtsdestotrotz dürften sich infolge der mit dem JStG 2013 anstehenden Ausweitung des Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (s. dazu Rz. 12) vor dem Hintergrund der bereits existierenden Regelung des § 50d Abs. 9 EStG (s. dazu Rz. 76) die Möglichkeiten derartiger Gestaltungen erheblich reduzieren. Spiegelbildlich zu den Gestaltungschancen tun sich entsprechend Risiken auf. Wegen der überschießenden Tendenz sich international immer stärker verbreitenden abkommensrechtlichen und einzelstaatlichen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften (s. Rz. 16–22) dürften allerdings die Risiken im Gegensatz zu den Gestaltungschancen zunehmen. Derartige Risiken liegen beispielsweise in der Doppelbesteuerung, die sich ergibt, wenn der Quellenstaat eine Zahlung als nicht abzugsfähige Dividende einstuft, der Ansässigkeitsstaat dieselbe Zahlung dagegen als steuerpflichtigen Zins. b) Verhältnis zu weiteren Art. des OECD-MA Verhältnis zu Art. 21 und Art. 13. Zahlungen, die mangels zu Grunde liegender 15 Forderung nicht als Zinsen qualifizieren (s. Rz. 81), z.B. Zahlungen auf einen Zinsswap, fallen grundsätzlich unter den Residualartikel des MA, Art. 21 (Andere Einkünfte. In diesen Fällen besteht somit ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Im Ergebnis gilt dasselbe nach Art. 13 Abs. 5 für Zahlungen, die als Entgelt für die Veräußerung einer Forderung einzustufen sind, wie beispielsweise beim Factoring. Verhältnis des Art. 11 zu Missbrauchsbekämpfungsvorschriften. Art. 11 ist ebenso 16 wie Art. 10 eine der Vorschriften des OECD-MA, deren generelles Regelungskonzept grundsätzlich diverse steuerliche Gestaltungschancen und -risiken erzeugt. Diese Chancen und -risiken betreffen grundsätzlich verschiedene Facetten. Zunächst einmal geht es um die schlichte Allokation von Einkünften in einem oder dem anderen Staat und damit um die Ausnutzung des Steuersatzgefälles (s. Rz. 13). Darüber hinaus geht es auch um abkommensrechtlich oder aus nationalem Recht induzierte steuerlich vorteilhafte Asymmetrien, namentlich die one-sided deduction (s. Rz. 14). Des Weiteren geht es um Treaty-Shopping, also die Erzielung von Abkommensvorteilen insbesondere im Quellensteuerbereich über Durchleitungskonstruktionen (Rz. 21). Das OECD-MA sieht zwar nicht für alle diese Fälle spezifische Missbrauchsbekämpfungsvorschriften vor. Insbesondere neuere Abkommen enthalten jedoch typischerweise entsprechende Vorschriften. Diese sind häufig nicht im Abkommen selbst, sondern in Protokollen oder ähnlichen Zusatzvereinbarungen enthalten. Nachfolgend werden die in der Abkommenspraxis gebräuchlichsten, für den Bereich des Art. 11 relevanten spezifischen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften erörtert. Zu betonen ist, dass die Nutzung der Besteuerungskompetenzen aus entsprechenden abkommensrechtlichen Vorschriften nach allgemeinen Grundsätzen immer eine hinreichend präzise gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfordert. Allerdings ist diese aus deutscher Sicht insbesondere in Gestalt von § 50d Abs. 9 EStG (s. Rz. 76) und in Gestalt der allgemeinen Quellensteuertatbestände des § 49 EStG i.V.m. §§ 43 ff. EStG (s. Rz. 36) für die meisten Fälle vorhanden. Durch die mit dem JStG 2013 angestrebte Ausweitung des Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (s. Rz. 12) dürfte überdies eine weitere Ermächtigungsgrundlage für die Bekämpfung der Fälle der one-sided deduction (s. Rz. 14) eingeführt werden, die von § 50d Abs. 9 EStG nicht bekämpft werden.
1 Z.B. § 50d Abs. 9 EStG, s.u. Rz. 76, sowie § 8b Abs. 1 S. 2, 3 KStG (bislang nur für vGA, s. aber Rz. 12). 2 Sogar die zielgerichtete Ausnutzung des Steuersatzgefälles ist bei ökonomischer Minimalsubstanz legitim, s. EuGH vom 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, insbes. Rz. 54, 63, 65, 68, m. Anm. Körner, IStR 2006, 670.
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Art. 11 Rz. 17–19
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c) Einbeziehung hybrider Instrumente 17
Einbeziehung typisch stiller Beteiligungen und anderer hybrider Instrumente in den Dividendenartikel. Vielfach werden in der deutschen Abkommenspraxis in Abweichung vom OECD-MA typische stille Beteiligungen,1 partiarische Darlehen (s. Rz. 73) und vergleichbare hybride Instrumente, die nach der Systematik des OECDMA unter den Zinsartikel fallen würden, in den Anwendungsbereich des Dividendenartikels überführt, indem die entsprechenden Instrumente als Eigenkapital im Sinne des Dividendenartikels definiert werden. Diese Definition gilt dabei teilweise nur für den Outbound-Fall, teilweise bidirektional. Wegen des gegenseitigen Exklusivitätsverhältnisses des Zins- und des Dividendenartikels (s. Rz. 53, 55) greift jedenfalls bei Outbound-Zahlungen damit das 15 %ige Quellenbesteuerungsrecht aus dem Dividendenartikel und nicht das 10 %ige Besteuerungsrecht aus dem Zinsartikel. Vorsichtshalber ist dabei davon auszugehen, dass das für Schachteldividenden niedrigere, nur 5 %ige Besteuerungsrecht aus dem Dividendenartikel in diesen Fällen aus deutscher Sicht nicht anwendbar ist. Der BFH hat jedenfalls für den Fall des Empfängers von Vergütungen aus einer typisch stillen Beteiligung trotz bidirektionaler Einbeziehung in den Dividendenartikel das Schachtelprivileg wegen der nur „fingierten“ Einbeziehung in den Dividendenartikel für generell nicht anwendbar gehalten. Die 25 %ige Beteiligung könne nicht über derartige Instrumente erreicht werden, auch nicht über eine daneben gehaltene 25 %ige Beteiligung am klassischen Eigenkapitalanteil im Sinne des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA (Aktien/Anteile), s. Rz. 76.2 Vorsichtshalber sollte daher davon ausgegangen werden, dass dieses Verständnis auch für Zwecke der Anwendung des Dividendenartikels auf Outbound-Zahlungen aus deutscher Sicht gilt. Die Einbeziehung entsprechender hybrider Instrumente ist aus Sicht des Steuerpflichtigen daher in Deutschland ausschließlich nachteilig, da sie nur für Outbound-Zahlungen aus deutscher Sicht ein höheres Quellenbesteuerungsrecht bewirkt und da im Falle einer Inbound-Zahlung selbst bei Abzugsfähigkeit im Ausland eine one-sided deduction (s. Rz. 14) an der o.g. Rspr. und an § 50d Abs. 9 EStG (s. Rz. 76) scheitert.
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Unbegrenztes Quellenbesteuerungsrecht für hybride Finanzierungsinstrumente. Neuere DBA enthalten regelmäßig eine spezifische Vorschrift zu den Artikeln 10 (Dividenden) und 11 (Zinsen), die häufig folgenden Wortlaut hat: „Ungeachtet der Artikel 10 und 11 können Dividenden und Zinsen in dem Vertragsstaat, aus dem sie stammen, nach dem Recht dieses Staates besteuert werden, wenn sie auf Rechten oder Forderungen mit Gewinnbeteiligung, einschließlich der Einkünfte eines stillen Gesellschafters aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter oder der Einkünfte aus partiarischen Darlehen oder Gewinnobligationen im Sinne des Steuerrechts Deutschlands, beruhen und bei der Ermittlung der Gewinne des Schuldners der Dividenden oder Zinsen abzugsfähig sind.“ Dem Wortlaut nach sind damit Outbound-Zahlungen aus Sicht beider Abkommensstaaten erfasst, vorausgesetzt ist lediglich, dass es sich um eines der genannten hybriden Instrumente handelt und dass die Vergütung beim Schuldner abzugsfähig ist. Insbesondere erfordert eine derartige Vorschrift keine one-sided deduction (s. Rz. 14), sondern allein die Existenz einer abzugsfähigen Vergütung aus einem hybriden Instrument. Aus deutscher Sicht bedeutet dies, dass deutsche Quellensteuer, vgl. §§ 49, 43 ff. EStG, grundsätzlich in ungeminderter Höhe erhoben werden darf (s. Rz. 36 ff.). Die Tatsache, dass eine derartige Abkommensregelung in der Regel lediglich eine Ermächtigung beinhaltet („können“), ändert für die Praxis nichts daran, dass vorsichtshalber davon auszugehen ist, dass von dieser Ermächtigung in aller Regel Gebrauch gemacht wird. d) Switch-over bei abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten
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Art. 23A Abs. 4 OECD-MA und ähnliche Vorschriften. Abkommensrechtliche Freistellungen stehen in der Praxis vielfach unter dem Vorbehalt, dass keine aus Sicht 1 Betroffen sind nach allgemeinen Grundsätzen nur typisch stille Beteiligungen, nicht atypische, die unter den Artikel über Unternehmensgewinne fallen, s.u. Rz. 76 f., 77. 2 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793 m. Anm. Teufel/Hasenberg, IStR 2008, 724.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 19–20 Art. 11
des Steuerpflichtigen vorteilhafte divergierende Anwendung der abkommensrechtlichen Vorschriften durch die beiden Abkommenstaaten erfolgt, dass also kein abkommensrechtlicher Qualifikationskonflikt ausgenutzt wird. In Anlehnung an Artikel 23A Abs. 4 OECD-MA wird demnach vielfach eine switch-over-Klausel in die Abkommen aufgenommen, wobei die Ausgestaltung im Einzelfall nur selten dem OECD-MA entspricht. Nach Art. 23A Abs. 4 OECD-MA erfolgt grundsätzlich der Wechsel zur Anrechnungsmethode, wenn Einkünfte unterschiedlichen Abkommensbestimmungen oder verschiedenen Personen zugerechnet werden, sich dieser Konflikt nicht durch ein Verständigungsverfahren im Sinne des Art. 25 Abs. 3 OECD-MA lösen lässt und infolgedessen eine Nicht- oder Minderbesteuerung eintritt. Dies trifft insbesondere den Fall der abkommensrechtlich induzierten one-sided deduction (s. Rz. 14) durch einen persönlichen oder sachlichen Qualifikationskonflikt. Da aus Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat grundsätzlich diverse Einkünfte freigestellt werden, unter anderem Schachteldividenden, ist eine derartige switch-over-Vorschrift regelmäßig in dem Passus des Methodenartikels enthalten, der Deutschland als Ansässigkeitsstaat betrifft. Für den Fall, dass ein Abkommen eine switch-over-Klausel enthält, bewegt sich § 50d Abs. 9 EStG (s. Rz. 76) innerhalb dieser Ermächtigung und bewirkt daher bezügl. des entsprechenden DBA kein Treaty override (s. allgemein Art. 1 Rz. 107 ff.). Zu betonen ist, dass bei symmetrischer abkommensrechtlicher Behandlung und dennoch asymmetrischer Rechtsfolgen aufgrund nationaler Vorschriften wie § 8b KStG in Deutschland bislang weder der abkommensrechtliche switch-over noch § 50d Abs. 9 EStG eine Besteuerung bewirkt, da eine Freistellung nach nationalen Vorschriften unberührt bleibt. Durch die mit dem JStG 2013 angestrebte Ausweitung des Korrespondenzprinzips in § 8b Abs. 1 Satz 2, 3 KStG (s. Rz. 12) dürfte sich dies allerdings ändern. Damit würde aus Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaats eine Ermächtigungsgrundlage für die Bekämpfung der Fälle der one-sided deduction (s. Rz. 14) eingeführt werden, die von § 50d Abs. 9 EStG nicht bekämpft werden. Der abkommensrechtliche switch-over des § 50d Abs. 9 EStG würde also durch einen switch-over nach nationalem Recht ergänzt, so dass die one-sided deduction aus Sicht Deutschlands als Ansässigkeitsstaat/Staat des Vergütungsempfängers nicht mehr erreicht werden könnte. Für die umgekehrten Fälle, in denen Deutschland der Quellenstaat/Staat des Vergütungsschuldners ist, ist bereits jetzt vielfach aufgrund abkommensrechtlicher Spezialregelungen das Quellenbesteuerungsrecht des Zahlungsstaats nicht begrenzt (s. Rz. 18). Bei substanzieller Quellensteuererhebung bedeutet dies, dass bei Zahlungen aus Deutschland ins Ausland die one-sided deduction aus Gestaltungssicht uninteressant wird, da diese Quellensteuer eine definitive Mehrbelastung darstellt. Wegen der Freistellung beim Zahlungsempfänger ist sie nicht auf dessen Steuerschuld anrechenbar. Im Ergebnis kann dann zwar der Vorteil der Abzugsfähigkeit beim Zahlenden erreicht werden; der Vorteil aus der Freistellung beim Empfänger wird jedoch durch die definitive Quellensteuer weitgehend aufgezehrt. e) Remittance-Klausel Verbreitung in angelsächsischen Jurisdiktionen. In diversen dem angelsächsi- 20 schen Rechtskreis angehörenden Rechtsordnungen werden bestimmte Erträge im Ansässigkeitsstaat nur dann und nur insoweit besteuert, wie sie dorthin überwiesen worden sind. Im UK galt diese Regelung früher für jegliches Auslandseinkommen ansässiger, aber nicht „domizilierter“ Personen. Mittlerweile ist ihr sachlicher Anwendungsbereich dort soweit reduziert worden, dass man faktisch von einer Abschaffung sprechen kann. Nichtsdestotrotz existiert diese Regelung noch in anderen Rechtsordnungen des angelsächsischen Rechtskreises. Entsprechend diesem remittance basis-Konzept sehen viele Abkommen insoweit die Versagung von Abkommensvorteilen im Quellenstaat vor, als infolge einer remittance basis keine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat erfolgt. Insoweit wird also ein abkommensrechtliches Korrespondenzprinzip angestrebt. Der typische Wortlaut einer solchen Klausel ist: „Gilt nach diesem Abkommen für Einkünfte oder Gewinne in einem Vertragsstaat eine Steuervergünstigung und ist nach dem im anderen Vertragsstaat geltenden Recht eine Person hinsichtlich dieser Einkünfte oder Gewinne mit dem Betrag dieser Einkünfte oder Gewinne steuerpflichtig, der in den anderen Staat überwiesen oder dort bezogen Körner
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Art. 11 Rz. 20–21
Zinsen
wird, nicht aber unter Zugrundelegung des Gesamtbetrags dieser Einkünfte oder Gewinne, so ist die nach diesem Abkommen im erstgenannten Staat zu gewährende Steuervergünstigung nur auf den Teil der Einkünfte oder Gewinne anzuwenden, der in dem anderen Staat besteuert wird.“ Aus deutscher Sicht bewirkt eine derartige Klausel für Zahlungen, die in Deutschland abzugsfähig sind, im anderen Abkommensstaat dagegen nur einer remittance Basis-Besteuerung unterliegen, dass deutsche Quellenbesteuerungsrechte aus §§ 49 i.V.m. 43 ff. EStG, insoweit, wie (noch) keine Besteuerung im Ausland erfolgt, keiner Begrenzung unterliegen. Zu betonen ist, dass die remittance-Klausel auch nur für einen Teilbetrag von Einkünften greifen kann. f) Bekämpfung des Treaty-Shopping 21
Einschränkung der Abkommensvergünstigungen (Limitation on Benefits). Neuere Doppelbesteuerungsabkommen enthalten vielfach Klauseln, die darauf zielen, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommen im Wege von Durchleitungskonstruktionen (Treaty-Shopping) zu bekämpfen. Technisch geschieht dies dadurch, dass entsprechende Gestaltungen durch eine Einschränkung aus dem Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen werden. Entsprechende Einschränkungsnormen, sog. Limitation on Benefits-Klauseln, sind vor allem in den US-amerikanischen Abkommen üblich (vgl. zB Art. 28 DBA-USA-Deutschland). Sie werden aber neuerdings zunehmend auch von anderen Staaten verwendet, beispielsweise enthält Art. 21 des DBA Japan-NL eine umfangreiche derartige Klausel. Eine andere Technik verwendet Art. 23 des DBA-Deutschland-Schweiz; dort wird schlicht explizit abkommensrechtlich die Anwendbarkeit der nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften bestätigt; in der Protokollerklärung dazu wird ausgeführt, dass dies nicht nur allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschriften sind, sondern auch die spezifischen nationalen Anti-treatyshopping-Vorschriften Deutschlands und der Schweiz, also § 50d Abs. 3 EStG sowie der Schweizer Bundesratsbeschluss v. 14.12.1962 (s. Rz. 195). Ähnliche Öffnungsklauseln enthalten die gerade abgeschlossenen, demnächst in Kraft tretenden DBA-Spanien, -Luxemburg, -Niederlande, wobei zum Teil eine detaillierter Bezugnahme auf einzelne nationale Regelungen erfolgt, zum Teil eine nur pauschale Bezugnahme. Sämtliche dieser Klauseln sind jedoch dergestalt offen, dass sie keine abschließende Aufzählung der anwendbaren nationalen Missbrauchsbekämpfungsnormen vornehmen. Durch eine derartige Öffnungsklausel wird für die beiden Abkommenstaaten die Diskussion um ein etwaiges Treaty override (s. allgemein Systematik Rz. 148 ff.) im Falle der Anwendung jeweiliger nationaler Missbrauchsbekämpfungsvorschriften obsolet. Aus praktischer Sicht ergeben sich ansonsten jedenfalls aus deutscher Sicht kaum Änderungen, da die deutsche Finanzverwaltung die nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften bislang auch im Falle eines etwaigen Treaty override angewandt hat und da die Rechtsprechung des BFH durch eine möglicherweise zielorientierte Abkommensinterpretation bei bestimmten Qualifikationskonflikten sogar dieselben Rechtsfolgen ohne Treaty override aus den Abkommen selbst hergeleitet hat (s. Rz. 76). Aus praktischer Sicht schützt also nach wie vor am ehesten höherrangiges europäisches Recht vor der Anwendbarkeit typisierender Missbrauchsbekämpfungsvorschriften wie §§ 7 ff. AStG (s. Rz. 41). Klassische Limitation-on-Benefits-Klauseln sind Klauseln, die vor allem auf Durchleitungskonstruktionen zur Erzielung von Quellensteuerreduktionen abzielen, als auf Treaty-Shopping. Limitation-on-BenefitsKlauseln sind im Zusammenhang mit dem Zinsartikel von besonderer Bedeutung. Eine Darstellung ihrer sämtlichen Verästelungen würde den Rahmen der vorliegenden Darstellung sprengen.1 Genügen soll an dieser Stelle der Hinweis auf ihre generelle Technik. Nach den anderen Vorschriften des DBA an sich abkommensberechtigten Personen wird die Abkommensberechtigung grundsätzlich wieder entzogen, soweit nicht einer von mehreren Tests erfüllt ist. Diese alternativ zu erfüllenden Tests enthalten regelmäßig jeweils ein gegabeltes Erfordernis: Einerseits ist Substanz erforderlich, beispielsweise aufgrund der Existenz eines umfangreichen aktiven Geschäftsbetriebs, der Funktion als Konzernzentrale, wegen der Börsennotierung oder wegen der Beherr1 Wegen einer detaillierteren Darstellung s. Prokisch in V/L5, Art. 1 OECD-MA Rz. 121 ff.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 21–22 Art. 11
schung durch im selben Staat ansässige Personen. Andererseits wird daneben regelmäßig verlangt, dass nicht ein konkretes Geschäft künstlich dem substanzstarken Unternehmen zugeordnet worden ist. Anders als der Ausdruck „Limitation-on-Benefits“ vermuten lässt, sind in entsprechenden Klauseln nicht nur einschränkende, sondern im Einzelfall auch erweiternde Klauseln enthalten. Als Konsequenz des Gedankens des Abstellens auf die hinter einer Gesellschaft stehenden Personen wird ausnahmsweise ein Abkommensvorteil auch nur deshalb gewährt, weil ihn diese Personen nach einem anderen DBA ebenfalls erhalten würden, so genannte derivative Vorteile. Beispiel 1: Treaty-Shopping – Bekämpfung durch Limitation-on-Benefits Eine auf Zypern ansässige Mutterkapitalgesellschaft ist 100 %ig an einer niederländischen substanzarmen Tochterkapitalgesellschaft beteiligt. Die Mutterkapitalgesellschaft selbst würde nicht abkommensrechtlich für die Quellensteuerfreiheit von Zinszahlungen aus den USA nach dem DBA Zypern-USA qualifizieren. Für Zinszahlungen aus den USA direkt an die zypriotische Muttergesellschaft würde lediglich eine abkommensrechtliche Quellensteuerbegrenzung auf 10 % greifen. Lösung: Die niederländische Kapitalgesellschaft wird über die Limitation-on-Benefits-Klausel des DBA USA-Niederlande grundsätzlich gleichermaßen von der Quellensteuerfreiheit ausgeschlossen wie ihre zypriotische Muttergesellschaft. Wegen der Substanzarmut der niederländischen Gesellschaft scheitern die diversen (Aktivitäts-/Substanz-)Tests der Limitation-on-Benefits-Klausel, eine originäre Berechtigung nach dem DBA Niederlande-USA zur Quellensteuerfreiheit der Zinszahlungen aus den USA scheidet somit aus. Derivative benefits scheitern an der Nichtberechtigung der zypriotischen Muttergesellschaft zur Quellensteuerfreiheit nach dem DBA USA-Zypern. Gegenbeispiel 2: derivative Vorteile – Ausnahme von den Limitation-on-Benefits Eine deutschansässige Mutterkapitalgesellschaft ist 100 %ig an einer niederländischen substanzarmen Tochterkapitalgesellschaft beteiligt. Die Mutterkapitalgesellschaft ist börsengehandelt und qualifiziert daher originär für die vollständige Quellensteuerfreiheit von Zinszahlungen aus den USA nach der Limitation-on-Benefits-Klausel des Art. Art. 28 Abs. 2 Buchst. c DBA Deutschland-USA (Börsen-Test). Lösung: Die niederländische Kapitalgesellschaft qualifiziert zwar wegen ihrer Substanzarmut nicht originär nach dem DBA USA-Niederlande für die Quellensteuerfreiheit der Zinszahlungen aus den USA, ggf. jedoch derivativ: Die Limitation-on-Benefits-Klausel des DBA USA-Niederlande sieht eine Ausnahme in Gestalt einer derivative benefits-Klausel vor: Da die niederländische Kapitalgesellschaft von einer deutschen Mutterkapitalgesellschaft gehalten wird, die originär nach dem DBA Deutschland-USA für die Quellensteuerfreiheit qualifiziert, wird der niederländischen Gesellschaft grundsätzlich derselbe Vorteil gewährt (equivalent beneficiary test). Zusätzliche Voraussetzung ist aber, dass die niederländische Gesellschaft nachweist, dass sie ihre Einnahmen nicht überwiegend durch abzugsfähige Zahlungen an Dritte weiterleitet, die nicht gleichermaßen zur Quellensteuerfreiheit qualifizieren (base erosion test). In der Praxis stellt die Nachweispflicht aus dem base erosion test für die meisten Konzernfinanzierungsgesellschaften ein nicht überwindbares Hindernis dar. Wegen der Vielzahl von Refinanzierungen und Investoren ist regelmäßig nicht ermittelbar, ob eine schädliche Weiterleitung durch abzugsfähige Schuldzinsen erfolgt oder nicht. Da die Beweislast aber dem Steuerpflichtigen auferlegt ist, trägt er den Nachteil aus dieser Nichterweislichkeit.
Überschießende Tendenz. Limitation-on-Benefits-Klauseln weisen häufig eine 22 überschießende Tendenz auf. Auch Fälle, die gar nicht missbräuchlich sind, werden sanktioniert. Die Bekämpfung des Treaty-Shopping innerhalb der EU durch die Mitgliedstaaten dürfte ohnehin angesichts der EuGH-Rspr.1 außer in Fällen völliger Substanzarmut unzulässig sein. Das dürfte nicht nur für abkommensrechtliche Vorschriften gelten, sondern auch für vergleichbare Regelungen nationalen Rechts wie beispielsweise § 50d Abs. 3 EStG (s. Rz. 39), die aufgrund ähnlich pauschaler Voraus-
1 Der EuGH verpflichtet Mitgliedstaaten sogar dazu, Betriebsstätten dieselben Abkommensvorteile einzuräumen wie Tochtergesellschaften, EuGH v. 21.9.1999 – C-307/97 – Saint-Gobain, Slg. 1999, I-6161. Substanzerfordernisse dürften dabei ähnlich restriktiv zu handhaben sein wie für Zwecke von CFC-Regelungen. Nach dem Maßstab des Urt. des EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, genügt eine nicht völlig künstliche Präsenz, selbst die gezielte Ausnutzung von Steuervorteilen ist dabei nicht schädlich.
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Art. 11 Rz. 22–26
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setzungen dieselbe überschießende Tendenz bei der Bekämpfung des Treaty-Shopping aufweisen. 2. EU-Recht 23
Zinsertragsteuerrichtlinie. Um die rechtmäßige Besteuerung der Zinserträge von Individuen zu sichern, wurde die sog. Zinsertragsteuerrichtlinie1 eingeführt. Sie sieht grundsätzlich einen Informationsaustausch über Zinszahlungen im Gemeinschaftsgebiet im Wege automatisierter Kontrollmitteilungen vor. Ausnahmsweise kann statt des Informationsaustausches eine abgeltende Quellensteuer erhoben werden und deren Aufkommen zu 75 % an den Wohnsitzstaat weitergeleitet werden. Eine derartige abgeltende Quellensteuer erheben Österreich, Belgien und Luxemburg. Der Zinsbegriff des Art. 6 dieser RL ist angesichts der Zielsetzung, private Kapitalerträge zu erfassen, weiter gefasst als der des OECD-MA und der der Zins-/Lizenzrichtlinie (s. Rz. 26). Die EU hat zwecks effektiver Umsetzung der RL inhaltsgleiche Abkommen mit Andorra, Liechtenstein, Monaco und der Schweiz abgeschlossen.2 Die Schweiz erhebt generell auf Zinszahlungen, die von Schweizer Banken geleistet werden, eine 35 %ige Abgeltungssteuer und entspricht damit unter anderem dem mit der EU abgeschlossenen Abkommen, s. Rz. 197.
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Zins-/Lizenzrichtlinie. Für bestimmte Zinszahlungen zwischen bestimmten verbundenen Unternehmen inklusive deren Betriebsstätten ordnet die EU-Zins/Lizenzrichtlinie3 komplette Quellensteuerfreiheit an. Diese RL wurde in Deutschland durch § 50g EStG umgesetzt. Entsprechend der allgemeinen Normenhierarchie, nach der europäisches Recht nationalen Vorschriften vorgeht, hat die RL Geltungsvorrang vor etwaigen für den Steuerpflichtigen weniger vorteilhaften abkommensrechtlichen Regelungen. Da sich europäisches Recht aber grundsätzlich nur zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, bleiben etwaige gegenüber der RL vorteilhaftere abkommensrechtliche Regelungen anwendbar, über die RL/§ 50g EStG hinausgehende Quellensteuerentlastungen und -freistellungen bleiben nach § 50g Abs. 5 EStG unberührt.
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Persönlicher Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie. Das zentrale Problem hinsichtlich der EU-Zins-/Lizenzrichtlinie ist, dass der persönliche Anwendungsbereich dieser RL stark limitiert ist. Erfasst sind gem. Art. 3 Buchst. b der RL grundsätzlich lediglich EU-interne grenzüberschreitende Zahlungen einer Mutterkapitalgesellschaft an ihre mindestens 25 %ige Tochterkapitalgesellschaft und umgekehrt, sowie EU-interne grenzüberschreitende Zahlungen einer solchen Tochterkapitalgesellschaft an eine weitere 25 %ige direkte Tochterkapitalgesellschaft derselben Mutterkapitalgesellschaft. Weshalb nicht über dieses Dreieck direkter Verbindungen hinausgehend sämtliche konzerninterne Zahlungen von der RL erfasst werden, lässt sich nicht sinnvoll begründen. Aus diesem Grund hat beispielsweise Belgien bei der Umsetzung der RL den persönlichen Anwendungsbereich auf EU-interne grenzüberschreitende Zahlungen zwischen sämtlichen direkt oder indirekt 25 %ig verbundenen, in der EU ansässigen Unternehmen ausgeweitet (s. Rz. 102). Diesem Beispiel sind zwar nur wenige andere Mitgliedstaaten gefolgt. Dies liegt aber daran, dass einige generell keine Quellensteuer auf Zinsen erheben, beispielsweise die Niederlande und Luxemburg.
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Sachlicher Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie: Ausschlussmöglichkeit bei gewinnabhängiger Vergütung. Neben dem persönlichen ist auch der sachliche Anwendungsbereich der RL begrenzt, da die Mitgliedstaaten für gewinnabhängige Zahlungen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der RL die Vorteile der RL ausschließen können. Von dieser Möglichkeit pflegen die Mitgliedstaaten jedenfalls dann Gebrauch zu machen, wenn sie nach nationalem Recht für gewinnabhängige Vergütungen generell 1 RL 2003/48/EG des Rates vom 3.6.2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, Abl. EU Nr. L 157/38 v. 26.6.2003. 2 Pöllath/Löbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 9. 3 RL 2003/49/EG des Rates vom 3.6.2003, ABl. EU Nr. L 157, 49, geändert durch die RL 2004/66/EG des Rates vom 26.4.2004, ABl. EU Nr. L 168, 35.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 26–29 Art. 11
Quellensteuerpflicht angeordnet haben. Deutschland unterwirft gewinnabhängige Vergütungen grundsätzlich nach nationalem Recht der Quellenbesteuerung1 und hat dementsprechend bei der Umsetzung der Zins-/Lizenzrichtlinie in § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG eine Ausnahme von der Quellensteuerfreiheit angeordnet. Zinsen, welche auf Forderungen beruhen, die einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners begründen, sind demnach vom Anwendungsbereich des § 50g Abs. 1 EStG ausgenommen. Gewinnabhängig in diesem Sinne sind jedenfalls alle Vergütungen, die sowohl dem Grunde als auch der Höhe und der Fälligkeit nach komplett oder teilweise vom Gewinn des Schuldners abhängen, also nur bei Profitabilität des Schuldners entstehen und in diesem Fall in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Gewinns des Schuldners. Um eine Gewinnbeteiligung zu begründen, ist ausweislich des Wortlauts eine Verlustteilnahme nicht erforderlich. Schließlich ist nicht vom „Ergebnis“ oder „Einkommen“, sondern vom „Gewinn“ die Rede. Umgekehrt beseitigt aber im Grundsatz eine Verlustbeteiligung nicht die Gewinnbeteiligung (zu Ausnahmen s Rz. 30). Eine weitestgehend dem Grunde, der Höhe und der Fälligkeit nach gewinnabhängige Vergütung sehen die verkehrstypischen Erscheinungsformen von Genussrechten, partiarischen Darlehen und typischen stillen Beteiligungen vor, so dass diese ausweislich der Gesetzesbegründung2 unter den Ausschluss des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG fallen. Gewinnabhängig sind des Weiteren Zahlungen, die zwar keine gewinnproportionale Vergütung, aber eine vom Gewinn des Schuldners abhängige höhere oder niedrigere Verzinsung vorsehen,3 beispielsweise in Form gewinnabhängig gestaffelter Verzinsungen. Ökonomisch sind dies schließlich Zahlungen, die sich von der komplett gewinnabhängigen Vergütung nur dadurch unterscheiden, dass die Vergütung lediglich teilweise am Gewinn des Schuldners orientiert ist. Grundsätzlich keine Gewinnabhängigkeit bewirken Wandlungsrechte (s. Rz. 29). Teilweise Gewinnabhängigkeit genügt. „Beteiligt am Gewinn“ bedeutet nach dem 27 üblichen Wortlautverständnis nicht zwingend den Anspruch auf den vollen kapitalquotalen Gewinn, sondern ggf. nur auf einen Bruchteil dieses kapitalquotalen Gewinns. Daher ist auch eine nur teilweise gewinnabhängige Vergütung gewinnabhängig im Sinne des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG. Wegen der hohen Flexibilität in der rechtlichen Ausgestaltung von Genussrechten, stillen Beteiligungen, partiarischen Darlehen, Gewinnobligationen etc.4 sind diverse Kombinationen nicht gewinnabhängiger und gewinnabhängiger Vergütungen denkbar. Liegt nur überhaupt ein dem Grunde und der Höhe nach gewinnabhängiges Element vor, ist bereits insgesamt die Gewinnabhängigkeit im Sinne des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG gegeben, da eine teilweise Gewinnabhängigkeit genügt. Referenzgröße muss aber der Gewinn sein, keine andere Größe. Beispielsweise sind umsatzabhängig bemessene Zinsen nicht „gewinnabhängig“.5 Grundsätzlich genügt auch spartenbezogene Gewinnabhängigkeit. Entsprechend 28 der Überlegung, dass keine volle Gewinnbeteiligung erforderlich ist, genügt auch eine spartenbezogene Gewinnbeteiligung, sofern diese einen Teil des gesamten Gewinns des Schuldners umfasst. Der Ausschluss einer Gewinnabhängigkeit kann sich in diesen Fällen nur dann ergeben, wenn anhand des zusammengefassten Ergebnisses aller Sparten insgesamt gar kein Gewinn vorliegt und dennoch eine Vergütung zu zahlen ist. Dies wird allerdings verkehrstypischerweise durch eine Vereinbarung ausgeschlossen, wonach eine Auszahlung erst im Zeitpunkt der Wiedererreichung der Gesamtprofitabilität erfolgt (s. Rz. 30). Zinsen auf Wandelanleihen/-schuldverschreibungen sind grundsätzlich nicht ge- 29 winnabhängig. Grundsätzlich (zu Ausnahmen s.u. Rz. 80) nicht gewinnabhängig sind nach der Gesetzesbegründung Zinsen auf Wandelanleihen.6 Rechtstechnisch hat dies 1 2 3 4 5 6
Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und c EStG, s.u. Rz. 38. BT-Drucks. 15/3679, 20. Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 72. S.u. ABC der hybriden Instrumente, Rz. 71 ff. Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 72. BT-Drucks. 15/3679, 20, worauf Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 72 verweist.
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Art. 11 Rz. 29–30
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den Hintergrund, dass nach dem deutschen Recht Wandelanleihen in aller Regel bis zur Wandlung wie Fremdkapital und erst ab der Wandlung wie Eigenkapital behandelt werden. Wird vor der Wandlung eine nicht an den Gewinn gekoppelte Vergütung geschuldet, kann man angesichts dieser strikten Trennung Gewinnabhängigkeit ausschließen, indem man gedanklich die Wandelanleihe in eine nicht gewinnabhängig verzinste Forderung einerseits und das eingebettete Derivat, die Kaufoption andererseits zerlegt. Da auf diese Weise Ungleichbehandlungen von Wandelschuldverschreibungen gegenüber Optionsanleihen verhindert werden, bei denen zwei tatsächlich separate handelbare Instrumente gegeben sind, ist die Gesetzesbegründung sachgerecht. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass die Frage, ob die Kaufoption anfangs am Geld, im Geld oder aus dem Geld liegt, bei marktüblicher Preisbildung die Höhe der Vergütung für die Kapitalüberlassung direkt beeinflusst. Beispielsweise wird ein bereits im Geld befindliches Wandlungsrecht typischerweise mit einer Verzinsung kompensiert, die unterhalb derer vergleichbarer Darlehen ohne Wandlungsrecht liegt. Ökonomisch handelt es sich bei zergliedernder Betrachtung um nichts anderes als eine Aufrechnung der Zahlungsströme aus der Verzinsung der Forderung einerseits und aus dem Erwerb des eingebetteten Derivats andererseits. Diese gedachte Aufrechnung bewirkt keine gewinnabhängige Verzinsung des Forderungselements, das gewinnabhängige Element liegt im getrennt zu betrachtenden Derivat. Dem steht auch nicht Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der RL entgegen, wonach die Mitgliedstaaten die Vorteile der RL nicht bei Forderungen gewähren müssen, die den Gläubiger berechtigen, seinen Anspruch auf Zinszahlungen gegen einen Anspruch auf Beteiligung am Gewinn des Schuldners einzutauschen. Einerseits hat von dieser konkreten Ausschlussermächtigung Deutschland keinen expliziten Gebrauch gemacht und andererseits wird bei einer Wandelschuldverschreibung oder Optionsanleihe in aller Regel nicht der Coupon in eine gewinnabhängige Vergütung getauscht, sondern die Kapitalforderung nebst ggf. aufgelaufener Forderungen aus nicht gewinnabhängigen Zinsen in einen Anteil/eine Aktie. 30
Verlustunabhängige Vergütungen sind grundsätzlich nicht gewinnabhängig. Zuzustimmen ist der Auffassung, dass jedenfalls die Zahlung einer Vergütung auch im Verlustfall mit dem Wesen einer Gewinnbeteiligung nicht zu vereinbaren ist.1 Auf den ersten Blick mutet die Vorstellung merkwürdig an, dass durch ein als gewinnabhängig konzipiertes Vergütungsinstrument überhaupt in Verlustsituationen eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vergütung entstehen soll. Praktisch ist dies aber in der Situation denkbar, dass die Vergütung auf den Gewinn einer Sparte bezogen ist, die in einem konkreten Jahr profitabel ist, während bei Gesamtbetrachtung aller Sparten der Schuldner im selben Jahr defizitär ist. Derartige spartenbezogene Instrumente sind nicht ungebräuchlich. Verkehrstypisch ist allerdings bei diesen Instrumenten eine Stundung, d.h. Nichtauszahlung im Verlustjahr nebst Herausschieben der Fälligkeit bis zur Wiedererreichung der Profitabilität des Schuldners insgesamt, d.h. bis zu dem Jahr, in dem der Schuldner wieder insgesamt ein positives Jahresergebnis erzielt. Ein derartiges Herausschieben über mehrere Verlustjahre ist dabei ebenfalls nicht unüblich. Eine solche verkehrstypische Vereinbarung sollte die Gewinnabhängigkeit des Vergütungselements bewirken, während die verkehrsatypische Vereinbarung einer Auszahlung auch in Verlustjahren sie widerlegen würde. Die Tatsache, dass bei Wiedererreichung der Profitabilität in einem bestimmten Jahr noch ein Bilanzverlust aus der Vergangenheit vorliegen kann, ändert nichts an der Gewinnabhängigkeit einer aufgrund der o.g. verkehrstypischen Vereinbarung in diesem Jahr gezahlten Vergütung. Schließlich ist es angesichts der Existenz anderer (Kapital-)Rücklagen auch bei einfachen GmbH-Anteilen nichts unübliches, dass trotz eines Bilanzverlusts jedenfalls nach Gewinnjahren Ausschüttungen aus diesen Anteilen getätigt werden. Dadurch, dass der künftige Anspruch nicht nur der Fälligkeit, sondern auch weiterhin (spartenbezogen) der Höhe nach gewinnabhängig ist, ist der Fall überdies strikt von dem einer Stundungsabrede (s. hierzu Rz. 37) zu unterscheiden. Wie auch in anderem Zusammenhang ist hier zu berücksichtigen, dass das Unternehmenssteuerrecht grundsätzlich nicht an Zahlungsvorgänge anknüpft, sondern an die handelsrechtliche Rech1 Kratzsch, BB 2005, 2603 (2607).
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 30–33 Art. 11
nungslegung, § 5 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 EStG. Das Unternehmenssteuerrecht ist also grundsätzlich nicht cash flow-orientiert, sondern rechnungslegungsbasiert.1 Bei einer bloßen Stundungsabrede ist die Vergütung bereits entstanden, aber nur noch nicht vor Wiedererreichung der Profitabilität fällig. Dahingegen besteht bei einer spartenbezogenen gewinnabhängigen Vergütung, die in einem Verlustjahr nicht ausgezahlt wird, die Möglichkeit, dass durch künftige Verluste der Sparte auch bei Wiedererreichung der Profitabilität insgesamt gar keine Vergütung geschuldet wird. Die Stundungsabrede begründet also nach Realisationsgrundsätzen für den Emittenten bereits eine nach Grund und Höhe gewisse Verbindlichkeit und für den Empfänger einen korrespondierenden Anspruch. Dahingegen begründet eine bei Verlustjahren nicht auszuzahlende, auch der Höhe nach spartenabhängige gewinnbezogene Vergütung allenfalls eine ungewisse Verbindlichkeit für den Emittenten, aber für den Empfänger auf keinen Fall einen gewissen Anspruch. Nach allgemeinen Grundsätzen genügt eine teilweise Gewinnabhängigkeit der Vergütung, um insgesamt Gewinnabhängigkeit zu bewirken (s. Rz. 27). Dementsprechend lässt auch die Kombination eines im o.g. Sinne spartenbezogenen gewinnabhängigen Vergütungselements, bei Gesamtverlusten nicht durch Zahlungen zu bedienenden Instruments mit einem trotz der Gesamtverluste zu bedienenden (fixen) Vergütungselement die Gewinnabhängigkeit insgesamt unberührt. Ausschluss von Eigenkapitalinstrumenten. Von der Ausschlussermächtigung des 31 Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Zins-/Lizenzrichtlinie, wonach ein Mitgliedstaat die Vorteile der RL nicht für Forderungen gewähren muss, die nicht mit einer Bestimmung über die Rückzahlung des Kapitals verbunden sind oder bei denen die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist, hat Deutschland zwar nicht ausdrücklich, aber konkludent bei der Implementierung Gebrauch gemacht. Dies ergibt sich aus der unveränderten Beibehaltung des § 8 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. KStG, da in diesen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen nach deutschem Recht Eigenkapital angenommen wird (zur Abgrenzung s. Rz. 60 ff.) und somit nach deutschem Verständnis keine Zinsen, sondern Dividenden gezahlt werden. Allerdings ergeben sich in diesen Fällen regelmäßig ähnliche Quellensteuervorteile aus Vorschriften über Dividenden, z.B. aus der MTRL2 oder aus abkommensrechtlichen Vorschriften. Ausweitung der Zins-/Lizenzrichtlinie auf die Schweiz. Infolge eines bilateralen 32 Abkommens der EU mit der Schweiz wurde der Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie faktisch auch auf die Schweiz ausgeweitet.3 § 50g Abs. 6 EStG beinhaltet die entsprechende Umsetzung in nationales deutsches Recht. Rechtsfolgenunterschiede zwischen Zins-/Lizenzrichtlinie und abkommensrecht- 33 lichen Regelungen. Selbst wenn Quellensteuerfreiheit sich bereits aus dem Zinsartikel eines DBA ergibt, kann dennoch die Regelung der Zins-/Lizenzrichtlinie/des § 50g EStG von Vorteil sein. Grund dafür ist, dass auf Basis der RL eine Freistellung im Abzugsverfahren nach § 50d Abs. 2 EStG resultiert, Quellensteuerfreiheit nach einem Abkommen dagegen nur durch eine Erstattung nach vorherigem Abzug erreicht wird, vgl. § 50d Abs. 1 EStG. Umgekehrt sind aus deutscher Sicht die nach § 50g Abs. 5 EStG von der RL unberührten weitergehenden abkommensrechtlichen Vorschriften von besonderer Bedeutung für die nach § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG ausgenommenen gewinnabhängigen Zinsen (s. Rz. 26 ff.) sowie für Zahlungen, die nicht in den persönlichen Anwendungsbereich (Rz. 25) der RL fallen. In Abhängigkeit davon, wie andere Mitgliedstaaten die Ausschlussermächtigungen der RL angewandt
1 Zu den weiteren Implikationen dieses Aspekts s. Rz. 37 und Rz. 44. 2 RL 2011/96/EU v. 30.11.2011, ABl. L 345 v. 29.12.2011, 8. 3 Abkommen in Form eines Notenwechsels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Zeitpunkt der Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3. Juni 2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind, ABl. EU 2004 Nr. L 385 S. 51, in Verbindung mit dem Beschluss 2004/912/EG des Rates vom 25. Oktober 2004, ABl. EU 2004 Nr. L 385 S. 50.
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Art. 11 Rz. 33–35
Zinsen
haben, ergeben sich entsprechende Rechtsfolgenunterschiede auch aus Sicht dieser Staaten. 34
Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen keine Quellensteuer im Sinne der Richtlinie. Der EuGH1 hat entschieden, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Schuldzinsen beim Schuldner keine Quellensteuererhebung im Sinne der Zins-/Lizenzrichtlinie ist. Die Urteilsbegründung stützt sich dabei auf die Tatsache, dass die Erhöhung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage beim Schuldner die Zahlung der vereinbarten Zinsen an den Gläubiger der Höhe nach unverändert lässt. Diese Urteilsbegründung ist in ökonomischer Hinsicht verfehlt, da das allgemeine Besteuerungskonzept für Zinsen grundsätzlich einen Abzug beim Schuldner nebst Besteuerung beim Empfänger vorsieht. Durch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung wird insoweit eine Ineffizienz geschaffen, der Schuldner hat theoretisch die entsprechenden Beträge nicht mehr als Vergütung für den Gläubiger zur Verfügung.2 Viel wichtiger ist jedoch, dass in dem EuGH-Urt. keine Auseinandersetzung mit primärem Europarecht erfolgte, obwohl dieses dem sekundären Richtlinienrecht normenhierarchisch vorgeht. RL sind nach der Rspr. des EuGH im Lichte der höherrangigen Grundfreiheiten auszulegen.3 Etwaige von der RL nicht erfasste Bereiche sind somit erst Recht am Maßstab der Grundfreiheiten zu prüfen. Dass der EuGH keine Grundfreiheitenprüfung vornahm, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass der EuGH vom BFH im Vorabentscheidungsverfahren angerufen wurde und dass dabei die vom BFH formulierten Vorlagefragen ausschließlich auf die RL abzielten.4 Da zumindest im realtypischen inländischen Konzernsachverhalt wegen der Existenz einer Organschaft und der damit verbundenen gewerbesteuerlichen Betriebsstättenfiktion (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) bei Zahlungen innerhalb des Inlandskonzerns faktisch keine Schuldzinsen-Hinzurechnung erfolgt, wäre die Frage hochinteressant gewesen, ob darin eine unzulässige Diskriminierung des vergleichbaren grenzüberschreitenden Falls liegt. Diese lässt sich jedenfalls nicht mit dem einfachen Hinweis auf die EuGHRspr. zur grenzüberschreitenden Verlustnutzung ausschließen. Insbesondere halte ich es für unzulässig, diese Diskriminierung als bloße Konsequenz der Organschaft als hinzunehmend zu deklarieren, etwa mit dem Argument, die Organschaft müsse wegen des EuGH-Urt. „Marks & Spencer“5 grundsätzlich nicht grenzübergreifend installiert werden, ein grenzübergreifender Verlustimport sei nach diesem Urt. nur im seltenen Ausnahmefall geboten. Dazu muss man in aller Deutlichkeit sagen, dass es hier nicht um die in „Marks & Spencer“ diskutierte Frage des Verlustimports geht und dass generell eine Flucht in die Organschaftsnormen nicht im Geringsten von der Beachtungsnotwendigkeit europäischen Rechts entbindet. Überdies wurde im EuGH-Urt. „Marks & Spencer“ zu all dem nichts gesagt, da es dort nicht um das System der deutschen Organschaft ging, so dass derartige Überlegungen deutliche Überinterpretationen wären. Es erscheint daher eher fraglich, aus der EuGH-Entscheidung „Marks & Spencer“ abzuleiten, man könne praktisch jede Regelung durch den Import in das Geflecht der Organschaftsvorschriften europarechtskonform machen.6 Es ist vielmehr entsprechend früherer EuGH-Rspr. zu einem gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestand,7 der allerdings seinerzeit noch offen diskriminierend war, angesichts der realtypischen Situationen eine nicht zu rechtfertigende verdeckte Diskriminierung gegeben.
35
Primärrechtliches Verbot der Quellensteuererhebung auf Bruttobasis? Die Vorgaben der Zins-/Lizenzrichtlinie lassen weitergehende europarechtliche Vorgaben, 1 EuGH v. 21.7.2011 – C-397/09 – Scheuten Solar, IStR 2011, 590. 2 Die Problematik ähnelt der Problematik der Quellensteuer, die theoretisch der Gläubiger trägt, dieser aber regelmäßig dem Schuldner durch gross-up überwälzt, falls sie nicht ausgeschlossen werden kann, s.o. Rz. 5. 3 EuGH v. 18.9.2003 – C-168/01 – Bosal, Slg. 2003, I-9409, Rz. 27; Körner BB 2003, 2436. 4 BFH v. 27.5.2009 – I R 30/08, FR 2010, 139. 5 EuGH v. 13.12.2005 – C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10837. 6 Körner, Ubg 2011, 610 (616, zu Zinsschranke, 5 %-Regelung und gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen). 7 EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, Slg. 1999, I-7474, Rz. 38.
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Körner
A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 35–36 Art. 11
wie das allgemeine Diskriminierungsverbot aus den höherrangigen europarechtlichen Grundfreiheiten unberührt (s. Rz. 34). Hinsichtlich der Besteuerung natürlicher Personen hat der EuGH zwar nicht für Zinsen, aber für andere quellensteuerpflichtige Einkünfte entschieden, dass es eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung bewirkt, wenn im Falle eines beschränkt Steuerpflichtigen eine definitive, also nicht erstattungsfähige Quellensteuer auf die Einnahmen und nicht auf die Einkünfte, also auf Brutto- und nicht auf Nettobasis erhoben wird, während bei Gebietsansässigen im Gegensatz dazu nur die Nettobeträge, also die Einkünfte besteuert werden.1 Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Betriebsausgaben befinden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in einer vergleichbaren Situation, da diese Ausgaben unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängen, welche in beiden Fällen in demselben Staat besteuert wird, nämlich demjenigen, der hinsichtlich der Gebietsfremden der Quellenstaat, hinsichtlich der Gebietsansässigen der Herkunftsstaat ist.2 Da anderenfalls ein Liquiditätsnachteil entstünde, welcher auch einen Verstoß gegen Grundfreiheiten begründen kann,3 ist die Möglichkeit einer Erstattung nicht genügend, um einen Verstoß gegen Europarecht zu verhindern. Es muss auch die Möglichkeit einer Freistellung bzw. der teilweisen Nichterhebung der Quellensteuer bei der Glaubhaftmachung voraussichtlicher Ausgaben geben, analog § 50d Abs. 2 EStG. Unklar ist die Rechtslage bei nach DBA-Vorschriften reduzierten Quellensteuersätzen, wie bei Art. 11 Abs. 2 OECD-MA. Es ist davon auszugehen, dass ein Verstoß nur in Betracht kommt, wenn der durch DBA reduzierte Satz höher ist als derjenige, der sich ergäbe, würden die Einkünfte, also die Nettobeträge, zum nicht reduzierten Satz besteuert. Praktisch ist dies allerdings aufgrund der Üblichkeit von Margengeschäften (s. Rz. 2) der Regelfall. 3. Innerstaatliches Recht Quellensteuerfreiheit von Outbound-Zinszahlungen. Nach deutschem Steuer- 36 recht sind Outbound-Zinszahlungen für Darlehen grundsätzlich nicht quellensteuerpflichtig, im Gegensatz zu den meisten vergleichbaren innerdeutschen Zahlungen. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und c EStG, da dort für Outbound-Zinszahlungen nur in bestimmten Ausnahmefällen, nicht aber im Grundsatz Quellensteuerpflicht angeordnet ist. Insbesondere gilt die grundsätzliche Quellensteuerfreiheit nicht nur für festverzinsliche, sondern auch für variabel verzinsliche Darlehen. Damit bei variabler Verzinsung Quellensteuerfreiheit vorliegt, darf es sich aber bei der variablen Verzinsung nicht um eine gewinnabhängige Verzinsung4 handeln. Vielmehr muss die Höhe der variablen Vergütung an eine externe Referenzgröße gekoppelt sein, beispielsweise den Monats- oder Dreimonats-Euribor oder an einen anderen Referenzzins. Mit Ausnahme der Immobiliarbesicherung5 ist die Gestellung von Sicherheiten für die Quellensteuerfreiheit unschädlich. Auch die Nachrangigkeit einer Darlehensverbindlichkeit ist für die Quellensteuerfreiheit unschädlich. Deshalb wird diese generelle Regelung herkömmlicherweise6 insbesondere für die Emission verkehrstypischer Nachrangdarlehen genutzt. Hintergrund dieser allgemeinen Quellensteuerfreiheit „normaler“ Zinszahlungen ist, dass die Refinanzierung der öffentlichen Hand nicht verteuert werden soll. Wäre es beispielsweise der Fall, dass Outbound-Zinsen auf deutsche öffentliche Schuldverschreibungen grundsätzlich quellensteuerpflichtig wären, würden die ausländischen Inhaber dieser Schuldverschreibungen einen gross-up (s. Rz. 5) einfordern, wenn sie entweder mangels Existenz eines DBA oder mangels kompletter Quellensteuerfreiheit nach einem
1 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01 – Gerritse, Ls., 1 sowie Rz. 25–29. 2 EuGH v. 12.6.2003 – C-234/01 – Gerritse, Rz. 27. 3 Vgl. dazu EuGH v. 8.3.2001 – verb. Rs. C-397/98, 410/98 – Hoechst/Metallgesellschaft, Slg. 2001, I-1727. 4 Die Abgrenzung ist m.E. dieselbe wie im Rahmen des § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG, s. Rz. 26 ff. 5 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c) aa). 6 Zur Frage der Quellensteuerpflicht aufgrund der bei Nachrangdarlehen üblichen Stundungsabrede s. Rz. 37.
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Art. 11 Rz. 36–37
Zinsen
DBA die Zinsen gemindert um eine Quellensteuerbelastung erhalten würden. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die grundsätzliche Quellensteuerfreiheit von Outbound-Zinszahlungen auf absehbare Zeit nicht vom Gesetzgeber beseitigt werden dürfte. Da ohnehin viele DBA sowie die EU-Zins-/Lizenzrichtlinie (s. Rz. 24 ff.) für Outbound-Zinszahlungen Quellensteuerfreiheit ermöglichen, ist auch nicht zu befürchten, dass eine Quellensteuerpflicht nur für Zinszahlungen privatrechtlicher, nicht aber öffentlich-rechtlicher Schuldner eingeführt würde. Wünschenswert wäre es allerdings, dass die Quellensteuerfreiheit nicht nur für Outbound-Zahlungen, sondern auch in innerdeutschen Fällen angeordnet würde. Damit würde Deutschland gegenüber den klassischen Emissionsstandorten wie den Niederlanden und Luxemburg in standortpolitischer Hinsicht aufholen und vermutlich gar nicht unbedingt ein geringeres Steuersubstrat generieren, insbesondere für den Fall, dass zugleich durch Einführung eines Steuerabzugs für Eigenkapitalkosten die Eigenkapitalbildung inzentiviert würde (s. dazu Rz. 13). 37
Schädlichkeit einer Stundungsabrede für die Quellensteuerfreiheit von OutboundZinszahlungen. Nach einem nicht in der amtl. Sammlung veröffentlichten BFH-Urt.1 kann sich die Quellensteuerpflicht bereits aus einer Stundungsabrede ergeben. Eine Stundungsabrede beinhaltet die Vereinbarung, dass bei einer Verlustsituation des Schuldners Zinsen zwar geschuldet werden, aber die Fälligkeit dieser Zinsen auf den Zeitpunkt herausgeschoben wird, zu dem der Schuldner wieder profitabel ist. Eine Stundungsabrede bedeutet also keine strikte Gewinnabhängigkeit der Verzinsung nach Grund, Höhe und Fälligkeit. Es handelt sich also um keine klassische gewinnabhängige (partiarische) Vergütung, die in Verlustjahren des Schuldners überhaupt nicht entsteht und in Gewinnjahren des Schuldners einem bestimmten Prozentsatz des Gewinns des Schuldners entspricht. Vielmehr bedeutet eine Stundungsabrede, dass eine Vergütung nicht dem Grunde nach, sondern lediglich der Fälligkeit nach gewinnabhängig ist. Das deutsche Unternehmenssteuerrecht ist wie die Systeme der meisten Staaten grundsätzlich nicht cash flow-orientiert, sondern rechnungslegungsbasiert (s. zu den weiteren Implikationen dieses Aspekts Rz. 30 und Rz. 44). Daher ist eine mangels Fälligkeit lediglich noch nicht zahlungswirksame, aber für einen späteren Fälligkeitszeitpunkt fixierte Zinszahlungsverpflichtung im Grundsatz bereits steuerlich entstanden. Sie unterscheidet sich daher massiv von einer Vergütung, die bei Verlusten gar nicht entsteht. Dieser Unterschied zeigt, dass die Generalisierung des Urt. problematisch wäre. Obwohl keine Gewinnabhängigkeit dem Grunde und der Höhe nach, sondern nur der Fälligkeit nach (Stundungsabrede) vorlag, nahm der BFH im konkreten Fall an, dass es sich nicht um den Normalfall quellensteuerfreier Darlehenszinsen handelte, sondern um den Ausnahmefall quellensteuerpflichtiger Zinsen für ein partiarisches Darlehen. In der Literatur wird zu Recht vertreten, dass die Entscheidung den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls geschuldet ist und dass die Charakterisierung als partiarisches Darlehen im konkreten Fall nur durch das Hinzutreten weiterer Elemente, nicht aber durch die Stundungsvereinbarung an sich begründet wurde.2 Für den Ausnahmecharakter spricht ganz wesentlich, dass mangels Veröffentlichung in der amtl. Sammlung die Finanzverwaltung sich dieses Urt. nicht zu Eigen gemacht hat. Vor diesem Hintergrund kann man in der Praxis jedenfalls in den Fällen, in denen durch ein konkretes DBA komplette Quellensteuerfreiheit von Zinsen angeordnet wird, auch weiterhin in Fällen einer bloßen Stundungsvereinbarung grundsätzlich von der Quellensteuerabführung absehen. Zwar bleiben nach § 50d Abs. 1 EStG Entrichtungspflichten durch DBA-Quellensteuerreduktionen/-befreiungen grundsätzlich unberührt, es gilt der Grundsatz der Abführung nebst Erstattung. Es spricht hier aber vieles dafür, dass gar keine Abführungsverpflichtung besteht. Überdies besteht entsprechend dem Gedanken des Vorrangs des Veranlagungs- vor dem Abzugsverfahren3 bei DBA mit Quellensteuerbefreiung kein echtes ökonomisches Interesse des Fiskus an der Quellensteuererhebung nebst umgehender Erstattung. Daher wäre es grob unbillig, dem Steuerpflichtigen wegen eines „Ausreißer“-Urt. ein aufwändiges Abzugs1 BFH v. 22.6.2010 – I R 78/09, BFH/NV 2011, 12. 2 Rödding/Dann, IStR 2011, 342. 3 BFH v. 28.11.1961 – I 40/60 S, BStBl. III 1962, 107; v. 3.7.1968 – I 191/65, BStBl. II 1969, 4.
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A. Grundaussagen der Vorschrift
Rz. 37–39 Art. 11
und Erstattungsverfahren und vor allem einen Liquiditätsnachteil bei Transaktionen wie beispielsweise verkehrstypischen Nachrangdarlehen aufzuerlegen, die seit Jahrzehnten von allen Beteiligten am Kapitalmarkt als quellensteuerfrei eingestuft worden sind. Quellensteuerpflicht bei Immobiliarbesicherung oder Gewinnabhängigkeit der 38 Vergütung. Für praktisch alle anderen nicht unter Rz. 36 genannten Formen der von Art. 11 erfassten Fremdkapitalüberlassung ordnet das deutsche Recht die Quellensteuerpflicht entsprechender Outbound-Vergütungen an. Quellensteuerpflichtig sind insbesondere Zinserträge aus in Deutschland immobiliarbesicherten Darlehen.1 Hat der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitungssitz oder statutarischen Sitz im Inland, sind quellensteuerpflichtig ferner Zinserträge aus typischen stillen Beteiligungen,2 Wandelanleihen,3 Gewinnobligationen,4 obligationsähnlichen5 und eigenkapitalähnlichen6 Genussrechten sowie Zinssurogate, die bei der Veräußerung der Zinsscheine oder der Wertpapiere im Rahmen von sog. Tafelgeschäften erzielt werden.7 Die Höhe der Quellensteuer beträgt nach § 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG 25 %. Zuzüglich SolZ ergibt sich eine Belastung von 26,375 %. Ist Empfänger der Vergütung eine in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Körperschaft, werden nach § 44a Abs. 9 EStG 2/5 der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer erstattet, so dass anstelle der 25 %igen Belastung eine 15 %ige Belastung tritt; weitergehende Entlastungen aufgrund Abkommens- oder Richtlinienrecht bleiben unberührt. Im Falle der Quellensteuerpflicht durch bloße Immobiliarbesicherung kann im Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie im Ergebnis trotz grundsätzlicher Quellensteuerpflicht nach nationalem Recht Quellensteuerfreiheit von vornherein erzielt werden, da unter den Voraussetzungen der RL die Freistellung im Abzugsverfahren gewährt wird, vgl. §§ 50d Abs. 2, 50g EStG (s. Rz. 33). Für jegliche Form gewinnabhängiger Vergütung, insbesondere also bei typischen stillen Beteiligungen und Genussrechten, ergibt sich jedoch wegen § 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG die Unanwendbarkeit der Freistellung im Abzugsverfahren. Es bleibt selbst im Falle eines die Quellensteuer ausschließenden DBA bei der Abführung nebst Erstattung, § 50d Abs. 1 EStG. Für die Praxis bedeutet dies einen wesentlichen Verfahrensaufwand und Liquiditätsnachteil.8 Bekämpfung des Treaty-Shopping durch § 50d Abs. 3 EStG. § 50d Abs. 3 EStG 39 schließt in bestimmten Fällen Abkommensvergünstigungen aus. Dadurch sollen missbräuchliche Durchleitungskonstruktionen zur Erschleichung von Abkommensvorteilen verhindert werden, sog. Treaty-Shopping. § 50d Abs. 3 EStG zielt dabei auf Quellensteuerreduktionen/-erstattungen auf Outbound-Zahlungen aus deutscher Sicht und betrifft daher unter anderem den Bereich nach nationalem Recht quellensteuerpflichtiger (s. Rz. 38) Zinszahlungen aus Deutschland ins Ausland. Der Grundgedanke des § 50d Abs. 3 EStG ist daher, dass einer in einem ausländischen Staat ansässigen Gesellschaft Abkommens- und Richtlinienvorteile in all den Fällen versagt werden sollen, in denen der Gesellschafter dieser auslandsansässigen Gesellschaft in einem weiteren Staat ansässig ist und im Falle einer direkten Zahlung aus Deutschland an diesen Gesellschafter kein Anspruch auf identische Abkommensoder Richtlinienvorteile bestünde (persönlicher Aspekt) und außerdem die Annahme einer missbräuchlichen Durchleitungsgestaltung nicht unter Substanzgesichtspunkten ausgeschlossen ist (sachlicher Aspekt). Dieser in der Theorie einfache Grundgedanke ist jedoch einer praktikablen und zugleich europarechtsauglichen Umsetzung in hinreichend präzise Voraussetzungen offensichtlich nicht zugänglich, wie die jüngste Entwicklung zeigt. Als Reaktion auf ein Vertragsverletzungsverfahren, wel1 2 3 4 5 6 7 8
§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa S. 1 EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a 2. Halbs. EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.E. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG a.E. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a 1. Halbs. EStG. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG. Zur Frage der Europarechtswidrigkeit der Quellensteuererhebung auf Bruttobasis, die unter anderem diese Fälle betreffen kann, s.o. Rz. 35.
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Art. 11 Rz. 39–40
Zinsen
ches die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hatte,1 sind die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG durch den Gesetzgeber etwas liberalisiert worden.2 Nach wie vor erfordert die (teilweise) Versagung von Abkommens-/ Richtlinienvorteilen nach der (Grund-)Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG die kumulative Erfüllung sowohl einer persönlichen als auch einer sachlichen Komponente. Unverändert ist die persönliche Voraussetzung. Ausgangspunkt ist also, dass die Gesellschafter der auslandansässigen Gesellschaft im Falle einer hypothetischen direkten Zahlung keinen Anspruch auf identische Abkommensvorteile hätten, § 50d Abs. 3 Satz 1, Halbs. 1 EStG. Leicht entschärft wurde die sachliche Komponente des § 50d Abs. 3 Satz 1, Halbs 2 EStG. Zuvor genügte es in sachlicher Hinsicht für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG, wenn entweder für die Einschaltung der Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten oder die ausländische Gesellschaft nicht mehr als 10 Prozent ihrer gesamten Bruttoerträge des betreffenden Wirtschaftsjahres aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielte oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnahm; die Schädlichkeit konnte also über jede einzelne dieser Varianten für sich begründet werden. Nunmehr ist die sachliche Schwelle für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG insofern erhöht worden, als kumulativ erforderlich ist, dass die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen und außerdem kein Escape-Tatbestand erfüllt ist. Alternativ erfüllbare Escape-Tatbestände sind dabei die Existenz wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder die Teilnahme der ausländischen Gesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG). Unverändert erhalten geblieben ist der generelle Escape § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG, wonach alle Gesellschaften ausgenommen sind, die substanziell börsengehandelt sind oder in den Anwendungsbereich des InvStG fallen. Zwar würde die Neufassung der sachlichen Komponente des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG aus Sicht der Steuerpflichtigen theoretisch eine Erleichterung gegenüber der vorherigen Fassung bedeuten. Jedoch sind aus praktischer Sicht im Gegensatz zu dem Escape des § 50d Abs. 3 S. 5 EStG die Escapes des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG trotz der gesetzlichen Änderung immer noch deshalb schwierig zu erfüllen, da die Regelungen eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe3 beinhalten, die Feststellungslast für die entsprechenden Tatsachen der ausländischen Gesellschaft aufgebürdet ist (§ 50d Abs. 3 Satz 4 EStG) und da für Zwecke dieser Escape-Vorschriften ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgebend sind, nicht aber die Verhältnisse nahestehender Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG). Die praktische Schwierigkeit, einen Escape zu bemühen, wird außerdem durch die unverändert beibehaltene Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG erschwert. Danach fehlt es an einer eigenen Wirtschaftstätigkeit, soweit die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt. 40
Europarechtsinkonformität von § 50d Abs. 3 EStG. In der Pauschalität, wie § 50d Abs. 3 EStG Abkommensvorteile ausschließt, ist er gleichermaßen wie entsprechende abkommensrechtliche (Limitation on Benefits-)Regelungen mit der europäischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar (s. Rz. 22). Insbesondere ist angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 50d Abs. 3 Satz 3 EStG in Fällen von Vermögensverwaltung sowie von Outsourcing eine einschränkende europarechtskonforme Interpretation nicht möglich, so dass sich eine Unvereinbarkeit ergibt. Auch ist 1 Europäische Kommission vom 18.3.2010 (2007/4435). 2 Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitRLUmsG), BT-Drucks. 17/7469. 3 Das BMF-Schreiben v. 24.1.2012 – IV B 3 – S 2411/07/10016 interpretiert diese unbestimmten Rechtsbegriffe überwiegend verschärfend und zum Teil durch Verwendung weiterer unbestimmter Rechtsbegriffe – in der Praxis kann beispielsweise niemand sagen, was geschäftsleitende Funktionen und Führungsentscheidungen im Sinne der Tz. 5.3 des Schreibens sein sollen.
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B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Absatz 1)
Rz. 40–42 Art. 11
die Regelung des § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG, die die Schädlichkeit der Nutzung konzerninterner Synergien für Zwecke des § 50d Abs. 3 EStG bewirkt, viel zu weitgehend. Es dürfte dem EU-Recht widersprechen, im Rahmen des § 50d Abs. 3 EStG höhere Substanzanforderungen zu stellen als beispielsweise im Rahmen des § 8 Abs. 2 AStG, dem Substanz-Escape von den deutschen CFC-Regelungen (s. Rz. 41). Bezügl. CFC-Regelungen sind die Vorgaben des EuGH äußerst strikt. Eine ausländische Gesellschaft darf demnach nur dann einer CFC-Besteuerung unterworfen werden, wenn sie in ihrem Sitzstaat keine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit in einer festen Einrichtung über eine gewisse Zeit ausübt. Ist eine solche Präsenz jedoch gegeben, sind sogar steuerliche Motive unschädlich. Eine nicht wirkliche Präsenz, die als einzige bekämpft werden darf, ist gem. dem EuGH-Urt. „Cadbury Schweppes“ praktisch ausschließlich bei bloßen Briefkastengesellschaften anzunehmen.1 Dementsprechend gehen jedenfalls bei EU-internen Sachverhalten die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG viel zu weit. Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist § 50d Abs. 3 EStG europarechtsinkonform. Durch die Umkehr der Feststellungslast nach § 50d Abs. 3 S. 4 EStG wird der Missbrauch als Regelfall angenommen, während die EuGH-Rechtsprechung ihn nur als rare Ausnahme zulässt und auch nur auf Basis eines Einzelfallnachweises durch die Finanzbehörden. Konzernfinanzierung und §§ 7 ff. AStG. Vielfach etablieren multinationale Konzer- 41 ne mit deutscher Obergesellschaft Konzernfinanzierungsgesellschaften im europäischen Ausland. Zunehmend wird diese Gestaltungsstrategie aber auch im Mittelstand gebräuchlich. Regelmäßig sind hinsichtlich dieser Gesellschaften die allgemeinen Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung, nämlich Passivität, Niedrigbesteuerung und Deutschbeherrschung erfüllt. Jedoch ist ebenso regelmäßig innerhalb der EU der Substanz-Escape des § 8 Abs. 2 AStG erfüllt. Auch falls verwaltungsseitig umfangreiche Anforderungen gestellt werden sollten, sind die Einschränkungen derartiger Anforderungen durch die Rspr. des EuGH2 zu beachten, die schließlich Anlass für die Etablierung des § 8 Abs. 2 AStG war. In diesem Sinne hat auch jüngst der BFH entschieden, dass die Ausnutzung von Skaleneffekten und anderen Synergien durch schlanke, geschäftsadäquate Personalausstattung bei umfangreicher, geschäftstypischer Eigenkapitalausstattung nicht den Vorwurf der Substanzlosigkeit begründen darf, wenn im Inland ein vergleichbares Geschäft in ähnlich kosteneffizienter Form betrieben würde.3 Die zum Rückversicherungsgeschäft ergangene Rspr. lässt sich nahezu unverändert auf den Bereich der Konzernfinanzierung übertragen. Entsprechendes gilt auch bezügl. mittelständischer Unternehmensgruppen. Die im Finanzierungsbereich vorhandenen Gestaltungschancen (s. Rz. 14) werden somit innerhalb der EU auch nicht im Wege einer indirekten Vorteilskassation über eine Hinzurechnungsbesteuerung zerstört. Darin liegt aus Gestaltungssicht der entscheidende Unterschied zu Nicht-EU-Sachverhalten, weshalb die Auswahl von Nicht-EU-Standorten für Konzernfinanzierungsgesellschaften jedenfalls in einer Situation mit deutscher Obergesellschaft sehr ungebräuchlich geworden ist (s. insbesondere Rz. 197).
B. Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats (Absatz 1) I. Regelungszweck Unbeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Entsprechend dem 42 international üblichen Besteuerungskonzept für Zinsen sieht Art. 11 Abs. 1 ein grundsätzlich unbeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Zinsgläubigers für aus dem anderen Abkommensstaat gezahlte Zinsen vor. Dabei ist der Ansässigkeitsstaat nach Art. 23A/23B verpflichtet, im Rahmen der üblichen Höchst1 EuGH vom 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, insbes. Rz. 54, 63, 65, 68, m. Anm. Körner, IStR 2006, 670. 2 EuGH v. 12.9.2006 – C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, m. Anm. Körner, IStR 2006, 670. 3 BFH v. 13.10.2010 – I R 61/09, BStBl. II 2011, 249. Besonders instruktiv sind diesbezüglich die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz, FG Nds. v. 13.5.2009 – 6 K 476/06, IStR 2009, 624 = EFG 2009, 1721.
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Art. 11 Rz. 42–46
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begrenzung und per-country-limitation Quellensteuern im Sinne des Art. 11 Abs. 2 anzurechnen. Sinn und Zweck des Art. 11 Abs. 1 ist es, das in den meisten Rechtsordnungen übliche symmetrische Besteuerungskonzept für Zinsen auch in grenzüberschreitenden Fällen umzusetzen (s. Rz. 1), was allerdings vielfach wegen der Entstehung von Quellensteuerüberhängen nicht funktioniert. Durch nicht anrechenbare Quellensteuern entstehen häufig Mehrbelastungen gegenüber vergleichbaren Zinszahlungen innerhalb eines Staates (s. Rz. 2 ff.).
II. Zinsen 43
Zinsen sind Einkünfte aus Forderungen. Nach der Legaldefinition des Art. 11 Abs. 3 bedeutet der Ausdruck „Zinsen“ Einkünfte aus Forderungen jeder Art, s. ausführlich Rz. 53 ff.
44
Begriff der Zahlung als Hilfsbegriff zum Zinsbegriff. Art. 11 Abs. 1 setzt „Zahlung“ der Zinsen voraus. Der Begriff der Zahlung ist nach Art. 11 Rz. 5 OECD-MK sehr weit auszulegen, da er die Erfüllung der Verpflichtung beinhaltet, dem Gläubiger auf die vertragsmäßige oder übliche Weise Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Der Musterkommentar ist an dieser Stelle nur beispielhaft; statt von Geldmitteln sollte man eher von „Geldeswert“ sprechen, Zahlung ist daher jegliche Art der Erfüllung des Zinsanspruchs, wie auch immer sie geschieht.1 Eigenständige Bedeutung gegenüber dem Zinsbegriff könnte der Begriff des „Zahlens“ nur dann haben, wenn er den Zeitpunkt des Besteuerungszugriffs abkommensrechtlich festlegen würde. Dies lässt sich aber Art. 11 nicht in dieser Deutlichkeit entnehmen, da lediglich davon die Rede ist, dass überhaupt gezahlt wird („gezahlt werden“). Nicht gefordert ist, dass die Zahlung vor dem Besteuerungszugriff liegt, dann hätte die Formulierung lauten müssen: „gezahlt worden sind“. Es lässt sich also aus dem Begriff der Zahlung lediglich die Konsequenz ziehen, dass Zinsen, die gar nicht gezahlt werden, weil beispielsweise ein Zinsanspruch annulliert wird oder wirtschaftlich durch Insolvenz des Schuldners (teilweise) seinen Wert verliert, auch nicht besteuert werden sollten. Dies sehen aber die meisten nationalen Steuerrechtsysteme ohnehin vor. Der Zeitpunkt der Ausübung der Besteuerungsrechte aus Art. 11 kann im Übrigen frei durch die jeweiligen Steuerrechtsordnungen geregelt werden.2 Wie im deutschen Steuerrecht kommt es in den meisten Systemen grundsätzlich nicht auf die cash flow-orientierte, sondern auf die rechnungslegungsbasierte Betrachtung an;3 die Verschaffung der (geldwerten) Verfügungsmacht kann insbesondere durch Einräumung eines Anspruchs gegen einen Dritten (z.B. Bank) geschehen.
III. „Stammen“ aus einem Vertragsstaat 45
Abkommensstaaten müssen Quellen- bzw. Wohnsitzstaat sein. Die Anwendung von Art. 11 Abs. 1 setzt voraus, dass die Zinsen aus dem einen Abkommensstaat stammen, dieser also Quellenstaat ist, und dass der andere Abkommensstaat der Ansässigkeitsstaat des Zinsgläubigers ist. Woher Zinsen in diesem Sinne „stammen“, regelt Art. 11 Abs. 5, s. Rz. 90 ff.
IV. Im anderen Vertragsstaat ansässige Person 46
Begriff und Besonderheiten. Die Ansässigkeit richtet sich nach den allgemeinen Kriterien des Art. 1 (s. Art. 1 Rz. 26 ff.). Allerdings ergeben sich trotz Ansässigkeit nach allgemeinen abkommensrechtlichen Kriterien vielfach Anwendungsausschlüsse aus abkommensrechtlichen Sonderbestimmungen (Limitation-on-Benefits, s. Rz. 21) oder aus nationalen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften wie beispielsweise § 50d Abs. 3 EStG (s. Rz. 39 f.).
1 Pöllath/Löbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 14. 2 Pöllath/Löbeck in V/L5, Art. 11 OECD-MA Rz. 17. 3 Zu weiteren Implikationen dieser Betrachtung s.o. Rz. 30 und Rz. 37.
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C. Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Absatz 2)
Rz. 47–50 Art. 11
V. Rechtsfolge: Besteuerung in dem anderen Staat Uneingeschränktes Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats. Liegt der von 47 Abs. 1 beschriebene Standardfall vor, dass der eine Abkommenstaat Quellenstaat der Zinsen ist, der andere Abkommensstaat Ansässigkeitsstaat des Zinsgläubigers, so darf der Ansässigkeitsstaat grundsätzlich die erhaltenen Zinsen in beliebiger Höhe besteuern. Er ist dabei nach Art. 23A/B zur Anrechnung etwaiger Quellensteuer verpflichtet, die im Rahmen des Besteuerungsrechts des Quellenstaats, Art. 11 Abs. 2, erhoben worden ist. Die Quellensteueranrechnung erfolgt in der Praxis allerdings vielfach nicht vollumfänglich, sondern wegen der Üblichkeit des Margengeschäfts nur in geringem Umfang (s. Rz. 2 ff.).1 Keine Anrechnung erfolgt auch, soweit es sich nicht um Quellensteuern, sondern um indirekte Steuern des Quellenstaats handelt, die anlässlich der Fremdkapitalüberlassung oder der Zinszahlung anfallen.
C. Besteuerungsrecht des Quellenstaats (Absatz 2) I. Regelungszweck Partizipation des Quellenstaates im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht. Da 48 Zinszahlungen regelmäßig beim Schuldner steuerlich abzugsfähig sind, ist nur über die Erhebung einer Steuer zu Lasten des Zinsgläubigers eine Partizipation des Quellenstaats am Steuersubstrat möglich. Das generelle Problem ist, dass dieses Besteuerungsrecht auf die Bruttogröße der Zinsen bezogen ist, nicht auf die Nettogröße der Einkünfte, so dass die Ausübung dieses Besteuerungsrechts vielfach Anrechnungsüberhänge und damit Doppelbesteuerung hervorruft (s. Rz. 2 ff.).2 Aus diesem Grund sehen viele DBA in Abweichung vom OECD-MA gar kein Besteuerungsrecht des Quellenstaats mehr vor.
II. Grundsatz: Limitiertes Besteuerungsrecht (Absatz 2 Satz 1) Auf 10 % limitiertes Besteuerungsrecht. Liegt der von Art. 11 Abs. 1 und 2 be- 49 schriebene Standardfall vor, dass der eine Abkommensstaat der Quellenstaat ist und der andere Abkommensstaat der Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten der Zinsen, so ist nach dem OECD-MA (zur Praxis s. Rz. 48) das Besteuerungsrecht des Quellenstaats auf 10 % der Zinszahlungen begrenzt. Während das OECD-MA die Gewährung der Abkommensvorteile im Wesentlichen durch den Begriff des Nutzungsberechtigten auf nicht missbräuchliche Fälle einschränkt, sind in der Abkommenspraxis weitergehende Einschränkungen durch Limitation-on-Benefits-Klauseln gebräuchlich (s. Rz. 21). Ähnliche Einschränkungen können sich aus Regelungen nationalen Rechts wie § 50d Abs. 3 EStG ergeben (s. Rz. 39 f.). Begriff: Nutzungsberechtigter. Indem nicht schlicht auf die rechtliche Position 50 des Zinsgläubigers, sondern auf die ökonomische Position des Nutzungsberechtigten abgestellt wird, werden missbräuchliche Gestaltungen vom Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 2 ausgenommen. Der Begriff des Nutzungsberechtigten ist ein abkommensrechtlicher Begriff, der abkommensautonom, also aus dem Abkommen heraus, auszulegen ist.3 Praxisrelevante Unterschiede zum deutschen Begriff des wirtschaftlichen Eigentums i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO und zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 41 AO ergeben sich allerdings dennoch nicht. Art. 11 Rz. 9 OECD-MK umschreibt den Begriff des Nutzungsberechtigten nur indirekt, ohne ihn exakt zu definieren: Danach wird durch den Begriff des Nutzungsberechtigten deutlich gemacht, dass der Quellenstaat nicht verpflichtet ist, Besteuerungsrechte über Zinsen aufzugeben, nur weil die Einkünfte unmittelbar von einer Person entgegengenommen werden, die in einem Staat ansässig ist, mit dem ein DBA besteht. Diese Stelle des OECD-MK zeigt aber lediglich, dass der Begriff des Nutzungsberechtigten enger ist als der der generell abkommensberechtigten ansässigen Person. Was positiv der Nut-
1 Zur generellen europarechtlichen Problematik s. Rz. 35. 2 Zur generellen europarechtlichen Problematik s. Rz. 35. 3 Vogel in V/L5, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 15.
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Art. 11 Rz. 50–53
Zinsen
zungsberechtigte ist, lässt sich nur indirekt aus den weiteren Ausführungen in Art. 11 Rz. 9 und 10 OECD-MK erschließen: Es ist der ökonomische Zinsempfänger, der abzugrenzen ist von dem bloß vorgeschobenen Intermediär wie beispielsweise einem formalrechtlichen Zinsgläubiger, der nur als Treuhänder, Strohmann oder Durchlaufstelle eingeschaltet ist. Allerdings liegt keine bloße Durchlaufkonstruktion vor, nur weil ein konzerninternes Margengeschäft (s. hierzu allgemein Rz. 2 ff.) getätigt wird, wie es bei Konzernfinanzierungsgesellschaften üblich ist. Chancen und Risiken aus der konzernexternen Aufnahme oder Anlage trägt schließlich die Konzernfinanzierungsgesellschaft, insbesondere wenn die Disposition der Mittel in ihrer Verantwortung erfolgt. Bei nicht konzerninternen Margengeschäften wird schließlich in aller Regel die Nutzungsberechtigung nicht in Frage gestellt, deshalb sollte dies gleichermaßen für das konzerninterne Geschäft gelten. 51
Rechtsfolgen bei Nutzungsberechtigtem in einem Drittstaat. Fallen Nutzungsberechtigter und formalrechtlicher Zinsgläubiger auseinander, ist nicht nur die Begrenzung des Besteuerungsrechts aus dem Abkommen zwischen dem Quellenstaat und dem Ansässigkeitsstaat des formalen Zinsgläubigers unanwendbar. Gleichzeitig ist aber grundsätzlich die Begrenzung des Besteuerungsrechts nach Art. 11 Abs. 2 eines anderen Abkommens anwendbar, nämlich des Abkommens zwischen dem Quellenstaat und dem Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten. Nur wenn zwischen diesen Staaten gar kein Abkommen existiert, kommt es zum unlimitierten Besteuerungsrecht des Quellenstaats.
III. Ausübung des limitierten Besteuerungsrechts (Absatz 2 Satz 2) 52
Einvernehmliche Regelung durch die Behörden beider Abkommensstaaten. Abs. 2 Satz 2 ermächtigt die Behörden der beiden Abkommensstaaten, das Verfahren festzulegen, durch das die Begrenzung des Besteuerungsrechts des Quellenstaats erfolgt. International üblich ist die Erhebung von Quellensteuern. Ob dabei die Begrenzung von vornherein durch Reduktion oder Ausschluss der Abzugsverpflichtung erfolgt, oder ob erst nachträglich dem Zahlungsempfänger die über die Begrenzung des Art. 11 Abs. 2 hinausgehende Quellensteuer erstattet wird, ist nach Abs. 2 Satz 2 den Staaten anheim gestellt. Aus deutscher Sicht ist grundsätzlich die Erhebung nebst späterer Erstattung nach Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung üblich, vgl. § 50d Abs. 1 EStG. Das bedeutet grundsätzlich einen Liquiditätsnachteil. Die diesen Liquiditätsnachteil verhindernde andere Methodik, die Freistellung im Abzugsverfahren, gewährt § 50d Abs. 2 EStG nur für einige Fälle. Insbesondere ist die Freistellung im Abzugsverfahren hinsichtlich der durch europarechtliches Richtlinienrecht erfassten Zahlungen möglich (s. Rz. 33). Da die Quellensteuerpflicht von Outbound-Zinszahlungen nach deutschem Recht nur ausnahmsweise auftritt, dann aber regelmäßig in den vom Anwendungsbereich der Zins-/Lizenzrichtlinie ausgeschlossenen Fällen (z.B. gewinnabhängige Vergütung, s. Rz. 26), ist in diesen Fällen üblicherweise das Verfahren nach § 50d Abs. 1 EStG und damit ein Liquiditätsnachteil die Folge.
D. Zinsbegriff (Absatz 3) I. Regelungszweck 53
Zinsbegriff dient der sachlichen Abgrenzung von anderen Verteilungsnormen. In erster Linie geht es um die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Zinsartikels vom Dividendenartikel, Überschneidungen sollen gem. Art. 11 Rz. 19 OECD-MK grundsätzlich verhindert werden. Die Zinsdefinition des Art. 11 Abs. 3 knüpft an den Begriff der Forderung (Fremdkapital) an, während die Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 an den des Anteils (Eigenkapital) anknüpft (s. Art. 10 Rz. 114 ff.). In beiden Fällen handelt es sich aber um Finanzierung durch Kapitalüberlassung gegen eine Vergütung, was sie ökonomisch sehr ähnlich macht. In Abhängigkeit von der Wahl der unterschiedlichen rechtlichen Struktur als Eigen- oder Fremdkapital gelten jedoch völlig unterschiedliche Besteuerungskonzepte (s. Rz. 1, 11 (Zinsen) und Rz. 12 (Dividenden), zur Kritik s. Rz. 13). Diese formalistische Differenzierung ökonomisch ähnlicher Sach-
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D. Zinsbegriff (Absatz 3)
Rz. 53–55 Art. 11
verhalte ist von extrem hoher Bedeutung für die steuerliche Gestaltungspraxis (s. Rz. 14). Der Zinsbegriff dient aber nicht nur der Abgrenzung gegenüber dem Dividendenartikel, sondern auch der Abgrenzung gegenüber anderen abkommensrechtlichen Verteilungsnormen. Dies betrifft insbesondere ökonomisch zinsähnliche Zahlungen, die aber nicht aufgrund einer Kapitalüberlassung erfolgen, also Zahlungen ohne zu Grunde liegende Forderung. Um derartige Zahlungen handelt es sich bei Zahlungen aufgrund von Zinsderivaten wie beispielsweise Zinsswaps und Zinstermingeschäften (Zinsoptionen etc., s. Rz. 81). Regelmäßig fallen derartige Zahlungen entweder unter Art. 13 Abs. 5 OECD-MA (Veräußerungsgewinne oder unter Art. 21 OECD-MA (andere Einkünfte). In beiden Fällen bedeutet dies ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des Zahlungsempfängers, also den Ausschluss jeglicher Quellenbesteuerung. Abkommensrechtliche Interpretation des Zinsbegriffs. Nach Art. 11 Rz. 21 OECD- 54 MK ist die Definition des Art. 11 Abs. 3 S. 1 erschöpfend, wenn nicht abweichend vom OECD-MA ein Verweis auf das nationale Recht vorgenommen wird. Ausweislich Art. 11 Rz. 21 OECD-MK ist eine solche Verweisung aber grundsätzlich nicht angebracht, da nach der Definition des Art. 11 Abs. 3 Satz 1 praktisch alle Einkunftsarten umfasst sind, die nach dem innerstaatlichen Recht der verschiedenen Staaten als Zinsen gelten, da somit eine größere Rechtssicherheit durch die Unabhängigkeit von Änderungen des innerstaatlichen Rechts geschaffen wird und da in einem MA Verweisungen auf innerstaatliches Recht möglichst zu vermeiden sind. Anders als der OECD-MK dies nahe legt, kommt es aber angesichts der auch vom OECD-MK angenommenen gegenseitigen Exklusivität der Anwendungsbereiche des Zinsartikels einerseits und des Dividendenartikels andererseits indirekt über die Definition des Dividendenartikels praktisch doch auch für den abkommensrechtlichen Zinsbegriff auf die Begrifflichkeiten nationalen Rechts an (s. Rz. 55).
II. Positive Abgrenzung: Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch bei Beteiligung am Gewinn des Schuldners (Absatz 3 Satz 1) 1. Forderungsbegriff a) Abgrenzung des Forderungsbegriffs vom Anteilsbegriff, insbesondere bei Beteiligung am Gewinn des Schuldners: Hybride Instrumente Begriffe stehen in einem gegenseitigen Exklusivitätsverhältnis. Zwar ist ausweis- 55 lich Art. 11 Rz. 21 OECD-MK die Definition des Art. 11 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA erschöpfend (s. Rz. 54). Der für Zwecke des Art. 11 Abs. 3 Satz 1 zentrale Begriff der Forderung ist jedoch innerhalb dieser Vorschrift nicht abstrakt definiert. Es ist lediglich festgehalten, dass weder Gewinnabhängigkeit der Vergütung noch Immobiliarbesicherung der Forderung etwas am Forderungscharakter ändern und dass insbesondere öffentliche Anleihen und Obligationen Forderungen sind. Was den Forderungscharakter abstrakt ausmacht, lässt sich aus Art. 11 Abs. 3 Satz 1 allenfalls induktiv schließen. Aus der beispielhaften Aufzählung von Anleihen und Obligationen lässt sich herleiten, dass eine Forderung generell eine Kapitalüberlassung nebst grundsätzlicher Rückzahlungsverpflichtung beinhaltet. Da aber die Rückzahlungsverpflichtung nur grundsätzlicher Art ist und ihre wirtschaftliche Bedeutung in Abhängigkeit von der Länge der Laufzeit zunehmend in den Hintergrund treten kann, bei Forderungsverzichten sogar überhaupt nicht mehr von Bedeutung ist und da auch bei Eigenkapitalinstrumenten eine Rückzahlung gestaltbar ist, ergeben sich angesichts der ökonomischen Realität erhebliche Abgrenzungsprobleme gegenüber dem sachlichen Anwendungsbereich des Dividendenartikels. Diese Probleme betreffen insbesondere Kapitalüberlassungen, bei denen eine Gewinnbeteiligung vereinbart ist. Diese ist bei vielen Finanzierungsformen üblich, die rechtliche und ökonomische Merkmale von klassischem Eigenkapital und klassischem Fremdkapital kombinieren, sog. hybride Finanzierungsformen. Nach der Zinsdefinition des Art. 11 Abs. 3 Satz 1 sind ausdrücklich gewinnbeteiligte Forderungen vom Anwendungsbereich des Zinsartikels mitumfasst. Nach der Dividendendefinition des Art. 10 Abs. 3 sind neben Aktien, den Aktien steuerlich gleich gestellten Kapi-
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Art. 11 Rz. 55–57